Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, ich eröffne die 213. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich bekanntzugeben:
Der Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten hat mit Schreiben vom 21. Mai gebeten, den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Euratom, Drucksache 3311, an seiner Stelle dem inzwischen eingesetzten 3. Sonderausschuß, Gemeinsamer Markt/Euratom, als federführendem Ausschuß zu überweisen. Mitbeteiligt bleiben die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und für Außenhandelsfragen. Ist das Haus mit dieser Änderung einverstanden? — Das ist der Fall; dann ist so beschlossen.
Mit Rücksicht auf ,die finanziellen Auswirkungen, die sich ergeben, wenn der vom Ausschuß für Fragen ides Gesundheitswesens beschlossenen Fassung des Entwurfseines Gesetzes zur Änderung des Lebensmittelgesetzes, Drucksache 2923, entsprochen wird, schlägt der Ältestenrat auf Anregung des Gesundheitsausschusses dem Hause vor, ,diese Vorlage nach § 96 der Geschäftsordnung dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 23. Mai mitgeteilt, daß die Abgeordneten Ruland und Schneider als Gäste gemäß § 10 der Geschäftsordnung der CDU/CSU-Fraktion beigetreten sind.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 24. Mai 1957 den folgenden Gesetzen zugestimmt:
Gesetz über die Errichtung, Inbetriebnahme, Verlegung, Erweiterung und Finanzierung der Stillegung von Mühlen ,
Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts ,
Viertes Strafrechtsänderungsgesetz,
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die am 26. August 1952 in Bonn unterzeichneten drei Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz, über die Regelung der Forderungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft gegen das ehemalige Deutsche Reich und zum deutschen Lastenausgleich,
Gesetz über Arbeitnehmererfindungen.
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat den folgenden Gesetzen nicht zugestimmt:
Gesetz über allgemeine Höchstgeschwindigkeitsgrenzen für Kraftfahrzeuge,
Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes.
Die Gründe hierfür sind in den Drucksachen 3548, 3549 niedergelegt.
Der Herr Bundesminister für Finanzen hat unter dem 18. Mai 1957 die Kleine Anfrage 353 der Abgeordneten Illerhaus, Schmücker, Stücklen und Genossen betreffend Aufwendungen für Modernisierungsarbeiten beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3554 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 24. Mai 1957 die Kleine Anfrage 354 der Abgeordneten Kühlthau, Dr. Dresbach, Lücke, Dr. Willeke und Genossen betreffend Rückstände in der Erstattung der Verwaltungskosten der gemeindlichen Ausgleichsämter beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3562 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 24. Mai 1957 die Kleine Anfrage 357 der Fraktion der FDP betreffend Privatfliegerei beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3555 verteilt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 24. Mai 1957 gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 des Zuckergesetzes in der Fassung vom 3. Oktober 1951 die Verordnung Z Nr. 2/57 zur Änderung der Verordnung Z Nr. 1/55 über Preise für Zucker und die Verordnung Z Nr. 3/57 zur Änderung der Verordnung Z Nr. 2/55 über die Durchführung eines Frachtausgleichs für Zucker und Zuckerrüben nebst Begründung übersandt. Sein Schreiben liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Ich rufe !auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde .
Der Herr Finanzminister hat gebeten, daß die Fragen 2, 21, 29 und 34 vorgezogen werden möchten, weil er unmittelbar, nachdem er die Fragen beantwortet hat, zu tun hat. Ist das Haus damit einverstanden?
Dann rufe ich zunächst auf die Frage 2 — von Abgeordneten Dr. Arndt
bitte schön. Es handelt sich um die Vergabe von Aufträgen für deutsche Bauten im Ausland an freie Architekten:
Wie erklärt sich die in der Fragestunde der 196. Sitzung am 28. Februar 1957 von der Bundesregierung erteilte Antwort, daß Aufträge für deutsche Bauten im Ausland an freie Architekten „stets" nur „im Einvernehmen" mit dem Bund Deutscher Architekten vergeben würden und auch bei dem Pariser Auftrag für den Herrn Architekten Multhaupt so verfahren sei, angesichts der Tatsache, daß weder die Bezirksgruppe Köln des Bundes Deutscher Architekten im Land Nordrhein-Westfalen noch die Hauptverwaltung des Bundes Deutscher Architekten in Frankfurt (Main) mit dieser Sache befaßt oder um ihr Einverständnis befragt worden sind?
Zieht die Bundesregierung in Erwägung, dem Herrn Architekten Multhaupt auch hinsichtlich der weiteren in Paris notwendig werdenden Wohnungsbauten Aufträge zu erteilen?
Welche Aufträge sind dem Herrn Architekten Multhaupt für Paris zugesagt oder in Aussicht gestellt worden. und an welchen Tagen ist dies geschehen?
Herr Finanzminister bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage 2 ist bereits auf der Tagesordnung der 201. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages vom 4. April 1957 gestanden. Infolge Erkrankung des Herrn Fragestellers konnte sie damals nicht mündlich beantwortet werden und ist inzwischen schriftlich beantwortet worden. Ich darf die schriftliche Antwort bekanntgeben.
Das Einvernehmen mit dem BDA bei der Auswahl der Architekten, die Planungsaufträge für Bundesbauvorhaben erhalten sollen, wird für Bauvorhaben im Inland in der Regel durch die auf Grund des Finanzverwaltungsgesetzes tätigen Landesbauverwaltungen über die Landesgruppen oder Bezirksgruppen des BDA — des Bundes Deutscher Architekten — hergestellt. Für Bundesbauvorhaben größerer Bedeutung, insbesondere für die Bauvorhaben im Ausland, erfolgt die Auswahl der Architekten im allgemeinen durch persönliche Besprechungen zwischen dem Präsidenten des Bundes Deutscher Architekten, Professor Dr. Bartning, und dem Leiter der Bauabteilung des Bundesministeriums der Finanzen, Ministerialdirigent Rossig.
Mit dem Präsidenten des BDA herrscht auch Übereinstimmung, daß für kleinere Baumaßnahmen, wozu auch der Bau von 28 Wohnungen für Botschaftsangehörige in Paris gehört, jüngere Architekten zugezogen werden sollen. Selbstverständlich werden vorher Erkundigungen über die Eignung solcher jungen Architekten eingezogen.
Im vorliegenden Fall ist nach diesem Grundsatz verfahren worden. Bedenken gegen eine Beauftragung bestanden um so weniger, als durch die Anlehnung des Architekten Diplomingenieur Multhaupt an das Büro des bekannten Architekten Diplomingenieur Koerfer und durch die vorgesehene enge Zusammenarbeit mit der Bundesbaudirektion die Gewähr für eine befriedigende Lösung der Planungsaufgabe gegeben ist.
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, dem Architekten Diplomingenieur Multhaupt weitere Planungsaufträge für die in Paris noch außerdem notwendig werdenden Wohnungsbauten zu erteilen. Der Bau von 28 Wohnungen auf einem Grundstück bildet ein in sich abgeschlossenes Bauvorhaben, das keiner weiteren Ergänzung bedarf.
— Ich weiß nicht, was das mit dem Familienminister zu tun, hat.
Für die zusätzlich erforderlichen Wohnungsbauten sollen andere Architekten herangezogen werden. Dem Architekten Multhaupt wurden weitere Aufträge für Paris weder zugesagt noch in Aussicht gestellt.
Ich kann dieser schriftlichen Antwort hinzufügen, daß inzwischen drei andere Architekten für diese Bauaufträge herangezogen wurden.
Eine Zusatzfrage?
Herr Bundesminister, wie vereinbart es sich mit Ihrer Antwort, daß der Bund Deutscher Architekten durch ein Schreiben seines Hauptgeschäftsführers am 16. März 1957 folgendes mitgeteilt hat: „Im vorliegenden Fall ist der Bundesvorstand des BDA. nicht ausdrücklich zur Einschaltung der Architekten Koerfer und Multhaupt, die gemeinsam arbeiten, gehört worden."?
Ich habe gesagt, daß die Besprechungen stattgefunden haben zwischen dem Präsidenten des BDA, Professor Dr. Bartning, und dem Leiter der Bauabteilung in meinem Hause, Herrn Rossig. Sollte Herr Dr. Bartning gefragt werden, so wird er sicher zu einer Bestätigung bereit sein.
Eine weitere Zusatzfrage!
Wittrock ': Herr Bundesminister, bei aller Anerkennung der Förderungswürdigkeit und auch Förderungsbedürftigkeit jüngerer Architekten — glauben Sie, daß es zweckmäßig ist, gerade in Paris mit einem der jüngsten Architekten zu beginnen? Glauben Sie nicht, daß hier weniger die Qualifikation dieses jungen Architekten, sondern mehr die Qualität seines älteren Schwiegervaters maßgebend war?
Ich muß feststellen, daß mir völlig unbekannt ist, wer dieser ältere Schwiegervater sein soll.
Ich rufe auf die Frage 21 betreffend zusätzliche Altersversorgung:
Ist dem Herrn Bundesfinanzminister bekannt, daß in den Kreisen der dienstunfähigen Arbeiter und Angestellten der ehemaligen Heeres- und Marineverwaltung nach der Neuordnung des Redits der Rentenversicherung der Angestellten und Arbeiter eine große Enttäuschung über die volle Anrechnung der Rentenerhöhung auf die bisher gewährten Unterstützungen Platz gegriffen hat? Ist dein Herrn Bundesfinanzminister weiterhin bekannt, daß der Grundgedanke dieser Einrichtung seit ihrer Gründung im Jahre 1898 immer die Schaffung einer zusätzlichen Altersversorgung für den betreffenden Personenkreis war? Ist der Herr Bundesfinanzminister bereit, diesem wohlerwogenen Gedanken einer zusätzlichen Altersversorgung dadurch Rechnung zu tragen. daß er seinen Erlaß vom 16. August 1954 in den Anrechnungsbestimmungen durch einen neuen Erlaß mildert?
Herr Bundesfinanzminister!
Ich darf die Frage wie folgt beantworten:
Die Richtlinien für Unterstützungen ah dienstunfähige Arbeiter und Angestellte der ehemaligen Heeres- und Marineverwaltung bezweckten, dem betroffenen Personenkreis lediglich Zuschüsse zu den Renten aus der Pflichtversicherung zur Invaliden-, Angestellten- und Knappschaftlichen Rentenversicherung zu gewähren. Die Zuschüsse sollten den Berechtigten eine Gesamtversorgung gewährleisten, die sich entsprechend dem Versorgungsrecht der Beamten nach dem letzten Arbeitseinkommen und der ,Dienstzeit errechnet. Als Unterstützung wurde also stets nur der Betrag gewährt, um den die Leistungen aus den gesetzlichen Sozialversicherungen hinter der nach Arbeitseinkommen und Dienstzeit errechneten und garantierten Gesamtversorgung zurückblieb. Die garantierte Gesamtversorgung nimmt an den Erhöhungen der Versorgungsbezüge der Beamten teil. Demgemäß ist sie seither um rund 44 v. H. erhöht worden und wird auch an deren künftigen Erhöhungen teil- nehmen . Infolge dieser Erhöhungen der Versorgung erhalten die Unterstützungsempfänger trotz Anrechnung ihrer Bezüge aus der Sozialversicherung eine höhere Gesamtversorgung, als . ihnen garantiert war. Daß eine Anzahl von Berechtigten keine Unterstützungszahlung mehr erhält, liegt daran, daß die in den letzten Jahren insbesondere durch die Rentenneuregelungsgesetze erfolgten Erhöhungen der Sozialversicherungsleistungen in vielen Fällen höher sind als die etwa 44%ige Erhöhung der in Anlehnung an das Beamtenversorgungsrecht errechneten und garantierten Gesamtversorgungsbezüge.
Die Bundesregierung ist nach dem Zweiten Überleitungsgesetz vom 21. August 1951, das Grundlage der weiteren Zahlungen von Unterstützungen an dienstunfähige Arbeiter und Angestellte der ehemaligen Heeres und Marineverwaltung bildet, an das den bisherigen Zahlungen zugrunde liegende Recht gebunden. Eine Änderung der Unterstützungsrichtlinien kann sie deshalb nicht vornehmen. Vielmehr bedürfte eine Änderung des Rechts einer gesetzlichen Regelung. Eine Änderung des Rechts erscheint aber schon deswegen nicht angebracht, weil dadurch eine ungerechtfertigte Besserstellung der Unterstützungsberechtigten gegenüber den Personen eintreten würde, die lediglich Beamtenversorgung erhalten.
Keine Zusatzfrage. Frage 29:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das evangelische Pfarrhaus in Tutschfelden in Baden zu zerfallen droht, well Bundesstellen es ablehnen, einen Luftschutzstolien der ehemaligen deutschen Wehrmacht zu beseitigen?
Ist die Bundesregierung bereit, Mittel zur Verfügung zu stellen, um das durch polizeiliche Anordnung von Bewohnern geräumte Haus vor dem völligen Einsturz zu bewahren?
Herr Bundesfinanzminister!
Die Frage 29 betrifft das evangelische Pfarrhaus in Tutschfelden.
Der Bundesregierung ist auf Grund eines Schreibens des Evangelischen Oberkirchenrats in Karlsruhe vom 1.1. Dezember 1956 bekanntgeworden, daß das evangelische Pfarrhaus in Tutschfelden in Baden zu zerfallen droht. Es besteht keine Verpflichtung des Bundes, den von der ehemaligen Wehrmacht angelegten Stollen, um den es sich hier handelt, zu beseitigen. Hierbei handelt es sich nach dem vom Evangelischen Oberkirchenrat geschilderten Sachverhalt um einen Kriegssachschaden im Sinne von § 13 Abs. 2 des Lastenausgleichsgesetzes, der ausschließlich nach Lastenausgleichsrecht zu beurteilen ist. Dem Evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe ist durch das Bundesministerium der Finanzen unter dem 8. Februar 1957 schriftlich eingehend dargelegt worden, weshalb eine Verpflichtung des Bundes zur Beseitigung der Stollenanlage und zur Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht anerkannt werden kann.
Die Bundesregierung ist bei dieser Sach- und Rechtslage leider nicht in der Lage, Bundesmittel zur Verfügung zu stellen, um das durch polizeiliche Anordnung von Bewohnern geräumte Gebäude vor Einsturzgefahr zu bewahren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage, Herr Präsident!
Bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesminister, ist in anderen Fällen, bei denen es sich um Anlagen militärischer Art handelt, in gleicher Weise verfahren worden oder hat nicht auch die Bundesregierung die Rechtsnachfolge der ehemaligen Wehrmacht als Besitzerin von Grundstücken usw. angetreten? Besteht daraus nicht auch die Rechtsverpflichtung, dort einzutreten, wo es sich um Wiedergutmachung von Schäden handelt?
Ich kann Ihnen nur versichern, daß in meinem Hause immer nach den gleichen Grundsätzen verfahren wird. Ein Unterschied von Fall zu Fall kann nicht gemacht werden.
Dann Frage 34 - Herr Wittrock in Vertretung von Dr. Arndt:
Hat bei einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs ein Richter mitgewirkt, der zuvor in der gleichen Rechtsmaterie, über die das Geridit zu entscheiden hatte, als Referent des Bundesfinanzministeriums tätig und an der Abfassung der Richtlinien des Bundesfinanzministeriums für diese Steuermaterie maßgeblich beteiligt war?
Welche Erklärung wird die Bundesregierung in dieser Sadie wegen der deswegen erhobenen Verfassungsbeschwerde abgeben?
Fordert das Bundesfinanzministerium, tun sich Nachwuchs für die Finanzgerichtsbarkeit zu sichern, in den Stellenausschreibungen für die Anwärter des höheren Dienstes. daß im voraus unbedingt und unbefristet die Bereitschaft erklärt wird, sich an das Finanzgericht eines Landes übernehmen zu lassen?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister der Finanzen.
Die Frage gliedert sich in zwei Teile.
In einer Verfassungsbeschwerde ist die Behauptung aufgestellt worden, daß bei einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs ein Richter mitgewirkt habe, der zuvor in der gleichen Rechtsmaterie als Referent des Bundesfinanzministeriums tätig und an der Abfassung der Richtlinien für diese Steuermaterie maßgeblich beteiligt gewesen sei. Das Bundesfinanzministerium hat bisher bewußt davon abgesehen, in dieser Sache Rückfragen zu halten, da es der Auffassung ist, daß damit in die Unabhängigkeit der Gerichte und das Recht des Präsidiums des Bundesfinanzhofs, die Geschäftsverteilung und die Zusammensetzung der Senate zu bestimmen, eingegriffen werden könnte. Ich weise in diesem Zusammenhang noch darauf hin, daß nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Richter am Bundesverfassungsgericht von der Ausübung des Richteramtes bei der Entscheidung über die Nichtigkeit eines Gesetzes nicht deswegen ausgeschlossen ist, weil er an der Vorbereitung des Gesetzes als Referent in einem Bundesministerium beteiligt war.
Ob und in welcher Weise die Bundesregierung zu der Verfassungsbeschwerde Stellung nehmen wird, steht noch nicht fest, da die angekündigte ausführliche Begründung der Verfassungsbeschwerde dem Bundesfinanzministerium noch nicht zugegangen ist.
Zu der zweiten Frage: Von den Bewerbern um Finanzassessor-Stellen der Zollverwaltung wird die Bereitschaft für eine Übernahme an die Finanzgerichte der Länder, Gebiet: Zölle und Verbrauchsteuern, gefordert, und zwar aus den folgenden Gründen.
In dem Gebiet der früheren britischen Besatzungszone ist durch die Militärregierungsverordnung Nr. 175 die Zuständigkeit der Finanzgerichte für Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolsachen begründet worden. Es ist damit zu rechnen, daß in absehbarer Zeit auch in den Gebieten der früheren amerikanischen und französischen Besatzungszone die gleiche Regelung in Kraft tritt.
Die sogenannten Zollkammern der Finanzgerichte müssen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können, mit hauptamtlichen Richtern besetzt sein, die die zur Entscheidung stehenden Sachverhalte aus eigener Kenntnis des anzuwendenden Rechts und auf Grund eigener Erfahrung beurteilen können. Dazu sind aber nur Zolljuristen in der Lage, die auf eine mehrjährige Tätigkeit in der Zollverwaltung zurückblicken und damit vielseitige und gründliche praktische Erfahrungen auf zoll-, verbrauchsteuer- und monopolrechtlichem Gebiet gesammelt haben.
Um den Bedarf der Finanzgerichte an Zolljuristen decken zu können, ist es daher zwingend erforderlich, von den Anwärtern für den höheren Dienst der Zollverwaltung im voraus die Bereitschaft zu fordern, sich in den Dienst eines Landes zur Beschäftigung bei einem Finanzgericht übernehmen zu lassen.
Es entspricht nicht der Praxis in der Zollverwaltung, und es ist auch für die Zukunft nicht beabsichtigt, Zollbeamte des höheren Dienstes auf Dauer an Finanzgerichte abzugeben, wenn sie eine Beschäftigung innerhalb des Zolldienstes vorziehen.
Danke sehr!
Ich rufe auf Frage 12, Abgeodneter Dr. Schellenberg, betreffend Auswirkungen der Rentenneuregelung:
Welche Erfahrungen liegen bisher über die Auswirkungen der Rentenneuregelung in bezug auf Ausgabenminderungen in anderen Bereichen der sozialen Sicherung, z. B. Kriegsopferversorgung, Lastenausgleich, öffentliche Fürsorge, vor?
Ich darf die Frage 12 wie folgt beantworten. Im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesarbeitsminister und dem Herrn Bundesinnenminister weise ich darauf hin, daß Erfahrungen über die Auswirkungen der Rentenversicherungsneuregelungsgesetze auf die Ausgaben anderer sozialer Bereiche noch nicht vorliegen. Die bisherigen Teilergebnisse, z. B. bei der Umrechnung der betroffenen Rentenfälle in der Kriegsopferversorgung, lassen nur Schätzungen zu. Erst nach Abschluß der Umrechnungen in einigen Monaten wird sich ein zutreffendes Bild gewinnen lassen.
Für das Gebiet der Kriegsopferversorgung kann ich nur die anläßlich der Beratung des Haushaltsausschusses über die Deckung der 6. Novelle gemachten Angaben wiederholen. Auf Grund von rund 50 v. H. der umzurechnenden Rentenfälle werden die Minderausgaben bei der Kriegsopferversorgung für ein Jahr auf brutto 420 Millionen DM geschätzt. Wegen der in den Rentenreformgesetzen beschlossenen Anrechnungsfreiheit bis zum 30. April 1957 kann aber nicht von einem Jahresbetrag, sondern nur von einer Minderausgabe für 11 Monate ausgegangen werden, die sich weiterhin noch um die natürlichen Abgänge in dem Personenkreis der Kriegsopferversorgung vermindert. Im Zusammenhang mit der Deckung für den Bedarf der 6. Novelle zum Bundesversorgungsgesetz ist daher nur mit einer geschätzten Minderausgabe in Höhe von 370 Millionen DM gerechnet worden.
Bei der Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz ergeben sich keine effektiven Einsparungen, da durch die 8. Novelle die Sätze der Unterhaltshilfe und der Freibetrag bei Renteneinkommen gleichzeitig erhöht worden sind und außerdem der Kreis der Berechtigten erweitert worden ist. Der Mehrbedarf für die Unterhaltshilfe nach der 8. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz wird auf 240 Millionen DM jährlich geschätzt. Dieser Betrag wird die auf Grund der Rentenreformgesetze eintretenden Minderausgaben weit übersteigen. Nähere Angaben liegen zur Zeit hierüber noch nicht vor.
Für das Gebiet der öffentlichen Fürsorge läßt sich die Auswirkung der Rentenerhöhung noch nicht annähernd übersehen. Die etwa eintretende Ausgabenminderung wird aber nur unerheblich sein, da nach den Rentenreformgesetzen Beträge in Höhe der Sonderzuschüsse in der öffentlichen Fürsorge grundsätzlich nicht gekürzt werden dürfen.
Eine Zusatzfrage? — Bitte!
Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß die bisher vorliegenden Teilergebnisse zu der Auffassung berechtigen, daß die Einsparungen um mindestens 50 v. H. höher sein werden als die Schätzungen, die Ihr Ministerium dem Hause bei ,den Beratungen der Rentengesetze mitgeteilt hat, und daß sie insgesamt, bezogen auf ein volles Rechnungsjahr, bei 600 bis 700 Millionen DM liegen werden?
Darüber kann heute nichts ausgesagt werden. Mir ist nichts davon bekannt.
Eine weitere Zusatzfrage?
Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß nach den Erhebungen der sogenannten L-Enquete mindestens 2 Millionen Rentner von den Vorschriften über die Anrechnung betroffen werden, und welche Gedanken hat sich die Bundesregierung darüber gemacht?
Ich sage Ihnen ehrlich: mir sind die Zahlen nicht bekannt.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Bundesfinanzminister, warum hat 31e Bundesregierung die Rentner in dem Rundbrief des Herrn Bundeskanzlers nicht von der Möglichkeit einer Anrechnung der Rentenerhöhungen unterrichtet?
Herr Kollege, soweit ich unterrichtet bin, hat die Bundesregierung in den Ausschüssen bei der Beratung der Gesetze jede mögliche Auskunft .gegeben, und der Ausschuß konnte jede Frage stellen.
Herr Kollege Schellenberg, Sie haben Ihr Soll überschritten.
Frage 1 des Abgeordneten Pusch betreffend Ausgabe von Presseausweisen an Personen, die für Nachrichtenorganisationen der Bundesrepublik arbeiten:
Trifft es zu, daß Personen. die für Nachrichtenorganisationen der Bundesrepublik arbeiten, auf Veranlassung von Bundesbehörden Presseausweise erhielten?
Ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, daß das Ansehen des Journalistenstandes durch solche Personen, die sich auf Grund willkürlich ausgegebener Presseausweise als Journalisten bezeichnen, wiederholt geschädigt worden ist?
Die Antwort erteilt der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen .und Herren! Die Antwort lautet wie folgt: Zur Ausstellung von Presseausweisen sind nach einer Vereinbarung vom 6. November 1950 der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger e. V., der Verband deutscher Zeitschriftenverleger e. V. ,und .der Deutsche Journalistenverband e. V. berechtigt. Alle drei Verbände haben auf meine Frage, ob Angehörige von Nachrichtenorganisationen Presseausweise erhalten hätten, mit Nein geantwortet.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, ist es wohl denkbar, daß ingendwelche Stellen solche Ausweise nachgemacht haben?
Herr Kollege, wenn Sie Anhaltspunkte dafür hätten, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sie mir zur Verfügung stellten, damit ich das nachprüfen kann.
Ja, das kann geschehen, Herr Minister.
Die Fragen 3 und 4 sind zurückgestellt.
Frage 5 des Abgeordneten Dr. Buchar betreffend die Übertragung der Dienstaufsicht über die Gerichte der Länder an ein bestimmtes Ministerium:
Teilt die Bundesregierung die den Mitgliedern des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht in der Ausschußdrucksache Nr. 30 vom 17. September 1956 übermittelte Auffassung der Verfassungsabteilung des Bundesministeriums des Innern, wonach der Bundesgesetzgeber nicht befugt ist, die Dienstaufsicht über die Gerichte der Länder einem bestimmten Ministerium zu übertragen?
Herr Bundesminister des Innern!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort hierauf ist leider etwas kompliziert, Herr Kollege Bucher. Ich muß folgendes vorausschicken: Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags hat im vorigen Jahr alle wichtigen Stellungnahmen zum Entwurf der Verwaltungsgerichtsordnung, die in Schrifttum und Rechtsprechung sowie in Zuschriften an .den Rechtsausschuß enthalten waren, zusammenstellen lassen. Diese Zusammenstellung findet sich in der Ausschußdrucksache Nr. 30, die den Mitgliedern des Rechtsausschusses des Bundestags zugegangen ist.
U. a. war auch das Bundesministerium des Innern um Mithilfe gebeten worden. Es hatte den in Ihrer Frage erwähnten Beitrag geliefert. Die Auffassung 'der Verfassungsabteilung meines Hauses bezog sich auf ein Gutachten von Professor Dr. Bauer, Mainz, das in ,der „Deutschen Richterzeitung" veröffentlicht ist und das der Deutsche Anwaltsverein auch dem Rechtsausschuß selbst zugeleitet hatte.
Sowohl in dem Gutachten von Professor Dr. Bauer als auch in der Stellungnahme der Verfassungsabteilung meines Hauses war, wie Sie in der Frage andeuten, das Problem der Dienstaufsicht über die Gerichte der Länder behandelt worden. Ich kann in diesem Rahmen ,auf die Wiedergabe der beiderseitigen Rechtsauffassungen verzichten.
Sie stellen nun die Frage, wie die Bundesregierung, d. h. das Bundeskabinett, zu der Auffassung meines Hauses steht. Dazu ist zu sagen: Es bestand bisher kein Anlaß, die in dem Gutachten des Professors Dr. Bauer und der Äußerung meiner Verfassungsabteilung erörterte Rechtsfrage dem Bundeskabinett zu unterbreiten und seine Entscheidung herbeizuführen.
Eine weitere Frage!
Glauben Sie nicht, Herr Bundesminister, daß es in absehbarer Zeit erforderlich sein wird, zu dieser Frage die Auffassung des Bundeskabinetts festzustellen?
Das mag sehr wohl sein, Herr Kollege.
Frage 6 — Abgeordneter Kahn-Ackermann — betrifft Durchführung der deutschen Förderungsmaßnahmen in wirtschaftlich entwicklungsfähigen Ländern:
Trifft es zu, daß die Durchführung der deutschen Förderungsmaßnahmen in wirtschaftlich entwicklungsfähigen Ländern durch einen Mangel an geeigneten Sachkennern und geeigneten Kräften behindert wird?
Was die Bundesregierung bisher unternommen, um Fachleute und geeignete Nachwuchskräfte im erforderlichen Umfang für diese Aufgabe heranzubilden?
Für den Bundesaußenminister, der abwesend ist, beantwortet die Frage der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den Herrn Bundesminister des Auswärtigen darf ich wie folgt antworten.
Zu Teil 1 der Frage ist zu ,sagen, daß es tatsächlich nicht immer leicht ist, die für die Durchführung der .deutschen Förderungsmaßnahmen in den wirtschaftlich entwicklungsfähigen Ländern benötigten Sachkenner zu erhalten. Das liegt aber nicht daran, daß es keine Experten für unsere Vorhaben gibt, sondern daran, daß es nicht leicht ist, diese hochqualifizierten Sachkenner, die sich in der Regel in festen und gut bezahlten Positionen befinden, für eine befristete Tätigkeit im Ausland zu gewinnen, wo eben doch zum Teil schwierige Arbeits- und Lebensbedingungen herrschen. Es muß aber gesagt werden, daß bisher noch kein Vorhaben gescheitert ist, weil es nicht gelungen wäre, hierfür einen qualifizierten Sachkenner zu finden.
Auf Teil 2 der Frage ist zu antworten, daß die Bundesregierung bemüht ist, Nachwuchskräften im Ausland Gelegenheit zu einer Vervollkommnung ihrer beruflichen Kenntnisse zu geben. Es wird versucht, deutschen Sachverständigen jüngere Kräfte beizugeben, die auf diese Weise für spätere selbständige Aufgaben geschult werden. Im übrigen sind die Möglichkeiten der Bundesregierung begrenzt, da sie verfassungsrechtlich nicht in der Lage ist, Fachleute und Nachwuchskräfte selbst auszubilden. Sie wird aber bei ihren Förderungsmaßnahmen, insbesondere für den technischen Nachwuchs, auch die Anforderungen berücksichtigen, die sich aus dem ausländischen Bedarf an deutschen Sachkennern im Sinne der gestellten Frage ergeben.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, zu Teil 2 meiner Frage: Hat die Bundesregierung Besprechungen mit den Ländern geführt, um die Zuständigkeitsschwierigkeiten zu überwinden, und ist ein Beamter ,aus dem entsprechenden nachgeordneten Bereich der Bundesregierung bzw. sind andere Personen damit beschäftigt, solche Leute auszusuchen und für die Vorhaben der Bundesregierung zu gewinnen? Oder ist .es so, wie ich Ihren Ausführungen entnehme, daß sich solche Überlegungen erst im Stadium der Planung befinden?
Ich bin nicht in der Lage, .diese Frage zu beantworten.
Frage 7 — Abgeordneter Kahn-Ackermann — betrifft den Rückgang der Zahl der deutschen Studierenden an ausländischen Universitäten:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Zahl der deut schen Studierenden an ausländischen Universitäten in den letz ten vier Jahren um mehrere tausend auf fast die Hälfte zurückgegangen ist?
Wie beurteilt die Bundesregierung diese Entwicklung hin sichtlich der überregionalen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Aufgaben der Bundesrepublik, und gedenkt dit Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern unverzüglich wirksame Maßnahmen einzuleiten, um diese Entwicklung zu steuern?
Wieviel Prozent der Studierenden sollten nach Auffassung der Bundesregierung ein längeres Auslandsstudium absolvieren?
Die Frage wird vom Bundesminister des Innern beantwortet.
Herr Präsident! Ich darf dem Herrn Kollegen folgende, leider etwas lange Antwort geben.
Die Zahl der deutschen Studenten an ausländischen Universitäten ist nicht zuverlässig bekannt. Das Deutsche Studentenwerk hat anläßlich der dritten Sozialerhebung im Sommersemester 1956 festzustellen versucht, wieviel deutsche Studenten bis dahin im Ausland gewesen sind. Diese Erhebung ist jedoch zwangsläufig unvollkommen, da die Ausfüllung des Fragebogens freiwillig war.
Die vom Deutschen Studentenwerk veröffentlichten Zahlen für die deutschen Studenten im Ausland drücken nur scheinbar eine sinkende Tendenz aus. Bei dem langfristigen Auslandsstudium, d. h. einem Studium von mehr als zwei Semestern, ergibt sich allerdings ein Rückgang, und zwar von etwa 8000 im Jahre 1953 auf etwa 5400 im Jahre 1956. Demgegenüber zeigt sich bei den kurzfristigen Studienaufenthalten eine ständig ansteigende Tendenz: 1951 etwa 13 000, 1953 etwa 30 000, 1956 etwa 45 000.
Die Bundesregierung beobachtet die Entwicklung des Studiums von deutschen Studenten im Ausland mit Aufmerksamkeit. Sie hat folgende Förderungsmaßnahmen ergriffen:
Im Rahmen der allgemeinen Studentenförderung, die durch die Bewilligung von 30 Millionen DM im Haushalt 1957 eine wesentliche Verstärkung erfahren wird, ist vorgesehen, daß auch solche deutschen Studenten gefördert werden, die bis zu zwei Semestern im Ausland studieren, sofern dieses Auslandsstudium auf den deutschen Studiengang angerechnet werden kann.
Im Haushalt des Auswärtigen Amts ist bei Kap. 05 02 Tit. 302 ein Betrag von 302 000 DM für das Studium deutscher Studenten im Ausland vorgesehen. Die Abwicklung dieser Stipendien wird durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst vorgenommen.
Schließlich führen die vom Bundesministerium des Innern vergebenen Hochschulstipendien an ausländische Studenten — es handelt sich um 700 000 DM bei Tit. 624 — in steigendem Maße zu Gegenstipendien für deutsche Studenten zum Studium im Ausland. Auch die Erhöhung der vom Auswärtigen Amt für Regierungs- und DAAD-Stipendien — „DAAD" ist der Deutsche Akademische Austauschdienst — an ausländische Studenten zur Verfügung gestellten Mittel auf 3 625 000 DM lassen eine Zunahme der vom Ausland angebotenen Gegenstipendien für deutsche Studenten zum Studium im Ausland erwarten.
Da das Studium eines deutschen Studenten im Ausland auf seiner freien Entschließung beruht und im übrigen das Bedürfnis deutscher Studenten, im Ausland zu studieren, je nach den Fachgebieten verschieden stark ist, ist es nicht möglich,
eine Prozentzahl ,der Studierenden anzugeben, für die ein längeres Auslandsstudium wünschenswert ist.
Eine Zusatzfrage?
Herr Minister, ist der Bundesregierung bekannt, daß der scharfe Rückgang der über zwei Semester im Ausland Studierenden — und um diese handelt es sich im wesentlichen, denn ein darunter liegendes Studium dürfte wohl auch nach Ihrer Auffassung nicht in allen Fachrichtungen ausreichend sein — darauf zurückzuführen ist, daß in den letzten drei Jahren eine große Zahl ausländischer Stipendien, insbesondere amerikanischer Stipendien, die uns zur Verfügung gestellt worden sind, ausgelaufen sind und daß die Bundesregierung bedauerlicherweise keine ausreichende Initiativen entfaltet hat, um dieses Loch zu stopfen?
Die Initiativen, die möglich sind, habe ich, glaube ich, aufgezählt. Im übrigen toile ich nicht Ihre Auffassung, Herr Kollege, daß ein kurzfristiges Studium im Ausland ohne beträchtlichen Gewinn ist.
Ich glaube, daß die Zahlen gerade betreffend das Anwachsen ,des kurzfristigen Studienaufenthalts im Ausland, die ich genannt habe, sehr beträchtlich sind. Es waren im Jahre 1956 etwa 45 000, das ist etwa ein Drittel der in Deutschland an Universitäten und Technischen Hochschulen Studierenden. Diese Zahl geht weit über das hinaus, was zu meinen Studienzeiten üblich war.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß in diesen 45 000 angeblich kurzfristigen Auslandsstudierenden die ganze Zahl derjenigen enthalten ist, die zu irgendwelchen Sommerkursen oder ähnlichen kurzfristigen Kursen im Ausland sind? Diese Zahl ist allerdings sehr hoch. Aber das ist keine Studienlänge, die für unsere Zwecke von Bedeutung ist. Glaubt die Bundesregierung nicht, daß sie ihrerseits dazu beitragen könnte, daß die Zahl der Längerstudierenden vermehrt wird, indem sie versucht, in Zusammenarbeit mit den Ländern an den Universitäten eine Werbeaktion für ein längerdauerndes Auslandsstudium auf den Gebieten zu veranstalten, auf denen sie es für notwendig erachtet?
Ich glaube, Herr Kollege, daß die Zusatzfrage, die Sie stellen, eine Menge komplizierter Probleme gleichzeitig aufwirft. Ich möchte zusammenfassend nur folgendes sagen. Ich meine, daß wir im Zuge der steigenden Studienförderung, die gerade während dieser Haushaltsberatungen eine Rolle spielt, auch eine beträchtliche Förderung des Auslandsstudiums werden ermöglichen können.
Die Frage 8 — Abgeordneter Schmitt — betrifft die Gestaltung der Schmuckblätter für Glückwunschtelegramme:
Ist der Herr Bundespostminister bereit, die vielfach als wenig zureichend angesehene Gestaltung der Schmuckblätter für Glückwunschtelegramme zu verbessern?
Die Frage beantwortet der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Schmitt, Ihre Frage kann ich mit einem Ja beantworten. Es ist beabsichtigt, einen großen Teil der jetzigen Telegrammschmuckblätter durch andere zu ersetzen. Für die Gestaltung der neuen Schmuckblätter sollen anerkannte Werke zurückliegender Kunstepochen verwendet werden. Der Auftrag auf Herstellung des ersten Schmuckblattes dieser Art ist bereits erteilt.
Die Frage 9 — Abgeordneter Josten — betrifft die Verschmutzung des Rheins und seiner Nebenflüsse:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die weitere Verschmutzung des Rheins und seiner Nebenflüsse zu verhindern, nachdem die bis jetzt getroffenen Maßnahmen nicht genügen und die gesundheitliche Gefährdung weiter zunimmt?
Der Herr Bundesminister für Verkehr wird die Frage beantworten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Bundestag liegt, wie dem Hohen Hause bekannt ist, seit einigen Monaten der Entwurf eines Gesetzes zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen vor. Nach Verabschiedung dieses Gesetzes kann der von der Bundesregierung aufgestellte Sanierungsplan für den Rhein in Kraft gesetzt werden. Er gewährleistet auf Grund eingehender jahrelanger Forschungsarbeit der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz und der Wasser- und Schiffahrtsdirektionen der Rheingebiete eine ausreichende Klärung des Abwassers, das dem Rhein unmittelbar oder durch seine Nebenflüsse zugeleitet wird. Ohne die Grundlage des Reinhaltungsgesetzes kann einer weiteren Verschmutzung des Rheins nicht wirksam entgegengetreten werden.
Auch im angrenzenden Ausland sind in den letzten Jahren entsprechende Vorschriften erlassen worden. Die Zusammenarbeit im Rahmen der Internationalen Kommission zum Schutze des Rheins gegen Verunreinigung ist durchaus erfolgreich verlaufen.
Eine Zusatzfrage?
Ist der Herr Minister auch bereit, bei den Verhandlungen darauf hinzuwirken, daß die Schiffe anderer Nationen auf dem Rhein Rückstände von Öl und flüssigen Brennstoffen nicht mehr in das Wasser ablassen?
Dias ist durch die Vereinbarungen im Rahmen dieser Kommission bereits geregelt, wird durch die Rheinschiffahrtskommission festgesetzt und ist auch bereits von uns in Verordnungen festgelegt worden. Im deutschen Rheingebiet ist das nicht erlaubt.
Noch eine Frage?
Eine letzte Frage. Zu welchem Zeitpunkt, rechnet der Herr Minister, können diese Verordnungen in Kraft treten?
Das hängt zum größten Teil davon ab, wann der Bundestag das Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen verabschieden wird.
Die Frage 11— Frau Abgeordnete Schanzenbach — betrifft den Autobusverkehr zwischen Kehl und Straßburg:
Welche Schritte hat die Bundesregierung auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 22. März 1957 zur Einrichtung eines Autobusverkehrs zwischen Kehl und Straßburg unternommen?
Die Antwort erteilt der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Deutsche Bundesbahn bemüht sich bereits seit dem Jahre 1953, die Bahnbuslinie Bad Griesbach—Appenweier nach Kehl—Straßburg zu verlängern.
Als die Verhandlungen der örtlichen Stellen zu keinem Ergebnis führten, hatte der Bundesverkehrsminister mit Schreiben vom 2. April 1955 das französische Verkehrsministerium gebeten, den Antrag der Bundesbahn bei den französischen Genehmigungsbehörden zu unterstützen. Das französische Verkehrsministerium hat schließlich nach längeren Verhandlungen am 9. Juni 1956 ablehnend geantwortet und nur gesagt, daß die Stadt Straßburg den Bau einer Wartehalle unmittelbar an der Zufahrt der Kehler Brücke in Erwägung ziehen wolle, um den Reisenden das Umsteigen von den Fahrzeugen der Bundesbahn in die Straßenbahnfahrzeuge der Stadt Straßburg und umgekehrt zu erleichtern. Mit dem Bau der Wartehalle ist aber noch nicht begonnen worden.
1956 hat daraufhin die Bundesbahndirektion Karlsruhe erneut mit der Städtischen Straßenbahn Straßburg wegen der Verbesserung des StraßenPersonenverkehrs zwischen Kehl und Straßburg verhandelt. Von französischer Seite wird die ablehnende Haltung neuerdings mit den ungeeigneten Straßenverhältnissen und der nicht ausreichenden Fahrbahnbreite auf der Brücke zwischen Kehl und Straßburg begründet.
Der Bundesminister für Verkehr, die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Zentrale für Fremdenverkehr sowie alle örtlich zuständigen Behörden und Organisationen bleiben weiterhin um die Einrichtung eines Kraftomnibusverkehrs zwischen Kehl und Straßburg nachdrücklich bemüht.
Eine Zusatzfrage? — Keine Zusatzfrage.
Frage 13 — des Abgeordneten Ritzel — betrifft organisatorische Maßnahmen für die Blutgruppenbestimmung:
Sind die In Aussicht gestellten organisatorischen Planungen und Maßnahmen für die Bestimmung der Blutgruppe und Erteilung eines Ausweises zum Schutze der Staatsbürger zu einem positiven Abschluß gelangt, und welche Vorschläge macht die Bundesregierung hinsichtlich der Kostendeckung?
Die Antwort gibt der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet wie folgt. Die allgemeine Einführung eines Dokuments, das die wichtigsten Angaben über die Blutgruppenzugehörigkeit und gegebenenfalls auch über die aktive Tetanusimpfung enthalten soll, setzt voraus, daß sich die daran interessierten Vereinigungen auf ein einheitliches Muster einigen. Das ist leider noch nicht der Fall. Mit Hilfe des Ausschusses für Gesundheitliche Volksbelehrung, dem die meisten der hier in Betracht kommenden Vereinigungen korporativ angehören, bin ich bemüht, die Koordinierungsbestrebungen zu fördern. Erst nach Abschluß dieser von den Vereinigungen noch zu leistenden Vorarbeit wird es möglich sein, seitens der Bundesregierung zu der Frage der Übernahme von Kosten auf die öffentliche Hand im Benehmen mit den Ländern Stellung zu nehmen.
Eine Zusatzfrage?
Ist dem Herrn Minister bekannt, daß Herr Staatssekretär Bleek vor einigen Monaten schon dieselbe Antwort gegeben hat, aber damals etwas positiver erklärt hat: ,.Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn diese Planungen bald zu einem positiven Abschluß gelangten; nötigenfalls wird sie im Einvernehmen mit den Ländern und den in Frage kommenden Organisationen entsprechende Maßnahmen ergreifen"? Wann wird die Bundesregierung die in dieser Frage notwendigen „entsprechenden Maßnahmen" endlich ergreifen?
Herr Kollege, ich hatte gesagt, daß wir bemüht sind, die in Betracht kommenden Vereinigungen zu einer einheitlichen Auffassung zu bringen. Sie werden mir vielleicht darin zustimmen, daß das ein wesentliches Stück Vorarbeit ist, das alles andere sehr erleichtern wird.
Auf der anderen Seite sind die Schwierigkeiten auf einem solchen Gebiet — einem sehr neuen Gebiet mit nicht allzu vielen internationalen Vergleichbarkeiten — recht beträchtlich, so daß ich einen Zeitpunkt dafür, wann wir etwa einen anderen Weg einschlagen würden, heute zu meinem Bedauern nicht nennen kann.
Frage 15 ist zurückgestellt.
Frage 16 — des Abgeordneten Dr. Pohle — betrifft die Beschlagnahme deutschen Vermögens in den Vereinigten Staaten:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung. im Zuge der jüngsten Aktivität des US-Senats hinsichtlich der Gesetzentwürfe, die das beschlagnahmte deutsche Vermögen zum Gegenstand haben, zur Verwirklichung der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 27. Februar 1955 — Umdruck 296 — und der seitens des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes am 12. April 1956 vor dem Bundestag ausgesprochenen Erwartungen nochmals bei der US-Regierung mit Nachdruck ihren Standpunkt einer gerechten, d. h. die Prinzipien der Unverletzlichkeit des privaten Eigentums beachtenden Lösung zu vertreten?
Die Frage beantwortet in Vertretung des Herrn Bundesministers des Auswärtigen der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den Herrn Minister des Auswärtigen habe ich folgendes zu antworten:
Bei ihren Bemühungen um Rückgewinnung des deutschen Auslandsvermögens muß die Bundesregierung berücksichtigen, daß diese Frage seit geraumer Zeit Gegenstand parlamentarischer Erörterungen im amerikanischen Kongreß ist. Seit der Aussprache in diesem Hohen Hause im April des letzten Jahres, auf die Herr Abgeordneter Dr. Pohle in seiner Anfrage Bezug nimmt, hat der Herr Bundeskanzler gleichwohl erneut, und zwar bei seinem Besuch in den Vereinigten Staaten im Sommer 1956, Herrn Dulles persönlich sein besonderes Interesse an einer Regelung der Vermögensfrage bekundet. Der amerikanische Kongreß hat noch nicht entschieden. Für seine Entscheidung hat die Auffassung der amerikanischen Regierung naturgemäß besonderes Gewicht. Daher beabsichtigt der Herr Bundeskanzler, auch während seines derzeitigen Besuches in den Vereinigten Staaten seinen Wunsch nach einer befriedigenden Regelung dieser Frage zu wiederholen.
Ich darf in diesem Zusammenhang begrüßen, daß auch Herr Abgeordneter Ollenhauer bei seinem Besuch in den Vereinigten Staaten die Aufmerksamkeit der amerikanischen Öffentlichkeit auf diese Frage gelenkt und somit zum Ausdruck gebracht hat, daß es hierbei in der deutschen Öffentlichkeit nur eine Meinung gibt.
Eine Zusatzfrage? — Keine Zusatzfrage.
Dann Frage 14 — des Herrn Abgeordneten Ritzel; Herr Bundespostminister, die ist auch in Ihrer Zuständigkeit — betreffend Anbringung einer Gedenktafel an dem Geburtshaus des Erfinders des Telefons:
Laut Presseberichten hat ein Mitglied des Stadtrats von Gelnhausen erklärt, daß die Deutsche Bundespost es ablehne, sich an den Kosten für die Anbringung einer Gedenktafel an dem kürzlich restaurierten Geburtshaus des Erfinders des Telefons, Philipp Reis, in Gelnhausen zu beteiligen.
Ich frage den Herrn Bundespostminister, ob diese Mitteilung den Tatsachen entspricht und, wenn dies der Fall sein sollte, ob er diese Haltung der Bundespost deckt.
Herrn Abgeordneten Ritzel darf ich folgende Antwort geben: Zum ersten Teil Ihrer Frage kann ich nur bestätigen, daß die erwähnte Pressemitteilung den Tatsachen entspricht.
Zum zweiten Teil ist auf folgendes hinzuweisen: Die Deutsche Bundespost hat im Jahre 1956 den Antrag ,des Magistrats der Stadt Gelnhausen, die Kosten für eine Gedenktafel am restaurierten Geburtshaus zu übernehmen, abgelehnt. Die verantwortlichen Herren der Postverwaltung ließen sich dabei von der Überzeugung leiten, daß Idle Deutsche Bundespost ihren selbstverständlichen Verpflichtungen, des Erfinders Philipp Reis ehrend zu gedenken, durch folgende Beiträge zur Ehrung des Erfinders Genüge getan habe. Sie hat ,das ehemalige Wohnhaus von Philipp Reis in Friedrichsdorf im Taunus im alten Baustil erneuern und darin eine Philipp-Reis-Gedenkstätte errichten lassen sowie für diese Gedenkstätte verschiedene ReisVersuchsgeräte und Erinnerungsstücke erworben. Ferner ist eine Philipp-Reis-Plakette gestiftet und ein Buch „75 Jahre Fernsprecher in Deutschland", in dem die Leistungen ,des Erfinders Philipp Reis gewürdigt werden, herausgegeben worden. Darüber hinaus hat die Deutsche Bundespost für die PhilippReis-Schule in Gelnhausen ein Relief gestiftet.
Ich glaube, daß die Deutsche Bundespost hiermit ihren selbstverständlichen Verpflichtungen, des Erfinders Philipp Reis zu gedenken, Genüge getan hat, und konnte daher zu meinem Bedauern der Bitte des Magistrats der Stadt Gelnhausen, für die Außenfassade des Geburtshauses von Philipp Reis eine Gedenktafel zu stiften, nicht entsprechen.
Eine Zusatzfrage?
Soll das heißen, Herr Bundespostminister, daß damit der zweite Teil meiner Frage in dem Sinne beantwortet ist, daß der Herr Bundespostminister Haltung der Deutschen Bundespost deckt, wonach die Deutsche Bundespost weder 30 DM noch den Höchstbetrag von 400 DM für die Anbringung einer Tafel am Geburtshaus von Philipp Reis in Gelnhausen erübrigen kann?
Herr Kollege Ritzel, es geht hier nicht darum, eine Auffassung zu decken. Meine Bemühung war, die vor meiner Amtszeit getroffene Entscheidung zu erklären. Im übrigen bin ich natürlich der Meinung, ,daß der Magistrat der Stadt Gelnhausen ebenso wie die Deutsche Bundespost in der Lage wäre, die Mittel zur Verfügung zu stellen.
Eine weitere Zusatzfrage?
Da in dem zweiten Teil meiner Anfrage ausdrücklich gefragt ist, ob der Herr Bundespostminister, also der heutige Bundespostminister, die Haltung der Bundespost deckt, darf ich den Herrn Minister fragen, ob ihm bekannt ist, daß der Magistrat von Gelnhausen für die Pflege des Geburtshauses von Philipp Reis seinerseits ganz erhebliche Mittel aufgewandt hat und daß es sich hier mehr um einen symbolischen Akt der Deutschen Bundespost hätte handeln sollen.
Ich kann, Herr Kollege Ritzel, diese Frage nicht konkret beantworten. Aber ich meine, es müßten sich Mittel und Wege finden lassen, zwischen dem Magistrat der Stadt Gelnhausen und der Deutschen Bundespost in dieser Angelegenheit eine Brücke zu schlagen.
— Herr Wehner, bitte, unterschätzen Sie die Symbolik nicht!
Frage 17 — Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann —: Errichtung einer technischen Lehranstalt in Indien:
In welchem Stadium befinden sich die Maßnahmen zur Errichtung einer technischen Lehranstalt In Indien, deren Stiftung der indischen Regierung von der Bundesregierung zugesagt wurde?
Zu welchem Zeitpunkt kann mit der Einweihung dieser technischen Lehranstalt gerechnet werden?
Die Frage wird beantwortet vorn Bundesminister des Auswärtigen, in seiner Vertretung dem Herrn Minister für das Post- und Fernmeldewesen.
Ich darf die Frage des Herrn Kollegen Kahn-Ackermann wie folgt beantworten:
Im Anschluß an das Angebot der Bundesregierung zur Errichtung einer technischen Lehranstalt im vergangenen Jahr ist im Einvernehmen mit der indischen Regierung eine deutsche Sachverständigendelegation unter Leitung von Herrn Staatsminister Professor Dr. Rucker nach Indien gereist, um an Ort und Stelle die Bedingungen zu prüfen, unter denen das deutsche Angebot verwirklicht werden kann. Die Kommission hat im Februar dieses Jahres ihre Vorschläge für die Errichtung der Lehranstalt festgelegt und dem Auswärtigen Amt übergeben. Die Vorschläge liegen den weiteren deutschen Arbeiten, die im engen Einvernehmen mit den zuständigen indischen Regierungsstellen durchgeführt werden, zugrunde. Sie enthalten einen genauen Zeitplan, nach dem Ende 1959 mit dem Beginn des Unterrichts und der praktischen Ausbildung gerechnet werden kann. Nach dem Stand der bisherigen Vorarbeiten kann dieser Termin durchaus eingehalten werden. Wenn die zuständigen indischen Stellen aber bereits einige fertige Gebäude haben und zur Verfügung stellen können, ist mit der Unterrichtsaufnahme noch etwas früher zu rechnen.
Die Frage ist beantwortet.
Frage 18, Herr Abgeordneter Schellenberg. Die Frage betrifft: Möglichkeit der Verminderung des Rentenanspruchs nach den Rentenneuregelungsgesetzen bei Entrichtung weiterer Beiträge zur Pflicht- oder freiwilligen Versicherung:
Ist es nach den Rentenneuregelungsgesetzen möglich, daß die Entrichtung weiterer Beitrage zur Pflicht- oder freiwilligen Versicherung statt zu einer Erhöhung zu einer Verminderung des Rentenanspruchs führen kann?
Die Antwort erteilt der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf die Frage folgendermaßen beantworten.
Wenn bei dir Rentenfestsetzung nur Beitragszeiten zu berücksichtigen sind, so kann sich eine weitere Entrichtung von Beiträgen in niedrigerer Höhe, mögen sie gegenüber der bisherigen Beitragsleistung noch so geringfügig sein, nicht dahin auswirken, daß der zu erwartende Rentenanspruch in seiner Höhe gemindert wird. Sind jedoch außer Beitragszeiten auch Ersatz- und Ausfallzeiten zu berücksichtigen, so wirken sich nach diesen Zeiten entrichtete niedrigere Beiträge unter gewissen Voraussetzungen für den Versicherten ungünstig aus. Der Bundestag hat auf Vorschlag aller Fraktionen beschlossen, daß die Ersatz- und Ausfallzeiten nach dem Beitragsdurchschnitt des gesamten Arbeitslebens angerechnet werden sollen. Das führt dazu, daß sich spätere niedrigere Beiträge auf vorangegangene Ersatz- und Ausfallzeiten auswirken und damit den Anrechnungsdurchschnitt mindern. Das gleiche ist auch der Fall, wenn die niedrigere Beitragsleistung vor den Ersatz- und Ausfallzeiten liegt. Im Interesse einer Gleichbehandlung aller Versicherten ist eine andere Regelung nicht als gerecht angesehen worden.
Herr Minister, besteht nicht über die Beeinträchtigung der Ansprüche für diesen Kreis — der alle Personen, die einmal arbeitslos waren oder bei denen Kriegszeiten zu berücksichtigen sind — hinaus auch noch eine Gefahr der Beeinträchtigung der Rentenleistung für alle Versicherten, die früher Beiträge nach höheren Klassen als E oder V entrichtet haben, und die Gefahr, daß bei diesen Versicherten die Beitragsleistung nicht im Einklang mit der späteren Rente steht?
Ich glaube nicht, Herr Abgeordneter, daß dem so ist.
Letzte Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, ist folgende Behauptung in der Wochenzeitung „Die Zeit" richtig:
Natürlich hätte der Gesetzgeber mit geringer Mühe die Gefahr vermeiden können, daß ein Versicherter zu seinem eigenen Nachteil Beiträge zahlt, weil er, dem Gesetzgeber gutgläubig vertrauend, nicht annimmt, daß er für seine spätere Beitragsleistung mit einer Rentenminderung bestraft wird.
Wenn diese Behauptung nicht den Tatsachen entspricht, warum haben Sie sie nicht dementieren lassen, Herr Minister?
Herr Abgeordneter, wenn ich in den letzten Wochen alles, was an unrichtigen Meldungen in den Zeitungen gestanden hat, hätte dementieren wollen, wäre mir wahrscheinlich :nichts ,anderes übriggeblieben, als meine ganze Abteilung IV vorübergehend stillzulegen und mit dieser Aufgabe zu betrauen.
Die Frage ist beantwortet.
Frage 19 des Abgeordneten Pohle betreffend Brillenglasbestimmung durch Augenoptiker:
Sind dem Herrn Bundeswirtschaftsminister die Sorgen der Augenoptiker infolge der Einengung ihrer handwerklichen Tätigkelt in der Frage der Brillenglasbestimmung bekannt? Können die Augenoptiker mit der Unterstützung des Herrn Bundeswirtschaftsministers und der handwerklichen Abteilung seines Ministeriums rechnen, wenn sie sich gegen die Einengung ihrer handwerklichen Tätigkeit wenden?
Die Frage wird beantwortet durch den Herrn Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Bundesminister für Wirtschaft sind die Sorgen der Augenoptiker bekannt. Sie sind dadurch entstanden, daß die seit Jahrzehnten in diesem Handwerk ausgeübte Tätigkeit :der Brillenglasbestimmung bei der Anwendung des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung, des sogenannten Heilpraktikergesetzes, vom 17. Februar 1939 in den letzten Jahren im zunehmenden Maße eingeengt worden ist.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat sich daher während der Beratungen des Entwurfs eines neuen Heilpraktikergesetzes, Drucksache 560, dafür eingesetzt, daß die berechtigt erscheinenden Belange
des Handwerks in dem Entwurf gebührende Berücksichtigung finden. Er hätte es begrüßt, wenn eine diesen Belangen entsprechende Regelung noch im Laufe dieser Legislaturperiode Gesetz geworden wäre. Damit wäre die Rechtsunsicherheit beseitigt warden, die nach dem geltenden Heilpraktikergesetz besteht.
Der Bundesminister für Wirtschaft wird sieh auch in Zukunft bemühen, eine ungerechtfertigte Einengung der handwerklichen Tätigkeit der Augenoptiker zu verhindern.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich darf also annehmen, daß das Bundeswirtschaftsministerium mit mir der Auffassung ist, daß die Verabschiedung des Heilpraktikergesetzes auch in bezug auf die Sicherung der Augenoptiker und ihrer Tätigkeit eine Notwendigkeit ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Bundesministerium für Wirtschaft beurteilt bei dieser Gesetzesvorlage lediglich die wirtschaftliche, nicht die medizinische Seite. Ich hatte dem Hohen Hause die Meinung des Bundeswirtschaftsministeriums zur wirtschaftlichen, insbesondere zur handwerklichen Seite der Frage, vorzutragen.
Damit ist diese Frage beantwortet.
Die Fragestunde ist zu Ende. Die nächste Fragestunde ist auf den 27. Juni angesetzt. Sperrfrist für eingehende Fragen: 21. Juni, 12 Uhr.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Übersicht 23 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betreffend Petitionen nach dem Stand vom 30. April 1957 .
Das Wort hierzu wird nicht gewünscht. Der Bundestag hat über die in dieser Übersicht enthaltenen Anträge Beschluß zu fassen. Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
— Der Ältestenrat hat durch eine nicht immer ganz klar durchdachte Planung vielleicht sein Teil dazu beigetragen. Aber wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes!
Die Gründe für die Schwierigkeiten der Haushaltsberatung im Plenum des Bundestages im einzelnen zu untersuchen, ist müßig. Es möge die allgemeine Feststellung genügen, daß die Beratung des Bundeshaushalts in den Wirbel der Zeitnot geraten ist, unter der die Arbeit dieses Hauses in den Wochen vor dem Schluß der Legislaturperiode steht.
Der Haushaltsentwurf 1957 hat in den Beratungen des Haushaltsausschusses zwischen der ersten und der zweiten Lesung große Veränderungen erfahren. Rund 3,4 Milliarden DM beträgt die Erhöhung gegenüber dem Entwurf, den der Herr Bundesfinanzminister im Dezember vorigen Jahres hier eingebracht hat. Mit 37,3 Milliarden in Soll und Haben ist ein Rekord erreicht worden, vor dem einem bange sein muß, ganz gleich, auf welcher Seite dieses Hauses man steht. Dieser Umstand legt es nahe, die Frage zu untersuchen, wie es zu dieser gewaltigen Ausweitung des Regierungsentwurfs gekommen ist.
Auch jetzt geistert ja wieder durch die Presse und durch die öffentliche Diskussion das einmal vom Herrn Bundesfinanzminister in die Welt gesetzte Schlagwort von der hemmungslosen Bewilligungsfreude des Parlaments. Dabei fehlt selbstverständlich auch nicht der Hinweis, daß die Abgeordneten im Wahljahr besonders hemmungslos seien, weil sie auf Stimmenfang ausgingen. Daß die Opposition eine ganz besonders schlechte Note bekommt, weil sie bestimmte Anträge gestellt hat, versteht sich bei dieser Art der Polemik am Rande.
Wer die Wahrheit kennt — und wir, die wir den Gang der Beratungen mit erlebt haben, kennen sie einigermaßen —, der weiß, daß die wirklich entscheidenden Ausgabeerhöhungen aus den Ergänzungslisten der Bundesregierung stammen, die sie im Laufe der Beratungen nachgeschoben hat.
Ich sage das ohne Tadel, lediglich als Feststellung eines Tatbestandes, der nun einmal nicht zu leugnen ist.
— Ich komme darauf, Herr Kollege Gengler. Ich bin ja nicht so schüchtern, daß ich um die Dinge herumrede.
Ich darf in diesem Zusammenhang eine Berner-kung aus meiner Rede zur ersten Beratung des Haushaltsentwurfs vorn 12. Dezember 1956 ins Gedächtnis zurückrufen. Damals habe ich gegenüber dem Herrn Bundesfinanzminister, der die kühne Behauptung aufgestellt hatte, daß sein Entwurf ein „Haushalt der Stabilität und der sozialen Sicherheit" sei. erklärt, daß mindestens die Behauptung von der Stabilität mit einem Fragezeichen versehen werden müsse. Ich habe damals darauf hingewiesen, daß eine Reihe von wichtigen Bestandteilen des Haushalts in ihren Umrissen noch nicht feststünden, daß sicher zu erwartende Ausgaben nicht veranschlagt seien und daß bei anderen Ausgabepositionen führende Regierungsmitglieder Auffassungen vertreten hätten, die nicht mit denen übereinstimmten, die ihren Niederschlag im Haushaltsentwurf gefunden hätten. Das ist ein beinahe wörtliches Zitat. Ich kann heute feststellen, daß jede einzelne dieser Behauptungen durch den Gang der Beratungen bestätigt worden ist.
Es konnte schließlich vorausgesehen werden, daß der Grüne Plan unter dem Druck der Interessenten im Jahre 1957 mehr kosten würde als im Vorjahr. Es konnte vorausgesehen werden und war zum Zeitpunkt der Einbringung des Haushalts auch völlig klar, daß eine wirkliche Rentenreform unter den Bedingungen nicht möglich sein würde, die der Herr Finanzminister in seinen Haushaltsansätzen festgelegt hatte. Es war auch klar, und zwar auch schon im Dezember, daß die Kriegsopferversorgung höhere Ausgaben erfordern würde, als sie der Entwurf der Regierung vorsah.
Ich könnte die Aufzählung der Positionen im Bundeshaushalt noch geraume Zeit fortsetzen, von denen feststand, daß sie eine Korrektur nach oben erfahren müßten, und zwar nicht durch den Leichtsinn des Parlaments oder gar des Haushaltsausschusses, in dem alle Mitglieder, das darf ich wohl sagen, ohne Unterschied der politischen Färbung an der Einengung der Ausgabenflut mitarbeiteten, wenn auch manchmal die Ansichten darüber auseinandergehen, in welcher Richtung gesperrt, gespart, gehemmt und gebremst werden sollte. Die Erhöhungen erfolgten unter dem Druck von unabweisbaren Notwendigkeiten und — das muß zugegeben werden — zu einem erheblichen Teil unter dem Druck von gesetzgeberischen Akten dieses Hohen Hauses.
Es gibt nur ganz wenige Punkte in dem Haushalt, der jetzt dem Hause zur dritten Beratung vorliegt, von denen man mit gutem Gewissen sagen könnte, daß sie entbehrlich oder reiner Luxus seien. Es gibt einige politische Positionen in diesem Haushalt, deren politische Begründung fragwürdig erscheinen mag. Ich will aber darauf im einzelnen nicht eingehen. Vom Standpunkt der Opposition und vielleicht auch nach der Meinung mancher Mitglieder der Regierungskoalition — wenn sie sich nicht der Koalitionsdisziplin fügen müßten — kann man sogar sagen, daß in diesem Haushalt eine Reihe von wichtigen Aufgaben nur ungenügend oder gar nicht berücksichtigt werden. Doch darauf werde ich noch zu sprechen kommen müssen.
Für jetzt sei nur festgestellt, daß die entscheidenden Ausgabevermehrungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf verursacht worden sind durch den Grünen Plan mit annähernd 600 Millionen, durch die Rentenreform mit 160 Millionen, die in diesem Haushaltsjahr zu Buch schlagen, durch die Sechste Novelle zum Bundesversorgungsgesetz mit 105 Millionen, durch Zuschüsse für die Bundesbahn, die übrigens von der Koalition im Haushaltsausschuß beantragt worden sind, mit 500 Millionen, durch den Bergarbeiterwohnungsbau mit 230 Millionen, durch Aufwendungen für Besatzungsschäden und im Zusammenhang damit für die Freimachung von beschlagnahmten Grundstücken und Gebäuden mit rund 220 Millionen, schließlich durch Zuschüsse für das Saarland, für das ursprünglich im Bundeshaushalt überhaupt nichts stand, in Höhe von 139 Millionen und durch eine Verdoppelung der Aufwendungen für die Wiedergutmachung, was auf einer völlig falschen Voreinschätzung der wahrscheinlichen Kosten beruht, die man hätte voraussehen können.
Ich habe damit nur ganz roh die großen Posten herausgegriffen. Aber allein schon die Addition dieser Beträge führt uns sehr nahe an den Unterschied von 3,4 Milliarden DM zwischen dem Entwurf der Regierung und der jetzigen Gestalt des Haushalts.
Soviel zum Faktischen dieses Haushalts.
Es dürfte schwer sein, in jedem einzelnen Fall einer Erhöhung der Ausgaben dem Parlament zu beweisen, daß es verschwenderisch gewesen sei. Oder will jemand in diesem Haus den Sieg der Grünen Front, der sich in einer runden Verdoppelung der Ansätze ausdrückt, rückgängig machen? Will jemand im Ernst sagen, daß die Sozialrentner oder die Kriegsopfer zuviel erhalten? Freilich könnte man der Meinung sein, daß diese oder jene Subvention wegfallen könnte. Diese Beträge schlagen nicht besonders zu Buch, gemessen am Gesamtumfang des Haushalts. Aber man könnte hier das oft gebrauchte Wort zitieren, daß Kleinvieh auch Mist gibt.
Die Opposition hat im Laufe der Beratungen im Haushaltsausschuß und auch im Plenum bei der zweiten Lesung eine Reihe von Anträgen gestellt, die ihr den Vorwurf eingetragen haben, sie verlange das Unmögliche und stelle Anträge, von denen sie wisse, daß sie nicht verwirklicht werden können. Gestatten Sie mir dazu ein offenes Wort.
Die sozialdemokratische Fraktion hat, abgesehen von einigen weniger bedeutenden Forderungen, vor allem zwei große prinzipielle Wünsche an diesen Bundeshaushalt vorgetragen. Der eine ist die Bereitstellung von Mitteln für den Luftschutz, der andere die Forderung nach einer beträchtlich höheren Summe für die Förderung der Wissenschaften, für die Bereitstellung von Stipendien für die Studierenden, für den Ausbau unserer Ingenieurschulen und für die Beseitigung der Schulraumnot, die in einem hohen Grade eine Kriegsfolge ist.
Man hat uns auch hier im Hause den Vorwurf gemacht, daß wir mit solchen Forderungen die Grenze des Möglichen weit überschritten und gewissermaßen unsere Verantwortungslosigkeit demonstriert hätten.
Um was geht es uns in Wirklichkeit? Meine Damen und Herren, wenn man nicht um der Polemik willen das Gegenteil behauptet, muß man sehen, daß wir Sozialdemokraten aus einer prinzipiellen Haltung zum Bundeshaushalt und seiner Gesamtrichtung zu unseren Anträgen gekommen sind. Wir sind der Meinung, daß es nicht zu verantworten ist, eine militärische Rüstung aufzuziehen, die doch wohl auf der Voraussetzung beruht, daß es einmal nötig sein könnte, sie einzusetzen, und gleichzeitig für den Schutz der Zivilbevölkerung nur unzureichend zu sorgen,
wobei die Frage hier unerörtert bleiben mag, ob angesichts der modernen Vernichtungswaffen ein wirklicher Schutz der Zivilbevölkerung überhaupt möglich ist. Um diesen Gesichtspunkt vor aller Öffentlichkeit zu demonstrieren, daß die Bundesregierung in ihrem Haushalt vom Standpunkt ihrer eigenen politischen Voraussetzungen ein entscheidendes Versäumnis begeht, wenn sie den Luftschutz so schlecht wegkommen läßt, wie es der Fall ist, und nicht, weil wir etwa glaubten, daß Sie unseren Anträgen zustimmen würden, haben wir gefordert, daß aus dem Verteidigungshaushalt eine Milliarde für den zivilen Luftschutz abgezweigt wird.
Um gleich beim Verteidigungshaushalt zu bleiben: Wir wollten klarmachen, daß wir die Auffassung der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses nicht akzeptieren können, daß der Verteidigungshaushalt mit seinen gegenwärtigen 9 Milliarden DM unantastbar in sich selber ruhe. Jahr um Jahr haben Sie für diesen Verteidigungshaushalt Summen bewilligt, die nicht ausgegeben werden konnten und von denen man von vornherein wußte, daß sie nicht ausgegeben werden konnten,
die schließlich als Ausgabenreste den Juliusturm gespeist haben und jetzt zur Deckung von Ausgaben ganz anderer Art herhalten müssen.
Wir lassen das Argument nicht gelten, daß der Verteidigungshaushalt in seiner Höhe und in seiner Zusammensetzung die Erfüllung von Bündnisverpflichtungen sei. Dieses Argument ist schon deshalb falsch, weil es durch die Praxis der Bundesregierung ständig widerlegt wird. Ihre ganzen Planungen sind im Laufe der letzten Jahre durch die Ereignisse widerlegt worden, ihre Programme immer wieder durch die Entwicklung umgestoßen und die veranschlagten Summen als — wie es im Haushaltsjargon heißt — nicht verkraftbar erwiesen worden.
Es mag sein, daß künftige Jahre höhere Anforrungen an den Bundeshaushalt stellen, wenn Ihnen gestattet wird, nach dem 15. September diese Politik fortzusetzen. Wenn jetzt aus dem Bereich des Verteidigungsministeriums die alarmierende Nachricht kommt, daß man im nächsten Jahr für den Verteidigungshaushalt möglicherweise statt 9 Milliarden DM 11 Milliarden DM brauche, dann werfen wir Sozialdemokraten die Frage auf, ob eine solche Erhöhung der Rüstungskosten zu Lasten anderer Aufgaben geschehen soll, ob die Steuern erhöht werden sollen oder ob statt dessen ein Rüstungsstopp, eine Überprüfung der Politik erfolgen muß, die dieser Rüstung und ihren Forderungen an den Haushalt zugrunde liegt. Dann werden wir die Frage aufwerfen, ob nicht die Aufwendungen für die Bundeswehr in ein vernünftiges
Verhältnis zu den Gesamtlasten der öffentlichen Hand gebracht werden können.
Der Hinweis auf die Verteidigungslasten, die unsere Verbündeten tragen müssen, geht fehl; denn die Länder, mit denen sich die Bundesrepublik in militärische Verpflichtungen eingelassen hat, haben nicht aus dem verlorenen Krieg und seinen Folgen dieselben Wiederaufbaulasten, dieselben Wiedergutmachungs- und Eingliederungsverpflichtungen zu bewältigen wie wir.
In diesem Zusammenhang möchte ich gleich eine Frage aufgreifen, die nicht ohne beträchtliche finanzielle Konsequenzen für die Bundesrepublik und ihren Haushalt, und zwar im Negativen, ist: unser Verhältnis zu den sogenannten Stationierungsmächten, soweit es sich in Mark und Pfennig ausdrückt. Und das ist eine ganze Menge; 1,2 Milliarden DM muß der Bundesfinanzminister teils aus seinem Juliusturm, teils aus dem Verteidigungshaushalt herausrücken, um die Ansprüche der Bundesgenossen zu befriedigen, die sie aus unklaren oder absichtlich verschwommen geh altenen Vertragsbestimmungen ableiten. Sogar die Vereinigten Staaten werden mit einem runden Betrag von 325 Millionen DM an diesem Stationierungskostengeschäft beteiligt sein, und wir können offenbar noch glücklich sein. daß sie sich damit begnügen. Es ist möglich, daß sich Herr Schäffer nur zähneknirschend diesem Verhandlungsergebnis unterworfen hat. Ja, es ist gar nicht ausgeschlossen, daß die Verhandlungsführung durch das Auswärtige Amt, die offenbar ausschließlich unter dem Gesichtspunkt erfolgt ist, daß die politische Konzeption der Bundesregierung zu ihrem Recht kommen muß, zu diesem für den Finanzminister und für den Bundeshaushalt gleichermaßen verhängnisvollen Ergebnis führte.
Daß eine solche Annahme nicht ganz unberechtigt ist, zeigt eine Meldung, die gestern durch die Presse ging und deren Hintergrund man kennen muß, um zu wissen, was damit verknüpft ist. Danach sind die Verhandlungen über den sogenannten Truppenvertrag endgültig festgefahren. Was das Wort „endgültig" in diesem Zusammenhang bedeutet, will ich offenlassen; es wird sich ja zeigen. Für diejenigen aber, die sich mit diesen Dingen nicht beschäftigt haben, sei gesagt, daß es sich dabei um die Regelung der Rechtsverhältnisse der im Bundesgebiet stationierten fremden Truppen handelt. Warum diese Verhandlungen festgefahren sind, kann man aus dem bisherigen Verlauf ungefähr ermessen. Es ist nicht unbekannt geblieben, daß unsere Verhandlungspartner, unsere Verbündeten, mit großer Zähigkeit an Rechten und Privilegien festhalten, die sie sich in der Zeit des reinen Besatzungsregimes zugelegt haben,
und daß sie eher das Zustandekommen eines neuen Truppenvertrags und damit die Einschränkung ihrer Privilegien bis auf unbestimmte Zeit hinausschieben möchten, als daß sie auf finanzielle Vorteile verzichten, an die sie sich gewähnt haben und die ach so nützlich und bequem für sie sind. Hier scheint die Bundesgenossenschaft eine beträchtliche negative Seite zu haben.
Um auf die Verhandlungsführung durch das Auswärtige Amt zu kommen — denn dort liegt die Verhandlungsführung —: soweit man weiß, hat sie
bisher zu einem Verzicht auf finanzielle Leistungen der Vertragspartner geführt, der die Größenordnung von gut 3/4 Milliarden DM ausmacht.
Meine Damen und Herren, ich kehre zu meinem Ausgangspunkt zurück, nämlich zu den sozialdemokratischen Forderungen an diesen Bundeshaushalt, die Sie uns wegen ihrer Größe und zum Teil auch wegen ihres Charakters zum Vorwurf gemacht haben.
Wir haben Anträge gestellt, die eine Erhöhung der Bundesleistungen für die Wissenschaftsförderung in ihren verschiedenen Zweigen und für den Schulhausbau zum Ziel haben. Was bedeuteten diese Anträge? Sie gingen von einer heute allgemein als unausweichlich anerkannten nationalen Notwendigkeit aus, nämlich von der Notwendigkeit der Überwindung des gefährlichen Rückstandes, den die Bundesrepublik auf vielen wissenschaftlichen Gebieten, vor allem aber in der Ausbildung unseres wissenschaftlichen und technischen Nachwuchses und im Schulhausbau ganz allgemein zu verzeichnen hat. Wir haben dabei weder die Verfassungsprobleme übersehen noch haben wir leichtfertig große Summen gefordert. Im Grundsatz gingen ja auch die Verhandlungen, die der Chef der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder geführt hat, auf dasselbe hinaus, was wir gefordert haben;
nur daß die Bereitwilligkeit zur praktischen Tat weit hinter den Erfordernissen zurückbleibt.
Wir werden Ihnen heute bei der Einzelberatung durch neue Anträge noch einmal Gelegenheit geben, sich dieser Frage zu stellen, und meine Fraktionskollegin Frau Dr. Hubert wird Ihnen noch einmal die sozialdemokratischen Gesichtspunkte vortragen. Ich kann deshalb hier auf weitere Ausführungen verzichten.
Es ist richtig, die sozialdemokratische Opposition ist in vielen Punkten über die Finanzvorschläge der Regierung hinausgegangen. Das trifft z. B. bei der Rentenreform und bei der 6. Novelle zum Bundesversorgungsgesetz zu. Es ist aber schließlich die Aufgabe der Opposition, in Fragen von so großer Bedeutung die Regierung vorwärts zu drängen und zu stoßen. Auch die Koalition hat sich ja in der Regel zum Schluß dazu verstehen müssen, mehr zu tun, als Herr Schäffer von Anfang an zu tun bereit war. Es wäre wahrscheinlich niemals zu diesen Kompromissen gekommen, wenn die sozialdemokratische Opposition nicht von vornherein das Ziel höher gesteckt hätte als der Bundesfinanzminister.
— Na, ich schätze Sie schon richtig ein.
Die Rechenkunststücke mit den sozialdemokratischen Anträgen aber, die uns hier von Regierungsseite und von der Koalition vorgeführt worden sind, stellen doch — um es milde zu sagen — ein reines Ablenkungsmanöver gegenüber den Tatsachen des Bundeshaushalts dar. Würden wir Sozialdemokraten Ihnen solche Rechenkunststücke vorführen — und es wäre ein leichtes, aus nicht eingetroffenen Prophezeiungen des Herrn Bundesfinanzministers und aus seinen Fehlschätzungen
eine umgekehrte Milchmädchenrechnung aufzumachen —, dann würden Sie das sicher und mit Recht als demagogisch brandmarken.
— Ich habe meine Formulierung nicht ohne Bedacht gewählt. Ich wollte mir keinen Ordnungsruf zuziehen, Herr Kollege.
Die entscheidende Differenz zwischen Ihnen und uns bei diesen Haushaltsberatungen liegt überhaupt im ganzen Bereich der Finanzpolitik, im Grundsätzlichen und nicht in den Einzelheiten, in der grundsätzlich anderen Einstellung zu dem, was man die Schwerpunkte im Haushalt nennen kann. Wir wollen eine andere Verteilung dieser Schwerpunkte und haben daraus nie ein Geheimnis gemacht. Genauso wenig haben wir verheimlicht, daß wir die Auffassung der Bundesregierung, des Finanzministers und der Koalition nicht akzeptieren, wonach die Verteidigung den unbedingten Vorrang vor allen anderen Haushaltspositionen habe und unter gar keinen Umständen angetastet werden dürfe.
Bis zu welchem Punkt diese gefährliche These getrieben wird, hat sich bei den Haushaltsberatungen im Ausschuß gezeigt, als es den gemeinsamen Bemühungen der Opposition und der Regierungsparteien gelang, beträchtliche Streichungen bei den Anforderungen des Verteidigungsministeriums durchzusetzen. Während bei jedem anderen Haushalt bei solchen Abstrichen der Grundsatz vertreten wird — und zwar mit Recht —, daß die Resultate den allgemeinen Deckungsmitteln zugute kommen müssen, hat man bei den Verteidigungsausgaben genau den entgegengesetzten Standpunkt vertreten und strikt darauf gesehen, daß die eingesparten Millionenbeträge im Topf des Verteidigungsministers bleiben.
Wir sind gespannt darauf, meine Damen und Herren, wie Sie sich zu unserem Antrag zu § 8 des Haushaltsgesetzes verhalten, der eine Einbeziehung des Verteidigungshaushalts in die Kürzungsklausel verlangt. Wenn Sie diesem Antrag folgen, dann hätten Sie einen Betrag von mindestens 350 Millionen DM für die Schließung einer Haushaltslücke zur Verfügung. Wir sind, wie gesagt, gespannt darauf, wie Sie sich dazu verhalten. Ich bin aber schon jetzt überzeugt, daß Sie den Antrag ablehnen werden, weil er Ihren politischen Gesichtspunkten widerspricht, obwohl er haushaltsrechtlich gesehen vernünftiger als einzelne Deckungsvorschläge der Regierung ist.
Zieht man die Summe dieser Deckungsvorschläge und stellt man sie in den allgemeinen Zusammenhang der Finanzpolitik, dann ergibt sich die zwingende Schlußfolgerung, daß die Finanzpolitik des Herrn Bundesfinanzministers und der Regierung gescheitert ist. Das ist keine sozialdemokratische Behauptung, sondern eine heute von weiten Kreisen und sicher auch von manchem Angehörigen der Regierungskoalition — im Stillen freilich — festgestellte Tatsache. Die seit Jahren ,an der Politik des Bundesfinanzministers geübte Kritik, deren Motive verschiedener Art sein mögen, weil damit Verschiedenes bewiesen und Verschiedenes gefordert werden will, hat sich gerade angesichts der Haushaltsentwicklung in den letzten Wochen zu einem wahren Furioso gesteigert. Die „Welt" —
die bekannte in Essen und Hamburg erscheinende Zeitung — mag Ihnen seit dem Hamburger Zusammenstoß mit Ihrem Bundesparteitag vielleicht nicht ganz genehm und zuverlässig erscheinen,
wenn sie in ihrem Kommentar zur Haushaltsentwicklung von einem „Zusammenbruch der Schäfferschen Konzeption" spricht. Die „Deutsche Zeitung" vom 8. Mai schreibt sogar von „Schäffers jüngstem Offenbarungseid", und fügt die skeptische Bemerkung hinzu, man könne nicht sicher sein, ob es auch der letzte Offenbarungseid sei und ob der Finanzminister die Karten jetzt wirklich auf den Tisch gelegt habe. — Auch wir haben gelinde Zweifel daran. Und schließlich ist der „Rheinische Merkur" vom 17. Mai mit einem Artikel unter der Überschrift „Gescheiterte Steuerpolitik" zu nennen. Selten sind die Grundsätze der Schäfferschen Finanzpolitik so zerfetzt worden wie in diesem Artikel, wie es überhaupt nicht ohne Interesse ist, daß dieses Leibblatt des Herrn Bundeskanzlers zu den schärfsten Kritikern der Schäfferschen Finanzpolitik gehört.
Nun ist es sicher richtig, daß angesichts der Haushaltsentwicklung kein anderer Ausweg möglich war als die Heranziehung der Reserven, die der Bundesfinanzminister über Jahre hinweg gehortet hat. Den Artikel 113 kann die Bundesregierung gegen die Beschlüsse dieses Hauses, die ja zum Teil auf ihren eigenen Anregungen beruhen, offenbar nicht in Anspruch nehmen. Sie kann das schon nicht aus politischen Gründen. Bei welchen Posten wollte sie das auch tun, ohne ihr Gesicht zu verlieren? Etwa beim Grünen Plan? Oder bei den Sozialrenten?
Es bleibt also nichts anderes übrig, als die entscheidenden Gesichtspunkte über Bord zu werfen, die bisher die Finanz- und Steuerpolitik bestimmt hatten. Von „klassischen" Methoden ist nichts, aber auch rein gar nichts übriggeblieben. Die Ausgabenseite des Bundeshaushalts — unter der Voraussetzung freilich, daß die Ausgabenansätze alle echt sind, was man mit Fug und Recht bezweifeln kann — übersteigt die laufenden Einnahmen bei weitem. Das ist eine Tatsache, die auch durch den scheinbaren Haushaltsausgleich nicht aus der Welt geschafft werden kann.
Also müssen, um den Ausgleich herzustellen, die Hortungsmittel hereingenommen werden, obwohl sie für andere Zwecke gespart worden sind, und weil das auch noch nicht ausreicht, mußten wichtige Ausgabeposten in den außerordentlichen Haushalt verschoben werden, obwohl man heute schon die Gewißheit hat, daß die Anleihedeckung dafür nicht zu haben sein wird. Man hat also praktisch einen echten außerordentlichen Haushalt und einen unechten ordentlichen Haushalt, jedenfalls eine Komplikation der haushaltsrechtlichen Situation, wie man sie sich schlimmer nicht vorstellen kann. Man spekuliert offenbar darauf, daß im Haushalt doch ein Polster von Ausgaberesten bleiben wird und daß die laufenden Einnahmen höher als erwartet sein werden, obwohl der Finanz- und Steuerausschuß nach gründlicher Prüfung die Einnahmeschätzungen des Finanzministers um mehrere hundert Millionen D-Mark erhöht hat und damit der Wahrheit vermutlich sehr viel näher gekommen ist als der Finanzminister selbst.
Auf alle Fälle, meine Damen und Herren, kann von Haushaltswahrheit bei diesem Bundeshaushalt keine Rede sein. Das Ganze ist ein System von Aushilfen, das nur so lange möglich ist, als eben die Auswege offen bleiben. Die Frage erhebt sich, wie lange das noch der Fall sein wird, und man kann schon hier aus dem „Don Carlos" zitieren, daß die schönen Tage von Aranjuez vorbei sind. Sowohl der Herr Bundesfinanzminister wie auch der Herr Kollege Vogel haben in diesen Tagen von einem Wendepunkt der deutschen Finanzpolitik gesprochen. Daran ist wohl kaum ein Zweifel, daß ein solcher Wendepunkt eingetreten ist. Die Frage ist nur, in welcher Richtung die Wende gehen soll.
Ich will versuchen, für die sozialdemokratische Opposition einige Antworten zu geben, sicher keine vollständigen; denn es ist nicht der Augenblick, wo wir unser ganzes finanzpolitisches Konzept auf den Tisch des Hauses legen möchten.
Erstens wird es auf jeden Fall notwendig sein — und das scheint mir für jede Regierung zu gelten, die nach dem 15. September dieses Jahres in der Bundesrepublik das Heft in der Hand haben wird —, daß der Bundeshaushalt auf echten und nicht nur auf politisch bestimmten Haushaltsansätzen aufgebaut wird, d. h. auf Ansätzen, die innerhalb eines Haushaltsjahres tatsächlich auch verbraucht werden können. Man komme mir nicht mit dem Einwand, daß man angesichts der Verpflichtungen, die man übernommen habe, gewisse Bindungsermächtigungen über Jahre hinaus habe eingehen müssen. Gegen solche Bindungsermächtigungen hat auch die Opposition, wenn sie ernsthaft begründet worden sind, niemals Einwände erhoben. Sie belasten ja auch nicht das Haushaltsvolumen eines Jahres; sie stellen nur eine Erklärung dar, daß man auch in künftigen Jahren Ansätze für den gedachten Zweck zur Verfügung stellen werde und daß man auf diese Verpflichtung hin disponieren könne. Ich meine, der Grundsatz, daß im Haushalt nur Ansätze erscheinen dürfen, die innerhalb eines Haushaltsjahres tatsächlich verbraucht werden können, muß auch für den Verteidigungshaushalt gelten, dessen Programme auf das volkswirtschaftlich Mögliche und nicht nur auf das politisch Wünschenswerte ausgerichtet werden dürfen.
Zweitens wird es nötig sein, daß wir zu einer Synchronisierung von Haushaltsgesetzgebung und sonstiger Gesetzgebung kommen. Ich weiß, daß ich damit ein heißes Problem berühre und daß auch ein ketzerischer Gedanke in diesen Bemerkungen steckt. Als Beispiel will ich den Grünen Plan nennen, obwohl es in der Bundesgesetzgebung eine Reihe von Beispielen gibt, die genauso verwendet werden könnten. Der Grüne Plan muß nach dem Landwirtschaftsgesetz Mitte Februar jedes Jahres vorgelegt werden, zu einem Zeitpunkt also, in dem die Haushaltsberatungen längst im Gange sind und alle Dispositionen durch das Auftauchen dieses neuen Kostenfaktors über den Haufen geworfen werden müssen. Man muß auf diesem Gebiete zu einer Synchronisierung der Haushaltsberatungen und der Festlegung von finanziellen Verpflichtungen für den Bundeshaushalt kommen.
Ich sagte vorhin, daß in dieser Anregung ein ketzerischer Gedanke steckt, der Gedanke nämlich, daß nach Verabschiedung eines Haushalts auch sonst möglichst wenig neue finanzielle Forderun-
gen gestellt werden sollten. Ich persönlich bin überzeugt, daß wir anders auf die Dauer keine geordnete Haushaltswirtschaft bekommen werden. Das wird uns in Zukunft recht oft vor unangenehme und peinliche Fragen stellen, bei denen wir unser eigenes Gewissen zu prüfen haben.
Drittens. Die Hortungspolitik, die der Herr Bundesfinanzminister bisher zu einem zentralen Punkt seiner eigenen Finanzpolitik gemacht hat, muß endgültig aufgegeben werden, nicht nur aus der Not heraus, eine Haushaltsdeckung zu finden; denn diese Hortungspolitik schaffte — darauf ist in der Öffentlichkeit mit Recht hingewiesen worden — erst die Voraussetzung für neue Ansprüche an den öffentlichen Haushalt und gab 'ihnen — das muß man hinzufügen — die moralische Legitimation. Wenn schon Steuergelder Über das Maß der haushaltsjährlichen Bedürfnisse hinaus erhoben werden, dann sollen sie wenigstens für dringende Notwendigkeiten verwendet werden und nicht als Spartopf für künftige Notfälle, die man sich selber schafft, z. B. durch die Rüstungspolitik.
Viertens wird eine wirkliche Steuerreform nötig sein. Die bisherigen sogenannten Steuerreformen haben das Dickicht unserer Steuergesetzgebung nur verschlimmert, ,anstatt es zu lichten. Die nominelle Steuerbelastung entspricht gerade bei den höheren Einkommensgruppen infolge der zahllosen Begünstigungen und Möglichkeiten, sich durchzuschlängeln, nur selten der tatsächlichen Steuerleistung. Durchforstung des Dickichts und Vereinfachung der Steuergesetzgebung sind notwendig. Der Steuerertrag braucht dadurch nicht gefährdet zu werden. Die Steuerverwaltung selber kann beträchtlich vereinfacht und ihre Kosten können gesenkt werden.
Sie kann in ihrer Wirkung gesteigert werden, vor allem wenn wir auf eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung hinsteuern und verhindern, daß Steueroasen und Steuerwüsten entstehen, wie sie durch die Ungleichartigkeit der Behandlung jetzt möglich sind.
Schließlich ist eine wirkliche Förderung der Eigentumsbildung nötig, und zwar nicht nur in der Theorie durch die Schaffung von Volksaktien und ähnlichen Dingen,
sondern praktisch durch eine Steigerung des Masseneinkommens mit Hilfe einer planmäßigen Preispolitik, durch eine Entlastung der niederen Einkommen mit Hilfe der Steuergesetzgebung und insbesondere durch eine Neuordnung unserer Verbrauchsteuern. Ich wiederhole, was mein Freund Kurlbaum bei der Beratung des Einzelplans 06 hier festgestellt hat: Nicht durch die Schaffung neuer Spargelegenheiten wird Eigentum gebildet, sondern dadurch, daß durch Einkommensteigerung die Sparmöglichkeiten und die Sparwilligkeit gesteigert oder erst geschaffen werden. Dann wird im Zuge solcher Maßnahmen ,auch ein wirklicher Kapitalmarkt entstehen. Dann wird schließlich ein künftiger Bundesfinanzminister auch wieder zu einer vernünftigen Investitionspolitik der öffentlichen Hand kommen und seine vermögenswirksamen Anlagen auf dem ordentlichen Wege über Anleihen finanzieren und nicht aus laufenden
Steuereinnahmen, wie es jetzt geschieht. Wir haben jetzt im Gegensatz zu den ständigen Erklärungen des Bundesfinanzministers keine stabile Haushaltspolitik, sondern eine volkswirtschaftlich schädliche, von der Hand in den Mund lebende. Eine wirkliche Konsolidierung ist nur möglich durch Umkehr, und zwar durch eine ganz entschiedene Umkehr. Dazu gehört auch — um einen letzten Punkt in diesem Zusammenhang vorzutragen —, daß unsere öffentliche Finanzwirtschaft in eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung eingebaut wird, die ihr Grenzen setzt. Dieser Tage ist in der „Frankfurter Allgemeinen" eine recht interessante Notiz etwa des Inhalts erschienen, daß das Bundeswirtschaftsministerium entsprechend den ihm vom Bundestag erteilten Auftrag die Vorarbeiten für eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung begonnen habe. Diese Gesamtrechnung solle allerdings nicht den Vorstellungen der Sozialdemokraten vom volkswirtschaftlichen Gesamtbudget entsprechen. Es solle in jedem Fall verhütet werden — so heißt es da —, daß das Ergebnis dieser Arbeiten als Grundlage für eine staatliche Planwirtschaft oder für sonstige dirigistische Maßnahmen verwendet werden könne. Was hier der sozialdemokratischen Forderung nach einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung unterstellt wird, ist im Lichte all der Erklärungen, die wir immer abgegeben haben, blühender Unsinn.
Es wäre schön, wenn wir in der Bundesrepublik bereits das hätten, was man immer vorgibt: eine wirkliche soziale Marktwirtschaft.
In Wahrheit haben wir eine Marktwirtschaft, die im Gestrüpp von Interessentenforderungen und Interessentenwünschen von Mal zu Mal stärkere Bindungen auch im Wege der Gesetzgebung herherbeiführt.
Die Angst vor der „sozialdemokratischen Planwirtschaft" und vor sonstigen dirigistischen Maßnahmen brauchte das Bundeswirtschaftsministerium nicht zu hindern, einen ernsthaften Schritt in der Richtung auf eine wirkliche volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zu machen, in die die öffentliche Finanzwirtschaft eingebaut ist, anstatt der Gegner der Volkswirtschaft zu sein, wie es heute der Fall ist.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß, indem ich noch einige Bemerkungen über spezielle Wünsche und Einwände anfüge, die die sozialdemokratische Fraktion im Zusammenhang mit diesem Bundeshaushalt vorzubringen hat.
Ich habe vor einigen Tagen Gelegenheit gehabt, bei der zweiten Beratung des Haushalts des Bundesrechnungshofs eine kritische Bemerkung zur Personalpolitik der Bundesregierung zu machen. Ich wiederhole sie in wenigen Sätzen. Wir sind der Meinung, daß die Personalpolitik der Bundesregierung nicht nur in dem Fall, den ich im Zusammenhang mit dem Bundesrechnungshof kritisiert habe, sondern ganz allgemein von Gesichtspunkten ausgeht, die weniger den geeigneten Mann an die geeignete Stelle bringen, als vielmehr die Ausschaltung politisch Unerwünschter und die Uniformierung der politischen Meinung innerhalb
des Bereichs der öffentlichen Verwaltung zum Ziele haben. Wir glauben, ,daß ,das eine schädliche und auf die Dauer unerträgliche Verengung der Personalpolitik der öffentlichen Hand ist. Dagegen möchten wir mit Nachdruck Verwahrung einlegen. Eine Prüfung ,des Personalstandes in den Verwaltungen der Bundesregierung ließe sich leicht zu einem Beweis für diese Behauptung verdichten.
Schließlich haben wir bei der Haushaltsberatung wieder versucht, Licht in die Geheimfonds zu bringen, die die Bundesregierung sich im Laufe der Jahre auf dem Wege der systematischen Steigerung der Summen zugelegt hat, die unter die Spezialformel der Haushaltskontrolle fallen, wonach nur der Präsident des Bundesrechnungshofs mit der Kontrolle betraut ist und seine Erklärungen als Grundlage für die Entlastung durch das Parlament dienen müssen. Wir haben diese Forderung erhoben, nicht weil wir Ihnen ,dauernd auf die Nerven gehen wollen, sondern weil wir glauben, daß dies eine prinzipielle Forderung eines jeden demokratischen Parlaments ist.
Wir wissen — ich spreche es offen aus —, daß jede Regierung über gewisse Mittel verfügen muß, deren Verwendung sie nicht an die große Glocke hängt. Wir billigen auch dieser Bundesregierung dieses Recht zu, und wir würden einer sozialdemokratisch bestimmten und beeinflußten Regierung dasselbe Recht zubilligen, weil sie es braucht. Aber ich sage Ihnen ganz offen, meine Damen und Herren: Die Art, wie das Parlament von der Einsicht in !die Verwendung dieser Mittel ausgeschaltet ist, ist auf die Dauer unmöglich. Ich erkläre im Namen der Sozialdemokratie, daß wir, wenn wir die Möglichkeit dazu haben, eine Änderung in diesem Punkte herbeiführen werden.
Sagen Sie uns nicht: In den Ländern wird eine andere Praxis geübt. Das ist hier nicht Gegenstand der Debatte.
Wir erklären ganz offen, daß wir überhaupt das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition, wie es sich im Laufe der acht Jahre Regierung Adenauer herausgebildet hat, für völlig unnatürlich .und der demokratischen Ordnung widersprechend halten.
Man komme uns nicht und sage: Die Sozialdemokraten haben dieses Verhältnis selber gesucht. Wir haben es nicht gesucht. In entscheidenden Augenblicken, in entscheidenden Fragen unserer nationalen Politik hätte es niemals ein Hindernis dafür gegeben, daß zwischen der Regierung und der Opposition vor der Entscheidung ernsthafte Gespräche geführt worden wären.
Die Zuspitzung dieses innenpolitischen Verhältnisses ist ausschließlich dem Umstand zu verdanken, daß der Regierungschef und seine Regierung niemals das Bedürfnis gehabt haben, mit dem Pfunde der Opposition zu wuchern, sondern daß sie es immer als eine Last empfunden haben, daß es diese Opposition und ihre Einwände gibt.
Das muß auf die Dauer die Grundlagen der demokratischen Ordnung sprengen. Wir erklären, daß wir eine solche Zerstörung der demokratischen Ordnung in der Zukunft, wie auch die Machtverhältnisse immer liegen mögen, von uns aus niemals billigen, sondern sie ändern werden, und zwar zugunsten eines echten demokratischen Gesprächs zwischen allen Partnern der Regierung, zu denen sich auch die Opposition rechnet.
In 'diesem Zusammenhang ist die Behandlung der Geheimfonds in diesem Parlament nur ein Symptom von vielen für das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition.
Ich glaube, daß Sie es uns aus diesen Gründen und aus dem Grunde unserer ,allgemeinen Gegnerschaft gegen die Politik der Regierung nicht übelnehmen können, wenn wir von dem Recht der parlamentarischen Opposition Gebrauch machen, den Haushalt dieser Bundesregierung abzulehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Obwohl mein sehr verehrter Herr Vorredner den Haushalt der Bundesregierung in Bausch und Bogen abgelehnt hat, möchte ich doch konstatieren, daß er im großen und ganzen eine sachliche Aussprache angestrebt hat, und ich gedenke ihm darin zu folgen.
Ich möchte mit der Frage beginnen, ob dieser Haushalt, der in der dritten Lesung jetzt vor uns liegt, den Zielsetzungen der Koalition entspricht oder ob er ihnen nicht entspricht. Darf ich zunächst einmal auf eine ganze Reihe von doch sehr wesentlichen Unterschieden hinweisen, die zwischen den Soli Sätzen des Jahres 1956 unid denen des Jahres 1957 bestehen. Wir können nicht daran vorübergehen, festzustellen, daß in der betrieblichen Altersfürsorge gegenüber dem Soll-Ansatz von 3,25 Milliarden im Haushalt von 1957 4,68 Milliarden DM stehen, daß bei den Kriegsopfern gegenüber dem Soll von 4,13 Milliarden ein Soll von 3,62 Milliarden DM da ist. Diese Verringerung erfolgte trotz einer Neuaufbesserung der Bezüge der Kriegsopfer von über 500 Millionen DM und durchaus im Zuge der natürlichen Verringerung der Zahl der Bezieher von Kriegsfürsorge, 'Unterstützungen und Zuwendungen; wir haben allein einen Abgang von 180 000 Kriegerwaisen, die in das Berufsleben eintreten werden, im Laufe dieses Haushaltsjahres zu erwarten.
Beim Lastenausgleich hat sich die Summe von 233 Millionen auf 352 Millionen DM an direkten Zuwendungen ,aus dem Bundeshaushalt außerhalb des Lastenausgleichsfonds erhöht. Bei den 131er-
Zivilisten steigerte sich die Summe von 881 Millionen auf 965 Millionen DM, die Kriegsgefangenenentschädigung von 363 Millionen auf 400 Millionen DM.
Insgesamt haben wir in diesem Haushalt eine Steigerung der Sozialleistungen von 10,8 Milliarden auf 11,74 Milliarden DM zu verzeichnen. Ich glaube, daß damit auch im Rahmen dieses erhöhten Haushalts die Sozialleistungen nicht zu kurz gekommen sind. Ich stelle das mit Freuden fest. Ich werde nachher eine Parallele auch zu den Verteidigungsausgaben ziehen, die in dem Haushalts-Soll von 1956 mit über 11 Milliarden DM ausgewiesen waren und
heute nur bei 9,9 Milliarden DM liegen; hier hat
also eine wesentliche Verringerung stattgefunden.
Ich möchte ferner hinzufügen, daß wir beim Wohnungsbau, bei der Landwirtschaft und in der Mittelstandsförderung entsprechende Mehrausgaben in diesem Haushalt zu verzeichnen haben: beim Wohnungsbau allein eine Steigerung der Bundeszuwendungen um ein Drittel, in der Landwirtschaft erneut um weit über 600 Millionen DM, und beim Mittelstand werden Sie jetzt erneut die Position der 100 Millionen DM für den Althausbesitz und wiederum zwischen 250 Millionen und 300 Millionen DM Entlastungen in der Ehegattenbesteuerung finden, die ja im wesentlichen auch dem Mittelstand zugute kommen.
Ich darf Sie im Rahmen dieses Haushaltsplans insbesondere darauf hinweisen, daß immerhin ein so erhebliches Vermögen wie das ERP-Vermögen mit 6,4 Milliarden DM außerhalb dieses vorliegenden Planes in der dritten Lesung steht und daß aus diesen 6,4 Milliarden DM Sondervermögen des Bundes alljährlich Hunderte von Millionen zusätzlich in den Haushalt hineinfließen, auch wenn der Haushaltsausschuß hier nur am Rande an der Kontrolle mitbeteiligt ist. Ich möchte Ihnen nur zwei Summen nennen, die hier ins Gewicht fallen. Die Landwirtschaft hat zusätzlich zum Grünen Plan noch einmal über 100 Millionen DM aus dem ERP-Plan an Krediten zugeführt erhalten und die mittelständische Wirtschaft 120 Millionen DM. Ich spreche hier nicht besonders von den sehr erhablichen Aufwendungen, die über die Berlin-Hilfe hinaus in Gestalt der 273 Millionen DM aus dem ERP-Plan noch an Krediten nach Berlin fließen.
Ich glaube, daß man die Rolle gerade des ERP-
Plans im Rahmen ,des Haushaltsplans wesentlich unterschätzt. Wir haben uns im Hauslhaltsausschuß in diesem Jahr stärker, als das in den vergangenen Jahren der Fall war, auch in den ERP-Plan mit eingeschaltet. Aber selbst das Nebeneinanderstellen der Zuwendungen aus den Haushaltspositionen im Entwurf der Bundesregierung neben die Positionen im ERP-Plan kann unsere Vorstellungen von einer Koordinierung dieser beiden Ausgabeleistiungen nicht ganz befriedigen. Wir haben, glaube ich, keinerlei Ursache, diese Leistungen im Haushaltsplan zu verstecken.
Wir haben auch keine Ursache, uns davor zu fürchten, daß durch dauerndes Überbieten an neuen Forderungen diese hier von uns ausgewiesenen Leistungen der Koalitionsmehrheit in der Öffentlichkeit irgendwie heruntergerissen oder miesgemacht werden.
Ich möchte hier einmal die Frage stellen: wohin soll es eigentlich in der Zukunft führen, wenn wir die deutsche Öffentlichkeit systematisch daran gewöhnen, daß sie in künftigen Haushalten Milliarden an Forderungen mehr durchbringen kann, als das in den gegenwärtigen Haushalten der Fall ist? Werden wir nicht durch eine derartige Psychose die Öffentlichkeit einfach auf Dinge vorbereiten, die keine Regierung, wie sie auch immer aussehen mag, nach uns zu erfüllen in der Lage sein wird?
Ich möchte noch ein Beispiel, nämlich das der Altersversorgung herausgreifen. Wir glauben, indem wir auf 60 % der Leistungen gingen, das Höchstmaß dessen erreicht zu haben, was volkswirtschaftlich verkraftbar ist. Ich habe mir sagen lassen, daß auch in den Reihen der sozialdemokratischen Opposition Fachkundige glauben, daß damit tatsächlich das Verkraftbare erreicht ist und daß 75 % in den künftigen Jahren nicht mehr aufgebracht hätten werden können. Wir wollen die Entwicklung in Ruhe abwarten. Wir glauben jedenfalls, daß wir, indem wir über die Forderungen des Schöpfers dieser Idee, Dr. Schreibers, der eigentlich nur 50 % für vertretbar hielt, auf 60 % hinausgegangen sind, tatsächlich bis an die Grenze dessen gegangen sind, was wir im Rahmen der deutschen Volkswirtschaft leisten können.
Ich darf Sie auch noch auf eine Reihe anderer außerordentlicher Leistungen hinweisen, die in diesem Haushaltsplan verzeichnet stehen, so auf die Ausweitung des Haushalts des Verkehrsministeriums von 1,44 auf 2 Milliarden DM, auf die Saar-Leistungen, auf die außerordentlich gestiegenen Leistungen im Schuldendienst, in den Entschädigungen und in der Wiedergutmachung, die von 2,3 Milliarden in diesem Jahre auf 3,15 Milliarden DM anwachsen. Wir glauben, daß wir in diesem Haushalt auch einiges für Forschung und Wissenschaft getan haben, was keineswegs verborgen zu werden braucht. Wir sehen auch den Ausführungen meiner sehr verehrten Frau Kollegin Dr. Hubert in Ruhe entgegen, die sie nachher wahrscheinlich zu den einzelnen Anträgen der SPD erneut machen wird.
Nun zu der Frage: wird die wirtschaftliche Entwicklung, der wir uns im Jahre 1957/58 gegenübersehen, die Einnahmeschätzungen des Bundesfinanzministers rechtfertigen? Können wir erwarten, daß sich die 8%ige Steigerung, die vorausgesetzt wird, auch in der Wirklichkeit vollziehen wird? Haben wir einen Grund zur Unzufriedenheit mit der bisherigen Entwicklung? Ich glaube, daß zur Zeit das, was uns in der deutschen Wirtschaft die größte Sorge bereitet, die Devisenüberschüsse sind. Das ist doch eine höchst merkwürdige Entwicklung. In einer Zeit, in der benachbarte Staaten verzweifelt um die Verhütung einer Inflation ringen, haben wir in Deutschland uns ernste Sorgen zu machen, wohin wir mit den Devisenüberschüssen sollen.
Bitte, wenden Sie in diesem Zusammenhang Ihr Augenmerk doch einmal auf die Berichterstattung über den Stand der Finanzen und der Volkswirtschaft in Finnland! Sie haben dort ein eklatantes Beispiel dafür, wohin übersteigerte Lohnforderungen, Staatssubventionen und Indexleistungen des Staates trotz überhöhter Steuerschraube automatisch führen müssen, nämlich zur völligen Überdrehung der Staatsleistungen und als Folge davon unvermeidlich auch zu einer Geldentwertung. Ich empfehle Ihnen, sich einmal die BdL-Ausführungen in ihrem Jahresbericht durchzusehen und vielleicht auch einmal von den sehr lesenswerten Pressezitaten Kenntnis zu nehmen, die von der Bank deutscher Länder herausgebracht werden und in denen gerade diese Entwicklung in Finnland als Musterbeispiel einer Entwicklung, wie wir sie nicht wünschen, dargestellt wurde.
Ich möchte Ihnen noch einige weitere Tatbestände darlegen, aus denen hervorgeht, daß wir nicht zu fürchten brauchen, die große Sorge des Jahres 1955, eine Überhitzung der Konjunktur, könnte sich in diesem Jahr wiederholen. Einige neue Tatbestände lassen mich zu einer optimistischen Schätzung des Verlaufs im Rechnungsjahr 1957/58 kommen.
Die interessanteste Entwicklung weist die Bauwirtschaft auf. Ihr kommt als einer Schlüsselindustrie eine ganz besondere Bedeutung zu. Wir haben in der Bauwirtschaft bereits im März einen Produktionsindex zu verzeichnen, der um 15 % über dem Produktionsindex des Jahres 1956 liegt. Ich möchte diese Ziffer deswegen besonders herausstellen, weil sie am stärksten alle die Behauptungen ad absurdum führt, mit denen uns heute weisgemacht werden soll, die Bauwirtschaft stagniere und habe gegenüber dem vergangenen Jahr keinerlei Fortschritte zu verzeichnen. Auch im April und Anfang Mai haben wir noch eine Fortsetzung dieser Tendenz zu verzeichnen. Nach den Berichten der Bank deutscher Länder ist auch die durch die zeitweilige Finanzierungslücke im Wohnungsbau eingetretene Abschwächung durch die Bauten der gewerblichen Wirtschaft und der öffentlichen Hand mehr als kompensiert worden. Im übrigen haben die Hypothekenzusagen bereits im März fast die Höhe des Vorjahres erreicht, und diese steigende Tendenz hält weiter an. Die Summe der Baukontrakte war im Februar, dem letzten hier zählbaren Monat, mit 720 Millionen DM um 9 % höher als die entsprechende Zahl des Jahres 1956.
Einen ähnlichen Aufstieg haben wir auch bei den Grundstoffindustrien zu verzeichnen, vor allen Dingen beim Maschinenbau, dessen Inlandsaufträge im März bereits um 9 % über denen des Vorjahres lagen.
Auch am Kapitalmarkt haben wir eine ähnliche Entwicklung zu verzeichnen. Eine der erfreulichsten Erscheinungen in diesem Frühjahr ist unbedingt die gegenüber dem Jahre 1956 stärkere Spartätigkeit. Wir haben, nicht nur veranlaßt durch das steuerbegünstigte Sparen, sondern auch auf Grund ganz natürlicher Tendenzen, im Monat März einen Zuwachs von über 140 Millionen DM zusätzlich auf normalen Konten zu verzeichnen, während das steuerbegünstigte Sparen insgesamt einen Ertrag von 990 Millionen DM, also rund einer Milliarde DM erbracht und damit die Hoffnungen bestätigt hat, die der Wohnungsbauminister in dieses Gesetz gesetzt hatte. Ich sage ausdrücklich, daß dieses Gesetz als Ganzes gesehen, überhaupt der Weg, den wir hier gehen mußten, von uns keineswegs etwa als besonders erfreulich angesehen wird. Aber wir sahen uns hier in einer Zwangslage, der wir nicht anders begegnen konnten, um den Wohnungsbau nicht zu gefährden.
Ich möchte angesichts der Tatsache, daß die Investitionen auch in diesem Jahre ein ungewöhnlich hohes Maß erreicht haben, einmal die Frage stellen, ob wir in Deutschland nicht allzu viel von der Spartätigkeit und generell vom Kapitalmarkt verlangen. Normalerweise hätte doch ein so anormal steiler Anstieg der Investitionen in der deutschen Wirtschaft ohne fremde, d. h. ausländische Mittel überhaupt nicht bewältigt werden können. Daß das bei uns durch die hohe Eigenfinanzierung überhaupt möglich war, möchte ich beinahe als einzigartig bezeichnen.
Vergleichen Sie damit bitte einmal die Entwicklung in den Jahren 1923 bis 1929. In diesen Jahren hat das alte Deutsche Reich nicht weniger als 25 Milliarden RM, nach dem heutigen Kaufkraftwert also rund 50 Milliarden DM, an ausländischen Anleihen aufgenommen, um den Wiederaufbau in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg zu bewältigen. Wir haben nach dem zweiten Weltkrieg nur ERP-Mittel in der Höhe von 41/2 Milliarden DM in
Anspruch genommen, die langfristig sichergestellt sind, so daß wir vor deren Abruf keine Sorge zu haben brauchen. Insgesamt stellt sich also die finanzielle Lage des deutschen Volkes jetzt, im Jahre 1957, als unvergleichlich viel besser dar, als es die Lage des alten Deutschen Reichs 1929 nach dem ersten Weltkrieg war.
Ich glaube auch, daß die Befürchtungen hinsichtlich eines Absinkens der Konjunktur heute bei weitem nicht so zu sein brauchen, wie sie damals in den Jahren 1929 und 1930 zu Recht bestanden, wo wir durch die zahlreichen Abrufe ausländischer Kredite in die Arbeitslosigkeit der Jahre 1930 bis 1932 hineingestürzt wurden. Wir sind doch, weiß Gott, mit unseren Investitionen gegenüber dem übrigen Europa keineswegs zurückgeblieben. Das amerikanische Beispiel möchte ich hier nicht heranziehen; denn die Amerikaner haben eine völlig andersartige Entwicklung nehmen können, als wir sie hier in Europa genommen haben.
Wenn ich die Summe des Aufkommens auf dem Kapitalmarkt an Hand des Jahresberichts der Bank deutscher Länder überschaue und dabei für das Jahr 1956 ein Aktivsaldo der Leistungs- und Kapitalbilanz von 4 Milliarden DM gegenüber 1,6 Milliarden DM im Jahre 1955 verzeichnen darf, dann scheint mir jedenfalls manches an der Kritik, die wir vor allen Dingen in Finanzblättern lesen, doch ein wenig überspitzt zu sein.
Das Finanzvolumen der deutschen Kreditinstitute stieg allein im vergangenen Jahr um 15 %. Daß an Wertpapieren im Jahre 1956 in Höhe von 4,4 Milliarden DM gegenüber den 5,2 Milliarden DM des Jahres 1955 weniger abgesetzt wurde, wird dadurch kompensiert, daß 990 Millionen DM infolge der Sondergesetzgebung über das steuerbegünstigte Sparen zusätzlich eingekommen sind. Jedenfalls ist auch 1956 die Eigenfinanzierung der Unternehmungen gegenüber 1955 gewachsen und keinesfalls gesunken. Ich glaube, daß das eine durchaus normale und vernünftige Entwicklung war und daß wir in diesem Jahre 1957 keine Befürchtungen für eine Überhitzung der Konjunktur zu haben brauchen, die uns Ende 1955 in Berlin zu der großen Konjunkturdebatte führte.
Ein Umstand allerdings bedarf unserer besonderen Sorge und auch unserer besonderen Aufmerksamkeit. Nach der Mitteilung der Bank deutscher Länder lagen die Ersparnisse der privaten Haushalte mit 6,9 Milliarden DM im Jahre 1956 nur um 200 Millionen DM höher als im Jahre 1955, lobgleich das bei diesen Haushalten verfügbare Einkommen um 10% gestiegen ist. Also hätte die Sparsumme um mindestens 650 Millionen DM steigen müssen, wenn sie Schritt gehalten hätte. Dieses Nichtschritthalten der privaten Ersparnisse mit dem Volkseinkommen gibt Anlaß zu besonderen Bemerkungen.
Ich möchte an die Bundesregierung den dringenden Appell richten, sobald wie möglich eine Kommission der besten Sachverständigen — auch von Experten aus der Praxis — einzuberufen, um sich ein Gutachten über die Lage des deutschen Kapitalmarkts und der Geldwirtschaft erstatten zu lassen. Steigt nämlich das Masseneinkommen schneller, als der Produktivitätszuwachs steigt, so bedeutet das nur dann keine gefährliche Entwick-
lung, wenn der Überhang gespart, also nicht ausgegeben wird. Ist das nicht der Fall, kann uns das Schicksal Finnlands blühen. Unsere Altrentner haben der Öffentlichkeit ein ganz gutes Beispiel gegeben; denn ganz offensichtlich trugen sie die Mehrauszahlungen und Nachzahlungen in diesem Jahr, vor allem im April, nicht voll in die Läden, sondern legten vorsorglich ein ganz gutes Stück davon zurück. Banken und Sparkassen werden in Zukunft ganz andere Anstrengungen machen müssen als bisher, um den Sparsinn in Deutschland entsprechend zu kräftigen.
Wir von der CDU/CSU glauben, daß die Festigung der deutschen Demokratie nicht zuletzt auch eine Frage der Eigentumsbildung beim einzelnen Staatsbürger ist. Wir halten nach wie vor an der Richtigkeit des dem Familienheimgesetz innewohnenden Grundsatzes fest und haben mit dem Gesetzentwurf zur Privatisierung des Volkswagenwerks einen weiteren Schritt auf dem Wege zur Bildung von Privateigentum bei den breiten Massen unternommen.
Wenn ich die Zielsetzung der sozialdemokratischen Opposition richtig verstehe, geht es ihr in erster Linie um die Kontrolle der Wirtschaft, vor allen Dingen um die Kontrolle der Investitionen; sie möchte sie in ihrer Hand sehen. Aber ich frage: was hat umgekehrt der einzelne Arbeiter von einer derartigen Konzentration der Kontrolle bei einer solchen obersten Zentralinstanz? Hat der Arbeiter in England durch die Sozialisierung der Bergwerke und anderer Zweige der öffentlichen Wirtschaft für sich persönlich wesentliche Vorteile heimtragen können? Ich glaube, niemand in England wird diese Frage heute bejahen, und es scheint mir eine sehr interessante Entwicklung zu sein, daß die britische Trade Union heute nicht mehr auf einer Fortsetzung der Sozialisierung besteht.
Unser Ziel dagegen ist eine möglichst breite Streuung von Eigentum in der Hand des Staatsbürgers, sei es nun in Gestalt von Familienheimen, sei es in Gestalt von Anteilen an Unternehmungen. Meine Freunde sind entschlossen, gemeinsam mit ihren Koalitionspartnern gerade diese Zielsetzung im 3. Bundestag mit gesteigerter Energie zu verwirklichen.
Ich komme zu einem der Kernpunkte der Diskussion. Mein sehr verehrter Vorredner hat ihn ebenfalls in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt. Ich meine ,die Frage nach den Verteidigungsausgaben. Hierzu habe ich bereits eine Vorbemerkung gemacht. Die Verteidigungsausgaben betragen in diesem Haushalt 9,9 Milliarden DM, während sie im Haushalt des Jahres 1956 11,9 Milliarden DM ausmachten, weil 1956 noch die Restposten an Stationierungskosten bzw. Besatzungsausgaben hinzuzurechnen waren.
Diese Verringerung im Zahlenbild des Haushalts ist aber eine Tatsache, an der auch das Ausland keineswegs vorübergehen wird. Vor allen Dingen werden uns unsere Verbündeten fragen, ob im Rahmen unseres Haushalts und unseres Sozialprodukts die Verteidigungsausgaben eine Höhe erreicht haben, die in ungefähr ihren eigenen Anstrengungen entspricht.
Ich möchte hier mit einigen Illusionen aufräumen. Glaubt jemand ernstlich, unsere Verbündeten,
die weitaus größere Prozentsätze ihres Sozialprodukts für die gemeinschaftliche Verteidigung ausgeben, würden die Verwandlung von Deutschland in eine Steueroase oder in einen Wohlfahrtsstaat einfach hinnehmen, ohne sofort auf einer Verdoppelung oder Verdreifachung der Stationierungskosten zu bestehen? Meine Damen und Herren, das ist doch eine ganz fundamentale Frage, die wir hier zu stellen haben und die auch rückschauend zu stellen ist. Hier ergibt sich die Begründung für die Finanzpolitik, die der Bundesfinanzminister in den vergangenen Jahren getrieben hat.
Ich möchte eine zweite Frage dazu stellen: Hält man eigentlich die Amerikaner, aber vor allen Dingen die Engländer für so töricht, daß sie ihre jungen Leute zur Wacht an der Elbe kommandieren, um unsere jungen Leute unbeschwert ihrem Erwerbsdrang oder ihrer Freude an Motorrädern und sonstigen schönen Dingen des Lebens nachgehen zu lassen?
Ich persönlich glaube, daß man es den mit uns verbündeten Nationen nicht ohne weiteres zumuten darf, daß sie ihrerseits erheblich größere Anstrengungen für die gemeinsame Verteidigung aufbringen, als wir es tun.
— Jawohl, für die gemeinsame Verteidigung! Aber gemeinsame Verteidigung beinhaltet gemeinsame Anstrengungen und nicht nur besondere Anstrengungen der anderen.
Wir können doch wohl diesen Haushalt hier in voller westlicher Freiheit nicht deshalb diskutieren, weil die Kremlherrscher neue Friedenstauben aufsteigen lassen, um Ungarn vergessen zu machen, sondern weil die Vereinigten Staaten und England hier ihre Jugend zu unserem Schutz eingesetzt haben.
Unsere besten Wünsche begleiten gerade heute den deutschen Bundeskanzler bei seinen Verhandlungen in den Vereinigten Staaten,
Verhandlungen, die in erster Linie der weiteren Sicherung dieses Schutzes in Deutschland und der deutschen Wiedervereinigung zu dienen haben.
Ich möchte jetzt einmal an die Opposition die Frage richten: Wann werden Sie dem deutschen Volk offen sagen, welche Vorstellungen Sie eigentlich von einer deutschen Bundeswehr haben? Was wollen sie für eine solche deutsche Bundeswehr ausgeben? Wie stark soll sie in Ihrer Vorstellung sein, und wie soll sie ausgerüstet sein?
Bis jetzt haben wir von Ihrer Seite immer nur gehört, was nicht sein darf und was Sie an Kritik vorzubringen haben. Aber wir haben noch niemals konkret gehört, wie in Ihrer Vorstellung eine deutsche Verteidigungskraft aussieht, von der Sie ganz generell sagen, daß auch Sie sie nicht entbehren wollen. Aber wir möchten es schwarz auf weiß haben, wie Sie sich das kostenmäßig vorstellen.
Ich darf Sie an die Rede erinnern, die ich vor einem Jahr bereits einmal zu diesem Thema gehalten habe. Ich habe Sie damals aufgefordert, zumindest zu einer Frage Stellung zu nehmen, und gesagt: Wir sollten uns doch in einer Sache einig sein; es sollte keinen Streit über eine Bundeswehr geben, die gegenüber den früher als bei uns begonnenen und auch jetzt weiter fanatisch verfolgten militärischen Rüstungen in der Sowjetzone einen ausreichenden Schutz darstellt. Wir haben nach einer Mitteilung des Verteidigungsministers jetzt erst die 100 000-Mann-Stärke unserer Bundeswehr überschritten und wir werden wahrscheinlich noch ein volles zweites Jahr brauchen, ehe wir überhaupt auf 200 000 Mann kommen werden. Aber bis zur Erreichung auch dieser 200 000 Mann sollte es doch bei uns keinen Streit über diese primitivste Sicherung der Bundesrepublik gegenüber dem Osten geben.
Ich darf im Zusammenhang mit diesem Haushalt noch auf einige Dinge eingehen, die im Verhältnis von Bund und Ländern eine starke Rolle spielen. In diesem Haushalt stehen neben den auf die Vorjahreshöhe gebrachten Millionen für das regionale Förderungsprogramm für Schleswig-Holstein 70 Millionen DM neu für das Land Niedersachsen, 100 Millionen DM neu für Forschung und Wissenschaft, erhebliche Millionen für die Katastrophenschäden aller Art und eine Reihe weiterer Positionen. Das ist eine Entwicklung, die in einer nicht ganz begreifbaren Parallele zum zusätzlichen Steueraufkommen der Länder im Jahre 1956 steht Die Bank deutscher Länder sagt in ihrem Jahresbericht, daß die Einnahmen der Länder im Jahre 1956 von 18,02 Milliarden DM auf 21,09 Milliarden DM gestiegen sind. Ich finde in dem Jahresbericht der Landeszentralbank meines eigenen Landes, von Baden-Württemberg, auf Seite 17 eine meine Angaben in der zweiten Lesung bestätigende Mitteilung. Ich darf sie mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten hier wörtlich verlesen:
Dabei haben sich in starkem Gegensatz zum Vorjahre die Steuereinnahmen des Landes Baden- Württemberg, die um 20 % anstiegen, wesentlich stärker erhöht als die Steuereingänge zugunsten des Bundes, die nur um 8 % angestiegen sind.
Ich bin der allerletzte, der seine Augen verschließt vor den zwangsläufig wachsenden Ausgabeverpflichtungen der Länder infolge der gestiegenen und noch steigenden Gehälter und Löhne ihrer Bediensteten und ihrer auch von mir niemals gering eingeschätzten, dankenswerten Anstrengungen auf den Gebieten der Kultur und der sanitären Wohlfahrt. Aber wenn die jetzige gemeinschaftliche Lösung des Problems der Förderung von Nachwuchs und Wissenschaft zu einem sinngemäßen Clearing der beiderseitigen Antrengungen führt, werden meine Freunde sich sehr glücklich schätzen. Die Voraussetzung dafür ist allerdings eine klare Einsicht des Bundes und von uns hier im Bundestag auch in die Finanzen der Länder. Der jetzige Zustand ist durchaus ungut und wird auch in der Zukunft Ursache immer neuer Mißverständnisse und gegenseitiger Vorwürfe bleiben, wenn die Länder, wie bis jetzt, zwar den Bundeshaushalt mit kontrollieren, der Bund aber umgekehrt noch nicht einmal Einsicht in die Finanzen seiner Kontrolleure hat.
Dieser Zustand wird dann aber geradezu tragisch, wenn noch in immer steigendem Maße einzelne Länder oder alle gemeinsam Dotationen von seiten des Bundes verlangen.
Ich darf Ihnen hier vielleicht einen Vorschlag unterbreiten: wie wäre es, wenn der Bundesfinanzminister und die Länderfinanzminister gemeinsam einen objektiven Sachverständigenausschuß einsetzten, um rechtzeitig die beiderseitige Leistungsfähigkeit einmal begutachten zu lassen? Sicher ist die Feststellung eines jeden Haushalts in erster Linie eine politische Entscheidung. Aber wie soll denn eine gemeinsame Lösung des Problems Forschung und Wissenschaft gelingen, wenn die Finanzminister des Bundes und der Länder sich nicht vorher untereinander einigen? Oder läuft der Wettlauf um Zuwendungen des Bundes letztlich auf etwas ganz anderes hinaus? Will man diese Zuwendungen und Leistungen nur deshalb bewußt von seiten der Länder steigern, um beim demnächst fälligen Finanzausgleich, bei der Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern in zwei Jahren einen erhöhten Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer durchzusetzen, mit der Begründung, das, was der Bund bis jetzt schon geleistet habe, müsse ihm in Zukunft von seinem Steueranteil einfach abgezogen werden?
— Ich fürchte auch, daß wir dahin kommen werden.
Ich möchte nicht sagen, die Deckung dieses Haushalts und vor allem seine Mehrausgaben seien insgesamt vorbildlich und etwa nachahmenswert. Ich vermag andererseits auch nicht die Auffassung derer zu teilen, die da unaufhörlich rufen, die gesteigerten Ausgaben gerade des letzten halben Jahres, wie sie das Parlament beschlossen hat, seien einzig und allein auf das Argument zurückzuführen, das, glaube ich, ein begabter Journalist einmal gebraucht hat: Die volle Kasse des Bundesfinanzministers macht sinnlich. Ich stimme hier mit meinem Vorredner durchaus überein; man kann diesem Parlament tatsächlich keine übermäßige oder etwa gewollte Ausgabensteigerung vorwerfen. Die wesentlichsten Mehrausgaben beruhen auf gewissen Zwangsläufigkeiten. Subventioniert man eben nicht die Bundesbahn, wird man die Fahrkartenpreise und die Tarife erhöhen müssen. Subventioniert man nicht den Milchpreis, wird man, was nach meiner Ansicht wahrscheinlich das vernünftigere wäre, einen erhöhten Milchpreis in Kauf nehmen müssen. Die Mehrleistungen für die betrieblichen Altersrenten stellen die Einlösung eines unabdingbaren Versprechens an die Menschen dar, die sich diesen Anspruch durch eine harte Arbeit ein Leben lang sauer verdient haben, und die Mehraufwendungen für die Kriegsopfer sind zu einem Teil bedingt durch den Ausgleich von Einsparungen anläßlich der Rentenreform. Die sehr erheblichen Steigerungen der Wiedergutmachungsleistungen sind auf das allseits geforderte gesteigerte Tempo der Erledigung der Verfahren zurückzuführen. Man kann also beim besten Willen hier nicht etwa wesentliche Positionen finden, die einer ausgesprochenen Ausgabefreudigkeit des Hohen Hauses entspringen.
Aber ich glaube doch, daß dieser Haushalt die drei wesentlichsten Forderungen der Regierungskoalition verwirklicht: erstens die Steigerung des Wohnungsbaus bis an die Grenze des volkswirtschaftlich Verkraftbaren und Vernünftigen,
zweitens eine entsprechende Reform der Altersrenten
und drittens eine Agrarhilfe von entsprechendem Ausmaß.
— Ich hoffe, Sie vielleicht auch in Zukunft dazu zu zählen. Möglich, daß das noch einmal der Fall ist.
Wir sind bewußt den Weg des Maßhaltens zwischen zahllosen noch offenen Wünschen gegangen und haben uns bemüht, zwischen diesen einzelnen Wünschen ein gerechtes Maß zu finden. Ich glaube, das ist überhaupt das Entscheidende an einer sinnvollen Haushaltspolitik, daß sie das gerechte Maß irgendwie ausfindig machen muß.
Am Ende des 2. Bundestages glauben wir jedenfalls auf seiten der Koalition feststellen zu können, daß ein wesentlicher Grundsatz unserer Verfassung sich durchaus bewährt hat, nämlich die Sicherung der Stabilität der Bundesregierung. Die Führung dieser Bundesrepublik lag auch in den letzten vier Jahren in starken, zielbewußten und wer wollte es leugnen — auch sehr geschickten Händen, und ich frage: ist das deutsche Volk dabei in diesen letzten vier Jahren schlecht gefahren?
Hat der Bundeskanzler die Flut auch an persönlichen Verdächtigungen verdient, die innerhalb dieser Jahre gegen ihn erhoben worden sind? Ich möchte auch gerade jetzt angesichts der weltpolitisch wichtigen Entscheidungen in Washington einmal fragen: ist internationales Vertrauen nichts wert für ein Volk, das überhaupt erst 1955 seine staatliche Souveränität wieder errungen hat?
Das Mißtrauen gegenüber allen Handlungen der Regierung Adenauer, d. h. der eigenen Regierung dieser Bundesrepublik, steht heute in einem mehr
als krassen Gegensatz zu dem geradezu gläubigen Vertrauen, das vielerseits den Worten des Kreml andererseits entgegengebracht wird.
Lassen Sie mich dazu mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einmal einige Sätze eines, wie ich glaube, sehr objektiven journalistischen Beobachters, nämlich des Bonner Berichterstatters der „Neuen Zürcher Zeitung", zitieren:
Den Vereinigten Staaten wird von diesen Kreisen zwar die Hauptverantwortung für die Wiedervereinigung in die Schuhe geschoben; aber darüber, daß ein ständiges deutsches Mißtrauen, die alle Woche wiederholte Forderung nach Loyalitätsversicherungen für Deutschland und zugleich die ständige griesgrämige Unzufriedenheit über .diese Beteuerungen schließlich auch die Haltung Washingtons in einem Sinne beeinflussen könnten, der keinem Deutschen willkommen sein kann — darüber macht man sich offenbar keine Gedanken. Die einigermaßen fundierte Hoffnung gegenüber solchen pathologischen Ausbrüchen des Mißtrauens
und einer Neigung zum politischen Nihilismus bleibt die, daß die breite Masse der Deutschen über mehr gesunden Menschenverstand und über ein ruhigeres Urteil verfügt als ein Teil ihrer in politischen Dingen federführenden desorientierten Intelligentsia.
Weder in der Politik noch im Wirtschaftlichen kommt, glaube ich, irgend etwas von selbst. Wir glauben heute mehr denn je, daß es der Initialzündung der von uns vertretenen Politik mit zu verdanken war, daß der Anstieg in dieser Schnelligkeit diesen Verlauf genommen hat. Wir wissen sehr genau, daß das ganze deutsche Volk unter Aufbietung aller seiner Kräfte an diesem Aufbau redlich mitgearbeitet hat. Aber wir glauben andererseits, daß die konstante und zielbewußte Politik der letzten acht Jahre in einem sehr hohen Maße sowohl den deutschen Wohlstand wie auch die deutsche Sicherheit mit gewährleistet hat. Deswegen, meine Freunde, vertrauen wir auch in dieser Stunde, bei der Verabschiedung des letzten Haushalts des 2. Deutschen Bundestages, auf den gesunden Sinn unseres Volkes und auf sein gesundes politisches Urteil.
Das Wort hat der Abgeordnete Lenz .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Wort zur Verabschiedung des Haushalts - einige Gedanken allgemeiner Art in der dritten Lesung —, dieses Wort zur Verabschiedung des Riesenhaushalts für 1957 kann kein Grund zum Jubilieren sein, es kann kein Grund zum Loben sein, wie herrlich weit wir es gebracht haben.
Mit 37,3 Milliarden erreicht der Haushalt des Bundes in diesem Wahljahr seine bisher höchste Höhe. Im Jahre 1938 — zum Vergleich herangezogen —, im Jahre seiner größten Macht, brachte es das Hitler-Reich auf 31,8 Milliarden R-Mark! Und wie billig hat uns die Weimarer Republik mit
ihren jährlichen 9 Milliarden regiert! Unser kleinerer Staat ist jetzt weit darüber hinausgewachsen.
Ich glaube deshalb, daß man schon allein diesem Faktum, dieser Zahl mit größter Nachdenklichkeit gegenüberstehen muß.
— In gewissem Sinn schon, Herr Kollege Conring.
Wir Liberalen — und ich hoffe, alle Liberalen dieses Hauses — haben unsere besondere Not, diesen ins Riesenhafte gesteigerten Marsch in den Staat, in das Eigentum von Wirtschaft und Privaten gutzuheißen oder gar mitzumachen.
Wir haben es gewußt: Ein Drittel aller Früchte unserer Arbeit, Herr Kollege Conring, nahm die öffentliche Hand schon wieder an sich, um sie über 'den großen Verteiler Haushalt anderen zu geben, anstatt das Geld denen zu lassen, die es mit Arbeit und Schweiß und Mühe verdient haben. Und jetzt wird dieser Zugriff des Staates noch kräftiger, auch wenn keine formale Steuererhöhung veranschlagt ist und die sogenannte Deckung aus den noch vorhandenen flüssigen Mitteln erfolgt.
— Aber wer will einmal die Ausgaben bändigen, Herr Kollege Conring, der Sie sich zum Ziel gesetzt haben, mich immer nach anderen Dingen zu fragen als nach denen, über die ich gerade spreche? Wer will später die Ausgaben bändigen, wenn sie einmal da sind, wenn man halb gelöste Aufgaben nicht mehr liegenlassen kann? Glaubt man, daß man bestimmte Vorhaben mit einem einzigen Haushaltsansatz, mit einem einzigen höheren Jahreszuschuß bedenken kann, daß man den Nachwuchs mit nur einer Jahresgabe fördern oder im nächsten Jahr die Bauten liegenlassen kann, die man jetzt beginnt? Alles, aber auch alles entwickelt sich von selbst weiter: die Bauten und die Förderungsmaßnahmen, die Darlehen und die Zuschüsse, und die jetzige Inanspruchnahme des Sozialprodukts für öffentliche Zwecke ist in der Entwicklung nur eine Stufe auf dieser Treppe nach oben. Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die auffälligste Sünde dieser bürgerlichen Regierung darin liegt, daß sie diesen Marsch in den Staat mitgemacht und noch beschleunigt hat.
Ich glaube ferner, daß dieser Staat, der so sentimental im Geben und so hart im Nehmen ist, zum Schluß die Reste dieser Bürgerlichkeit kalt erledigen wird,
weil niemand gemerkt hat, daß in diesen Haushaltszahlen unter dem Motto des Sozialen und der Gerechtigkeit ein großer Kollektivierungsvorgang steckt, und niemand wird mehr die Kraft aufbringen, aus diesen Bewilligungen, hinter denen ja unsere Gesetze stehen, wieder herauszukommen.
— Die dritte Lesung des Haushalts scheint mir eine Möglichkeit zu sein, dies zu betonen.
Spüren wir denn nicht alle, meine Damen und Herren, diese bedenkliche Automatik von Jahr zu Jahr: wenn die einen etwas bekommen, dann müssen die anderen auch etwas haben, gleichgültig, ob sie sich selber helfen können oder nicht!? Wer hat uns geholfen?!
Meine Herren, ich möchte Sie doch bitten, Ihre Privatgespräche einzustellen und Ihre Aufmerksamkeit auf den Redner zu konzentrieren.
Danke sehr, Herr Präsident!
Da droht — um nur ein Beispiel zu nennen — in den letzten Monaten irgendein Teil ;der studentischen Jugend mit Streik, und sofort werden alle guten Prinzipien über Bord geworfen. Es regnet Zuschüsse statt Darlehen, Renten statt Wirtschaftshilfe.
Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung dieses Haushalts ist von diesen grundsätzlichen Dingen leider wenig die Rede gewesen. Manchmal hat mich die Debatte, bei der es vielfach um Kleinigkeiten, um kleinste Kleinigkeiten ging, an ;die Antwort jenes Japaners erinnert, dem ein Deutscher von seinem 16stündigen Arbeitstag erzählt und 'der daraufhin gefragt hat: Mein Lieber, und wann denk en Sie eigentlich?
Von der Gesamtlage der Finanzwirtschaft war jedenfalls bisher kaum die Rede, übrigens auch nicht von seiten der Regierung, die sich mit uns über die Einzelzahlen gestritten, aber noch keinen wirklich gehaltvollen Überblick über die Gesamtheit der Risiken und Erwartungen gegeben hat. Ich mache diese Bemerkungen ja nicht als erster, und ich mache sie nicht allein. Ich meine, daß nur aus der Bewußtheit der Gesamtlage heraus die Besinnung für den Einzelfall kommen kann, und ich möchte sagen, daß die Uninteressiertheit auf der Regierungsseite geradezu bedrückend war. Kein Regierungschef war bei den wichtigen Einzelplänen zu sehen, und bei den Grundsatzaussprachen waren keine Minister anwesend. Kann denn das Kabinett immer nur in der „Fragestunde" hier versammelt sein?
Man ließ den Finanzminister allein sitzen und schwitzen. Man hatte den Eindruck von einem schlecht zusammenarbeitenden Team.
— O ja! Bedenken Sie: Dirigismus, Protektionismus, Wohlfahrtsstaat, Staatskapitalismus, und dann will Herr Erhard noch soziale Marktwirtschaft machen! Ich weiß nicht, ob es anderen auch so ging; aber in dieser Stunde drängt sich doch geradezu das Bedürfnis auf, einmal einige höhere Gesichtspunkte für diese Debatte anzusprechen. Wer hat noch den Mut, anzunehmen, meine Damen und Herren, daß die Reihe der alljährlichen automatischen Erhöhungen, deren Gesetzmäßigkeit ausschließlich — ich gebe das zu und nehme uns und mich selber nicht aus — in der Schwäche
unserer Entschlüsse liegt, jemals unterbrochen werden könnte?!
Denken Sie doch einmal — was ich jetzt anführen will, dient nur zur Illustration; der Einsichtsvolle kann darüber eigentlich nur lachen oder besser weinen; es ist ein charakteristisches Beispiel für das Abhandenkommen des Gefühls für natürliche Zusammenhänge — an die Bestrebungen, für jeden Stand eine Staatshilfe zur Alterssicherung herauszuhandeln. Es kann sein, daß es auch in den Reihen meiner eigenen Freunde Befürworter solcher Lösungen gibt. Wo gibt es keine Befürworter für irgendwelche finanziellen Hilfen! Man fragt sich nur, wo das ein Ende nehmen soll: letzten Endes wohl nur in der hundertprozentigen Wegnahme und der Verteilung der gesamten Arbeits- und Vermögenseinkommen in Deutschland. Da kann man fragen: Hat der Westen eine Idee?
Ebenso wie im Vorjahr ist es in diesem Jahr besonders originell, daß sich das Haushaltsvolumen gegenüber dem im Dezember eingebrachten Regierungsvoranschlag gewaltig ausdehnt, ohne daß neue Steuern bewilligt und beschlossen worden sind oder etwa Steuererleichterungen weggefallen wären. Wir haben auch nichts davon gehört, daß etwa die Veräußerung von Bundesvermögen neue große Erträge gebracht hätte. Wir tätigen alle diese Mehrausgaben mit Hilfe unserer Kasse, und man braucht kein großer Bilanzkünstler zu sein, um festzustellen, daß ein solcher Weg eigentlich nur zulässig ist, wenn der Kasse, die nun für neue Aufgaben eingesetzt wird, keine alten Verpflichtungen gegenüberstehen. Ich will nicht sagen, wie man es nennt, wenn man so etwas tut, ohne daß die alten Verbindlichkeiten gestrichen sind. Leider ist unser Haushaltsplan keine Bilanz; sonst würde der ganze Vorgang sehr leicht zu durchschauen sein. Da frage ich den Regierungschef, der auch hier die Verantwortung trägt, ob das, was er hier tut, nicht ein wenig an diese Haltung erinnert, die Baudelaire so ausdrückt: „Der stille Held aufs Schwert sich senkte; er hat dies alles nicht zu sehen geruht."
Noch etwas anderes kommt hinzu, und damit komme ich auf den außerordentlichen Haushalt zu sprechen, der im allgemeinen harmlos ist wie ein braves Schaf, wenn er nämlich nach den klassischen Regeln nur bedient wird, wenn Anleihemittel aufkommen. Aber er wird ein sehr gefährlicher Räuber, wenn man die Ausgaben, wie das in diesem Jahr selbstverständlich ist, zum allergrößten Teil ohne Anleihemittel aus den flüssigen Geldern des Bundes bedienen muß. Der Verfassungsvorschrift vom ausgeglichenen Haushalt — und wir befinden uns hier im Verfassungsbereich —, die sich nur auf den ordentlichen Haushalt bezieht, in dieser Weise zu entsprechen ist weiß Gott nicht schwer. Aber man fragt sich, ob die Verfasser dieser Vorschrift wohl an solche Kunstgriffe gedacht haben und sie für zulässig erklären würden. Nun, wir wissen alle in diesem Hause, daß die flüssigen Mittel, über die wir jetzt so großzügig verfügen, nur durch das Zurückbleiben der Verteidigungsausgaben entstanden sind. Es sind also Rüstungsgelder, in denen sich jetzt der neue Ausgabensegen auswirkt; der Katzenjammer wird infolgedessen dann eintreten, wenn einmal die Verteidigung nicht mehr mit kleinen Pfötchen, sondern mit großen Tatzen in die Bundeskasse greift.
Ein Glück, daß es in diesem Jahre noch nicht der Fall sein wird, wahrscheinlich auch noch nicht im nächsten Jahr; aber der Tag kommt. Die inzwischen entstandene Lage ist neulich in der zweiten Lesung von dem Kollegen Professor Gülich sehr klar dargestellt worden, als er sagte, daß die Verteidigung mit Hilfe der alten Ausgabeermächtigungen weiterwirtschaftet, obwohl das Geld, das zur Deckung dieser Schulden bestimmt war, inzwischen anderweitig verwendet worden ist.
Bilanzmäßig gesehen ist der Juliusturm zwar verschwunden, aber geldmäßig besteht er immer noch, und das ermöglicht unsere jetzigen bedenklichen Operationen.
Deshalb möchte ich der Regierung den Rat geben
— vielleicht ist sie bereit, einen Rat aus diesem Hause anzunehmen —, sie möge künftig weder von einem verschwundenen Juliusturm noch von einem verschwundenen Franz-Joseph-Turm reden
— es handelt sich hier um keine Bundesbauten —, sondern dem Hause einfach den Kassenbestand und die Verpflichtungen, die diesem Kassenbestand gegenüberstehen, mitteilen. Wenn das geschieht, dann wird jedermann klar, welch gefährliches Spiel man in diesem neuen Haushaltsplan treibt.
Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß der Traum von einer Lockerung des Steuerdrucks vorläufig ausgeträumt ist. Wir sind allerdings der Auffassung gewesen und haben sie immer vertreten, daß eine lineare Steuersenkung ohne Schwierigkeiten möglich gewesen wäre.
Man braucht nur an die Überfülle der Subventionen zu erinnern, die dieser Haushalt bewilligt, um zu erkennen, wie wieder einmal zum Nachteil des normalen Wirtschaftsfunktionierens des Guten zuviel getan ist.
— Wir können darüber reden; aber wir müssen ehrlich sein. Darum geht es mir, und das ist, glaube ich, auch Ihr Anliegen, wenn Sie es vielleicht auch in dieser Form, wie ich es tun kann, nicht ausdrücken dürfen. Über die Kernfrage, ob diese Ausgaben überhaupt möglich gewesen wären, wenn wir zuvor die Einnahmen gesenkt hätten, Herr Kollege Krammig, kann man ja wohl verschiedener Meinung sein. Aber hier liegt sicherlich eine Wechselwirkung vor.
Zur Steuersenkung auf dem Gebiet der Einkommen- und Körperschaftsteuer gehören, wie wir alle wissen, auch die Länder, und in deren Finanzmasse können wir im Augenblick nicht mehr so hineinregieren wie noch vor zwei oder drei Jahren. Wenn man von diesem Standpunkt aus, unter dem Gesichtspunkt der einfachen Durchführbarkeit bei Bund und Ländern, die Möglichkeiten steuerlicher Änderungen betrachtet, dann steht man vor den Schatten einer bestimmten seitherigen Politik. Einzelne Länder — wir müssen das zugeben — sind finanziell am Ende. Man kann von diesen Ländern kein weiteres steuerliches Opfer mehr verlangen. Andere Länder sonnen sich ein wenig in einer etwas opulenteren Finanzpolitik. Man kann dieses Problem, das wiederum ein verfassungsmäßiges Problem ist, an den Ländergrenzen studieren, beispielsweise an den schulischen Einrichtungen der armen und der reichen Länder.
Für uns ergibt sich aus dieser Feststellung eindeutig, daß wir auf nahe und auf weite Sicht Konsequenzen zu ziehen haben. Ich glaube, daß wir im Jahre 1958 zu einer sinnvolleren Ordnung der Verteilung der großen Steuern kommen müssen, wobei ich persönlich sogar noch der Meinung bin — und ich glaube, hier im Hause ist man sich darin im großen und ganzen einig —, daß beim nächsten Verfassungsgespräch über die entsprechenden Artikel des Grundgesetzes auch die 1948/49 vergessenen Gemeinden mit einbezogen werden müssen.
Wir können diese dritte Säule unseres Staates, die Gemeinden, nicht ständig zu Untertanen der Länder machen und sie dort Schlange stehen lassen.
Die Unhaltbarkeit der Situation bei manchen Ländern führt nun auch zu einem gewissen Durcheinander im Bundeshaushalt. Überall — wir erleben das und lesen es auf diesen grünen Änderungsanträgen — dringen reine Länderaufgaben in die Bundeshaushaltsansätze ein und verwischen zum Nachteil der Übersicht klare Verantwortlichkeiten, klare Bewirtschaftungen. Beide Ebenen gehen völlig durcheinander. Es wird besonders schwer — ich darf und muß das aussprechen —, wenn solchen Ländern Zuschüsse, Darlehen und Subventionen aus politischen Gesichtspunkten gegeben werden.
Die Niedersachsenhilfe, die erstmals diesen Haushalt ziert, ist ja wohl ein sprechendes Beispiel dafür. Das gute Ergebnis von Schleswig-Holstein in 1 den letzten Jahren — wir freuen uns, daß es diesem armen Land wieder besser geht — hat den Nachbarn nicht schlafen lassen, und so können wir uns mit Sicherheit ausrechnen, welche weiteren Länder kommen werden, ja folgen müssen, damit im Punkte Leistungsfähigkeit wieder ein annähernd gleicher Wasserstand entsteht.
— Wenn auch ich Abgeordneter aus Niedersachsen wäre, Herr Kollege Conring, würde ich „selig wie ein satter Säugling" auf meinem Stuhl mich meiner 70 Millionen freuen.
Dabei ist besonders interessant, daß der Bund keinen Einfluß auf die Haushalte der Länder hat, während die Länder über den Bundesrat unmittelbar mitwirken können an der Gewährung von Finanzhilfen zu ihren Gunsten. Vielleicht ist es, auf weite Sicht gesehen, eine „List der Natur", die auf diese Weise über den Haushalt manchen Länderherrlichkeiten das Lebenslicht ausblasen wird.
Noch zwei Einzelfragen! Wie Sie wissen, soll die Bundesbahn in diesem Jahr über 1,3 Milliarden erhalten, eine Summe, die ganz einfach zu der Feststellung nötigt, daß auch auf diesem Gebiet offenbar alle Planungen zu Bruch gegangen sind. An sich scheint ein einfacher Tatbestand vorzuliegen, nämlich der, daß die Tarife unzureichend geworden sind. Aber ich glaube, damit kann man die Forderung nach einem Nachschuß von 500 Millionen über den Regierungsvoranschlag hinaus doch nicht begründen. Welche Verzerrung der wirtschaftlichen
Funktionen liegt in einer so riesigen Subvention!
Natürlich fragt es sich, ob es der Wirtschaft lieber wäre, die 1,3 Milliarden in Form höherer Tarifentgelte zu bezahlen, wenn sie nicht dafür die nötige steuerliche Entlastung erfährt; sie würde gegen eine Tariferhöhung sicher Widerstand leisten, wenn, was wahrscheinlich wäre, zugleich Tariferhöhung und Subventionierung stattfinden sollten.
Zu den weiteren Ungereimtheiten gehört, daß der Verteidigungsbeitrag über 9000 Millionen DM betragen soll, auch wenn die effektiven Ausgaben diesen Betrag nicht erreichen. Wir sind im Haushaltsausschuß darüber belehrt worden, daß das Limit von 9 Milliarden aus außenpolitischen Gründen nötig sei. Gut. Aber es ergab sich doch das etwas komische Bild, daß Ausgabemittel, die mit Zustimmung der Regierung im Verteidigungshaushalt gestrichen wurden, nicht für andere Bundesaufgaben, sondern für Verteidigungsaufgaben, die bisher gar nicht veranschlagt waren, Verwendung finden sollen. Persönlich hätte ich es ganz gern gesehen, wenn man den Verteidigungshaushalt in diesem Jahr zugunsten des Straßenbaues ein wenig erleichtert hätte. Ich räume aber ein, daß man nicht gut gegen die Heranziehung flüssiger Mittel des Verteidigungshaushalts zum Haushaltsausgleich wettern kann, wenn man weitere Ausgaben aus den Verteidigungsmitteln decken will. Dennoch bleibt es sehr schmerzlich, daß für den Straßenbau nur eine schmale Kost übriggeblieben ist. Ich fürchte, daß uns die Rechnung in einem Jahr präsentiert werden wird, in dem der Haushalt aus anderen Gründen überbelastet ist. Diesmal sind die Schienen der Bundesbahn zu Lasten der Straße vergoldet worden. Wir sind gespannt, ob sich diese Politik als richtig erweist.
Neben der Bundesbahn gehört zu den Gewinnern in diesem Haushalt ohne Zweifel auch die Landwirtschaft. Ihre Menukarte ist sehr reichhaltig geworden. Bei aller Freude, die man über die wirklichen, echten Strukturhilfen empfinden kann, die im jetzigen Agrarhaushalt und im Grünen Plan stecken, möchte ich doch nicht die ernsten Untertöne übergehen, die das Ansteigen der bisherigen Subventionen auf die jetzige Höhe auslösen muß.
In den Debatten nach der Einbringung des Grünen Plans stellte sich doch heraus, daß man wieder alle Prinzipien vergessen hatte. Der größte Brokken des neuen Segens, nämlich die Milchsubvention, reicht mit seinen 400 Millionen DM wahrscheinlich gar nicht .aus. Damit will ich zum Ausdruck bringen, daß ich auch hier das Gefühl habe, daß die Dinge nicht bis zum letzten durchdacht worden sind. Der Haupteinwand von unserer Seite ist aber auch hier der Hinweis auf die allmählich immer größer werdende Verzerrung zwischen Aufwand und Preis; die sollte beseitigt werden. Wir können nur feststellen, daß die Aufwandsseite, also die Kostenseite, völlig davongeschwommen ist, während die Ertragsseite nun über den Haushalt repariert werden soll. Das erzeugt ein sehr unbehagliches Gefühl, und man fragt sich, wohin die Reise gehen soll. Auch hier bedeuten die höheren Bundessubventionen, daß die Länder in ihren Anstrengungen nachlassen und die gesteckten Ziele infolgedessen kaum erreichen. Wir glauben, daß der Landwirtschaft jedenfalls eine stabile Kostenseite
wesentlich lieber wäre als diese Haushaltsgeschenke.
Meine Damen und Herren, noch einen Gedanken. Die neuen Subventionen bedeuten, soweit sie in der Form von Darlehen gegeben werden, ein neues Anwachsen des Bundesvermögens. Wir betrachten seit Jahren mit äußerstem Argwohn gerade diese Ansammlung von Reichtum der öffentlichen Hand. Wir stellen bei diesem Haushalt erneut fest, daß eine Zurückverwandlung des Bundesvermögens im Sinne einer Erleichterung für den Steuerzahler unterbleibt. Die Reprivatisierung wird in diesem Haushalt nur sehr klein geschrieben. Wir sagenganz offen, daß wir allen Bereitschaftserklärungen der Bundesregierung und auch des Herrn Finanzministers nicht mehr recht glauben. Über das Echo der Volkswagenwerk-Aktion werden wir wohl übermorgen sprechen. Aber — man kann es ja nur ahnen — diese Aktion ist ohne Zustimmung des Bundesministers der Finanzen gestartet. Und man geht in der Annahme wohl nicht fehl, daß sie wafhrscheinlich unterblieben wäre, wenn man ihn, den federführenden Minister, vorher gefragt hätte. Immer wieder gewinnt man den Eindruck — wie gesagt, man kann es nur allmählich spüren —, daß es wohl nicht er selbst ist, sondern daß um ihn herum Kräfte am Werk sind, die sich der Preisgabe des bisherigen Bundesbesitzes entgegenstellen, und daß ihnen starke Gefolgschaft geleistet wird, um das verstaatlichte Eigentum zu erhalten. Man soll uns nicht immer damit vertrösten, daß man die Privatisierung wolle, sie aber nicht so schnell durchführen könne. Wo sind die Beweise des guten Willens? Der einsame Fall der Howaldt-Werft macht es nicht allein. Man kann nicht gut die soziale Marktwirtschaft predigen und Idas staatliche Eigentum im wirtschaftlichen Wettbewerbsbereich vermehren.
Alle diese Gründe verstärken unsere Bedenken gegen den Haushalt 1957 und machen uns die Zustimmung nicht recht möglich. Wir verkennen bei unseren Einwänden, etwa gegen die JuliusturmPolitik, nicht, daß der Bundesminister der Finanzen mind estens versucht hat, den Bundeshaushalt als ein Ordnungselement zu erhalten, und in seinem Finanz- und Haushaltsbereich Ordnung aufrechterhalten und dadurch auch zurStützung der Währung beigetragen hat. Unser Haupteinwand aber ist, daß uns dieser Haushalt und die durch diesen Haushalt vertretene Politik in naher Zukunft wahrscheinlich vor unlösbare Schwierigkeiten stellen wird. Wenn die Ergänzungsabgabe das einzige therapeutische Mittel gegen die schleichende Krankheit der ständig steigenden Ausgaben sein soll, so rechtfertigt das unseren Widerstand gegen die jetzige Ausgabenwirtschaft zur Genüge. Dieser Haushalt scheint uns ein Wechsel auf die Zukunft zu sein, dessen Deckung wir nicht sehen. Deshalb möchten wir beim Zustandekommen dieses Haushalts nur insoweit mitwirken, als wir selbstverständlich eine ganze Reihe von Einzelplänen billigen werden und einzelne Maßnahmen unterstützen, die uns richtig erscheinen und die wir vertreten würden, wenn wir selber die Verantwortung für diesen Haushalt hätten. Aber in der augenblicklichen Situation sieht sich die Fraktion der Freien Demokratischen Partei nicht in der Lage, diesem Haushalt ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Blank.
Dr. Blank (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Atemholen, das bei der Haushaltsdebatte zwischen der zweiten und dritten Lesung liegt, hat wohl seinen tiefen Sinn. Es wäre gut, wenn wir bei dieser Übung blieben. Die kleinen und großen Streitigkeiten um Zahlen und Ausgaben sollten bei der dritten Beratung als ausgekämpft gelten. Man sollte auch glauben, daß die Abgeordneten, ,die ja nur ihrem Gewissen verantwortlich sind, nicht innerhalb weniger Tage zu derselben Angelegenheit ihre Stimme einmal in dieser ;und einmal in jener Richtung abgeben.
In allen Fraktionen haben wir uns heute morgen den großen und allgemeinen Fragen des Haushalts zugewandt, und wir sind dabei, zu versuchen, die Linie der Finanzpolitik zu ergründen, die in dem Voranschlag der Regierung, den Änderungen, die der Haushaltsausschuß vorgenommen hat, und den Schlußentscheidungen dieses Hauses liegen. Vielleicht ist diese Linie sogar zu entdecken. Es wäre sicher sehr dankenswert, wenn auch die Bundesregierung durch den Herrn Bundesfinanzminister noch einmal zu den Veränderungen Stellung nähme, die sich seit der Haushaltsrede im Dezember vorigen Jahres ereignet haben. Sowohl Herr Kollege Schoettle wie Herr Kollege Vogel haben ja, jeder auf seine Art, die wesentlichen Veränderungen in ihren Darlegungen schon aufgezeigt, so daß ich darauf nicht noch einmal einzugehen brauche. Wie gesagt, es wäre sicher gut, wenn auch die Bundesregierung im Laufe dieser Debatte in ,dem von mir angeregten Sinne noch einmal Stellung nähme; denn die Veränderungen des jetzigen Entwurfs mit rund 3,5 Milliarden DM Mehrausgaben gegenüber dem ursprünglichen Voranschlag haben die Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit während der letzten zwei, drei Wochen sehr stark beeinflußt, und mir scheint, daß Parlament und Regierung dabei nicht allzugut wegkommen. Deshalb war es schon sehr wertvoll, daß von allen Seiten des Hauses auf den besonderen Charakter des diesmaligen Verteilungsplanes für den finanziellen Segen hingewiesen worden ist.
Viele Kollegen in diesem Haus legen besonderen Wert darauf, daß ein Unterschied gemacht wird zwischen den Ausgaben, die das Parlament aus eigener Initiative beschlossen hat, und solchen, die die Bundesregierung nachgeschoben hat. Ich glaube, daß man diesen Dingen gar nicht im einzelnen wird nachgehen können. Dabei würde auch nichts Nützliches herauskommen. Im übrigen Ist es dem Steuerzahler ziemlich gleichgültig, ob die nachträglich bewilligten Ausgaben sogenannte zwangsläufige Ausgaben sind oder ob sie aus der Bewegungsfreiheit des Parlaments entstanden sind. Der Steuerzahler sieht mit Recht nur die Gesamtheit und die neue, große Zahl. Er gerät in Furcht und Schrekken, weil er weiß, daß es in den modernen Haushalten, wie soeben auch der Kollege Lenz beklagt hat, immer nur ein weiteres Ansteigen der Ausgaben und natürlich demgemäß auch der notwendigen Einnahmen, aber niemals ein Zurück oder eine Verminderung zu geben scheint. Wenn der Steuerzahler begriffen hat, daß diesmal die neuen Ausgaben aus den Rückstellungen für die großen Verteidigungsausgaben der nächsten Zukunft entnommen sind, dann gehört nicht viel dazu, daß die Freude an dem Verschwinden des Juliusturms durch die Sorge um die Deckung gleicher oder ähnlicher Ausgaben im nächsten Jahr und in darauffolgenden Jahren beeinträchtigt ist. Hier liegt wohl die Frage
Nr. 1 der deutschen Finanzpolitik. Ich könnte nicht behaupten, daß die Sorgen unbegründet seien und daß wir schon etwas Befriedigendes über die Lösung des Problems gehört hätten. Gewiß, im letzten Jahr schienen die Dinge ähnlich zu liegen. Man sprach auch von einem letzten leichten Jahr, dem nun die harten, schweren folgen werden. Wir kennen das schon, und man ist versucht, sich daran zu gewöhnen, daß die Lage zwar immer als hoffnungslos, aber niemals als ganz verzweifelt bezeichnet wird.
Wie so oft liegen die Gründe hier deutlich zutage; man muß sie bloß sehen wollen. Die Gründe liegen bei der Verteidigung, die uns wirklich lange genug über ihren Finanzbedarf und die geldliche Inanspruchnahme im einzelnen im ungewissen gelassen hat. Als Berichterstatter für den Einzelplan der Verteidigung stehe ich der Frage nach der Entwicklung unserer Verteidigungsausgaben vielleicht noch etwas näher als der eine oder andere unserer Kollegen. Aber daran beteiligt, meine Damen und Herren — das möchte ich ausdrücklich betonen —, sind wir alle, ob wir wollen oder nicht. Es sei mir aus diesem Grunde gestattet, auf die besondere Problematik des Verteidigungshaushalts mit einigen Worten einzugehen.
Die öffentlichen Haushalte gehen von dem Grundsatz aus, daß bestimmte Ausgaben entsprechend der Aufgabenstellung zu leisten sind und daß dann eine entsprechende Einnahme zur Deckung geschaffen werden muß. Dies ist besonders deutlich bei den außerordentlichen Haushalten, in die die Ausgaben z. B. für Bauteneingesetzt werden und in denen die Deckung durch die Ermächtigung zur Aufnahme einer Anleihe vorgesehen wird. Dieses Prinzip funktioniert auch dann, wenn sich die Aufgaben und damit die Ausgaben in normalen Grenzen halten und der Steuerkraft entsprechen. In der Bundesrepublik hat uns dieses System sowohl im Hohen Hause als auch besonders im Haushaltsausschuß stets erhebliche Sorgen und Schwierigkeiten bereitet. Die durch den Krieg und seine Folgen entstehenden Ausgaben und finanziellen Belastungen sind so groß, daß die Steuerkraft des Volkes voll und übermäßig in Anspruch genommen wurde. Es blieb daher keine Manövriermasse mehr übrig, um neu hinzutretende Aufgaben zu finanzieren. Es war sogar notwendig, die Steuern stufenweise auf ein erträgliches und mit anderen Staaten vergleichbares Maß zu senken. Auch die Herausnahme von Ausgaben aus dem ordentlichen Haushalt und ihre Übertragung in den außerordentlichen Haushalt erwies sich nicht als ergiebig, da der Anleiheweg nicht im erforderlichen Maße offenstand. Über die Gründe ist in diesem Hause auch von mir schon wiederholt gesprochen worden. Warum der Kapitalmarkt so aussieht, darüber möchte ich in diesem Augenblick nichts sagen. Wir mußten also in zunehmendem Maße beim Bundeshaushalt darauf achten, daß für neue Ausgaben eine Deckung im Etat selbst gefunden wurde, was im übrigen auch dem Art. 110 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes entspricht.
Nach Abschluß der NATO-Verträge und den ersten Errechnungen über die Aufstellung der Bundeswehr stellte sich heraus, daß sich das Tempo der Aufstellung zwar nach der Freimachung oder dem Neubau von Kasernen und Flugplätzen sowie nach dem Fortschritt der Materialausrüstung richtet, daß sich aber ,das Tempo und der Umfang aus der Finanzlage her nicht beliebig beschleunigen und ausdehnen lassen. Bei der angespannten Steuerlage und bei der Unmöglichkeit, große Anleihen aufzunehmen, mußte Art. 110 des Grundgesetzes in straffer Weise angewendet werden. Bei der Aufstellung der Bundeswehr mußte daher der bisher übliche Weg, daß sich die Einnahmen nach den Ausgaben zu richten haben, verlassen werden, um die Gefahr einer Unordnung der Staatsfinanzen von vornherein auszuschließen. Statt dessen mußten sich Bundesregierung und Bundestag darüber klarwerden, welche Globalbeträge jährlich für die Bundeswehr zur Verfügung gestellt werden können, ohne die Steuerkraft des deutschen Volkes zu überfordern und ohne die sonstigen dringenden Staatsaufgaben zu vernachlässigen.
Die Festlegung solcher jährlichen Globalbeträge war zunächst auch deshalb erforderlich, weil bei Aufstellung der Bundeshaushaltspläne 1955 und 1956 das Verteidigungsressort noch keinen präzise in Kapitel und Titel aufgegliederten Einzelplan vorlegen konnte. Aber auch jetzt, nachdem das Verteidigungsressort bei der Einreichung des Haushaltsplans 1957 den zeitlichen Anschluß gefunden hat, muß das Prinzip beibehalten werden, daß sich das Parlament entschließt, einen bestimmten Betrag für die Bundeswehr zur Verfügung zu stellen. Das Hohe Haus muß sich also darüber klar sein, welchen Betrag es bei Berücksichtigung der sonstigen Staatsausgaben aus den Einnahmen bewilligen kann.
Wir werden dieses Prinzip nicht nur im Etat 1957, sondern auch in der Zukunft anwenden müssen und damit von den bisherigen Methoden in dem sonstigen Haushaltsgebaren der öffentlichen Hand grundsätzlich abweichen müssen. Wir werden also nicht die Beträge bewilligen können, welche das Verteidigungsressort haben möchte, und dann erst nach einer Deckung suchen, sondern wir werden .die Deckungsfrage zum Grundproblem erklären müssen. Die Bundesregierung wird nach dem Deckungsprinzip jeweils die Planungen für die Bundeswehr überlegen müssen und uns den Entwurf eines Haushaltsplans vorzulegen haben.
Hierdurch soll die Bundesregierung selbstverständlich keine Globalvollmacht erhalten, um z. B. von den 9 Milliarden DM im Jahre 1957 die nach Abzug der 1,2 Milliarden DM für Stationierungskosten verbleibenden restlichen 7,8 Milliarden DM für die Bundeswehr nach eigenem Ermessen auszugeben. Hierdurch würde das Budgetrecht des Parlaments — es ist sein vornehmstes Recht und zugleich seine ernsteste Verpflichtung — außer acht gelassen werden.
Das Deckungsprinzip kann nur bedeuten, daß, wie auch für 1957 geschehen, im Rahmen der Gesamtsummen von der Bundesregierung ein präziser Entwurf des Einzelplans 14 dem Bundesrat und dem Bundestag vorgelegt und darüber entschieden wird.
Wir müssen uns allerdings darüber klar sein, daß wir im Rahmen der NATO-Verträge und unseres Bündnisses verpflichtet sind, unsere volle finanzielle Leistungsfähigkeit auch für die Aufstellung der Bundeswehr zu verwenden. Da der Gesamtbetrag von 9 Milliarden DM weniger 1,2 Milliarden DM gleich 7,8 Milliarden DM für die Bundeswehr nicht voll ausreicht, bedeutet das Deckungsprinzip andererseits, daß die von uns bei einzelnen Kapiteln und Titeln gekürzten Ansätze beim Einzelplan 14 nicht zur Deckung anderer Aufgaben der
Bundesrepublik zur Verfügung stehen, sondern daß diese Beträge in dem Rahmen des Einzelplans 14 verbleiben.
Ich glaube, daß wir uns über diese Grundsätze bei der finanziellen Entscheidung über den fortschreitenden Aufbau der Bundeswehr völlig klar sein müssen. Wir vermeiden dadurch die jeder Aufrüstung immanente Gefahr für die Ordnung der staatlichen Finanzen. Wir behalten als die Vertreter des deutschen Volkes zugleich die volle Kontrolle auch finanzieller Art über die Bundeswehr. Wir bestimmen den Fortschritt in der Aufstellung der Bundeswehr. Wir tragen aber die volle Verantwortung dafür, daß die Bundeswehr entsprechend den von der Bundesrepublik eingegangenen internationalen Verpflichtungen und entsprechend dem eigenen Sicherheitsbedürfnis der Bundesrepublik aufgebaut wird.
Im Rahmen dieser grundsätzlichen Ausführungen darf ich mir erlauben, dem Hohen Hause noch einen zweiten Grundsatz finanzieller Art über den Einzelplan 14 vorzutragen, der sich im Haushaltsausschuß entwickelt hat. Es gibt in einem Staatshaushalt Aufgaben, deren Durchführung nicht im laufenden Etatjahr möglich ist, sondern sich über mehrere Jahre erstrecken muß. Dies ist auch aus anderen Einzelplänen, z. B. bei größeren Baumaßnahmen, also bei Gebäuden, Autobahnen, Binnenwasserstraßen usw., bekannt. In diesen Fällen wird entsprechend dem § 13 der Reichshaushaltsordnung bei der Einstellung der ersten Rate in den Haushaltsplan zugleich angegeben, wie hoch die voraussichtlichen Gesamtkosten sein werden und welche Beträge in früheren Jahren bereits bewilligt worden sind. Durch die Einsetzung der ersten Rate — darüber müssen wir uns natürlich klar sein — übernimmt der Bundestag ein Obligo, in den künftigen Jahren auch die Folgeraten zu genehmigen, da man eine solche sich über mehrere Jahre erstreckende Maßnahme nicht halbfertig liegen lassen kann. Wir erteilen also durch die Bewilligung der ersten Rate der Exekutive die Ermächtigung, eine Bindung für das Gesamtprojekt einzugehen. Es handelt sich hier um die so oft behandelten sogenannten Bindungsermächtigungen.
Bei der Beratung der ersten Nachtragshaushaltspläne des Verteidigungsressorts für das Haushaltsjahr 1956 waren wir uns für den Einzelplan 14 über zwei Probleme klar. Erstens gibt es im Verteidigungsressort nicht nur Baumaßnahmen, die sich über mehrere Jahre erstrecken, sondern in noch viel größerem Umfang Beschaffungsmaßnahmen von ebenfalls einer ganz besonderen Größenordnung. Das harte Gerät für die Bundeswehr, insbesondere die Schiffe, Flugzeuge, Kampffahrzeuge, Waffen und Munition sind keine Handelsware, die im selben Etatjahr vertraglich gekauft, ausgeliefert und bezahlt werden können. Die Entwicklung, Erprobung, Beschaffung, Auslieferung einer vollen Serie erstreckt sich vielmehr regelmäßig auf eine ganze Anzahl von Jahren. Das Parlament muß sich in diesem Fall ebenso wie bei den Baumaßnahmen bei der Bewilligung der ersten Rate für einen großen Auftrag darüber klar sein, daß in den späteren Jahren Folgeraten zu bewilligen sein werden.
Bei den ungeheuren Kosten für die Bauten und Beschaffungen der Bundeswehr sind diese Folgeraten außerordentlich hoch; sie gehen in die Milliarden. Wenn wir mit der ersten Rate der Exekutive später auch die Folgeraten bewilligen, handelt es sich hierbei um ein staatliches Finanzproblem allererster Ordnung. Das Parlament muß sich stets über den Stand der Beträge im klaren sein, die es durch die Bewilligung der ersten Rate vor sich herwälzt und eines Tages als Folgerate und Abschlußrate wird bewilligen müssen.
Das Prinzip der sogenannten Bindungsermächtigungen hat sowohl im Haushaltsausschuß als auch bereits bei früheren Beratungen des Haushaltsplans des Verteidigungsressorts im Hohen Hause zu Diskussionen geführt.
Es wurde das Bedenken geäußert, daß die Bindungsermächtigungen verfehlt seien, weil sie unsere finanzielle Zukunft zu stark belasten. Es wurde ferner das Bedenken geäußert, daß man durch eine solche Bindungsermächtigung der Exekutive eine zu große Handlungsfreiheit einräume. Schließlich wurde in den letzten Tagen das Bedenken geäußert, die Bindungsermächtigungen im Einzelplan 14 für 1957 seien so hoch, daß sie eine zwangsläufige Erhöhung des Globalansatzes ab 1958 zur Folge hätten.
Gegenüber diesen Bedenken möchte ich meinerseits auf folgendes hinweisen: Ob wir Bindungsermächtigungen offen ausweisen oder nicht: in jedem Falle sind sie automatisch mit der Bewilligung der ersten Rate für einen Bau oder für die Beschaffung bestimmter Geräte verbunden. Wir können nicht durch die Bewilligung einer ersten Rate die Genehmigung z. B. für die Beschaffung von 200 Flugzeugen eines bestimmten Typs geben und diese Genehmigung später ignorieren. Auf Grund des ersten Ansatzes schließt die Exekutive einen zivilrechtlich wirkenden Liefervertrag. Die Bundesrepublik wird durch diesen Vertrag verpflichtet, die in den späteren Jahren zu zahlenden weiteren und abschließenden Raten für die 200 Flugzeuge zu zahlen. Wir sind also gezwungen, die weiteren Geldansätze zu bewilligen, wenn nicht die Bundesrepublik ihrerseits gezwungen werden soll, entweder nach Verurteilung im Prozeß zu zahlen oder mit erheblichen Regreßansprüchen von den Verträgen zurückzutreten.
Wenn also bei dieser Sach- und Rechtslage die erste Rate eine tatsächliche Bindungsermächtigung der Exekutive enthält, dann soll man diese Bindungsermächtigung in den Erläuterungen der einzelnen Titel auch offen ausweisen, so daß jeder, der den Haushalt studiert, das auch klar daraus ersehen kann. Es ist nicht berechtigt, anzunehmen, daß wir der Exekutive durch diese Bindungsermächtigung eine zu große Freiheit einräumen. Wenn das Hohe Haus bei der Beratung eines folgenden Haushaltsplans zu dem Ergebnis kommt, daß z. B. — ich bleibe bei den erwähnten 200 Flugzeugen — dieser Typ überholt ist, dann haben wir es immer noch in der Hand, trotz der erteilten Bindungsermächtigung den späteren Haushaltsansatz. also etwa die nächste Rate, zu verweigern und hierdurch die Bundesregierung zu zwingen. das vertraglich vereinbarte Rücktrittsrecht auszuüben. Durch die Bindungsermächtigung tritt also keine Zwangsläufigkeit ein, die etwa die freie Entscheidungsmacht des Bundestags für später ausschließt.
Zu dem dritten Besorgnispunkt ist folgendes zu sagen: In der Bewilligung der ersten Rate für Bauten und Beschaffungen liegt, wie ich ausführte, ohnehin die Ermächtigung zum Abschluß des Ge-
samtvertrags. Wir wollen dann froh sein, daß wir im Haushaltsausschuß der Bundesregierung auferlegt haben, ,die Bindungsermächtigungen nicht nur in den Erläuterungen der einzelnen Titel sorgfältig aufzuführen, sondern zugleich zum Einzelplan 14 eine Ubersicht über sämtliche in den Kapiteln und Titeln enthaltenen Bindungsermächtigungen beizufügen, wie Sie sie auf den Seiten 183 bis 185 der Drucksache Nr. 3463 finden. Gerade diese Übersicht, die erstmalig für den Einzelplan 14 von uns durchgesetzt wurde, ermöglicht es dem Hohen Hause, finanzpolitische Überlegungen auch für die Zukunft anzustellen.
Diese Bindungsermächtigungen schließen auf Seite 185 mit einer Gesamtsumme von 15 294 Millionen DM ab. Selbstverständlich ist dieser Betrag außerordentlich hoch, und ich stimme insoweit den Ausführungen zu, die Herr 'Kollege Professor Gülich bei der zweiten Lesung des Einzelplans 14 gemacht hat. Ich stimme aber nicht mit ihm darin überein, .daß dieser Betrag, auf etwa vier Jahre verteilt, eine Bedrohung ,des Bundeshaushalts und seines Ausgleichs darstelle. In 'diesem Betrag sind nämlich praktisch die Folgeraten für alle Bauten und für alle Beschaffungen enthalten. Wenn wir also jedes der kommenden vier Jahre mit je etwa 3,8 Milliarden DM vorbelasten, so stellt dies im Rahmen des Globalbetrags, der ja nach dem Dekkungsprinzip grundlegend ist, nur eine, wie mir scheint, erträgliche Vorbelastung ,dar. Wir können davon ausgehen, daß in Zukunft Stationierungskosten nicht mehr zu zahlen sein werden, so daß der volle Globalbetrag für die Bundeswehr zur Verfügung stehen wird. Wir können ferner davon ausgehen, daß die laufenden Kosten für den Unterhalt ,der Bundeswehr einschließlich des Verbrauchs an Kraftstoff, Munition zu Übungszwekken usw. für 100 000 Mann jährlich nicht über 1,7 Milliarden DM liegt. Selbst wenn wir ein jährliches Fortschreiten in der Aufstellung der Bundeswehr um etwa 60 000 Soldaten unterstellen, bleibt von dem Globalbetrag für die Bauten und Beschaffungen immer noch ein so hoher Betrag übrig, daß darin nach meiner Überzeugung eine Finanzgefahr nicht zu erblicken ist.
Im übrigen darf ich aber darauf hinweisen, daß sowohl die Haushaltsansätze wie auch die mit ihnen zugleich erteilten Bindungsermächtigungen nicht automatisch zu entsprechenden Ausgaben führen, sondern daß beide Arten von Genehmigungen eben nur eine Ermächtigung zur zivilrechtlichen Verpflichtung darstellen.
Wir haben in den letzten zwei Jahren wiederholt beobachten können, daß diese parlamentarisch erteilten Genehmigungen von der Exekutive nicht voll ausgenutzt wurden, in gewissen Fällen gar nicht voll ausgenutzt werden konnten. Dies liegt bei der Aufstellung der Bundeswehr insbesondere daran, daß sich auf Grund innerdeutscher oder internationaler militärischer Erwägungen oder auf Grund der technischen Entwicklung herausstellt, daß das eine oder andere ursprünglich vorgesehene Gerät, Fahrzeug, Flugzeug oder Schiff zweckmäßigerweise nicht beschafft wird. Dies stellt eine natürliche Entwicklung dar. Man sollte dabei nicht übersehen, daß von der Einreichung eines Haushaltsplans bis zu der Möglichkeit eines Vertragsabschlusses oft fast ein Jahr vergeht und daß unsere Zeit technisch eben sehr, sehr schnellebig ist.
Es erscheint mir aber auch notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Bundesregierung durch Haushaltsansätze und hier speziell durch Bindungsermächtigungen nicht von ihrer eigenen Pflicht zu sorgfältiger finanzpolitischer Arbeit entbunden wird. Es ist nicht nur eine Pflicht des Hohen Hauses, sondern ebenso eine Pflicht der Bundesregierung, die Haushaltsansätze und Bindungsermächtigungen nu r insoweit auszunutzen, als hierdurch finanzpolitische Gefahren für die Bundesrepublik nicht entstehen können.
Da unsere Arbeit häufig unter starkem Zeitdruck steht, kommen wir leider auch bei den Haushaltsberatungen im Hohen Hause nur selten dazu, uns über sachliche Fragen des Haushaltswesens auszusprechen, die zwar mit dem einzelnen Wunsch nichts zu tun haben, aber doch von grundsätzlicher Natur und entscheidender Bedeutung sind. Mir lag daher sehr daran, zu diesen Grundsätzen, nach denen die Bundesregierung im Einverständnis mit der Mehrheit des Haushaltsausschusses und sicher auch dieses Hauses den Einzelplan 14 zu behandeln gedenkt, etwas ausführlicher Stellung zu nehmen. Ich bin der Meinung, wir sollten uns abgesehen von verschiedenen Auffassungen der Parteien darin einig sein, daß wir bei der Beratung des Bundeshaushalts und insbesondere beim Verteidigungshaushalt in diesen Dingen möglichst einheitlich vorgehen sollten.
Daß die Aufstellung und Entwicklung eines modernen Heeres — ganz gleichgültig, ob ausschließlich mit konventionellen Waffen ausgerüstet oder nicht — gewaltige Summen verschlingt, das brauche ich nicht noch einmal zu betonen. Wir wissen, daß inzwischen einige Dutzend ganz schwerwiegender Verträge abgeschlossen sind und daß die Zahlungsverpflichtungen aus diesen Verträgen sich allmählich, aber auch mit großer Sicherheit auf uns und ,auf den Bundeshaushalt zubewegen.
Da für die Verteidigung in den letzten Monaten schon durchschnittlich 500 Millionen DM ausgegeben worden sind, kommt man im neuen Jahr mühelos auf eine Ist-Ausgabe von 6 Milliarden DM, falls die Ausgabekurve nicht nach oben geht. Ich glaube, es wäre trügerisch, anzunehmen, daß die Kurve etwa waagerecht verlaufen oder sich gar senken könnte. Das Verteidigungsressort wird deshalb nach meiner Meinung im neuen Jahre das ganze ihm auf Grund des Haushaltsplans zur Verfügung stehende Geld brauchen. Da wir wissen, daß Brie sicher großen Ziffern der Ausgabenreste des Verteidigungshaushalts aus früheren Jahren — Sie entsinnen sich sicher der Unterhaltung, die darüber zwischen Herrn Professor Gülich und dem Herrn Bundesverteidigungsminister stattgefunden hat — weitgehend auf dem Papier stehen bzw. gestanden haben, wird nun verhältnismäßig bald die Frage zusätzlicher Geldbeschaffung für die Verteidigung zur Bezahlung der notwendigen Beschaffungen auftreten.
Der Kritik, die seitens der Opposition der gesamten Finanzpolitik des Bundesministers der Finanzen entgegengebracht worden ist, möchte ich mich namens meiner Freunde nicht anschließen. Wir können sie in diesem totalen Umfang nicht bestätigen. Manchmal hatte man auch das Gefühl, daß man es sich mit dieser Kritik hie und da etwas leicht gemacht hat. Man kann nicht nur mit dem Hinweis auf Steuersenkung operieren und alles nur durch diese Brille sehen. Allerdings, Steuersenkung ist gleichwohl eine gute Sache. Die Damen und Herren werden mir erlauben, daß ich mich ganz kurz einmal selbst zitiere. Ich habe mei-
nerseits am 9. Dezember 1956 in der Rede zur
ersten Beratung des Haushalts ausgeführt:
Meine Freunde und ich glauben, daß zur finanziellen Ordnung auch die Vermeidung der Ansammlung zu hoher, nicht notwendiger Barbeträge in öffentlichen Kassen gehört. Das eigentlich von alters her probateste und ganz gut bewährte Mittel scheint mir darin zu bestehen, daß weniger Steuern erhoben werden; dann kann der Überdruck in den Kassen nicht entstehen.
Dies scheint mir heute genauso objektiv richtig
und zutreffend wie vor anderthalb Jahren zu sein.
Nun soll nicht geleugnet werden, daß die Kassenbestände natürlich auch hie und da gute Wirkungen gehabt haben. Es ist nicht einfach, sich vorzustellen, was geschehen wäre, wenn die Bundesbahn plötzlich kein Geld mehr hätte, wenn die Wiedergutmachung hätte gestoppt werden müssen oder wenn die zahlreichen und berechtigten Rufe nach Förderung von Forschung und Wissenschaft nicht hätten berücksichtigt werden können. Mir persönlich scheint es sich allerdings zu empfehlen, daß der Finanzminister lieber am Rand des Defizits entlangsteuert. Grundsätzlich ist das Geld in der Hand des Steuerzahlers, des Bürgers produktiver als in der öffentlichen Hand. Das Schlagwort vom armen Staat und vom reichen Bürger hat einen sehr beherzigenswerten, wahren Kern.
Nun sollten wir uns keine übertriebenen Vorstellungen darüber machen, was etwa bei den deutschen Ländern noch bezüglich der Senkung der Steuern möglich sein wird. Man darf hier überhaupt nicht immer nur auf die wenigen reichen Länder sehen, man muß die Gesamtheit der Länder im Auge behalten. Im Punkte Finanzen ist — ich glaube, das darf man sagen — unser Förderalismus ja überhaupt einigermaßen gedämpft. Wir glauben, daß in naher und ferner Zukunft das Nebeneinander von reichen und armen Ländern in Deutschland eine politische Gefahr ist. Daß auch in diesem Bereich die von uns und meinen Freunden und auch von mir selbst seit Jahren und in den verschiedensten Zusammenhängen immer wieder geforderte, leider immer noch nicht verwirklichte Bundesfinanzverwaltung uns auch bezüglich dieses Ausgleichs zwischen den Ländern weiterführen könnte, von den anderen Vorteilen ganz zu schweigen, möchte ich hier noch einmal nachdrücklich unterstreichen.
Unsere Note, wenn ich so sagen darf, für die Finanzpolitik des Bundesfinanzministers ist also durchaus nicht nur negativ. Wir verkennen in keiner Weise die Verantwortung, die er trägt und die wir selber mit ihm tragen. Jedermann in Deutschland weiß, wofür Vorsorge getrieben wurde und getrieben werden mußte, und wenn wir jetzt die vorsorglich angesammelten Mittel für andere Zwecke verwenden, wissen wir genau, daß uns für die nächsten Jahre eine große und sicher höchst beschwerliche Aufgabe erwartet, nämlich Löcher zu schließen, die mit tödlicher Sicherheit in Erscheinung treten werden. Wenn wir auf Einnahmen verzichten wollen, müssen wir auch auf Ausgaben verzichten; aber dazu, meine Damen und Herren, scheint weit und breit keine Neigung zu bestehen. Im Gegenteil, wer die Debatte in der zweiten Lesung aufmerksam verfolgt hat, hat feststellen müssen, daß trotz gewaltiger zusätzlicher Aufwendungen dieses Haushalts noch um Kleinigkeiten gestritten worden ist, die nach meinem Gefühl keinesfalls in das Plenum dieses Hohen Hauses gebracht werden sollten.
Wenn ich unsere Arbeit im Ausschuß einmal kritisch betrachte, dann muß ich feststellen, daß eigentlich gegenüber früher alles mehr oder weniger auf den Kopf gestellt ist. Die Verwaltung, also in besonderer Weise unser wesentliches Gegenüber, der Herr Bundesminister der Finanzen und seine Mitarbeiter, kämpfen mit allen Kräften, urn uns von Ausgaben abzuhalten, während eigentlich die Regierung dem Parlament die Bewilligungen abtrotzen müßte. Dafür tragen wir dann bei einigen TOA-Stellen und einigen wenigen Planstellen geringerer Ordnung lange ermüdende Kämpfe gegen die Verwaltung aus. Man kann die Frage stellen, ob das Verfahren, das sich bei uns in den Haushaltsberatungen allmählich eingebürgert hat, fortgesetzt weden kann. Herr Kollege Schoettle, dem ich erneut für die loyale Handhabung des Vorsitzes in unserem Haushaltsausschuß aufrichtigen Dank aussprechen möchte, hat auf dieses Thema auch schon hingewiesen. Ist es zulässig, daß mit dem Aufruf eines Förderungstitels in irgendeinem Einzelplan die Heerscharen aus den betreffenden Fachausschüssen im Haushaltsausschuß aufmarschieren, um uns dann zu Boden zu stimmen? Natürlich kann der Haushaltsausschuß keine Diktatur ausüben. Seine Mitglieder werden ja auch von den Fraktionen schon weitgehend gesteuert.
Beratung und Abstimmung sollte aber ausschließlich Sache der Mitglieder des Haushaltsausschusses sein.
— Bis das Plenum spricht, Herr Kollege Bausch! Darüber bin ich mir völlig klar, und darüber sind wir uns völlig einig. Aber der Haushaltsausschuß soll sich möglichst auf Vorschläge für das Plenum einigen.
Die Fachausschüsse sollten sich nach meiner Überzeugung
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir nehmen die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Bundesgesetz zur Regelung der rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reichs und gleichgestellter Rechtsträger (Bundesrückerstattungsgesetz — BRüG) (Drucksache 3537).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Greve. Ich gebe ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat beschlossen, das vom Deutschen Bundestag am 5. April 1957 verabschiedete Bundesrückerstattungsgesetz durch den Vermittlungsausschuß ändern zu lassen. Er hat wegen mehrerer Punkte den Vermittlungsausschuß angerufen. Der Vermittlungsausschuß hat am 23. Mai 1957 zu den Anträgen des Bundesrats Stellung genommen und schlägt Ihnen vor, die Änderungen des Bundesrückerstattungsgesetzes zu beschließen, die Ihnen auf Drucksache 3537 vorliegen. Zu den einzelnen Punkten, zu denen Änderungen vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagen werden, erlaube ich mir Ihnen folgendes vorzutragen.
Der Bundesrat hat vorgeschlagen, dem § 4 folgende Fassung zu geben:
Hat ein Dritter feststellbare Vermögensgegenstände entzogen, die alsdann auf einen der in § 1 genannten Rechtsträger übergegangen sind, so richtet sich der Anspruch gegen diese Rechtsträger unbeschadet der in § 11 Nr. 1 genannten Rechtsvorschriften.
Die Änderung der vom Bundesrat vorgeschlagenen Fassung durch den Bundestag beruht auf folgenden Gründen.
Nach der Begründung des Bundesrats sollte die Vorschrift die gesamtschuldnerische Haftung der in § 1 genannten Rechtsträger allgemein klarstellen. Eine gesamtschuldnerische Haftung ist aber nur bei rückerstattungsrechtlichen Schadensersatzansprüchen denkbar. Sie ist auch nur in der früheren amerikanischen Zone in den Fällen der schweren Entziehung — Art. 30 US-REG — gegeben. In allen übrigen Fällen haftet der letzte Inhaber der Eigentümerstellung an dem entzogenen Vermögensgegenstand allein. Das würde für die in § 4 angesprochenen Fälle bedeuten, daß die in § 1 genannten Rechtsträger allein schadensersatzpflichtig sein würden. Die Vorschrift hat daher auch nur für die frühere amerikanische Zone Bedeutung.
Nach dem Wortlaut würde die vom Bundesrat vorgeschlagene Fassung indessen nicht nur auf rückerstattungsrechtliche Schadensersatzansprüche, sondern auf alle rückerstattungsrechtlichen Geldersatzansprüche Anwendung finden. Daher würden sich auch Ansprüche, die nach den alliierten Rückerstattungsgesetzen allein gegen den Ersterwerber gegeben sind, nunmehr gegen die in § 1 genannten Rechtsträger richten.
Der Bundestag hat die Vorschrift des § 4 ausdrücklich auf Schadensersatzfälle begrenzt. Die Bedenken des Bundesrats richten sich nicht gegen diese Begrenzung, sondern stützen sich allein darauf, daß einerseits durch die Worte „im Zusammenhang mit der Entziehung" ein enger zeitlicher Zusammenhang gemeint sein könnte und daß andererseits in Satz 2 eine Exkulpationsmöglichkeit für die in § 1 genannten Rechtsträger vorgesehen sei, obwohl bei Ansprüchen aus Art. 30 US-REG eine solche Exkulpationsmöglichkeit nicht gegeben sei.
Im Bundesrat hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen diese Bedenken hinreichend ausgeräumt. Der Bundesrat hat dennoch den Vermittlungsausschuß mit seinem Änderungsbegehren angerufen.
Nach der vom Bundesrat vorgeschlagenen Fassung ist diese Vorschrift nur für das Innenverhältnis zwischen dem Dritten und den in § 1 genannten Rechtsträgern von Bedeutung, da durch die Worte „unbeschadet der in § 11 Nr. 1 genannten Rechtsvorschriften" zum Ausdruck kommt, daß die nach den alliierten Rückerstattungsgesetzen dem Verfolgten zustehenden Rechte gegen den Dritten und gegen die in § 1 genannten Rechtsträger in keiner Weise eingeschränkt werden sollten. Um dies aber noch klarer herauszustellen, hat der Vermittlungsausschuß die Fassung beschlossen, die Sie jetzt in Drucksache 3537 unter Ziffer 1 finden; ich brauche sie im einzelnen nicht zu verlesen.
Was die Änderung der §§ 27, 28 und 30 betrifft, so hat der Bundesrat vorgeschlagen,
in § 27 Abs. 3 die Worte „dem Bundesentschädigungsgesetz" zu ersetzen durch die Worte „§§ 189, 231 des Bundesentschädigungsgesetzes",
in § 27 Abs. 3 nach dem Wort „angemeldet" die Worte „oder durch Klage vor der Restitutionskammer eines unzuständigen Landgerichts geltend gemacht" einzufügen,
in § 28 folgenden neuen Absatz 3 einzufügen: „§ 27 Abs. 3 gilt sinngemäß.",
in § 30 Abs. 1 und 2 die Worte „§ 189" jeweils zu ersetzen durch „§§ 189, 231".
Gegen diese Vorschläge des Bundesrats bestehen keine Bedenken. Durch die Anführung des § 231 wird klargestellt, daß auch Anmeldungen auf Grund früheren Landesrechts die Frist nach diesem Gesetz wahren. Durch die übrigen Änderungen in § 27 Abs. 3 und durch den neu einzufügenden § 28 Abs. 3 wird es als fristwahrend angesehen, wenn ein Berechtigter, statt Ansprüche in der früheren amerikanischen oder britischen Zone oder in Berlin anzumelden, irrtümlicherweise in der früheren französischen Zone den Anspruch durch Klage geltend gemacht hat oder umgekehrt ein Berechtigter, statt Klage in der französischen Zone zu erheben, irrtümlicherweise den Anspruch in einer der übrigen Zonen angemeldet hat.
Das sind die Änderungen, die der Vermittlungsausschuß Sie zu beschließen bittet. Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, daß über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Die Abgabe von Erklärungen ist nicht angemeldet. Eine Debatte findet nach der Geschäftsordnung nicht statt.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat gemeinsame Abstimmung vorgeschlagen. Ich stelle daher aller vier Änderungsvorschläge des Vermittlungsausschusses gemeinsam zur Abstimmung. Wer dafür zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag des Vermittlungsausschusses ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz über die Statistik der Bevölkerungsbewegung und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes (Drucksache 3539).
An Stelle des vorgesehenen Berichterstatters, Herrn Minister Siemsen, hat freundlicherweise Herr Kollege Seidl die Berichterstattung übernommen. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Gesetz über die Statistik der Bevölkerungsbewegung und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes hat der Bundesrat den Vermittlungsausschuß angerufen mit dem Ziel, die Regierungsvorlage in § 4 Abs. 1 Nr. 4 wiederherzustellen, d. h. die Bestimmungen über die statistische Erfassung der Vertriebenen- bzw. Flüchtlingseigenschaft in diesem Gesetz zu streichen. Es handelt sich hier um die statistische Erfassung bei Urteilen in Ehesachen. Der Bundesrat hat seinen Antrag damit begründet, daß die statistische Erfassung der Parteien bei Eheprozessen zunehmend an Interesse verliere und deshalb nicht notwendig sei. Andererseits würde die Erfassung für die Justizbehörden eine zusätzliche Belastung bedeuten, weil die Gerichtsakten nur ausnahmsweise etwas über diese besonderen Eigenschaften der Prozeßparteien aussagen. Schon allein die Durchführung der Befragung würde zu Schwierigkeiten und vielleicht auch zu Unzuträglichkeiten führen. Wenn der Richter jemand fragt, ob er Vertriebener ist, wird niemand einsehen, was das mit dem Ehescheidungsprozeß zu tun hat. Das würde höchstens Mißtrauen erregen.
Der Vermittlungsausschuß schlägt Ihnen deshalb vor, das Gesetz in der in Drucksache 3539 vorgesehenen Fassung anzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, auch dafür, daß er für den anderen Herrn Berichterstatter eingesprungen ist.
Erklärungen sind nicht angemeldet. Wir kommen zur Abstimmung. Es handelt sich nur um einen einzigen Punkt, um den Antrag auf Drucksache 3539. Ich bitte diejenigen Kollegen und Kolleginnen, die für diesen Antrag des Vermittlungsausschusses zu stimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag des Vermittlungsausschusses ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz über die Allgemeine Statistik in der Industrie und im Bauhauptgewerbe (Drucksache 3540).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Seidl . Ich gebe ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch hier handelt es sich um Statistik, aber auf einem anderen Gebiet. Nach § 7 Abs. 2 Satz 3 dieses Gesetzes, dessen Streichung der Bundesrat begehrt hatte, sollte die Weiterleitung von statistischen Einzelangaben unter Nennung des Namens des Auskunftspflichtigen auf Anforderung in Einzelfällen nur zulässig sein unter der Bedingung, daß der betroffene Auskunftspflichtige von der Weiterleitung der Einzelangaben unverzüglich unter genauer Bezeichnung der weitergeleiteten Tatbestände, der anfordernden Behörde und des Zwecks der Anforderung zu unterrichten ist. Der Bundesrat hat die Streichung dieser Bestimmung, die vom Bundestag erst in dritter Lesung eingefügt worden war, vorgeschlagen, weil sie, wie er erklärt hat, verwaltungstechnische Mehrarbeit vor allem bei den statistischen Ämtern erfordern würde. Der Bundesrat hat zu dieser Ergänzung weiterhin erklärt, ,diese Statistik sei für die Länder in Einzelfällen aber notwendig, damit die wirtschaftlichen Belange bis hinunter zu den kleinsten Gemeinden überblickt werden könnten.
Der Vermittlungsausschuß hat ein Kompromiß vorgeschlagen. Es ist einmal im Interesse der Betroffenen auf die Unterrichtung nicht verzichtet worden. Es ist ja sowieso weniger als nach dem alten Gesetz, einem Notstandsgesetz, wo vor der Weitergabe nachgefragt werden mußte. Das Interesse des Betroffenen, wenigstens die Nachricht davon zu erhalten, daß seine Angaben und zu welchem Zweck sie weitergeleitet werden, soll berücksichtigt werden. Dagegen ist die Bezeichnung der weitergeleiteten Tatbestände — weil der Betroffene sowieso weiß, was angegeben war — und die Behörde, an die weitergeleitet wird, gestrichen worden. Ich glaube, damit ist beiden Seiten Rechnung getragen. Man kann hier eine einfachere statistische Erhebung und Weiterleitung durchführen. Auf der anderen Seite erhält der Betroffene auch Nachricht von der Tatsache, daß diese Zahlen unter Nennung seines Namens weitergegeben worden sind.
Namens des Vermittlungsausschusses darf ich Ihnen ,deshalb vorschlagen, den Antrag auf Drucksache 3540 anzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir kommen zur Abstimmung, da Erklärungen nicht abgegeben werden. Wer der auf Drucksache 3540 vorgeschlagenen Änderung zu § 7 Abs. 2 Satz 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um ,die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Auch dieser Vorschlag des Vermittlungsausschusses ist angenommen.
Ich darf jetzt wohl zu dem bereits vorhin aufgerufenen Punkt 5 übergehen:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu ,dem Gesetz über den Wehrbeauftragten des Bundestages (Drucksache 3538).
Sollen Erklärungen abgegeben werden? — Herr Mende hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion ,der Freien Demokraten bedauert, daß ,die Mehrheit des Hauses seinerzeit unserem Vorschlag, die Zweidrittelmehrheit für Wahl und Abberufung des Wehrbeauftragten im Gesetz festzusetzen, nicht zugestimmt hat. Die jetzige Lösung, Wahl und Abberufung mit einfacher Mehrheit zu ermöglichen, erscheint uns zwar besser als die bisherige einseitige Regelung; wir sehen uns aber dennoch nicht in der Lage, dieser Lösung zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sollen weitere Erklärungen abgegeben werden? — Das ist anscheinend nicht ,der Fall.
Der Vermittlungsausschuß hat nicht beschlossen, daß eine gemeinsam e Abstimmung stattfinden soll. Werden hier Anträge nach dieser Richtung gestellt? — Das ist nicht der Fall.
Dann stelle ich zunächst Ziffer 1, die Änderung zu § 15 Abs. 4 Satz 2, zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die Änderung zu § 15 Abs. 4 Satz 2 ist ,angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 2, § 18a , wonach dieses Gesetz nicht im Saarland gilt. Wer diesem Beschluß zuzustimmen wünscht, den bitte ich urn das Handzeichen — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ziffer 2 ist ebenfalls angenommen.
Ich muß nun nach der Geschäftsordnung den Gesamtbeschluß zur Abstimmung stellen. Wer dem Gesamtvorschlag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Danke sehr! Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Beschluß des Vermittlungsausschusses ist durch den Bundestag bestätigt.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes
zu dem Rahmenge-
setz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts (Drucksache 3541).
Als Berichterstatter ist Herr Minister Becher vorgesehen. Ich sehe, daß er nicht anwesend ist. Darf ich fragen, ob das Haus auf Berichterstattung verzichtet.
— Dann stelle ich fest, daß auf Berichterstattung verzichtet ist.
Die Abstimmung ist nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses etwas kompliziert. Ich darf vorlesen und bitten, mich zu kontrollieren: Einzelabstimmung findet statt über die Nummern 5, 6, 7, 8, 9, 10, 13, 15, 17b, 19 und 24 ,des Vorschlages des Vermittlungsausschusses. Im übrigen finden kombinierte Gesamtabstimmungen statt.
Ich rufe nunmehr zur Gesamtabstimmung die Nummern 1, 21, 22 und 23 auf. Wer diesen Beschlüssen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme angenommen.
Ich rufe auf die Nummern 2 und 3, über die gemeinsam abgestimmt werden soll. Wer für diese beiden Nummern zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen!
Ich rufe auf die Nummern 4, 14, 16 und 20, über die gemeinschaftlich abgestimmt werden soll. Wer auch diesen Nummern zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen!
Ich rufe lauf die Nummern 11 und 12, über die gemeinsam abgestimmt werden soll. Ich bitte diejenigen, die dafür zu stimmen wünschen, um das Handzeichen. — Darf ich bitten, die Stimmabgabe noch einmal deutlich zum Ausdruck zu bringen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Abstimmungsergebnis ist zweifelhaft.
Ich bitte diejenigen, welche für die Nummern 11 und 12 zu stimmen wünschen, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Das Ergebnis ist nach wie vor zweifelhaft. Wir schreiten zur Auszählung. —
Ich bitte, die Türen zu öffnen; die Abstimmung beginnt. —
Die Abstimmung ist beendet. Ich gebe das Ergebnis bekannt. Ja-Stimmen 186 — offenbar durch nachträglich noch Hinzugekommene —, Nein-Stimmen 115, Enthaltungen 1. Die Anträge Nrn. 11 und 12 sind angenommen.
Wir fahren in der Abstimmung zur Drucksache 3541 fort. Ich rufe auf Nr. 17,a und zugleich Nr. 18. Wer für diese beiden Positionen zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe nunmehr die Einzelabstimmungen auf.
Nr. 5! Wer dafür zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Nr. 6! Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Nr. 7! Ich bitte um das Handzeichen derer, die dafür stimmen wollen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Nr. 8! Ich bitte diejenigen, die dafür stimmen wollen, um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Nr. 9! Ich bitte diejenigen, die dafür zu stimmen wünschen, um das Handzeichen. — Gegenprobe! —Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf die Nr. 10 und bitte diejenigen, die dafür zu stimmen wünschen, um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf Nr. 13. Ich bitte um das Handzeichen derer, die dafür stimmen wollen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf die Nr. 15 und bitte diejenigen, die dafür zu stimmen wünschen, um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf die Nr. 17b und bitte diejenigen, die dafür zu stimmen wünschen, um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe auf die Nr. 19. Wer für die Annahme zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe ,auf Nr. 24. Ich bitte diejenigen, die dafür zu stimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Nunmehr rufe ich nach den Vorschriften der Geschäftsordnung zur Gesamtabstimmung auf. Ich bitte diejenigen, die für den Beschluß des Vermittlungsausschusses im ganzen zu stimmen wünschen, sich zu erheben. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Gesamtbeschluß ist angenommen.
Damit haben wir die Vorlagen des Vermittlungsausschusses erledigt und fahren nunmehr in der Generaldebatte zur dritten Lesung des Haushalts fort.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Keller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer dritten Beratung zum Bundeshaushalt wird immer irgendwie ein großes Buch aufgeschlagen, ein Buch, das sich von manchem unterscheidet, was vorher in einem anderen, weniger konkreten Zusammenhang da und dort gesagt worden ist oder gesagt zu werden pflegt. Wenn es einmal zu den Zahlen und zum Zahlen kommt, dann werden die Dinge zum Schwur gebracht, und manches hört sich nachher anders an, als man es vor Tische gelesen hat. Ich glaube, daß ein solcher Rundgang durch die politische Skala der öffentlichen Anliegen gerade in einer Zeit notwendig ist, in der wir am Abschluß einer Legislaturperiode stehen.
Wir haben seinerzeit vor vier Jahren eine sehr umfangreiche und sehr optimistische Regierungserklärung gehabt. Aus einem ähnlichen gutgläu-
bigen Optimismus heraus haben wir selbst damals noch dieser Regierungskoalition angehört. Aber der Anschauungsunterricht mußte nicht allzu lange dauern, um uns zu zeigen, daß wir hier nicht auf dem richtigen Weg waren. Es wäre — es überschreitet sicherlich die Zeit — sehr verlockend, heute einmal so eine nicht stille, sondern laute Zwiesprache mit der Regierungserklärung von damals zu halten, um zu sehen, was sich erfüllt hat, was einigermaßen gelöst worden ist und was offengeblieben ist.
Uns haben in diesem Zusammenhang drei Themen immer besonders interessiert: das Thema der Außenpolitik, das daraus erwachsene Thema der Wehrpolitik und last not least das umfassende Gebiet der Sozialpolitik. Es sind mancherlei Berührungspunkte im Grundsatz auf dem Gebiete der äußeren Beziehungen und auf dem Gebiete der daraus resultierenden Wehrfragen gewesen, die uns damals zunächst einmal zusammengebracht haben. Hier bestehen auch heute noch Berührungspunkte, und wir wollen uns auch als Oppositionspartei nicht scheuen, das offen zu sagen, weil es unserer Überzeugung entspricht.
Aber ich möchte gleich eines vorausschicken: auf dem Gebiete der Sozialpolitik sind wir allerdings arg enttäuscht worden, und wir müssen die Sozialpolitik der vergangenen vier Jahre als durchaus unbefriedigend bezeichnen.
Main kann solche Dinge nicht nach den Reden beurteilen, die draußen oder sogar hier gehalten werden, wenn dann nachher beim Schwur auf den Haushaltsplan die Entscheidungen eben doch anders fallen.
— Ja, siehe Sozialreform! Ich werde noch etwas dazu sagen, Kollege Conring. Sie sollten einmal die vielen Briefe bekommen — ich weiß nicht, ob Sie sie bekommen —, in denen die betreffenden Briefschreiber sagen, daß die Sozialreform eine reine Augenauswischerei sei.
— Für viele nicht, aber für viele ja, weil die Sozialreform nicht so umfassend gelöst worden ist, wie das z. B. seinerzeit in der Regierungserklärung versprochen worden ist. Damals — Kollege Sabel, Sie schütteln immer den Kopf — ist von einem umfassenden Sozialprogramm die Rede gewesen. Ich weiß nicht, ob Sie selbst — —
— Jedenfalls können Sie doch nicht sagen, daß hier eine umfassende Sozialreform verwirklicht worden sei. Das können Sie guten Gewissens nicht sagen.
Aber lassen Sie mich einiges zu den Fragen sagen, wo, glaube ich, aus der Sache heraus Berührungspunkte gemeinsamen Denkens vorhanden sind. Es sind die Fragen der Außenpolitik. Der Grundsatz der Zusammenarbeit mit dem freien Westen hat meine Freunde immer veranlaßt, diese Prinzipien zu bejahen. Aber ich muß sagen, daß man ihnen diese Bejahung durch die Methode, durch den beschrittenen Weg auf nicht unwichtigen Einzelgebieten nicht immer leicht gemacht hat.
— Ich darf an folgendes erinnern, Kollege Stücklen. — Ich werde mich an den Haushalt halten, der von der zweiten Lesung her noch in sehr frischer Erinnerung ist, frischer als manches andere. — Ich glaube, daß wir von mehreren Seiten — auch von seiten Ihrer Freunde — Klagen oder Erinnerungen oder ein Bedauern darüber gehört haben, wie die Ostabteilung des Auswärtigen Amts besetzt ist und infolgedessen auch nur arbeiten kann. Viele Redner dieses Hauses haben dies kritisch herausgestellt, und dies geschah nicht zum erstenmal.
Seit Jahr und Tag, vor allem seit dem Wechsel in der Leitung des Außenministeriums, seit dem Start des Herrn von Brentano, ist immer wieder in sehr maßvollen und höflichen Worten auf diese unzureichende Besetzung hingewiesen worden. Auch die Kritik, von der ich eben sprach, hat den Rahmen des Maßvollen und Höflichen in keiner Weise überschritten.
Es ist doch irgendwie bedauerlich — vielleicht bedauern es manche von Ihnen mit uns —, daß gerade ,auf dem Sektor der Außenpolitik, wo die Höflichkeit im internationalen Verkehr in besonderer Weise Pate steht, der Herr Außenminister es auf Grund so zahlreicher Fragen nicht für notwendig gehalten hat, auch nur mit einem Wort eine Antwort zu geben .
Damit, meine Damen und Herren, schafft man die Probleme, die auf diesem Gebiet bestehen und weiter bestehen werden, nicht aus der Welt. — Sicherlich muß er auch in diesem Fall in Amerika sein; das sehe ich ohne weiteres ein. Aber deswegen, weil er in Amerika ist, können wir nicht darauf verzichten, diese Dinge herauszustellen und zu betonen, daß sie eines Tages in Ordnung gebracht werden müssen.
Ich möchte fast meinen, daß in anderen zivilisierten freien Kulturstaaten in vergleichbarer Lage eine solche Vernachlässigung einer vitalen Aufgabe der eigenen — nicht nur der Außenpolitik —, hier also der gesamtdeutschen Politik, nicht gut vorstellbar ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich eine weitere Frage nur kurz streifen. Wir haben mit Bedauern davon Kenntnis genommen, daß man von der vom Bundestag dm letzten Jahr, wenn ich nicht irre, erteilten Ermächtigung, auch in Bozen ein Konsulat einzurichten, keinen Gebrauch gemacht hat. Ich zweifle nicht daran, daß es vom Standpunkt der Buchhalterphilosophie oder aus ähnlichen Gesichtspunkten Gründe dafür geben wird, die man anführen kann. Aber man hätte gerade den Platz Bozen aus Gründen einer im wahren Sinn des Wortes wohldurchdachten nationalen Politik — nicht etwa aus Gründen einer nationalistisch-chauvinistischen Politik — nicht so entblößt halten sollen, wie man es getan hat.
Niemand von uns will in irgendeiner Form „Vereinigungswünsche" solcher Art betreiben. Darüber sind wir wohl alle hinausgekommen. Aber hier
muß man doch den Zusammenhang sehen! Die Deutschen in Südtirol, Menschen unserer Zunge, denen es nicht gut geht, die darunter leiden, ,daß Verträge, die man damals abgeschlossen hat, heute noch nicht eingehalten werden, blicken auch auf uns, auf uns alle. Wir erweisen ihnen und ihrem Willen, ihr Volkstum, möchte ich ganz einfach sagen, zu erhalten, keinen guten Dienst, wenn man durch solche Gesten zumindest den Umkehrschluß ermöglicht, ein deutsches Interesse an der dortigen Entwicklung sei nicht gegeben.
Dies ist besonders angesichts der Tatsache bedauerlich, daß das Kaiserreich und das „Dritte Reich", das doch praktisch damals in so schmählicher Weise auf Südtirol verzichtet hat, es nicht fertiggebracht haben, den Platz Bozen ohne konsularische Vertretung zu belassen. Immer wurden dort Konsulate unterhalten.
Die Südtiroler sind ein gutes Beispiel dafür — ich möchte das einer bestimmten Seite des Hauses sagen —, was volksverbundenes Christentum für den europäischen Gedanken der Freiheit des Volkstums leisten kann; denn alle diese Bestrebungen kommen dort aus einem betont volksverbundenen und allerdings auch dem Alltag, nicht nur dem Sonntag verbundenen Christentum heraus.
Weil wir gerade bei der Außenpolitik waren: Wir bejahen sie im Grundsatz und in der Anlage; das habe ich gesagt. Aber man könnte sehr wohl über die Konsequenz dieser Außenpolitik streiten. Es wird oft allen anderen gesagt: Die Regierung allein macht eine konsequente Außenpolitik; alle anderen machen eine inkonsequente Außenpolitik. Wenn man aber einmal die Erklärungen der letzten Jahre auf diesem Gebiet aneinanderreiht, kann man durchaus auch zu einem anderen Schluß kommen. Ich darf zwei besondere Beispiele herauszuheben versuchen. Das geht von der Umarmung im Bolschoi-Theater bis zum Todfeindwerden — wenige Monate später — und von der Entspannung der Weltlage zur Weltlage, in der es noch nie so ernst gewesen war wie heute. Diese Mischung ist auf die Dauer etwas zu bunt. Sie kann wahrscheinlich auch zu nichts Gutem führen.
Im allgemeinen haben wir den Eindruck, daß wir im überstaatlichen Denken doch oft der Versuchung zu unterliegen scheinen, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Auch hier zwei kurze, besonders uns bewegende Beispiele aus der letzten Vergangenheit. Wir werden im Gemeinsamen Markt erhebliche Aufwendungen auf Kosten des deutschen Steuerzahlers für den Investitionsfonds des Gemeinsamen Marktes und andere Dinge, die zum Teil weit über das Mittelmeer hinausreichen, zu machen haben. Es ist die Befürchtung aufgetaucht, eine solche Politik, die doch irgendwie auf ein sinkendes Kolonialschiff setzt, könnte zu außen- und wirtschaftspolitischen Störungen — Trübung des Verhältnisses da und dort — führen. Diese Bedenken sind dann oft mit dem Hinweis zu entkräften versucht worden: Dafür werden in Afrika auch Schulen gebaut werden. Wir sind der bescheidenen Meinung, daß uns zunächst einmal unsere Schulen am Herzen liegen müssen. Wir haben uns damit auch in einem Antrag beschäftigt, der leider negativ beschieden wurde. Ich habe keinen Zweifel daran, daß dieser Antrag, wenn wir uns noch einmal damit beschäftigen, wieder mit demselben Ergebnis beschieden wird. An unsere Schulen hätte also zuerst gedacht werden sollen.
Alle Fraktionen des Hauses haben sich in einer einheitlichen Abstimmung über einen gemeinsamen Antrag im Haushaltsausschuß dahin schlüssig gemacht, daß es noch viel zu früh sei, um die Mittel für die Förderung der wirtschaftlich schwachen Gebiete, vor allem der Gebiete an der Zonengrenze, so zu kürzen, wie sie in der Regierungsvorlage zu diesem Haushalt gekürzt worden sind. Das ist eine Tatsache. Zu gleicher Zeit waren aber erhebliche Investitionsmittel für andere Gebiete — Zonengrenzgebiete kann man das nicht mehr nennen — bereitzustellen, und man wußte, daß diese Dinge kommen würden.
— Wir haben es wiedergutgemacht, das habe ich gesagt, durch einstimmigen Beschluß im Haushaltsausschuß.
Nun einige Gedanken zur Wehrpolitik. Wir haben vor wenigen Tagen bei der Abstimmung zum Wehretat gesagt, daß wir hier zustimmen, weil diese Politik unserem Ausgangspunkt entspricht und weil wir nicht zu denen zählen, die nachher die Dinge so jonglieren, wie es die Opportunität des Alltags vielleicht förderlich erscheinen lassen könnte. Deswegen haben wir uns in dieser Abstimmung so verhalten. Aber auch hier sind doch einige Worte der Kritik angebracht. Wir haben uns immer unter Verteidigungspolitik etwas Reales vorgestellt. Daß wir mit dieser Meinung recht hatten und nicht etwa alle die, die seinerzeit Herrn Blank noch große Ovationen bereitet haben, zeigt doch der Umstand, daß ein Wechsel im Verteidigungsministerium offenbar unumgänglich geworden war. Ein Kabinett, das sich so Mühe gegeben hat, Stabilität und Ausdauer bis zum letzten, bis es nicht mehr ging, zu beweisen, konnte nicht umhin, diesen Wechsel vorzunehmen, weil die Blanksche Politik eine illusionistische Politik gewesen ist.
Mari hat manchmal das Gefühl haben müssen, daß man, obwohl man die russische Bedrohung so entsetzlich nahe empfindet, gewillt ist, zehn Jahre abzuwarten, und daß man den Russen zutraut, daß auch sie zehn Jahre warten, bis bei uns alles wieder fein säuberlich — fast so wie gehabt — dastehen würde. Ich fürchte, der Kollege Blank ist der Illusion erlegen, wie sie Christian Morgenstern in einem schönen Wort beschreibt: „Und er kommt zu dem Ergebnis: nur ein Traum war das Erlebnis, weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf." Die Dinge sind anders gelaufen. Wir haben die neue Linie, die reale Verteidigungspolitik des neuen Ministers Strauß aus diesem Grunde begrüßt und durch unsere Zustimmung zum Haushalt unterstützt.
Ich möchte davor warnen, daß sich in den kommenden Wahlmonaten die Legende bildet, die Regierung habe recht behalten. Die Regierung hat nicht unbedingt recht behalten; manche andere haben recht behalten. Man kann die Güte und die Dauer der Argumente ja nicht so nach d'Hondt verteilen, wie wir es sonst im Parlament erleben. Manchmal behalten auch die anderen recht. Wir haben z. B. recht behalten mit unseren Argumenten, die uns damals zu einer anderen Beurteilung der Wehrpflichtfrage geführt haben, und Sie geben ja heute durch die Schöpfung dieses seltsamen Sprachbegriffs der wehrpflichtigen Freiwilligen oder freiwilligen Wehrpflichtigen selbst zu, daß
sich die Dinge gewandelt haben, und Sie glaubten
— Sie wären schlecht beraten gewesen, wenn Sie es anders getan hätten —, sich diesen Dingen anpassen zu sollen. Heute spricht man vielmehr von der Verteidigungspflicht, die mehr ist als die Wehrpflicht, die im Zeichen echter verantwortungsbewußter Verteidigungsbereitschaft vielleicht eines Tages mehr Anforderungen an den einzelnen Bürger stellen muß. Aber ich gebe zu, es ist im Zeichen der Wahl bequemer, von der weniger weitgehenden Wehrpflicht im klassischen Sinne zu sprechen, wenn sie auch heute eine echte Grundlage in diesem Umfang nicht mehr besitzt. Ich möchte vor einer anderen Legende warnen, etwa — ich habe solche Plakate schon hängen sehen — in der Wahl zu sagen: Ungarn hat uns recht gegeben! Meine Damen und Herren, niemand in diesem Hause kann heute sagen, er wäre in der Lage gewesen, dieses elementare Ereignis des ungarischen Volksaufstandes, das uns alle so bewegt hat, vorauszusagen.
— Es gibt solche Stimmen, Herr Conring. Ich möchte aus einem bestimmten Grunde nicht darüber sprechen.
— Es ist etwas anderes, ob man die gegebenen Verhältnisse zur Kenntnis nimmt und daraus die Konsequenzen zieht oder aber sagt: Die anderen waren die Dummen; wir haben das alles vorher gewußt! Nun, meine Damen und Herren, ich möchte Ihre Versammlungsredner im Wahlkampf nicht daraufhin untersuchen, ob sie nicht etwa der Versuchung erliegen werden, sich in ähnlichen Formen und Bahnen zu bewegen.
Im Zusammenhang mit Ungarn noch eins. Wir sind froh darüber gewesen, daß Deutschland aus seiner quasi nachbarlichen Lage, aus seiner ganzen Stellung im freien Westen und am Eisernen Vorhang die Konsequenzen aus der Unterbringungspflicht für Flüchtlinge, wenn auch anderen Volkstums, aus Ungarn gezogen und hier geholfen hat. Es berührt etwas unangenehm, wenn man sieht, daß sich diese Einsicht in der übrigen Welt nicht so hat durchsetzen können und daß viele Tausende von ungarischen Flüchtlingen heute an die Tür nicht mehr herankommen, an die sie noch vor wenigen Monaten glaubten ohne weiteres klopfen zu können in der Hoffnung, eintreten zu dürfen.
In einem wollen wir uns auch noch von der Mehrheit des Hauses ganz deutlich unterscheiden. Wir haben die Verteidigung bejaht, und wir bejahen sie in aller Kenntnis der Konsequenzen, die daraus entstehen können. Es handelt sich hier um so schwierige Fragen, die so sehr an den Lebensnerv jedes einzelnen gehen, daß man zugleich auch den Mut haben soll, die Augen nicht vor der Verantwortung und vor den Möglichkeiten zu verschließen, die daraus erwachsen können. Bei der Abwägung der Gefahr wird sich dann eben die Waagschale so oder so senken; aber einfach so zu tun, als ob mit dem Weg, wie er jetzt beschritten worden ist, Sicherheit um jeden Preis geschaffen worden wäre, das halten wir doch für bedenklich. Ich kenne noch die Worte, die hier gefallen sind: Wenn wir in der NATO sind — wir haben den Eintritt bejaht; ich betone das —, werden wir nicht
Schlachtfeld. Meine Damen und Herren, wer könnte dem deutschen Volk solche Dinge versprechen? Leider niemand.
Ich sage das deshalb, weil wir kürzlich beim Luftschutz, wo von den Sozialdemokraten und von uns ein Antrag gestellt worden ist, Ihre mangelnde Bereitschaft zur Kenntnis nehmen mußten. Hier muß man, wenn man den Mund gespitzt hat, auch nachträglich pfeifen und bereit sein, die Konsequenzen bis zum letzten zu ziehen. Es ist eine große Frage, wie weit man den Luftschutz ausbauen kann. Es gibt Länder, die sagen: Es gibt keine Möglichkeit, so schrecklich sind die Vernichtungswaffen, so kurz, so phantastisch und makaber kurz sind die Warnzeiten beim Anflug von unbemannten Projektilen usw. geworden. Aber immerhin muß doch der Luftschutz irgendwie noch einen Sinn haben. Wir werden das Luftschutzgesetz in wenigen Tagen wieder hier auf dem Tisch liegen haben. Ich will dabei gar nicht an das Tischtuch und die Haselnuß erinnern, wie es damals der Kollege Engell von meiner Fraktion glossierend gesagt hat. Aber es entsteht doch der Eindruck, daß auch hier wieder eine illusionistische Politik getrieben wird, eine genaue Parallele zu der Verteidigungspolitik in der Ara Blank, die auf diesem Sektor noch nicht durch Herrn Strauß abgelöst worden ist. Wenn schon der bauliche Schutz auf die größten Schwierigkeiten stößt und wenn schon die Warnzeiten viele Schwierigkeiten auftürmen, so sollte man zumindest alles tun, um diejenigen am Leben zu erhalten und von Krankheiten zu heilen, die, sollte eine solche Katastrophe kommen — Gott verhüte es —, dann die Überlebenden sein würden. Für diese Überlebenden sollten uns keine Mittel hoch genug sein. Die Relation, in der wir die Mittel im Bundeshaushalt auswerfen — sie erreichen noch nicht einmal einen Satz von 1 % des Verteidigungshaushalts —, eine Relation, die in der Welt wahrscheinlich einmalig dasteht, kann auf die Dauer nicht aufrechterhalten werden.
Meine Damen und Herren, wir haben über die Sozialpolitik bittere Klage zu führen. Ich habe schon gesagt: es ist heute weder die Absicht noch die Möglichkeit, hier eine Polemik zu entfesseln und eine Debatte über diese Dinge zu haben. Ich möchte nur einiges ins rechte Licht rücken und zu manchen Methoden einiges sagen. Zum Beispiel sollte man sich nicht so leicht, wie wir es oft tun, über die Erwerbslosigkeit mit dem Schlagwort hinwegsetzen: Die Vollbeschäftigung ist „praktisch" erreicht. Herr Kollege Niederalt, Sie werden mit mir einer Meinung sein, daß man das im Bayerischen Wald bei Ihnen und bei uns nicht erzählen kann, ohne vielleicht zum vorzeitigen Verlassen des Lokals gezwungen zu werden.
— Ja, aber wir dürfen die negativen Schwerpunkte, die sich leider immer noch erhalten haben und die sich nicht grundlegend verbessert haben, nicht vernachlässigen. Das ist die Bitte, die ich ganz einfach undbescheiden mit aussprechen möchte. Man darf sich nicht von dem Schlagwort der Vollbeschäftigung, die praktisch erreicht ist, so weit beeindrucken lassen, daß man vergißt, daß in den Zonenrandgebieten und in gewissen strukturellen Schichten, z. B. der älteren Angestellten und der
erwerbsgeminderten Menschen usw., noch eine solche Erwerbslosigkeit herrscht. Jeden einzelnen, den sie trifft, trifft sie schlimm genug.
— Aber die Sätze werden damit nicht erhöht, Herr Kollege Conring. Es ist kein Vergnügen, von einer Erwerbslosenunterstützung zu leben.
Ich möchte noch ein Weiteres sagen und erbitte mir die Erlaubnis des Herrn Präsidenten zu einem kurzen Zitat, das eigentlich eine weitere Debatte völlig überflüssig macht. Im übrigen werden wir bei dem Einzelplan des Ministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte heute noch einige Dinge in begrenztem Rahmen ausführen können. Ich möchte an die Gesamtbeurteilung erinnern, die damals ,die stärkste Regierungspartei nach der optimistischen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers einem großen Teil unseres Volkes und damit einem für das Gesamtvolk sehr wichtigen Sektor hat zuteil werden lassen. Herr von Brentano hat damals als Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU über die Heimatvertriebenen gesagt:
... damit — ich hoffe es — nach vier Jahren das Problem der Heimatvertriebenen in der politischen Diskussion keine Rolle mehr spielen wird . . .
Meine Damen und Herren, kann einer von Ihnen — wir alle sollten es bedauern — heute noch zu diesem Worte stehen? Hat hier nicht der damalige Fraktionsvorsitzende und heutige Außenminister einen doch sehr weitgehenden, um nicht zu sagen: leichtfertigen Optimismus entfaltet, den er dann leider auf der anderen Seite ,durch einen geradezu verantwortungslosen Pessimismus auf dem außenpolitischen Gebiet geglaubt hat ergänzen zu müssen?
— Herr Kollege Gengler, Sie wissen aus dem Haushalt genau wie ich, daß die entscheidende Frage, die ich meine, auf einem vielschichtigen sozialen Sektor davon nicht berührt wird. Aber wenn Sie glauben, daß hier besondere Probleme nicht gelöst sind, so werden wir Ihnen heute mit einem Antrag, der Ihnen schon vorliegt, die volle Gelegenheit geben, sich mit uns zu diesen Grundsätzen zu bekennen. Ich glaube, daß diese so leichtfertige Prognose Herrn von Brentanos für sich, besser: gegen sich spricht.
Wir erleben Zug um Zug die Eingliederung der Saar. Hier halten wir es für nicht gut, wenn man ,auf dem sozialen Gebiet, wo es um die Wahrung des sozialen Besitzstandes geht, unter Betonung kolossal wichtiger Gesichtspunkte wie z. B. der Rechtseinheit glaubt, der Saar gewisse Fortschritte in Deutschland vorenthalten oder Verbesserungen nehmen zu können, wie wir es auf dem einen Gebiet erlebt haben oder, wie ich fürchte, erleben werden. Wer das tut, leistet praktisch ungewollt all denen eine gewisse Schützenhilfe, die die Menschen in der Zone mit dem Bolschewismus von Pankow aus zu unterwandern und zu umklammern versuchen, indem sie behaupten, die Wiedervereinigung würde gewisse auf einzelnen Gebieten bestehende soziale Verschiedenheiten zu Lasten der Betroffenen in Frage stellen.
Ich möchte nun etwas zu der Methode sagen, die 'wir hier bei der Behandlung der sozialen Fragen immer wieder erlebt haben. Wenn es einmal von den Sonntagsreden hinweg hier zum Schwur und zum Beschluß kam, dann hörten wir immer zwei Schlagworte: Auf der einen Seite die Behauptung, das fördere den Versorgungsstaat. Das ist sehr bequem. Es gibt sehr viele Meinungen und sehr viele wissenschaftliche Richtungen, die sich darüber streiten, wo der Versorgungsstaat, den auch wir nicht wollen, endet und wo er beginnt. Aber wenn man dann damit nicht weiterkam und sich mit der Argumentation nicht weiter ,durchsetzen kannte, dann hat man gesagt: Es ist kein Geld da. Man geht auch heute noch so weit. Ich habe mit Bedauern gesehen, daß ein Beschluß, der in der zweiten Lesung gefaßt worden ist, der Beschluß, wenigstens 10 Millionen für die Kapitalabfindung zur Eigentumsbildung für deutsche Kriegsopfer draufzulegen, heute mit einem Beschluß Ihrer Fraktion wieder rückgängig gemacht werden soll. Ist das gut? Ich weiß es nicht.
— Auf die kommen auch wir noch!
Dann arbeiten wir sehr mit Bindungsermächtigungen. Wenn das Latein des Haushalts zu Ende ist, dann kommt die Bindungsermächtigung. Das sieht wunderbar aus und verschleiert doch letzten Endes nur, daß hier Etatmittel vor der Raupe hergeschoben werden und daß das Problem dann im nächsten Jahr — es geht doch im Gesamten gesehen um langfristige Vorhaben, die sich auf viele Jahre erstrecken — doppelt schwierig wird und daß dann die vermehrten Schwierigkeiten so lange vor uns hergeschoben werden müssen, wenn man dieses Problem wirklich lösen will, bis den letzten die Hunde beißen und es beim letzten Mal dann eben nicht reicht.
Wir hätten schon eine Vorstellung gehabt, wo man Gelder hätte einsparen können: bei ,den — wie heißt es jetzt — „gegenseitigen Hilfemaßnahmen". Ich möchte das unter diesem Wort viel bekanntere Thema der Stationierungskosten doch einmal kurz etwas aufgreifen. Ich habe heute schon Herrn Kollegen Vogel in einem Zwischenruf gesagt: Es geht um eine gemeinsame Verteidigung. Wir müssen unsere Lasten an dieser gemeinsamen Verteidigung tragen, und wir tragen sie. Herr Kollege Vogel, glauben Sie nicht, wieviel sich Deutschland leichter täte, wenn es diese Lasten nicht tragen müßte! Es muß sie tragen, und es trägt sie. Aber von diesem rund 10-Milliarden-Etat aus gesehen bekommen die Dinge doch ein anderes Gesicht. Dann muß doch wirklich einmal eine Abwägung eintreten, wieweit die anderen nicht auch bei uns sich selbst verteidigen. Wenn man einmal die Entwicklung der Geschichte der letzten sieben, acht Jahre verfolgt, kommt man doch wohl oder übel zu dem Schluß, daß der Selbstverteidigungswunsch der anderen für sich selbst doch sehr viel dazu beigetragen hat, daß die ganzen Dinge einer gemeinsamen Verteidigung Wirklichkeit geworden sind.
Ich möchte aber noch etwas Weiteres sagen, was vielleicht auch Sie bejahen, Herr Kollege Vogel. Man darf dabei auch nicht vergessen, welche Vorleistungen die Bundesrepublik als deutscher Teil-
staat auch auf dem geistigen Gebiet der Verteidigung freiheitlichen Denkens gegen den Bolschewismus an unserer Zonengrenze bisher hat auf sich nehmen müssen. Das ganze Problem der Vertriebenen, das Problem des Ausgebombten, der zerstörten Wohnungen zu Millionen, das sinnigerweise die anderen — und doch nicht mit Grund und Notwendigkeit — auf sich genommen haben, ist die ursächliche Veranlassung. Alle diese Dinge belasten uns doch so weit vor, daß man vielleicht hätte Rücksicht darauf erwarten können, welche unendlichen Vorleistungen wir zu tragen haben und noch künftig tragen müssen. Wir hätten uns von dem Herrn Bundesfinanzminister die Härte, mit der er auf manchen anderen Gebieten auf den Plan tritt, dort sehr wohl gewünscht, um doch einmal vielleicht auch gerade unter diesem Gesichtspunkt einiges ins rechte Licht zu rücken.
— Das habe ich auch nicht erwartet.
Die Ausgabenfreudigkeit, die dann so gern beschworen wird, finden Sie doch in vielen, vielen Anträgen, die Sie selber mit unterzeichnet haben. Sie können doch auf der anderen Seite nicht über die Ausgabenfreudigkeit des Parlaments bittere Klage führen und die Stabilität der Währung und andere Dinge ins Feld führen, wenn Sie gleichzeitig oft gewillt sind, sehr erheblichen Summen sehr schnell zuzustimmen. Ich möchte mich nicht über die Berechtigung dieser Dinge hier mit Ihnen auseinandersetzen; sie haben vielleicht ihren guten Kern. Aber wir haben auch zwei Beispiele in der letzten Zeit gehabt, wo in wenigen Minuten erhebliche Beträge dagewesen sind, in dem einen Fall für die Bundesbahn eine runde halbe Milliarde.
— Ich will die Berechtigung nicht bestreiten.
Ich habe nur gesagt, daß uns andere Dinge wenigstens auch sehr wichtig erschienen wären. Ich möchte auf ein vielleicht nicht so dringliches Problem wie das der Bundesbahn verweisen, das hier nach langwierigen Vorberatungen im Ausschuß, wo man zu keiner anderen Lösung gelangt war, im Plenum behandelt wurde. Da ist auf einmal zu später Stunde — vielleicht war das den Dingen sehr förderlich — der Betrag für Darlehen und Zuschüsse zur Förderung des Althausbesitzes und zur Reparatur der Altwohnungen von 50 Millionen auf 100 Millionen DM einfach so heraufgerutscht. Ich bin neugierig, welche Argumente Sie unserem Antrag auf vielleicht noch wichtigere Dinge, weil es da um Menschen, nicht um Häuser geht, in bezug auf Maßnahmen für Spätaussiedler entgegenzusetzen versuchen werden.
Meine Damen und Herren, es kommt bei der Stellung der politischen Parteien zueinander maßgeblich darauf an, in welchem oft beschworenen Stil man sich gegenseitig verhält. Sehr viel Erfreuliches ist hier nicht zu berichten. Wir halten es nicht für gut, wenn man, wie wir das hier so oft erlebt haben, Entscheidungen mit einem Entschließungsantrag ausweicht, der oft das Papier, auf dem er gedruckt ist, nicht wert ist,
indem man draußen in Sonntagsreden Dinge behauptet, die man nachher, wenigstens seitens seiner Freunde, nicht einzulösen gewillt ist.
Wir haben vom Herrn Familienminister draußen so oft problematische Äußerungen auf Versammlungen gehört und in Berichten gelesen. Seine Reden sind es ja zum Großteil gewesen, die nachher das Plenum in Rede und Gegenrede beschäftigt haben. Hier ist er allerdings meistens sehr still gewesen,
und selbst als er hier angesprochen wurde, als der ungewöhnliche Sprechchor, wie er an sich vergangenen Zeiten angehört: „Wuermeling! Wuermeling!", erklang, da hat der Herr Familienminister — wie er glaubte: stolz lächelnd — hier gesessen und hat seinen Mund nicht geöffnet.
Das ist die Methode: Anträge zu Zeiten der Wahl einzubringen, obwohl man weiß, daß sie nach der Geschäftsordnung des Bundestages nicht mehr behandelt werden können.
Es ist die Methode, Dinge in Umlauf zu setzen, die zum Teil auch dem Gedankengut einiger anderer entstammen. Aber die Initiative, die ein Gedankengut zu entwickeln vermag, kann man ja nach d'Hondt fein säuberlich dirigieren, und man kann dieser Flamme das Lebenslicht ausblasen. Ich erinnere an den Antrag einer Fraktion dieses Hauses, ein Gesetz zur Hilfe für ältere Angestellte einzureichen. Dem lagen weitgehend dieselben Gedanken zugrunde, die wir kurz nach dem Eintritt in diesen Bundestag hier zur Diskussion gestellt haben. Der Erfolg war, daß das Gesetz heute noch in den Schubladen irgendwelcher Ausschüsse herumliegt und vermutlich ein trauriges Ende nehmen wird.
Noch ein ernsteres Wort zu einem viel, viel wichtigeren Problem, als es solche kleinen Akzente überhaupt sein können. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben hier vor nicht zu langer Zeit eine Novelle zum Lastenausgleichsgesetz verabschiedet, mit der wir ein gutes Stück vorangekommen sind. Vielleicht hat es manche nicht überrascht: auf einmal war der Bundesrat da und hat Einspruch erhoben. Man streitet sich über den Wert der Prognose, daß sogar die Gefahr besteht, daß unter Umständen dieses für Millionen von deutschen Menschen lebenswichtige Gesetz, das sie aus ihrem Notkreis herauskommen lassen soll, nicht einmal mehr in dieser Legislaturperiode zur Verabschiedung kommt. Das wäre sehr schlecht, meine Damen und Herren! Ich möchte das in aller Deutlichkeit gesagt haben.
Wie ist denn das Schauspiel? Es ist ein schlechtes Schauspiel, das wir dabei erleben. Man kann sich, wenn es um so „weltbewegende" Dinge geht wie die Speiseeisverordnung, die den Bundesrat beschäftigt hat, oder um ähnliche Dinge, zu Recht darauf berufen, daß der eine nicht der Meinung des anderen zu sein braucht, daß man in Adorf anders denkt als in Hintertupfingen und in der Stadt anders als auf dem Lande.
Aber beim Lastenausgleich, der eine essentielle Aufgabe unseres Staates ist, kann man auf solche Verschiedenheit der Meinungen nicht allzusehr abheben, und da darf man in dieser Beziehung nicht
allzusehr sündigen. Die tragenden großen Parteien in Deutschland, dabei auch die CDU, müssen doch soviel an Homogenität, an Gedankengut und an politischen Impulsen auch gegen sich, wenn es sein muß, gelten lassen, um einzusehen, daß es unmöglich ist, daß dieselben politischen Kräfte letzten Endes hier ja sagen und nachher draußen — hoffentlich nicht planmäßig — nein sagen. Damit treiben sie eine gute Sache, die sie einstimmig als ihre Sache anerkannt haben, wofür wir ihnen dankbar waren, in den Tod hinein und sehen damit dem Tod vieler Menschen zu, die dann eine Verbesserung nicht mehr erleben würden. Deswegen neben dieser Feststellung die Bitte, ich möchte sagen: die Forderung, in dieser Frage einmal ehrlich zu sein, d. h. im Vermittlungsausschuß, wo die Länder beteiligt sind, zu dem zu stehen, was Sie seitens der Parteien hier mitgemacht haben.
Noch ein Letztes zu den Unerfreulichkeiten des Stils: die Volksaktie; sie ist hier bereits allgemein angesprochen worden und wird noch viel angesprochen werden. Ich möchte Ihnen einmal sagen, was nach Gesprächen, die ich draußen gehört habe, der Eindruck des kleinen Mannes in bezug auf die Volksaktie ist, den Sie offenbar ganz gerne hinzunehmen gewillt sind; große Dementis dagegen hat es noch nicht gegeben und wird es wohl nicht geben. Der kleine Mann hat den Eindruck, daß nun das Volkswagenwerk aufgeteilt und jedem gratis und franko eine Aktie, eine Schöpfung von Eigentum, vielleicht mit der Weihnachtspost oder als Postwurfsendung in das Haus flattern wird. Das ist der Eindruck, der draußen entstanden ist, ein Eindruck, der deswegen nicht stehengelassen werden kann, weil uns der Begriff der Verbreiterung der Eigentumsbasis zu heilig ist, als daß wir es zulassen könnten, daß damit dieses Spiel getrieben wird.
Aktien kaufen kann man schon heute; dazu hätte es der Fanfarenstöße von Hamburg wahrhaftig nicht bedurft.
Bei Investmentbanken oder wo Sie sonst wollen, können Sie sparen, und zwar so, daß das Risiko für den kleinen Mann weitgehend verteilt wird, der ja mit solchen Dingen im allgemeinen nicht gut umzugehen versteht.
Ein Zweites ist uns in bezug auf den Haushalt aufgefallen. Der Haushaltsausschuß hat — ich darf ihn dazu beglückwünschen — eine kluge Entscheidung getroffen, indem er die in der Regierungsvorlage vorgesehenen Ansätze in bezug auf den Fortbestand der Reste zweier ausgeschiedener Minister — verwaltungsmäßig gesehen — gestrichen hat. Sie wissen, daß der Haushaltsausschuß diese Streichung nicht einstimmig, aber doch mit Stimmen quer durch alle Parteien auch mit vielen Stimmen der CDU - einer Ihrer Kollegen hat sich durch seine Initiative ein großes Verdienst erworben —, beschlossen hat. Nun kommt der Antrag, wohl aus Gründen falsch verstandenen Prestiges, uns diese Dinge wieder zu servieren. Vielleicht siegt hier doch die Vernunft auf Grund der Kenntnis, welche Entwicklung dieser Apparat genommen hat. Es ging doch seinerzeit bei den Sonderministern darum, daß durch sie Verbindungsglieder zu ihren Fraktionen geschaffen werden sollten. Nun, sowohl die FDP wie wir können ein Lied davon singen, welche Verbindungen diese Minister geschaffen haben!
Nachträglich sind dann jene Aufgaben an die Sonderministerien angehängt worden, Aufgaben, die an sich notwendig sind — vor allem die Regelung des Wasserhaushalts —, die aber in dieser Form eine praktische Lösung offenbar nicht haben finden können.
Dabei wäre nur in einem Falle, im Falle des Ministers a. D. Schäfer, eines zu sagen. Wenn ich mich nicht täusche, soll Herr Minister Schäfer wegen eines Beschäftigungsauftrags dann hier wieder — wohl nicht feierlich — eingeführt werden. Ich möchte nicht hoffen, daß wir zu den vielen Kategorien von Ministern, die man heute in der ganzen Welt kennt — Minister, die der Regierung oder der Partei treu sind, Minister, die reden, und solche, die arbeiten, usw. —, noch den Begriff des „Ministers durch die Hintertür" hinzufügen müßten. Damit würden Sie der Sache keinen guten Dienst erweisen.
Es ist — um abschließend etwas zum Stil zu sagen — die Frage, wie man seinen Staat auffaßt. Denn davon, wie man seinen Staat bei den einzelnen politischen Parteien auffaßt, wird es auch abhängen, wie sich das Verhältnis der politischen Parteien zueinander entwickelt. Man hat manchmal den Eindruck — den Eindruck, sage ich —, und zwar auf Grund verschiedener Symptome, deren Aussagekraft ja oft von hoher Seite beschworen worden ist, daß eine Partei sich vorstellt, dies sei ihr Staat.
Meine Damen und Herren, das kann er einfach nicht sein! Mit einem Staat, wo eine Partei allein der Staat war, haben wir alle und auch Sie so schlechte Erfahrungen gemacht, daß man allen Anfängen wehren sollte.
— Es war nicht schief, was ich gesagt habe; in 20, in 30 Jahren wird es sehr kluge Bücher geben, die das wahrscheinlich nicht als schief bezeichnen.
Meine Damen und Herren, Sie können die Polemik — hier ist sie gerechtfertigt! — nicht entkräften, solange Sie die Reptilienfonds weiter bestehen lassen. Solange Sie nicht gewillt sind, hier klare Verhältnisse zu schaffen und dem Parlament bzw., wie es gefordert war, einem ganz kleinen Teil des Parlaments. einer Handvoll Parlamentarier wenigstens Einblick zu geben, solange können Sie die Dinge nicht entkräften. Es gibt einen sehr aktuellen Anlaß, daran zu denken. Wenn man so die Illustrierten liest und da sieht, wie neben den geschichtlichen Hinweisen auf vergangene Zeiten mit Königen und Fürsten und anderem mehr und schönen Kleidern, die es damals gab, jetzt auf einmal eine moderne Geschichtsgalerie in den Zeitungen erscheint, sehr schöne gegenwartsnahe Figuren, da muß man sich fragen, wer das Geld dafür ausgibt. Sie könnten heute sagen: „Aus dem Reptilienfonds ist es nicht bezahlt", wenn Sie ihn einer beschränkten Kontrolle zugeführt hätten. Wenigstens erscheinen in diesen Veröffentlichungen der modernen Geschichtsgalerie noch nicht die Familienmitglieder; das ist noch ein Trost.
— Ich wollte sagen, die erscheinen zunächst einmal bei den verschiedenen Reisen. Dort führen sie sich allmählich ein.
Ich habe das gesagt, um Ihnen zum Abschluß zu begründen, warum wir als Opposition solchen Methoden widerstehen. Unser Bundesvorsitzender, Herr von Kessel, hat auf dem Parteitag in Düsseldorf deutlich erklärt, es sei höchste Zeit, daß diese Bundesregierung verschwinde. Meine Damen und Herren, der Ablauf der Zeit wird ihm diesen Wunsch erfüllen. Das ist richtig. Aber zumindest ich persönlich möchte ganz entschieden sagen, daß wir in dieser Haltung durch all diese Fragen, die ich hier nur sehr symptomhaft angesprochen habe, bestärkt werden. Wir wünschen uns auch keine Bundesregierung, die aus dem gleichen Holz geschnitzt ist, von dem heute hier so einige Spänchen abgefallen sind. Deswegen werden wir als Partei der Opposition dieses Bundestages — trotz Zustimmung zu manchen Haushalten, deren sachliche Anliegen wir für berechtigt halten — dem Gesamtetat die Zustimmung verweigern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine beruhigende Erklärung: Haben Sie keine Angst, ich halte keine vorbereitete und keine lange Rede. Ich muß aber doch auf einige Punkte eingehen, die im Verlaufe der heutigen Debatte von einzelnen Sprechern angeschnitten wurden. Es ist eine allgemeine Gefahr, daß die erste Lesung und auch die allgemeine Aussprache in der dritten Lesung des Haushalts allzuleicht zu Sonntagsbetrachtungen führen, die ihre Verwirklichung in der Praxis, in der Alltagsarbeit des Parlaments leider nicht finden. Auch heute haben wir bei der allgemeinen Aussprache wieder reichlich in Theorie gemacht.
Lassen Sie mich — ich möchte um der Ernsthaftigkeit und der Wahrhaftigkeit unserer Debatte willen einige Beispiele nennen — mit den Ausführungen von Herrn Kollegen Schoettle beginnen. Der Herr Kollege Schoettle hat in seinen Ausführungen immer wieder die Kritik an den Verteidigungsausgaben durchklingen lassen. Er hat u. a. auch behauptet, sie seien tabu. Nun, meine Damen und Herren, wir alle wissen, die Verteidigungsausgaben waren nicht tabu. Wenn wir die Mittel nicht aus diesem Einzelplan hergenommen hätten, hätten wir für viele Ausgaben, die beschlossen wurden, keine Deckung. Das nur nebenbei.
Diese Kritik an den Verteidigungsausgaben wird immer wieder so mit dem Unterton gemacht: Was könnten wir doch mit diesen vielen schönen Milliarden alles Gutes anfangen!
— „Sehr richtig!" rufen Sie zu; nun, genau diesen Punkt will ich einmal deutlich ansprechen. Sie haben doch in Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der SPD, auch eine Vorstellung über die Verteidigung. Sie wollen, wenn ich mich nicht irre, das Freiwilligenheer. Sie müssen mir doch bei sachlicher, nüchterner Betrachtung der Dinge zugeben, daß bis jetzt noch kein Pfennig gespart
worden wäre, wenn wir Ihre Konzeption des Freiwilligenheers durchgeführt hätten.
Herr Kollege Niederalt, ich nehme an, daß Sie sich im Gegensatz zum Herrn Bundesfinanzminister daran erinnern, daß wir gemeinsam im Haushaltsausschuß 50 Millionen DM im Verteidigungshaushalt gestrichen haben, und als wir dann glaubten, den Betrag nun für andere uns wichtig erscheinende Zwecke als Deckung benutzen zu können, wurde uns erwidert, nein, das komme natürlich nicht in Frage, die 50 Millionen blieben weiter im Verteidigungshaushalt. Ist das nicht ein Tabu?
Sehr verehrte Frau Kollegin, sehr genau erinnere ich mich noch an diesen Vorgang. Ich muß Sie aber auch an etwas anderes erinnern: Diese 50 Millionen DM haben wir innerhalb des Verteidigungshaushalts notwendig für den Wohnungsbau gebraucht — genau für das Problem, über das die Frau Alterspräsidentin, Ihre Kollegin von der Opposition, bei der zweiten Lesung so bewegte Klage geführt hat, daß gerade hier zuwenig geschehen sei. So war der Sachverhalt.
Ich wiederhole: Diese Argumentation mit dem Unterton: mit den vielen schönen Milliarden für die Verteidigungsausgaben könnten wir viel Besseres anfangen, ist in sich unwahr. Das muß mit aller Deutlichkeit festgehalten werden,
denn das Freiwilligenheer kostet mindestens genauso viel.
— Sie haben das Recht, hernach das Gegenteil zu beweisen. —
Ein zweiter Punkt: Herr Kollege Schoettle hat in seinen Ausführungen auch sehr ernste Erwägungen über das grundsätzliche Verhältnis von Opposition und Regierung angestellt. Ich möchte hier in aller Sachlichkeit feststellen, daß ich in manchen Punkten mit Herrn Kollegen Schoettle völlig einig gehe. Ich möchte vor allem auch meinen Ausführungen zu diesem Punkte voranstellen, daß ich fest überzeugt bin, daß Herr Kollege Schoettle diese seine Ausführungen sehr ernst gemeint hat und daß er auch bemüht ist, danach zu handeln. Aber auch hier wieder Theorie und Praxis! Die Theorie ist schön, und ich bin überzeugt, Herr Kollege Schoettle möchte diese Theorie auch im Laufe der Zeit in die Praxis umsetzen. Bis jetzt sind aber noch wenig Anzeichen dafür zu sehen, daß diese Theorie Praxis wird. In unserem eigenen Hause haben wir es vor einigen Tagen erlebt, als bei einer sehr ernsthaften Auseinandersetzung von Ihrer Seite der Zwischenruf kam: „Der Ton des Kriegshetzers." Wenn Sie es ernst meinen mit einem guten Verhältnis zwischen Opposition und Regierungsparteien, dann darf so etwas einfach nicht vorkommen.
Ich will Ihnen noch etwas anderes sagen: Herr Kollege Schoettle hat ausgeführt, daß er sich ein
von Grund aus anderes Verhältnis zwischen Regierung und Opposition vorstelle.
— Nein, das tue ich nicht, Herr Kollege. Ich spreche sehr nüchtern und sachlich. Ich bin davon überzeugt — ich wiederhole es —, daß Herr Kollege Schoettle es ernst gemeint hat. Aber warum machen Sie dann nicht einmal ernst in den Ländern, in denen Sie die Regierung bilden? Warum machen Sie mit diesen schönen Vorsätzen über das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition nicht in München ernst? Soll ich Ihnen einige Dinge aus dem Bayerischen Landtag erzählen? Warum machen Sie nicht in Düsseldorf ernst, warum nicht in Hessen? Meine Damen und Herren, verba movent, exempla trahunt, Worte können nur bewegen, erst die Beispiele reißen mit, und wenn Sie wollen, daß wir diese Dinge ernst nehmen, dann möchten wir Beispiele sehen.
In diesem Zusammenhang auch noch ein Wort zu den vielbesprochenen und in der Presse immer wieder erwähnten sogenannten Geheimtiteln, die in Wirklichkeit gar keine Geheimtitel sind,
weil sie der Rechnungsprüfung des obersten Rechnungshofs unterliegen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie im Haushaltsausschuß dabeigewesen wären, hätten Sie gehört, wie ich bei Behandlung dieser sogenannten Geheimtitel an die Regierung die Frage gerichtet habe: Wie steht es denn da eigentlich mit der Praxis der Länder? Und siehe da, wir haben die Antwort bekommen: in Düsseldorf, in München, in Hessen. überall, wo SPD-Landesregierungen sind, besteht die gleiche Einrichtung,
und zum Teil noch dadurch verstärkt, daß nicht einmal die Kontrolle des Rechnungshofs eingeschaltet ist.
— Meine Damen und Herren, diese Argumentation nimmt Ihnen niemand mehr ab; sie ist innerlich unwahr.
— Was ich hier angegeben habe, können Sie nicht bestreiten.
— Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie können mir doch nicht abstreiten, daß die SPD eine Partei ist — ich will mich vorsichtig ausdrücken —, die von allen Parteien die größte Parteidisziplin hat.
Warum ist es Ihnen nicht möglich, wenn es Ihnen ein so ernstes parlamentarisches Anliegen ist, innerhalb Ihrer Partei durchzusetzen, daß sie in den Ländern hier mit gutem Beispiel vorangeht? Das
machen Sie mir nicht vor, daß Sie das nicht könnten, wenn das Ganze ein ernstes Anliegen für Sie bedeutet.
Ich komme nun zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Lenz . Herr Kollege Lenz hat in bewegten Ausführungen über die Ausweitung des Etats geklagt. Die ständige Ausweitung des Etats ist in der Tat ein sehr, sehr ernstes Problem. Ich selbst habe in der ersten Lesung zu diesem Haushalt wie auch bei früherer Gelegenheit wiederholt auf diese Gefahr aufmerksam gemacht. Ich bin der Meinung, daß es wirklich der Anstrengung aller guten Kräfte bedarf, hier die richtige Grenze zu finden und dann einzuhalten. Aber wir dürfen eines nicht vergessen. Der heutige Staat ist nach meiner Auffassung nicht mehr der Staat des 19. Jahrhunderts.
Das ist eine Tatsache, die wir festhalten müssen. Der moderne Mensch ist allzu leicht geneigt, über die Steuerschraube zu schimpfen und zu jammern. Er ist aber auch allzu leicht geneigt, bei jeder Gelegenheit nach dem Staat zu rufen. Das ist die Ursache unserer heutigen Situation.
Herr Kollege Lenz, insofern stimme ich mit Ihren Ausführungen vollkommen überein, und Ihre Ausführungen könnten die meinen sein. Herr Kollege Lenz, es ist aber falsch, wenn Sie dann die Ausweitung des Etats der Regierung zuschieben. Das ist absolut falsch, und Sie als Sprecher der Fraktion haben nicht das geringste Recht, über die Ausweitung des Etats auch nur ein Wort der Kritik zu sagen.
— Ich werde es Ihnen beweisen. Ich erinnere die Damen und Herren von der FDP daran, daß Sie bei der Beratung der Kriegsopfernovelle den Antrag gestellt haben, der am teuersten war, der nämlich 1,2 Milliarden DM gekostet hätte, noch weit voran vor dem der SPD. Das sind Tatsachen.
Ein anderes Beispiel. Es ist in interfraktionellen Besprechungen gelungen, für die Beamtenbesoldung einen Modus zu finden, um sie aus dem Wahlkampffieber herauszubringen. Wir haben uns auf 165 % von 1927 geeinigt.
— Ich spreche jetzt nicht im einzelnen zur Berechtigung oder Nichtberechtigung.
— Ich sagte soeben, Herr Kollege, daß ich nicht zu dem Problem der Beamtenbesoldung als solchem spreche. Ich spreche nur zu dem Problem der Ausweitung des Etats. Alle Fraktionen dieses Hohen Hauses haben sich auf 165 % geeinigt; die Fraktion der FDP, die jetzt in bewegten Worten über die Ausweitung des Etats klagt, hat 170 % beantragt.
Ein anderes Beispiel, meine Damen und Herren. In der dritten Lesung werden wir über den Antrag der FDP Umdruck 1132 abstimmen müssen, bei Kap. 06 02 weitere 50 Millionen DM zu den schon vorhandenen 72 Millionen DM zur Förderung der Wissenschaft einzusetzen. Meine Damen und Herren, wenn ich ohne Angabe darüber, wie ich auf der anderen Seite eine Einsparung erreichen kann, solche Anträge stelle, dann habe ich das
Recht verwirkt, über die Ausweitung des Etats Klage zu führen,
und erst recht das Recht verwirkt, der Regierung die Schuld an der Ausweitung des Etats zuzuschieben.
Es ist im Laufe der Debatte sehr häufig von der Kassenfülle die Rede gewesen. Ich gebe ganz offen zu, daß die Kassenfülle auch mir nicht gefallen hat. Wenn ich einen sehr unziemlichen Vergleich gebrauchen darf, so möchte ich sagen, daß die Kassenfülle beinahe wie eine Sexbombe auf die Parlamentarier gewirkt hat,
aber, meine Damen und Herren, auf die Parlamentarier aller Fraktionen, nicht bloß der Regierungsparteien; das müssen wir festhalten.
Und bei aller Kritik über die Mehrausgaben müssen wir uns doch immer wieder fragen: Ja, wo sind denn die überflüssigen Ausgaben? Freiwillige vor! Sind sie etwa beim Grünen Plan zu suchen, der uns 600 Millionen DM zusätzlich gekostet hat? Sind sie bei der Rentenerhöhung, sind sie bei der Kriegsopferversorgung zu finden? Sind sie bei den Verteidigungslasten zu sehen? Wo sind die überflüssigen Ausgaben?
Man sollte sich also meiner Auffassung nach die Kritik nicht so leicht machen.
In diesem Zusammenhang auch ein Wort zum Bund der Steuerzahler. Der Bund der Steuerzahler, dessen Veröffentlichungen ich mit Interesse verfolge und lese, hat in seinem letzten Rundbrief eine sehr massive Kritik am Parlament, an der Ausgabefreudigkeit des Parlaments geübt; aber leider nur eine sehr allgemeine Kritik. Er spricht da in seinem letzten Schnellbrief von „bedenkenloser Ausweitung", von einer „Herausforderung der Steuerzahler", von „grenzenloser Bewilligungssucht"". Aber auch der Bund der Steuerzahler vermeidet es leider Gottes, konkret anzugeben, welche hohen Summen, die zu Buch schlagen, überflüssig seien. Er sagt nicht etwa, die neue Novelle zur Kriegsopferversorgung war überflüssig, er sagt nicht, der Grüne Plan ist viel zu hoch. Nein, nur allgemeine Kritik. Meine Damen und Herren, man sollte es sich nicht so leicht machen, und Theorie und Praxis sollten etwas mehr in Übereinstimmung stehen.
Ich kann es mir nicht versagen, zu einem weiteren Punkt ein paar Worte zu sagen. Der Herr Kollege Schoettle sowohl wie auch der Herr Kollege Dr. Blank haben das Problem der Bundesfinanzverwaltung angeschnitten. Es ist das gute Recht der SPD, die Bundesfinanzverwaltung zu verlangen. Wir kennen diese Forderung der SPD.
Sie wissen auch, meine Damen und Herren, wie wir von der CDU/CSU, vor allem von der CSU, zu dieser Forderung stehen.
Ich habe schon einmal hier gesagt: ich halte es für ein völlig unfruchtbares Thema, und zwar aus verschiedenen Gründen. Zunächst aus formalen Gründen, deshalb, weil wir doch nichts ändern können, solange der Bundesrat nicht zustimmen wird; und das wird er nicht. Zweitens aber auch aus materiellen Gründen, weil nach unserer Auffassung die Bundesfinanzverwaltung doch wieder einen Schritt
hin zum unitarischen Staat, weg vom föderativen Staat bedeuten würde, und auch deshalb — lassen Sie sich doch einmal von objektiven Sachverständigen belehren! —, weil, was die Einnahmeseite anbelangt, durch eine Bundesfinanzverwaltung kaum Wesentliches verbessert werden kann. Es liegt vielleicht in der Bundesfinanzverwaltung im Zusammenhang mit dem Problem Vereinfachung der Verwaltung einiges drinnen, das gebe ich Ihnen zu, meine Damen und Herren. Da könnte man das Gute aber auch durch Vereinbarungen mit den Ländern erreichen. Aber was die Einnahmenseite anbelangt, so wird durch eine Bundesfinanzverwaltung kaum Wesentliches geändert. Das wird Ihnen jeder Sachverständige bezeugen.
Der Grund, weshalb ich dieses Problem besonders anschneide, ist aber darin zu sehen, daß der Kollege Dr. Blank diese Bundesfinanzverwaltung zusammengebracht hat mit dem Thema „arme und reiche Länder". Meine Damen und Herren, das muß ein Trugschluß sein. Durch die Einführung einer Bundesfinanzverwaltung werden die armen Länder um keine Mark reicher und die reichen Länder um keine Mark ärmer. Das geht ganz glatt vorbei, das hat damit überhaupt nichts zu tun. Wohl aber, Herr Kollege Blank — da gebe ich Ihnen recht —, ist das Problem arme und reiche Länder ein ständiger Unruheherd in einem föderativen Staat, und hier müssen wir noch ernste Worte sprechen. Es muß erreicht werden — nach meiner Auffassung ist das das A und O des föderativen Aufbaus überhaupt —, daß der Finanzausgleich hier noch wesentlich intensiviert wird. Es ist einfach ein Unding, daß in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Mensch im Bayerischen Wald etwa wesentlich andere Lebensbedingungen hat als der Mensch im Ruhrgebiet. Wir sind durch die Technik usw. viel zu nahe aneinandergerückt; wir können diese Unterschiede praktisch gar nicht mehr vertragen. Es ist ein echtes Problem, das nicht etwa durch die Bundesfinanzverwaltung, sondern nur durch einen möglichst intensiven Finanzausgleich gelöst werden kann.
— Herr Kollege Dresbach, Sie wissen ganz genau, daß ein föderativer Aufbau heute, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nicht mehr so sein kann, wie er etwa im 18. oder 19. Jahrhundert war. Da gibt es unter vernünftigen Leuten keinen Streit.
— Wie immer!
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch einen Gedanken anführen. Ich habe mich bemüht, in aller Sachlichkeit den Unterschied zwischen Theorie und Praxis aufzuzeigen. Es nützt uns wirklich nichts, und wir kommen keinen Schritt vorwärts, wenn wir uns nur bei der ersten Lesung oder bei der allgemeinen Aussprache in der dritten Lesung hier schöne Vorsätze vorsagen. Auf die Praxis kommt es an! Das Haushaltsproblem ist ein zentrales Problem, ein so zentrales Problem, daß es nicht mit der Vorlage des Haushaltsplans oder der Vorlage des Haushaltsgesetzes erledigt werden kann. Der Haushalt muß uns das ganze Jahr über interessieren. Darin liegt der Fehler, daß wir leider Gottes während unserer praktischen Arbeit im Laufe des ganzen Jahres, im Alltag die Auswirkungen auf den Haushalt allzu häufig übersehen.
„Haushalten" das ganze Jahr über, auch im grauen Alltag, haushalten in allen Fraktionen! Nur dann kommen wir einen Schritt weiter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldunliegen nicht vor. Die Generaldebatte ist geschlossen.
Wir gehen über zur Einzelberatung. Ich rufe nur diejenigen Einzelpläne auf, zu denen Änderungsanträge vorliegen.
Wir beginnen mit
Einzelplan 05.
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts.
Es liegen vor die Änderungsanträge auf den Umdrucken 1134, 1145 und 1174 Ziffer 1.
Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 1134 hat Herr Abgeordneter Prinz zu Löwenstein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, den Antrag auf Umdruck 1134 [Anl. 2] zu Einzelplan 05 begründen zu dürfen. Es handelt sich um unseren Antrag zu Tit. 302 Pflege kultureller, humanitärer und wissenschaftlicher Beziehungen zum Ausland, und zwar um eine Erhöhung von 18 auf 20 Millionen DM. Ebenso wird bei Tit. 303 — das ist der Schulfonds — eine Erhöhung um 1 Million auf 15 Millionen beantragt, und schließlich bei Tit. 304, aus dem die Kosten der Einladung von Persönlichkeiten des öffentlichen, politischen und wissenschaftlichen Lebens fremder Staaten als Gäste der Bundesregierung gedeckt werden, eine Erhöhung um 141 000 DM auf 700 000 DM.
Es ist immer ein etwas undankbares Beginnen, in der dritten Lesung Anträge aus der zweiten Lesung zu wiederholen. Aber der in der zweiten Lesung gestellte Antrag ist mit so knapper Mehrheit abgelehnt worden und es handelt sich um ein so überparteiliches, gesamtdeutsches Anliegen, daß ich die berechtigte Hoffnung habe, das Hohe Haus wird in der dritten Lesung seine Zustimmung nicht versagen.
Die Begründung zu dem Antrag gab ich in der 208. Sitzung in sehr ausführlicher Weise, und dennoch war dies nur ein Teil des sehr umfangreichen Materials, das ich dem Hohen Hause hätte vortragen können. Es geht hier um das Zentralproblem der deutschen Stellung in der Welt. nämlich um den geistigen und geschichtlichen Stand, den unser Volk einnehmen soll. Es ist gewiß von großer Bedeutung, daß unsere Industrie, unsere Technik, unser Handel in der ganzen Welt anerkannt werden — wenn wir dieses Wort vom ,,Wirtschaftswunder" verwenden wollen. Ich erschaudere immer ein wenig vor der Hybris, die darin liegt!
Das Wirtschaftliche, das ganze Gebiet des Materiellen ist durchaus wesentlich. und es ist bestimmt sehr bedeutungsvoll, daß diese deutschen Leistungen in der Welt anerkannt werden. Aber es ist nicht erschöpfend. Das, was Deutschland eigentlich darstellt, ruht doch auf den geistigen Werten, ruht doch auf der deutschen Kultur, die wir durch unsere Beziehungen im Ausland vertreten wollen.
Wir haben vor wenigen Tagen im Auswärtigen Ausschuß über dieses Problem gesprochen, und auch was ich von anderen Kollegen — Kollegen der verschiedensten Parteien — aus unmittelbaren Beobachtungen gehört habe, ermutigte mich, diesen Antrag hier zu wiederholen. Kollegen, die aus Indien, aus Thailand, aus Pakistan gekommen sind, haben übereinstimmend berichtet, daß die deutsche Schule, die deutsche Sprache in diesen Ländern in noch ganz anderer Weise gefördert werden könnten, als es bislang möglich war.
In Kalkutta gibt es einen einzigen deutschen Dozenten. Zehn könnten gebraucht werden. In Thailand gibt es 3, 5 wäre das erforderliche Minimum. In ganz Pakistan gibt es eine einzige deutsche Dozentur, in Lahore. Wir sind uns nicht einmal im klaren darüber, ob es möglich sein wird, nunmehr einen deutschen Dozenten nach Karatschi zu schikken.
Das Goethe-Institut in München, das aus diesem Fonds finanziert wird, bittet dringend um Hilfe. In diesem Jahr müßten mindestens 6 neue Dozenturen errichtet werden. Im ganzen Nahen Osten ist die Lage ähnlich. Man will die deutsche Sprache, die deutsche Kultur aufnehmen, aber unsere Mittel versagen. Sie sind einfach nicht ausreichend. Ich darf auf eines hinweisen: In Amerika nennt man die Vertretung kultureller Interessen die „erste Linie der Verteidigung". Ich sehe das auch bei uns als gegeben an. Bei dieser Vertretung deutscher Kulturinteressen kommt es in ganz wesentlichem Maße darauf an, das wahre Deutschtum, das Deutschtum der Freiheit und der Demokratie, darzustellen und damit abzuwehren, was an sowjetisch gefärbtem, an Pseudodeutschtum aus der sowjetisch besetzten Zone hereinbrandet
Kollege Baron Manteuffel und Kollege Gille sprachen neulich an dieser Stelle über den notwendigen Aufbau der Ostabteilung des Auswärtigen Amts. Ich halte diesen Aufbau für dringend notwendig. Er ist auch von entscheidender Bedeutung für eine entsprechende Vertretung der deutschen Kulturinteressen im Ausland.
— Ja, ich wünschte, der Herr Außenminister wäre auf diese Anregungen von Baron Manteuffel und Dr. Gille eingegangen. Es wäre dringend notwendig, in den deutschen kulturellen Auslandsbeziehungen den deutschen Osten viel stärker, als es bislang geschehen ist, .in Erscheinung zu bringen.
Wir werden eines Tages vor sehr unliebsamen Überraschungen stehen; denn von anderer Seite wird in bezug auf die deutschen Ostgebiete eine Propaganda betrieben, der von unserer Seite leider herzlich wenig entgegengesetzt wird.
Andere Kollegen berichten aus Südamerika, wie notwendig es wäre, in Brasilien, in Argentinien, in Chile das deutsche Kulturleben aufzubauen.
Hier geht es wirklich um unzerstörbare Güter, ich könnte fast eine biblische Sprache verwenden: um Güter, die der Rost nicht frißt und kein Dieb davonträgt. Wir haben die ,ausgezeichnete Einrichtung der „Internationes", die jeder Förderung wür-
dig ist. Lassen Sie mich wiederholen, was ich in der zweiten Lesung sagte:
wir sind als Staat nicht mehr so jung, daß wir uns immer nur einladen lassen können. Ich halte es für dringend notwendig, daß wir die Gastfreundschaft erwidern, die wir in so reichem Maße vom Ausland empfangen haben.
Ich wünschte, es gäbe eine Lobby für den deutschen Geist, eine Lobby für die deutsche Kultur. Ich meine, daß ich ein wirklich überparteiliches Anliegen ausspreche, wenn ich sage — dabei weiß ich, daß jede Erhöhung eine weitere Belastung ist —: im Rahmen dieses Haushalts wäre es das gut angelegte Geld, wenn das Hohe Haus unserem Antrag die Zustimmung geben würde. Ich möchte schließen mit der Bitte, dem Antrag auf Umdruck 1134 [Anl. 2] im gesamtdeutschen Interesse, im überparteilichen gesamtdeutschen Interesse zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haasler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Antrag auf Umdruck 1174 [Anl. 3] begründen. Bei diesem Antrag, den die Mitglieder des Europarates und einige andere Kollegen unterzeichnet haben, handelt es sich um eine Umschichtung von Beträgen aus dem Einzelplan 40 in den Einzelplan 05, und zwar um die Herausnahme eines Teilbetrags aus dem Tit. 308 in Einzelplan 40, der die Bezeichnung trägt: „Kosten der individuellen Fürsorge und andere Leistungen zugunsten der Flüchtlinge aus Ungarn". Dieser Fonds wird im Innenministerium verwaltet. Für Zwecke der Ungarnflüchtlinge wird davon aber ein Teilbetrag von 740 000 DM beim Auswärtigen Amt, also im Einzelplan 05 gebraucht.
In Tit. 308 des Einzelplans 40 sind für 1956 20 Millionen DM und für 1957 10 Millionen DM vorgeseheen. Diese Beträge werden voraussichtlich bei Tit. 308 nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen werden müssen.
Die beantragte Anreicherung im Einzelplan 05 ist für einen Beitrag an den internationalen Flüchtlingsfonds notwendig. Die Bundesregierung hat bisher zum Flüchtlingshilfsfonds der Vereinten Nationen lediglich einen Beitrag von 100 000 DM geleistet. Sie hat aber demgegenüber zur Eingliederung ausländischer Flüchtlinge in den Jahren 1955 und 1956 370 000 Dollar bzw. 420 000 Dollar bekommen. Sie hat also ein Vielfaches ihres Beitrages als Zuwendungen aus dem Fonds zurückerhalten. Das Ansehen und das Interesse der Bundesrepublik dürften erfordern, daß der Beitrag zu dem Flüchtlingsfonds der Vereinten Nationen angemessen ausfällt und in ein richtiges Verhältnis zu den Beiträgen kommt, die an andere internationale Einrichtungen gegeben werden. Gerade weil die Bundesregierung mit dem Problem der Flüchtlinge, Vertriebenen und Spätaussiedler in besonders hohem Maße belastet ist, dürfte es sich empfehlen, den deutschen Beitrag zu dem Flüchtlingsfonds der Vereinten Nationen wesentlich zu erhöhen, denn es ist zu erwarten — das lehrt auch die Erfahrung —, daß von dem Amt des Hohen Kommissars der UN in Genf der Bundesregierung in Anerkennung ihrer besonderen Anstrengungen auf dem Gebiete der Flüchtlingsbetreuung dann ebenfalls wesentlich erhöhte Zuwendungen zufließen werden.
Eine Mehrbelastung des Haushalts — das lassen Sie mich abschließend klarstellen — wird sich durch unseren Antrag nicht ergeben; denn im Einzelplan 40 bei Tit. 303 können Einsparungen in der beantragten Höhe von 740 000 DM ohne weiteres vorgenommen werden. Ich bin weiter darüber unterrichtet worden, daß dieser Antrag im Einvernehmen mit den beteiligten Ressorts gestellt werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, eine gewisse statistische Mitteilung wird Sie interessieren. Bis zur Stunde liegen 36 Änderungsanträge und weitere 14 Entschließungsanträge vor. Ich habe ferner eine Ubersicht machen lassen, welche Summen durch die Änderungsanträge im Spiele sind. Wir 'haben diejenigen Anträge, bei denen nur eine Position gegen eine andere ausgetauscht wird, weggelassen sowie auch diejenigen Anträge, bei denen es sich nur um textliche Angaben handelt, aber eine ziffernmäßige nicht möglich ist. Es sind Mehrausgaben im Betrage von 2 093 Millionen und Streichungen in ungefähr gleicher Höhe, nämlich im Betrage von etwa 1 979 Millionen beantragt worden. Das nur zur Kenntnis, ,damit Sie wissen, welche Summen im Spiele sind.
Ich gebe das Wort ,dem Herrn Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur kurz zu dem Antrag Umdruck 1174 [Anl. 3] Stellung nehmen. Eine Erhöhung des deutschen Beitrags zum Flüchtlingsfonds der Vereinten Nationen ist von dem Hohen Kommissar für das Flüchtlingswesen schon wiederholt gefordert worden mit der Begründung, daß kleinere und wirtschaftlich erheblich schwächere Länder weit höhere Beiträge aufbrächten, als die Bundesrepublik und daß aus dem Fonds ein Vielfaches des deutschen Beitrags für die Flüchtlinge in Deutschland aufgewendet worden sei. Auch bei den jetzt wieder in Gang befindlichen Bestrebungen hat der Hohe Kommissar darauf hingewiesen, daß der Bundesrepublik im Jahre 1955 rund 428 000 Dollar, im Jahre 1956 rund 250 000 Dollar für Zwecke des Flüchtlingswohnungsbaus und der Eingliederung der Flüchtlinge zugeflossen seien. Er hat in Aussicht gestellt, bei einer entsprechenden Erhöhung des deutschen Beitrags im Jahre 1957 etwa 940 000 Dollar der Mittel des Flüchtlingsfonds in der Bundesrepublik zu verwenden.
Diesen Argumenten ist ,aber entgegenzuhalten, daß die Bundesrepublik Deutschland unstreitig das mit Flüchtlingsproblemen am stärksten belastete Land ist. Die zur Behebung der Flüchtlingsnot auf internationaler Basis bereitzustellenden Mittel sollten in erster Linie von den Ländern aufgebracht werden, die von diesem Problem nicht oder nur geringfügig berührt sind, und den Ländern zugeführt werden, in denen die Schwerpunkte der Flüchtlingslast liegen. Die Einrichtung des Flüchtlingsfonds der Vereinten Nationen würde ihren Sinn verlieren, wenn von der Bundesrepublik als dem Hauptflüchtlingsland eine Erhöhung seiner Beiträge zu diesem internationalen Fonds und eine
Anpassung an die Beiträge anderer Länder verlangt würde. An dem jetzigen Zustrom der ungarischen Flüchtlinge war Österreich zunächst weitaus am stärksten beteiligt. Von allen übrigen Ländern folgt aber dann die Bundesrepublik, die sich bereit erklärt hat, ungarische Flüchtlinge ohne Beschränkung der Zahl aufzunehmen. Damit ist eine erhebliche, über die schon bestehende ganz außerordentliche Belastung mit sozialen Ausgaben hinausgehende zusätzliche Belastung der öffentlichen Haushalte im Bundesgebiet, insbesondere auch des Bundeshaushalts, verbunden. Dabei darf nicht unerwähnt gelassen werden, daß im monatlichen Durchschnitt zur Zeit 25 000 Sowjetzonenflüchtlinge in die Bundesrepublik einströmen, für deren Aufnahme die Bundesrepublik die Kosten zu tragen hat.
Einen Überblick über die Aufwendungen, die im Haushaltsentwurf 1957 allein für Flüchtlinge veranschlagt sind, vermitteln die folgenden Zahlen: für Sowjetzonenflüchtlinge bei Einzelplan 40 73 Millionen DM, bei Kap. 26 03 — Notaufnahmeverfahren — 5,7 Millionen DM, bei Kap. 06 02 Tit. 661 für jugendliche Sowjetzonenflüchtlinge zur Fortsetzung ihrer Ausbildung 7,5 Millionen DM, zusammen 86,2 Millionen DM; für Ungarnflüchtlinge zusätzlich bei Einzelplan 40 30 Millionen DM, bei Kap. 06 02 für Ungarnjugendliche und für Ungarnstudenten 2,75 Millionen DM, zusammen 32,75 Millionen DM; bei Kap. 25 03 — Wohnungsbau für Flüchtlinge — 458,27 Millionen DM, für Räumung von Wohnbaracken und. Wohnlagern 30 Millionen DM, bei Einzelplan 40 an Lagerräumungskosten 18,65 Millionen DM, zusammen 506,92 Millionen DM, insgesamt 625,87 Millionen DM.
Ich glaube, daß die Bundesrepublik damit eine Höhe ihrer Aufwendungen erreicht hat, die früher angesichts der Wirtschaftskraft der deutschen Bundesrepublik sogar niemand für möglich gehalten hätte. Die Bundesrepublik bringt das für die Flüchtlinge auf. Wenn nun für ihren Anerkennungsbeitrag für die Flüchtlinge anderer Länder, für die sie nicht zu sorgen hat, wie in ,den Vorjahren wieder 100 000 DM — so hoch war er veranschlagt — verlangt werden und man darüber einig ist, ,daß dieser Beitrag nur symbolisch zu werten ist angesichts der enormen Sonderleistungen, die die deutsche Bundesrepublik in ihren Grenzen in dieser Frage aufbringt, so, meine ich, sollte man es bei diesem Beitrag belassen.
— Freilich!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Leverkuehn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu dem Änderungsantrag Umdruck 1145 [Anl. 4], nicht für die CDU/CSU-Fraktion, sondern um einem Wunsch nachzukommen, der vom Auswärtigen Ausschuß des Bundestages ausgeht. Es handelt sich hier um den Betrag von 50 Millionen DM, der in der zweiten Lesung aus der Initiative des Bundestages heraus in den Haushaltsplan des Auswärtigen Amtes eingesetzt worden ist, um die Aufgaben zu fördern, die durch den Ansatz von 50 Millionen DM im vorigen Haushalt in Angriff genommen worden sind. Es handelt sich hier also um eine spezifische Initiative des Bundestages. Der Antrag, die 50 Millionen DM aufzunehmen, ist vom Haushaltsausschuß befürwortet worden, und er ist vom Auswärtigen Ausschuß in einer Sitzung, die vorgestern stattgefunden hat, noch einmal besprochen worden. Der Herr stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Herr Professor Carlo Schmid, hat auf einstimmigen Wunsch des Auswärtigen Ausschusses — einschließlich der Mitglieder der CDU/CSU — an den Herrn Bundesminister der Finanzen ein Schreiben gerichtet, das gleichlautend dem Herrn Präsidenten des Bundestages zugegangen ist und das ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten und auf Wunsch des Auswärtigen Ausschusses dem Hause zur Kenntnis geben darf:
Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister!
Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat sich in seiner heutigen Sitzung auf Grund eines Zwischenberichtes des für diese Fragen unter Vorsitz des Abgeordneten Dr. Leverkuehn eingesetzten Unterausschusses eingehend mit dem Problem der Förderungsmaßnahmen in wirtschaftlichen Entwicklungsländern befaßt. Hierbei wurde ihm von Tendenzen berichtet, den vom Haushaltsausschuß beantragten und vom Deutschen Bundestag in der 2. Lesung verabschiedeten Ansatz von DM 50 Millionen in Tit. 962 in den außerordentlichen Haushalt zu übertragen.
Ich bin beauftragt. Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, als einmütige Auffassung des Ausschusses mitzuteilen, daß der Ansatz unter allen Umständen in der genannten Höhe unter dem Einzelplan des Auswärtigen Amtes im ordentlichen Haushaltsplan belassen und nach Ansicht des Ausschusses — unbeschadet der kommenden Verpflichtungen der Bundesrepublik gegenüber den assoziierten überseeischen Gebieten im gemeinsamen Großmarkt — auch in den nächsten Haushaltsjahren im selben Umfang vorgesehen werden sollte.
Der Ausschuß geht bei dieser Auffassung davon aus, daß die Förderung wirtschaftlicher Entwicklungsländer auch in weiterer Zukunft ein vordringliches Problem der Außenpolitik bleiben wird und es auch bei den finanziellen Planungen nicht möglich erscheinen kann, die Sicherung der in Angriff genommenen Aufgaben nur für den Zeitraum eines Haushaltsjahres zu gewährleisten.
Zu Ihrer Unterrichtung erlaube ich mir, den Zwischenbericht des Unterausschusses abschriftlich beizufügen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebener
Meine Damen und Herren, es ist gar kein Zweifel, daß das Verhältnis zu den Entwicklungsländern — und dazu gehören so große Länder wie Indien — für die Politik der Bundesrepublik von erheblicher Bedeutung ist und daß wir in der Ausdehnung unserer Politik auf die ganze Welt verpflichtet sind, darauf Rücksicht zu nehmen, daß es Länder gibt, die auf unsere Unterstützung in ihrer weiteren Entwicklung rechnen, nicht auf geldliche Unterstützung, sondern auf Unterstützung in der Ausbildung und Planung; denn dafür sind die Mittel des vorigen Haushalts vorgesehen worden. Sie sind nicht ausgegeben worden, sondern zum großen Teil übertragen, weil die langfristigen Planungen — für die Technische Lehranstalt Indien und ähnliches — natürlich nicht in einem halben Jahr durchgeführt
werden können; denn länger hat dieser Fonds ja
nicht zur Verfügung der Regierung gestanden. Es
muß also eine Zeit abgewartet werden, in der die
Dinge reifen und dann in die Tat umgesetzt werden.
Es entspricht der Politik der Bundesregierung, welche noch kürzlich durch den Besuch des Bundeskanzlers im Iran dokumentiert worden ist, daß wir mit diesen Ländern in wirtschaftliche Beziehungen treten, die von beiderseitigem Nutzen sein sollen. Es handelt sich nicht um Geschenke, sondern Dinge zum beiderseitigen Nutzen.
Nun wird es natürlich nirgendwo verstanden, wenn der Deutsche Bundestag jetzt, statt 50 Millionen DM zu bewilligen, wie er das im vorigen Jahr und auch in der zweiten Lesung des Haushalts 1957 getan hat, plötzlich beschließt, eine Summe von 19 366 400 DM auf den außerordentlichen Haushalt zu übertragen. Es ist die Auffassung des Auswärtigen Ausschusses, daß derartige Änderungen im Ausland eine ungünstige Wirkung haben, da sie dort natürlich nicht verstanden werden können. Unser Haushaltsmechanismus ist dem Ausland wohl kaum zugänglich; er ist ja selbst den Mitgliedern dieses Hauses in mancher Beziehung nur schwer zugänglich.
Im Haushaltsausschuß ist der Herr Bundesaußenminister nach diesen Dingen gefragt worden. Er hat sich nach der ganzen Politik der Bundesregierung dafür aussprechen müssen, daß ein solcher Fonds erforderlich sei. Der Bundestag soll jetzt mit dem genannten Änderungsantrag etwas verwässern, was er im vorigen Jahr begonnen hat, und soll seine Politik und die Politik der Bundesregierung — die in diesem Fall von der Opposition völlig geteilt wird — ändern. Das ist etwas, was nach meiner Auffassung der Würde des Hauses nicht entspricht. Ich bitte also, diesen Antrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier einen falschen Eindruck vermeiden. Deswegen möchte ich im Namen meiner Fraktion folgendes erklären.
Die Übertragung eines Teils dieses 50-MillionenFonds in den außerordentlichen Haushalt bewirkt de facto keine Änderung in den Ausgaben.
Wir haben eine ganze Reihe wesentlich größerer und auch, ich möchte einmal sagen, wesentlich bedeutsamerer Ausgaben aus rein haushaltstaktischen Gründen zwecks Ausgleichs des Haushalts in den außerordentlichen Haushalt übertragen, so erhebliche Summen des Grünen Plans, so über 700 Millionen DM des Wohnungsbaus und so eine ganze Reihe anderer Titel. Es hat noch niemand in diesem Hause zu behaupten gewagt, ,daß z. B. die Summen aus dem Wohnungsbau und anderer Titel nicht bedient werden. Hier liegt jedenfalls eine Notwendigkeit vor, für die noch in letzter Stunde von uns beschlossenen Mehrausgaben einen Ausgleich zu suchen. Dieser formale Ausgleich findet eben dadurch statt, daß eine Reihe von Titeln aus dem ordentlichen in den außerordentlichen Haushalt übertragen werden.
Ich möchte dazu rückblickend noch folgendes bemerken. Von dem im vergangenen Haushaltsjahr ursprünglich bewilligten Titel in Höhe von 50 Millionen DM sind bis jetzt 1 Million DM ausgegeben worden. 49 Millionen DM können noch ausgegeben werden. Das spricht nicht gegen die Notwendigkeit, diesen Titel zu bewilligen. Dagegen wende ich mich nicht im geringsten. Ich stelle nur die Tatsache fest, daß noch 49 Millionen DM vorhanden sind. In diesem Haushalt sind von neuem 50 Millionen DM bewilligt, davon aber 30 Millionen DM gesperrt worden, weil man sich jetzt schon, auch bei Ihnen, doch Vorstellungen darüber machen könnte, was ausgegeben werden kann. Deswegen die Sperrung der 30 Millionen DM, der auch Sie bei der SPD zugestimmt hatten. Wenn man hier einen Teil der Mittel in den außerordentlichen Haushalt überträgt, geschieht dadurch nichts. Damit auch jeder Zweifel behoben wird, bitte ich den Bundesfinanzminister, hier zu erklären, daß er gewillt ist, diese Ausgaben, wenn sie notwendig sind, zu bedienen. Aber ich :glaube nicht, daß es gut ist, für einen Titel eine Ausnahme zu verlangen, während wir auf der anderen Seite für ebenso bedeutsame und noch bedeutsamere Anliegen wie für den Grünen Plan, den Wohnungsbau und -zig andere Titel Übertragungen aus dem ordentlichen in den außerordentlichen Haushalt vorgenommen haben, ohne daß die Betroffenen dagegen in dieser Weise protestiert haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat an mich die Frage gestellt, ob ich für den Fall der Annahme des Antrags auf Umdruck 1145 [Anl. 4], der vorsieht, daß ein Teil der für die entwicklungsfähigen Länder vorgesehenen Mittel, 19,366 Millionen DM, vom ordentlichen auf den außerordentlichen Haushalt übertragen wird, auch bereit sei, diesen neuen Titel im außerordentlichen Haushalt zu bedienen. Ich möchte die Antwort mit einem glatten Ja geben. Ich bin gewillt, ihn zu bedienen, und ich hoffe, ihn auch bedienen zu können. Voraussetzung ist die Erfüllung der ganz selbstverständlichen Bedingung, daß ein Bedarf vorhanden ist und nicht etwa, wie es ja heuer auch gewesen ist, Anforderungen gar nicht vorliegen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Kahn-Ackermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja sehr schön, daß der Herr Bundesfinanzminister versichert hat, er wolle in jedem Fall diese Positionen bedienen, wenn, wie er sagt, eine Notwendigkeit bestehe, sie zu bedienen. Ich möchte demgegenüber feststellen: Hilfe an entwicklungsfähige Länder ist nicht nur eine notwendige Hilfsmaßnahme, sondern sogar eine Verteidigungsmaßnahme im Rahmen dessen, was die Bundesregierung unter Verteidigungsmaßnahmen versteht. Ich kann deswegen nicht begreifen, daß diese Änderung vorgenommen werden soll, d. h. das rd. 19 Millionen DM in den außerordentlichen Haushalt überstellt werden sollen, von dem wir trotz der Versicherungen des Herrn Bundesfinanzministers wissen, daß es einen sogenannten außerordentlichen außerordentlichen Haushalt und einen ordentlichen außerordentlichen Haushalt gibt, der bedient werden soll.
In den sachlichen Argumenten kann ich mich nur dem Kollegen Leverkuehn anschließen. Wir können uns nicht bereit finden, diesem Antrag zuzustimmen, weil wir diesen Fonds als Voraussetzung für die Erfüllung einer der wesentlichsten Aufgaben, die die Außenpolitik der Bundesrepublik hat, ansehen und der Meinung sind, daß dieser Aufgabe unter allen Umständen mit noch größerer Energie, als es bisher der Fall gewesen ist, nachgekommen werden muß. Die Planungsarbeiten dürfen nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß die Bewilligung der Mittel davon abhängt, ob der Herr Bundesfinanzminister glaubt, daß die geplanten durchzuführenden Maßnahmen notwendig sind. Darauf läuft es nach Ihrer Erklärung letzten Endes hinaus.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Einzelberatung ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die vorliegenden Änderungsanträge. Ich gehe nach den Nummern der Umdrucke vor.
Der Antrag Umdruck 1134 [Anl. 2] enthält drei Ziffern. Ich nehme getrennte Abstimmung vor, weil es sich um drei verschiedene Positionen handelt. Wer Ziffer 1 des Antrags zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer Ziffer 2 des Antrags zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Wer Ziffer 3 des Antrags zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Antrag Umdruck 1145 [Anl. 4]. Ich mache darauf aufmerksam, daß dieser Antrag auch eine Auswirkung auf den außerordentlichen Etat hat. Wer dem Antrag Umdruck 1145 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich muß bitten, die Abstimmung zu wiederholen.
Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Büro ist sich nicht einig; wir müssen auszählen.
Das Abstimmungsergebnis ist folgendes: Mit Ja haben 182 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 149, enthalten haben sich 4 Abgeordnete. Der Antrag Umdruck 1145 ist damit angenommen.
Wir haben dann den Antrag Umdruck 1174 [Anl 3] Ziffer 1 zu verabschieden. Wer dem Umdruck 1174 Ziffer 1 — ich rufe also nur Ziffer 1 auf — stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —
Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für den Antrag Umdruck 1174 Ziffer 1 ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wer dem Einzelplan 05 in der jetzt vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Angenommen. Ich stelle fest, daß der Antrag Umdruck 1145 Ziffer 2 bei Einzelplan 40 zu behandeln ist.
Ich rufe jetzt auf den
Einzelplan 06: Bundesministerium des Innern.
Hierzu liegen die Änderungsanträge Umdrucke 1132, 1135, 1138, 1144, 1149, 1150, 1151 und zwei Entschließungsanträge vor. Ich schlage vor, in der Reihenfolge der Nummern der Anträge vorzugehen, weil dann für die einzelnen Kollegen die Übersicht leichter ist.
Ich beginne mit dem Antrag Umdruck 1132 [Anl. 5]. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Drechsel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Freien Demokratischen Partei habe ich in der zweiten Lesung beantragt, den Tit. 614 in Kap. 06 02 um 133 Millionen DM zu erhöhen. Für diese Position, die der Förderung der Wissenschaft dienen soll, waren biher 72 Millionen DM eingesetzt.
Ich habe bei der Begründung dieses Antrags in der zweiten Lesung darauf hingewiesen, daß die Deutsche Rektorenkonferenz und die Deutsche Forschungsgemeinschaft nach eingehenden Prüfungen und Erhebungen für das kommende Jahr einen Betrag von 293 Millionen DM als notwendig bezeichnet haben, wovon 175 Millionen DM für Bauzwecke vorgesehen waren. 118 Millionen DM werden für Apparaturen, Laboratoriumsausstattung usw. benötigt. Bei dem Antrag in Höhe von 133 Millionen DM waren wir davon ausgegangen, daß man dann den Sachbedarf in Höhe von 118 Millionen DM voll decken und die Baulichkeiten noch zur Hälfte berücksichtigen könnte.
Wir haben uns nun, nachdem unser Antrag in diesem Hause keine Mehrheit gefunden hat, entschlossen, in der dritten Lesung einen neuen Antrag einzubringen, der eine Erhöhung um 50 Millionen DM vorsieht, so daß die genannte Position von 72 Millionen auf 122 Millionen DM angehoben würde. Wir sind dabei davon ausgegangen, daß für die Baulichkeiten überhaupt keine Mittel mehr zur Verfügung gestellt werden können, daß dafür aber der Sachbedarf gedeckt ist, den die beiden von mir genannten Gremien als notwendig bezeichnet haben.
— Auf die Frage der Deckung werde ich gleich zurückkommen; ich möchte jetzt noch einiges zu dem Antrag sagen.
Ich bin überzeugt, auch die große Mehrheit dieses Hauses wird anerkennen, daß die Förderung der Wissenschaft und der Forschung bei uns in der Bundesrepublik als Fundament für unseren späteren Lebensstandard dringend erforderlich ist. Wir sind uns wohl darüber klar, daß, wenn auch der Kampf auf den Kriegsschauplätzen der alten Schule hoffentlich nicht wieder eintreten wird, dafür der Kampf der Geister um so stärker werden wird. Er wird sich auf allen Gebieten unseres Daseins abspielen und wird die Voraussetzung für unsere materielle und geistige Fortentwicklung sein. Wir müssen dafür — meiner Meinung nach sind wir hierzu besonders aufgerufen — rechtzeitig das Rüstzeug bereitstellen, damit die Bundesrepublik nicht in die Hinterhand gerät. Bei aller
Nüchternheit und Vernunft, mit der dieses Problem betrachtet werden muß, bin ich der Auffassung, daß diese 50 Millionen DM, die jetzt mir noch zur Debatte stehen, wohl angenommen werden könnten.
In der zweiten Lesung sprach der Herr Bundesfinanzminister zu diesem Titel davon, daß man einen Herzenswunsch unterdrücken müsse, wenn Vernunftgründe dagegen stünden. Ich will nicht sagen, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht auch ein Herz hätte, aber in diesem Falle, meine ich, müßte er doch auch von sachlichen Gesichtspunkten aus dazu kommen, daß diese Mittel als Fundament für die weiteren Lebensmöglichkeiten bereitgestellt werden.
Nun komme ich zu der immer wieder angesprochenen Deckungsfrage. Ich weiß, daß da gewisse Schwierigkeiten bestehen. Ich weiß aber auch, meine sehr geehrten Damen und Herren und vor allem meine Kollegen von der CDU und CSU, daß über die Möglichkeiten dieser Deckung gerade in Höhe von 50 Millionen DM bereits Gespräche und Verhandlungen geführt worden sind, die durchaus gezeigt haben, daß es nicht unmöglich ist, im Rahmen des ordentlichen Haushalts .die Deckung zu bringen.
Wenn Sie uns nun den Vorwurf machen, daß wir durch meinen Freund Lenz allgemein gegen die Ausgabengestaltung des diesjährigen Haushalts gesprochen haben, so dürfen Sie uns doch nicht die Berechtigung absprechen, trotz aller Kritik an dem Haushalt bei denjenigen Titeln eine Erhöhung zu beantragen, die wir aus staatspolitischen Gründen für unerläßlich halten; und das ist hier der Fall. Ich meine, daß bei einer Erhöhung dieses Titels um 50 Millionen DM im Rahmen des ordentlichen Haushalts eine gewisse Umschichtung vorgenommen werden könnte, ohne daß der Ausgleich des Haushalts im ganzen unmöglich würde.
Sie dürfen nicht immer mit der einfachen Frage, wie die Deckung erfolgen solle, einen solchen Antrag ablehnen; es ist die Aufgabe, dann, wenn solche Erhöhungen beschlossen werden, den Ausgleich zu suchen.
Nun will ich Ihnen aber die Möglichkeit geben, trotzdem unserem Antrag zuzustimmen. Wenn Sie wirklich keine Möglichkeit sehen, im ordentlichen Haushalt etwas zu tun, stelle ich hiermit alternativ den Antrag, daß die Erhöhung nicht im ordentlichen. sondern im außerordentlichen Haushalt vorgenommen wird; ich möchte doch annehmen, Herr Bundesfinanzminister, daß es möglich sein müßte, einen solchen Betrag von 50 Millionen DM bei einem Aufruf an das deutsche Volk und besonders bei einem Appell an die deutsche Wirtschaft unterzubringen, die zweifellos, davon bin ich fest überzeugt, die Notwendigkeit anerkennen würden, daß besondere Mittel zur Förderung der Wissenschaft bereitgestellt werden.
Ich bitte also, ,diesen Alternativantrag anzunehmen, und kann wirklich nichts mehr sehen, was gegen diesen Antrag spräche. Bringen Sie doch bitte das Verständnis auf. Ich möchte annehmen, daß auch die Haushaltsexperten — bei aller Nüchternheit und starker Anwendung des Rechenstifts — Verständnis dafür haben, daß diese Grundaufgabe unserer sozialen und wirtschaftlichen Fortentwicklung gelöst werden muß und daß das, wenn es — was ich noch gar nicht einmal glaube — im ordentlichen Haushalt durchaus nicht geht, wenigstens über den außerordentlichen Haushalt gemacht werden muß.
In beiden Fällen bitte ich aber, den unter Ziffer 2 unseres Änderungsantrags auf Umdruck 1132 [Anl. 5] angeführten Haushaltsvermerk beizubehalten, da auch wir der Auffassung sind, daß, wenn solche Mittel vom Bundaufgebracht werden — gleichgültig, ob im ordentlichen oder im außerordentlichen Haushalt —, unbedingt das Gremium, von dem wir schon das letztemal ausführlich gesprochen haben, geschaffen werden muß und die Länder sich zur Koordinierung bereit finden und dann auch entsprechende Maßnahmen über sich ergehen lassen müssen. Ich hoffe sehr, daß die Länder .das Verständnis dafür aufbringen und die Notwendigkeit anerkennen, Wissenschaft und Forschung zu fördern, daß sie ihren Länderegoismus zurückstellen und dafür ,diese Aufgaben auf breiterer Basis mit dem Bund gemeinsam durchführen.
Ich bitte Sie also, dem Antrag auf Umdruck 1132 Ihre Zustimmung zu geben. Ich wiederhole: entweder im ordentlichen Haushalt oder — alternativ — im außerordentlichen Haushalt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, darf ich Sie bitten, diesen Eventualantrag noch schriftlich heraufzureichen, damit wir keine Schwierigkeiten auf Grund des § 87 der Geschäftsordnung bekommen.
Ich darf vorschlagen, mit diesem Antrag auf Umdruck 1132 den Antrag auf Umdruck 1149 [Anl. 6] Ziffer 1 zu verbinden, weil er dasselbe Thema anspricht. — Das Wort hierzu hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident, darf ich bitten, die Anträge zu Tit. 614 und zu Tit. 622 zusammen begründen zu dürfen, also den gesamten Antrag auf Umdruck 1149?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als meine Fraktion hier in der zweiten Lesung ihre Anträge bezüglich zusätzlicher Mittel dies Bundes für die Aufgaben der Wissenschaft und der Forschung sowie des wissenschaftlichen Nachwuchses stellte, da hat der Herr Bundesfinanzminister sie mit gespieltem Zorn und Empörung zurückgewiesen und uns auf die Verantwortung gegenüber dem Haushalt und gegenüber der Erhaltung des Geldwertes hingewiesen. Ich meine, daß man jemandem, der anderer Ansicht darüber ist, wie die Ausgaben im Bunde verteilt werden sollen, nicht einfach Verantwortungslosigkeit gegenüber dem Haushalt vorwerfen darf. Ich meine. darüber, was dem einzelnen vordringlich erscheint, sollten wir uns auch mit dem Herrn Bundesfinanzminister sachlich auseinandersetzen können.
Es ist doch uns allen bekannt, daß gerade die Stätten der Wissenschaft und der Forschung in einem Ausmaß 'der Zerstörung ausgesetzt gewesen sind. wie es kein anderes westliches Land erlebt hat. das an diesem Kriege teilgenommen hat. Ich möchte Sie bitten, einmal das Jahrbuch des Stifterverbandes der deutschen Wissenschaft einzusehen.
Da finden Sie Zahlen darüber, in welchem Maße unsere Universitäten und wissenschaftlichen Akademien zerstört gewesen sind. Nur 6 waren noch voll arbeitsfähig, 6 waren nur noch zu 50 bis 75 %, 8 nur noch zu 30 % benutzbar, die übrigen 12 waren vollständig zerstört. Und auch die 40 Institute der heutigen Max-Planck-Gesellschaft sowie die zahlreichen privaten und der Industrie nahestehenden Forschungsstätten haben fast noch mehr unter den Einwirkungen des Krieges gelitten.
Diese Aufbauarbeit, meine Damen und Herren, haben wir bisher vollständig den Ländern überlassen. Wenn da auch sehr viel geleistet worden ist, so kann man doch in keiner Weise sagen, daß der Aufbau schon voll und schon überall durchgeführt worden sei.
Herr Bundesinnenminister Dr. Schröder, selbstverständlich sind viele dieser Bauten modern, vielleicht das Modernste, was es heute in der Welt gibt. Aber es ist ,eigentlich ganz selbstverständlich, daß man, wenn man gezwungen ist, wieder aufzubauen, so modern wie möglich aufbaut, damit man nicht binnen kurzem vielleicht wieder von der Entwicklung überholt Ist. Über den modernen Aufbau kann man sich, glaube ich, nur freuen; die Tatsache, daß modern wiederaufgebaut wird, beweist aber doch in keiner Weise, daß der Aufbau schon vollendet wäre.
Hinzukommt auch, daß ein sehr großer Nachholbedarf zu berücksichtigen ist, und auch auf die Weiterentwicklung muß Bedacht genommen werden. Die Ausweitung, die Wissenschaft und Forschung in den letzten Jahren erfahren haben, bringt zwangsläufig neue Verpflichtungen und Aufgaben auch für den Bund. Ich bedaure es sehr, daß die Bundesregierung nicht von sich selbst aus ,die Initiative ergriffen hat. Selbstverständlich haben wir — Herr Dr. Schröder selbst hat diese Frage angeschnitten — innerhalb der einzelnen Länder ein Gefälle, das sich in vieler Beziehung sehr nachteilig auf die Universitäten und Hochschulen auswirkt. Die Stärke und Eigenant unserer Hochschulen sind immer gewesen, daß jede ihren eigenen Charakter, ihre eigene wissenschaftliche Tradition hatte. Ich glaube, das sollten wir uns auch erhalten; viele Länder sind aber nicht mehr in dier Lage, den alten Stand aufrechtzuerhalten.
Wir sollten auch Wert ,darauf legen, daß Wissenschaft und Forschung mit der Entwicklung in der Welt Schritt halten. Wir müssen unseren Forschern das notwendige Rüstzeug in personeller, apparativer und baulicher Hinsicht an die Hand geben.
Schließlich hängt die Produktivität unserer Wirtschaft und damit unser ganzer Volkswohlstand letzten Endes vom Stande dier Wissenschaft und Forschung iab. Wir wollen keineswegs, wie Herr Schäffer neulich sagte, nur unsere Zuneigung und Liebe zu Wissenschaft und Forschung bekennen. Nein, wir möchten wirklich sehr ernsthaft, daß jetzt und bald und noch in diesem Haushaltsjahr etwas geschieht.
Um es Ihnen leichter zu machen, daß Sie uns vielleicht doch auf halbem Wege entgegenkommen, haben wir in unserem Antrag nicht die Summen wieder aufgenommen, die wir in dem vorigen Antrag als gesperrt eingesetzt hatten. Wir kommen dadurch auf eine erheblich niedrigere Summe.
Ich möchte Ihnen die einzelnen Posten ganz kurz erläutern. Die 60 Millionen DM, die wir in voller Höhe beibehalten haben, sind für die apparative Ausstattung und die Ausstattung der Bibliotheken bestimmt, und zwar entsprechend dem Plan, der uns von der Rektorenkonferenz vorgelegt worden ist. Diese Summe ist also schon völlig verplant und kann auch ausgegeben werden.
Für die Bauvorhaben hatten wir 180 Millionen vorgesehen. Die Planung liegt bei den Ländern. Diesen Ansatz haben wir halbiert und 90 Millionen eingesetzt. Ich glaube, Sie können wirklich nicht annehmen, daß dieser Betrag nicht mehr in diesem Jahr voll ausgegeben werden kann.
Gegen die Planungsmittel in Höhe von 10 Millionen für den weiteren notwendigen Ausbau unserer Hochschulen und Akademien wird, glaube ich, niemand etwas einzuwenden haben.
Und nun die zusätzlichen Planstellen für Professoren, Privatdozenten und Assistenten an unseren Hochschulen! Es ist auch uns bekannt, wie schwer es ist, wissenschaftlichen Nachwuchs zu bekommen. Aber woran liegt das denn? Doch nicht allein nur an den bedauerlichen Ausfällen, die der Krieg bei einer ganzen Generation herbeigeführt hat, sondern auch weitgehend daran, daß bei schlechter Bezahlung und sehr geringfügigen Aussichten auf ein Fortkommen im Beruf qualifizierte Kräfte sich dieser Laufbahn einfach nicht mehr widmen wollen.
Das ist es doch, was wir hier bedenken und sehen müssen. Die Laufbahn eines wissenschaftlichen Assistenten an der Hochschule ist immer dornenvoll gewesen. Sie ist nicht besser geworden, eher schwieriger. Ich meine, daß wir solche Zustände nicht weiter aufrechterhalten sollten, sondern daß wir hier endlich einmal zu einer veränderten Situation kommen müßten.
Der Herr Bundesinnenminister hat im Zusammenhang mit ,der Förderung der Studenten auf die notwendige Zahl von Förderungsassistenten, Dozenten und Professoren hingewiesen. Ich stimme da mit Ihnen, Herr Bundesinnenminister, völlig überein. Nur in dieser Form kann die Studentenförderung sinnvoll und mit Verantwortung geschehen. Aber sehen Sie, auch ,dafür sind zusätzliche Stellen an den Universitäten notwendig. Ich glaube, auch das können wir nicht nur ,den Ländern aufbürden, weil dann das reichere, das wohlhabendere Land wieder sehr viel mehr tun könnte als das finanzschwache. Diesen Unterschied, der sich auf die Universitäten auswirken würde, sollten wir vermeiden. Wir meinen, daß diese 65 Millionen DM notwendig sind, um den Dozentenstand dem gewachsenen Studentenstand anzupassen. Bei diesem Betrag handelt es sich urn den dritten Teil dessen, was wir ursprünglich eingesetzt und errechnet hatten, in der Hoffnung, daß Sie dann mit uns mitgehen. Über die Verteilung dieser Mittel auf die einzelnen Universitäten soll die aus Bundes- und Ländervertretern und Vertretern der Wissenschaft bestehende Kommission befinden, über deren Einsetzung zur Zeit noch Verhandlungen laufen. Wir hoffen sehr. daß diese Verhandlungen in den nächsten Wochen zu einem günstigen Ergebnis führen.
Dann haben wir wieder 50 Millionen DM für die Ingenieurschulen eingesetzt. In bezug auf die Zuständigkeit des Bundes für die Ingenieurschulen sind Sie über die erste Hürde schon gesprungen,
indem Sie im Haushalt des Bundesministers für Atomfragen eine Summe für die Ingenieurschulen eingesetzt haben, allerdings nur im Hinblick auf die Entwicklung der Kernenergie. Ich meine, daß wir uns nicht auf die Atomenergie beschränken sollten. In unserer Wirtschaft besteht ein dringendes Bedürfnis nach Ingenieuren. Deshalb ist die Ausbildung von Ingenieuren eine Aufgabe, die über den Rahmen der kulturellen Aufgaben der Länder weit hinausgeht. Es gibt Untersuchungen von englischer und amerikanischer Seite, die besagen, daß der Bedarf der Wirtschaft an Ingenieuren und ähnlichen Führungs- und Fachkräften fünfmal so schnell wächst wie der normale Bevölkerungsanstieg. Auf den Wettlauf zwischen Amerika und der Sowjetunion bezüglich der Ausbildung von Ingenieuren möchte ich nur am Rande hinweisen.
Gerade wegen des Mangels an Ingenieuren, die von den Fachschulen kommen, wollen wir in die Studienförderung auch die Schüler dieser Fachschulen einbeziehen. Sie haben recht: daraus ergibt sich in der Berechnung der für das Honnefer Modell notwendigen Summen eine gewisse Diskrepanz zwischen Ihren und unseren Zahlen. Aber, Herr Dr. Vogel, gerade weil wir kein Privileg für die Studenten an den wissenschaftlichen Hochschulen haben wollen, sollen die Schüler der Ingenieurfachschulen und der Pädagogischen Hochschulen in die Studentenförderung einbezogen werden. Sie müssen unter denselben Bedingungen leben wie die Studenten an den Hochschulen. Das heißt, sie können ihrer Ausbildung nicht vom Elternhaus aus nachgehen, sondern müssen, weil die Ingenieurschulen an bestimmte Plätze gebunden sind, außerhalb des Elternhauses leben und sind deshalb den gleichen Bedingungen wie die Studenten unterworfen. Wir wollen also für diese Gruppen von Studierenden gleiche Bedingungen.
— Das ist ein ganz anderes Problem, worüber später noch gesprochen werden wird.
Die Summe, die für die etwa 22 000 Schüler der Fachschulen in Frage kommt, beläuft sich, da wir auch bei den für dieses Jahr vorgesehenen 100 Millionen DM nur 50 % der Studenten in die Förderung einbeziehen, auf 24 Millionen DM. Es bliebe also immer noch eine Summe von 84 Millionen DM gegenüber den 30 Millionen DM, die Sie angesetzt haben. Sie sehen daraus, Herr Dr. Schröder, daß diese 30 Millionen DM kaum dazu genügen können, das Honnefer Modell nun wirklich in seiner Gesamtheit durchzuführen, ohne Ungerechtigkeiten aufkommen zu lassen.
Bei idem Honnefer Modell legen &e großes Gewicht auf die Darlehen. Ich möchte hier noch einmal betonen, daß wir Darlehen nur für Sonderfälle haben wollen. Herr Dr. Vogel hat in der zweiten Lesung darauf hingewiesen, wie gut sich die Darlehen in den dreißiger Jahren bewährt hätten und wie gut 'die Rückzahlungsmoral gewesen sei. Nun, wir haben diese nie bezweifelt, Herr Dr. Vogel, aber Sie können es mir nicht klarmachen, daß Studenten Darlehen aufnehmen und diese Darlehen dann in einer bestimmten, nicht allzu langen Frist zurückzahlen können, wenn sie nicht schon irgendwo einen Rückhalt haben. Das ist nur der Fall, wenn die Studenten irgendwie im Elternhaus einen
Rückhalt haben oder vielleicht — das haben wir früher sehr ausgiebig gekannt und kennen es auch heute noch — über so gute Beziehungen verfügen, daß sie genau wissen, sie kommen sofort nach Beendigung ihres Studiums in eine feste und vielleicht sogar in eine gute Stellung in der Industrie. Dann kann ich mir denken, daß sie solche Darlehen aufnehmen.
— Wenn es mit den Darlehen so gut gegangen wäre, dann hätte man wohl nicht nach dem ersten Weltkrieg die Studienstiftung ins Leben gerufen. Hier war eben auch eine andere Förderung als die über Darlehen notwendig.
Nun ein Wort zum sogenannten Jedermannprogramm. Das ist ein nettes Schlagwort, aber es trifft doch keineswegs den Kern der Sache. Hier ist verschiedentlich Herr Senator Landahl zitiert worden. Ich machte mir erlauben, ein Zitat aus seiner am 7. Dezember 1956 — also lange vor dieser Debatte — in Düsseldorf gehaltenen Rede zu bringen. Er sagte dort — ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren —:
Nur Befähigung und Würdigkeit sind die Voraussetzungen für ein solches Stipendium.
Ich glaube also, daß wir uns im Ziel durchaus einig sind. Nur wollen wir die Konsequenz auch in finanzieller Hinsicht ziehen und die Mittel in der wirklich notwendigen Höhe einsetzen. Diese Mittel sind sehr genau berechnet.
Sie haben darauf hingewiesen, daß die Einkommensverhältnisse sich inzwischen geändert hätten und daß infolgedessen viele Studenten heute nicht mehr so auf Hilfe von staatlicher Seite oder durch Stipendien angewiesen seien. Nun, es kommt uns ja nicht nur darauf an, den Kreis der Studenten, die heute auf den Hochschulen sind, in weiterem Ausmaß in diese Stipendien einzubeziehen, sondern es kommt uns auch darauf an, einen Kreis von jungen Menschen auf die Hochschule zu bringen, die heute einfach nicht studieren können, weil die häuslichen Verhältnisse es ihnen überhaupt nicht erlauben. Es ist heute doch immer noch so, daß der Prozentsatz der Studenten, die aus der Arbeiterschaft kommen, so minimal ist, daß er kaum zu Buche schlägt.
— Jawohl, Herr Vogel!
Denn selbst mit einem Stipendium von 150 DM monatlich im Semester sind sie immer noch darauf angewiesen, in den Ferien zu arbeiten. Herr Vogel, es geht ja nicht nur darum, das Leben zu fristen, sondern es kommt ja auch die Kleidung und der ganze Lebensunterhalt dazu. Wenn jemand darauf angewiesen ist, in jungen Jahren sofort zu verdienen, kann er es sich nicht leisten, auch noch ein Studium durchzuführen. Hier, glaube ich, müssen wir tatsächlich ein Privileg brechen, das vorläufig, zumindest in der Praxis, immer noch da ist.
Was den Unterschied zu der Regelung in totalitären Systemen anlangt, sollten wir die Dinge nicht verschieben. Was ist denn die Art und Weise eines totalitären Systems oder des Systems, wie wir es in der sowjetisch besetzten Zone vor uns sehen? Dort
wird die Erlaubnis zum Studium nach der politischen Gesinnung erteilt.
— Eben! Da liegt der ,Unterschied. Der Unterschied liegt nicht darin, ob ich einer größeren oder kleineren Anzahl von Studenten das Studium finanziere, sondern darin, daß dort die politische Gesinnung maßgebend ist und das Studium entsprechend den politischen Notwendigkeiten des Staates gelenkt wird. Warum sind denn aber z. B. bei uns die Wirtschaftswissenschaften so außerordentlich überlaufen? Doch einfach deshalb, weil es das billigste und kürzeste Studium ist. Und warum haben wir einen solchen Mangel an Physikern und Chemikern? Weil es ein sehr lange dauerndes und ein sehr kostspieliges Studium ist. Ich meine, daß das kein guter Gesichtspunkt ist, nach dem junge Menschen ihr Studium auswählen. Wir wollen freien Zugang zum Studium und freie Wahl des Studiums. Aber dafür brauchen wir wirtschaftliche Sicherung der begabten, nicht nur der hochbegabten jungen Menschen.
Wir haben unsere Summe für die Förderung der Studenten in der alten Höhe beibehalten, weil sie in jeder Beziehung nur 50 % der Studenten einbezieht und weil sie in keiner Weise ein Jedermannprogramm ist, sondern sich nur auf die große Schicht der Gutbegabten bezieht. Es muß jeder junge Mensch die Möglichkeit haben, einen seiner Begabung entsprechenden Beruf wählen zu können. Wir können es uns auch im Hinblick auf die Entwicklung, die Forschung und Technik heute nehmen, nicht leisten, auf irgendeine Begabung zu verzichten. Wir sind der Meinung, daß die Entwicklung unserer Hochschulen und die Förderung von Forschung und Wissenschaft und unseres wissenschaftlichen Nachwuchses die Grundlagen dafür sind, daß wir in der Zukunft mit der Entwicklung Schritt halten können, die in der Welt vor sich geht, und daß wir nur dann auch die Technik beherrschen und sie dem kulturellen Aufstieg und dem wirtschaftlichen Fortschritt dienstbar machen können.
Ich bitte Sie daher, unserem Antrag Umdruck 1149 in seiner Ganzheit zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen meiner verehrten Frau Vorrednerin zwingen mich, doch noch einige Bemerkungen zu machen, die ich mir sonst gern erspart hätte, um die Aussprache in der dritten Lesung zu den Einzelanträgen nicht unnütz zu verlängern. Ich will auch davon absehen, das zu wiederholen, was in der zweiten Lesung bereits gesagt worden ist. Ich will mich infolgedessen auch nicht über die Dekkungsfrage verbreiten, obwohl sie vielleicht die naheliegendste Frage wäre; vielleicht wird der Herr Bundesfinanzminister nachher noch etwas dazu sagen.
Ich möchte einmal prinzipiell folgendes zur Debatte stellen und an die Antragsteller folgende Frage richten: wie stellt man sich denn eigentlich in der Zukunft das finanzielle Verhältnis zwischen Bund und Ländern vor, wenn derartige Anträge durchgehen?
Wir waren bis jetzt immer der Ansicht, die Opposition hätte doch ein sehr starkes Interesse daran, daß die Kultpolitik in die Hand des Bundes kommt — sie hat ja auch ein Bundeskultministerium, wenn ich mich nicht täusche, neben der FDP am dringendsten gefordert — und auf die Dauer nicht bei den Ländern bleibt, die sie ja auch nach ihrer Ansicht — siehe Ferienbestimmungen usw. — nicht gut genug meistern.
Kämen nun diese Anträge mit dieser Größenordnung durch, mit den Hunderten von Millionen, was würde die unleugbare Folge sein, meine Damen und Herren? Sie würden jeden Druck von den Ländern nehmen, sich mit dem Bund zu verständigen; ja, Sie würden darüber hinaus noch ein Zweites verhindern. Wir alle sind uns doch darüber im klaren, daß etwas in der jetzigen Funktion zwischen Bund und Ländern nicht stimmt. Wir sind uns auch darüber im klaren, daß es hier zu einem Clearing, zu einem Ausgleich kommen muß; dem dienen auch diese gemeinsamen Besprechungen. Wenn Anträge in dieser Größenordnung durchgingen, welches Interesse hätten dann die Länder überhaupt noch, sich um ein solches Clearing zu bemühen? Sie würden dann Hunderte von Millionen in die Hand bekommen, ohne gezwungen zu sein, untereinander zu einem besseren Ausgleich und darüber hinaus zu einem Ausgleich auch mit dem Bund zu kommen. Schon aus diesem Grunde, glaube ich, kann man den SPD-Anträgen nicht folgen.
Ich möchte noch ein Weiteres hinzufügen. In
meiner Rede zur Einbringung des Haushalts habe
ich die dringende Erwartung ausgesprochen, daß
auch die deutsche Industrie und die Gewerkschaften sich ein wenig stärker als bis jetzt an diesem
großen Anliegen des deutschen Volkes beteiligen.
Ich hatte damals ein Schreiben des Fördererverbandes der Industrie vor mir liegen, das ich Ihnen
ins Gedächtnis zurückrufe. In ihm war mit einem
gewissen Stolz die Zahl von 24 Millionen genannt
worden, — die die gesamte riesige deutsche Industrie bis dahin für die Forschung aufgebracht hat.
Dabei kann ich mich eines Bedauerns nicht erwehren. Die Bilanz einer einzigen großen deutschen Firma weist häufig wesentlich mehr aus, als
der gesamte Stifterverband zusammengebracht hat.
Ich erwarte, daß in Zukunft noch mehr auf diesem Gebiet von seiten der Industrie und der durchaus zahlungskräftigen Gewerkschaften erfolgt.
— Nein, das ist nicht Zweckforschung! Lassen Sie doch die Industrie ihre Zweckforschung ruhig weiter betreiben. Aber zwingen Sie die Industrie, auch mehr als bisher für die Grundsatzforschung zu tun; denn sie kann es verkraften, sie kann es sogar steuerlich absetzen.
Ich möchte noch ausdrücklich darauf hinweisen, daß es sich hier um eine Frage auch des Vorgehens handelt, wie man mit allen Plänen durchkommen will und was man bei der Inangriffnahme einer solchen Aufgabe an Fehlern vermeiden soll.
Lassen Sie mich noch ein Weiteres hinzufügen. Der Notstand auf diesem Gebiet bestand ja vor der Schaffung der gesetzlichen Regelung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern. Leider waren die Länder damals nicht der Überzeu-
gung, daß sie derartige Forderungen an den Bund stellen sollten. Oder ist diese Überzeugung vielleicht erst bei Herannahen des Wahljahres an sie herangetragen worden? Das ist die Frage, die wir hier stellen müssen. Wenn aber der Finanzausgleich damals auf der Basis beschlossen worden ist, wie er heute noch für die nächsten zwei Jahre gültig ist, dann erhebt sich von neuem die Frage, die ich zu Beginn dieser Diskussion erhoben habe:
Dient etwa diese ganze Hinaufjagung der Dotation von seiten des Bundes nur dem Zweck, nachher. nach zwei Jahren zu erklären, alles das, was der Bund bis jetzt auf diesem Gebiet geleistet hat, wird ihm in Zukunft beim Finanzausgleich abgezogen, und die Länder machen dann so weiter, wie sie bisher weitergemacht haben? Das heißt, die reichen Länder wie z. B. Nordrhein-Westfalen, die die Fleischtöpfe Preußens geerbt haben, weigern sich nachher, den minder dotierten Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein gegenüber ihre Pflicht zu erfüllen, die sie früher einmal im Rahmen Preußens erfüllen mußten.
Ich möchte das wiederholen, was ich in einem kleineren Maßstab für mein eigenes Land gesagt habe. Die Landeszentralbank von Baden-Württemberg erkennt an, daß die Steuereinnahmen in diesem Lande 1956 20 % mehr als im Vorjahr betrugen, während sie beim Bund nur 8 % mehr betrugen. Das bedeutet auf den Bund übertragen, daß bei den Ländern 1,5 Milliarden DM und beim Bund 500 Millionen DM mehr eingingen. Hier ergibt sich die Frage, ob es gerechtfertigt ist, jetzt mit einem derartigen Vorfinanzausgleich zu kommen und nicht abzuwarten, bis die Länder tatsächlich einmal die Taschen ausgekehrt und gezeigt haben, was sie finanziell zu leisten in der Lage sind.
Lassen Sie mich etwas zu den Studentendarlehen sagen. Ich komme ungern auf dieses Problem zurück. In der Zwischenzeit hat die Rektorenkonferenz bekannt, daß die Summe, die wir dafür zur Verfügung gestellt haben, für einen vernünftigen Beginn ausreichend ist. Gehen Ihre Anträge hier durch, würden insgesamt in diesem einzigen Jahre zusammen mit den 38 Millionen DM, die bereits in diesem Haushalt drinstehen, 151 Millionen DM allein für Studienförderung bereitgestellt werden. Dann sind wir nicht mehr weit von dem Staatsstipendium für jeden Studenten entfernt; dann ist es nur noch ein kleiner Schritt bis dahin. Dann wird das, was in unseren Augen das Wichtigste ist, nämlich Begabung und Bedürftigkeit, nicht mehr existieren, weil einfach alles verwischt werden wird. Wir haben kein Interesse — das möchte ich noch einmal sagen — an der übermäßig großen Zahl der heute Studierenden, die auch die Rektorenkonferenz in ihrer letzten Sitzung als viel zu groß bezeichnet hat. Sie war es, die auch Maßnahmen von den Kultministern der Länder gefordert hat, um zunächst einmal diesen hemmungslosen Zustrom zu den Universitäten zu begrenzen. Wenn die Rektorenkonferenz von sich aus sagt: Es sollte etwas getan werden, um eine Art von Numerus clausus zu schaffen, dann sollten wir hier nicht einen solchen Schritt durch die Annahme der vorliegenden Anträge durchkreuzen.
Weiter zu den Darlehen und Stipendien: Wir haben, glaube ich, in unserem Antrag das Menschenmögliche getan, um beides sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Ich betone noch einmal: es gibt einige tausend ältere Semester, deren Studium abgeschlossen werden sollte; dafür sind die Darlehen in erster Linie da, damit sich diese alten Semester nicht erneut einer Fleißprüfung unterziehen müssen.
Wir haben ferner die durchaus bewährte Mischung des Honnefer Modells, wobei dem Studenten gesagt wird: Gut, wenn du dein Endstudium vom Staat finanziert haben willst, dann kann ich von dir auch vorher eine Eigenleistung erwarten, indem du Darlehen aufnimmst, bevor ich, der Staat, das Endstudium finanziere; du sollst erst einmal den Beweis deiner eigenen Energie und deines eigenen Leistungswillens erbringen, bevor ich für den Rest deines Studiums ein Stipendium gewähre. Ich glaube, daß das ein gesundes Prinzip ist, von dem man nicht ohne Not abgehen sollte.
Ein anderes Argument! Es ist hier mit dem Beispiel von Frau Kollegin Dr. Hubert der Jahre 1923 bis 1929 alles in das Gegenteil verkehrt worden. Die Argumentation müßte doch so lauten: wenn damals, nach dem ersten Weltkrieg, nach einer Totalvernichtung der Vermögen, die Leute selbst in den Krisenjahren nach 1929 in der Lage waren, die Darlehen reibungslos zurückzuzahlen, um wieviel mehr müssen sie heute dazu in der Lage sein, wo wir in einer Vollbeschäftigung leben. Ich halte nach wie vor das aufrecht, was ich damals bereits gesagt habe. Wir haben nicht die Absicht, in Deutschland ein Sonderprivileg für Studenten zu schaffen, und wir haben nicht die Absicht, hier einen besonderen Stand, und seien es auch zusätzlich die Ingenieurschüler, in einer Weise zu bevorzugen, die eine schreiende Benachteiligung für Millionen anderer junger Menschen bedeuten würde.
Lassen Sie mich zum Schluß ein Weiteres sagen. Ich empfehle allen, die sich mit diesem Problem befassen wollen, einmal das Buch von Professor Denecke von der Wirtschaftshochschule in Nürnberg zu lesen. Von der Zahl der Begabungen und der Verteilung der Begabungen in Deutschland heißt es dort, wenn es mir recht im Gedächtnis zurückgeblieben ist, daß rund 5 % der Familien in Deutschland über 50 % der Hochbegabten auf den höheren Lehranstalten stellen. Das gilt in weitem Umfang auch für die anderen Völker. Wir dürfen die Summe der Begabungen durchaus nicht überschätzen. Das hat mit Einkommen überhaupt nichts zu tun. Heute sind sehr viele Arbeiterfamilien in der Lage, mehr für die Ausbildung der Kinder aufzubringen, als es Lehrerfamilien, Familien kleiner Beamter können. Von dieser Seite existieren bestimmte, unbegründete Ressentiments gegen die Hochschule, auf die ich gar nicht eingehen will. Ich würde mich freuen, wenn von der Seite der Begabten ein starker Zustrom käme. Aber mit dem System, das Sie vorschlagen, werden Sie auch keine neuen Begabungen schaffen.
Wird noch das Wort zum Antrag Umdruck 1149 gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich das Wort dem Abgeordneten Schmitt zur Begründung des Antrags Umdruck 1151 [Anl. 7].
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat sich, zuletzt in der großen Atomdebatte
vom 10. Mai und in der zweiten Lesung des Haushaltsgesetzes bei der Beratung der Einzelpläne 06 und 14, mit der Lage der Zivilbevölkerung in einem Atomkrieg beschäftigt. Dem Parlament und nicht zuletzt im deutschen Volk ist klar geworden, in welcher Lage sich die Zivilbevölkerung befindet. Leider hat die Mehrheit des Hauses auch diesmal nicht die Konsequenzen aus dieser Lage gezogen und unseren Antrag für die Mittelbereitstellung für den Bevölkerungsschutz abgelehnt. Wenn die Lage so ist, daß die Rüstung in dem Rahmen, in dem Sie sie durchführen, notwendig ist, dann ist es unverständlich, warum Sie praktisch nichts für den Schutz der Bevölkerung tun. Manche Beträge könnten dabei durchaus gleichzeitig für produktive Zwecke verwendet werden: Krankenhäuser, Fußgängertunnel und anderes mehr. Je größer der Eifer des Hauses in der Verabschiedung der Wehrgesetze ist — insgesamt sind schon 20 Wehrgesetze verabschiedet worden —, desto geringer ist er bei allen Arbeiten zum Schutz der Zivilbevölkerung. Bisher ist im Bundeshaushalt hierfür noch nicht einmal 1 % der Summe veranschlagt worden, die im Verteidigungshaushalt für die Bundeswehr vorgesehen ist. Man braucht sich nur einmal das Mißverhältnis zwischen den Stationierungskosten und den vorgesehenen Aufwendungen zum Schutze der Zivilbevölkerung anzusehen, um festzustellen, daß die Regierung keinerlei Konsequenzen für den Bevölkerungsschutz gezogen hat.
Die Regierung hat sich sogar gesträubt, den Bevölkerungsschutz als Bundessache anzusehen und daraus die finanziellen Folgerungen für den Bund zu ziehen. Sie hat vielmehr vorgeschlagen, eine Art finanziellen Bombenteppich auf die Länder und Gemeinden niedergehen zu lassen, um ihnen die Kosten des zivilen Bevölkerungsschutzes in größtmöglichem Umfange aufzubürden.
In der Sache selbst haben wir bisher nur von Programmen gehört, von „gigantischen Programmen", und von Planungen. Der Herr Bundesverteidigungsminister hat in der Sitzung vom 10. Mai in der Antwort zu Ziffer 9 unserer Großen Anfrage eine Reihe von Angaben darüber gemacht, was bisher geschehen sei. Auch das steht mit den Tatsichen in entscheidendem Widerspruch. Ich darf nur darauf hinweisen, daß ein großer Teil der in den letzten Jahren vorgesehenen geringen Mittel noch nicht einmal verbraucht worden ist, daß das erste Musterwarnamt sich noch im Versuchsstadium befindet und daß die Arznei- und Lebensmittelbevorratung noch nicht über das Anfangsstadium hinausgekommen ist. Der Herr Kollege Dr. Mende hat mit Recht beanstandet, daß die Frage der Erkennungsmarke noch nicht weiter erörtert worden ist. Das alles steht im Gegensatz zu der hektischen Eile und der Bereitschaft für Riesenausgaben und nicht zuletzt für Mittelbindungen auf Jahre hinaus im Rahmen des Verteidigungshaushalts.
Bisher ist im Vorparlament dieses Parlaments, nämlich in der CDU/CSU-Fraktion, keine Einigung und Klarheit über das kommende Gesetz zum Schutze der Zivilbevölkerung zustande gekommen. Wir werden am Freitag sehen, was alles an der Regierungsvorlage, deren Bedeutung der Herr Minister Strauß in der Regierungserklärung erläutert hat, von dieser Fraktion amputiert werden wird. Gesetze in dieser Form dienen nur dazu, Versäumnisse zu verschleiern. In Wirklichkeit ist eben nicht genug getan worden, um die von Ihnen, meine Damen und Herren, behaupteten Konsequenzen aus der Lage dem Volke klarzumachen, weil Sie das Volk mit einem von Ihnen geprägten Sicherheitsbegriff täuschen wollen, der keine Sicherheit darstellt. Deshalb versuchen Sie, diesen Weg einzuschlagen, noch in jedem Falle das Gesetz zu verabschieden, auch wenn es materiell gar nichts Entscheidendes bringt. Mit dieser Gesetzgebung auf dem Gebiete des zivilen Bevölkerungsschutzes und dieser geringen Bereitstellung von Mitteln ist jedenfalls für den Schutz der Zivilbevölkerung nichts getan. Die Bundesregierung und die Mehrheit des Hauses sind der Verantwortung für die Zivilbevölkerung nicht gerecht geworden. Wahrheit ist, daß die gesetzgeberischen, finanziellen und tatsächlichen Schutzmaßnahmen nach acht Jahren Bundesregierung Dr. Adenauer aus den ersten Anfängen nicht herausgekommen sind. Bei den eingesetzten Beträgen handelt es sich um viel zu geringe Summen.
Meine Fraktion, zugleich mit der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE, beantragt daher, wie schon bei der zweiten Lesung, 1 Milliarde DM für die entsprechenden Aufgaben unter folgendem neuem Titel einzusetzen:
Mittel für Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung, insbesondere zur Beschaffung von medizinischen Einrichtungen und zur Ausstattung von Hilfsdiensten, die im Katastrophen- und im Verteidigungsfall der betroffenen Bevölkerung Hilfe leisten können.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß wir auch entsprechende Deckungsanträge gestellt haben. In dem Antrag Umdruck 1156 finden Sie entsprechende Kürzungen der Ansätze für die Beschaffung von Kampffahrzeugen, von Spreng- und Zündmitteln, für den Schiffsbau und für den Kauf von Flugzeugen. Hier können Streichungen und Kürzungen vorgenommen werden, um unserem Antrag die entsprechende Deckung zu verschaffen.
Wir bitten, auch im Namen des Gesamtdeutschen Blocks/BHE, um Annahme unseres Antrags.
Wird zu diesem Antrag das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 1150 dem Abgeordneten Franke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 1150 [Anl. 8] finden Sie zur dritten Lesung des Haushaltsgesetzes 1957 erneut den Antrag, 250 Millionen DM für den kriegsbedingten Nachholbedarf beim Schulhausbau zu bewilligen. Es handelt sich um einen sozialdemokratischen Antrag, der vom Gesamtdeutschen Block/ BHE mit unterzeichnet worden ist. In der zweiten Lesung des Haushaltsgesetzes am 8. Mai sprachen wir bereits sehr ausführlich über das Problem, das mit diesem Antrag behandelt werden soll.
— Ich werde es auch nicht machen, Herr Kollege; seien Sie unbesorgt. Ich werde nicht noch einmal in die Einzeldebatte einsteigen. Trotzdem fühle ich mich verpflichtet, noch einige Bemerkungen zur Klarstellung zu machen; Sie brauchen sich nicht unnötig zu ereifern.
Ich nehme Bezug auf die zweite Lesung und darf feststellen, daß fast alle Sprecher — fast alle Sprecher, habe ich betont — die Schulraumnot als bestehend anerkannten und auch zum Ausdruck brachten, daß etwas getan werden muß, um sie zu beheben.
Da waren wir uns einig. — Fragt sich nur, von wem; Sie haben völlig recht. Es geht darum, daß der Bund hier zu einem Teil, der angemessen erscheint, mithilft, um im Geist des Grundgesetzartikels 120 zu handeln.
Ich möchte hier noch einmal aufzeigen, worum es uns damit geht. Mit diesem Antrag ist keineswegs beabsichtigt, die Kulturhoheit von der Länderebene auf die Bundesebene zu verlagern.
- Mit diesem Antrag aber nicht; Herr Kollege Pelster, ereifern Sie sich nicht so. — Wir haben erfreulicherweise so viele Beispiele, bei denen sich der Bund dazu bereit gefunden hat, für Kriegsfolgelasten und auch für andere Aufgaben, die nicht unbedingt als Kriegsfolgelasten zu werten sind, aber eine Bundeshilfe als sinnvoll und erforderlich erscheinen ließen, entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen. Wir waren uns einig, wir freuen uns darüber, daß es so ist, und das soll auch gar nicht abgebaut werden; aber wenn man das eine tut, kann man auch das andere fördern, und hierbei geht es um ein Anliegen, das nach wie vor als Notstand besonderer Art zu bezeichnen ist. Es geht uns darum, daß der Bund einen angemessenen Beitrag leistet, um den Schullastenträgern — Ländern und Gemeinden — zur Seite zu stehen, urn auch der neueren Entwicklung auf dem Kapitalmarkt Rechnung zu tragen.
In der zweiten Lesung wurde hier gesagt, in den Jahren von 1945 bis 1950 seien mehr Schulen gebaut worden als in den Jahren von 1890 bis 1940; da könne man doch wohl nicht mehr von einem Notstand reden. Ich muß schon sagen, mich hat diese Argumentation nicht beeindruckt, sondern erschüttert. Wenn man die Verhältnisse von 1890 bis 1940 gleichsetzen will mit den furchtbaren Kriegszerstörungen, mit der Notwendigkeit, die dringendsten Notstände auf diesem Gebiet zu beheben, dann scheint mir das für den Geist zu zeugen, der dahintersteckt, dann scheint mir das dafür zu zeugen, daß man nicht will!
Es wurden hier bei der zweiten Beratung des Haushalts Beispiele aus Hannover gebracht. Das ist die Stadt, aus der ich komme. Ich habe mich sehr darüber gefreut. — Daß aber in Verbindung mit dem Problem des Schulbaus z. B. zum Ausdruck gebracht wurde, daß man doch wohl dort nicht immer die richtige Rangfolge bei der Errichtung öffentlicher Gebäude, Häuser und was es da geben könnte, beachtet habe, geht doch wohl an den Tatsachen vorbei. Es wurde hier sogar wiederholt, was im Kommunalwahlkampf des letzten Jahres in Hannover eine gewisse Rolle gespielt hatte: es wurde darauf Bezug genommen, daß in der Stadt Hannover z. B. im Zoologischen Garten ein Affenhaus gebaut worden sei, statt einer Schule.
Ich warne Neugierige, mit diesem Argument weiter zu operieren. Vielleicht können die Damen und Herren der CDU-Fraktion aus Hannover ihren Kollegen einmal berichten, wie sich die Anwendung dieses Arguments beim Kommunalwahlkampf für sie verhängnisvoll und abträglich ausgewirkt hat und wie die Bevölkerung der Stadt Hannover in einem Ausmaß wie nie zuvor der sozialdemokratischen Ratsfraktion eine Mehrheitsposition verschafft hat. Sie mögen darüber lächeln. In einer Großstadt gibt es viele Aufgaben; aber wenn Sie sagen wollen, daß man statt dieses Hauses doch Schulen hätte bauen sollen, dann kann ich Ihnen sagen, damit die Zahlen hier nicht untergehen: In der Stadt Hannover hat es vor Beginn des Krieges 87 Schulen gegeben. Als der Krieg beendet war, standen noch ganze 4 Schulgebäude unbeschädigt. In der Zwischenzeit sind recht viele Schulen wiederaufgebaut und neu gebaut worden,
— und zwar, damit Sie es genau hören: heute sind wieder 76 Schulgebäude gebrauchsfertig. Die Bevölkerung Hannovers ist aber in der Zwischenzeit um mehr als ein Viertelangewachsen, und es ist noch nicht der Zustand erreicht, daß die gleiche Anzahl Schulgebäude wie bei Ausbruch des Krieges vorhanden ist. Um den jetzt anfallenden Bedarf zu decken, müssen noch weitere 40 Schulen allein in der Stadt Hannover gebaut werden.
Dieses Beispiel läßt sich auch auf andere Städte übertragen. Ich habe es nur angeführt, um Ihnen zu sagen, daß aus der kommunalen Kraft und aus der Landeskraft schon unerhört viel geleistet worden ist. Das sollten wir endlich einmal anerkennen. Aber die noch anfallenden Kosten gehen in die Milliarden, und es geht nun darum, daß der Bund hier einen ganz geringen Anteil übernimmt, um der veränderten Situation auf dem Kapitalmarkt Rechnung zu tragen, damit auch Bauvorhaben der, öffentlichen Hand zu zinsbegünstigten Bedingungen oder sonst irgendwie fortgesetzt werden können. Darum geht es uns.
In Anbetracht der Bedeutung dieses Anliegens legen wir von der sozialdemokratischen Fraktion Wert darauf, daß jeder einzelne Abgeordnete dieses Hauses Gelegenheit findet, sich zu diesem Antrag zu bekennen. Wir beantragen namentliche Abstimmung über den Antrag Umdruck 1150 [Ani. 8]. Wir wünschen, daß sich in diesem Haus eine Mehrheit dafür findet, damit ein beachtlicher Beitrag dazu geleistet werden kann, die Schulraumnot in kürzester Frist zu beseitigen.
Es ging uns hierbei nicht darum, Ihnen ein Parteianliegen vorzutragen.
— Was soll ihr Lachen? Wir haben auf der Landes-und auch auf kommunaler Ebene Verhandlungen durchgeführt, und dabei wurden von Ihrer Seite gegenüber der Elternschaft mit unserer Ansicht gleichlautende Auffassungen vertreten. Aber hier, wo es darum geht, im Sinne dieser Auffassungen Beschlüsse zu fassen, da werden Ausflüchte gesucht mit Hinweisen auf die Zuständigkeit und ähnliche Fragen.
Sie haben die Möglichkeit, zu Ihren Worten zu stehen. Verhelfen Sie diesem Antrag zum Erfolg! Stimmen Sie bei 'der namentlichen Abstimmung mit uns, dann wird es möglich sein, daraus eine
Angelegenheit unseres gesamten Volkes zu machen. Ich glaube, wir alle in diesem Haus sind daran interessiert, daß diese Fragen nicht über neue Bewegungen, die sich gründen, ja gründen müssen wie etwa „Schule in Not", eine besondere Auslegung erfahren. Ich bitte Sie also nochmals, unserem Antrag zuzustimmen.
Den Herrn Präsidenten bitte ich, bei der Abstimmung noch einmal kurz auf den sachlichen Inhalt des Antrags einzugehen und nicht nur den Absender anzugeben. Ich habe in der zurückliegenden Zeit häufig genug erlebt, daß es für manchen hier im Hause ausreichte, zu wissen, welcher Partei der Antragsteller angehört, um den Antrag abzulehnen.
In diesem Fall bitte ich Sie, meine Damen und Herren, klar zu entscheiden, ob für den Schulhausbau Gelder zur Verfügung gestellt werden sollen — ja oder nein!
Wünscht jemand zu dem Antrag Umdruck 1150 das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Dann erteile ich das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 1144 dem Abgeordneten Prinz zu Löwenstein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf im Namen der Unterzeichner — Kollegen und Kolleginnen der verschiedensten Fraktionen — unseren Änderungsantrag Umdruck 1144 [Anlage 9] kurz begründen.
Es geht hier um einen einmaligen Zuschuß für die Errichtung eines Behelfsbaues für das Nikolaus-Cusanus-Gymnasium II in der Stadt Bonn im Betrag von 500 000 DM.
Lassen Sie mich noch einmal mit aller Entschiedenheit betonen, daß es sich bei diesem Antrag nicht darum handelt, irgendwie in die Schulhoheit der Länder einzugreifen. Es geht nicht darum, eine neue Kompetenz des Bundes zu begründen. Ich habe schon in der zweiten Lesung darauf hingewiesen, daß es sich lediglich um eine Notmaßnahme handelt, herbeigeführt durch die Politik des Bundes in diesem Raum.
Der Bund hat das Postministerium in den Bonner Raum verlegt. Außerdem ist das Bundesverteidigungsministerium hierher gekommen. Es wurden tausend Wohnungen für die Beamten des Bundesverteidigungsministeriums errichtet. Das Ergebnis ist, daß infolge dieser Bundesmaßnahmen der Schulraum nicht mehr ausreicht.
Ich darf noch einmal auf die Zusammensetzung dieser Schule hinweisen und auch hier wieder sagen, daß es nicht etwa um eine Prominentenschule geht, wie der irreführende Ausdruck in der Presse lautete. Es geht um eine Schule für ganz normale Schüler und Schülerinnen. 50 % der Schüler und Schülerinnen sind die Kinder von Bundesbediensteten. 40% stammen aus der sowjetisch besetzten Zone und aus den deutschen Ostgebieten. 10 % der Kinder sind die Kinder ausländischer Diplomaten; und ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß es keinen guten Eindruck macht, wenn diese Kinder ausländischer Diplomaten im Bonner Raum nicht mehr die Möglichkeit anständiger Schulausbildung. erhalten. Die Nikolaus-CusanusSchule war errichtet als Europaschule. Sie sollte dazu dienen, die kulturellen Beziehungen Deutschlands zum Ausland zu stärken. Ich habe dem Hohen Hause schon einmal vortragen dürfen, daß die Vorsitzende des ausländischen Elternverbandes, Mrs. Brown, in klaren Worten mitgeteilt hat, daß die ausländischen Kinder auf der Schule herausgenommen werden müssen, wenn dieser völlig unhaltbare Zustand des Schichtunterrichts fortgesetzt werden sollte.
Meine Damen und Herren, es ist hier ein sehr allgemeines pädagogisches Problem aufgetaucht, das des Schichtunterrichts. Da der Bund durch die Verlegung der Ministerien in diesen Raum diese Frage akut gemacht hat, glaube ich, daß von unserer Seite aus etwas ganz Grundlegendes und Allgemeines zur Abhilfe 'geschehen müßte. Woher sollen denn die Mittel kommen? Es muß jetzt sofort eine provisorische Hilfe geschaffen werden. Lassen Sie mich noch einmal die rhetorische Frage aufwerfen, ob wir denn die Mittel aus dem Fonds für die Entwicklungsgebiete nehmen sollen, um in Bonn ausreichende Erziehungsmöglichkeiten für unsere und für die ausländischen Kinder zu schaffen.
Die Stadt Bonn hat Grund und Boden zur Verfügung gestellt. Es wäre möglich, innerhalb von wenigen Wochen die provisorische Lösung zu schaffen. wenn diese 500 000 DM einmalig bewilligt würden. Die endgültige Schule wird vom Land Nordrhein-Westfalen erstellt werden. Hier liegen bereits Zusicherungen vor, woraus sich ergibt, daß in keiner Weise beabsichtigt ist, die Schullasten von Bundes wegen dem Lande abzunehmen.
Ich darf daher noch einmal die Bitte an das Hohe Haus richten — ich weiß. daß aus allen Parteien die Zustimmung ursprünglich erfolgt ist —, diesen einmaligen Betrag für das Nikolaus-Cusanus-Gymnasium II bewilligen zu wollen.
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall, dann erteile ich das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 1170 dem Abgeordneten Graf.
Dr. Graf (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag Umdruck 1170 [Anl. 10] befaßt sich ebenso wie der soeben begründete Antrag der sozialdemokratischen Fraktion mit der Schulraumnot. Aber im Gegensatz zu dem Antrag der SPD, der einen Bundesbeitrag zur Behebung der Schulraumnot
in einer bestimmten Höhe vorsieht, bewegt sich unser Antrag in Richtung der Ausschußberatung im Kulturpolitischen Ausschuß.
Meine Damen und Herren, wir haben uns im Kulturpolitischen Ausschuß monatelang mit dem Problem der Schulraumnot befaßt und dabei festgestellt, daß die Schulraumnot, wie ich hier schon bei der zweiten Lesung ausführen konnte, nicht allein mit finanziellen Mitteln, mit Dotierungen von seiten des Bundes angegangen werden kann. Es ist vielmehr ein sehr komplexes Problem, ein sehr differenziertes Problem, und es muß auf differenzierte Weise angegangen werden. Wenn man diese Not beheben will, muß man sich vor allem einen Überblick verschaffen, meine Herren Kollegen.
— Den Überblick haben wir wir bis heute leider noch nicht.
— Wenn Sie dabeigewesen wären, als die Herren Kultusminister im Kulturpolitischen Ausschuß über diese Dinge berichteten — Sie waren nicht dort —, dann hätten Sie diese Äußerung nicht getan. Wir waren nämlich drin, aber Sie waren nicht drin. Ich entsinne mich sehr genau daran. Wenn Sie dringewesen wären, hätten Sie erfahren, daß die Dinge nicht so einfach liegen.
Gestatten Sie eine Zwischen frage?
Dr. Graf (DP [FVP]): Bitte!
Herr Kollege Graf, warum haben Sie dann den Stiftungsantrag zur Förderung des Schulbaus unterschrieben, In dem Sie selbst ausgesprochen haben, der Schulbau müsse vom Bund finanziert werden, weil ein Notstand vorliege?
Dr. Graf (DP [FVP]): Herr Kollege Reitzner, ich habe diesen Antrag nicht nur unterschrieben, sondern ich darf für mich beanspruchen, daß ich sogar derjenige bin, der dazu angeregt hat.
Der Antrag bewegt sich aber nicht in Ihrer Richtung, sondern in Richtung unseres heutigen Antrags. Nach dem Antrag auf Errichtung einer Deutschen Stiftung für den Schulhausbau sollte die Bundesregierung beauftragt werden, erstens den Bedarf auf diesem Gebiet festzustellen und zweitens zu überprüfen, welche verfassungsrechtlichen Möglichkeiten bestehen, diesen Bedarf in Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu decken.
Eine Zwischenfrage! Ist Ihnen, Herr Kollege Graf, nicht der Bericht über die 52. Sitzung der Kultusministerkonferenz bekannt? In diesem Bericht ist der Bedarf in Zahlen festgelegt.
Dr. Graf (DP [FVP]): Der Bericht ist mir sehr wohl bekannt, Herr Kollege Reitzner. Aber auch hier handelt es sich nicht um eine Feststellung des genauen Bedarfs, sondern um rein überschlagsmäßige Überlegungen und Darlegungen. Die Kultusminister haben bis zum heutigen Tage noch keine präzisen Angaben auf diesem Gebiet gemacht. Sie waren vielleicht dabei, als der Herr Kultusminister Osterloh für sein Land erklärte, daß er überhaupt nicht in der Lage sei, die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu verbauen, und daß in seinem Land — wie auch in anderen Ländern — der Schulhausbau durch ganz andere Dinge gehemmt werde als durch den Mangel an Finanzmitteln.
Wir sollten also hier nicht Mittel in einem großen Umfang bereitstellen, sondern wir sollten uns zuerst einen Überblick verschaffen und uns anschließend überlegen, wie dieses Problem angegangen werden kann. Ob Bundesmittel bereitgestellt werden müssen, ist eine Frage, über die wir uns heute meines Erachtens noch gar nicht verbindlich äußern können. Das muß erst die Überprüfung ergeben. Deswegen, Herr Kollege Reitzner, zuerst mein Antrag im Kulturpolitischen Ausschuß auf
Errichtung einer Deutschen Stiftung für den Schulhausbau und deswegen jetzt in derselben Richtung und auf Grund derselben Fragestellung der Entschließungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei , dem zuzustimmen ich das Hohe Haus bitte.
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann erteile ich das Wort zur Begründung des Antrags auf Umdruck 1138 dem Abgeordneten Engell.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Änderungsantrag auf Umdruck 1138 [Anl. 11] ist auch ein Wiederholungsantrag. Ich kann mich daher kurz fassen. Materiell bedeutet unser Antrag, daß die Ansätze in Tit. 625 und Tit. 661 — Studienförderung von Flüchtlingsstudenten und Beihilfen an jugendliche Zuwanderer für ihre Schul- und Berufsausbildung — um ein Drittel erhöht werden sollen. Das heißt praktisch, daß die monatlichen Beihilfen für diese Jugendlichen aus der sowjetisch besetzten Zone, die zu uns gekommen sind und noch zu uns kommen, von 150 auf 200 DM erhöht werden sollen, also auf einen Betrag, der, soweit ich unterrichtet bin, auch innerhalb der Bundesrepublik für die Studienförderung vorgesehen ist. Die Notwendigkeit, diesen jungen Menschen zu helfen, möchte ich nicht näher begründen. Ich habe es schon in der zweiten Lesung getan. Lassen Sie mich dazu nur noch ein ernstes Wort sagen.
Es handelt sich hier nicht nur um eine materielle Frage, sondern um eine Frage von eminent politischer Bedeutung.
Die jungen Menschen, die zu uns gekommen sind und laufend zu uns kommen, werden einmal bei der Wiedervereinigung und bei der Anpassung der Gesellschaftssysteme in den beiden Teilen Deutschlands eine entscheidende Rolle spielen. Ihre Stellungnahme und ihr Votum werden von sehr großer Bedeutung auch für die Ansicht sein, die sich über uns und unsere Verhältnisse in der DDR. also in der sowjetischen Besatzungszone, einmal bilden wird. Wir hätten allen Grund, hier großzügig zu verfahren und alles zu tun, um diesen Menschen das schwere Los, das sie hier zu tragen haben, materiell zu erleichtern.
Ich bitte Sie sehr herzlich, den vorgeschlagenen Erhöhungen zuzustimmen. Wir haben uns davon überzeugt — auch ich persönlich habe das in vielen Fällen getan —, daß diese jungen Menschen nur unter äußersten Schwierigkeiten in der Lage sind, ihr Studium fortzusetzen.
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu Abstimmung. Ich lasse in folgender Reihenfolge abstimmen: zunächst über den Antrag Umdruck 1149 Ziffer 1, dann über die Anträge auf den Umdrucken 1132, 1149 Ziffer 2, 1138 Ziffer 1, 1138 Ziffer 2, 1144, 1135, 1151. Dann folgt die namentliche Abstimmung über Umdruck 1150. Nach der namentlichen Abstimmung lasse ich über die Entschließungsanträge Umdrucke 1152
und 1170 und den Ausschußantrag Drucksache 3455 Ziffer 2 abstimmen.
— Sie wollen dazu sprechen? — Dann eröffne ich wieder die Aussprache über den Einzelplan 06 und erteile zur Begründung des Entschließungsantrags Umdruck 1152 dem Abgeordneten Wittrock das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein kurzes Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 1152 [Anl. 12] ! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist der Auffassung, daß die Bundesregierung hinsichtlich der Durchführung der Polioschutzimpfungen eine Koordinierungsaufgabe zu erfüllen hat. Die Durchführung dieser Schutzimpfungen ist eine Aufgabe der Gemeinden und der Länder; aber die praktischen Erfahrungen haben gezeigt, daß diese Schutzimpfungen in einer völlig unterschiedlichen Weise durchgeführt werden. Angesichts der gesundheitspolitischen Aufgabe, um die es hierbei geht, sollte die Bundesregierung nach Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion im Wege von Verhandlungen mit den beteiligten Landesregierungen auf eine einheitliche Durchführung der Schutzimpfungen hinwirken.
Dieses Ziel verfolgt der Entschließungsantrag. Es handelt sich hierbei um ein Anliegen, das die Zustimmung des ganzen Hauses finden sollte.
Ich möchte mich auf diese wenigen Worte beschränken und bitte Sie um Ihre Zustimmung zu dem Entschließungsantrag Umdruck 1152.
Herr Bundesminister Dr. Schröder hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem gerade begründeten Entschließungsantrag möchte ich ganz kurz folgendes ausführen.
Zur einheitlichen Durchführung der Polioschutzimpfung in allen Bundesländern ist von mir bereits im Februar 1956 ein Arbeitskreis gebildet worden, dem neben Vertretern meines Hauses, des Bundesgesundheitsamtes und der obersten Gesundheitsbehörden der Länder auch Vertreter der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Kinderlähmung und der Bundesärztekammer angehören. Dieser Arbeitskreis hat verschiedentlich getagt und für die Durchführung der diesjährigen Polioschutzimpfung Richtlinien aufgestellt. Damit dürfte dem Koordinierungswunsch entsprochen sein.
Ein weiteres Wort zur Aufbringung der Mittel für die Polioschutzimpfung. Die bisher im Bundeshaushalt vorhandenen Mittel in Höhe von jährlich 150 C00 DM werden in voller Höhe der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Kinderlähmung zur Verfügung gestellt. Zur Verbilligung der notwendigen Einfuhren von Impfstoff gegen Kinderlähmung ist auf meine Anregung hin von der Bundesregierung der Entwurf einer Verordnung dem Bundestag zugeleitet worden, nach der die Einfuhr von Polioschutzimpfstoff von der Erhebung des Zolles freigestellt werden soll.
Es ist Sache der Fraktionen, zuzuhören oder nicht zuzuhören. Der Präsident kann daran nichts ändern.
Um einen Überblick zu bekommen, in welcher Höhe im Jahre 1958 Mittel für die Durchführung der Schutzimpfung gegen Kinderlähmung benötigt werden, habe ich mit Rundschreiben vom 18. Mai 1957 die Länder gefragt, erstens wie hoch voraussichtlich die Kosten für die Schutzimpfung gegen Kinderlähmung im Jahre 1958 sich stellen werden und zweitens wie die Bestreitung der Kosten im einzelnen gedacht ist. Erst wenn diese Angaben vorliegen, wird man sich mit der Lösung der Kostenfrage im einzelnen beschäftigen können. Dabei möchte ich aber gleich sagen, daß die Ausgaben für die Polioimpfung ihrem Wesen nach Ausgaben der Länder bleiben müssen.
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz Stellung nehmen. Ich kann mich deshalb sehr kurz fassen, weil die meisten Anträge bereits in der zweiten Lesung besprochen worden sind und ich dort meine Stellungnahme dazu bekanntgegeben habe.
Ich muß, wie ich es schon in der zweiten Lesung getan habe, bitten, grundsätzlich alle Anträge mit Ausnahme des Antrags Umdruck 1135 [Anl. 13] abzulehnen. Ich brauche die Ausführungen der zweiten Lesung wirklich nicht zu wiederholen. All die Fragen, um die es in den Änderungsanträgen geht, sind wie gesagt, im Haushaltsausschuß, in den Fachausschüssen und im Plenum schon reichlich erörtert worden. Ich halte es für ganz ausgeschlossen, daß man über einen Antrag, der Aufwendungen im Betrage von 1 Milliarde DM mit sich bringt, einfach leichter Hand hinweggehen könnte
mit der Begründung, daß man bei Verteidigungsausgaben einsparen könnte.
Es ist doch selbstverständlich, daß auch die Verpflichtungen, die wir heute auf dem Gebiet der Verteidigung übernehmen, bereits festgelegt sind. Wir sind der Welt gegenüber gebunden, und die Mittel stehen eben nicht zur Verfügung.
Ich habe auch zu dem berühmten Antrag wegen des Cusanus-Gymnasiums Stellung nehmen müssen. Meine Damen und Herren, es ist einfach unmöglich, daß ich in einem Einzelfall die grundsätzliche Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern umgehe bzw. einfach aufhebe. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß das Land als der Hauptbeteiligte an der Lohnsteuer und der Einkommensteuer die Einnahmen hat, die ich mit 20 Millionen DM beziffert habe und die sich allein aus der Tatsache der Bundeshauptstadt Bonn für das Land Nordrhein-Westfalen ergeben. Das Land Nordrhein-Westfalen ist auf dem Gebiet zuständig,
und wenn die Länder ihr Leben behalten wollen, müssen sie ihre Zuständigkeit ausfüllen.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung in der von mir vor einigen Minuten bekanntgegebenen Reihenfolge. Wir stimmen zunächst über den gegenüber dem Änderungsantrag Umdruck 1132 weitergehenden Änderungsantrag Umdruck 1149 [Anl. 6] Ziffer 1 ab. Wer für den Änderungsantrag Umdruck 1149 Ziffer i ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 1132 [Anl. 5]. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 1149 Ziffer 2. Wer diesem Antrag zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 1138 [Anl. 11] Ziffer 1. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 1138 Ziffer 2. Wer diesem Antrag zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 1144 [Anl. 9]. Wer diesem Antrag zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich muß die Abstimmung wiederholen lassen. Wer für den Antrag Umdruck 1144 ist, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 1135 [Anl. 13]. Wer diesem Antrag zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Änderungsantrag Umdruck 1151 [Anl. 7] ! Wer diesem Antrag zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 1159 [Anl. 8]. Hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt. Wird dieser Antrag unterstützt? — Es sind mehr als 50 Mitglieder des Hauses, die den Antrag unterstützen. Wir schreiten zur namentlichen Abstimmung.
Meine Damen und Herren, es wird mir soeben mitgeteilt. daß noch ein weiterer Antrag zur Abstimmung steht. Sie finden ihn auf Umdruck 1132 [Anl. 5] in der abgeänderten Fassung. Die FDP wünscht, daß ihr vorher abgelehnter Antrag insoweit wieder zur Abstimmung gestellt wird, als nunmehr beantragt wird, die auf Umdruck 1132 beantragten Summen dem außerordentlichen Haushalt zuzuschreiben. Ich lasse über diesen Antrag nunmehr abstimmen.
— Meine Damen und Herren! Herr Verteidigungsminister! Wir stimmen ab. Es ist immer gut, bei
Abstimmungen zu wissen, worüber man abstimmt.
Das ist eine einfache Wahrheit, aber wie alle einfachen Wahrheiten ist es schwer, sie zu verwirklichen. Sie ist leichter zu verwirklichen, wenn man keine Privatunterhaltungen führt.
Ich wiederhole: Wir stimmen nunmehr ab über den Alternativantrag der Fraktion der FDP, dessen Text Sie auf Umdruck 1132 finden. Der Unterschied gegenüber dem Hauptantrag ist der, daß nunmehr darüber abgestimmt wird, ob die auf diesem Umdruck verlangten Summen dem außerordentlichen Haushalt zugeschrieben werden sollen. Es ist ein bißchen kompliziert, aber ich glaube, es kann verstanden werden.
Wer für ,diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit; auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Wir müssen mit der Abstimmung über den Gesamteinzelplan 06 zuwarten, bis das Resultat der Abstimmung über den Antrag Umdruck 1150 bekannt ist. Über die Entschließungsanträge können wir erst abstimmen, nachdem wir über den Einzelplan im ganzen abgestimmt haben. — Es ist also jetzt Zeit für Privatunterhaltungen, falls solche gewünscht werden sollten.
Ich habe den Eindruck, daß, seitdem wir die Technik in diesem Saal eingeführt haben, die namentlichen Abstimmungen länger dauern.
Ich gebe das Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 1150 [Anl. 8] bekannt. Ihre Stimme haben abgegeben: 356 stimmberechtigte Abgeordnete und 17 Abgeordnete aus Berlin; mit Ja haben 142 stimmberechtigte Abgeordnete und 11 Abgeordnete aus Berlin gestimmt, mit Nein 213 stimmberechtigte Abgeordnete und 6 Abgeordnete aus Berlin, ein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Der Antrag Umdruck 1135 [Anl. 13] ist angenommen worden; dadurch ist die Fassung der zweiten Lesung des Einzelplans 06 geändert worden. Wir müssen über Einzelplan 06 in der nunmehrigen Fassung abstimmen. Wer diesem Einzelplan zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen zahlreiche Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wir stimmen jetzt ab über den Entschließungsantrag Umdruck 1152 [Anl. 12]. Wer ihm zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über den Entschließungsantrag Umdruck 1170 [Anl. 10] abstimmen. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, möge
*) Vgl. Seite 12562
die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —
— Ich dachte, Sie hätten die Anträge vor sich liegen. Es handelt sich um den Entschließungsantrag der Fraktion der DP . Ich kann den Entschließungsantrag verlesen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht,
in Anbetracht der Schulraumnot mit den Länderregierungen über alsbaldige Beseitigung dieser Schulraumnot zu verhandeln und entsprechende Abkommen zwischen Bund und Ländern zu treffen, wonach unter Umständen eine finanzielle Bundeshilfe für den Wiederaufbau und den Neubau aller erforderlichen Schularten als Darlehen zur Verfügung gestellt wird. Dem Bundestag ist das Verhandlungsergebnis über diese zukünftigen Schulbaupläne bis zum 1. November 1957 vorzulegen.
Ist dem Hause nun bekannt, worüber abgestimmt werden muß?
— Nein, es war unklar. Es ist eine gute Übung des Hauses, im Falle offensichtlicher Unklarheit über den Inhalt dessen, worüber man abstimmt, die Abstimmuung zu wiederholen. Herr Kollege Rasner, ich glaube, Sie haben selbst schon entsprechende Anträge gestellt.
— Dann stimmen wir jetzt zum dritten Mal ab!
— Herr Abgeordneter Pelster, wenn Sie sich dabei etwa falsch verhalten sollten, auch zum vierten Mal.
Wir stimmen nunmehr ab. Wer dem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben will, möge seine Hand erheben. — Gegenprobe! — Das Ergebnis ist unklar; wir müssen im Wege des Hammelsprungs abstimmen. —
Meine Damen und Herren, dies ist das Ergebnis der Abstimmung: An der Abstimmung haben sich 302 Mitglieder dies Hauses beteiligt. Mit Ja haben gestimmt 132, mit Nein 168, 2 Mitglieder haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Ausschußantrag Drucksache 3455 Nr. 2. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist mit Mehrheit angenommen.
Damit ist Einzelplan 06 erledigt. I ch rufe auf:
Einzelplan 08:
Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen.
Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor. Den einen finden Sie auf Umdruck 1133, den anderen auf Umdruck 1153.
Das Wort hat der Abgeordnete Richarts.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Änderungsantrag Umdruck 1133 [Anl. 14] trägt die Unterschriften von etwa 60 Damen und Herren dieses Hohen Hauses aus fast allen Fraktionen. Er sieht vor. daß der durch den Beschluß des Haushaltsausschusses im Kap. 08 04 neu eingerichtete und in der zweiten Lesung vom Hohen Hause angenommene Tit. 960 eine kleine Ergänzung erfährt. Der Titel lautet in der jetzigen Fassung: „Beseitigung von militärischen Anlagen des Westwalls: 6 000 000". Nach Annahme des vorliegenden Antrags wird der Titel lauten: „Beseitigung von militärischen Anlagen des Westwalls und Zahlung von Entschädigungen: 6 000 000". Eine Erhöhung des für diesen Titel vorgesehenen Betrages von 6 Millionen DM tritt also nicht ein, was die Zustimmung sicherlich erleichtert.
Zur Begründung darf ich, ohne dabei auf das gesamte Westwallproblem einzugehen, das hier wiederholt zur Diskussion gestanden hat, kurz folgendes sagen. Mit der Zurverfügungstellung von 6 Millionen DM zur 'Beseitigung dies Westwalls ist ein Teilproblem am Anfang seiner Lösung. Es handelt sich allerdings — ich betone es — nur um ein Teilproblem. Es werden niemals alle Kampfanlagen beseitigt werden. sondern nur diejenigen, bei denen die Kosten der Beseitigung in einem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu dem wiedergewonnenen Grund und Boden stehen. Die Masse der Kampfanlagen wird also wahrscheinlich nicht beseitigt werden.
Durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 1956 ist in einem Musterprozeß festgestellt worden. daß der Bund der Eigentümer der Aufbauten, der Bunker und der Höckerlinien ist und daß die Geschädigten, d. h. die nichtentschädigten Grundbesitzer. heute noch die Eigentümer von Grund und Boden sind. so daß die Aufbauten und der Grund und Boden in zwei. verschiedenen Händen sind: eine an sich recht merkwürdige Situation. Dadurch, daß der Bund Eigentümer der Aufbauten ist, hindert er zweifellos den Besitzer des Grundstücks an der Nutzung des Grund und Bodens. Wenn ein normaler Staatsbürger einen anderen Grund und Boden eines anderen auf diese Art und Weise für sich in Anspruch nähme, müßte er zweifellos - und er würde es sicherlich tun — hierfür ein Entgelt zahlen. Nur das bezweckt der Antrag.
Ich möchte noch auf ein anderes Urteil des Bundesgerichtshofs verweisen. Hier ging es darum, daß die Bundesrepublik seit langen Jahren fremden Grund und Boden genutzt. nämlich dort eine Autobahn angelegt hatte, ohne daß der Geschädigte. trotz Protestes, irgendwie entschädigt wurde. Der Bundesgerichtshof hat hierzu folgendes festgestellt — ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten wörtlich zitieren —:
Es ist mit einer geordneten rechtsstaatlichen Verwaltungschlechterdings unvereinbar, daß die Eigentümer eines Grundstücks seit 16 Jahren die Lasten dieses Grundstücks tragen müssen und daß das Reich, später die Bundesrepublik während dieser Zeit das Grundstück als öffentliche Straße in Anspruch nimmt, ohne
dafür einen Pfennig an die Eigentümer zu zahlen.
Auch zu der Frage, ob diese Verpflichtung des Bundes eine Reichsverbindlichkeit darstellt, hat der Bundesgerichtshof eine eindeutige Entscheidung abgegeben. Sie lautet:
Die Aufsichtsbehörde
— das ist also in diesem Falle das Bundesministerium —mußte insbesondere klarstellen, daß die Ansicht der Landesstraßenverwaltung abwegig war, es handle sich hier nur um Verbindlichkeiten des Deutschen Reichs. Die Straßenbaubehörden haben sich hier bis heute weder das Eigentum am Straßenkörper noch ein dauerndes Nutzungsrecht daran verschafft. Es ist ihre Pflicht, die dazu notwendigen Maßnahmen endlich in rechtlich zulässiger Weise durchzuführen. Die damit verbundenen neuen Verbindlichkeiten haben nichts mit den Schulden des Reichs zu tun.
Ich darf Sie daher bitten, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Finanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin zu meinem Bedauern nicht in der Lage, den Antrag Umdruck 1133 [Anl. 14] zur Annahme zu empfehlen, und ich glaube, daß man, wenn man sich die Konsequenzen dieses Antrages überlegt, meiner Meinung beitreten wird.
Mit diesem Antrag wird die Entschädigung einer ganz kleinen Personengruppe jetzt durchzusetzen versucht. während doch alle anderen Geschädigten mindestens ebenso große und noch größere Lasten zu tragen haben. Eine Entschädigung dieses kleinen Personenkreises müßte zu zahllosen Berufungen führen und würde schließlich unter Umständen das bereits in 'den Ausschüssen beratene und zur zweiten und dritten Lesung anstehende Kriegsfolgenschlußgesetz zu Fall bringen. Die Berufungsfälle müßten, nachdem bereits das Lastenausgleichsgesetz ergangen ist, dazu führen — ich darf das ehrlich sagen —, daß das gesamte deutsche Volksvermögen abermals abgewertet wird. Es ist gänzlich ausgeschlossen, nachdem wir das Lastenausgleichsgesetz haben und das Kriegsfolgenschlußgesetz noch in dieser Wahlperiode in Kraft treten soll, in Einzelfällen andere als die abschließenden Maßnahmen des Kriegsfolgenschlußgesetzes zu treffen. Keinesfalls geht es aber an, besondere Haushaltsmittel einzusetzen, um solche Ansprüche zu befriedigen, die etwa im Rahmen des Kriegsfolgenschlußgesetzes negativ geregelt werden. Die in Kap. 08 04 Tit. 960 vorgesehenen Mittel sind für Zwecke der Beseitigung von militärischen Anlagen des Westwalls bestimmt und dürfen nicht unter dem Gesichtspunkt der Entschädigung eingesetzt werden. Mir erscheint die vorgesehene Ergänzung, die ausdrücklich die Zahlung von Entschädigungen vorsieht, daher unter keinen Umständen tragbar. Entschädigungsleistungen, die das Kriegsfolgenschlußgesetz etwa ablehnt, können nicht außerhalb dieses Gesetzes gewährt werden.
Ich bedauere also, dem Antrag widersprechen zu müssen.
Wird das Wort zu diesem Antrag noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich den Änderungsantrag Umdruck 1153 [Anl. 15] auf. — Das Wort hat der Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich nicht um einen Änderungsantrag, sondern um einen Entschließungsantrag. Ich glaube, ich muß das Sachgebiet, das dieser Entschließungsantrag zum Gegenstand hat, mit einigen Worten erläutern, damit das Hohe Haus weiß, worum es hier geht.
Nach dem Lastenausgleichsgesetz sind die Länder und die Gemeinden für die Übernahme der Kosten der Ausgleichsämter zuständig. Hierfür haben die Länder und Gemeinden laut § 351 Abs. 3 des Lastenausgleichsgesetzes gegen den Bund einen Erstattungsanspruch in Höhe von 50 % der angefallenen Kosten.
Nun hat sich herausgestellt, daß die Rückstände eine sehr bedenkliche Höhe erreichen. Von zahlreichen Städten und auch von zahlreichen Landkreisen wird hierüber Klage geführt. Der Bund leistet zwar Abschlagszahlungen, soweit die Kostenermittlung noch nicht durchgeführt worden ist. Aber diese Abschlagszahlungen bewegen sich etwa um 38 bis 40 % der zu erstattenden Kosten.
Mit diesem Entschließungsantrag wird der Bundesregierung Gelegenheit gegeben, sich zu diesem Fragenkomplex zu äußern. Die Dinge sollen hierdurch weiter in Fluß gebracht werden. Es ist zuzugeben, daß gerade in der letzten Zeit eine gewisse Auflockerung eingetreten ist. Mir ist bekannt, daß hierüber Verhandlungen geführt worden sind. Es kommt aber darauf an, im Hinblick auf die hier von allen Seiten des Hauses immer wieder beklagte, ungünstige wirtschaftliche Lage der Gemeinden eine schnelle Abwicklung der Ansprüche nach § 351 Abs. 3 des Lastenausgleichsgesetzes zu erzielen.
Die bisherigen Pauschalbeträge, die als Abschlagszahlungen geleistet werden, bestimmen sich nach Berechnungen und nach Feststellungen aus dem Jahre 1953. Der tatsächliche Kostenaufwand, der bei den Städten und Kreisen entstanden ist, hat sich in einer damals nicht erwarteten Weise vergrößert und ist gegenüber 1953 auf mehr als 400 % angestiegen. Dieser Kostenaufwand hat sich zwingend aus Gesetzesbeschlüssen dieses Hohen Hauses ergeben.
Nun ist zuzugeben, daß im Laufe der Jahre eine gewisse Erhöhung der Abschlagszahlungen erfolgt ist; aber diese Erhöhung hält bei weitem nicht Schritt mit der Erhöhung der bei den Städten und den Landkreisen angefallenen Unkosten. Der Herr Bundesminister der Finanzen sollte daher auch seinerseits das Erforderliche tun. um zu einer schnellen Erfüllung dieser Ansprüche der Städte und der Landkreise zu kommen.
In diesem Zusammenhang ist ein zweiter Punkt wesentlich. Die Bundesregierung hat eine Rechtsverordnung zu erlassen, die das Nähere über die Kostenregelung bestimmt. Diese Rechtsverordnung ist seit Jahren überfällig. Mir ist zwar bekannt,
daß gewisse Schwierigkeiten hinsichtlich der Kostenermittlung bestehen. Aber es liegt, glaube ich, durchaus im Rahmen der Möglichkeiten des Herrn Bundesministers der Finanzen, auf eine Beschleunigung des Erlasses dieser dringend erwarteten Rechtsverordnung hinzuwirken.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist der Auffassung, daß wegen der Bedeutung dieses Problems die Bundesregierung dem Parlament überall das, was zur Abwicklung dieser fälligen Ansprüche geschieht, einen Bericht erstatten sollte. In dem Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag ist für die Erstattung dieses Berichts als Termin der 31. Dezember genannt. Ich darf namens der Fraktion bitten, das dahingehend zu berichtigen, daß dieser Bericht bereits bis zum 30. Juni 1957 erstattet wird. Die Feststellungen haben ergeben, daß es für die Bundesregierung durchaus zumutbar ist, bis dahin den gewünschten Bericht zu erstatten. Ich möchte also bitten, auch diesem Anliegen des sozialdemokratischen Antrags zu entsprechen.
Damit keine Mißverständnisse entstehen: die Annahme dieses Entschließungsantrages bedeutet nicht, daß dem Bund irgendwelche finanziellen Lasten auferlegt werden; er zielt nur dahin, seit Jahren anstehende Forderungen der Städte und der Kreise so schnell wie möglich zu erfüllen. Ich glaube, wir sind das gerade im Hinblick auf die finanzielle Notlage unserer Großstädte den Städten und den Landkreisen schuldig.
Ich bitte deshalb um die Annahme des Entschließungsantrages mit der Maßgabe, daß der in Ziffer 2 genannte Termin in „30. Juni 1957" geändert wird.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage, die dieser Antrag aufwirft, ist die Frage der Erstattung der Verwaltungskosten nach § 351 des Lastenausgleichsgesetzes. Sie war bereits Gegenstand einer kleinen Anfrage der Abgeordneten Kühltau, Dr. Dresbach, Lücke und Genossen vom 11. Mai 1957, die von mir mit Schreiben vom 24. Mai 1957 schon beantwortet ist. Ich darf also zunächst einmal zur Abkürzung der heutigen Debatte auf diese ausführliche Antwort Bezug nehmen.
— Das bitte ich mit dem Büro des Deutschen Bundestages auszumachen.
Ich darf zusammenfassend sagen, daß sich die Bundesregierung von jeher aus ihrem Verständnis für die Lage der Länder und Gemeinden heraus bemüht hat, diese schwierige Behandlung der Verwaltungskosten in jeder möglichen Weise zu beschleunigen. Ich möche feststellen, daß die Erfolge dieses Bemühens auch beträchtlich gewesen sind. Ich gebe zu, daß sich infolge der Schwierigkeit der Verhältnisse noch Rückstände gebildet haben, hoffe aber, daß in naher Zukunft durch Erlaß der erwähnten Rechtsverordnung und weitgehende Pauschalierung der Kosten eine endgültige Bereinigung erfolgen kann. Gerade in diesen Tagen werden übrigens die Abschlagszahlungen in Anpassung an die Ergebnisse der neuesten Kostenermittlungen angehoben.
Ich habe weiterhin meine Bereitschaft erklärt und wiederhole das, am 31. Dezember 1957
30. Juni ist unmöglich — dem Bundestag über den Stand der Angelegenheit Bericht zu erstatten.
Ich bitte also die Herren Antragsteller, davon Kenntnis zu nehmen, daß ich den Antrag für nicht notwendig erachte, weil auf diesem Gebiet gerade auch im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage vom 11. Mai 1957 schon alles geschehen und mitgeteilt ist, was geschehen konnte und mitgeteilt werden konnte. Der Antrag ist nach meiner Überzeugung überflüssig.
Wird das Wort noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über Einzelplan 08.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Antrag auf Umdruck 1133 [Anl. 141 abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! -
Das erste war die Mehrheit.
— Ohne jeden Zweifel! Das Haus ist schwach besetzt; es können sich Überraschungen ergeben. Das erste war wirklich die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen nunmehr über den Einzelplan 08 in der veränderten Fassung ab. Wer Einzelplan 08 in dieser Fassung zustimmen will. der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Auch hier war das erste die Mehrheit; der Einzelplan ist angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Umdruck 1153 [Anl. 15]. Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Einzelplan 08 ist erledigt.
Ich rufe auf Einzelplan 09;
Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft.
Hier liegen ein Änderungsantrag auf Umdruck 1129 sowie zwei Entschließungsanträge auf den Umdrucken 1071 und 1171 vor.
Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags der Fraktion der FDP auf Umdruck 1129 hat der Abgeordnete Held.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Änderungsantrag auf Umdruck 1129 [Anl. 16] ist bereits in der zweiten Lesung gestellt worden. Damals ist er nicht besonders begründet worden. Ich halte es jedoch im Interesse derjenigen, die über die Einzelheiten nicht genau im Bilde sind, für erforderlich, zu diesem Antrag eine kurze Aufklärung zu geben. Ich glaube, daß es auch im Interesse des Handwerks liegt, Ihnen hier zu sagen, warum wir diesen Antrag eingebracht haben.
Erstmalig im Haushaltsjahr 1956 sind für Maßnahmen zur Förderung des Handwerks im ordentlichen Haushalt des Bundes 6 Millionen DM bereitgestellt worden. Diese Mittel sollten dazu dienen, das Handwerk vor allem als die große Aus-
bildungsstätte der deutschen Jugend zu fördern. Dieser Betrag reicht jedoch im Hinblick auf die zahlreichen, in Erkenntnis der großen Verantwortung für die Heranbildung eines guten Nachwuchses inzwischen vom Handwerk selbst durchgeführten und zum Teil auch mit Bundesmitteln geförderten Maßnahmen bei weitem nicht mehr aus. Man bedenke einmal, daß im Handwerk ständig mehr als eine halbe Million Jugendlicher in der Lehre stehen und auch heute noch trotz vieler Schwierigkeiten eine universelle Grundausbildung erhalten, die diese jungen Menschen befähigt, später nicht nur eine eigene Existenz zu finden, sondern auch Facharbeiter zu werden. Die Facharbeiter sind es doch, die Deutschland den Wiederaufstieg ermöglicht und die Weltgeltung wieder verschafft haben, auf die wir alle mit Recht stolz sein können.
Unsere zukünftige wirtschaftliche Entwicklung wird sehr wesentlich davon abhängen, ob es uns gelingt, auch weiterhin die erforderlichen guten Fachkräfte heranzubilden. Sie werden mir zugeben müssen, daß für diese gewaltige Aufgabe die bisher zur Verfügung gestellten Mittel keineswegs ausreichten und daß auch die 10 Millionen DM, die meine Fraktion jetzt beantragt hat, in keinem Verhältnis zu den Mitteln stehen, die wir für viele andere Zwecke im Bundeshaushalt bisher schon bewilligt haben und noch bereit sind zu bewilligen. Mir scheint, daß wir der gesamten Volkswirtschaft gegenüber eine ungeheure Verpflichtung haben, weil es darum geht, schließlich die breite Schicht derjenigen heranzubilden, die später einmal maßgeblich Träger der gesamten Volkswirtschaft sein werden.
Es wird vor allem darauf ankommen, die vom Handwerk geschaffenen Schulungsreinrichtungen weiterhin kräftig zu fördern, und zwar nicht nur durch Bereitstellung von einmaligen Zuschußmitteln, sondern auch durch gewisse laufende Zuschüsse sowie durch Beihilfen an Gesellen und Lehrlinge zum Besuch dieser Einrichtungen.
Das Handwerk hat die große Last der Nachwuchsausbildung jederzeit mit größter Verantwortung gegenüber dem Volksganzen getragen. Schließlich schöpfen ja auch alle anderen Gewerbe- und Wirtschaftszweige ihre Nachwuchskräfte zu einem großen Teil aus dem Handwerk, und sie werden das auch weiterhin tun. Das Handwerk darf deshalb auch erwarten, daß es bei den zusätzlichen Förderungsmaßnahmen, die durch den allgemeinen technischen Fortschritt notwendig geworden sind, vom Staate im Interesse des Staates sehr wesentlich unterstützt wird.
Im heutigen Wirtschaftsleben gibt es ein sehr hartes, aber auch wahres Wort. Es heißt: Die Technik kennt kein Mitleid. Wir sind auf die Entwicklung der Technik stolz. Sie kommt zu einem großen Teil dem Verbraucher zugute. Das Handwerk selbst hat aus eigener Initiative und mit Unterstützung des Bundes diese Gewerbeförderungsanstalten, in denen die technischen Fortschritte insbesondere dem Nachwuchs des Handwerks vermittelt werden, laufend unterstützt und gefördert. Infolge der laufenden technischen Neuerungen ist das Handwerk gezwungen, nicht nur dem Meister oder dem Gesellen, sondern ganz besonders unserer deutschen Handwerksjugend eine zusätzliche Einrichtung zu schaffen und zu erhalten, um für die Zukunft wettbewerbsfähig und leistungsfähig gegenüber der gesamten Wirtschaft zu bleiben.
Wer also mit mir der Ansicht ist, daß es aus staatspolitischen und auch wirtschaftspolitischen Gründen notwendig ist, ein leistungsfähiges und wettbewerbsfähiges Handwerk zu erhalten, den bitte ich, unserem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weiter liegt der Entschließungsantrag Umdruck 1071 [Anl. 17] vor. Es war mitgeteilt worden, daß auf Begründung verzichtet wird. Darf ich unterstellen, daß das stimmt? — Das ist der Fall.
Dann rufe ich den Entschließungsantrag der Fraktion der DP auf Umdruck 1171 [Anl. 18] auf. Wird er begründet? — Bitte, Herr Kollege!
Dr. Schild (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Entschließungsantrag zu Einzelplan 09 wird praktisch der Versuch gemacht, die Bundesregierung zu veranlassen, die seit langem fällige Änderung der Kreditsituation im gewerblichen Mittelstand vorzunehmen. Es handelt sich dabei vor allem um den Bedarf an langfristigen Krediten am Kapitalmarkt.
Meine Fraktion verweist auf die Vorgänge, die seit langem in diesem Hause bekannt sind, auf die Anträge aller Parteien, die im Dezember 1955 zu der sogenannten Mittelstandsdebatte geführt haben. in dieser Debatte vom Dezember 1955 ist von allen Fraktionen eingehend über die Kreditsituation des gewerblichen Mittelstandes berichtet worden. Bei dem gewerblichen Mittelstand handelt es sich um rund 2 Millionen kleinere und mittlere selbständige Betriebe, Betriebe der kleinen und mittleren Industrie, des Handwerks, des Einzelhandels, des Großhandels, des Gaststätten- und Hotelgewerbes, des Verkehrsgewerbes und anderer Gewerbezweige. Der Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes hat sich im ganzen Jahr 1956 mit dieser Kreditsituation befaßt.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat im Jahre 1956 einen besonderen Arbeitsausschuß berufen, der eine eingehende Denkschrift über diese Kreditsituation verfaßt hat. Dabei ist festgestellt worden, daß der vordringliche Bedarf allein bei Umschuldungskrediten, d. h. um aus kurzfristigen langfristige Kredite zu gestalten, 1,5 Milliarden DM beträgt. Diese Mitteilung ist dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes am 25. Juni 1956 durch den Herrn Bundeswirtschaftsminister und seine Mitarbeiter gemacht worden.
In der damaligen Sitzung ist klargestellt worden, daß für den vordringlichen Bedarf zumindest einige hundert Millionen Mark sofort irgendwie in Bewegung gesetzt werden müssen. Ich persönlich habe damals den Vorschlag gemacht, bei den großen mittelständischen Kreditinstituten, den Sparkassen und den Volksbanken, Ausgleichsforderungen aufzukaufen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister wurde in dieser Sitzung beauftragt, eine diesbezügliche Kabinettsvorlage vorzubereiten. Der Herr Bundesfinanzminister hat in dieser Sitzung jedoch erklärt, daß er sich unter gar keinen Umständen mit dem Aufkauf von Ausgleichsforderungen der mittelständischen Institute einverstanden erklären würde, weil es sich hier darum handelte, kurzfristige Kassenmittel unter Umständen langfristig anzulegen, eine Maßnahme, die dem Haushaltsrecht, der Kassenordnung, aber auch anderen Gesetzen, insbesondere dem Notenbankgesetz usw., widersprechen würde.
Acht Wochen nach Abgabe dieser Erklärung im Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes wurde auf einem anderen Sektor aber genau das Gegenteil getan. Der Herr Bundesernährungsminister stand in der Landwirtschaft vor derselben Kreditsituation. Ihm ist es mit Zustimmung des Herrn Bundesfinanzministers geglückt, durch irgendwelche Transaktionen 200 Millionen DM langfristige Kredite flüssig zu machen, wobei auch Bundeskassenmittel revolvierend kurzfristig eingesetzt worden sind, natürlich unter Hinzunahme der Institute der landwirtschaftlichen Rentenbank und anderer Institute. Dieses Ergebnis müßte auch auf dem kleingewerblichen Sektor möglich sein.
Wenn meine Fraktion hier von einem Kreditplafond von 300 Millionen DM spricht, so ist damit nicht gesagt, daß in derselben Höhe Ausgleichsforderungen aufgekauft werden müssen. Es genügt, wenn 150 Millionen DM Ausgleichsforderungen der mittelständischen Kreditinstitute aufgekauft würden. Die Institute würden dann in der Lage sein, die anderen 150 Millionen DM aus eigenen Mitteln zu den entsprechenden Zins- und Tilgungsbedingungen, die ja das Entscheidende sind, herzugeben.
In derselben Sitzung ist auch davon die Rede gewesen, daß man zunächst die Länder auffordern sollte, derartige Kreditmanipulationen für den gewerblichen Mittelstand durchzuführen. Diese Aktion ist bei den Ländern absolut negativ verlaufen, mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen, wo zwei Tranchen dieser Art jeweils in Höhe von 50 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden sind. Es hat sich gezeigt, daß das in anderen Ländern bislang nicht möglich ist.
Ich darf hier im Namen sehr vieler maßgeblicher Gruppen und Schichten des gewerblichen Mittelstandes, des Handwerks, ,des Einzelhandels, des Gaststättengewerbes, der mittleren und kleineren Industrie unser Anliegen noch einmal unterstreichen. Ich erinnere dabei auch an den Geschäftsbericht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und an die Ausführungen des Herrn Präsidenten Berg auf der vor kurzem abgehaltenen Tagung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Ich erinnere an ,den Vorschlag, eine Investitionshilfe für kleingewerbliche Betriebe zu schaffen, und ich erinnere daran, daß die Industriebank jetzt unter Umständen eine Anleihe von 50 Millionen DM für die kleine und mittlere Industrie auflegt. Alle diese Maßnahmen reichen aber bei dem großen Volumen, das nun einmal benötigt wird, nicht aus.
Zum Schluß noch ein kurzes Wort. Herr Kollege Conring, die Vorschläge der verschiedenen Ressorts, den Kapitalmarkt in Ordnung zu bringen —Vorschläge sehr verschiedener Art; wir kennen die Gutachten; sie sind in der Öffentlichkeit diskutiert worden —, können nicht in kurzer Zeit realisiert werden. Erst der neue Bundestag wird sich mit diesen Vorschlägen des Ressorts zur Reorganisation des langfristigen Kapitalmarkts befassen können. Das veranlaßt uns, jetzt schon der Bundesregierung durch diesen Entschließungsantrag die Auflage zu machen, bis zu der endgültigen Kapitalmarktreform und den dafür notwendigen Gesetzen eine Kreditaktion für den gewerblichen Mittelstand, diese große und gerade auf dem Kapital- und Kreditmarkt notleidend gewordene Schicht, durchzuführen.
Ich bitte Sie deshalb, diesem Entschließungsantrag im Interesse der Sache — es ist eine völlig überparteiliche Angelegenheit, die hier zur Diskussion steht, wie die Verhandlungen in den Ausschüssen gezeigt haben — Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle Anträge müssen in diesem Haus überlegt werden. Es gibt keine Anträge aus reinem Wohlwollen für einen Stand; es gibt nur Anträge, die innerhalb der finanziellen Möglichkeiten des Bundes liegen. Darum hat nach meinem Gefühl jeder Stand auf alle anderen Stände Rücksicht zu nehmen.
Wenn jemand sagte, daß der Bundesfinanzminister einem Stand feindich gegenüberstehe, weil er nicht alle Ansprüche dieses Standes erfülle, sondern die Verantwortung gegenüber dem Ganzen sehe, so würde das den Bundesfinanzminister nicht kränken; es würde eher ein Gefühl des Bedauerns in ihm hervorrufen.
Ich möchte zu der Frage kurz Stellung nehmen, und ich kann sagen: im Benehmen mit dem zuständigen Ressort, dem Bundesministerium für Wirtschaft. Der Antrag auf Ankauf von 300 Millionen DM Ausgleichsforderungen der mittelständischen Kreditinstitute zwecks Befriedigung langfristigen Kreditbedarfs des Mittelstandes muß im Haushalt 1957 — was ich doch eigentlich nicht zu begründen brauchen sollte — schon mit Rücksicht auf die Haushaltslage als undurchführbar betrachtet werden, da die Einstellung von weiteren 300 Millionen DM in den Haushalt 1957 sofort die Deckungsfrage aufwerfen würde. Ich muß darauf aufmerksam machen, daß der außerordentliche Haushalt zu einer Lüge wird, wenn er Summen umfaßt, die über den Kapitalmarkt oder auf anderen Wegen, z. B. aus Restbeständen, 'einfach nicht gedeckt werden können. Ich sehe es als erste Pflicht eines Finanzministers, einer Bundesregierung und einer gesunden Finanzverwaltung überhaupt an, dem Volke die Wahrheit zu sagen, nichts zu verbrämen und keine falschen Hoffnungen zu erwecken, auch nicht wenige Monate vor den Wahlen. Diese falschen Hoffnungen zur Zeit der Wahlen könnten sogar schädliche Folgen für diejenigen haben, die sie erwecken.
Abgesehen von der haushaltsmäßigen Seite der Angelegenheit möchte ich einmal einen Überblick über das geben, was für das Handwerk und den gewerblichen Mittelstand an Kredit- und Finanzierungsprogrammen laufend geschieht und woran sie laufend beteiligt sind. Nach dem Stand vom 31. Dezember 1955 hat der gewerbliche Mittelstand an Krediten erhalten: aus dem Überhang der Investitionshilfe gemäß § 6 des InvestitionshilfeSchlußgesetzes vom 24. Februar 1955 140 bis 160 Millionen DM, im Rahmen des deutschen Produktivitätsprogramms 75 Millionen DM, aus der Kreditaktion für das Handwerk, durchgeführt mit Hilfe von 9 Millionen DM ERP-Mitteln, 4 Millionen DM Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau, 1 Million DM aus STEG-Erlösen, weitere 14 Millionen DM, aus der Kreditaktion für den mittelständischen Handel, durchgeführt mit 3 Millio-
nen DM ERP-Mitteln zuzüglich Aufstockungsbeträgen der Kreditinstitute, 3 Millionen DM. Ferner waren laufend beteiligt an Kredit- und Finanzierungsprogrammen des Bundes das Handwerk mit 430 Millionen DM und der Handel mit 9,6 Millionen DM, an sonstigen Kreditprogrammen, insbesondere ERP-SV, LA und Vertriebenen-Krediten, das Handwerk mit 145 Millionen DM und der Handel mit 352 Millionen DM. Für den Wiederaufbau und die Modernisierung des Hotelgewerbes — umeiniges zu nennen — standen an ERP-Krediten bisher rund 40 Millionen DM zur Verfügung, von denen etwa 28 Millionen DM mittelständischen Betrieben zugute gekommen sind. Ferner sind aus dem ERP-Sondervermögen für das Rechnungsjahr 1956 für den gewerblichen Mittelstand — Handwerk, Handel, Klein- und Mittelindustrie sowie Fremdenverkehr — Kredite in Höhe von 25,4 Millionen DM und für ,die gewerbliche Wirtschaft der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigten 25 Millionen DM verplant worden.
Um dem Handel und dem Handwerk die Aufnahme von Krediten zu erleichtern, entschlossen sich Bund und Länder zu einer besonderen Bürgschaftsaktion gegenüber den Kreditgarantiegemeinschaften, und zwar hat die Bundesregierung globale Rückbürgschaften übernommen für das Handwerk bis zu 50 Millionen DM, für den Handel bis zu 30 Millionen DM und für das Hotel- und Gaststättengewerbe 5 Millionen DM. Einschließlich der Höchsthaftung der Länder, der Eigenrisiken der Kreditgarantiegemeinschaften und der Banken wird die Ausreichung von Krediten an Handwerk und Handel bis zur Höhe von rund 208 Millionen DM ermöglicht.
Außerdem hat der Bund zur Förderung handwerklicher Einrichtungen und Maßnahmen, soweit es sich um Bundesaufgaben handelt, besondere Mittel als verlorene Zuschüsse zur Verfügung gestellt, die im Einzelplan des Bundesministeriums für Wirtschaft im Kap. 09 02 Tit. 601 verplant sind.
Insgesamt wurden von 1950 bis 1957 im Bundeshaushalt zur Förderung des Handwerks Zuschüsse in Höhe von 31,6 Millionen DM bereitgestellt. Dazu kommt noch für den gleichen Zweck in dem gleichen Zeitraum aus Mitteln des ERP-Sondervermögens ein Zuschuß von 7 Millionen DM.
Für Maßnahmen zur Förderung des Handels und des Hotel- und Gaststättengewerbes sind im Einzelplan des Bundesministeriums für Wirtschaft — Kap. 09 02 Tit. 610 — seit 1955 verlorene Zuschüsse veranschlagt worden. Von 1955 bis 1957 sind hierfür 5 Millionen DM verplant worden.
Der Bund beteiligt sich außerdem an dem Institut für Mittelstandsforschung mit jährlich 200 000 DM neben dem Land Nordrhein-Westfalen, das sich mit 100 000 DM jährlich beteiligt. Im Entwurf des ERP-Wirtschaftsplans für das Rechnungsjahr 1957 sind für Kredite für die mittelständische gewerbliche Wirtschaft 35,6 Millionen DM und für die gewerbliche Wirtschaft der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte 30 Millionen DM ausgebracht worden.
Meine Damen und Herren, ich nenne Ihnen diese Zahlen, damit alle diejenigen, die in der Wahl eine Antwort auf die Frage geben müssen, was für den Mittelstand geschehen ist, hier zusammengefaßt einmal die Zahlen haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Held.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sagen Sie bitte nicht „Ach", wenn man zu diesen Problemen noch einmal das Wort ergreift. Wenn Sie es sich einmal richtig überlegen, ist es für Sie genauso eine politische Notwendigkeit wie für mich, der ich aus dem Handwerk komme.
Ich möchte eine Andeutung, die der Herr Bundesfinanzminister gemacht hat, nicht im Raume stehenlassen. Er hat ausgeführt, es gehe nicht an, daß bei der Beratung des Haushaltsplans einer der Ständevertreter nach dem anderen auf dem Podium erscheine, um für seinen Stand etwas herauszuholen. Es könnte den Anschein haben, als ob ich als Kollege in diesem Hause nur eine gewisse Interessenpolitik damit verfolgte.
Sollte diese Ansicht bestehen, muß ich sie grundsätzlich zurückweisen.
Ich möchte auf unseren Antrag zurückkommen, der ja weder einen Vorteil noch irgendein Zugeständnis für einen Handwerksmeister oder für eine Handwerksorganisation erreichen will. Es handelt sich lediglich darum, die notwendigen Einrichtungen für den Nachwuchs des Handwerks, die ja auch bisher vom Bund zum Teil unterstützt worden sind, nicht der Gefahr auszusetzen, daß sie eines guten Tages nicht mehr zur Geltung kommen. In 'dem von uns eingebrachten Antrag ist die Summe von 4 Millionen DM, um die wir den Ansatz zu erhöhen beantragt haben, genau festgelegt. Ein Teil dieses Betrages soll für die Neuerrichtung, der Hauptteil aber, nämlich 2 Millionen DM, als Zuschuß für die Unterhaltung und insbesondere für den Besuch der handwerklichen Einrichtungen dienen, um den Gesellen oder Lehrlingen zu ermöglichen, sie auch wirklich in Anspruch zu nehmen.
Was es bedeutet, wenn wir ein gutes und gesundes Handwerk haben, wissen auch diejenigen anzuerkennen, die diese Frage aus der Sicht der Industrie beurteilen. Sie wissen ganz genau, daß sie die besten Kräfte in ihrer Industrie bisher aus dem Handwerk bekommen haben. Von diesem Gesichtspunkt aus kann man wohl sagen, daß es volkspolitisch notwendig ist, diesem kleinen Betrag von 4 Millionen DM — jedenfalls in Sicht auf den Gesamthaushalt — Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe den vorhin vom Kollegen Held begründeten Antrag Umdruck 1129 [Anl. 16] auf; es ist der einzige Änderungsantrag zu diesem Einzelplan. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Eine Gesamtabstimmung über Einzelplan 09 ist danach nicht erforderlich.
Wir haben noch über zwei Entschließungsanträge zu bescheiden. Ich rufe Umdruck 1071 auf [Ani. 17].
Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe den Entschließungsantrag Umdruck 1171 [Anl. 18] auf, den vorhin der Kollege Schild ,begründet hat. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Abgelehnt.
Wir kommen jetzt zum
Einzelplan 10.
Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Zu diesem Einzelplan liegen Anträge vor. Ich darf sie erst insgesamt nennen. Es sind die Anträge Umdrucke 1131, 1139, 1154. Weiter liegen vier Entschließungsanträge auf den Umdrucken 1057, 1162, 1163 und 1172 vor. Ich rufe zunächst den Antrag der FDP Umdruck 1131 [Anl. 19] Ziffer 1 zu Tit. 580 auf. Ich frage, ab dieser Antrag begründet werden soll.
— Auf Begründung wird verzichtet. Wird das Wort zu diesem Antrag Umdruck 1131 noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich rufe den Antrag der SPD Umdruck 1154 [Anl. 20] zu Tit. 630 f auf. Wird der Antrag begründet? — Bitte, Frau Kollegin.
Meine Damen und Herren! Sie haben bisher jedes Jahr unseren Antrag, für eine generelle Schulmilchspeisung endlich insgesamt 50 Millionen DM zur Verfügung zu stellen, abgelehnt. Sie haben es diesmal auch in der zweiten Lesung hier getan. Der Herr Bundesfinanzminister hat das damit 'begründet, daß es zwecklos sei, diesen Betrag zu erhöhen, weil die 6 Millionen DM, die im Grünen Plan dafür vorgesehen sind, im vorigen Jahr von den Ländern und Gemeinden nicht ausgeschöpft wurden. Ich darf dazu zunächst sagen, daß Sie in all den Jahren in der Aussprache unseren Antrag grundsätzlich anerkannt und immer zum Ausdruck gebracht haben, daß auch Sie es für wünschenswert halten, wenn jedes deutsche Kind jeden Tag in der Schule kostenlos ein Milchfrühstück bekommt, daß dies aber leider nicht mit Bundesmitteln durchführbar sei. Sie konnten sich unseren Argumenten nicht verschließen und waren deshalb bereit, zunächst einmal 6 Millionen DM dafür bereitzustellen. Sie haben gleichzeitig der Einführung einer solchen Schulmilchspeisung eine Fußangel dadurch gelegt, daß Sie idle Ausgabe dieses Betrags an die Beteiligung der Länder und der Gemeinden gebunden haben. Sie wissen ganz genau, daß es vielen Gemeinden einfach unmöglich :ist, die Beträge dafür aufzubringen, und daß allein aus diesem Grund die 6 Millionen DM nicht ausgeschöpft werden konnten.
Ich bin überzeugt, daß Sie genauso wie wir von Ländern, von Gemeinden und auch von Müttern laufend Zuschriften bekommen, aus denen hervorgeht, wie die Bevölkerung und die Kommunen und die Länder die Einführung dieses Schulmilchfrühstücks begrüßen würden, daß sie aber an der Weigerung des Bundestags, dafür das Geld bereitzustellen, scheitert. Wir bedauern das außerordentlich. Wir sind leider nicht in der Lage, hier einen
Mehrheitsbeschluß ohne Ihre Mitwirkung herbeizuführen. Herr Kollege Conring, ich muß also sagen, es tut mir außerordentlich leid, daß Sie für eine so ernste Angelegenheit nichts als rein Lächeln übrig haben. Es ist wirklich eine ernste Angelegenheit; alle Veröffentlichungen der modernen Ernährungslehre beweisen, daß die beste Ernährungsweise für alle Menschen wäre, wenn sie täglich mindestens einen halben Liter Milch tränken. Wir wissen, daß viele Eltern ihren Kindern diesen halben Liter Milch nicht kaufen können. Wir wissen auch, daß viele Mütter ihre Kinder ohne Frühstück in die Schule schicken müssen.
Wir wissen darüber hinaus, daß es auch aus volkswirtschaftlichen, vor allem aus agrarwirtschaftlichen Gründen dringend notwendig wäre, den Trinkmilchverbrauch in der Bundesrepublik zu steigern. Wir können aber unsere Menschen zum Milchverzehr nur erziehen, wenn wir bei den Kindern anfangen, damit sie ihn als Erwachsene fortsetzen. Sie haben mit uns zusammen im Grünen Plan 400 Millionen DM Milchsubvention beschlossen; für so wichtig halten Sie und wir die Förderung der Milchproduktion. Aber wenn man schon die Milchproduktion in diesem Maße fördert, wieviel wichtiger ist dann die Förderung des Milchverbrauchs! Bitte, entschließen Sie sich endlich einmal, dafür etwas zu tun, und stimmen Sie für unseren Antrag, den Betrag auf 50 Millionen DM zu erhöhen.
- Sie haben für Ausgaben, die Sie für nötig halten, immer eine Deckung im Haushalt gefunden. Außerdem ist es bekannt, daß bei der Verabschiedung des Haushalts Deckungsvorschläge nicht gemacht werden müssen. Schließlich darf ich auf die Ausführungen des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses von heute morgen hinweisen, der aufgezeigt hat, daß in diesem Haushalt Deckungsmöglichkeiten genug vorhanden wären, wenn man ihn anders betrachtete. Wenn Sie davon ausgehen, daß die 9 Milliarden DM Verteidigungsausgaben tabu sind, dann gibt es natürlich kaum Deckungsmöglichkeiten.
Da ich leider fürchten muß, daß Sie in diesem Fall wieder Ihrem Finanzminister folgen und nein sagen, möchte ich abschließend auf folgendes hinweisen. Sie und allen voran der Herr Bundeskanzler sind der Meinung gewesen — das ist voriges Jahr durch alle Zeitungen gegangen —, daß jeder Soldat der Bundeswehr täglich Milch bekommen soll; warum dann nicht auch jedes Schulkind?
Wenn Sie für jeden Soldaten Milch für notwendig halten — ich begrüße es —, warum verweigern Sie dann den Schulkindern die Milch?
Sie müssen — in Kenntnis all der Tatsachen — entscheiden. Wir wollten Sie aus dieser Entscheidung in der dritten Lesung nicht entlassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird noch das Wort zu dem Antrag Umdruck 1154 gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich Umdruck 1139 [Anl. 21], Antrag der Fraktion des GB/BHE, auf. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Elsner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag meiner Fraktion auf Umdruck 1139 [Anl. 21], den ich zu begründen habe, erstrebt eine Ergänzung der Erläuterung zu Tit. 571 im außerordentlichen Haushalt des Einzelplans 10, und zwar 'dahin, daß künftig Maßnahmen zur Betriebsfestigung und zur Ablösung kurzfristiger drückender Verbindlichkeiten von Siedlern aus diesem Titel bedient werden können. Dieser Antrag entspricht der Ziffer 2 unseres Antrags auf Umdruck 1060, der in der zweiten Lesung leider abgelehnt wurde. Auf Grund der Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers bei der zweiten Lesung des Haushalts haben wir davon Abstand genommen, den gesamten Antrag auf Umdruck 1060 zu wiederholen. Vielmehr beschränken wir uns auf die Wiederholung der Ziffer 2 in diesem Umdruck. Dies wird deshalb notwendig, weil der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der zweiten Lesung die Ablehnung unseres Antrags damit begründet hat, daß für die Ablösung kurzfristiger Verbindlichkeiten die Zinsverbilligungsmittel zur Verfügung stünden. Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zeigt damit, daß er die besondere Lage der eingegliederten Bauern auf ihren Eingliederungsbetrieben verkennt. Der von ihm aufgezeigte Weg zur Behebung der dargetanen Schwierigkeiten bleibt den heimatvertriebenen eingegliederten Bauern verschlossen, da sie infolge Fehlens einer eigenen Vermögensgrundlage keine Möglichkeiten der Absicherung der Kredite besitzen. Auch würde ihnen eine solche Maßnahme keine echte Hilfe bringen, selbst wenn die Bedingungen noch so günstig wären. Hier kann nur mit einer echten Beihilfe etwas getan werder, bestenfalls mit einem zinslosen Darlehen mit mehreren tilgungsfreien Jahren.
Im übrigen weiß der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sehr genau, wie schwer die Bedingungen seiner Konvertierungsmittel sind. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß trotz der schwierigen Situation der kurzfristig verschuldeten Landwirte diese Mittel im abgelaufenen Rechnungsjahr nur zur Hälfte verbraucht worden sind. Daran konnte auch eine Erleichterung der Bedingungen nichts ändern. Ich möchte es mir aus Zeitmangel versagen, auf diese Dinge näher einzugehen.
Bei unserem Antrag kommt es uns darauf an, eine schnelle und durchgreifende Hilfe zu ermöglichen. Sie ist dringend geboten, weil der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bisher keine Maßnahmen zur Behebung dieses Notstandes eingeleitet hat, obwohl wir von hier aus wiederholt mit aller Deutlichkeit auf die Schwierigkeiten und auf die Notwendigkeiten einer raschen Hilfe hingewiesen haben. Es blieb uns also praktisch keine andere Möglichkeit, als eine Ergänzung der Zweckbestimmung in Tit. 571 zu beantragen. Die erforderlichen Mittel werden kaum eine wesentliche Belastung dieses Haushaltstitels mit sich bringen. Aber selbst wenn es der Fall wäre, wäre zu bedenken, daß die Erhaltung der gefährdeten Betriebe genauso wichtig ist wie die Schaffung neuer Betriebe, wenn nicht noch wichtiger. Wir betrachten die Lösung als eine Notlösung, als eine Überbrückung bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Herr Bundesminister in der Lage ist, eine bessere Lösung vorzuschlagen.
Ich bitte deshalb, meine Damen und Herren, Verständnis für diesen bescheidenen Änderungsantrag aufzubringen, zumal er den Haushalt in keiner Weise belastet und nur eine geringfügige Änderung der Zweckbestimmung mit sich bringt. Ich bitte, diesem Antrage zuzustimmen. Eine erneute Ablehnung dieses Antrags würde zweifellos bei den Betroffenen draußen eine tiefe Enttäuschung mit sich bringen, und das, meine Damen und Herren, haben die eingegliederten heimatvertriebenen Bauern nicht verdient.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich fragen, ob noch das Wort zu diesem Antrag gewünscht wird? — Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP Umdruck 1057 auf [Anl. 22]. Wird dieser Antrag begründet? — Das ist nicht der Fall. Wird weiter das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Auch das ist nicht der Fall.
Ich rufe den Entschließungsantrag Umdruck 1162 [Anl. 23] der Fraktion der CDU/CSU auf. Wird dieser Antrag begründet? — Bitte, Herr Kollege.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf im Auftrage meiner Fraktion die beiden Entschließungsanträge Umdruck 1162 und Umdruck 1163 [Anl. 24] kurz begründen. Der erste Antrag behandelt die Wollpreise, der zweite die Subventionen für Hanf und Flachs.
Widrige Wettbewerbsbedingungen gegenüber den ausländischen Wollerzeugern haben unsere inländischen Wollerzeuger, d. h. die Schafhalter und die Schafzüchter, hart getroffen. Während im allgemeinen die landwirtschaftlichen Indices bei rund 200 Punkten liegen, liegt der Preis für inländische Wolle zur Zeit bei durchschnittlich 130 Punkten, ist also der niedrigste von allen Preisen landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Daß bei derart niedrigen Preisen die Wollerzeuger nicht auf ihre Kosten kommen, liegt klar auf der Hand. Entsprechend haben wir auch einen Rückgang in der inländischen Wollerzeugung seit 1948 von 16 % auf 4 % erleben müssen.
Nun hat eine Oppositionspartei schon bei der zweiten Lesung und auch jetzt wieder bei der dritten Lesung einen Antrag auf Subventionierung der Schafhaltung um 6 Millionen DM gestellt. Wir als Regierungspartei sind aber der Ansicht, daß man nicht immer sofort die Hand gegenüber dem Staat aufhalten soll, sondern daß man es zunächst einmal mit marktkonformen Mitteln versuchen sollte. Infolgedessen haben die Schafhalter, also die Wollerzeuger, mit dem Landwirtschaftsminister verhandelt; dieser wiederum hat mit dem Verteidigungsminister und dem Wirtschaftsminister Verhandlungen geführt, und es ist uns versprochen worden, bei der Aufbereitung militärischer Tuche usw. 10 % der inländischen Wollerzeugung mit zu verarbeiten. Selbstverständlich sind die Bauern gläubige Menschen, und wir glauben auch unserem Landwirtschaftsminister; aber wir haben den Antrag deswegen gestellt, damit zum Glauben auch das Wissen kommt. Haben wir das Wissen durch die Annahme dieses Antrages, dann sind wir Landwirte und Wollerzeuger zufrieden.
Damit ist dieser Antrag begründet. Ich komme jetzt zum Antrag Umdruck 1163 [Anl. 24].
Hier liegen die Verhältnisse ähnlich. Es handelt sich um den Anbau von Flachs und Hanf und um die Flachsröste. Das russische Dumping hat die Flachsbereitung sehr stark ,gefährdet. Hier können allerdings — im Gegensatz zu dem ersten von mir begründeten Antrag — marktkonforme Mitte nicht mehr helfen. Es hat auch jedes Jahr für diesen Zweck ein bestimmter Betrag im Haushalt gestanden, auch in diesem Jahr wieder, und zwar ein Betrag von 2,5 Millionen DM. Der Antrag will nun nichts weiter, als daß die Mittel, die bereits bewilligt sind und im Haushalt stehen, auch für den Verkauf der noch nicht ganz verkauften Ernten 1955 und 1956 verwandt werden können.
Meine Damen und Herren, Sie haben meine Begründung gehört. Ich bitte Sie recht herzlich, den beiden Entschließungsanträgen der CDU/CSU zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründungen gehört. Ich stelle beide Umdrucke, also 1162 [Anl. 23] und 1163 [Anl. 24], zur Aussprache. Das Wort hat Herr Frühwald.
Der Herr Kollege hat soeben davon gesprochen, er glaube zwar, daß - und so weiter —, aber das Wissen sei sicherer. Wir wollen es gewiß wissen. Ich begrüße daher diese Erklärung und diese Erläuterungen, nehme aber für mich als Opposition in Anspruch, daß man mich nicht auf den Glauben vertröstet, wie es in der letzten Sitzung geschehen ist, sondern daß ich auch wissen will, ob wirklich etwas rechtlich Fundiertes dahintersteckt. Es ist wenigstens der Versuch gemacht, hier eine rechtliche Fundierung zu schaffen. Aber ich möchte hier feststellen: Glauben soll das Recht der Regierungsparteien sein. Sie sind aber in diesem Glauben noch im Zweifel. Sie wollen es genau wissen, und dasselbe nehmen wir als Opposition in Anspruch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Antrag.
Es liegt noch ein Entschließungsantrag der Fraktion der DP auf Umdruck 1172 [Anl. 25] vor. Bitte, Herr Fassbender.
Fassbender : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine politischen Freunde glauben nach der Debatte über den Grünen Plan und nach der zweiten Lesung des Haushalts noch einmal auf den Ernst der Lage in der Landwirtschaft hinweisen zu sollen. Wir wollen mit diesem Antrag keine zusätzlichen Geldmittel. Wir erwarten von der Regierung, daß sie neben Subventionen auch sämtliche Mittel der Handels-, Zoll-, Wirtschafts- und Agrarpolitik einsetzt — das muß sie auf Grund von § 1 des Landwirtschaftsgesetzes —, um die Landwirtschaft und die bäuerliche Bevölkerung endlich von den drükkenden und drängenden Sorgen zu befreien und ihre Arbeit so zu bewerten, wie sie es beanspruchen kann, nämlich gleichzubewerten mit der Arbeit in der gewerblichen Wirtschaft.
Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort zu diesem Antrag noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann darf ich feststellen, daß weitere Wortmeldungen nicht vorliegen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung. —Bitte, Herr Minister!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will Sie nicht lange aufhalten. Ich will nur kurz zu der Äußerung von Herrn Elsner wegen der Siedlungsmittel sprechen.
Herr Elsner möchte die Ablösung „drückender kurzfristiger Siedlungskredite" haben. Das sind die günstigsten Kredite, die wir in der Landwirtschaft überhaupt haben.
Wenn Sie öffentliche Kredite mit öffentlichen Krediten ablösen wollen, dann dürfte hier wohl ein Mißverständnis vorliegen. Wenn Sie uns Siedler, die ohne eigene Schuld in Schwierigkeiten gekommen sind, nennen können, werden wir durch die Kommission, die diese Siedler ständig besucht, so viel tun können, daß den Betreffenden nichts passiert. Es ist unmöglich, daß auf irgendeine Weise eine größere Zahl von Siedlern in solche Schwierigkeiten gekommen sein soll, wie Sie hier ausgeführt haben. Gerade auf dem Gebiet der Siedlung haben wir, wie ich schon bei der Diskussion über den Grünen Plan erklärt habe, eine ganze Reihe von Umfragen gehalten; die Auskünfte über die Situation der Siedler waren im allgemeinen günstig. Wo etwa auf diesem Gebiet Not am Mann ist, werden wir dafür sorgen, daß diese Not behoben wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich habe die Bitte an die Herren Minister und Staatssekretäre, hier rechtzeitig die Wortmeldung abzugeben. Sie haben so viel Herren bei sich, daß das durchaus möglich sein sollte.
Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge.
Wer dem Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 1131 [Anl. 19] Ziffer 1 zu Tit. 580 und Tit. 581 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf: Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 1131 Ziffer 2 zu Tit. 965, 6 Millionen DM für die Wollerzeugung. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1154 [Anl. 20] zu Kap. 10 02 Tit. 630 f. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zum Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE Umdruck 1139 [Anl. 21] zu Titel 571. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Damit sind sämtliche Änderungsanträge abgelehnt. Eine Gesamtabstimmung zu Einzelplan 10 ist danach an sich nicht erforderlich.
Ich bringe jetzt die Entschließungsanträge zur Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag auf Umdruck 1057 [Anl. 22] zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Entschließungsantrag auf Umdruck 1057 ist angenommen.
Ich rufe den Entschließungsantrag auf Umdruck 1162 [Anl. 23] auf und bitte diejenigen, die ihm zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Entschließungsantrag ist angenommen.
Ich rufe zur Abstimmung den Entschließungsantrag auf Umdruck 1163 [Ani. 24] auf und bitte diejenigen, die dafür stimmen wollen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Entschließungsantrag ist angenommen.
Ich rufe den Entschließungsantrag auf Umdruck 1172 [Anl. 25], den der Kollege Fassbender begründet hat, zur Abstimmung auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe aus dem Ausschußantrag auf Drucksache 3459 die Ziffer 2 zur Abstimmung auf:
den Antrag der Abgeordneten Dr. von Buchka, Ruhnke, Schwann, Elsner, Dr. Elbrächter, Dr. Preiß und Genossen betreffend Vereinfachung der Verwaltung und Erhöhung des Wirkungsgrades der Forschung durch Eingliederung des Instituts für forstliche Arbeitswissenschaft in die Bundesforschungsanstalt für Holz- und Forstwirtschaft in Reinbek — Drucksache 2618 — durch die Beschlußfassung zu Nr. 1
— d. h. zum Einzelplan —
für das Rechnungsjahr 1957 für erledigt zu erklären.
Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den
bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die
Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe aus der gleichen Drucksache 3459 den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 3 auf:
a) den Antrag der Fraktion der FDP betr. Sicherung der deutschen Wollerzeugung — Drucksache 2954 —
b) den Entschließungsantrag der Fraktionen der DP, FVP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes — Umdruck 961, Drucksachen 3200, zu 3200 —
c) den Antrag der Abgeordneten Struve, Müller-Hermann, Müller , Schneider (Bremerhaven), Kriedemann, Wehr, Weber (Untersontheim), Hepp und Genossen betr. Förderung der Fischerei — Drucksache 3201 (neu) —
durch die Beschlußfassung zu Nr. 1
— d. h. durch die Beschlußfassung über den Einzelplan —
für erledigt zu erklären. Wer diesem Antrag unter Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen. Damit ist der Einzelplan 10 für heute beschieden.
Wir kommen zu Einzelplan 11:
Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit
Hierzu liegt auf Umdruck 1128 [Anl. 27] ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und auf Umdruck 1143 [Anl. 26] ein Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Wittrock, Dr. Stammberger, Platner und Genossen zu Kap. 1107 Tit. 101 betreffend das Bundessozialgericht in Kassel vor. Wird dieser Antrag begründet? — Bitte, Herr Kollege Haasler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag auf Umdruck 1143 [Anl. 26], der von allen Mitgliedern des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht unterzeichnet ist, die in der gestrigen Sitzung dieses Ausschusses anwesend waren, wiederholt den Antrag auf Umdruck 1044 vom 7. Mai zur zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes. Nach Auszählung wurde er damals mit 158 gegen 143 Stimmen abgelehnt.
Bereits in der zweiten Lesung am 23. Mai hatte sich eine ausführliche Debatte entwickelt, deren Einzelheiten ich heute nicht wiederholen möchte. Lassen Sie mich bitte nur mit wenigen Sätzen sagen, aus welchen Gründen es die Mitglieder des Rechtsausschusses für erforderlich gehalten haben, den Antrag noch einmal zu stellen.
Das Bundessozialgericht ist mit der ihm jetzt zur Verfügung stehenden Zahl von Richtern nicht in der Lage, die ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben in angemessener Zeit zu erfüllen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur wenige Zahlen nennen. Beim Bundessozialgericht waren zu Beginn dieses Jahres über 2200 Revisionen anhängig. Im letzten Jahre sind 1836 Fälle erledigt worden. Neu eingegangen sind jedoch fast 2500, also ein Drittel mehr, als erledigt werden konnten. Meine Damen und Herren, es ist nicht vertretbar, auf die Dauer Reste für etwa 15 Monate hinzunehmen, wobei das Anwachsen dieser Reste übrigens durchaus im Rahmen des Möglichen liegt. Es geht ja beim Bundessozialgericht nicht nur um die letzten Entscheidungen in der allgemeinen Sozialversicherung, der Arbeitslosen- und der Bergbauversicherung, sondern es geht auch um die letzten Entscheidungen für den Bereich der Kriegsbeschädigten, der Kriegsopferversorgung und der Kriegsgeschädigten.
Sie werden es selbst beurteilen können, ob es zumutbar ist, Revisionsentscheidungen in Sozial-versicherungs-, Kriegsopfer- und Kriegsgeschädigtenangelegenheiten ein bis eineinhalb Jahre lang in der Schwebe zu halten. In der zweiten Lesung ist anerkannt worden, daß ein solcher Zustand außerordentlich unerwünscht ist. Man hat jedoch eingewandt — ich glaube, es war der Herr Bundesfinanzminister —, daß der Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Sozialgerichtsgesetz eine Verringerung der Zahl der Revisionsfälle mit sich bringen solle. Der Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes liegt nun-
mehr vor. Ich hoffe, daß Sie aus dem Munde des Berichterstatters für dieses Gesetz im 16. Ausschuß, des Herrn Kollegen Wittrock, noch heute im einzelnen hören werden, inwieweit eine Entlastung des Bundessozialgerichts dadurch zu erwarten ist. Ich nehme, Herr Kollege Wittrock, wohl nicht allzuviel vorweg, wenn ich die Tatsache, daß Sie diesen Antrag erneut unterschrieben haben, als ein Indiz dafür werte, daß Ihre Untersuchungen bezüglich einer möglichen Entlastung nicht allzu positiv ausgefallen sind.
Mit dem ebenfalls in der zweiten Lesung aufgetauchten Argument, die Richter möchten, anderen ,,guten" Beispielen folgend, sich mit einfacheren, nicht so langatmigen Begründungen helfen, sollte man gerade auf dem hier in Frage kommenden Sachgebiet nicht arbeiten. Es erscheint überdies stets mißlich, einem obersten Bundesgericht Ratschläge darüber erteilen zu wollen, wie es seine Entscheidungen abzufassen habe.
Der weitere Einwand, man habe nicht genug geeignete Bewerber für hohe Richterämter, ist. selbst wenn man ihn als richtig unterstellen wollte — was, glaube ich, die meisten Mitglieder des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht nicht tun —, im Rahmen der Haushaltsberatungen jedenfalls nicht beachtlich. Solange keine Stellen zur Verfügung stehen, läßt es sich wahrscheinlich überhaupt nicht übersehen, ob solche Stellen mit geeigneten Bewerbern besetzt werden können. Immerhin hat der Herr Bundesminister für Arbeit noch in der vorigen Woche vor dem Hohen Hause einräumen müssen, daß er für vier neu zu besetzende Stellen beim Bundessozialgericht fünf Bewerber hatte. Das mag nicht viel sein, legt aber immerhin auch nicht zwingend den Schluß nahe, daß sich genügend Bewerber keinesfalls finden ließen.
— Verzeihung, die Auswahlmöglichkeit, Herr Kollege Conring, liegt nicht bei uns. Wir sollten uns als Parlament — jedenfalls in unserer Gesamtheit hier im Plenum — nicht anmaßen, darüber zu entscheiden, wo die Grenze zwischen geeignet und ungeeignet liegt. Unsere Aufgabe ist es ja nur, die monetären, die fiskalischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß geeignete Bewerber im Rahmen dessen, was notwendig ist, eingesetzt werden können. Wenn wir schon darauf verzichten, die nötigen Planstellen zu schaffen, kommen wir ja überhaupt um die Prüfung, ob geeignete Bewerber da sind oder nicht, herum. Wir drücken uns dann aber, Herr Kollege Conring, vor dieser Entscheidung zu Lasten all derer, die vom Bundessozialgericht eine schnelle Entscheidung erwarten.
Ich bitte Sie daher, meine Damen und Herren, dem Antrag der Mitglieder des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht stattzugeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bekannt, daß ich in der zweiten Lesung bereits gegen denselben Antrag Stellung genommen habe. Ich habe soeben der Begründung des Antrags aufmerksam zugehört. Ich kann nur feststellen, daß die Gründe, die ich in der zweiten Lesung für eine Ablehnung des Antrags vorgebracht habe, in keiner Weise widerlegt sind. Ich kann nur sagen, daß das, was heute vorgetragen worden ist, nach meiner Auffassung kein Anlaß dafür sein kann, daß das Parlament, der Bundestag, die Stellung, die er in der zweiten Lesung eingenommen hat, ändert.
Meine Überzeugung ist es, daß das Ansehen und die Bedeutung gerade oberster Gerichte nicht mit der Zahl der Richter steigt. Entscheidend ist die Qualität, und eine wirkliche Qualität ist bei einer großen Zahl von Richtern schwerer aufrechtzuerhalten als bei einer kleinen Zahl von ausgesuchten Richtern.
— Jeder Betrieb braucht Arbeiter, und Betriebe, die eine sehr große Zahl von Arbeitern haben, müssen die Leitenden aus der Masse heraussuchen. Das hat mit dem einzelnen Arbeiter gar nichts zu tun. Aber ein oberstes Gericht, das eine letzte Entscheidung trifft, muß nach meinem Dafürhalten in erster Linie auf die Qualität und erst in zweiter Linie auf die Zahl Wert legen.
Meine Herren, nehmen Sie die Gerichtsverhältnisse in andern Ländern her! Die Gerichte, deren Juristen in der Welt das höchste Ansehen genießen, sind zahlenmäßig bei weitem nicht so stark, aber in der Qualität hervorragend.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Arndt?
Bitte sehr!
Herr Bundesminister, da Sie zwischen Zahl und Qualität ein so sicheres Verhältnis sehen: Ist Ihnen bewußt, daß die Zahl der Bundesrichter am Bundessozialgericht bisher wesentlich geringer als die Zahl der Bundesminister seit 1949 ist?
Es ist ein gutes Recht der Opposition, über die Minister der, sagen wir mal, ihr nicht angenehmen und nicht beliebten Regierung persönlich abfällige Urteile zu fällen, sei es in offener, sei es in verschleierter Form. Aber, Herr Kollege Arndt, überzeugend wirken solche Argumente in einer Debatte nicht,
insbesondere nicht in einer Debatte, die keine Spitzen enthalten sollte, sondern in der sachliche Argumente — und es sind sachliche Argumente vorgetragen worden — vorgebracht werden sollten.
Ich möchte nur einen Punkt hervorheben: wir müssen doch zugeben, daß die Tendenz besteht, bei obersten Gerichten insbesondere die Revisionsfälle und die Tätigkeit der obersten Gerichte wirklich auf Entscheidungen von Bedeutung zu beschränken. Ich würde sehr wünschen, daß in der Organisation der obersten Gerichte auf die Qualität der Richter der höchste Wert gelegt wird. Bei der Revision ist davon auszugehen, daß es sich um Entscheidungen von Richtern von höchster Qualität handelt und nicht um Entscheidungen von Richtern, die dem Durchschnitt des Gesamten entsprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte schon in der zweiten Lesung als Berichterstatter Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß sich der Haushaltsauschuß mit dieser Frage sehr eingehend befaßt hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dem Hause vorzuschlagen, nur drei zusätzliche Stellen zu bewilligen. Ich möchte die Debatte, die damals geführt worden ist, nicht dadurch wieder aufrühren, daß ich auf die Argumente zurückkomme, die ich vorgetragen habe. Es ist vom Herrn Kollegen Wittrock anerkannt worden — er hat an der Sitzung des Haushaltsausschusses teilgenommen —, daß wir uns im Haushaltsausschuß mit dem Problem sehr ernsthaft auseinandergesetzt haben.
Ich darf nur kurz wiederholen, was der Herr Bundesarbeitsminister in der zweiten Lesung hier ausgeführt hat. Er hat gesagt, daß ihm zur Zeit fünf Herren zur Verfügung stünden, die als Richter für das Bundessozialgericht von ihm guten Gewissens vorgeschlagen werden könnten. Da nun vier Richter neu gewählt werden müssen — es kann sein, daß der Senatspräsident inzwischen ersetzt ist; ich weiß das nicht genau —, würde noch ein qualifizierter Bewerber — vom Standpunkt des Bundesarbeitsministeriums aus gesehen — zur Verfügung stehen. Das heißt mit anderen Worten, daß für die zwei Richterstellen, die durch diesen Antrag zusätzlich hinzukämen, zunächst einmal überhaupt keine geeigneten Bewerber vorhanden wären.
Dazu kommt, daß der Richterwahlausschuß nicht jeden Bewerber, der dort vorgeschlagen worden ist, als qualifiziert ansieht. Die Zahl der zur Auswahl zur Verfügung stehenden Herren wird noch geringer, wenn der Richterauswahlausschuß zu dem Ergebnis kommen sollte, daß der eine oder andere für die Aufgaben nicht geeignet ist. Der Herr Bundesarbeitsminister hat dann noch gesagt, es habe keinen Sinn, daß hier Stellen beschlossen würden, die zur Zeit mit vollwertigen Richtern einfach nicht besetzt werden könnten. Er hatte zuvor ausgeführt, daß er von sich aus den Antrag begrüßen würde, wenn er geeignete Bewerber hätte und wenn er in einer bestimmten Ausstattung des Gerichts eine wesentliche Beschleunigung der dort anhängigen Verfahren erblicken könnte.
Diese durchschlagenden Gründe sind nicht widerlegt worden. Ich möchte Sie deshalb bitten, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung habe ich die Ehre gehabt, für die Antragsteller den Antrag zu begründen. Ich habe mich dort einer gewissen Zurückhaltung in der Argumentation befleißigt. Ich möchte aber jetzt ein klares und deutliches Wort zu einigen Ausführungen des Herrn Bundesministers der Finanzen sagen.
Wir bestreiten dem Herrn Bundesminister der Finanzen das Recht, hier ein Urteil über die Qualität von Bundesrichtern abzugeben.
Wir bestreiten weiterhin dem Herrn Bundesminister der Finanzen das Recht, darüber zu befinden, ob eine Begründung, wie er sagt, langatmig ist oder nicht.
Dieses Recht hat der Minister, der für das Finanzressort zuständig ist, nicht. Ich meine, das Hohe Haus sollte sich eine derartige Argumentation aus dem Munde ,des Ressortchefs für das Finanzwesen auf das entschiedenste verbitten.
Das Hohe Haus ist es der Richterschaft zur Wahrung ihres Ansehens schuldig, daß es derartige Äußerungen über „langatmige Begründungen" nicht ohne weiteres hingehen läßt. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat es in der zweiten Beratung für richtig gehalten, von dem „Richterpersonal" zu sprechen. Ich habe den Eindruck, der Herr Minister Schäffer hat, kurz bevor er hier an der Debatte teilgenommen hat, Wilhelm Busch gelesen und das Zitat von dem Küchenpersonal; zu dem ja manche einen gewissen Hang haben, noch im Ohr gehabt. So kann man hier nicht von Richtern sprechen.
— Es geht hier nicht um Übertreibungen, sondern
es geht hier um die Charakterisierung einer Denkweise, mit der der Herr Bundesminister für Finanzen offensichtlich an diese Problematik herangeht.
Hier geht es nicht darum, die Frage der Qualität zu erörtern, sondern es geht einfach darum, angesichts des bestehenden Arbeitsanfalls eine Lösung zu finden.
Es ist die Frage gestellt worden, ob diese Lösung in dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes zu finden ist. Herr Kollege Haasler, Sie haben gesagt, ich könne darüber vielleicht eingehendere Ausführungen machen. Nun, ich glaube, daß ich dem Hohen Hause in dieser Lage eingehendere Ausführungen nicht zumuten kann. Ich kann hier nur eines sagen: nicht nur nach meiner Auffassung — auf die kommt es ja herzlich wenig an —, sondern auch nach Auffassung vieler, die sich eingehend mit diesem Gesetz befaßt haben, z. B. auch nach Auffassung der auf diesem
Gebiet zuständigen Landesbehörden, tritt eine wesentliche Entlastung der Sozialgerichte durch dieses zweite Änderungsgesetz nicht ein, sondern wird eine vielleicht leichte Entlastung bei weitem aufgewogen durch den mit Sicherheit zu erwartenden zusätzlichen Arbeitsanfall, der sich auf Grund der zahlreichen Rechtsstreitigkeiten aus den neuen Rentenreformgesetzen ergehen wird. Es ist ganz klar, daß eine Fülle von Rechtsfragen grundsätzlicher Art zu klären sein wird. Die neu beschlossenen Rentengesetze werden eine Fülle von Grundsatzentscheidungen notwendig machen. Das müssen wir doch sehen. Das heißt, es ist eine Fülle von Revisionen unabweisbar, und es ist ein neuer zusätzlicher Arbeitsanfall mit Sicherheit zu erwarten. Die etwaige Entlastung, die nicht einmal in den Umrissen abzuschätzen ist, die aber nur als minimal bezeichnet werden kann, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht. Das Hohe Haus steht vor der Frage, ob man den Tatsachen, d. h. dem bestehenden Arbeitsanfall in der Sozialgerichtsbarkeit. Rechnung tragen will. Will man dem nicht Rechnung tragen, sondern nimmt man in Kauf, daß Revisionsverfahren nach wie vor jahrelang dauern, dann verletzt man nicht nur den Sinn und das Wesen der Verfahrensvorschriften auf diesem Gebiet, die eine schnelle Entscheidung erfordern, sondern man verweigert im Ergebnis den Menschen, die in einer äußersten Notlage dringend auf Entscheidungen warten, den Rechtsschutz. Das Parlament steht also im Grunde vor der Frage, ob es einen derartigen Rechtsschutz verweigern will oder nicht.
Die sozialdemokratische Fraktion meint, daß eine derartige Lage nicht in Kauf genommen werden kann, und wird deshalb dem vorliegenden Antrag der Mitglieder des Rechtsausschusses zustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will das, was ich bei der zweiten Lesung zu dieser Frage gesagt habe, nicht wiederholen; ich möchte dem Hohen Hause nur folgendes sagen. Das Vorschlagsrecht für die Richter an dem obersten Sozialgericht haben erstens die Bundesregierung, zweitens die Länderregierungen und drittens sämtliche Mitglieder des Richterwahlausschusses. Es ist vorhin ja bereits gesagt worden, daß wir zur Zeit von diesen vorschlagsberechtigten Stellen insgesamt die Namen von fünf Personen haben. Jeder von Ihnen, der schon einmal an einer Sitzung des Richterwahlausschusses teilgenommen hat, weiß, daß der Richterwahlausschuß sich natürlich über die Besetzung der obersten Gerichte mit geeigneten Personen die nötigen Gedanken macht und nicht jedem die Qualifikation für ein derartiges Richteramt zuspricht.
Dazu kommt etwas anderes. Denselben Mangel an hochqualifizierten Richtern dieser Sparte — ich sage das letztere ausdrücklich — haben wir leider Gottes auch bei den Landessozialgerichten. Wenn wir überhaupt daran denken, neue Personen zuzuziehen, müssen wir sie wahrscheinlich dieser Mittelinstanz entziehen. Damit wird die Situation dort noch schwieriger, als sie zur Zeit ist. Ich persönlich bin der Überzeugung, daß es die Aufgabe unserer Universitäten ist, in der Zukunft gerade diesem besonderen Recht, dem Sozialrecht, mehr Bedeutung beizulegen, damit wir als Nachwuchs von dort die Menschen bekommen, die daran mitarbeiten können, daß wir nicht in einem derartigen Verhältnis stehen wie zur Zeit.
Ich stehe nicht an, Ihnen zu erklären, daß sich die Entwicklung beim Bundessozialgericht im letzten Jahr nicht verbessert hat. Die Situation ist vielmehr noch schlechter geworden. Deshalb haben wir unseren Antrag auf Erweiterung des Gerichtes gestellt. Aber es ist vorher schon gesagt worden: Es fehlt uns, ob wir es anerkennen wollen oder nicht, auf diesen Spezialgebieten unseres Rechts einfach an den nötigen Menschen.
— Ich bin Ihnen ja sogar sehr dankbar, wenn Sie derartige Anträge stellen. Aber Sie wissen doch genauso gut wie ich, daß wir innerhalb eines Jahres einen bestehenden Mangel nicht ausgleichen können.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, hat der Rechtsausschuß unter Beteiligung aller dort vertretenen Parteien, einmal auch in Anwesenheit des Herrn Präsidenten des betreffenden Gerichts, sehr ernst und eingehend die Frage der Vermehrung der Richterstellen behandelt. Er ist auch einstimmig zu dem Beschluß gekommen, der hier vertreten worden ist. Es handelt sich aber nicht nur um Formalien und um die Frage der Qualität der Richter. Ich möchte mich auch der Qualifikation, die der Bundesfinanzminister den Richtern gegeben hat, in keiner Weise anschließen. Das haben die Richter wohl nicht verdient.
— Ich höre gerne zu, wenn Sie sprechen, und bitte Sie freundlichst, dasselbe bei mir zu tun. — Vielleicht war das nicht so gemeint. Aber jedenfalls war es nicht gerade ein Kompliment, was hier über die Richter gesagt worden ist.
Aber wir haben wohl auch noch etwas anderes zu beachten, nämlich, daß es sich um lebendige Menschen handelt, die jahraus, jahrein und immer länger und länger auf die Erledigung ihrer Rechtsanliegen zu warten haben, weil das Gericht ungenügend besetzt ist. Ich glaube, dieses Anliegen der Rechtsuchenden dürfte auch ein sehr beachtliches Moment für die Frage der Vergrößerung des Gerichts sein.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin wirklich überrascht, daß die Frau Vorrednerin meine Ausführungen so deuten konnte.
Ich habe ausdrücklich betont, daß ich das Wesen der obersten Gerichte gerade darin sehe, daß sie Richter von einer Qualität haben, die selten ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Haasler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte, die nun zu einem Streit über die Frage um die Qualität der Richter geworden ist, kann, so meine ich, nicht auf diese Weise zu Ende gehen, ohne Schaden anzurichten.
Ich muß den Bedenken, die hier geäußert worden sind, entgegenhalten, daß wir bei den zirka 200 besetzten hohen Richterstellen an unseren obersten Bundesgerichten die bisherige Qualität doch sicherlich nicht durch drei zusätzliche Stellen verschlechtern oder überhaupt gefährden können.
Den Gegnern unseres Antrags ist zuzugeben -
— Aber lieber Herr Schröter, das gehört auch nicht hierher: Sie kommen immer mit Ihren Generälen, und Sie gefährden mit Ihren Generälen hier eine gute Sache.
Den Gegnern einer Vermehrung der Stellen ist durchaus zuzugeben, daß die Entwicklung unerfreulich ist. Aber dieses Haus ist ja an der Entwicklung nicht ganz unschuldig; es hat die Gesetze geschaffen, auf Grund deren die Revisionen zulässig sind. Nachdem nun die Revisionen zulässig sind und eingelegt werden, muß das Gericht damit fertig werden. Wir können den Bedenken, die gerade von der Ministerbank geäußert worden sind, erst Rechnung tragen, wenn wir die Gesetze geändert oder wenn wir eine sonstige Regelung, z. B. über die Länder, geschaffen haben, die das Gericht auf andere Weise entlastet. Solange das Gericht aber unter dem Zwang der jetzt existierenden Gesetze sozusagen im Wort steht, haben wir die Verpflichtung, es auch durch ein. genügende Besetzung arbeitsfähig zu halten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Ausführungen des Herrn Kollegen Haasler habe ich kaum etwas hinzuzusetzen, weil ich sie — sowohl die seiner ersten Rede als auch die seiner zweiten Rede — in jedem Worte unterschreibe.
— Was heißt „Eintracht"?
Das ist nämlich die Sache; darum habe ich mich zu Worte gemeldet. Von wem kommen hier eigentlich die Spitzen und von wem kommen die unsachlichen Einwendungen?
Meine Damen und Herren, es wäre vielleicht auf allen Seiten zweckmäßig, mit den Zwischenrufen etwas zurückzuhalten, dem Herrn Redner zuzuhören und damit die Verhandlungen zu beschleunigen.
Herr Kollege Haasler hat sich mit Recht bemüht, uns hier auf die Sache zurückzuführen, weil es sich um eine gute und notwendige Sache handelt. Niemand hat hier behauptet oder geglaubt, dadurch, daß er die Zahl der Bundesrichter am Bundessozialgericht um drei vermehrt, das Ansehen und die Bedeutung des Gerichts zu steigern. Infolgedessen ist diese Kritik des Herrn Bundesfinanzministers nicht sachlich. Sie wendet sich gegen etwas, was von keiner Seite hier geglaubt oder erstrebt wird. Darum habe ich — ob nun die Zahl 23 beträgt oder noch um 3 erhöht wird — mir erlaubt, darauf hinzuweisen, daß die Zahl der Bundesminister wesentlich größer ist, wenn man sie für die Zeit von 1949 bis 1957 zusammennimmt, und man hier nicht mit solchen Zahlenargumenten dagegen Stellung nehmen kann. daß drei weitere Bundesrichter beim Bundessozialgericht bestellt werden.
Die Lage ist so, wie sie Herr Haasler geschildert hat, daß wir nahezu vor einem Stillstand der Rechtspflege gerade bei den Ansprüchen aus der Kriegsopferversorgung und aus dem Sozialversicherungsrecht stehen. Wir haben die Verantwortung und Verpflichtung, das nicht hingehen zu lassen. Was der Herr Bundesminister für Arbeit, dessen Resultat ich eigentlich nicht verstehe — mir ist nie klargeworden, Herr Kollege Storch, ob Sie im Ergebnis nun eigentlich dafür oder dagegen sprechen wollten —, hier vorgetragen hat, sagt doch nichts gegen den Antrag. Denn man kann sich um die geeigneten Richter erst bemühen und Vorschläge erst machen, wenn man die Planstellen hat. Es ist doch unvorstellbar, daß die zuständigen Landesminister und daß die Mitglieder des Richterwahlausschusses Vorschläge für Richter am Bundessozialgericht machen, wenn die Stellen dazu vom Bundestag nicht bewilligt sind. Wir haben im Bundesgebiet 'immerhin 900 Sozialrichter und
etwas über 12 000 Richter überhaupt. Es wird deshalb niemand sagen können, daß man nicht drei weitere qualifizierte Richter für das Bundessozialgericht finden kann. Wie Herr Kollege Krammig vom Haushaltsausschuß in der Lage gewesen sein will, diese 900 Sozialrichter und 12 000 Richter insgesamt in Deutschland vom Haushaltsausschuß aus darauf zu überprüfen, ob sie, wie er sich ausgedrückt hat, „geeignetes Personal" sind, ist mir schleierhaft.
— Herr Kollege Krammig, Sie haben gesagt:
Wir haben uns in der Zwischenzeit auch im Haushaltsausschuß der Mühe unterzogen, nachzuprüfen, ob überhaupt noch geeignetes Personal vorhanden ist. Es ist glaubhaft nachgewiesen worden, daß das nicht der Fall ist.
Bei allem Respekt vor der Arbeit des Haushaltsausschusses, die sicherlich gründlich und gewissenhaft ist: der Haushaltsausschuß ist die letzte Instanz, die nachprüfen kann, ob geeignete Richter für ein Gericht vorhanden sind.
Das ist also eine ,unmögliche Art des Verfahrens.
Ich halte diese Frage immerhin für so bedeutungsvoll — da es sich um die Rechtsuchenden handelt —, daß ich glaube, in dieser Besetzung des Hauses kann schwerlich darüber abgestimmt werden. Ich beantrage deshalb, daß über diesen Antrag namentlich abgestimmt wird.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Von der sozialdemokratischen Fraktion ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist hinreichend unterstützt. Wir kommen also zur namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 1143 [Anl. 26], Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Wittrock, Dr. Stammberger, Platner und Genossen. Ich eröffne die Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln. —
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 1143 bekannt. Es wurden 345 Stimmen von stimmberechtigten Abgeordneten und 14 von Berliner Abgeordneten abgegeben. Mit Ja ihaben gestimmt 249 Stimmberechtigte und 13 Berliner, mit Nein 91 Stimmberechtigte und 1 Berliner. Enthalten haben sich 5 Stimmberechtigte und kein Berliner. Der Antrag ist angenommen.
Ich komme zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 1128 [Anl. 27]. Wird der Antrag begründet? — Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Herr Abgeordneter Pohle.
Herr Präsident, ich beantrage namens meiner Fraktion getrennte Abstimmung über Ziffer 1 und Ziffer 2.
*) Vgl. S. 12562
Meine Damen und Herren, besteht allgemeines Einverständnis mit der getrennten Abstimmung? — Jawohl. Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; ich schließe die Aussprache. Ich lasse abstimmen über ,den Antrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 1128 [Anl. 27] Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war ,die Mehrheit; ,der Antrag ist angenommen.
Ich lasse abstimmen über Ziffer 2 des gleichen Umdrucks. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gepenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Einzelplan 11 in der so geänderten Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf den Einzelplan 12:
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr.
Ich komme zum Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 1130. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 1130 [Anl. 28]. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, ich lasse die Abstimmung wiederholen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 1155. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Anträgen, die wir zum Einzelplan 12 in der zweiten Lesung gestellt haben, nehmen wir nur einen Antrag wieder auf, den Antrag ,auf Umdruck 1155 [Anl. 29], mit dem wir beantragen, 50 Millionen DM unter einem neuen Titel in Kap. 12 10 für die Beseitigung schienengleicher Übergänge einzusetzen.
Wir wollen noch einmal an die Vernunft appellieren und Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Die schienengleichen Übergänge sind die schwerste Gefahrenquelle, die wir im Straßenverkehr kennen. Die Zahl der Todesopfer an den Kreuzungen hat sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt; sie steigt weiterhin schnell an.
Wir haben unsere Anträge bei den früheren Beratungen sehr ausführlich begründet. Ich brauche darauf im 'einzelnen nicht mehr einzugehen. Die Ansätze, die bisher im Haushalt vorgesehen sind, müssen als unverantwortlich gering gelten. Um diese Gefahren wenigstens in sechs Jahren zu beseitigen, müßten im Haushalt weitere 50 Millionen DM eingestellt werden.
Mit Rücksicht ,auf die erheblichen Gefahrenquellen, die beseitigt werden müssen, bitte ich Sie sehr herzlich darum, dem Antrag zuzustimmen.
Wird zu diesem Antrag das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1155 [Ant. 29]. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit ist kein Änderungsantrag angenommen.
Ich lasse .abstimmen über den Einzelplan 12 in der Fassung der zweiten Lesung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan ist angenommen.
Ich lasse abstimmen über den Ausschußantrag in Drucksache 3461 Ziffer 2, verschiedene Anträge für erledigt zu erklären. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich komme nunmehr zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1137 [Anl. 30]. Wird das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Bleiß.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU kommt etwas übernaschend. Wenn man ihn durchliest, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier der Versuch unternommen wird, durch diese Entschließung die verkehrspolitischen Sünden der vergangenen vier Jahre abzubüßen. Man kommt zu dem Eindruck. obwohl der Entschließungsantrag nichtssagend ist.
heißt es beispielsweise in Ziffer 1, daß „zum frühestmöglichen Termin unter besonderer Berücksichtigung des ausführlichen Gutachtens des Leiters des Hauptprüfungsamtes für die Deutsche Bundesbahn, Dr. Ottmann. ein Bericht vorgelegt" werden soll, ,,aus dem sich ergibt, auf welchem Wege die Bundesregierung die Eigenwirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn wiederherzustellen gedenkt."
Meine Damen und Herren, das ist eine rein platonische Erklärung. Verlangt wird ein neuer Bericht. Nun, Berichte, Gutachten, Sachverständigenausschüsse und Beiräte sind schon zur Genüge vorhanden. Was uns fehlt, ist eine Erklärung der Regierungskoalition, wie sie sich eine Verkehrsreform vorstellt. Der Wunsch, der hier unter der Ziffer 1 geäußert wird, kommt jedenfalls im zweiten Bundestag nicht mehr zum Tragen; er ist also völlig platonisch. Deswegen werden wir die Ziffer 1 ablehnen.
In der Ziffer 2 kommt Ihnen eine etwas verspätete Erkenntnis. Sie erwarten, daß „die Bundesregierung in Anbetracht der ständig steigenden Unfallziffern und der wachsenden Motorisierung auch bei der Vorbereitung der künftigen Haushaltspläne dem Ausbau des Straßennetzes ihre besondere Aufmerksamkeit widmet und bei der Bemessung der Mittel für den Straßenbau in angemessener Weise auf die Entwicklung ides Aufkommens der Mineralölsteuer, soweit der Kraftverkehr sie aufbringt, Rücksicht nimmt". Meine Damen und Herren, derartige Gedanken sind von uns wiederholt vorgetragen worden, nur etwas umfassender und präziser. Aber gerade eben haben Sie einen Antrag abgelehnt, der dem Sinn der Ziffer 2 Ihres Entschließungsantrags entsprechen sollte.
Die Finanzierungsanträge, die wir gestellt haben und die ihren Niederschlag in dem von uns eingebrachten Gesetzentwurf gefunden haben, sind im Ausschuß auf Eis gelegt und von Ihnen nicht diskutiert worden.
Ich muß Ihnen leider auch sagen, daß ich in der Ziffer 2 einen Hinweis darauf vermisse, daß Sie nach wie vor an der Realisierung des Zehnjahresplans für den Straßenbau festhalten. Davon ist in der Ziffer 2 überhaupt keine Rede mehr.
Die Ziffer 3 enthält Gedanken, die auch von uns unterstützt werden. Wir wenden der Ziffer 3 zustimmen.
Herr Präsident, ich darf beantragen, nach Ziffern, und zwar getrennt über Ziffer 1, Ziffer 2 und Ziffer 3, abzustimmen.
Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Das Haus ist damit einverstanden, daß getrennt nach Ziffern abgestimmt wird.
Ich stelle den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1137 [Anl. 30] zur Abstimmung und lasse über Ziffer 1 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 3. Wer zuzustimmen wünscht, dien bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung angenommen.
Damit ist Einzelplan 12 erledigt. Ich rufe auf
Einzelplan 14:
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung,
dazu den Änderungsantrag der Fraktion der SPD ,auf Umdruck 1156 und den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1127. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1156 [Anl. 31]. Ich nehme an, daß ich im ganzen abstimmen kann. — Es besteht Einverständnis der Antragsteller. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Ohne Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan 14. Wer ihm in der Fassung der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1127 [Anl. 32]. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit bei zahlreichen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf den Einzelplan 24:
Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit,
zusammen mit dem Änderungsantrag Umdruck 1157 der Fraktion der SPD. Wind hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1157 [Anl. 33]. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 24 in der Fassung der zweiten Lesung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan 24 ist angenommen.
Ich rufe auf den Einzelplan 25:
Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau,
dazu die Änderungsanträge Umdruck 1140 — GB/
BHE —, Umdruck 1158 — SPD —, Umdruck 1136
— CDU/CSU, DP —, Umdruck 1173 - SPD, GB/BHE —. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Engell.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Kunz hat schon in der zweiten Lesung den gleichen Antrag begründet. Es handelt sich um eine Zahl von 260 000 Personen, 160 000 Flüchtlinge aus der Sowjetzone und 100 000 Aussiedler, für die eine Quote von je 2000 DM eingesetzt worden ist, so daß sich der Ansatz auf 520 Millionen DM erhöht. Ich wiederhole diesen Antrag aus der zweiten Lesung.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung habe ich dem Hohen Hause zugesagt, die Fragen, die aufgeworfen worden waren, in der dritten Lesung zu beantworten, um die Debatte an jenem Abend abzukürzen. Wir sind nun heute wieder in die Abendstunden geraten. Leider muß ich doch noch in aller Kürze auf die Fragen der zweiten Lesung eingehen.
— Nein, es ist leider nichterledigt, Herr Kollege Pelster.
Die Opposition — als Sprecher Herr Stierle — hat vor allem die Sorge wegen der Fehlbestandsentwicklung im Wohnungsbau in den Vordergrund gerückt und uns gesagt, daß nach Unterlagen aus dem Kreis der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft Ende 1962 noch mindestens 2 und vielleicht sogar 4,2 Millionen Wohnungen fehlen würden.
Ich glaube, dieser Befürchtung ist entgegenzuhalten, daß bis zum Ende dieses Jahres seit 1949 über 4 Millionen Wohnungen für rund 16 Millionen Menschen gebaut sein werden, d. h. für fast jeden dritten Einwohner der Bundesrepublik, davon über 2,2 Millionen Wohnungen in diesen vier Jahren mit dem Durchschnitt von rund 550 000 pro Jahr.
Als die Bundesregierung dieses Ziel im Jahre 1953 verkündete, waren es nicht nur die Sprecher der Opposition, die eine solche Leistung für praktisch unerreichbar hielten. Wir haben das, was die Bundesregierung sich damals als Ziel gesetzt hat
— soweit man das bis jetzt auch für dieses Jahr übersehen kann —, erreicht. Wir sind aber in eine seltsame Situation gekommen. Wir haben uns nämlich kaum mehr dagegen zu verteidigen, daß wir etwa zuwenig Wohnungen gebaut haben, sondern wir werden jetzt im Gegenteil aus allen möglichen Kreisen deswegen angegriffen, weil wir angeblich zuviel Wohnungen gebaut haben.
— Eben, auch aus Kreisen der Wohnungswirtschaft.
Wir legen als Bundesregierung großen Wert darauf, vor dem Deutschen Bundestag zu erklären, daß der Wohnungsbau auch weiterhin für die Bundesregierung Aufgabe Nr. 1 bleiben wird
bis zu dem Augenblick, wo die Wohnungsnot tatsächlich ihr Ende gefunden hat.
Wir legen ebenso entscheidenden Wert darauf, zu
erklären, daß die Bundesregierung Versuche,
Menschen, die trotz dieser gewaltigen Leistungen
— die uns in der Wohnungsbauleistung nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt an die Spitze gebracht haben — noch keine Wohnung haben finden können, also Barackeninsassen und Lagerinsassen, zu einer Art „Konjunkturreserve" zu stempeln, mit großem Befremden und mit allem Ernst zurückweisen muß.
Ich darf noch einen weiteren Punkt erwähnen. Auch die Vorwürfe wegen einer angeblichen Überhitzung der Baukonjunktur von seiten des Wohnungsbaues treffen nicht zu. Gerade im letzten Jahr ist der Beweis erbracht worden, daß die Preise auf diesem Gebiet seit Mai stabil gehalten werden konnten, während das auf manchen anderen Gebieten nicht in gleichem Umfang möglich gewesen ist.
— Herr Jacobi, ich bin felsenfest davon überzeugt, daß sie es alle genauso wie ich wissen, und ich habe nur die eine Hoffnung: die Opposition möge sich darüber klar sein. daß sich die Bundesregierung auf dem Gebiet des Wohnungsbaues nicht irgendwie in der Defensive befindet. Mit dem, was hier in den letzten vier oder acht Jahren geleistet
worden ist, kann sie sich nicht nur hier, sondern überall mit gutem Gewissen sehen lassen.
Und nun im einzelnen zu den Fragen, die in der letzten Sitzung aufgeworfen worden sind! Im Hinblick auf die Befürchtungen, daß die Wohnungsbauleistung nicht gehalten werden könnte, ist von Herrn Kollegen Stierle als Sprecher der Opposition der Antrag begründet worden, die Mittel von 700 Millionen auf 1 Milliarde DM zu erhöhen.
Herr Kollege Stierle hat vorgerechnet, in welcher Weise die Mittel des sozialen Wohnungsbaues für alle möglichen Aufgaben — auf dem Gebiete der Zahlung von Prämien für das Prämiensparen, auf dem Gebiet des Wohnungsbaues für Sowjetzonenflüchtlinge, auf dem Gebiet des Landarbeiterwohnungsbaus — mit zweckbestimmten Auflagen vorbelastet seien. — Ich darf dazu feststellen, daß allein im Bundeshaushalt eine Nettovermehrung der Mittel für den Wohnungsbau von 1956 auf 1957 um eine halbe Milliarde Mark eingetreten ist
und daß unter Einbeziehung auch der Mittel der
Wohnraumhilfe noch ein Plus von 300 Millionen
— d. h. eine Erhöhung von 1,51 auf 1,81 Milliarden DM — verbleibt.
Es ist festzustellen, daß sich der Durchschnittsförderungsbetrag pro Wohnung, der im Jahre 1956 bei etwas über 7500 DM lag, inzwischen in den ersten vier Monaten des Jahres 1957, in denen weitaus überwiegend der Wohnungsbau für die Einkommensschwachen gefördert worden ist, auf 9000 DM erhöht hat.
— Entschuldigen Sie, Herr Kollege Jacobi, ich spreche jetzt nicht darüber, wer sich das an den Hut stecken kann — dazu darf ich nachher noch einiges bemerken —, sondern ich spreche jetzt von den Tatsachen, wie sie sind, und dazu kann ich folgendes feststellen: Trotz der Kosten- und Qualitätssteigerung und der erhöhten in Ansatz gebrachten Aufwendungen für den Wohnungsbau zugunsten der Minderbemittelten, zugunsten des Eigenheimwohnungsbaues ist bei den durchschnittlichen Förderungsbeträgen nur eine 16%ige Erhöhung zu verzeichnen.
— Herr Jacobi, Sie dürfen ja noch nach mir zu meinen Ausführungen Stellung nehmen. Ich gebe jetzt nur auf Grund der Berichte, wie sie aus allen Ländern und allen Statistiken bei uns zusammenkommen, die nackten Tatsachen wieder.
Die Mittel, die der Bund zur Verfügung gestellt hat, sind aber um wenigstens 20 % höher, selbst wenn man die Abnahme bei den Lastenausgleichsmitteln in Rechnung stellt, so daß die Bundesmittel nach menschlicher Voraussicht ausreichen müßten, um das Volumen zu halten, allerdings unter der Voraussetzung — ich spreche das offen aus —, daß der Beschluß, der auch mit Ihrer Billigung am Ende der Beratungen des Zweiten Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes hinsichtlich der Beteiligung der Länder an der Finanzierung zugunsten des sozialen Wohnungsbaues gefaßt worden ist, bei diesen in gleicher Weise Beachtung findet, wie es beim Bund der Fall ist; das geht aus den Zahlen dieses Haushalts unzweifelhaft hervor. Ich kann nur mit Bedauern feststellen, daß nach unserer bisherigen Kenntnis bei den Ländern, obwohl sie durch die steuerlichen Entlastungsmaßnahmen des vergangenen Herbstes bzw. des 1. Januar 1957 weitaus stärker als der Bund begünstigt worden sind, nicht entfernt in gleichem Umfang mit zusätzlichen Maßnahmen eingegriffen worden ist, wie wir das beim Bund feststellen können.
— Darauf komme ich gleich noch.
Herr Kollege Stierle hat ganz besonders bewegte Klage über die Situation im bayerischen Regierungsbezirk Oberfranken geführt und darauf hingewiesen, daß dort für das Jahr 1957 nur 10 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden seien. An einer anderen Stelle seiner Ausführungen hieß es 10,5 Millionen DM; aber vielleicht ist das von minderer Bedeutung. Er hat weiter gesagt, daß davon nur etwa 5,5 Millionen DM zugunsten der Förderung von Eigenheimen im Rahmen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und der ersten Dringlichkeitsstufe zur Verfügung stehen würden. Ich darf dem Hohen Hause hierzu nur mitteilen, daß allein das Land Bayern vom Bund im Jahre 1957 einschließlich der Mittel, die jetzt noch für Versuchs- und Vergleichsbauten aufgeschlüsselt verteilt werden, zwischen 245 und 250 Millionen DM erhalten hat. Das ist praktisch fast genau der gleiche Betrag wie im Jahr zuvor. Im Jahre 1956 hat das Land Bayern 80 Millionen DM eigene Mittel eingesetzt — für 1957 sind uns die Haushaltszahlen des Landes Bayern leider noch nicht bekannt —, so daß rund 330 Millionen DM zur Förderung zur Verfügung gestanden haben bzw. noch zur Verfügung stehen. Wenn dann auf einen der Regierungsbezirke nur ganze 10 oder 101/2 Millionen entfallen — gegenüber einem rechnerischen Durchschnitt von 50 Millionen DM —, dann scheint dazu im Lande Bayern zumindest eine recht unterschiedliche Berücksichtigung der einzelnen Regierungsbezirke beigetragen zu haben. Wir hoffen, das noch weiter aufklären zu können, nachdem wir diese Tatsache von Ihrer Seite dankenswerterweise erfahren haben.
Besonders bemerkenswert ist, daß das Land Bayern aus den Mitteln, die der Bund ihm 1956 zur Verfügung gestellt hat, bis zum 1. April dieses Jahres einen Betrag von 40 Millionen DM überhaupt nicht abgerufen hat.
Von den Mitteln des Aprils dieses Jahres wurde ein weiterer Betrag von 7 Millionen DM nicht abgerufen; das sind also zusammen 47 Millionen DM. Ich glaube, daß noch genügend Spielraum da wäre, um hier noch einiges weitere an Anträgen zu berücksichtigen.
Nachdem wir diese Zahlenunterlagen geprüft haben, glauben wir, daß eine andersgeartete und größere Berücksichtigung durchaus möglich gewesen wäre. Das hätte auch den Vorstellungen entsprochen, die wir im Bundestag und in der Bun-
desregierung über die Durchführung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes auf Grund des klaren Wortlauts des Gesetzes gehabt haben.
Mit besonderer Genugtuung hat uns bei den Mitteilungen von der Seite der Opposition die Tatsache erfüllt, daß es in Bayern eine so erhebliche Zahl von Eigenheimwilligen aus den Kreisen der einkommenschwachen Personen gibt. Es war nämlich lange Zeit strittig und ist, glaube ich, auch von Ihrer Seite häufig in Zweifel gezogen worden, ob es tatsächlich im Kreise der Einkommenschwachen überhaupt in ausreichendem Maße Interessenten für Familienheime gibt.
— Es mag ein Irrtum sein, aber diesem Irrtum sind dann offenbar sehr viele erlegen.
Herr Kollege Stierle hat dann ausgeführt, daß es ein Wahnsinn sei, daß derjenige, der über genügend Geld verfüge, im Rahmen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes noch öffentliche Mittel bekommen könne, um ein Familienheim zu errichten, wenn er eine billige Wohnung für einen Einkommenschwachen zur Verfügung stelle, vorausgesetzt, daß er nur überhaupt der Gruppe der im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zu berücksichtigenden Personen noch angehöre. Herr Kollege Stierle, hier sind wir allerdings der Auffassung, daß das kein Wahnsinn, sondern im Gegenteil eine ganz vernünftige Maßnahme ist, die zu einer erheblichen Einsparung von öffentlichen Mitteln und insbesondere zur Vermehrung der Wohnungen für die Einkommenschwachen führt. Ohne Zweifel sind in der Zeit seit 1950/51 die Baukosten aus den verschiedensten Gründen gestiegen. Allein der Ecklohn hat sich von 1,55 auf 2,46 DM je Stunde erhöht. Wir haben die Maßnahmen des Verkehrsfinanzgesetzes und die verschiedensten anderen verteuernden Faktoren auf diesem Gebiet erlebt und sie zum erheblichen Teil durch Rationalisierung und durch Steigerung der Beschäftigung ausgleichen können. Nach unserer Überzeugung wirkt sich die Maßnahme, daß man den Einkommenschwachen zu Lasten derjenigen eine billigere Wohnung zur Verfügung stellt, die ein höheres Eigenkapital aufbringen und dafür nach ihrer besseren sozialen Situation mit dem höheren Opfer in Anspruch genommen werden können, zugunsten der Einkommenschwachen aus.
Jetzt zu Nordrhein-Westfalen. Sie sprachen einmal davon, daß Nordrhein-Westfalen etwas geringere Mittel vom Bund bekommen habe, als sie erwartet worden seien. Ich darf doch darauf hinweisen, daß der Bundestag dem Land Nordrhein-Westfalen zusätzlich 238 Millionen DM — zu praktisch 90 % — zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus zur Verfügung gestellt hat,
so daß dieses Land ohne Zweifel in einem sehr starken Maße gegenüber manchem anderen Land in der Bundesrepublik Vorteile in der Förderung des Wohnungsbaus genießt. Ich habe mich immer darüber gefreut, weil ich jede Möglichkeit, zusätzliche Mittel zur Förderung des Wohnungsbaus aufzubringen, gern ausgenutzt habe. Während Herr Kollege Stierle uns darauf hingewiesen hat, daß im Lande Bayern eine Schwierigkeit eingetreten sei,
weil im Verhältnis zu den vorhandenen Mitteln zu viele Anträge von einkommenschwachen Eigenheilern oder von solchen Personen, die nicht zu den Einkommenschwachen gehörten, aber für Einkommenschwache andere Wohnungen frei machen wollten, vorlägen, ist in Nordrhein-Westfalen genau das Umgekehrte zu verzeichnen. Dort ist entgegen dem Wortlaut des § 31 des Gesetzes und entgegen der Haltung, die gerade das Land Nordrhein-Westfalen, wie auch Ihnen bekannt ist, bei den Beratungen zum Zweiten Wohnungsbaugesetz eingenommen hat, auf einmal eine quotenmäßige feste Bindung von Mitteln zugunsten des einkommenschwachen Bevölkerungsteils erfolgt,
und zwar in Höhe von 70 % der zur Verfügung gestellten Mittel, bis zum Oktober dieses Jahres befristet. Dort stellt sich nun, für die gesamte soziale Struktur sicher erfreulicherweise, heraus, daß in dieser Höhe im Augenblick gar keine Anträge aus diesem Bevölkerungskreis für die einzelnen Gruppierungen vorliegen. Wir hoffen, in Kürze mit dem Land Nordrhein-Westfalen diese im Gegensatz zu früher bei den Beratungen eingenommene ablehnende Haltung gegenüber einer quotenmäßigen Bindung aufklären und bereinigen zu können, so daß auch das wieder in eine bessere Entwicklung hineinkommt.
Ich darf Sie nun einmal darauf aufmerksam machen — ich glaube, darauf hat der ganze Deutsche Bundestag einen Anspruch —, was sich aus dieser seltsamen Handhabung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in einzelnen Ländern für beachtenswerte Ergebnisse herausgeschält haben. Dabei stimme ich vollkommen mit dem überein, was Herr Kollege Stierle zum Schluß sagte: daß schnelle Abhilfe not tut. In den Monaten von Januar bis April 1956, also im ersten Drittel des vergangenen Jahres, sind an öffentlichen Mitteln für den sozialen Wohnungsbau in den Ländern 512,9 Millionen DM bewilligt worden. Damit ist die Entwicklung des Wohnungsbaues zügig vorangeschritten. In den ersten vier Monaten dieses Jahres — bitte, meine Damen und Herren, notieren Sie sich einmal diese Zahlen! — sind ganze 103,8 Millionen DM bewilligt worden, d. h. 409,1 Millionen DM weniger, obwohl, wie ich Ihnen vorhin sagte, vom Bund allein schon netto einschließlich Lastenausgleichsmitteln 300 Millionen DM mehr an die Länder verteilt worden sind.
— Darauf komme ich gleich zurück.
Ich darf ein weiteres kurz erwähnen. Wir haben
— diese Sorge wird sicher auch von Ihnen geteilt — in den letzten Monaten alles mögliche aufgewandt, um die Schwierigkeiten in der erststelligen Finanzierung zu überwinden, die vorübergehend aufgetaucht waren, und wir haben immerhin als Ergebnis zu verzeichnen, daß an Kapitalmarktmitteln im gleichen Zeitraum — wieder 1956 und 1957 verglichen — gegenüber 1590,7 Millionen DM im Januar/April 1956 1595,7 Millionen DM in den Monaten Januar bis April 1957 zugesagt wurden, d. h. 5 Millionen DM mehr als im vergangenen Jahr. Demgegenüber ist bei den öffentlichen Mittelbereitstellungen in den Ländern ein Unterschied von minus 409,1 Millionen DM zu verzeichnen.
Jetzt sagen Sie, Herr Kollege Jacobi, das hänge mit technischen Schwierigkeiten beim Zweiten Wohnungsbaugesetz zusammen. Ich glaube, man kann hier vor der deutschen Öffentlichkeit allein mit zwei Zahlen zeigen, welches wohl der tatsächliche Hintergrund von „technischen Schwierigkeiten" sein mag. Es ist festzustellen, daß in den Ländern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen und Bremen — ich glaube, auch Ihnen ist bekannt, daß das Länder sind, deren Regierungen nicht gerade die Zusammensetzung unserer Regierungskoalition aufweisen — bis jetzt durch die Bewilligung von öffentlichen Mitteln nur 7,5 % der sozialen Wohnungen des Zeitraums Januar/April 1956 gesichert worden sind,
nämlich 4091 gegen 54 118, während in den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Rheinland-Pfalz, deren Regierungen eine andere politische Zusammensetzung aufweisen, bereits 45 % des Vorjahres erreicht worden sind, nämlich 7659 gegen 19 521.
Da muß man sich wohl fragen, ob es allein eine technische Schwierigkeit sein kann, wenn sich auf einmal eine so starke Gegensätzlichkeit zwischen der einen und der anderen Ländergruppe ergibt.
Lassen Sie mich noch zum nächsten Punkt etwas sagen, zum Spezialproblem des Wohnungsbaues für Sowjetzonenflüchtlinge. Daß dieser eines der schwierigsten und ernstesten Anliegen darstellt, die den Bund und die Länder in ,den letzten Jahren immer wieder zu beschäftigen hatten, wird von niemandem bestritten. Ich darf aber auch hier nur auf einige Tatsachen hinweisen. Es ist gerade im letzten Jahr mit Wirkung für dieses Jahr gelungen, von der Bundesebene aus die Mittel pro Kopf von 1500 auf 2000 DM zu erhöhen. Es ist ferner in Vereinbarung mit den Ländern gelungen, die Anrechnung der hereingekommenen Flüchtlinge auf eine neue Grundlage zu stellen. Das hat sich in der Summierung beider Ergebnisse so ausgewirkt, daß der Haushaltsansatz von 196,124 Millionen DM im Jahre 1956/57 auf 458,272 Millionen DM in diesem Jahr erhöht worden ist, und diese sind ebenfalls bereits auf die Länder verteilt. Dazu enthält dieser Haushalt noch Bindungsermächtigungen zugunsten des gleichen Personenkreises in Höhe von 370,0 Millionen DM, so daß insgesamt an Finanzierungsmöglichkeiten ein Volumen von 828,3 Millionen DM zur Verfügung steht. Mit dieser außerordentlichen Steigerung ist das Problem der Finanzierung im Einzelfall selbstverständlich nicht restlos gelöst. Aber beides zusammen ginge über die Leistungsfähigkeit des Bundes hinaus. Wenn eine Steigerung von 196,124 auf 828,3 Millionen DM eingetreten ist, so ist klar, daß der Bund seinen Teil geleistet hat. Man kann wohl davon ausgehen, daß — bei einer durchschnittlichen öffentlichen Förderungssumme von 9000 DM — die Länder auch ihren Restteil noch hätten beitragen können.
Ich sehe, das Haus ist im wesentlichen überfordert, wenn ich auch die anderen Fragen noch beantworte; ich will das dann hinsichtlich der offengebliebenen Fragen des Bundesbedienstetenwohnungsbaues, des Landarbeiterwohnungsbaues, der Statistik und der kleineren Fragen schriftlich tun.
Herr Bundesminister, gestatten Sie dem Abgeordneten Jacobi eine Frage?
Bitte!
Gestatten Sie eine Frage, damit ich mich nicht ausdrücklich noch zur Diskussion melden muß. Ist es möglich, daß die Unterschiede, die sich nach Ihrer Darstellung zwischen den Ländern bei der Bewilligung der öffentlichen Mittel in diesem Jahre bisher ergeben haben, darauf zurückzuführen sind, daß in den von Ihnen genannten Ländern eventuell im Wege der Vorwegbewilligung bereits in einem erheblichen Maße Beträge ausgegeben wurden, die statistisch zu Anfang dieses Jahres nicht in Erscheinung traten, oder daß hier besondere Schwierigkeiten, etwa der Restfinanzierung, der Hypothekenbeschaffung oder der Baulandbeschaffung, in einem stärkeren Umfang als in den anderen Ländern eine Rolle spielen?
Herr Kollege Jacobi, daß im Laufe des letzten Jahres eine große Anzahl von Vorwegbewilligungen noch nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz gerade in diesen Ländern zu verzeichnen ist, verstärkt ja nur das Gewicht der Argumente, die ich vorhin vorgetragen habe. Es ist in der Tat so, daß dort eine besonders erhebliche Vorwegbewilligung erfolgt ist.
Zu dem zweiten Teil Ihrer Frage. Die Schwierigkeiten in der Restfinanzierung und in der Bereitstellung erster Hypotheken sind offensichtlich kein Hinderungsgrund. Ich bitte Sie, dazu sogar die Ausführungen Ihres Kollegen Stierle nachzulesen, der ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß auch die Antragsteller in Oberfranken wie in Nordrhein-Westfalen über erste Hypotheken verfügen und nicht wissen, ob sie längere Zeit Bereitstellungsprovision zahlen müßten.
Gestatten Sie eine Zusatzfrage?
Bitte sehr!
Herr Minister, würden Sie es mir übelnehmen, wenn ich feststelle, daß Ihre kommentierende Bemerkung geeignet ist, die von Ihnen hier aufgestellten Behauptungen in einem anderen Licht erscheinen zu lassen? Glauben Sie nicht auch, daß Ihre Bemerkungen dazu angetan waren, sehr einseitig einen Schatten auf die genannten Länder zu werfen?
Herr Kollege Jacobi, ich möchte umgekehrt sagen, daß Sie, wenn ich Ihnen jetzt einmal die Einzelzahlen nenne, dadurch noch mehr beeindruckt sein würden.
— Gut. Aber wenn man feststellt, daß in einem
Land wie Nordrhein-Westfalen im ersten Drittel
des vergangenen Jahres — um nur dieses Beispiel
herauszugreifen — im sozialen Wohnungsbau 27 011 Wohnungen und in diesem Jahr ganze 342 Wohnungen bewilligt wurden,
dann, glaube ich, sprechen die Zahlen auch ohne meinen Kommentar eine so eindeutige Sprache, daß sie der Öffentlichkeit deutlich sagen, daß es in manchen Fällen weniger an den Mitteln als an den Vermittlern des Gesetzes in den Ländern gelegen haben muß.
Ich will, wie ich Ihnen schon sagte, die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses heute nicht weiter in Anspruch nehmen. Aber soviel 'dürfen Sie mir als Sprecher der Bundesregierung gestatten, daß ich noch einmal unterstreiche: wenn in allen Ländern in derselben Weise, wie es in den vergangenen Jahren der Fall gewesen ist, auch in diesem Jahre — wie ich hoffe, wird der Appell heute nicht vergeblich gewesen sein — die Mittel in Gang gesetzt werden, bedarf es zur Erreichung der gleichen Leistung trotz aller Schwierigkeiten keiner zusätzlichen Bewilligungen, die wir im Augenblick angesichts der gesamten Haushaltslage auf Bundesebene leider auch gar nicht ermöglichen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Stierle.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was uns der Herr Minister jetzt vorgetragen hat, ist Anlaß, in eine gründliche Nachprüfung einzutreten, wie die Dinge von den Ländern eigentlich gehandhabt werden.
— Ich werde dann ganz an Ihrer Seite stehen. Wir werden das prüfen. Ich bin überzeugt, die Länder werden dieser Prüfung mit Ruhe und Sicherheit entgegensehen.
Ich werde die Zahlen, die wir nachher dem Bericht
entnehmen können, sehr aufmerksam studieren
und an die Stellen weiterleiten, die sie angehen.
Meine Damen und Herren, der Streit zwischen Ihnen und uns geht doch im Grunde genommen eigentlich nur darum: wie werden die zu geringen öffentlichen Mittel verwendet? Das ist die Frage. Sie geben im Grunde selbst zu, daß die 700 Millionen DM zu gering sind. Und wenn uns der Herr Minister jetzt vorzurechnen versucht hat, daß die drohenden oder sicheren Kürzungen, die ich am vorigen Donnerstag in später Abendstunde Ihnen hier vorgetragen habe, nicht in dem Umfang eintreten würden, dann bleibt abzuwarten, wie das in der Praxis aussieht. Weil es aber zu wenig Mittel sind, liegt uns besonders ,daran, zu wissen, wie sie verteilt werden.
Ihnen liegt vordringlich die Eigentumsförderung am Herzen. Ob Stockwerkwohnung, ob Kleinsiedlung, ob Familienheim, — es ist ohne Zweifel eine ideale Sache, und es ist bei uns kein Mensch zu finden, der etwa gegen die Eigentumsbildung wäre. Wir sagen aber: weil die Mittel zu gering sind und die Notstände insbesondere in den Städten, in den Lagern und sonstwo noch riesengroß sind, muß hier sehr vorsichtig abgewogen werden, wie die Mittel zu verteilen sind. Es ist vor dem eigenen Gewissen nicht zu verantworten, in diesem Maße die Bildung von Eigentum voranzutreiben,
wenn auf der anderen Seite nicht an die Notstände herangegangen wird.
Der Herr Minister hat vorhin gefragt, ob es nicht mehr an dem Willen und weniger an den Mitteln liege. Überlegen Sie bitte folgendes: Jede Landesregierung steht vor der Frage, wie sie die wenigen Mittel verteilen soll, mit einem dezentralen oder einem zentralen Programm. Fließen die Mittel in ein dezentrales Programm, so führt das dazu, daß mehr als sonst Eigentumsmaßnahmen gefördert werden, einfach schon deswegen, weil die Gebiete, die im Rahmen eines dezentralen Programms mit Mitteln versorgt werden, weitgehend ländlichen Charakters sind. Aber darauf kommt es doch nicht an. Es geht uns darum, was übrigbleibt, damit man an die Notstände herankommt, die es in den Städten, in den Lagern und sonstwo noch in riesenhaftem Ausmaß gibt. An ,diese Notstände kommt man nicht mit dezentralen, sondern nur mit zentralen Programmen und besonderen Maßnahmen heran.
Deswegen stehen die Länder oft vor der Frage, ob sie überhaupt soviel Mittel in den dezentralen Bereich geben können, wie sie es gern möchten, wenn sie nachher mit Bedauern feststellen müssen, daß für die Beseitigung echter Notstände nichts übrigbleibt. Ich will nicht alles wiederholen, was ich am Donnerstag angeführt habe. Es bleibt die Tatsache bestehen: die Prämienmittel werden, soweit sie über 100 Millionen DM hinausgehen, den Ländern von den Mitteln abgezogen, die ihnen allgemein zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues zur Verfügung stehen.
Die 458 Millionen DM, die für den Sowjetzonenflüchtlingswohnungsbau bestimmt sind, reichen nicht aus. Es ist gar keine Frage, daß die Länder erheblich aus ihren knappen Mitteln zuschießen müssen.
Ich habe mich in der Zwischenzeit in Hessen erkundigt. Dort stehen für den Flüchtlingswohnungsbau 40 Millionen DM zur Verfügung. Das Land muß, wenn es das Programm durchführen will, aus eigenen Mitteln 27 Millionen DM zuschießen. Diese 27 Millionen DM gehen dann aber von den schon zu knappen Mitteln ab, die insgesamt zur Verfügung stehen.
Für die Landarbeiterwerkswohnungen, für den Bergarbeiterwohnungsbau gilt das in genau der gleichen Weise.
Wir sind deswegen der Auffassung, daß die Mittel von 700 auf 1000 Millionen DM erhöht werden müssen. Selbst wenn noch einiges abgezogen wird oder zur Kürzung beiträgt, bleibt wenigstens der Grundstock von etwa 700 Millionen DM gerettet, den man dann zur Förderung für den allgemeinen Wohnungsbau zur Verfügung hat. Wir bitten Sie, diesem Antrag zuzustimmen. Es muß auch möglich sein — ich will nicht das wiederholen, was mein Freund Schoettle heute morgen in der allgemeinen Aussprache gesagt hat —, diese Mittel flüssig zu machen.
Ich habe auch noch ganz kurz zu dem Antrag Umdruck 1173 zu sprechen. Wir haben hier wieder beantragt, den Ländern Darlehen zur Finanzierung der Anlage von Dauerkleingärten in Höhe von 2 Millionen DM zu geben. Am Donnerstag ist die Angelegenheit etwas unglücklich gelaufen. Es lagen zwei Bleichlautende Anträge von der SPD und vom GB/BHE und gleichzeitig ein Antrag vor, der sowohl von Mitgliedern meiner Fraktion als auch von Mitgliedern Ihrer Fraktion unterschrieben war. Abgestimmt wurde zunächst über den Antrag der SPD und des BHE; er wurde abgelehnt. Bedauerlicherweise ist dann über den zweiten Antrag nicht mehr abgestimmt worden, nachdem der Kollege Lücke erklärt hatte, er sei gewissermaßen durch die ablehnende Haltung zum ersten Antrag erledigt.
— Es geht gar nicht um die Wahlpropaganda, verehrter Kollege Lücke, sondern es geht darum, für einen guten und nützlichen Zweck diese verhältnismäßig geringe Summe aufzubringen. Nachdem die Kleingärtner selbst protestiert hatten, waren Sie, Herr Kollege Lücke, heute bereit, mit uns gemeinschaftlich erneut diesen Antrag zu stellen.
— Es handelt sich gar nicht um Agitation, sondern es handelt sich darum, den Kleingärtnern in bescheidenem Umfang finanziell zu helfen.
Deshalb bitten wir Sie, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, im weiteren Verlauf der Verhandlungen mit Zwischenrufen möglichst zurückzuhalten, weil sie leicht neue Wortmeldungen zur Folge haben, und die Verhandlungen sich des längeren hinziehen, was wir wohl alle in dieser Nachtstunde nicht unbedingt wünschen.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Befürchten Sie nicht, daß ich etwas sage, was Sie veranlassen könnte, zu protestieren. Ich habe lediglich eine kommentierende Bemerkung zumachen, nachdem der Herr Kollege Lücke einen wohl etwas unbedachten und unüberlegten Zwischenruf gemacht hat.
— Dann ist es um so schlimmer, Herr Kollege Lücke, daß Sie einen Antrag, den Sie selbst mit eingebracht haben, als Agitationsantrag bezeichnen. Es handelt sich bei Umdruck 1173 um den Kleingärtnerantrag. Wir haben ihn im Wortlaut Ihres ursprünglichen Antrags wieder eingebracht. Die Ausgestaltung und Förderung der Dauerkleingärten sollte uns doch eigentlich zu einem gemeinsamen Entschluß bewegen können. Hier geht es nicht um Agitation, sondern um Abstellung eines Notstandes. Wir bitten Sie also, dem von uns und
vom GB/BHE eingebrachten Antrag, der Ihrem in der zweiten Beratung eingebrachten Antrag entspricht, zuzustimmen.
Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; abgelehnt.
Ich komme zu dem Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 1158 Ziff. 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; abgelehnt.
Damit sind alle Änderungsanträge erledigt. Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan 25 mit der beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Einzelplan 25 ist damit erledigt.
Ich muß noch abstimmen lassen über den Bericht des Haushaltsausschusses Drucksache 3467 Ziffern 2 und 3. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich urn idas Handzeicheen. — Ich 'bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf den Einzelplan 26:
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte
zusammen mit dem Änderungsantrag auf Umdruck 1141 [Anl. 38].
Wird der Antrag begründet? — Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem unerwarteten Ablauf der zweiten Lesung des Einzelplans 26 mögen manche Her-
ren im Bundesvertriebenenministerium gedacht haben: wir sind noch einmal davongekommen.
Ich bedauere, dem Hause heute nicht die Möglichkeit geben zu können, seinerseits zu einem ähnlichen Gedanken zu gelangen. Ich muß zu dem Einzelplan 26 doch noch einige Ausführungen allgemeiner Art machen. Ich habe mich natürlich vorher selber ,gefragt, ob es überhaupt Sinn hat, in diesem Zeitpunkt und in diesem Bundestag zu diesem Etat, d. h. zu der von diesem Ministerium betriebenen Politik noch das Wort zu nehmen, oder ob eine stumme Handbewegung: schweigen wir darüber, nicht am sichtbarsten machen würde, was wir davon halten. Nun, vielleicht sind bei dem unerwarteten Ablauf der zweiten Lesung auch auf den Vertriebenensitzen der Regierungsbank ähnliche Gedanken aufgetaucht, weshalb plötzlich rote und blasse Gesichter zu verzeichnen waren. Denn nicht einmal mehr einer Kritik gewürdigt zu werden, wäre in der Tat die vernichtendste Kritik.
— Nein, Herr Kollege Vogel. Ihr Zwischenruf ist ja nur eine Bestätigung ,dessen, daß Sie auch jetzt meinen Versuch, Ihnen das zu erklären, einfach überhaupt nicht an sich herangelassen haben.
Meine Damen und Herren! In diesem Ministerium wurde 1953, nach dem Antritt des neuen Ministers, sehr viel Geräusch gemacht, und es verging kaum ein Tag ohne eine neue Schlagzeile, ohne neue Ankündigungen, ohne Pläne oder Erfolgsvoraussagen.
Erst nach wiederholten Warnungen und Mahnungen von uns, lieber nun endlich zur Sache zu kommen, wurde man stiller; und als man auf den sozialdemokratischen Antrag hin vor einem Jahr gezwungen wurde, nun eine handfeste Bilanz über den Stand der Eingliederungsmaßnahmen vorzulegen, und als so die Beschwerung sichtbar wurde, da verstummten die optimistischen Fanfaren des Anfangs vollends; denn man mußte nun eingestehen, daß man zwar im Laufe der Zeit seit 1945 quantitativ bis etwa zur halben Lösung gekommen war, daß aber der verbliebene sogenannte harte Kern nicht viel mehr als angeknabbert war. Es ist ja auch klar, daß die ersten Stufen sich immer leichter gehen und daß erst die letzten schwer werden und die Atemnot bringen.
Meine Damen und Herren, ich will mir die Eingliederungsbilanz, die uns mit diesem Bericht des Ministeriums vorgelegt worden ist, keinesfalls vorbehaltlos zu eigen machen. Schon nach den zeitlichen Ausgangspunkten erscheint sie mir in mancher Hinsicht zu vage. Aber selbst diese Bilanz — das ist symptomatisch für die Arbeit dieses Ministeriums — ist so wenig gründlich und so improvisiert, daß sie als Grundlage für eine verläßliche und endgültige Beurteilung und Entscheidung über die noch notwendigen Maßnahmen unbrauchbar ist. Immerhin, das Ministerium und der Minister haben sie mit ihrem Namen gedeckt, und der Minister trägt damit die Verantwortung für ihren Inhalt.
Lassen Sie mich zu der Frage der Verantwortung eines ganz klar und deutlich sagen. Natürlich wissen wir, daß die Kompetenzen des Vertriebenenministers beschränkt sind und daß in erster Linie der Bundeskanzler, der Finanzminister und die größte Regierungspartei, die CDU, die Verantwortung dafür tragen, daß die Dinge in diesen vier Jahren nicht in dem erforderlichen und möglichen Maße vorangekommen sind. Der Bundeskanzler und der damalige Sprecher der CDU, von Brentano, hatten ja bei der Regierungserklärung und der anschließenden Aussprache im Oktober 1953 geradezu emphatische Worte des Dankes und der Anerkennung für die Haltung eines großen
Teils der Vertriebenen bei jener Wahl gefunden, und beide versprachen, in dieser Haltung der Vertriebenen eine Verpflichtung zu sehen, künftig mehr für die Geschädigtengruppen zu tun. Herr von Brentano hatte sogar erklärt, die Initiative in dieser Hinsicht gar nicht erst den Vertriebenenkollegen überlassen zu wollen.
Nun, meine Damen und Herren, eines ist in diesen vier Jahren erreicht worden: daß man in weiten Teilen der westdeutschen Öffentlichkeit über dieses Problem nicht mehr diskutieren will. Aber das Problem selbst hat man nicht beseitigt; damit, daß man einen Vorhang vor unerfreuliche Gegenstände zieht, beseitigt man ja ihre Existenz nicht. Hier hat man mit dieser Methode und mit dieser Art der Behandlung der Dinge nur weitgehend das Gewissen in der Öffentlichkeit erdrückt.
Auch Bundesfinanzminister Schäffer hat ja einmal den Mut gehabt, zu erklären, auch er habe ein Herz für die Vertriebenen, Flüchtlinge und anderen Kriegsgeschädigten. Er hat sein Herz in diesen vier Jahren wohl sehr tief und fest verwahrt gehabt, daß diese Gruppen so wenig davon zu spüren bekommen haben.
Und die Initiative der Christlich-Demokratischen Union, die sie nach den pathetischen Worten von Herrn von Brentano im Oktober 1953 selbst ergreifen und den Vertriebenen nicht überlassen wollte? Ich übersehe durchaus nicht, meine Damen und Herren von der CDU, die ehrenwerten persönlichen Bemühungen mancher Kollegen unter Ihnen um die Dinge, und wir stellen durchaus fest, daß viele ehrenwerte Einzelbemühungen unternommen worden sind. Aber sie haben sich eben nicht durchsetzen können.
Aber die Initiative — und das ist ja das, was wir erwarten mußten — der christlich-demokratischen Fraktion selbst, wo ist sie in diesen vier Jahren geblieben? Sie als die die Regierung tragende und daher alle Macht und Möglichkeiten besitzende Fraktion hätte, wenn sie wirklich den Willen zu einem durchgreifenden Handeln in dieser Frage gehabt hätte, auch etwas erreichen können. Aber Sie haben die Dinge treiben lassen, und die Fraktion der CDU hat sich dem Regierungsbefehl gebeugt. Also hat sie auch in corpore gewollt, daß keine neuen ernsthaften Anstrengungen und Maßnahmen erfolgten, sondern daß eben nur in dem alten Tempo und in dem alten unzulänglichen Maße weiter verwaltet wurde.
Gewiß, meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben den einen oder anderen Einzelantrag eingebracht. Aber was ist für die Lösung des noch Millionen Menschen bewegenden Gesamtproblems ernsthaft geschehen? Ihre Große Anfrage vor zwei Jahren — falls Sie das nachher vorhalten sollten — wurde ja bestellt, und auch erst dann, als die sozialdemokratischen Anträge hier vorlagen und es kein Ausweichen mehr gab. Ich habe Ihre Anfrage schon damals als einen taktischen Trick bezeichnet, um sich optisch bei den Betroffenen vor die sozialdemokratische Initiative zu schieben.
Niemand von uns wird bestreiten wollen, daß manches in diesen vier Jahren vorangekommen ist und im Zuge der verwaltungsmäßigen Durchführung der beschlossenen Gesetze usw. erhebliche Beträge für die verschiedenen Geschädigtengruppen aufgewendet worden sind. Es wäre ja auch absurd, wenn das nicht der Fall gewesen wäre. Wir wollen also durchaus nichts verkleinern oder herabsetzen, aber wir wollen auch nichts künstlich aufbauschen und vergrößern lassen, sondern die Dinge sehen, wie sie wirklich sind.
Dafür, wie die Dinge sind und wie sie liegen, möchte ich Ihnen heute nur einen Kronzeugen nennen und zitieren, den auch Sie ganz gewiß nicht als in diesen Dingen befangen und vorbelastet, sondern als unverdächtig anerkennen werden. Ich möchte Ihnen nämlich einige Ausführungen des Kollegen Hellwig in Erinnerung rufen.
— Ich bitte um die Erlaubnis des Herrn Präsidenten, ganz wenige Stellen zitieren zu dürfen.
— Kollege Dr. Hellwig hat damals in der Sitzung vom 9. Februar 1956 ausgeführt:
Die Eingliederung ... war und ist die wichtigste Aufgabe der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik.
Er hat weiter gesagt:
Was an produktiver Eingliederung bisher geschehen ist, trägt noch allzusehr das Kennzeichen der provisorischen Maßnahmen aus den ersten Jahren.
Am 9. Februar 1956!
Aufgabe ist jetzt, die provisorischen Aufnahme- und Übergangshilfe abzulösen und in eine planmäßige Eingliederungspolitik umzuwandeln.
Und weiter hat er gesagt: „Das Problem der Eigentumsbildung bei den Vertriebenen und Flüchtlingen in der breiten Masse ist bisher überhaupt noch nicht wirklich und wirksam angepackt worden."
Ein letzter Hinweis! Er hat ausgeführt:
Ich habe nur einen Wunsch und eine Besorgnis, die mir auch durch die Ausführungen des Herrn Bundesministers für Vertriebenenfragen bestätigt zu sein scheint: Von einer Koordinierung aller in diesen Dingen zuständigen behördlichen Organe sind wir noch weit entfernt.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, das sind die Dinge, die auch wir meinen und die wir gerügt haben. Ich habe damals den Mut und den Freimut anerkannt, mit dem Herr Kollege Hellwig diese Dinge festgestellt hat, habe ihn aber darauf hingewiesen, es läge an ihm, an seiner Fraktion, die Konsequenzen zu ziehen. Diese Konsequenzen sind nicht gezogen worden.
Wir sehen also alle diese Dinge im Verhältnis zu den Möglichkeiten und der Verantwortung des Vertriebenenministers durchaus. und wir streichen dem Bundeskanzler und der Christlich-Demokratischen Union von ihrer Schuld an der Entwicklung nicht das geringste ab. Aber Herr Minister Oberländer, das alles vermindert Ihre eigene Verantwortung und Ihre Schuld hierfür nicht. Sie kannten den Kanzler, Sie kannten den Bundesfinanz-
minister, Sie hatten früher an ihnen selber oft genug Kritik geübt. Sie kannten die Kompetenzen und Möglichkeiten Ihres Ministeriums, und vor allem kannten Sie Ihre Aufgaben. Als es seinerzeit um Ihre Berufung zum Minister des Ressorts ging, erklärten Sie, daß Sie bis zum Dezember 1953. zurücktreten würden, wenn Ihnen das Bundesausgleichsamt nicht unterstellt würde; denn Sie meinten, wenn Sie es jetzt nicht bekämen, würden Sie es nie bekommen, und ohne dieses Amt wäre Ihr Ministerium ein Torso.
Sie haben die Lage durchaus richtig beurteilt. Nur haben Sie aus Ihrem eigenen Urteil — auch später nicht — keine Konsequenzen gezogen. Wenn Sie die Sache über Ihre eigene Person gestellt hätten, hätten Sie nicht nur von Demission reden und sie vielleicht sogar einmal anbieten dürfen, sondern Sie hätten auch wirklich zurücktreten müssen, und zwar in dem Augenblick, in dem Sie erkannten, daß dieses Kabinett allen großartigen Ankündigungen zuwider zu einer wirklich durchgreifenden Initiative und Politik auf diesem Gebiet nicht bereit ist. Das wäre eine Demonstration gewesen, die vielleicht auch das öffentliche Bewußtsein aufgerüttelt hätte.
Vielleicht hätten sich sogar der Kanzler und die CDU den Auswirkungen einer solchen Demonstration nicht entzogen, vielleicht wären sie zurückgewichen. Aber diese Härte haben Sie nicht aufgebracht. Sie haben sich durch Ihren Übertritt zur CDU/CSU seinerzeit sehenden Auges vollends und auch den kleinen Finger und das letzte Glied Ihres kleinen Fingers selber gebunden.
So ist unter Ihrer Ägide das Bundesvertriebenenministerium aus einem Ministerium für die Betreuung der Heimatvertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten faktisch zu einem Ministerium zur Beschwichtigung dieser Gruppen herabgesunken.
Ich will auf keine Einzelheiten in sachlicher Hinsicht eingehen; denn dieser Bundestag und diese Regierung werden zu dieser Stunde und in der ihnen noch verbleibenden Zeit nicht mehr in der Lage sein, irgend etwas zu ändern.
Nur eine Frage will ich noch stellen.
Wir haben bereits in Berlin über die dringende Notwendigkeit, in der Aussiedlerfrage etwas zu unternehmen, gesprochen. Wie lange ist das her! Ich habe mich damals dem grundsätzlichen Begehren des Antrags des BHE angeschlossen und Ihnen warnend zugerufen: warum hinkt die Bundesregierung immer hinter den sozialen Problemen her? Was ist in dieser ganzen Zeit auf diesem dringlichen Gebiet Ernsthaftes geschehen?
Noch ein Letztes! Wir stehen jetzt vor der Verabschiedung der Zweiten Novelle zum Bundesvertriebenengesetz. Sie wissen genau, wie notwendig diese Verabschiedung ist, wenn wir nicht einen verhängnisvollen Bruch in der ländlichen Siedlung der vertriebenen Bauern eintreten lassen wollen. Alle Zeitungen schreiben über den Dringlichkeitskatalog: viel wird darüber diskutiert. Aber ich habe bisher noch nicht einen Laut von Ihnen, Herr
Minister, vernommen, daß Sie dafür sorgen und eintreten wollen, daß diese Novelle zum Bundesvertriebenengesetz auf jeden Fall auf die Liste der Gesetze kommen muß, die unbedingt noch von diesem Bundestag verabschiedet werden müssen. Es wäre sehr interessant, von Ihnen zu erfahren, was Sie in dieser Hinsicht zur, ich möchte sagen, Aufbereitung Ihrer eigenen Fraktion und des Bundeskabinetts unternommen haben. Jetzt sind wir im Torschlußgedränge. Der Vertriebenenausschuß hat alles getan, um diese Novelle, die, obwohl die Probleme völlig bekannt waren, erst am 9. März dem Bundestag zugeleitet worden ist, noch reif zur Verabschiedung zu machen. Wir werden abwarten, inwieweit die Fraktion der CDU bereit ist, ihrerseits das Erforderliche zu tun.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir haben in der dritten Lesung eine Generaldebatte; sie ist schon gewesen.
— Bitte kein Beifall für den Präsidenten; ich habe nur meine Pflicht zu tun.
— Lassen Sie mich doch ausreden! Ich will Ihnen einen vernünftigen Vorschlag machen. Wir haben hier eine Spezialdebatte und uns nach der Geschäftsordnung nur auf die vorliegenden Änderungsanträge zu konzentrieren.
— Lassen Sie mich doch zu Ende reden! Vielleicht kommt etwas ganz Vernünftiges dabei heraus.
— Wollen Sie mich bitte anhören! Im allgemeinen ist es ja wohl üblich, daß man dem Präsidenten zuhört.
Ich habe Verständnis dafür, daß das, was in der zweiten Lesung infolge der Zeitverknappung nicht gesagt werden konnte, jetzt gesagt wird. Ich habe hier den Zustand vorgefunden, daß sich eine generelle Debatte entwickelt hat, möchte aber doch bitten, sich dem Umstand, daß die Geschäftsordnung an sich etwas anderes vorschreibt, ein wenig anzupassen. Ich muß nun den nachkommenden Rednern loyalerweise auch gestatten, in genereller Form zu antworten. Aber ich bitte Sie, Herr Kollege, und die kommenden Redner sehr, sich dann doch wenigstens, auch wenn Sie generell sprechen, so zu verhalten, daß ein gewisser Zusammenhang mit dem Änderungsantrag besteht. — Ich bitte, fortzufahren, Herr Kollege.
Ich will den Wunsch des Herrn Präsidenten selbstverständlich respektieren und zum Schluß nur noch auf folgendes hinweisen.
Gegenüber dieser bemerkenswerten Passivität des Vertriebenenministeriums und seiner Führung nach der sachlichen Seite hin, habe ich davon sprechen hören, daß, Herr Minister Oberländer, im Gegensatz zur Behandlung der sachlichen Dinge jetzt in personalpolitischen Fragen eine merkwürdige Aktivität entfaltet wird, daß man zu vorzeitigen Pensionierungen rät, um noch vor den Wahlen bestimmte Personen in bestimmten Planstellen zu verankern.
Wenn das wahr ist, Herr Minister, wäre das in der Tat das schlechteste Schlußsiegel, das Sie unter Ihre Tätigkeit setzen könnten.
Ich möchte dringend empfehlen, daß Sie die Erinnerung an diese vier Jahre Ihrer Ministerzeit über das sachliche Versagen hinaus nicht auch noch persönlich mit einem solchen Tatbestande belasten.
Im übrigen können wir im Interesse all der Betroffenen nur hoffen, daß der nächste Bundestag durch eine andere Zusammensetzung bessere Voraussetzungen für die Behandlung dieser Probleme schaffen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich ganz kurz fassen. Der Herr Vorredner hat leider völlig vergessen, zu erwähnen, daß in dieser Legislaturperiode, vom 1. Oktober 1953 bis zum 30. April 1957 1 251 000 Menschen aus dem Osten in die Bundesrepublik hinzugekommen sind und daß wir mit der ganzen Eingliederung ungleich weiter wären, wenn wir nicht diesen neuen Strom dauernd hier aufzunehmen hätten. Das hat er völlig vergessen.
Im übrigen besteht natürlich bei uns die Meinung
— darüber gibt es keinen Zweifel —
— wir haben jetzt keine Zeit, Herr Keller; Sie haben eben gehört, daß ich ganz kurz antworten muß —, daß auf diesem Gebiet die Grenzen des Staates eng gezogen sind und daß es der persönlichen und menschlichen Hilfe des einzelnen bedarf. Ich habe die Mitarbeit der Verbände immer anerkannt, weil sie gerade im Menschlichen das tun müssen und tun können, was der Staat nicht tun kann.
Wir haben bis heute immerhin 250 000 selbständige Existenzen geschaffen. Das wird vom Ausland viel mehr anerkannt als bei uns. Die Schwierigkeiten, die aus unserer föderalistischen Verfassung erwachsen, sind bei meinem Kollegen Preusker vorhin angeklungen. Die Schwierigkeiten, daß man sich heute mit rund 66 Länderministern gut stehen muß, wenn man überhaupt die Probleme meistern will, sind allerdings Herrn Rehs, wie mir scheint, unbekannt. Mir scheint, daß man das einmal erwähnen muß.
Ich danke ihm für die Besorgnis, die er für mein persönliches Schicksal hat. Das ist sehr erfreulich; so etwas findet man heute selten.
Erlauben Sie mir zwei Zitate: Ich weiß nicht, Herr Kollege Rehs, ob Sie den SPD-Pressedienst lesen. Ich lese ihn und ich muß sagen, daß ich dort oft sehr Interessantes finde. Da steht z. B. an einer Stelle:
Großartiges wurde bei der Eingliederung von Vertriebenen erreicht. Durch Aufbaudarlehen,
Landesbürgschaften, produktive Eingliederungs- und Existenzbeihilfen kamen viele Hunderttausende wieder in den Genuß eines menschenwürdigen Daseins.
Oder: Der Kollege Jaksch, den wir alle sehr schätzen, hat auf der Tagung der Seeliger-Gemeinde in Eßlingen im Oktober des vorigen Jahres ausgeführt, es sei eine beispielgebende Leistung gewesen, 8,5 Millionen Vertriebene und 2,5 Millionen Ostzonenflüchtlinge einzugliedern und überhaupt unterzubringen; viele ausländische Staaten sollten sich daran ein Beispiel nehmen.
Die Eingliederung des Menschenstroms in Westdeutschland bezeichnete Jaksch als vielleicht größte Tat des deutschen Volkes, als zweite Hermannsschlacht und als gewaltigste Selbstleistung der deutschen Verwaltung.
— Meine Herren, wenn man von Erfolgskulisse spricht, so möchte ich nur feststellen: ich habe nicht davon geredet. Wer mich draußen in den Versammlungen sprechen hörte, weiß, daß ich in allen Versammlungen vor dem Rest gewarnt habe, der wirklich eine soziale Gefahr werden kann, und daß ich überall dazu aufgefordert habe — —
— Seit vier Jahren, Herr Rehs! Aber Sie hören meine Versammlungen nicht. Sie lesen offenbar nicht einmal den SPD-Pressedienst regelmäßig, also können Sie auch nicht darüber reden.
Informieren Sie sich bitte vorher.
Im übrigen will ich heute den Bundestag nicht aufhalten. Ich stehe Ihnen jederzeit Rede und Antwort und werde mich persönlich mit Ihnen gerne wegen einiger Dinge, die Sie hier gesagt haben, auseinandersetzen. Haben Sie keine Sorge!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Keller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde Sie nicht sehr lange aufhalten. Aber man soll nie den Tag vor dem Abend loben. Man soll nie die Freude über eine Farce eines Teils der zweiten Lesung empfinden, ohne zu glauben — —
— Ich bin Ihnen für den Zwischenruf dankbar, Herr Kollege Conring. Wir waren nicht da. Es waren sehr viele andere nicht da. Und von der Übung des Hauses, dann, wenn auch bei Ihnen sehr viele nicht da sind, besonders wenn die Uhren differieren, andere Punkte vorzuziehen, haben Sie diesmal wissentlich und vorsätzlich nicht Gebrauch gemacht. Sie haben damit der Haushaltsberatung im Bundestag keinen guten Dienst erwiesen.
— Sie hätten widersprechen können. Es steht mir nicht zu, den damals amtierenden Präsidenten zu kritisieren.
Ich werde mich kurz fassen. Ich habe nicht die Absicht — und es ist auch wohl nicht angebracht—, mich hier mit Herrn Minister Oberländer polemisch auseinanderzusetzen. Der Kollege Rehs hat vieles von dem, was zu sagen war, anklingen lassen. Wo der Herr Minister Oberländer im übrigen eine Polemik sucht, wird er sie bekommen, zur entsprechenden Zeit und am entsprechenden Ort, und wenn Anlaß besteht, zur Steuer der Wahrheit Dinge richtigzustellen, wird das ebenfalls geschehen.
Ich möchte heute im wesentlichen einige kurze sachliche Bemerkungen zu einigen Titeln des Haushalts machen und abschließend dem Herrn Minister Oberländer zwei Fragen stellen und ihn um die Beantwortung bitten.
— Frau Kollegin Weber, die Manuskripte sind bei Ihnen mehr zu Hause als bei uns!
— Gern!
Einmal möchte ich meinen, daß der Tit. 303, in dem Sie, meine Damen und Herren, seit Jahr und Tag Beträge dafür bewilligen, daß Deutsche in ausländischem Gewahrsam mit irgendwelchen Mitteln, die das schwere Leben dort leichter machen sollen, unterstützt werden, besser ausgebaut werden sollte, und zwar für die Zukunft, nicht für diesen Haushalt. Es handelt sich im wesentlichen um die Deutschen, die in der Sowjetunion heute noch zurückgehalten werden. Wir haben aus den Ausschußberatungen entnommen, daß nur nach einem Anhaltsschlüssel ein gewisser Teil der Betroffenen versorgt werden kann, jene, die man als die vordringlichsten Fälle bezeichnet hat. Es ist doch sehr schwer, wenn nicht unmöglich, von hier aus, fernab in der Bundesrepublik, festzustellen, welche Fälle dringlicher und welche Fälle weniger dringlich sind, wenn es unter den dortigen Verhältnissen ungleich dringliche Fälle überhaupt geben sollte. Daher unsere Anregung, in Zukunft vielleicht ein Verfahren zu entwickeln, mit dem man wirklich allen Betroffenen die Hilfe bringen kann, die ihnen gebracht werden soll.
Es ist weiter unser Anliegen, den Titel für Kulturförderungsarbeiten in Zukunft noch weiter auszubauen — ich will es mit einem Satz zu sagen versuchen —, weil das notwendig ist, wenn sich der Gedanke des deutschen Ostens in Zukunft nicht durch Zeitablauf in einem für uns alle ungünstigen Sinne erledigen soll.'
Mein Freund Engell wird zur Frage der Organisationszuschüsse für die Verbände noch einiges sagen. Ich möchte nur folgendes vortragen. Die Eingliederung der Vertriebenen, soweit sie stattgefunden hat, wäre unmöglich gewesen, jede denkbare staatliche Organisation wäre von vornherein hoffnungslos überfordert und von dem Strom der Schlangen, die in diesen Jahren dort standen und keinen einzigen Rat wußten, überfahren gewesen, wenn nicht die Verbände da eingesprungen wären und diese Aufgabe erfüllt hätten.
Ich bin der letzte, der dafür sprechen wollte, daß einige Verbandsfunktionäre unterstützt werden. Herr Vogel hat den Unterschied zwischen Verbänden und Vertriebenenproblem ziehen zu sollen geglaubt. Aber wie ist die Lage? Die Festigung der Verbände ist bei weitem noch nicht so fortgeschritten, wie man es denkt. Was an Mitgliedsbeiträgen unten aufkommt, wird dazu verbraucht, die örtlichen Betreuungsstellen, die heute noch zum Teil wegen der laufenden Novellierung der Gesetzgebung in den verschiedensten Sparten notwendig sind, zu unterhalten. Für den Ausbau an der Spitze — Herr Engell wird dazu noch Näheres sagen — bleibt dann kein Geld übrig.
Ich möchte noch einige Gedanken zu dem Informationstitel 300 sagen, den wir bei den allgemeinen Ausgaben haben. Er soll das Verständnis für das Vertriebenenproblem in all seinen Breiten und Schattierungen im In- und Auslande wecken. Auf beiden Seiten, im Ausland und im Inland, sollte in Zukunft noch mehr geschehen. Die Kenntnis des Auslandes auf diesen Gebieten ist, man sollte nicht sagen, sträflich — uns steht dieser Ausdruck nicht zu —, aber sie ist doch noch unerfreulich, und vieles müßte geschehen. Aber leider ist es auch im Inland so. Das ist eine Aufgabe, von der man sagen kann, daß sie die Bundesregierung unmittelbar nichts angehe. Aber mittelbar — die Bundesregierung nimmt sich doch auch sonst manchmal der verschiedensten Anliegen an, die nicht in ihre unmittelbare sachliche Zuständigkeit fallen — sollte jede deutsche Regierung Worte oder Maßnahmen auf diesem Gebiet finden. Es mehren sich und es wiederholen sich immer wieder die Fälle, in denen von deutschen privaten Stellen so getan wird, als wenn die Grenzen auch irgendwie rechtlich anerkannt würden, die Gewalt und Unrecht und Willkür und Völkermord 1945 faktisch gezogen haben. Ich meine das leidige Kapitel — bei dem man mir, wenn ich es anspreche, nicht unterstellen kann, nationalistisch werden zu wollen —, daß deutsche Instanzen, Reisebüros und Kartenverlage, in letzter Zeit sogar, wie ich hier einer sehr interessanten Mitteilung des Verbandes der Landsmannschaften entnehme, auch das Fernsehen im Falle des Süddeutschen Rundfunks, rechtlich auch heute noch deutsche Städte und Gebiete einfach mit dem Namen schmücken, die ihnen die Eroberer und Besatzer widerrechtlich gegeben haben. Meine Damen und Herren, das sollten wir alle uns nicht gefallen lassen. Ich darf hier einmal mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren:
Protest gegen Fernsehsendung
Die Mitglieder der Landsmannschaft Schlesien des Kreises Gelnhausen protestierten gegen eine Fernsehsendung des Süddeutschen Rundfunks, die den Aufbau Polens behandelte. Die Sendung wurde kritisiert, da in ihr eine Landkarte gezeigt wurde, auf der die Oder-NeißeLinie als Grenze eingetragen war und die Namen der jenseits dieser Linie deutschen Orte nur in polnischer Sprache vorhanden waren. Überdies habe man in dieser Sendung nur die Aufbauarbeit Polens gewürdigt, jedoch mit keinem Wort an die einstigen Leistungen deutscher Menschen in diesen Gebieten erinnert.
— Das weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist es ein schlechter Intendant.
Dagegen sollten wir alle etwas tun. Meine Bitte geht an die Bundesregierung, ob sie hier Zuständigkeiten besitzt oder nicht, gegen solche Dinge öffentlich mit allen Mitteln der Autorität, die sie sonst beansprucht, auf den Plan zu treten und zu
verhüten, daß hier ein nationaler Schaden eintritt. Wenn wir es selbst zulassen, daß die Eroberer Stalins diese Orte in ihrer Sprache benennen, werden wir uns eines Tages vielleicht vorhalten lassen müssen, daß wir selbst damit irgendwie Ansprüche aufgegeben hätten.
Zu den Verhältnissen der Vertriebenen selbst möchte ich heute nichts sagen. Der Kollege Czaja hat kürzlich in einem anderen Zusammenhang die Notverhältnisse, die da noch bestehen, mit sehr beredten Worten beschrieben. Wir wollen nicht darüber rechten, Kollege Czaja, wer die Eindrücke in diesen Milieus durch öfteren persönlichen Besuch gewinnt. Jedenfalls haben wir sie so oft und so unmittelbar gewonnen, daß wir darüber nicht zu reden brauchen.
Ich möchte aber folgende Fragen an den Bundesvertriebenenminister stellen. Herr Bundesvertriebenenminister, Sie haben damals mit unserer Unterstützung danach gestrebt, den Einfluß derer, die die Dinge aus ihrer unmittelbaren Erfahrung in ihrer Problematik und Komplexität kennen, selbst zur Geltung zu bringen dadurch, daß das Bundesausgleichsamt auch sachlich Ihrem Aufgabenbereich wirklich einverleibt wird. Das ist leider nicht geschehen. Sie haben so oft mit dem Rücktritt gedroht. Das ist die einzige polemische Äußerung, die ich mir gestatte, Herr Professor Oberländer. Der Rücktritt eines Oberländer ist ein Widerspruch in sich. Diese Erfahrungen haben allmählich alle in diesem Hause gesammelt. Aber Sie haben kürzlich hier bei der Debatte zum Lastenausgleich noch einmal als der unzuständige Minister, aus welchen Gründen auch immer, das Wort ergriffen. In diesen Tagen steht folgendes Problem an. Durch personelle Veränderungen wird das Bundesausgleichsamt in seinen Spitzen neu besetzt.
Dies ist schon im Gange. Keiner der Vertriebenen und keiner der Geschädigten, meine ich, sollte sich vernünftigerweise anmaßen, zu sagen: Dahin gehören nur Leute aus dem betroffenen Kreis. Das wäre nicht gut. Aber das Gegenteil ist sicherlich auch nicht der Weisheit letzter Schluß.
Dort Verhältnisse zu schaffen, wo kein einziger an der Spitze einen lebendigen, durch eigenes Erlebnis gefestigten Zusammenhang mit dem Problem hat, ist auch nicht gut. Uns würde Ihre Meinung als der Vertriebenenminister, der hier zum Lastenausgleich damals das Wort ergriffen hat, dazu noch interessieren.
Es besteht eine zweite Frage. Ich habe mir heute schon erlaubt, in der allgemeinen Aussprache die voreilige optimistische Meinung des heutigen Herrn Bundesaußenministers, damaligen Sprechers der CDU/CSU-Fraktion, zu zitieren. Uns würde auch Ihre Meinung interessieren — keine Antwort wäre auch eine Antwort —, wie Sie zu der damaligen Äußerung stehen, das Problem würde in vier Jahren so gelöst sein, daß man darüber nicht mehr zu diskutieren brauchte.
Das sind die Fragen, auf die wir Antworten erbitten.
Ich muß eine weitere Frage stellen in bezug auf einen Punkt, der mir vorhin Anlaß zu einem kurzen Zwischenruf gegeben hatte. Sie sprachen davon, daß mehr Menschen eingeströmt seien, als man vorher geglaubt habe. Meine Frage: Wußten Sie
das nicht? Waren Sie denn vollkommen überrascht nach all den Erklärungen, daß Millionen aus der Ostzone zu uns kommen würden? Diese Einrede können Sie nicht machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Vertriebene.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zur Frage der Pakete für Deutsche in der Sowjetunion. Ich bin mit dem Finanzminister darin einig, daß, soweit technisch möglich, jeder Deutsche in der Sowjetunion, den wir heute mit Paketen erreichen können, diese Pakete bekommen soll und daß die entsprechenden Mittel dafür vorhanden sind. Ich glaube, daß ich insofern Ihre Sorgen zerstreuen kann. Sie wissen selbst, daß ich im Haushaltsausschuß erklärt habe: diese Pakete sind nicht nur lebensverbessernd, sondern lebenserhaltend. Wir haben daher allen Grund, alles zu tun, damit wir auch den Letzten erreichen.
Sie haben sodann Kritik bezüglich der Verbreitung von Kenntnissen über das Vertriebenenproblem und an dem entsprechenden Titel in meinem Haushalt geübt. Ich darf darauf hinweisen, daß die Notwendigkeit der Aufklärung nicht nur für das Ausland, sondern gerade auch für das Inland gilt. Denn es gibt bei uns heute sehr viele Menschen, die sagen, nach 12 Jahren wollten sie möglichst wenig davon hören; das löse sich alles von selbst, man solle diese Dinge dem Staat überlassen. Ich glaube daher, daß die Propaganda bei uns ebenso wichtig ist wie draußen.
Im übrigen haben wir sehr viel versucht, im Ausland, z. B. bei den schweizerischen und französischen Eisenbahnen, eine Änderung der Karten usw. herbeizuführen. Wir haben natürlich keine Kompetenz, hier einzugreifen, und wir machen kein Geräusch, wenn wir Erfolg haben. Wir können nur versuchen, auf diese Dinge einzuwirken. Wir haben nicht einmal die Möglichkeit, im Inland etwas auf diesem Gebiet zu verbieten; auch im Inland können wir nur überzeugen und versuchen, diesen nationalen Schaden, den Sie sehr mit Recht erwähnt haben, zu beseitigen.
Zur Frage der Besetzung der Stelle des Leiters des Bundesausgleichsamts muß ich Ihnen sagen: Ich bin von Anfang an — und das weiß auch der Herr Bundesfinanzminister - für Herrn Ministerialdirigenten Käss gewesen, und zwar nachdem wir mit ihm seit langem ganz ausgezeichnete Erfahrungen gemacht haben. Wir müssen für ein solches Amt einen Mann aussuchen, der Tüchtigkeit besitzt. Ich glaube aber, daß wir einen zweiten Grund haben, nämlich in einem solchen Falle einen Mann mit Herz auszusuchen. Ich kann von mir aus nur sagen, und zwar auf Grund vieler Erfahrungen noch bis zur Vermittlungsausschußsitzung heute nachmittag, daß Herr Ministerialdirigent Käss sowohl die Kenntnisse wie das Herz dazu hat, dieses Amt zu verwalten. Aus diesem Grunde bin ich für ihn gewesen. Das bekenne ich zu jeder Zeit. Das wollten Sie doch von mir hören?!
— Er hat auch guten Willen; Sie haben vollkommen Recht, Sie ergänzen mich ausgezeichnet. Also auch den guten Willen möchte ich Herrn Käss in jeder Weise zubilligen.
— Der zweite hat so lange vertreten, daß es in gewisser Beziehung auch eine Anstandspflicht ist —
— Ich habe Ihnen noch gar nicht geantwortet, Herr Kather. Ich habe den Eindruck, daß Sie nur Wert darauf legen — —
— Herr Kollege Kather, es würde die Sache erleichtern, wenn Sie einen Augenblick aufpaßten. — Ich hatte den Eindruck, daß Sie nur den Wunsch hatten, mich auf irgend etwas festzulegen, damit Sie draußen sagen können: er ist gegen die Vertriebenen. Nein, gar nicht! Wenn ich anerkenne, daß man einen Mann, der ein Jahr die Vertretung ausgeübt hat, nicht gleich wegschicken kann, so sind wir uns doch wohl einig. Aber, Herr Kollege Kather, Sie suchen eine Riesenchance, durchs Land zu gehen und zu sagen: Oberländer ist überhaupt gegen die Vertriebenen. Jedenfalls geht es Ihnen doch wohl darum, mich im Plenum festzulegen.
Die zweite Frage war die, ob Herr von Brentano recht gehabt habe, als er sagte, in vier Jahren sei das Problem gelöst. Damit hat er natürlich nicht recht gehabt. Das ist nicht unerwartet für mich gewesen. Niemand hat von uns gewußt, als wir den jetzigen Beamtenstand für das Notaufnahmeverfahren angestellt haben, wieviel oder wiewenig kommen würden. Aber eines ist sicher: daß die Eingliederung ungleich weiter wäre, wenn diese 1,25 Millionen nicht hinzugekommen wären, und mehr habe ich vorhin nicht behauptet. Unerwartet ist es nicht gewesen. Aber daß sie die Eingliederung mindestens außerordentlich verzögert haben, daß die Mittel dadurch geteilt wurden und zum Teil eben nicht für die Altvertriebenen — wenn ich dieses Wort gebrauchen darf —, sondern mehr für die Flüchtlinge gebraucht wurden. das ist doch eine Binsenwahrheit, über die man hier eigentlich nicht zu diskutieren brauchte.
Damit glaube ich Ihre beiden Fragen beantwortet und die Dinge geklärt zu haben. Ich möchte also ganz grundsätzlich sagen, daß wir, wenn diese Dinge nicht gekommen wären, wesentlich weiter wären. Deswegen habe ich auch vorhin das Problem der 1,25 Millionen erwähnt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wir sind in der dritten Lesung, wie ich mir noch einmal zu wiederholen gestatte, d. h. wir sind an die Änderungsanträge gebunden. Ich habe aus Loyalität, weil der erste Redner generell gesprochen hatte, auch den anderen die Möglichkeit gegeben, allgemein zu sprechen. Nun stehen noch vier Redner auf der Rednerliste. Ich bedaure außerordentlich, mich jetzt genau an die Geschäftsordnung halten zu müssen. Ich bitte also, zu dem Änderungsantrag 1141 [Anl. 38] zu sprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Jaksch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde es sehr kurz machen und mich nur — —
— Verzeihung, Herr Kollege, dieser Bundestag ist mit Vertriebenensachen nicht sehr strapaziert worden.
Der Herr Bundesvertriebenenminister hatte die Freundlichkeit, mich persönlich zu apostrophieren. Das veranlaßt mich, ganz kurz dazu Stellung zu nehmen. Jedenfalls liegt mir daran, hier den Irrtum auszuräumen, meine Ausführungen auf der Wiesbadener Tagung oder auf der Tagung in Eßlingen, die er hier zitiert hat, seien Komplimente an die Adresse des Bundesvertriebenenministeriums gewesen.
Das konnte mir nicht unterlaufen, weil ich in der Tat — dazu bekenne ich mich — stets die positiven Ergebnisse der Eingliederung betont habe, um mit um so größerem Nachdruck auf die ungelösten
gliederungsprobleme hinweisen zu können.
Nach meiner Erfahrung ist das der beste Weg, um die Länderverwaltungen und die Kommunen mit gutem Willen zu erfüllen, wenn man hier und da mal diese Leistungen anerkennt und auch hier und da mal ein gutes Wort über einen einheimischen Landrat oder Oberbürgermeister sagt.
Nun, verehrter Herr Bundesvertriebenenminister, diese Methode würde ich auch der Regierungskoalition dieses Hauses empfehlen. Denn wir haben in der bisherigen Debatte heute, auch über die Frage des sozialen Wohnungsbaus, immer wieder den Versuch gesehen, die Länder auf die Anklagebank zu setzen, damit nicht über das gesprochen wird, was hier auf der Tagesordnung steht, nämlich die Verpflichtung der Bundesregierung.
Wenn schon die Ausführungen unserer Wiesbadener Tagung hier zitiert worden sind, wäre es wohl die Verpflichtung des Herrn Ministers gewesen, nicht nur zwei Sätze herauszuheben, die ihm gefallen haben, und die wegzulassen, die kritisch gesagt wurden. Nachdem dies nicht geschehen ist, wiederhole ich zwei Sätze davon. Ich habe in Wiesbaden erklärt — das darf ich hier nachtragen —, daß das Bundesvertriebenenministerium in seiner heutigen Besetzung ein steuerloses Schiff ist; und ich habe die Anfrage gestellt, ob die widerspruchsvollen Erklärungen, die der Herr Bundesaußenminister Brentano in Fragen des Heimatrechts so jede Woche einmal abgegeben hat, im Einvernehmen oder unter Mitverantwortung des Herrn Bundesministers Oberländer ,abgegeben wurden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Engell zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 1141 [Anl. 38] der, wie ich wiederholen möchte, eigentlich allein zur Debatte steht!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sollten grundsätzlich derartige Nachtsitzungen unterlassen. Wir werden den Menschen und den Problemen, die wir zu behandeln haben, glaube ich, nicht in dem vollen Umfange gerecht, wie es von uns gefordert werden muß.
— Ich rede wenig, Herr Kollege. Sie wissen, daß ich mich überall kurz fasse, wenn ich weiß, daß die Zeit drängt. Ich habe es heute mehrfach unter Beweis gestellt und werde es auch jetzt tun. Aber Sie werden mich schließlich durch Zwischenrufe nicht daran hindern können, hier kurz geschäftsordnungsmäßig unseren Antrag zu begründen.
Meine Damen und Herren! Ein Zwischenruf des Herrn Kollegen Dr. Vogel hat mich schon auf das hingewiesen, was ich hier als Wichtiges sagen wollte oder sollte. Sie wissen, daß in der Öffentlichkeit hier in der Bundesrepublik die Frage der „Herrschaft der Verbände" erörtert worden ist, und Sie haben alle gelesen und gehört, zu welchen Ergebnissen und Meinungsbildungen man gekommen ist. Wenn hier geschrieben steht, für Organisationen und Verbände solle etwas gegeben werden, dann erwacht in vielen die Aversion aus dieser Debatte über die „Herrschaft der Verbände". Das sind aber ganz andere Verbände, sie sind weder mit jenen Verbänden und Organisationen vergleichbar noch irgendwie konkurrierend zu ihnen. Diese Verbünde erfüllen doch eine Aufgabe für unser gesamtes Volk. Wollen Sie bestreiten, meine Damen und Herren, daß die Repräsentanz von 12 Millionen Menschen ein außenpolitisches Faktum allererster Ordnung ist? Wollen Sie bestreiten, daß die deutsche Frage, die heute auf höchster politischer Ebene erörtert wird, durch diese Verbände und durch ihren geschlossenen Willen und ihre Einheit überhaupt dahin gebracht worden ist, wo sie heute steht? Sicher war es die Aufgabe dieser Menschen, für ihr Recht und für ihre Heimat einzutreten. Aber in der heutigen Welt hätte das alles, das Unrecht, das geschehen ist, nicht gegolten, wenn sich nicht diese Menschen selbst zusammengefunden und sich nicht ihre Organisationen geschaffen hätten. Wenn dies — das sage ich immer wieder — in einem Lande wie beispielsweise Frankreich passiert wäre, daß 12 Millionen Franzosen aus altem französischen Land vertrieben worden wären, — meine Damen und Herren, der Staat und seine Parteien hätten diese Verbände gefördert und herausgestellt als die lebendige Forderung, ein Unrecht wiedergutzumachen.
Daher verwahren wir uns dagegen, daß hier von Verbandspolitik gesprochen wird im Sinne der Tätigkeit jener Verbände, deren Beziehungen und deren untergründiges Wirken wir ja teilweise kennen, von denen ja nicht nur ich hier etwas sage, sondern von denen die ganze Öffentlichkeit in den letzten Monaten gesprochen hat. Ich möchte Sie also sehr bitten, hier nicht irgendwelche Vergleiche anzustellen, die in keiner Weise zutreffen.
Ein Weiteres: Es handelt sich hier um einen Betrag von 600 000 DM. Das bedeutet praktisch, wenn Sie nur von 12 Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen ausgehen, einen Betrag von 5 Pfennig pro Kopf. Das ist doch wirklich nicht erheblich.
Meine Vorredner haben schon ausgeführt, welche Leistungen diese Verbände erbracht haben, und ich darf mir wohl auch ein Recht zusprechen, über diese Dinge ein Urteil zu fällen. Wer jahrelang in diesen Verbänden praktisch gearbeitet hat, d. h. dort nicht irgendwelche Reden zum Fenster heraus gehalten hat, der weiß, welche Unsumme von Leistung, und meistens durch ehrenamtliche Tätigkeit, aufzubringen ist, um all den Ansprüchen gerecht zu werden, die der große Personenkreis der Vertriebenen und Geschädigten an ihre eigenen Organisationen stellt. Überall dort, wo sachlich und positiv gearbeitet wird — das geschieht in den meisten Fällen —, besteht eine gute Zusammenarbeit mit den unteren Dienst- und Verwaltungsstellen. Wir sind praktisch ein Sieb für sehr viele Aufgaben, Vorlagen und Anträge. Dadurch wird es der Verwaltung ungeheuer erleichtert, die komplizierten Aufgaben, die sich aus der Gesetzgebung hinsichtlich der Flüchtlingsbetreuung ergeben, durchzuführen. Wer darin jahrelang mitgearbeitet hat und weiß, unter welchen Schwierigkeiten diese Verbände ihre Geschäftsstellen, ihren Apparat und ihre Betreuung aufrechterhalten, wird mit Recht fordern, daß hier jetzt etwas geschieht.
Ich bitte Sie daher, unserem Antrag auf Umdruck 1141 [Anl. 38] zuzustimmen und den vorgesehenen Betrag auf 600 000 DM zu erhöhen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz auf einige Bemerkungen von Herrn Minister Oberländer eingehen.
— Es muß mir doch gestattet sein,
wenn ich persönlich apostrophiert werde, darauf innerhalb einer Debatte etwas zu antworten.
Herr Minister Oberländer hat gesagt, er sei für die Ernennung von Herrn Käss zum Präsidenten des Bundesausgleichsamts aus Gründen, auf die ich Bezug nehmen darf. Ich will ihn überraschen. Wir schätzen Herrn Käss so, daß auch wir gegen seine Ernennung keinen Widerstand leisten.
Nun kommt mein Zwischenruf: Der zweite Mann, und ich möchte ihn ergänzen: der dritte, der vierte, der fünfte, alle sind keine Vertriebenen und alle sind keine Geschädigten! Ist es ein Argument, zu sagen: Der Mann hat ein Jahr lang vertreten, und man kann doch deshalb nicht ohne weiteres über ihn hinweggehen!? Uns ist seinerzeit versprochen worden, daß der Lastenausgleich unter weitgehender Mitverantwortung und Mitarbeit der Geschädigten und ihrer Verbände durchgeführt werden soll. Der erste Präsident und der zweite Präsident des Hauptamts für Soforthilfe waren Vertriebene. Aber jetzt werden nur Einheimische, nur Nichtgeschädigte und nur Leute aus dem Hause von Herrn Schäffer genommen. Ist das ein Tatbestand, mit dem wir uns ohne weiteres abfinden müssen? Nein, wir werden uns damit nicht abfinden!
Herr Oberländer, eines will ich Ihnen sagen: Wenn ich draußen unseren Menschen etwas gegen Sie sagen will, brauche ich dieses Argument nicht; dann habe ich Gründe in überreicher Fülle.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Keller.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut einem irgendwie weh, wenn man merkt, daß ein Problem, das Sie von
der CDU/CSU wahrscheinlich in späterer Zeit — nicht im Bundestag — als sehr dringlich herausstellen werden — wovon ich überzeugt bin —, heute hier so wenig wohlwollende Ohren findet.
Ich wollte nur zwei Sätze sagen. Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE wird dem Etat des Vertriebenenministeriums zustimmen, und zwar — um ein Wort meines Kollegen Lenz, der das bei einer anderen Gelegenheit angebracht hat, zu variieren — nicht wegen Herrn Oberländer, sondern trotz Herrn Oberländer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf den Umdruck 1141 [Anl. 38], Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE. Wer diesem Antrag zu Titel 600 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Damit ist der Einzelplan 26 in der Fassung der zweiten Lesung bestehengeblieben.
Ich rufe auf:
Einzelplan 28, Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates.
— Das kommt nur dann in Frage, wenn er geändert ist. Er ist aber nicht geändert.
Wir sind also jetzt bei Einzelplan 28. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD — Umdruck 1159 [Anl. 39] — vor. Darf ich fragen, wer ihn begründet? — Es wird keine Begründung vorgetragen. Wortmeldungen zu dem Änderungsantrag liegen nicht vor; ich schließe die Debatte hierzu und stelle den Änderungsantrag Umdruck 1159 zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt. Weitere Änderungsanträge zum Einzelplan 28 liegen nicht vor. Der Einzelplan 28 ist in der Fassung der zweiten Lesung bestehengeblieben.
Ich rufe auf:
Einzelplan 29, Geschäftsbereich des Bundesministers für Familienfragen.
Hierzu liegt vor der Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und des GB/BHE auf Umdruck 1160 [Anl. 40], den Einzelplan 29 zu streichen. Wird dieser Antrag begründet? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Ich bitte diejenigen, welche dem Antrag auf Umdruck 1160 zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Damit ist der Einzelplan 29 in der Fassung der zweiten Lesung bestehengeblieben.
Ich rufe auf:
Einzelplan 32, Bundesschuld.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1146 [Anl. 41] vor.
Wird der Antrag begründet? — Er wird nicht begründet. Wortmeldungen hierzu? — Keine Wortmeldungen. Die Debatte ist geschlossen. Ich stelle den Änderungsantrag Umdruck 1146 zur Abstimmung. Wer ihm stattzugeben wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Das ist der einzige Änderungsantrag, der zu Einzelplan 32 gestellt war. Ich muß nunmehr den Einzelplan 32 in der so geänderten Fassung zur Abstimmung stellen. Wer für diesen abgeänderten Einzelplan zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Der Einzelplan 32 ist mit der beschlossenen Änderung, im übrigen in der Fassung der zweiten Lesung angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 33, Versorgung.
Hierzu liegt lediglich der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 1074 [Anl. 42] vor. Wird der Antrag begründet? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte und stelle den Entschließungsantrag zur Abstimmung. Wer für diesen Entschließungsantrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Entschließungsantrag ist angenommen.
Der Einzelplan 33 ist, da keine Änderungsanträge angenommen sind, in der Fassung der zweiten Lesung bestehengeblieben.
Ich rufe auf:
Einzelplan 40, Soziale Kriegsfolgeleistungen.
Hierzu liegt zunächst ein Teil eines Antrages vor, der schon beim Einzelplan 05 behandelt worden ist, nämlich der Antrag auf Umdruck 1174 [Anl. 3] Ziffer 2. Es ist der Antrag der Kollegen Haasler und Genossen. Soll dieser Antrag begründet werden? — Ich darf wohl annehmen, daß er schon beim Einzelplan 05 mit begründet worden ist.
Ich rufe ferner auf den Änderungsantrag Umdruck 1142 [Anl. 43] zum Tit. 305. Antragstellerin ist die Fraktion des GB/BHE. Das Wort hat der Abgeordnete Keller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicher eine schlechte Sache, nach 23 Uhr ein sachlich ernstes Problem anzuschneiden.
Ich würde sehr gern auf jedes Wort der Begründung verzichten, wenn Sie sich dem Anliegen aufgeschlossen zeigten.
— Aufgeschlossen, Herr Kollege Stücklen, — ja, aus 'der Kasse aufgeschlossen? — Ach so, das ist zweierlei! Ja, dann muß ich doch leider einige Worte zur Begründung sagen.
— Das sind die Tatsachen, Kollege Stücklen, die traurigen!
Es geht hier um das Problem der Spätaussiedler. Sinn unseres Antrags auf Umdruck 1142 [Anl. 43] ist es, einen Fonds zu schaffen, aus dem die etwa zu erwartenden Notprobleme infolge des
Einströmens weiterer größerer Mengen deutscher Aussiedler aus den polnisch verwalteten Gebieten gelöst werden können, ohne daß Pannen auftreten, wie wir sie — ich möchte meinen, daß Sie dies auch kritisieren — bei den ersten Heimkehrertransporten nach dem Moskauer Abkommen über die Spätheimkehrer in Friedland gehabt haben, wo es zeitweilig auch an allem und jedem gefehlt hat. Das ist kein Ruhmesblatt für die Bundesrepublik gewesen.
Im Gegensatz zu dem, was ich vorhin in der Auseinandersetzung mit Herrn Minister Oberländer meinte, daß der permanent tropfende Zustrom aus der Sowjetzone 'doch zu überschauen gewesen wäre — und ich wiederhole, Herr Oberländer, diese Dinge waren auch bei der Regierungserklärung Herrn von Brentanos oder bei der Aussprache hierzu schon bekannt —, ist hier ein Problem aufgetreten, bei dem ich Ihnen gern zugebe, daß die Dinge in einem Umfang auf uns zugekommen sind, der nicht erwartet werden konnte. Selbst wenn wir nicht in dieser vorgeschrittenen Stunde gewesen wären, hätte ich es vermieden, auf die Zwiespältigkeit des Problems dieser plötzlich auftretenden Massenaussiedlung aus den polnisch verwalteten Ostgebieten näher einzugehen. Aber Tatsache ist, daß wir noch in diesem Jahr und vielleicht in weiteren Jahren mehr dieser Menschen hier 'haben werden, als irgendwie vorauszusehen ist. Im letzten Vierteljahr sind etwa 25 000 gekommen, und voraussichtlich werden in diesem Jahre zwischen 90- und 100 000 dieser Menschen hei uns eintreffen. Es ist zu bezweifeln, ob diesem Strom mit den vorhandenen Mitteln in dem notwendigen Ausmaß Hilfe geleistet werden kann.
Hier tauchen eine Menge von Problemen auf, so das Problem der Wohnraumversorgung. Ich darf mich hier auf die Bundesgenossenschaft z. B. des Kuratoriums der Volksbewegung Unteilbares Deutschland beziehen, einer überparteilichen und angesehenen Organisation, die klar herausgestellt hat, welche schwerwiegenden und nicht ungefährlichen politischen Probleme für die Bundesrepublik und für den freien Westen hier auftauchen, wenn diese Menschen, die sich hier Freiheit und Wohlstand erhoffen, vielleicht aus Wohnungen, wenn auch aus Wohnungen im großen Zuchthaus des heutigen Polen, in Baracken kommen und auf absehbare oder unabsehbare Zeit dort verbleiben müssen.
Über die Kräfte der Länder gehen diese Probleme weit hinaus. Auch bei der Kriegsfolgenpauschalierung konnten solche Umstände nicht vorausgesehen werden; daher ist diesen Umständen dabei nicht Rechnung getragen worden.
Es gibt weitere Probleme, so das Problem der Berufsunterbringung. Diese Menschen kommen aus einer anderen Welt, in der andere Gesetze und andere Lebensgesetze gelten, und müssen bei uns an unsere Alltagswirklichkeit herangebracht werden. Dafür sind entsprechende Maßnahmen und Mittel erforderlich.
Es gibt ein weiteres sehr ernstes und sehr trauriges Problem. Wir haben unter diesen Menschen viele Jugendliche und viele Kinder. Nach statistischen Ermittlungen sprechen 10 % dieser deutschen Kinder, die als Kinder deutscher Mütter und Väter im früheren deutschen Staatsgebiet geboren worden sind, nicht mehr die deutsche Sprache, weil man sie dort während ihres Lebens in diesen zehn Jahren dieser Sprache entwöhnt hat, weil es zumindest im Anfang an allen deutschen Schulen gemangelt hat, weil es damals ein Verbrechen war, auch nur deutsch zu reden.
Hier tauchen große Probleme auf, die größere Mittel erfordern, wo vielleicht mit Rationalisierungsmaßnahmen, mit Zusammenfassungsmaßnahmen zwischen den Ländern — vielleicht gibt es hier auf unfreiwillige Art die erste Bundesschule — irgendwie gesteuert werden muß.
Es geht vor allem auch um die Ausstattung mit dem ersten Hausrat, der ersten Kleidung und vielen Dingen, die unabweisbar sind.
Die Wohnungsbaumittel werden nicht langen. Leider Gottes haben Sie den Antrag, den wir wiederholt in dieser Richtung gestellt hatten, abgelehnt. Ohnehin ist schon in der Diskussion bezweifelt worden, ob der bisherige Verteilungsschlüssel für die einzelnen Sparten, nach dem solche Wohnungen finanziert werden, nach den heutigen Verhältnissen noch ausreicht.
Alles in allem sind wir der Meinung, daß sich hier ein Notstand entwickelt hat, dem begegnet werden muß. Der Betrag, den wir — ich sage es offen — ganz überschläglich und nur ungefähr gegriffen hierzu beantragt haben, würde wohl sicherstellen — er muß nicht ausgegeben werden, wenn er nicht erforderlich ist; das ist ein allgemeiner guter Haushaltsbrauch, der bei anderen Gelegenheiten auch praktiziert wird —, daß im Wege der entsprechenden Verwaltung ,und Verteilung durch die Verwaltung Zustände, wie wir sie 1953 bei den ersten deutschen Spätestheimkehrern in Friedland hatten, nicht mehr auftreten können.
Das ist unser Anliegen, meine Damen und Herren. Sie haben heute bei unseren allgemeinen Ausführungen zum Etat in vielen Punkten durch Zwischenrufe eine Meinung kundgetan, die uns fast in die Hoffnung hätte versetzen können, daß Sie sich der Lösung solcher konkreter, aktueller und vor uns allen unabweisbar stehender Probleme nicht verschließen würden. Deswegen hoffen wir auch, daß Sie diesem Antrag zustimmen. Es geht hier allerdings nicht um Althausbesitz und es geht nicht um die Bundesbahn, es geht nur um 100 000 deutsche Menschen.
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Weitere Wortmeldungen zum Umdruck 1142 [Anl. 43] liegen nicht vor. Ich rufe 'dann Ziffer 2 des Umdrucks 1136 [Anl. 36] auf. Ziffer 1 dieses Umdrucks haben wir bei Einzelplan 25 schon erledigt. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das scheint nicht der Fall zu sein. Wortmeldungen hierzu liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte und stelle den Antrag zur Abstimmung. Wer dafür zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
Ich rufe den Antrag Umdruck 1142, den Kollege Keller eben begründet hat, auf. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich stelle den Antrag Umdruck 1136 Ziffer 3 zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Da zwei Änderungsanträge angenommen sind, stelle ich jetzt den Einzelplan 40 insgesamt in der so geänderten Fassung zur Abstimmung. Wer für ihn zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einzelplan 40 ist bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 60;
Allgemeine Finanzverwaltung.
Hierzu liegen ein Änderungsantrag auf Umdruck 1147 und ein Entschließungsantrag auf Umdruck 1122 vor. Zu dem Entschließungsantrag auf Umdruck 1122 (neu) darf ich bemerken, daß der erste Name der Unterzeichner nicht richtig angegeben ist. Statt Gumrum muß es Dr. Höck heißen.
Ich stelle den Antrag auf Umdruck 1147 [Anl. 44] zur Aussprache. Wird der Antrag begründet? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen hierzu liegen nicht vor.
Ich stelle den Entschließungsantrag Umdruck 1122 [Anl. 45] zur Aussprache. Wird er begründet? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen hierzu liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich stelle den Änderungsantrag Umdruck 1147 zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich stelle den Entschließungsantrag Umdruck 1122 zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich stelle nunmehr den Einzelplan 60 in der durch die erste Abstimmung geänderten Fassung zur Abstimmung und bitte diejenigen, die für diesen Einzelplan in der geänderten Fassung zu stimmen wünschen, um 'das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Einzelplan 60 ist angenommen.
Zu dem Einzelplan 60 sind nach dem Vorschlag des Ausschußberichts — Drucksache 3477 — noch zwei Anträge unter Ziffer 2 zu bescheiden. Danach sollen die Anträge der Fraktion der FDP betreffend Regionales Förderungsprogramm 1957 und der Abgeordneten Niederalt, Höcherl, Wacher , Geiger (München), Lermer und Genossen betreffend Regionales Förderungsprogramm als durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 für erledigt erklärt werden. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Es folgt das Haushaltsgesetz 1957.
Ich rufe den § 1 und die dazugehörigen Änderungsanträge Umdruck 1136 Ziffer 3, Umdruck 1148, Umdruck 1161, Umdruck 1185 sowie den Entschließungsantrag Umdruck 1164 auf.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht besonders zu dem § 1 des Haushaltsgesetzes sprechen, sondern ich möchte, wo wir am Schluß der Beratung stehen, die Gelegenheit benutzen, um in erster Linie den Mitgliedern des Haushaltsausschusses für die langwierige, schwierige und fruchtbare Arbeit zu danken, die sie im gegenseitigen Einvernehmen geleistet haben. Ich danke dem Hohen Hause, daß die Erörterung dieses Haushaltes ohne Schwierigkeiten in sachlicher und ruhiger Weise vor sich gegangen ist. Ich möchte insbesondere der Öffentlichkeit gegenüber betonen, daß auch dieser Haushalt ohne Wahlfieber in sachlicher Arbeit zu Ende geführt werden konnte.
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Zu § 1 des Gesetzes liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 1148 [Anl. 46] Ziffer 1 vor. Wird der Antrag begründet? — Er spricht wohl für sich selbst. Liegen Wortmeldungen hierzu vor? — Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich diesen Änderungsantrag auf Umdruck 1148 Ziffer 1 zur Abstimmung. Wer dafür zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Wer dem § 1 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der § 1 ist in der geänderten Fassung angenommen.
Ich rufe auf den § 2. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 1136 [Anl. 36] Ziffer 3 vor, und zwar handelt es sich um zwei Vorschläge. Ich rufe zunächst den Antrag Ziffer 3 Buchstabe a auf. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag Ziffer 3 Buchstabe a ist angenommen.
Ich rufe auf den Antrag Umdruck 1136 Ziffer 3 Buchstabe b. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe § 2 in der so geänderten Fassung auf. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf die §§ 3, — 4, — 5 — und 6. — Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. Sie sind wohl damit einverstanden, daß über die aufgerufenen Paragraphen gemeinsam beraten und abgestimmt wird. — Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Debatte. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Ich stelle die §§ 3, 4, 5 und 6 zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die Paragraphen sind angenommen.
Zu § 7 liegt ebenfalls kein Änderungsantrag vor. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer für den § 7 in der Ausschußfassung zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — § 7 ist angenommen.
Zu § 8 liegen verschiedene Änderungsanträge vor, zunächst ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, der darauf hinausgeht, dem § 8 einen neuen Abs. 4 anzufügen. Es liegt ferner ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion Umdruck 1161 [Anl. 47] vor, in § 8 Abs. 1 Satz 2 nach den Worten „für die Sozialausgaben" die Worte „für den Stra-
ßenbau" einzufügen und die Worte „für die Verteidigungsausgaben" zu streichen. Weiter liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP vor, in § 8 Abs. 1 den Kürzungsbetrag von 5 v. H. auf 6 v. H. zu erhöhen. Die Anträge widersprechen sich nicht.
Ich kann mich jetzt dem Abs. 1 zuwenden und stelle zunächst den Änderungsantrag der SPD Umdruck 1161 Buchstabe a zur Debatte. Wird der Antrag begründet? — Das ist nicht der Fall. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wer dem Antrag Umdruck 1161 auf Einfügung der Worte „für den Straßenbau" zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 1161 Buchstabe b. Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Buchstaben b des Antrags Umdruck 1161 [Anl. 47] schlägt die sozialdemokratische Fraktion vor, in § 8 Abs. 1 Satz 2 die Worte „für die Verteidigungsausgaben" zu streichen. Wir möchten mit diesem Antrag erreichen, daß der Verteidigungshaushalt in die allgemeine Kürzungsklausel eingefügt wird. Ich glaube, ich habe in meiner Rede zur allgemeinen Aussprache zu diesem Thema genügend gesagt, so daß ich hier eine längere Begründung dafür nicht nötig habe. Ich möchte Sie nur auf einen Punkt hinweisen. Wenn Sie diesem Antrag folgen, erreichen Sie, daß Sie für die allgemeinen Deckungsmittel einen Betrag von annähernd 370 bis 400 Millionen DM freibekommen. Ich glaube, daß das für das Deckungsproblem des Bundeshaushalts ein nicht ganz unbedeutender Beitrag ist. Ich ersuche Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Darf ich aber vielleicht, um eine spätere Wortmeldung gegen Ende der Beratungen zu vermeiden, in diesem Zusammenhang eine Bemerkung machen, die sich auf einen Vorgang in der heutigen allgemeinen Aussprache bezieht. Ich bitte den Herrn Präsidenten, mir das nachzusehen, obwohl es im Grunde genommen gegen die Regel verstößt, daß man nur zu Antragsbegündungen das Wort nehmen soll. Der Herr Kollege Niederalt hat heute früh bei der allgemeinen Aussprache zur dritten Lesung bezüglich der Dispositionsfonds Ausführungen gemacht, auf die hier noch eine Bemerkung nötig ist. Er hat gesagt — ich muß das zitieren —:
In diesem Zusammenhang noch ein Wort zu den viel besprochenen und in der Presse immer wieder erwähnten sogenannten Geheimtiteln, die in Wirklichkeit gar keine Geheimtitel sind, weil sie der Rechnungsprüfung des obersten Rechnungshofes unterliegen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie im Haushaltsausschuß dabeigewesen wären, hätten Sie gehört, wie ich bei Behandlung dieser sogenannten Geheimtitel an die Regierung die Frage gerichtet habe: wie steht es da eigentlich mit der Praxis der Länder? Und siehe da, wir haben die Antwort bekommen: in Düsseldorf, in München, in Hessen, überall, wo SPD-Landesregierungen sind, besteht die gleiche Einrichtung, zum
Teil noch dadurch verstärkt, daß nicht einmal die Kontrolle des Rechnungshofes eingeschaltet ist.
Ich will auf die weiteren Bemerkungen des Herrn Kollegen Niederalt hier nicht eingehen. Ich müßte sie zitieren, aber das nimmt zuviel Zeit. Ich darf nur hinzufügen, daß Herr Kollege Niederalt sich bei seinen Darlegungen auf Auskünfte der Bundesregierung gestützt und daß er daran bestimmte Schlußfolgerungen geknüpft hat.
Ich habe im Auftrag der sozialdemokratischen Fraktion bei den Landesregierungen in Düsseldorf, Wiesbaden und München zurückgefragt, und das Ergebnis ist folgendes — ich kann es Ihnen nicht vorenthalten, auch wenn es Sie schmerzt —: in Bayern und Hessen unterliegen die Verfügungsfonds sowohl der parlamentarischen Kontrolle als auch derjenigen des Landesrechnungshofs.
— Bitte, beruhigen Sie sich! Beim Verfassungsschutz ist ein parlamentarisches Drei-MännerKollegium dafür zuständig. In Nordrhein-Westfalen unterliegen die gleichen Fonds der parlamentarischen Kontrolle oder derjenigen des Rechnungshofs.
Ich habe mich bei dem Kollegen Menzel, der längere Zeit Innenminister des Landes NordrheinWestfalen war, erkundigt, wie er die in seinem Bereich befindlichen sogenannten Geheimfonds behandelt hat. Er hat mir versichert — und ich kann ihm das glauben —, daß er seinerseits alle Fraktionen über die Verwaltung der Fonds unterrichtet hat, einschließlich der damals in Nordrhein-Westfalen in Opposition stehenden FDP. Das nebenbei bemerkt.
Ich darf hinzufügen, eine Ausnahme in Nordrhein-Westfalen macht ein Fonds des Ministerpräsidenten, der dem Fonds des Bundespräsidenten vergleichbar ist und aus dem Belohnungen, Notrenten und dergleichen kleine Beträge gezahlt werden. Dieser Fonds beim Ministerpräsidenten, seit dem Bestehen des Landes vorhanden, beträgt zur Zeit 95 000 DM und ist bisher von keiner Seite des Landtags in Düsseldorf, auch nicht von der CDU, beanstandet worden. Die Mitteilungen der Bundesregierung scheinen daher dringend einer Überprüfung zu bedürfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kommen zu dem Umdruck 1161 [Aril. 47] Buchstabe b zurück, dem Antrag der SPD, in § 8 Abs. 1 Satz 2 die Worte „für die Verteidigungsausgaben" zu streichen. Wortmeldungen hierzu liegen weiter nicht vor. Ich schließe idle Debatte hierzu.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1161 Buchstabe b zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Auch der Antrag unter Buchstabe b des Umdrucks 1161 ist abgelehnt.
Wir kommen zu dem Antrag Umdruck 1185 [Anl. 48], dier dahin geht, daß in Abs. 1 der Kürzungskoeffizient geändert wird.
Ich nehme an, daß auf Begründung verzichtet wird. — Wollen Sie begründen? — Bitte, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz der Zurufe glaube ich doch, daß es notwendig ist — ich habe große Achtung vor der Kenntnis des Haushaltsgesetzes, die die Mitglieder des Hauses haben —, ein Wort der Erklärung zu sagen. Zur Zeit befindet sich in der Beratung des Hauses eine Einkommensteuernovelle, die insbesondere die Übergangslösung für die Ehegattenbesteuerung vorsieht. Nach dem gegenwärtigen Stand der Beratungen muß damit gerechnet werden, daß bei Verabschiedung eine Einnahmenminderung für den Bund — über die bereits im Einzelplan 60 berücksichtigte in Höhe von 250 Millionen DM hinaus — von etwa 60 bis 90 Millionen DM zusätzlich hinzutreten wird. Um diese Einnahmenminderung auszugleichen, soll der Kürzungsbetrag von 5 v. H. auf 6 v. H. erhöht werden. Das ist der Sinn dieses Antrages.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wortmeldungen zu diesem Antrag liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Antrag auf Umdruck 1185 [Anl. 48] zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Ich stelle dann den Antrag Umdruck 1148 [Anl. 46] Ziffer 2 zur Debatte, nach dem dem § 8 des Haushaltsgesetzes der in dem Umdruck näher bezeichnete Abs. 4 anzufügen ist. Soll dieser Antrag begründet werden? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist auch nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über diesen Antrag Umdruck 1148 Ziffer 2. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe dann den § 8 in der so geänderten Fassung auf und bitte diejenigen, die dem § 8 in der so veränderten Fassung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen — —
— Gut, gegen mehrere Stimmen angenommen.
Weiterhin liegt nur noch zu § 15 ein Änderungsantrag vor, und zwar auf Umdruck 1148 Ziffer 3, mit dem Wortlaut:
Die Anleiheermächtigung in § 15 Abs. 2 ist von 1 834 299 300 Deutsche Mark auf 1 915 365 700 Deutsche Mark zu erhöhen.
Es ist ein Antrag der CDU. Wird der Antrag begründet? — Nicht der Fall. Wortmeldungen zu diesem Antrag liegen ebenfalls nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Darf ich unterstellen, daß Sie den § 15 mit dieser Änderung annehmen wollen? — Ich bitte um die
Gegenprobe. — § 15 ist in dieser veränderten Fassung angenommen.
Wir kommen dann zur Schlußabstimmung. Ich rufe das gesamte Gesetz nebst Anlagen mit Einleitung und Überschrift auf. Ich bitte diejenigen, die diesem Gesetz in dritter Lesung zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist angenommen.
Es liegt noch ein Entschließungsantrag auf Umdruck 1164 [Anl. 49] vor. Wird dieser Entschließungsantrag, der, wie ich sehe, von Abgeordneten aller Parteien unterzeichnet ist, noch begründet? — Das scheint nicht der Fall zu sein. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das scheint nicht der Fall zu sein. Ich stelle den Entschließungsantrag zur Abstimmung. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Entschließungsantrag ist angenommen.
Das Wort hat nunmehr der Bundesminister für Verteidigung zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit freundlicher Genehmigung des Präsidenten mache ich von der Möglichkeit Gebrauch, eine Erklärung abzugeben, die ich im Zusammenhang mit dem Einzelplan 14 — allerdings nicht ganz in Übereinstimmung mit der Geschäftsordnung — hätte abgeben können. Der Einzelplan 14 ist aber so schnell behandelt worden, daß selbst die angebliche Dynamik des Verteidigungsministers nicht zu folgen vermochte.
In einem Presseorgan sind Vorwürfe gegen drei Kollegen dieses Hauses erhoben worden, zu denen die Bundesregierung eine Erklärung abzugeben verpflichtet ist. Es handelt sich um die Kollegen Berendsen , von Manteuffel (FVP) und Dr. Blank (FVP). Danach sollen diese Kollegen Einfluß auf Rüstungsgeschäfte ausgeübt haben oder an Rüstungsgeschäften beteiligt gewesen sein. Es oblag mir, diese Angelegenheit zu prüfen.
Ich darf feststellen, daß von keinem dieser drei Kollegen Einfluß auf die Entscheidungen bei den Beschaffungsvorgängen im Bundesverteidigungsministerium ausgeübt wurde und daß sich keiner dieser Kollegen in Rüstungsgeschäfte eingeschaltet hat. Ich darf neben vielen möglichen Beispielen nur darauf hinweisen, daß durch die zweite Vorwegbewilligung zum Haushalt 1956, bestätigt durch den ersten Nachtragshaushalt 1956, das Bundesministerium für Verteidigung die Ermächtigung erhalten hat, 10 680 lange und 4002 kurze Schützenpanzerwagen zu kaufen. Diese Schützenpanzerwagen spielen bei den Vorwürfen eine wesentliche Rolle. Das Bundesverteidigungsministerium hat seit meinem Amtsantritt von den 10 680 langen 2 800 in England und von den 4002 kurzen 2 000 Schützenpanzerwagen in Frankreich in Auftrag gegeben. Es hat innerhalb des Bundesgebiets bis jetzt überhaupt keine Aufträge erteilt, auch nicht an die in der Pressenotiz genannten Firmen.
Von den allerdings ursprünglich in Aussicht genommenen Aufträgen sind seit meinem Amtsantritt
so wesentliche Abstriche vorgenommen worden,
daß eine Auftragserteilung innerhalb der Bundesrepublik lange Zeit in Frage gestellt war und wegen zu kurzer Serie vielleicht noch jetzt ist.
Ich darf mir abschließend, gerade wegen der Meldungen über gewisse Vorgänge in der Beschaffungsstelle in Koblenz — die im einzelnen aufzuklären dem schwebenden Verfahren obliegen sollte und die nicht Gegenstand einer parlamentarischen Debatte sein sollten —, allerdings eine Bitte erlauben, die ich hier vor dem Parlament und damit auch vor der Öffentlichkeit aussprechen darf. Ich glaube, man kann nicht alle Abgeordneten, die sich im Interesse ihrer Wahlkreise oder im Interesse gewisser territorialer Belange, die sie vertreten, um Aufträge kümmern, als Lobbyisten bezeichnen. Wenn ich die Liste aller Abgeordneten, die sich in Briefen, Ferngesprächen oder mündlichen Vorsprachen jemals in Beschaffungsvorgänge eingeschaltet haben, veröffentlichte, dann würde ein völlig falsches und für die meisten oder fast alle Kollegen unzutreffendes Bild entstehen. Ich bin gern bereit, darüber im einzelnen im Verteidigungsausschuß Auskunft zu geben.
Ich lege aber auf Grund der Unterlagen, die ich in den letzten Tagen erhalten habe, großen Wert auf eine Bitte an die Öffentlichkeit und insbesondere an gewisse wirtschaftliche Kreise: es mehren sich die Fälle, daß von Firmen — darunter namhaften Firmen —, die an Lieferungen für die Bundeswehr interessiert sind, an Beamte oder Angestellte, die mit der Vergabe von Aufträgen befaßt sind, herangetreten und versucht wird, durch Einladungen, kleinere und größere Geschenke und ähnliche Machenschaften Informationen über die Auftragsvergabe zu erhalten oder in sonstiger Weise bevorzugte Behandlung zu erfahren.
Ich spreche offen die Bitte aus — und nehme an, daß sie auch das nötige Echo draußen haben wird —, unsere Beamten und Angestellten nicht in Versuchung zu führen, auch wenn wir trotz dieser Versuchung Korruptionssicherheit von ihnen verlangen müssen. Ein solches Gebaren ist jeder Firma unwürdig.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, am Schluß ,dieser Etatberatung möchte auch ich Ihnen herzlich für Ihre verständnisvolle Mitarbeit danken. Was meine Person angeht, so bitte ich für manche Schroffheit, die mir im Drang der Geschäfte unterlaufen sein mag, um Nachsicht.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages, die 214., auf den 31. Mai, 10 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.