Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einer dritten Beratung zum Bundeshaushalt wird immer irgendwie ein großes Buch aufgeschlagen, ein Buch, das sich von manchem unterscheidet, was vorher in einem anderen, weniger konkreten Zusammenhang da und dort gesagt worden ist oder gesagt zu werden pflegt. Wenn es einmal zu den Zahlen und zum Zahlen kommt, dann werden die Dinge zum Schwur gebracht, und manches hört sich nachher anders an, als man es vor Tische gelesen hat. Ich glaube, daß ein solcher Rundgang durch die politische Skala der öffentlichen Anliegen gerade in einer Zeit notwendig ist, in der wir am Abschluß einer Legislaturperiode stehen.
Wir haben seinerzeit vor vier Jahren eine sehr umfangreiche und sehr optimistische Regierungserklärung gehabt. Aus einem ähnlichen gutgläu-
bigen Optimismus heraus haben wir selbst damals noch dieser Regierungskoalition angehört. Aber der Anschauungsunterricht mußte nicht allzu lange dauern, um uns zu zeigen, daß wir hier nicht auf dem richtigen Weg waren. Es wäre — es überschreitet sicherlich die Zeit — sehr verlockend, heute einmal so eine nicht stille, sondern laute Zwiesprache mit der Regierungserklärung von damals zu halten, um zu sehen, was sich erfüllt hat, was einigermaßen gelöst worden ist und was offengeblieben ist.
Uns haben in diesem Zusammenhang drei Themen immer besonders interessiert: das Thema der Außenpolitik, das daraus erwachsene Thema der Wehrpolitik und last not least das umfassende Gebiet der Sozialpolitik. Es sind mancherlei Berührungspunkte im Grundsatz auf dem Gebiete der äußeren Beziehungen und auf dem Gebiete der daraus resultierenden Wehrfragen gewesen, die uns damals zunächst einmal zusammengebracht haben. Hier bestehen auch heute noch Berührungspunkte, und wir wollen uns auch als Oppositionspartei nicht scheuen, das offen zu sagen, weil es unserer Überzeugung entspricht.
Aber ich möchte gleich eines vorausschicken: auf dem Gebiete der Sozialpolitik sind wir allerdings arg enttäuscht worden, und wir müssen die Sozialpolitik der vergangenen vier Jahre als durchaus unbefriedigend bezeichnen.
Main kann solche Dinge nicht nach den Reden beurteilen, die draußen oder sogar hier gehalten werden, wenn dann nachher beim Schwur auf den Haushaltsplan die Entscheidungen eben doch anders fallen.
— Ja, siehe Sozialreform! Ich werde noch etwas dazu sagen, Kollege Conring. Sie sollten einmal die vielen Briefe bekommen — ich weiß nicht, ob Sie sie bekommen —, in denen die betreffenden Briefschreiber sagen, daß die Sozialreform eine reine Augenauswischerei sei.
— Für viele nicht, aber für viele ja, weil die Sozialreform nicht so umfassend gelöst worden ist, wie das z. B. seinerzeit in der Regierungserklärung versprochen worden ist. Damals — Kollege Sabel, Sie schütteln immer den Kopf — ist von einem umfassenden Sozialprogramm die Rede gewesen. Ich weiß nicht, ob Sie selbst — —
— Jedenfalls können Sie doch nicht sagen, daß hier eine umfassende Sozialreform verwirklicht worden sei. Das können Sie guten Gewissens nicht sagen.
Aber lassen Sie mich einiges zu den Fragen sagen, wo, glaube ich, aus der Sache heraus Berührungspunkte gemeinsamen Denkens vorhanden sind. Es sind die Fragen der Außenpolitik. Der Grundsatz der Zusammenarbeit mit dem freien Westen hat meine Freunde immer veranlaßt, diese Prinzipien zu bejahen. Aber ich muß sagen, daß man ihnen diese Bejahung durch die Methode, durch den beschrittenen Weg auf nicht unwichtigen Einzelgebieten nicht immer leicht gemacht hat.
— Ich darf an folgendes erinnern, Kollege Stücklen. — Ich werde mich an den Haushalt halten, der von der zweiten Lesung her noch in sehr frischer Erinnerung ist, frischer als manches andere. — Ich glaube, daß wir von mehreren Seiten — auch von seiten Ihrer Freunde — Klagen oder Erinnerungen oder ein Bedauern darüber gehört haben, wie die Ostabteilung des Auswärtigen Amts besetzt ist und infolgedessen auch nur arbeiten kann. Viele Redner dieses Hauses haben dies kritisch herausgestellt, und dies geschah nicht zum erstenmal.
Seit Jahr und Tag, vor allem seit dem Wechsel in der Leitung des Außenministeriums, seit dem Start des Herrn von Brentano, ist immer wieder in sehr maßvollen und höflichen Worten auf diese unzureichende Besetzung hingewiesen worden. Auch die Kritik, von der ich eben sprach, hat den Rahmen des Maßvollen und Höflichen in keiner Weise überschritten.
Es ist doch irgendwie bedauerlich — vielleicht bedauern es manche von Ihnen mit uns —, daß gerade ,auf dem Sektor der Außenpolitik, wo die Höflichkeit im internationalen Verkehr in besonderer Weise Pate steht, der Herr Außenminister es auf Grund so zahlreicher Fragen nicht für notwendig gehalten hat, auch nur mit einem Wort eine Antwort zu geben .
Damit, meine Damen und Herren, schafft man die Probleme, die auf diesem Gebiet bestehen und weiter bestehen werden, nicht aus der Welt. — Sicherlich muß er auch in diesem Fall in Amerika sein; das sehe ich ohne weiteres ein. Aber deswegen, weil er in Amerika ist, können wir nicht darauf verzichten, diese Dinge herauszustellen und zu betonen, daß sie eines Tages in Ordnung gebracht werden müssen.
Ich möchte fast meinen, daß in anderen zivilisierten freien Kulturstaaten in vergleichbarer Lage eine solche Vernachlässigung einer vitalen Aufgabe der eigenen — nicht nur der Außenpolitik —, hier also der gesamtdeutschen Politik, nicht gut vorstellbar ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich eine weitere Frage nur kurz streifen. Wir haben mit Bedauern davon Kenntnis genommen, daß man von der vom Bundestag dm letzten Jahr, wenn ich nicht irre, erteilten Ermächtigung, auch in Bozen ein Konsulat einzurichten, keinen Gebrauch gemacht hat. Ich zweifle nicht daran, daß es vom Standpunkt der Buchhalterphilosophie oder aus ähnlichen Gesichtspunkten Gründe dafür geben wird, die man anführen kann. Aber man hätte gerade den Platz Bozen aus Gründen einer im wahren Sinn des Wortes wohldurchdachten nationalen Politik — nicht etwa aus Gründen einer nationalistisch-chauvinistischen Politik — nicht so entblößt halten sollen, wie man es getan hat.
Niemand von uns will in irgendeiner Form „Vereinigungswünsche" solcher Art betreiben. Darüber sind wir wohl alle hinausgekommen. Aber hier
muß man doch den Zusammenhang sehen! Die Deutschen in Südtirol, Menschen unserer Zunge, denen es nicht gut geht, die darunter leiden, ,daß Verträge, die man damals abgeschlossen hat, heute noch nicht eingehalten werden, blicken auch auf uns, auf uns alle. Wir erweisen ihnen und ihrem Willen, ihr Volkstum, möchte ich ganz einfach sagen, zu erhalten, keinen guten Dienst, wenn man durch solche Gesten zumindest den Umkehrschluß ermöglicht, ein deutsches Interesse an der dortigen Entwicklung sei nicht gegeben.
Dies ist besonders angesichts der Tatsache bedauerlich, daß das Kaiserreich und das „Dritte Reich", das doch praktisch damals in so schmählicher Weise auf Südtirol verzichtet hat, es nicht fertiggebracht haben, den Platz Bozen ohne konsularische Vertretung zu belassen. Immer wurden dort Konsulate unterhalten.
Die Südtiroler sind ein gutes Beispiel dafür — ich möchte das einer bestimmten Seite des Hauses sagen —, was volksverbundenes Christentum für den europäischen Gedanken der Freiheit des Volkstums leisten kann; denn alle diese Bestrebungen kommen dort aus einem betont volksverbundenen und allerdings auch dem Alltag, nicht nur dem Sonntag verbundenen Christentum heraus.
Weil wir gerade bei der Außenpolitik waren: Wir bejahen sie im Grundsatz und in der Anlage; das habe ich gesagt. Aber man könnte sehr wohl über die Konsequenz dieser Außenpolitik streiten. Es wird oft allen anderen gesagt: Die Regierung allein macht eine konsequente Außenpolitik; alle anderen machen eine inkonsequente Außenpolitik. Wenn man aber einmal die Erklärungen der letzten Jahre auf diesem Gebiet aneinanderreiht, kann man durchaus auch zu einem anderen Schluß kommen. Ich darf zwei besondere Beispiele herauszuheben versuchen. Das geht von der Umarmung im Bolschoi-Theater bis zum Todfeindwerden — wenige Monate später — und von der Entspannung der Weltlage zur Weltlage, in der es noch nie so ernst gewesen war wie heute. Diese Mischung ist auf die Dauer etwas zu bunt. Sie kann wahrscheinlich auch zu nichts Gutem führen.
Im allgemeinen haben wir den Eindruck, daß wir im überstaatlichen Denken doch oft der Versuchung zu unterliegen scheinen, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Auch hier zwei kurze, besonders uns bewegende Beispiele aus der letzten Vergangenheit. Wir werden im Gemeinsamen Markt erhebliche Aufwendungen auf Kosten des deutschen Steuerzahlers für den Investitionsfonds des Gemeinsamen Marktes und andere Dinge, die zum Teil weit über das Mittelmeer hinausreichen, zu machen haben. Es ist die Befürchtung aufgetaucht, eine solche Politik, die doch irgendwie auf ein sinkendes Kolonialschiff setzt, könnte zu außen- und wirtschaftspolitischen Störungen — Trübung des Verhältnisses da und dort — führen. Diese Bedenken sind dann oft mit dem Hinweis zu entkräften versucht worden: Dafür werden in Afrika auch Schulen gebaut werden. Wir sind der bescheidenen Meinung, daß uns zunächst einmal unsere Schulen am Herzen liegen müssen. Wir haben uns damit auch in einem Antrag beschäftigt, der leider negativ beschieden wurde. Ich habe keinen Zweifel daran, daß dieser Antrag, wenn wir uns noch einmal damit beschäftigen, wieder mit demselben Ergebnis beschieden wird. An unsere Schulen hätte also zuerst gedacht werden sollen.
Alle Fraktionen des Hauses haben sich in einer einheitlichen Abstimmung über einen gemeinsamen Antrag im Haushaltsausschuß dahin schlüssig gemacht, daß es noch viel zu früh sei, um die Mittel für die Förderung der wirtschaftlich schwachen Gebiete, vor allem der Gebiete an der Zonengrenze, so zu kürzen, wie sie in der Regierungsvorlage zu diesem Haushalt gekürzt worden sind. Das ist eine Tatsache. Zu gleicher Zeit waren aber erhebliche Investitionsmittel für andere Gebiete — Zonengrenzgebiete kann man das nicht mehr nennen — bereitzustellen, und man wußte, daß diese Dinge kommen würden.
— Wir haben es wiedergutgemacht, das habe ich gesagt, durch einstimmigen Beschluß im Haushaltsausschuß.
Nun einige Gedanken zur Wehrpolitik. Wir haben vor wenigen Tagen bei der Abstimmung zum Wehretat gesagt, daß wir hier zustimmen, weil diese Politik unserem Ausgangspunkt entspricht und weil wir nicht zu denen zählen, die nachher die Dinge so jonglieren, wie es die Opportunität des Alltags vielleicht förderlich erscheinen lassen könnte. Deswegen haben wir uns in dieser Abstimmung so verhalten. Aber auch hier sind doch einige Worte der Kritik angebracht. Wir haben uns immer unter Verteidigungspolitik etwas Reales vorgestellt. Daß wir mit dieser Meinung recht hatten und nicht etwa alle die, die seinerzeit Herrn Blank noch große Ovationen bereitet haben, zeigt doch der Umstand, daß ein Wechsel im Verteidigungsministerium offenbar unumgänglich geworden war. Ein Kabinett, das sich so Mühe gegeben hat, Stabilität und Ausdauer bis zum letzten, bis es nicht mehr ging, zu beweisen, konnte nicht umhin, diesen Wechsel vorzunehmen, weil die Blanksche Politik eine illusionistische Politik gewesen ist.
Mari hat manchmal das Gefühl haben müssen, daß man, obwohl man die russische Bedrohung so entsetzlich nahe empfindet, gewillt ist, zehn Jahre abzuwarten, und daß man den Russen zutraut, daß auch sie zehn Jahre warten, bis bei uns alles wieder fein säuberlich — fast so wie gehabt — dastehen würde. Ich fürchte, der Kollege Blank ist der Illusion erlegen, wie sie Christian Morgenstern in einem schönen Wort beschreibt: „Und er kommt zu dem Ergebnis: nur ein Traum war das Erlebnis, weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf." Die Dinge sind anders gelaufen. Wir haben die neue Linie, die reale Verteidigungspolitik des neuen Ministers Strauß aus diesem Grunde begrüßt und durch unsere Zustimmung zum Haushalt unterstützt.
Ich möchte davor warnen, daß sich in den kommenden Wahlmonaten die Legende bildet, die Regierung habe recht behalten. Die Regierung hat nicht unbedingt recht behalten; manche andere haben recht behalten. Man kann die Güte und die Dauer der Argumente ja nicht so nach d'Hondt verteilen, wie wir es sonst im Parlament erleben. Manchmal behalten auch die anderen recht. Wir haben z. B. recht behalten mit unseren Argumenten, die uns damals zu einer anderen Beurteilung der Wehrpflichtfrage geführt haben, und Sie geben ja heute durch die Schöpfung dieses seltsamen Sprachbegriffs der wehrpflichtigen Freiwilligen oder freiwilligen Wehrpflichtigen selbst zu, daß
sich die Dinge gewandelt haben, und Sie glaubten
— Sie wären schlecht beraten gewesen, wenn Sie es anders getan hätten —, sich diesen Dingen anpassen zu sollen. Heute spricht man vielmehr von der Verteidigungspflicht, die mehr ist als die Wehrpflicht, die im Zeichen echter verantwortungsbewußter Verteidigungsbereitschaft vielleicht eines Tages mehr Anforderungen an den einzelnen Bürger stellen muß. Aber ich gebe zu, es ist im Zeichen der Wahl bequemer, von der weniger weitgehenden Wehrpflicht im klassischen Sinne zu sprechen, wenn sie auch heute eine echte Grundlage in diesem Umfang nicht mehr besitzt. Ich möchte vor einer anderen Legende warnen, etwa — ich habe solche Plakate schon hängen sehen — in der Wahl zu sagen: Ungarn hat uns recht gegeben! Meine Damen und Herren, niemand in diesem Hause kann heute sagen, er wäre in der Lage gewesen, dieses elementare Ereignis des ungarischen Volksaufstandes, das uns alle so bewegt hat, vorauszusagen.
— Es gibt solche Stimmen, Herr Conring. Ich möchte aus einem bestimmten Grunde nicht darüber sprechen.
— Es ist etwas anderes, ob man die gegebenen Verhältnisse zur Kenntnis nimmt und daraus die Konsequenzen zieht oder aber sagt: Die anderen waren die Dummen; wir haben das alles vorher gewußt! Nun, meine Damen und Herren, ich möchte Ihre Versammlungsredner im Wahlkampf nicht daraufhin untersuchen, ob sie nicht etwa der Versuchung erliegen werden, sich in ähnlichen Formen und Bahnen zu bewegen.
Im Zusammenhang mit Ungarn noch eins. Wir sind froh darüber gewesen, daß Deutschland aus seiner quasi nachbarlichen Lage, aus seiner ganzen Stellung im freien Westen und am Eisernen Vorhang die Konsequenzen aus der Unterbringungspflicht für Flüchtlinge, wenn auch anderen Volkstums, aus Ungarn gezogen und hier geholfen hat. Es berührt etwas unangenehm, wenn man sieht, daß sich diese Einsicht in der übrigen Welt nicht so hat durchsetzen können und daß viele Tausende von ungarischen Flüchtlingen heute an die Tür nicht mehr herankommen, an die sie noch vor wenigen Monaten glaubten ohne weiteres klopfen zu können in der Hoffnung, eintreten zu dürfen.
In einem wollen wir uns auch noch von der Mehrheit des Hauses ganz deutlich unterscheiden. Wir haben die Verteidigung bejaht, und wir bejahen sie in aller Kenntnis der Konsequenzen, die daraus entstehen können. Es handelt sich hier um so schwierige Fragen, die so sehr an den Lebensnerv jedes einzelnen gehen, daß man zugleich auch den Mut haben soll, die Augen nicht vor der Verantwortung und vor den Möglichkeiten zu verschließen, die daraus erwachsen können. Bei der Abwägung der Gefahr wird sich dann eben die Waagschale so oder so senken; aber einfach so zu tun, als ob mit dem Weg, wie er jetzt beschritten worden ist, Sicherheit um jeden Preis geschaffen worden wäre, das halten wir doch für bedenklich. Ich kenne noch die Worte, die hier gefallen sind: Wenn wir in der NATO sind — wir haben den Eintritt bejaht; ich betone das —, werden wir nicht
Schlachtfeld. Meine Damen und Herren, wer könnte dem deutschen Volk solche Dinge versprechen? Leider niemand.
Ich sage das deshalb, weil wir kürzlich beim Luftschutz, wo von den Sozialdemokraten und von uns ein Antrag gestellt worden ist, Ihre mangelnde Bereitschaft zur Kenntnis nehmen mußten. Hier muß man, wenn man den Mund gespitzt hat, auch nachträglich pfeifen und bereit sein, die Konsequenzen bis zum letzten zu ziehen. Es ist eine große Frage, wie weit man den Luftschutz ausbauen kann. Es gibt Länder, die sagen: Es gibt keine Möglichkeit, so schrecklich sind die Vernichtungswaffen, so kurz, so phantastisch und makaber kurz sind die Warnzeiten beim Anflug von unbemannten Projektilen usw. geworden. Aber immerhin muß doch der Luftschutz irgendwie noch einen Sinn haben. Wir werden das Luftschutzgesetz in wenigen Tagen wieder hier auf dem Tisch liegen haben. Ich will dabei gar nicht an das Tischtuch und die Haselnuß erinnern, wie es damals der Kollege Engell von meiner Fraktion glossierend gesagt hat. Aber es entsteht doch der Eindruck, daß auch hier wieder eine illusionistische Politik getrieben wird, eine genaue Parallele zu der Verteidigungspolitik in der Ara Blank, die auf diesem Sektor noch nicht durch Herrn Strauß abgelöst worden ist. Wenn schon der bauliche Schutz auf die größten Schwierigkeiten stößt und wenn schon die Warnzeiten viele Schwierigkeiten auftürmen, so sollte man zumindest alles tun, um diejenigen am Leben zu erhalten und von Krankheiten zu heilen, die, sollte eine solche Katastrophe kommen — Gott verhüte es —, dann die Überlebenden sein würden. Für diese Überlebenden sollten uns keine Mittel hoch genug sein. Die Relation, in der wir die Mittel im Bundeshaushalt auswerfen — sie erreichen noch nicht einmal einen Satz von 1 % des Verteidigungshaushalts —, eine Relation, die in der Welt wahrscheinlich einmalig dasteht, kann auf die Dauer nicht aufrechterhalten werden.
Meine Damen und Herren, wir haben über die Sozialpolitik bittere Klage zu führen. Ich habe schon gesagt: es ist heute weder die Absicht noch die Möglichkeit, hier eine Polemik zu entfesseln und eine Debatte über diese Dinge zu haben. Ich möchte nur einiges ins rechte Licht rücken und zu manchen Methoden einiges sagen. Zum Beispiel sollte man sich nicht so leicht, wie wir es oft tun, über die Erwerbslosigkeit mit dem Schlagwort hinwegsetzen: Die Vollbeschäftigung ist „praktisch" erreicht. Herr Kollege Niederalt, Sie werden mit mir einer Meinung sein, daß man das im Bayerischen Wald bei Ihnen und bei uns nicht erzählen kann, ohne vielleicht zum vorzeitigen Verlassen des Lokals gezwungen zu werden.
— Ja, aber wir dürfen die negativen Schwerpunkte, die sich leider immer noch erhalten haben und die sich nicht grundlegend verbessert haben, nicht vernachlässigen. Das ist die Bitte, die ich ganz einfach undbescheiden mit aussprechen möchte. Man darf sich nicht von dem Schlagwort der Vollbeschäftigung, die praktisch erreicht ist, so weit beeindrucken lassen, daß man vergißt, daß in den Zonenrandgebieten und in gewissen strukturellen Schichten, z. B. der älteren Angestellten und der
erwerbsgeminderten Menschen usw., noch eine solche Erwerbslosigkeit herrscht. Jeden einzelnen, den sie trifft, trifft sie schlimm genug.
— Aber die Sätze werden damit nicht erhöht, Herr Kollege Conring. Es ist kein Vergnügen, von einer Erwerbslosenunterstützung zu leben.
Ich möchte noch ein Weiteres sagen und erbitte mir die Erlaubnis des Herrn Präsidenten zu einem kurzen Zitat, das eigentlich eine weitere Debatte völlig überflüssig macht. Im übrigen werden wir bei dem Einzelplan des Ministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte heute noch einige Dinge in begrenztem Rahmen ausführen können. Ich möchte an die Gesamtbeurteilung erinnern, die damals ,die stärkste Regierungspartei nach der optimistischen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers einem großen Teil unseres Volkes und damit einem für das Gesamtvolk sehr wichtigen Sektor hat zuteil werden lassen. Herr von Brentano hat damals als Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU über die Heimatvertriebenen gesagt:
... damit — ich hoffe es — nach vier Jahren das Problem der Heimatvertriebenen in der politischen Diskussion keine Rolle mehr spielen wird . . .
Meine Damen und Herren, kann einer von Ihnen — wir alle sollten es bedauern — heute noch zu diesem Worte stehen? Hat hier nicht der damalige Fraktionsvorsitzende und heutige Außenminister einen doch sehr weitgehenden, um nicht zu sagen: leichtfertigen Optimismus entfaltet, den er dann leider auf der anderen Seite ,durch einen geradezu verantwortungslosen Pessimismus auf dem außenpolitischen Gebiet geglaubt hat ergänzen zu müssen?
— Herr Kollege Gengler, Sie wissen aus dem Haushalt genau wie ich, daß die entscheidende Frage, die ich meine, auf einem vielschichtigen sozialen Sektor davon nicht berührt wird. Aber wenn Sie glauben, daß hier besondere Probleme nicht gelöst sind, so werden wir Ihnen heute mit einem Antrag, der Ihnen schon vorliegt, die volle Gelegenheit geben, sich mit uns zu diesen Grundsätzen zu bekennen. Ich glaube, daß diese so leichtfertige Prognose Herrn von Brentanos für sich, besser: gegen sich spricht.
Wir erleben Zug um Zug die Eingliederung der Saar. Hier halten wir es für nicht gut, wenn man ,auf dem sozialen Gebiet, wo es um die Wahrung des sozialen Besitzstandes geht, unter Betonung kolossal wichtiger Gesichtspunkte wie z. B. der Rechtseinheit glaubt, der Saar gewisse Fortschritte in Deutschland vorenthalten oder Verbesserungen nehmen zu können, wie wir es auf dem einen Gebiet erlebt haben oder, wie ich fürchte, erleben werden. Wer das tut, leistet praktisch ungewollt all denen eine gewisse Schützenhilfe, die die Menschen in der Zone mit dem Bolschewismus von Pankow aus zu unterwandern und zu umklammern versuchen, indem sie behaupten, die Wiedervereinigung würde gewisse auf einzelnen Gebieten bestehende soziale Verschiedenheiten zu Lasten der Betroffenen in Frage stellen.
Ich möchte nun etwas zu der Methode sagen, die 'wir hier bei der Behandlung der sozialen Fragen immer wieder erlebt haben. Wenn es einmal von den Sonntagsreden hinweg hier zum Schwur und zum Beschluß kam, dann hörten wir immer zwei Schlagworte: Auf der einen Seite die Behauptung, das fördere den Versorgungsstaat. Das ist sehr bequem. Es gibt sehr viele Meinungen und sehr viele wissenschaftliche Richtungen, die sich darüber streiten, wo der Versorgungsstaat, den auch wir nicht wollen, endet und wo er beginnt. Aber wenn man dann damit nicht weiterkam und sich mit der Argumentation nicht weiter ,durchsetzen kannte, dann hat man gesagt: Es ist kein Geld da. Man geht auch heute noch so weit. Ich habe mit Bedauern gesehen, daß ein Beschluß, der in der zweiten Lesung gefaßt worden ist, der Beschluß, wenigstens 10 Millionen für die Kapitalabfindung zur Eigentumsbildung für deutsche Kriegsopfer draufzulegen, heute mit einem Beschluß Ihrer Fraktion wieder rückgängig gemacht werden soll. Ist das gut? Ich weiß es nicht.
— Auf die kommen auch wir noch!
Dann arbeiten wir sehr mit Bindungsermächtigungen. Wenn das Latein des Haushalts zu Ende ist, dann kommt die Bindungsermächtigung. Das sieht wunderbar aus und verschleiert doch letzten Endes nur, daß hier Etatmittel vor der Raupe hergeschoben werden und daß das Problem dann im nächsten Jahr — es geht doch im Gesamten gesehen um langfristige Vorhaben, die sich auf viele Jahre erstrecken — doppelt schwierig wird und daß dann die vermehrten Schwierigkeiten so lange vor uns hergeschoben werden müssen, wenn man dieses Problem wirklich lösen will, bis den letzten die Hunde beißen und es beim letzten Mal dann eben nicht reicht.
Wir hätten schon eine Vorstellung gehabt, wo man Gelder hätte einsparen können: bei ,den — wie heißt es jetzt — „gegenseitigen Hilfemaßnahmen". Ich möchte das unter diesem Wort viel bekanntere Thema der Stationierungskosten doch einmal kurz etwas aufgreifen. Ich habe heute schon Herrn Kollegen Vogel in einem Zwischenruf gesagt: Es geht um eine gemeinsame Verteidigung. Wir müssen unsere Lasten an dieser gemeinsamen Verteidigung tragen, und wir tragen sie. Herr Kollege Vogel, glauben Sie nicht, wieviel sich Deutschland leichter täte, wenn es diese Lasten nicht tragen müßte! Es muß sie tragen, und es trägt sie. Aber von diesem rund 10-Milliarden-Etat aus gesehen bekommen die Dinge doch ein anderes Gesicht. Dann muß doch wirklich einmal eine Abwägung eintreten, wieweit die anderen nicht auch bei uns sich selbst verteidigen. Wenn man einmal die Entwicklung der Geschichte der letzten sieben, acht Jahre verfolgt, kommt man doch wohl oder übel zu dem Schluß, daß der Selbstverteidigungswunsch der anderen für sich selbst doch sehr viel dazu beigetragen hat, daß die ganzen Dinge einer gemeinsamen Verteidigung Wirklichkeit geworden sind.
Ich möchte aber noch etwas Weiteres sagen, was vielleicht auch Sie bejahen, Herr Kollege Vogel. Man darf dabei auch nicht vergessen, welche Vorleistungen die Bundesrepublik als deutscher Teil-
staat auch auf dem geistigen Gebiet der Verteidigung freiheitlichen Denkens gegen den Bolschewismus an unserer Zonengrenze bisher hat auf sich nehmen müssen. Das ganze Problem der Vertriebenen, das Problem des Ausgebombten, der zerstörten Wohnungen zu Millionen, das sinnigerweise die anderen — und doch nicht mit Grund und Notwendigkeit — auf sich genommen haben, ist die ursächliche Veranlassung. Alle diese Dinge belasten uns doch so weit vor, daß man vielleicht hätte Rücksicht darauf erwarten können, welche unendlichen Vorleistungen wir zu tragen haben und noch künftig tragen müssen. Wir hätten uns von dem Herrn Bundesfinanzminister die Härte, mit der er auf manchen anderen Gebieten auf den Plan tritt, dort sehr wohl gewünscht, um doch einmal vielleicht auch gerade unter diesem Gesichtspunkt einiges ins rechte Licht zu rücken.
— Das habe ich auch nicht erwartet.
Die Ausgabenfreudigkeit, die dann so gern beschworen wird, finden Sie doch in vielen, vielen Anträgen, die Sie selber mit unterzeichnet haben. Sie können doch auf der anderen Seite nicht über die Ausgabenfreudigkeit des Parlaments bittere Klage führen und die Stabilität der Währung und andere Dinge ins Feld führen, wenn Sie gleichzeitig oft gewillt sind, sehr erheblichen Summen sehr schnell zuzustimmen. Ich möchte mich nicht über die Berechtigung dieser Dinge hier mit Ihnen auseinandersetzen; sie haben vielleicht ihren guten Kern. Aber wir haben auch zwei Beispiele in der letzten Zeit gehabt, wo in wenigen Minuten erhebliche Beträge dagewesen sind, in dem einen Fall für die Bundesbahn eine runde halbe Milliarde.
— Ich will die Berechtigung nicht bestreiten.
Ich habe nur gesagt, daß uns andere Dinge wenigstens auch sehr wichtig erschienen wären. Ich möchte auf ein vielleicht nicht so dringliches Problem wie das der Bundesbahn verweisen, das hier nach langwierigen Vorberatungen im Ausschuß, wo man zu keiner anderen Lösung gelangt war, im Plenum behandelt wurde. Da ist auf einmal zu später Stunde — vielleicht war das den Dingen sehr förderlich — der Betrag für Darlehen und Zuschüsse zur Förderung des Althausbesitzes und zur Reparatur der Altwohnungen von 50 Millionen auf 100 Millionen DM einfach so heraufgerutscht. Ich bin neugierig, welche Argumente Sie unserem Antrag auf vielleicht noch wichtigere Dinge, weil es da um Menschen, nicht um Häuser geht, in bezug auf Maßnahmen für Spätaussiedler entgegenzusetzen versuchen werden.
Meine Damen und Herren, es kommt bei der Stellung der politischen Parteien zueinander maßgeblich darauf an, in welchem oft beschworenen Stil man sich gegenseitig verhält. Sehr viel Erfreuliches ist hier nicht zu berichten. Wir halten es nicht für gut, wenn man, wie wir das hier so oft erlebt haben, Entscheidungen mit einem Entschließungsantrag ausweicht, der oft das Papier, auf dem er gedruckt ist, nicht wert ist,
indem man draußen in Sonntagsreden Dinge behauptet, die man nachher, wenigstens seitens seiner Freunde, nicht einzulösen gewillt ist.
Wir haben vom Herrn Familienminister draußen so oft problematische Äußerungen auf Versammlungen gehört und in Berichten gelesen. Seine Reden sind es ja zum Großteil gewesen, die nachher das Plenum in Rede und Gegenrede beschäftigt haben. Hier ist er allerdings meistens sehr still gewesen,
und selbst als er hier angesprochen wurde, als der ungewöhnliche Sprechchor, wie er an sich vergangenen Zeiten angehört: „Wuermeling! Wuermeling!", erklang, da hat der Herr Familienminister — wie er glaubte: stolz lächelnd — hier gesessen und hat seinen Mund nicht geöffnet.
Das ist die Methode: Anträge zu Zeiten der Wahl einzubringen, obwohl man weiß, daß sie nach der Geschäftsordnung des Bundestages nicht mehr behandelt werden können.
Es ist die Methode, Dinge in Umlauf zu setzen, die zum Teil auch dem Gedankengut einiger anderer entstammen. Aber die Initiative, die ein Gedankengut zu entwickeln vermag, kann man ja nach d'Hondt fein säuberlich dirigieren, und man kann dieser Flamme das Lebenslicht ausblasen. Ich erinnere an den Antrag einer Fraktion dieses Hauses, ein Gesetz zur Hilfe für ältere Angestellte einzureichen. Dem lagen weitgehend dieselben Gedanken zugrunde, die wir kurz nach dem Eintritt in diesen Bundestag hier zur Diskussion gestellt haben. Der Erfolg war, daß das Gesetz heute noch in den Schubladen irgendwelcher Ausschüsse herumliegt und vermutlich ein trauriges Ende nehmen wird.
Noch ein ernsteres Wort zu einem viel, viel wichtigeren Problem, als es solche kleinen Akzente überhaupt sein können. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben hier vor nicht zu langer Zeit eine Novelle zum Lastenausgleichsgesetz verabschiedet, mit der wir ein gutes Stück vorangekommen sind. Vielleicht hat es manche nicht überrascht: auf einmal war der Bundesrat da und hat Einspruch erhoben. Man streitet sich über den Wert der Prognose, daß sogar die Gefahr besteht, daß unter Umständen dieses für Millionen von deutschen Menschen lebenswichtige Gesetz, das sie aus ihrem Notkreis herauskommen lassen soll, nicht einmal mehr in dieser Legislaturperiode zur Verabschiedung kommt. Das wäre sehr schlecht, meine Damen und Herren! Ich möchte das in aller Deutlichkeit gesagt haben.
Wie ist denn das Schauspiel? Es ist ein schlechtes Schauspiel, das wir dabei erleben. Man kann sich, wenn es um so „weltbewegende" Dinge geht wie die Speiseeisverordnung, die den Bundesrat beschäftigt hat, oder um ähnliche Dinge, zu Recht darauf berufen, daß der eine nicht der Meinung des anderen zu sein braucht, daß man in Adorf anders denkt als in Hintertupfingen und in der Stadt anders als auf dem Lande.
Aber beim Lastenausgleich, der eine essentielle Aufgabe unseres Staates ist, kann man auf solche Verschiedenheit der Meinungen nicht allzusehr abheben, und da darf man in dieser Beziehung nicht
allzusehr sündigen. Die tragenden großen Parteien in Deutschland, dabei auch die CDU, müssen doch soviel an Homogenität, an Gedankengut und an politischen Impulsen auch gegen sich, wenn es sein muß, gelten lassen, um einzusehen, daß es unmöglich ist, daß dieselben politischen Kräfte letzten Endes hier ja sagen und nachher draußen — hoffentlich nicht planmäßig — nein sagen. Damit treiben sie eine gute Sache, die sie einstimmig als ihre Sache anerkannt haben, wofür wir ihnen dankbar waren, in den Tod hinein und sehen damit dem Tod vieler Menschen zu, die dann eine Verbesserung nicht mehr erleben würden. Deswegen neben dieser Feststellung die Bitte, ich möchte sagen: die Forderung, in dieser Frage einmal ehrlich zu sein, d. h. im Vermittlungsausschuß, wo die Länder beteiligt sind, zu dem zu stehen, was Sie seitens der Parteien hier mitgemacht haben.
Noch ein Letztes zu den Unerfreulichkeiten des Stils: die Volksaktie; sie ist hier bereits allgemein angesprochen worden und wird noch viel angesprochen werden. Ich möchte Ihnen einmal sagen, was nach Gesprächen, die ich draußen gehört habe, der Eindruck des kleinen Mannes in bezug auf die Volksaktie ist, den Sie offenbar ganz gerne hinzunehmen gewillt sind; große Dementis dagegen hat es noch nicht gegeben und wird es wohl nicht geben. Der kleine Mann hat den Eindruck, daß nun das Volkswagenwerk aufgeteilt und jedem gratis und franko eine Aktie, eine Schöpfung von Eigentum, vielleicht mit der Weihnachtspost oder als Postwurfsendung in das Haus flattern wird. Das ist der Eindruck, der draußen entstanden ist, ein Eindruck, der deswegen nicht stehengelassen werden kann, weil uns der Begriff der Verbreiterung der Eigentumsbasis zu heilig ist, als daß wir es zulassen könnten, daß damit dieses Spiel getrieben wird.
Aktien kaufen kann man schon heute; dazu hätte es der Fanfarenstöße von Hamburg wahrhaftig nicht bedurft.
Bei Investmentbanken oder wo Sie sonst wollen, können Sie sparen, und zwar so, daß das Risiko für den kleinen Mann weitgehend verteilt wird, der ja mit solchen Dingen im allgemeinen nicht gut umzugehen versteht.
Ein Zweites ist uns in bezug auf den Haushalt aufgefallen. Der Haushaltsausschuß hat — ich darf ihn dazu beglückwünschen — eine kluge Entscheidung getroffen, indem er die in der Regierungsvorlage vorgesehenen Ansätze in bezug auf den Fortbestand der Reste zweier ausgeschiedener Minister — verwaltungsmäßig gesehen — gestrichen hat. Sie wissen, daß der Haushaltsausschuß diese Streichung nicht einstimmig, aber doch mit Stimmen quer durch alle Parteien auch mit vielen Stimmen der CDU - einer Ihrer Kollegen hat sich durch seine Initiative ein großes Verdienst erworben —, beschlossen hat. Nun kommt der Antrag, wohl aus Gründen falsch verstandenen Prestiges, uns diese Dinge wieder zu servieren. Vielleicht siegt hier doch die Vernunft auf Grund der Kenntnis, welche Entwicklung dieser Apparat genommen hat. Es ging doch seinerzeit bei den Sonderministern darum, daß durch sie Verbindungsglieder zu ihren Fraktionen geschaffen werden sollten. Nun, sowohl die FDP wie wir können ein Lied davon singen, welche Verbindungen diese Minister geschaffen haben!
Nachträglich sind dann jene Aufgaben an die Sonderministerien angehängt worden, Aufgaben, die an sich notwendig sind — vor allem die Regelung des Wasserhaushalts —, die aber in dieser Form eine praktische Lösung offenbar nicht haben finden können.
Dabei wäre nur in einem Falle, im Falle des Ministers a. D. Schäfer, eines zu sagen. Wenn ich mich nicht täusche, soll Herr Minister Schäfer wegen eines Beschäftigungsauftrags dann hier wieder — wohl nicht feierlich — eingeführt werden. Ich möchte nicht hoffen, daß wir zu den vielen Kategorien von Ministern, die man heute in der ganzen Welt kennt — Minister, die der Regierung oder der Partei treu sind, Minister, die reden, und solche, die arbeiten, usw. —, noch den Begriff des „Ministers durch die Hintertür" hinzufügen müßten. Damit würden Sie der Sache keinen guten Dienst erweisen.
Es ist — um abschließend etwas zum Stil zu sagen — die Frage, wie man seinen Staat auffaßt. Denn davon, wie man seinen Staat bei den einzelnen politischen Parteien auffaßt, wird es auch abhängen, wie sich das Verhältnis der politischen Parteien zueinander entwickelt. Man hat manchmal den Eindruck — den Eindruck, sage ich —, und zwar auf Grund verschiedener Symptome, deren Aussagekraft ja oft von hoher Seite beschworen worden ist, daß eine Partei sich vorstellt, dies sei ihr Staat.
Meine Damen und Herren, das kann er einfach nicht sein! Mit einem Staat, wo eine Partei allein der Staat war, haben wir alle und auch Sie so schlechte Erfahrungen gemacht, daß man allen Anfängen wehren sollte.
— Es war nicht schief, was ich gesagt habe; in 20, in 30 Jahren wird es sehr kluge Bücher geben, die das wahrscheinlich nicht als schief bezeichnen.
Meine Damen und Herren, Sie können die Polemik — hier ist sie gerechtfertigt! — nicht entkräften, solange Sie die Reptilienfonds weiter bestehen lassen. Solange Sie nicht gewillt sind, hier klare Verhältnisse zu schaffen und dem Parlament bzw., wie es gefordert war, einem ganz kleinen Teil des Parlaments. einer Handvoll Parlamentarier wenigstens Einblick zu geben, solange können Sie die Dinge nicht entkräften. Es gibt einen sehr aktuellen Anlaß, daran zu denken. Wenn man so die Illustrierten liest und da sieht, wie neben den geschichtlichen Hinweisen auf vergangene Zeiten mit Königen und Fürsten und anderem mehr und schönen Kleidern, die es damals gab, jetzt auf einmal eine moderne Geschichtsgalerie in den Zeitungen erscheint, sehr schöne gegenwartsnahe Figuren, da muß man sich fragen, wer das Geld dafür ausgibt. Sie könnten heute sagen: „Aus dem Reptilienfonds ist es nicht bezahlt", wenn Sie ihn einer beschränkten Kontrolle zugeführt hätten. Wenigstens erscheinen in diesen Veröffentlichungen der modernen Geschichtsgalerie noch nicht die Familienmitglieder; das ist noch ein Trost.
— Ich wollte sagen, die erscheinen zunächst einmal bei den verschiedenen Reisen. Dort führen sie sich allmählich ein.
Ich habe das gesagt, um Ihnen zum Abschluß zu begründen, warum wir als Opposition solchen Methoden widerstehen. Unser Bundesvorsitzender, Herr von Kessel, hat auf dem Parteitag in Düsseldorf deutlich erklärt, es sei höchste Zeit, daß diese Bundesregierung verschwinde. Meine Damen und Herren, der Ablauf der Zeit wird ihm diesen Wunsch erfüllen. Das ist richtig. Aber zumindest ich persönlich möchte ganz entschieden sagen, daß wir in dieser Haltung durch all diese Fragen, die ich hier nur sehr symptomhaft angesprochen habe, bestärkt werden. Wir wünschen uns auch keine Bundesregierung, die aus dem gleichen Holz geschnitzt ist, von dem heute hier so einige Spänchen abgefallen sind. Deswegen werden wir als Partei der Opposition dieses Bundestages — trotz Zustimmung zu manchen Haushalten, deren sachliche Anliegen wir für berechtigt halten — dem Gesamtetat die Zustimmung verweigern.