Rede von
Erwin
Schoettle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
— Der Ältestenrat hat durch eine nicht immer ganz klar durchdachte Planung vielleicht sein Teil dazu beigetragen. Aber wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes!
Die Gründe für die Schwierigkeiten der Haushaltsberatung im Plenum des Bundestages im einzelnen zu untersuchen, ist müßig. Es möge die allgemeine Feststellung genügen, daß die Beratung des Bundeshaushalts in den Wirbel der Zeitnot geraten ist, unter der die Arbeit dieses Hauses in den Wochen vor dem Schluß der Legislaturperiode steht.
Der Haushaltsentwurf 1957 hat in den Beratungen des Haushaltsausschusses zwischen der ersten und der zweiten Lesung große Veränderungen erfahren. Rund 3,4 Milliarden DM beträgt die Erhöhung gegenüber dem Entwurf, den der Herr Bundesfinanzminister im Dezember vorigen Jahres hier eingebracht hat. Mit 37,3 Milliarden in Soll und Haben ist ein Rekord erreicht worden, vor dem einem bange sein muß, ganz gleich, auf welcher Seite dieses Hauses man steht. Dieser Umstand legt es nahe, die Frage zu untersuchen, wie es zu dieser gewaltigen Ausweitung des Regierungsentwurfs gekommen ist.
Auch jetzt geistert ja wieder durch die Presse und durch die öffentliche Diskussion das einmal vom Herrn Bundesfinanzminister in die Welt gesetzte Schlagwort von der hemmungslosen Bewilligungsfreude des Parlaments. Dabei fehlt selbstverständlich auch nicht der Hinweis, daß die Abgeordneten im Wahljahr besonders hemmungslos seien, weil sie auf Stimmenfang ausgingen. Daß die Opposition eine ganz besonders schlechte Note bekommt, weil sie bestimmte Anträge gestellt hat, versteht sich bei dieser Art der Polemik am Rande.
Wer die Wahrheit kennt — und wir, die wir den Gang der Beratungen mit erlebt haben, kennen sie einigermaßen —, der weiß, daß die wirklich entscheidenden Ausgabeerhöhungen aus den Ergänzungslisten der Bundesregierung stammen, die sie im Laufe der Beratungen nachgeschoben hat.
Ich sage das ohne Tadel, lediglich als Feststellung eines Tatbestandes, der nun einmal nicht zu leugnen ist.
— Ich komme darauf, Herr Kollege Gengler. Ich bin ja nicht so schüchtern, daß ich um die Dinge herumrede.
Ich darf in diesem Zusammenhang eine Berner-kung aus meiner Rede zur ersten Beratung des Haushaltsentwurfs vorn 12. Dezember 1956 ins Gedächtnis zurückrufen. Damals habe ich gegenüber dem Herrn Bundesfinanzminister, der die kühne Behauptung aufgestellt hatte, daß sein Entwurf ein „Haushalt der Stabilität und der sozialen Sicherheit" sei. erklärt, daß mindestens die Behauptung von der Stabilität mit einem Fragezeichen versehen werden müsse. Ich habe damals darauf hingewiesen, daß eine Reihe von wichtigen Bestandteilen des Haushalts in ihren Umrissen noch nicht feststünden, daß sicher zu erwartende Ausgaben nicht veranschlagt seien und daß bei anderen Ausgabepositionen führende Regierungsmitglieder Auffassungen vertreten hätten, die nicht mit denen übereinstimmten, die ihren Niederschlag im Haushaltsentwurf gefunden hätten. Das ist ein beinahe wörtliches Zitat. Ich kann heute feststellen, daß jede einzelne dieser Behauptungen durch den Gang der Beratungen bestätigt worden ist.
Es konnte schließlich vorausgesehen werden, daß der Grüne Plan unter dem Druck der Interessenten im Jahre 1957 mehr kosten würde als im Vorjahr. Es konnte vorausgesehen werden und war zum Zeitpunkt der Einbringung des Haushalts auch völlig klar, daß eine wirkliche Rentenreform unter den Bedingungen nicht möglich sein würde, die der Herr Finanzminister in seinen Haushaltsansätzen festgelegt hatte. Es war auch klar, und zwar auch schon im Dezember, daß die Kriegsopferversorgung höhere Ausgaben erfordern würde, als sie der Entwurf der Regierung vorsah.
Ich könnte die Aufzählung der Positionen im Bundeshaushalt noch geraume Zeit fortsetzen, von denen feststand, daß sie eine Korrektur nach oben erfahren müßten, und zwar nicht durch den Leichtsinn des Parlaments oder gar des Haushaltsausschusses, in dem alle Mitglieder, das darf ich wohl sagen, ohne Unterschied der politischen Färbung an der Einengung der Ausgabenflut mitarbeiteten, wenn auch manchmal die Ansichten darüber auseinandergehen, in welcher Richtung gesperrt, gespart, gehemmt und gebremst werden sollte. Die Erhöhungen erfolgten unter dem Druck von unabweisbaren Notwendigkeiten und — das muß zugegeben werden — zu einem erheblichen Teil unter dem Druck von gesetzgeberischen Akten dieses Hohen Hauses.
Es gibt nur ganz wenige Punkte in dem Haushalt, der jetzt dem Hause zur dritten Beratung vorliegt, von denen man mit gutem Gewissen sagen könnte, daß sie entbehrlich oder reiner Luxus seien. Es gibt einige politische Positionen in diesem Haushalt, deren politische Begründung fragwürdig erscheinen mag. Ich will aber darauf im einzelnen nicht eingehen. Vom Standpunkt der Opposition und vielleicht auch nach der Meinung mancher Mitglieder der Regierungskoalition — wenn sie sich nicht der Koalitionsdisziplin fügen müßten — kann man sogar sagen, daß in diesem Haushalt eine Reihe von wichtigen Aufgaben nur ungenügend oder gar nicht berücksichtigt werden. Doch darauf werde ich noch zu sprechen kommen müssen.
Für jetzt sei nur festgestellt, daß die entscheidenden Ausgabevermehrungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf verursacht worden sind durch den Grünen Plan mit annähernd 600 Millionen, durch die Rentenreform mit 160 Millionen, die in diesem Haushaltsjahr zu Buch schlagen, durch die Sechste Novelle zum Bundesversorgungsgesetz mit 105 Millionen, durch Zuschüsse für die Bundesbahn, die übrigens von der Koalition im Haushaltsausschuß beantragt worden sind, mit 500 Millionen, durch den Bergarbeiterwohnungsbau mit 230 Millionen, durch Aufwendungen für Besatzungsschäden und im Zusammenhang damit für die Freimachung von beschlagnahmten Grundstücken und Gebäuden mit rund 220 Millionen, schließlich durch Zuschüsse für das Saarland, für das ursprünglich im Bundeshaushalt überhaupt nichts stand, in Höhe von 139 Millionen und durch eine Verdoppelung der Aufwendungen für die Wiedergutmachung, was auf einer völlig falschen Voreinschätzung der wahrscheinlichen Kosten beruht, die man hätte voraussehen können.
Ich habe damit nur ganz roh die großen Posten herausgegriffen. Aber allein schon die Addition dieser Beträge führt uns sehr nahe an den Unterschied von 3,4 Milliarden DM zwischen dem Entwurf der Regierung und der jetzigen Gestalt des Haushalts.
Soviel zum Faktischen dieses Haushalts.
Es dürfte schwer sein, in jedem einzelnen Fall einer Erhöhung der Ausgaben dem Parlament zu beweisen, daß es verschwenderisch gewesen sei. Oder will jemand in diesem Haus den Sieg der Grünen Front, der sich in einer runden Verdoppelung der Ansätze ausdrückt, rückgängig machen? Will jemand im Ernst sagen, daß die Sozialrentner oder die Kriegsopfer zuviel erhalten? Freilich könnte man der Meinung sein, daß diese oder jene Subvention wegfallen könnte. Diese Beträge schlagen nicht besonders zu Buch, gemessen am Gesamtumfang des Haushalts. Aber man könnte hier das oft gebrauchte Wort zitieren, daß Kleinvieh auch Mist gibt.
Die Opposition hat im Laufe der Beratungen im Haushaltsausschuß und auch im Plenum bei der zweiten Lesung eine Reihe von Anträgen gestellt, die ihr den Vorwurf eingetragen haben, sie verlange das Unmögliche und stelle Anträge, von denen sie wisse, daß sie nicht verwirklicht werden können. Gestatten Sie mir dazu ein offenes Wort.
Die sozialdemokratische Fraktion hat, abgesehen von einigen weniger bedeutenden Forderungen, vor allem zwei große prinzipielle Wünsche an diesen Bundeshaushalt vorgetragen. Der eine ist die Bereitstellung von Mitteln für den Luftschutz, der andere die Forderung nach einer beträchtlich höheren Summe für die Förderung der Wissenschaften, für die Bereitstellung von Stipendien für die Studierenden, für den Ausbau unserer Ingenieurschulen und für die Beseitigung der Schulraumnot, die in einem hohen Grade eine Kriegsfolge ist.
Man hat uns auch hier im Hause den Vorwurf gemacht, daß wir mit solchen Forderungen die Grenze des Möglichen weit überschritten und gewissermaßen unsere Verantwortungslosigkeit demonstriert hätten.
Um was geht es uns in Wirklichkeit? Meine Damen und Herren, wenn man nicht um der Polemik willen das Gegenteil behauptet, muß man sehen, daß wir Sozialdemokraten aus einer prinzipiellen Haltung zum Bundeshaushalt und seiner Gesamtrichtung zu unseren Anträgen gekommen sind. Wir sind der Meinung, daß es nicht zu verantworten ist, eine militärische Rüstung aufzuziehen, die doch wohl auf der Voraussetzung beruht, daß es einmal nötig sein könnte, sie einzusetzen, und gleichzeitig für den Schutz der Zivilbevölkerung nur unzureichend zu sorgen,
wobei die Frage hier unerörtert bleiben mag, ob angesichts der modernen Vernichtungswaffen ein wirklicher Schutz der Zivilbevölkerung überhaupt möglich ist. Um diesen Gesichtspunkt vor aller Öffentlichkeit zu demonstrieren, daß die Bundesregierung in ihrem Haushalt vom Standpunkt ihrer eigenen politischen Voraussetzungen ein entscheidendes Versäumnis begeht, wenn sie den Luftschutz so schlecht wegkommen läßt, wie es der Fall ist, und nicht, weil wir etwa glaubten, daß Sie unseren Anträgen zustimmen würden, haben wir gefordert, daß aus dem Verteidigungshaushalt eine Milliarde für den zivilen Luftschutz abgezweigt wird.
Um gleich beim Verteidigungshaushalt zu bleiben: Wir wollten klarmachen, daß wir die Auffassung der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses nicht akzeptieren können, daß der Verteidigungshaushalt mit seinen gegenwärtigen 9 Milliarden DM unantastbar in sich selber ruhe. Jahr um Jahr haben Sie für diesen Verteidigungshaushalt Summen bewilligt, die nicht ausgegeben werden konnten und von denen man von vornherein wußte, daß sie nicht ausgegeben werden konnten,
die schließlich als Ausgabenreste den Juliusturm gespeist haben und jetzt zur Deckung von Ausgaben ganz anderer Art herhalten müssen.
Wir lassen das Argument nicht gelten, daß der Verteidigungshaushalt in seiner Höhe und in seiner Zusammensetzung die Erfüllung von Bündnisverpflichtungen sei. Dieses Argument ist schon deshalb falsch, weil es durch die Praxis der Bundesregierung ständig widerlegt wird. Ihre ganzen Planungen sind im Laufe der letzten Jahre durch die Ereignisse widerlegt worden, ihre Programme immer wieder durch die Entwicklung umgestoßen und die veranschlagten Summen als — wie es im Haushaltsjargon heißt — nicht verkraftbar erwiesen worden.
Es mag sein, daß künftige Jahre höhere Anforrungen an den Bundeshaushalt stellen, wenn Ihnen gestattet wird, nach dem 15. September diese Politik fortzusetzen. Wenn jetzt aus dem Bereich des Verteidigungsministeriums die alarmierende Nachricht kommt, daß man im nächsten Jahr für den Verteidigungshaushalt möglicherweise statt 9 Milliarden DM 11 Milliarden DM brauche, dann werfen wir Sozialdemokraten die Frage auf, ob eine solche Erhöhung der Rüstungskosten zu Lasten anderer Aufgaben geschehen soll, ob die Steuern erhöht werden sollen oder ob statt dessen ein Rüstungsstopp, eine Überprüfung der Politik erfolgen muß, die dieser Rüstung und ihren Forderungen an den Haushalt zugrunde liegt. Dann werden wir die Frage aufwerfen, ob nicht die Aufwendungen für die Bundeswehr in ein vernünftiges
Verhältnis zu den Gesamtlasten der öffentlichen Hand gebracht werden können.
Der Hinweis auf die Verteidigungslasten, die unsere Verbündeten tragen müssen, geht fehl; denn die Länder, mit denen sich die Bundesrepublik in militärische Verpflichtungen eingelassen hat, haben nicht aus dem verlorenen Krieg und seinen Folgen dieselben Wiederaufbaulasten, dieselben Wiedergutmachungs- und Eingliederungsverpflichtungen zu bewältigen wie wir.
In diesem Zusammenhang möchte ich gleich eine Frage aufgreifen, die nicht ohne beträchtliche finanzielle Konsequenzen für die Bundesrepublik und ihren Haushalt, und zwar im Negativen, ist: unser Verhältnis zu den sogenannten Stationierungsmächten, soweit es sich in Mark und Pfennig ausdrückt. Und das ist eine ganze Menge; 1,2 Milliarden DM muß der Bundesfinanzminister teils aus seinem Juliusturm, teils aus dem Verteidigungshaushalt herausrücken, um die Ansprüche der Bundesgenossen zu befriedigen, die sie aus unklaren oder absichtlich verschwommen geh altenen Vertragsbestimmungen ableiten. Sogar die Vereinigten Staaten werden mit einem runden Betrag von 325 Millionen DM an diesem Stationierungskostengeschäft beteiligt sein, und wir können offenbar noch glücklich sein. daß sie sich damit begnügen. Es ist möglich, daß sich Herr Schäffer nur zähneknirschend diesem Verhandlungsergebnis unterworfen hat. Ja, es ist gar nicht ausgeschlossen, daß die Verhandlungsführung durch das Auswärtige Amt, die offenbar ausschließlich unter dem Gesichtspunkt erfolgt ist, daß die politische Konzeption der Bundesregierung zu ihrem Recht kommen muß, zu diesem für den Finanzminister und für den Bundeshaushalt gleichermaßen verhängnisvollen Ergebnis führte.
Daß eine solche Annahme nicht ganz unberechtigt ist, zeigt eine Meldung, die gestern durch die Presse ging und deren Hintergrund man kennen muß, um zu wissen, was damit verknüpft ist. Danach sind die Verhandlungen über den sogenannten Truppenvertrag endgültig festgefahren. Was das Wort „endgültig" in diesem Zusammenhang bedeutet, will ich offenlassen; es wird sich ja zeigen. Für diejenigen aber, die sich mit diesen Dingen nicht beschäftigt haben, sei gesagt, daß es sich dabei um die Regelung der Rechtsverhältnisse der im Bundesgebiet stationierten fremden Truppen handelt. Warum diese Verhandlungen festgefahren sind, kann man aus dem bisherigen Verlauf ungefähr ermessen. Es ist nicht unbekannt geblieben, daß unsere Verhandlungspartner, unsere Verbündeten, mit großer Zähigkeit an Rechten und Privilegien festhalten, die sie sich in der Zeit des reinen Besatzungsregimes zugelegt haben,
und daß sie eher das Zustandekommen eines neuen Truppenvertrags und damit die Einschränkung ihrer Privilegien bis auf unbestimmte Zeit hinausschieben möchten, als daß sie auf finanzielle Vorteile verzichten, an die sie sich gewähnt haben und die ach so nützlich und bequem für sie sind. Hier scheint die Bundesgenossenschaft eine beträchtliche negative Seite zu haben.
Um auf die Verhandlungsführung durch das Auswärtige Amt zu kommen — denn dort liegt die Verhandlungsführung —: soweit man weiß, hat sie
bisher zu einem Verzicht auf finanzielle Leistungen der Vertragspartner geführt, der die Größenordnung von gut 3/4 Milliarden DM ausmacht.
Meine Damen und Herren, ich kehre zu meinem Ausgangspunkt zurück, nämlich zu den sozialdemokratischen Forderungen an diesen Bundeshaushalt, die Sie uns wegen ihrer Größe und zum Teil auch wegen ihres Charakters zum Vorwurf gemacht haben.
Wir haben Anträge gestellt, die eine Erhöhung der Bundesleistungen für die Wissenschaftsförderung in ihren verschiedenen Zweigen und für den Schulhausbau zum Ziel haben. Was bedeuteten diese Anträge? Sie gingen von einer heute allgemein als unausweichlich anerkannten nationalen Notwendigkeit aus, nämlich von der Notwendigkeit der Überwindung des gefährlichen Rückstandes, den die Bundesrepublik auf vielen wissenschaftlichen Gebieten, vor allem aber in der Ausbildung unseres wissenschaftlichen und technischen Nachwuchses und im Schulhausbau ganz allgemein zu verzeichnen hat. Wir haben dabei weder die Verfassungsprobleme übersehen noch haben wir leichtfertig große Summen gefordert. Im Grundsatz gingen ja auch die Verhandlungen, die der Chef der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder geführt hat, auf dasselbe hinaus, was wir gefordert haben;
nur daß die Bereitwilligkeit zur praktischen Tat weit hinter den Erfordernissen zurückbleibt.
Wir werden Ihnen heute bei der Einzelberatung durch neue Anträge noch einmal Gelegenheit geben, sich dieser Frage zu stellen, und meine Fraktionskollegin Frau Dr. Hubert wird Ihnen noch einmal die sozialdemokratischen Gesichtspunkte vortragen. Ich kann deshalb hier auf weitere Ausführungen verzichten.
Es ist richtig, die sozialdemokratische Opposition ist in vielen Punkten über die Finanzvorschläge der Regierung hinausgegangen. Das trifft z. B. bei der Rentenreform und bei der 6. Novelle zum Bundesversorgungsgesetz zu. Es ist aber schließlich die Aufgabe der Opposition, in Fragen von so großer Bedeutung die Regierung vorwärts zu drängen und zu stoßen. Auch die Koalition hat sich ja in der Regel zum Schluß dazu verstehen müssen, mehr zu tun, als Herr Schäffer von Anfang an zu tun bereit war. Es wäre wahrscheinlich niemals zu diesen Kompromissen gekommen, wenn die sozialdemokratische Opposition nicht von vornherein das Ziel höher gesteckt hätte als der Bundesfinanzminister.
— Na, ich schätze Sie schon richtig ein.
Die Rechenkunststücke mit den sozialdemokratischen Anträgen aber, die uns hier von Regierungsseite und von der Koalition vorgeführt worden sind, stellen doch — um es milde zu sagen — ein reines Ablenkungsmanöver gegenüber den Tatsachen des Bundeshaushalts dar. Würden wir Sozialdemokraten Ihnen solche Rechenkunststücke vorführen — und es wäre ein leichtes, aus nicht eingetroffenen Prophezeiungen des Herrn Bundesfinanzministers und aus seinen Fehlschätzungen
eine umgekehrte Milchmädchenrechnung aufzumachen —, dann würden Sie das sicher und mit Recht als demagogisch brandmarken.
— Ich habe meine Formulierung nicht ohne Bedacht gewählt. Ich wollte mir keinen Ordnungsruf zuziehen, Herr Kollege.
Die entscheidende Differenz zwischen Ihnen und uns bei diesen Haushaltsberatungen liegt überhaupt im ganzen Bereich der Finanzpolitik, im Grundsätzlichen und nicht in den Einzelheiten, in der grundsätzlich anderen Einstellung zu dem, was man die Schwerpunkte im Haushalt nennen kann. Wir wollen eine andere Verteilung dieser Schwerpunkte und haben daraus nie ein Geheimnis gemacht. Genauso wenig haben wir verheimlicht, daß wir die Auffassung der Bundesregierung, des Finanzministers und der Koalition nicht akzeptieren, wonach die Verteidigung den unbedingten Vorrang vor allen anderen Haushaltspositionen habe und unter gar keinen Umständen angetastet werden dürfe.
Bis zu welchem Punkt diese gefährliche These getrieben wird, hat sich bei den Haushaltsberatungen im Ausschuß gezeigt, als es den gemeinsamen Bemühungen der Opposition und der Regierungsparteien gelang, beträchtliche Streichungen bei den Anforderungen des Verteidigungsministeriums durchzusetzen. Während bei jedem anderen Haushalt bei solchen Abstrichen der Grundsatz vertreten wird — und zwar mit Recht —, daß die Resultate den allgemeinen Deckungsmitteln zugute kommen müssen, hat man bei den Verteidigungsausgaben genau den entgegengesetzten Standpunkt vertreten und strikt darauf gesehen, daß die eingesparten Millionenbeträge im Topf des Verteidigungsministers bleiben.
Wir sind gespannt darauf, meine Damen und Herren, wie Sie sich zu unserem Antrag zu § 8 des Haushaltsgesetzes verhalten, der eine Einbeziehung des Verteidigungshaushalts in die Kürzungsklausel verlangt. Wenn Sie diesem Antrag folgen, dann hätten Sie einen Betrag von mindestens 350 Millionen DM für die Schließung einer Haushaltslücke zur Verfügung. Wir sind, wie gesagt, gespannt darauf, wie Sie sich dazu verhalten. Ich bin aber schon jetzt überzeugt, daß Sie den Antrag ablehnen werden, weil er Ihren politischen Gesichtspunkten widerspricht, obwohl er haushaltsrechtlich gesehen vernünftiger als einzelne Deckungsvorschläge der Regierung ist.
Zieht man die Summe dieser Deckungsvorschläge und stellt man sie in den allgemeinen Zusammenhang der Finanzpolitik, dann ergibt sich die zwingende Schlußfolgerung, daß die Finanzpolitik des Herrn Bundesfinanzministers und der Regierung gescheitert ist. Das ist keine sozialdemokratische Behauptung, sondern eine heute von weiten Kreisen und sicher auch von manchem Angehörigen der Regierungskoalition — im Stillen freilich — festgestellte Tatsache. Die seit Jahren ,an der Politik des Bundesfinanzministers geübte Kritik, deren Motive verschiedener Art sein mögen, weil damit Verschiedenes bewiesen und Verschiedenes gefordert werden will, hat sich gerade angesichts der Haushaltsentwicklung in den letzten Wochen zu einem wahren Furioso gesteigert. Die „Welt" —
die bekannte in Essen und Hamburg erscheinende Zeitung — mag Ihnen seit dem Hamburger Zusammenstoß mit Ihrem Bundesparteitag vielleicht nicht ganz genehm und zuverlässig erscheinen,
wenn sie in ihrem Kommentar zur Haushaltsentwicklung von einem „Zusammenbruch der Schäfferschen Konzeption" spricht. Die „Deutsche Zeitung" vom 8. Mai schreibt sogar von „Schäffers jüngstem Offenbarungseid", und fügt die skeptische Bemerkung hinzu, man könne nicht sicher sein, ob es auch der letzte Offenbarungseid sei und ob der Finanzminister die Karten jetzt wirklich auf den Tisch gelegt habe. — Auch wir haben gelinde Zweifel daran. Und schließlich ist der „Rheinische Merkur" vom 17. Mai mit einem Artikel unter der Überschrift „Gescheiterte Steuerpolitik" zu nennen. Selten sind die Grundsätze der Schäfferschen Finanzpolitik so zerfetzt worden wie in diesem Artikel, wie es überhaupt nicht ohne Interesse ist, daß dieses Leibblatt des Herrn Bundeskanzlers zu den schärfsten Kritikern der Schäfferschen Finanzpolitik gehört.
Nun ist es sicher richtig, daß angesichts der Haushaltsentwicklung kein anderer Ausweg möglich war als die Heranziehung der Reserven, die der Bundesfinanzminister über Jahre hinweg gehortet hat. Den Artikel 113 kann die Bundesregierung gegen die Beschlüsse dieses Hauses, die ja zum Teil auf ihren eigenen Anregungen beruhen, offenbar nicht in Anspruch nehmen. Sie kann das schon nicht aus politischen Gründen. Bei welchen Posten wollte sie das auch tun, ohne ihr Gesicht zu verlieren? Etwa beim Grünen Plan? Oder bei den Sozialrenten?
Es bleibt also nichts anderes übrig, als die entscheidenden Gesichtspunkte über Bord zu werfen, die bisher die Finanz- und Steuerpolitik bestimmt hatten. Von „klassischen" Methoden ist nichts, aber auch rein gar nichts übriggeblieben. Die Ausgabenseite des Bundeshaushalts — unter der Voraussetzung freilich, daß die Ausgabenansätze alle echt sind, was man mit Fug und Recht bezweifeln kann — übersteigt die laufenden Einnahmen bei weitem. Das ist eine Tatsache, die auch durch den scheinbaren Haushaltsausgleich nicht aus der Welt geschafft werden kann.
Also müssen, um den Ausgleich herzustellen, die Hortungsmittel hereingenommen werden, obwohl sie für andere Zwecke gespart worden sind, und weil das auch noch nicht ausreicht, mußten wichtige Ausgabeposten in den außerordentlichen Haushalt verschoben werden, obwohl man heute schon die Gewißheit hat, daß die Anleihedeckung dafür nicht zu haben sein wird. Man hat also praktisch einen echten außerordentlichen Haushalt und einen unechten ordentlichen Haushalt, jedenfalls eine Komplikation der haushaltsrechtlichen Situation, wie man sie sich schlimmer nicht vorstellen kann. Man spekuliert offenbar darauf, daß im Haushalt doch ein Polster von Ausgaberesten bleiben wird und daß die laufenden Einnahmen höher als erwartet sein werden, obwohl der Finanz- und Steuerausschuß nach gründlicher Prüfung die Einnahmeschätzungen des Finanzministers um mehrere hundert Millionen D-Mark erhöht hat und damit der Wahrheit vermutlich sehr viel näher gekommen ist als der Finanzminister selbst.
Auf alle Fälle, meine Damen und Herren, kann von Haushaltswahrheit bei diesem Bundeshaushalt keine Rede sein. Das Ganze ist ein System von Aushilfen, das nur so lange möglich ist, als eben die Auswege offen bleiben. Die Frage erhebt sich, wie lange das noch der Fall sein wird, und man kann schon hier aus dem „Don Carlos" zitieren, daß die schönen Tage von Aranjuez vorbei sind. Sowohl der Herr Bundesfinanzminister wie auch der Herr Kollege Vogel haben in diesen Tagen von einem Wendepunkt der deutschen Finanzpolitik gesprochen. Daran ist wohl kaum ein Zweifel, daß ein solcher Wendepunkt eingetreten ist. Die Frage ist nur, in welcher Richtung die Wende gehen soll.
Ich will versuchen, für die sozialdemokratische Opposition einige Antworten zu geben, sicher keine vollständigen; denn es ist nicht der Augenblick, wo wir unser ganzes finanzpolitisches Konzept auf den Tisch des Hauses legen möchten.
Erstens wird es auf jeden Fall notwendig sein — und das scheint mir für jede Regierung zu gelten, die nach dem 15. September dieses Jahres in der Bundesrepublik das Heft in der Hand haben wird —, daß der Bundeshaushalt auf echten und nicht nur auf politisch bestimmten Haushaltsansätzen aufgebaut wird, d. h. auf Ansätzen, die innerhalb eines Haushaltsjahres tatsächlich auch verbraucht werden können. Man komme mir nicht mit dem Einwand, daß man angesichts der Verpflichtungen, die man übernommen habe, gewisse Bindungsermächtigungen über Jahre hinaus habe eingehen müssen. Gegen solche Bindungsermächtigungen hat auch die Opposition, wenn sie ernsthaft begründet worden sind, niemals Einwände erhoben. Sie belasten ja auch nicht das Haushaltsvolumen eines Jahres; sie stellen nur eine Erklärung dar, daß man auch in künftigen Jahren Ansätze für den gedachten Zweck zur Verfügung stellen werde und daß man auf diese Verpflichtung hin disponieren könne. Ich meine, der Grundsatz, daß im Haushalt nur Ansätze erscheinen dürfen, die innerhalb eines Haushaltsjahres tatsächlich verbraucht werden können, muß auch für den Verteidigungshaushalt gelten, dessen Programme auf das volkswirtschaftlich Mögliche und nicht nur auf das politisch Wünschenswerte ausgerichtet werden dürfen.
Zweitens wird es nötig sein, daß wir zu einer Synchronisierung von Haushaltsgesetzgebung und sonstiger Gesetzgebung kommen. Ich weiß, daß ich damit ein heißes Problem berühre und daß auch ein ketzerischer Gedanke in diesen Bemerkungen steckt. Als Beispiel will ich den Grünen Plan nennen, obwohl es in der Bundesgesetzgebung eine Reihe von Beispielen gibt, die genauso verwendet werden könnten. Der Grüne Plan muß nach dem Landwirtschaftsgesetz Mitte Februar jedes Jahres vorgelegt werden, zu einem Zeitpunkt also, in dem die Haushaltsberatungen längst im Gange sind und alle Dispositionen durch das Auftauchen dieses neuen Kostenfaktors über den Haufen geworfen werden müssen. Man muß auf diesem Gebiete zu einer Synchronisierung der Haushaltsberatungen und der Festlegung von finanziellen Verpflichtungen für den Bundeshaushalt kommen.
Ich sagte vorhin, daß in dieser Anregung ein ketzerischer Gedanke steckt, der Gedanke nämlich, daß nach Verabschiedung eines Haushalts auch sonst möglichst wenig neue finanzielle Forderun-
gen gestellt werden sollten. Ich persönlich bin überzeugt, daß wir anders auf die Dauer keine geordnete Haushaltswirtschaft bekommen werden. Das wird uns in Zukunft recht oft vor unangenehme und peinliche Fragen stellen, bei denen wir unser eigenes Gewissen zu prüfen haben.
Drittens. Die Hortungspolitik, die der Herr Bundesfinanzminister bisher zu einem zentralen Punkt seiner eigenen Finanzpolitik gemacht hat, muß endgültig aufgegeben werden, nicht nur aus der Not heraus, eine Haushaltsdeckung zu finden; denn diese Hortungspolitik schaffte — darauf ist in der Öffentlichkeit mit Recht hingewiesen worden — erst die Voraussetzung für neue Ansprüche an den öffentlichen Haushalt und gab 'ihnen — das muß man hinzufügen — die moralische Legitimation. Wenn schon Steuergelder Über das Maß der haushaltsjährlichen Bedürfnisse hinaus erhoben werden, dann sollen sie wenigstens für dringende Notwendigkeiten verwendet werden und nicht als Spartopf für künftige Notfälle, die man sich selber schafft, z. B. durch die Rüstungspolitik.
Viertens wird eine wirkliche Steuerreform nötig sein. Die bisherigen sogenannten Steuerreformen haben das Dickicht unserer Steuergesetzgebung nur verschlimmert, ,anstatt es zu lichten. Die nominelle Steuerbelastung entspricht gerade bei den höheren Einkommensgruppen infolge der zahllosen Begünstigungen und Möglichkeiten, sich durchzuschlängeln, nur selten der tatsächlichen Steuerleistung. Durchforstung des Dickichts und Vereinfachung der Steuergesetzgebung sind notwendig. Der Steuerertrag braucht dadurch nicht gefährdet zu werden. Die Steuerverwaltung selber kann beträchtlich vereinfacht und ihre Kosten können gesenkt werden.
Sie kann in ihrer Wirkung gesteigert werden, vor allem wenn wir auf eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung hinsteuern und verhindern, daß Steueroasen und Steuerwüsten entstehen, wie sie durch die Ungleichartigkeit der Behandlung jetzt möglich sind.
Schließlich ist eine wirkliche Förderung der Eigentumsbildung nötig, und zwar nicht nur in der Theorie durch die Schaffung von Volksaktien und ähnlichen Dingen,
sondern praktisch durch eine Steigerung des Masseneinkommens mit Hilfe einer planmäßigen Preispolitik, durch eine Entlastung der niederen Einkommen mit Hilfe der Steuergesetzgebung und insbesondere durch eine Neuordnung unserer Verbrauchsteuern. Ich wiederhole, was mein Freund Kurlbaum bei der Beratung des Einzelplans 06 hier festgestellt hat: Nicht durch die Schaffung neuer Spargelegenheiten wird Eigentum gebildet, sondern dadurch, daß durch Einkommensteigerung die Sparmöglichkeiten und die Sparwilligkeit gesteigert oder erst geschaffen werden. Dann wird im Zuge solcher Maßnahmen ,auch ein wirklicher Kapitalmarkt entstehen. Dann wird schließlich ein künftiger Bundesfinanzminister auch wieder zu einer vernünftigen Investitionspolitik der öffentlichen Hand kommen und seine vermögenswirksamen Anlagen auf dem ordentlichen Wege über Anleihen finanzieren und nicht aus laufenden
Steuereinnahmen, wie es jetzt geschieht. Wir haben jetzt im Gegensatz zu den ständigen Erklärungen des Bundesfinanzministers keine stabile Haushaltspolitik, sondern eine volkswirtschaftlich schädliche, von der Hand in den Mund lebende. Eine wirkliche Konsolidierung ist nur möglich durch Umkehr, und zwar durch eine ganz entschiedene Umkehr. Dazu gehört auch — um einen letzten Punkt in diesem Zusammenhang vorzutragen —, daß unsere öffentliche Finanzwirtschaft in eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung eingebaut wird, die ihr Grenzen setzt. Dieser Tage ist in der „Frankfurter Allgemeinen" eine recht interessante Notiz etwa des Inhalts erschienen, daß das Bundeswirtschaftsministerium entsprechend den ihm vom Bundestag erteilten Auftrag die Vorarbeiten für eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung begonnen habe. Diese Gesamtrechnung solle allerdings nicht den Vorstellungen der Sozialdemokraten vom volkswirtschaftlichen Gesamtbudget entsprechen. Es solle in jedem Fall verhütet werden — so heißt es da —, daß das Ergebnis dieser Arbeiten als Grundlage für eine staatliche Planwirtschaft oder für sonstige dirigistische Maßnahmen verwendet werden könne. Was hier der sozialdemokratischen Forderung nach einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung unterstellt wird, ist im Lichte all der Erklärungen, die wir immer abgegeben haben, blühender Unsinn.
Es wäre schön, wenn wir in der Bundesrepublik bereits das hätten, was man immer vorgibt: eine wirkliche soziale Marktwirtschaft.
In Wahrheit haben wir eine Marktwirtschaft, die im Gestrüpp von Interessentenforderungen und Interessentenwünschen von Mal zu Mal stärkere Bindungen auch im Wege der Gesetzgebung herherbeiführt.
Die Angst vor der „sozialdemokratischen Planwirtschaft" und vor sonstigen dirigistischen Maßnahmen brauchte das Bundeswirtschaftsministerium nicht zu hindern, einen ernsthaften Schritt in der Richtung auf eine wirkliche volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zu machen, in die die öffentliche Finanzwirtschaft eingebaut ist, anstatt der Gegner der Volkswirtschaft zu sein, wie es heute der Fall ist.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß, indem ich noch einige Bemerkungen über spezielle Wünsche und Einwände anfüge, die die sozialdemokratische Fraktion im Zusammenhang mit diesem Bundeshaushalt vorzubringen hat.
Ich habe vor einigen Tagen Gelegenheit gehabt, bei der zweiten Beratung des Haushalts des Bundesrechnungshofs eine kritische Bemerkung zur Personalpolitik der Bundesregierung zu machen. Ich wiederhole sie in wenigen Sätzen. Wir sind der Meinung, daß die Personalpolitik der Bundesregierung nicht nur in dem Fall, den ich im Zusammenhang mit dem Bundesrechnungshof kritisiert habe, sondern ganz allgemein von Gesichtspunkten ausgeht, die weniger den geeigneten Mann an die geeignete Stelle bringen, als vielmehr die Ausschaltung politisch Unerwünschter und die Uniformierung der politischen Meinung innerhalb
des Bereichs der öffentlichen Verwaltung zum Ziele haben. Wir glauben, ,daß ,das eine schädliche und auf die Dauer unerträgliche Verengung der Personalpolitik der öffentlichen Hand ist. Dagegen möchten wir mit Nachdruck Verwahrung einlegen. Eine Prüfung ,des Personalstandes in den Verwaltungen der Bundesregierung ließe sich leicht zu einem Beweis für diese Behauptung verdichten.
Schließlich haben wir bei der Haushaltsberatung wieder versucht, Licht in die Geheimfonds zu bringen, die die Bundesregierung sich im Laufe der Jahre auf dem Wege der systematischen Steigerung der Summen zugelegt hat, die unter die Spezialformel der Haushaltskontrolle fallen, wonach nur der Präsident des Bundesrechnungshofs mit der Kontrolle betraut ist und seine Erklärungen als Grundlage für die Entlastung durch das Parlament dienen müssen. Wir haben diese Forderung erhoben, nicht weil wir Ihnen ,dauernd auf die Nerven gehen wollen, sondern weil wir glauben, daß dies eine prinzipielle Forderung eines jeden demokratischen Parlaments ist.
Wir wissen — ich spreche es offen aus —, daß jede Regierung über gewisse Mittel verfügen muß, deren Verwendung sie nicht an die große Glocke hängt. Wir billigen auch dieser Bundesregierung dieses Recht zu, und wir würden einer sozialdemokratisch bestimmten und beeinflußten Regierung dasselbe Recht zubilligen, weil sie es braucht. Aber ich sage Ihnen ganz offen, meine Damen und Herren: Die Art, wie das Parlament von der Einsicht in !die Verwendung dieser Mittel ausgeschaltet ist, ist auf die Dauer unmöglich. Ich erkläre im Namen der Sozialdemokratie, daß wir, wenn wir die Möglichkeit dazu haben, eine Änderung in diesem Punkte herbeiführen werden.
Sagen Sie uns nicht: In den Ländern wird eine andere Praxis geübt. Das ist hier nicht Gegenstand der Debatte.
Wir erklären ganz offen, daß wir überhaupt das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition, wie es sich im Laufe der acht Jahre Regierung Adenauer herausgebildet hat, für völlig unnatürlich .und der demokratischen Ordnung widersprechend halten.
Man komme uns nicht und sage: Die Sozialdemokraten haben dieses Verhältnis selber gesucht. Wir haben es nicht gesucht. In entscheidenden Augenblicken, in entscheidenden Fragen unserer nationalen Politik hätte es niemals ein Hindernis dafür gegeben, daß zwischen der Regierung und der Opposition vor der Entscheidung ernsthafte Gespräche geführt worden wären.
Die Zuspitzung dieses innenpolitischen Verhältnisses ist ausschließlich dem Umstand zu verdanken, daß der Regierungschef und seine Regierung niemals das Bedürfnis gehabt haben, mit dem Pfunde der Opposition zu wuchern, sondern daß sie es immer als eine Last empfunden haben, daß es diese Opposition und ihre Einwände gibt.
Das muß auf die Dauer die Grundlagen der demokratischen Ordnung sprengen. Wir erklären, daß wir eine solche Zerstörung der demokratischen Ordnung in der Zukunft, wie auch die Machtverhältnisse immer liegen mögen, von uns aus niemals billigen, sondern sie ändern werden, und zwar zugunsten eines echten demokratischen Gesprächs zwischen allen Partnern der Regierung, zu denen sich auch die Opposition rechnet.
In 'diesem Zusammenhang ist die Behandlung der Geheimfonds in diesem Parlament nur ein Symptom von vielen für das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition.
Ich glaube, daß Sie es uns aus diesen Gründen und aus dem Grunde unserer ,allgemeinen Gegnerschaft gegen die Politik der Regierung nicht übelnehmen können, wenn wir von dem Recht der parlamentarischen Opposition Gebrauch machen, den Haushalt dieser Bundesregierung abzulehmen.