Gesamtes Protokol
Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen undliebe Gäste! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer 127 . Plenarsitzung .Ich möchte Sie gerne darauf aufmerksam machen,dass wir vor Eintritt in unsere Tagesordnung noch dieWahl von Mitgliedern des Stiftungsrates der DeutschenHärtefallstiftung durchführen müssen .Die CDU/CSUFraktion schlägt als Mitgliederden Kollegen Ingo Gädechens und die Kollegin Ju-lia Obermeier vor . Für die SPDFraktion sollen derKollege Dr. Karl-Heinz Brunner und die Kollegin Heidtrud Henn berufen werden . Die Fraktion Die Linke benennt die Kollegin Katrin Kunert, und für dieFraktion Bündnis 90/Die Grünen soll die Kollegin Do-ris Wagner im Stiftungsrat vertreten sein . Stimmen Siedem zu? – Das ist offensichtlich der Fall . Dann sind diegenannten Kolleginnen und Kollegen als Mitglieder desStiftungsrats gewählt .Interfraktionell ist vereinbart worden, die Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIELINKE:Haltung der Bundesregierung zur Stationie-rung von 20 modernisierten Atombomben inRheinland-Pfalz
ZP 2 Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fest-stellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundes-haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2015
Drucksache 18/6090Überweisungsvorschlag:HaushaltsausschussZP 3 Weitere Überweisung im vereinfachten Ver-fahren
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines... Gesetzes zur Änderung des Bundeszentral-registergesetzesDrucksache 18/6186Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Innenausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss Digitale AgendaVon der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden .Der Tagesordnungspunkt 20 – hier geht es um die erste Beratung eines Gesetzentwurfs zum Datenschutz beider Zusammenarbeit in Strafsachen – wird abgesetzt undan dessen Stelle der Tagesordnungspunkt 8 aufgerufen .Die Tagesordnungspunkte 10, 12, 14 und 16 der Koalitionsfraktionen rücken dann entsprechend vor . Sind Sieauch mit diesen Vereinbarungen einverstanden? – Das istder Fall . Dann haben wir das so beschlossen .Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 c sowieden Zusatzpunkt 2 auf:a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs einesAsylverfahrensbeschleunigungsgesetzesDrucksache 18/6185Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-heitAusschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-schätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GOb) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur schnel-
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leren Entlastung der Länder und Kommunenbei der Aufnahme und Unterbringung von
Drucksache 18/6172Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss
Innenausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-heitc) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla
DIE LINKEAlle Flüchtlinge willkommen heißen – Gegeneine Politik der Ausgrenzung und Diskrimi-nierungDrucksache 18/6190Überweisungsvorschlag: Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe HaushaltsausschussZP 2 Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Fest-stellung eines Zweiten Nachtrags zum Bun-deshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2015
Drucksache 18/6090Überweisungsvorschlag: HaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache 96 Minuten vorgesehen . – Auch dazuhöre ich keinen Widerspruch .Liebe Kolleginnen und Kollegen, am vergangenenWochenende hat unser Bundespräsident in seiner Mainzer Rede die Bitte geäußert – ich zitiere –, „dass sich dieBesorgten und die Begeisterten nicht gegenseitig denunzieren und bekämpfen, sondern dass sie sich in einemkonstruktiven Dialog begegnen“ . Es wäre schön, wennunsere heutige Debatte einen Beitrag dazu leisten könnte .
Damit erteile ich dem Bundesinnenminister Dr . Thomas de Maizière das Wort .
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern:Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichmöchte mit dem Brief eines Bürgermeisters an seine Bürgerinnen und Bürger beginnen:Einladung zu einer Informationsveranstaltung zumThema „Unterbringung von Flüchtlingen“ …Gerne möchten wir Sie an diesem Abend über diegeplante Unterbringung von Flüchtlingen in unsererGemeinde informieren und mit Ihnen gemeinsamin einen transparenten und offenen Dialog treten, indem Möglichkeiten zur Schaffung einer „Willkommenskultur“ und der damit einhergehenden Integration besprochen werden sollen, aber auch Platzfür Fragen und Bedenken aus der Bevölkerung seinwird …Wir freuen uns auf Ihr Kommen!Gezeichnet: der Bürgermeister .Diese und ähnliche Zeilen haben in den letzten Wochen und Monaten Millionen Menschen in den Händengehalten . Sie wurden nicht mehrfach getwittert . DieseZeilen gingen nicht mit Facebook um die Welt . Aber siezeigen die Realität vor Ort: große Hilfsbereitschaft undSorge . Meine Damen und Herren, wo wären wir ohne dieTüchtigen sowie die Bürgermeister und die Landräte indiesem Land, die jeden Tag vor Ort Überzeugungsarbeitleisten? Ich möchte meine Rede mit einem Dank beginnen .
Diese Zeilen sind auch ein Zeichen dafür, dass wirmit dem Begriff der Aufnahmefähigkeit unseres Landesund den damit verbundenen Grenzen achtsam umgehenmüssen . Auf den Bürgerversammlungen in den Städtenund den Gemeinden wird viel diskutiert, mit Neugier, mitSorge und manchmal auch mit Ärger, aber immer nochmit Zuversicht und Engagement . Das ist gut . Meine Damen und Herren, arbeiten wir alle dafür, dass es dabeibleibt .
Ich bringe heute den Entwurf eines Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes für die Bundesregierung ein . Erist Teil eines großen politischen Pakets, das Bund undLänder in der vergangenen Woche gemeinsam beschlossen haben . Der Gesetzentwurf und das Paket enthaltenfünf zentrale Botschaften: erstens zügige Ordnung undBeschleunigung der Asylverfahren; zweitens Integrationder schutzbedürftigen Flüchtlinge durch Sprache, mitArbeit und in sozialem Zusammenhalt; drittens Abbauvon Fehlanreizen und konsequente Rückführung derjenigen, die kein Bleiberecht haben; viertens Abbau vonRechtsregeln, die uns daran hindern, zügig und winterfest die Flüchtlinge unterzubringen, und fünftens Hilfendes Bundes für Länder und Kommunen, um in Verantwortungsgemeinschaft diese große Herausforderungstemmen zu können .Mit dem Gesetzentwurf und auch mit dem Paket, dasSachverhalte enthält, die nicht Teil des Gesetzes sind,treffen wir dringend gebotene, aber auch harte Entscheidungen. Dazu zählt unter anderem die Verpflichtungder Flüchtlinge zur Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen . Dazu zählen weniger Geldleistungen . Dazuzählt, dass für diejenigen, die nicht ausreisen, die abervollziehbar ausreisepflichtig sind, kein Anspruch mehrauf Asylbewerberleistungen besteht . Sie sollen, wenn siePräsident Dr. Norbert Lammert
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nicht ausreisen, nur noch das unabdingbar Notwendigeerhalten .
Bund und Länder haben jeden Tag die ungeheuer schwierige Aufgabe, Tausende Flüchtlinge auf die Länder undin den Ländern zu verteilen, um eine faire Lastenteilungund ein geordnetes Verfahren zu gewährleisten . Wir können erwarten, dass sich jeder Flüchtling an diese Verteilungsentscheidung hält . Flucht und Ankunft in Deutschland bedeuten nicht eine freie Wahl des Wohnorts .
Ich will allen Flüchtlingen sagen: Ja, manche Unterkunftist nicht angenehm; viele sind überfüllt . Aber bitte keine zu hohen Ansprüche! Alle geben sich verdammt vielMühe . Es geht im Moment nicht anders .Ein zentraler, wichtiger Baustein dieses großen Paketsist die Beschleunigung der Asylverfahren . Ja, es gibt dortgroßen Verbesserungsbedarf . Jetzt werden die Prozessein den Asylverfahren nochmals verbessert . Dafür habenwir mit Herrn Weise einen hervorragenden Fachmann gewonnen . Das Bundesamt für Migration und Flüchtlingebekommt nochmals deutlich mehr Stellen und Personalsowie Mittel, die es zur Bewältigung dieser großen Aufgabe braucht . Auch mit der Nutzung der Ressourcen derBundesagentur für Arbeit werden wir schneller werden .Ich füge genauso hinzu: Auch hierfür brauchen wir dieMitarbeit der Länder . Schluss mit Schuldzuweisungen!Schluss mit dem SchwarzerPeterSpiel! Alle handelngemeinsam in Verantwortungsgemeinschaft . Nur so gehtes .
Mit dem Gesetz werden jetzt auch Albanien, Kosovound Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten . Dort liegen die Voraussetzungen für Asyl nur in wenigen Einzelfällen vor . Diese Länder haben selbst darum gebeten .Alle EUStaaten sind dafür . Jetzt haben wir davon auchdie Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligungüberzeugt, jedenfalls die meisten . Dafür schaffen wir legale Zuwanderungsmöglichkeiten für Menschen aus denBalkanstaaten – unter bestimmten Voraussetzungen . Dasist ein fairer Kompromiss .Wir schaffen mit dem Gesetz auch die Voraussetzungen für einen konsequenten Vollzug einer bestehendenAusreisepflicht. Wem in unserem Land ein Asylantragabgelehnt worden ist, der muss, wenn es sonst keinenGrund für Duldung gibt, unser Land verlassen . Diese Regel werden wir konsequent anwenden .
Von überragender Bedeutung in dem Gesetzespaketsind die finanziellen Hilfen des Bundes. Vorweg abersei gesagt: Auch der Bund hat gewaltige finanzielle Lasten zu stemmen: Hilfe vor Ort in den Flüchtlingslagern,Hartz IV, Kosten für das Bundesamt für Migration undFlüchtlinge, Kosten für die Bundespolizei, Integrationskurse – viele Aufgaben, die auch der Bund zusätzlich zulösen hat . Und dennoch: Der Bund beteiligt sich dauerhaft, strukturell und dynamisch an den Kosten, die durchdie Aufnahme von Asylbewerbern in Ländern und Kommunen entstehen .Wir haben als Sofortmaßnahme beschlossen, die bisher vorgesehene Entlastung der Länder und Kommunenbei der Flüchtlingsunterbringung in diesem Jahr, im laufenden Jahr 2015, auf 2 Milliarden Euro zu verdoppeln .Wir schaffen außerdem die Voraussetzung dafür, dass dieBundesanstalt für Immobilienaufgaben den Ländern undKommunen die Kosten für die Herrichtung von Flüchtlingsunterkünften auf ihren Liegenschaften erstattenkann . Der Bund übernimmt vor allem für fünf Monate –und noch ein bisschen mehr; das ist jetzt zu kompliziertzu erklären – die Kosten der Länder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – pro Flüchtling . Längere Asylverfahren gehen dann nicht mehr zulasten der Länder .Die Finanzierungsmethode orientiert sich an der Dauerder Verfahren .Wir nehmen damit eine faire Risikoverteilung zwischen Bund und Ländern vor . Bund und Länder stehendamit klar zu ihrer Verantwortungsgemeinschaft . Wirnehmen die Herausforderung gemeinsam an, und wirhandeln gemeinsam . Auch das ist ein wichtiges Zeichenfür die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land .
Mit dem Gesetzespaket bekennen wir uns genausoklar und deutlich zur Aufnahme und Integration derjenigen, die schutzwürdig sind und dauerhaft hier bleibenwerden . Das, meine Damen und Herren, werden vielesein, sehr viele . Die Anerkennungsquoten, gerade was dieAnerkennung mit einem Flüchtlingsstatus betrifft, sindhoch . Die Schutzbedürftigen, die bleiben werden, sollenhier nicht nur irgendwie geduldet werden, im rechtlichenund im immateriellen Sinne; sie sollen hier auch voll angenommen werden . Sie werden unsere Nachbarn undMitbürger sein .
Wir öffnen für sie sehr früh die Integrationskurse . Wirerweitern das Angebot von Sprachkursen . Wir lockerndas Leiharbeitsverbot für Asylbewerber . Neben der Sprache ist Arbeit der Schlüssel zur Integration . Diejenigenmit guter Bleibeperspektive sollen bereits frühzeitigLeistungen der aktiven Arbeitsförderung erhalten, damitsie schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden können .Liebe Kolleginnen und Kollegen, Integration hat zweiRichtungen . Wenn wir mit unseren Bürgern über eineWillkommenskultur sprechen, müssen wir von denen,die zu uns kommen, auch eine Anerkennungskultur einfordern .
Was meine ich damit? „Anerkennungskultur“ bedeutet,dass die zu uns kommenden Menschen unsere Rechtsund Werteordnung akzeptieren und einhalten . Dazu gehört, dass man gegenüber Behörden seinen richtigen Namen sagt und zutreffend beschreibt, aus welchem Landman kommt .
Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
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Dazu gehört, dass man sich nicht prügelt . Dazu gehört,dass man Geduld hat . Dazu gehört, dass man andereMenschen respektiert – unabhängig von Religion undGeschlecht .
Genauso gilt: Jeder, der hierherkommt, hat das Recht,friedlich, respektvoll und menschenwürdig behandelt zuwerden .
Den rechtsextremen Pöbeleien und der stark gestiegenenZahl von Straftaten bis hin zum Mordversuch treten wirpolitisch und mit aller Härte des Rechtsstaats entgegen .
Viele der gerade beschriebenen Grundsätze geltenauch für Europa . Wir haben eine gemeinsame humanitäre Verpflichtung in Europa und eine Verpflichtung, dasvon uns selbst gesetzte Recht anzuwenden . Der Rat dereuropäischen Innenminister hat in der letzten Wochebeschlossen, 120 000 Flüchtlinge, vor allem aus Italienund Griechenland, innerhalb der EU zu verteilen . DieseEntscheidung, die gegen harten Widerstand durchgesetztwerden konnte, zeigt: Europa ist und bleibt handlungsfähig . Sicher: Das war nur ein erster Schritt .
Aber damit senden wir auch eine Botschaft nach außen:Wer nach Europa flüchtet, kann sich sein Zielland inEuropa nicht einfach aussuchen .
Ich bin davon überzeugt: Wir brauchen ein einheitliches EUAsylrecht, auch bei Verfahren und Leistungsstandards .
Europa mag im Moment vielleicht auch Teil des Problems sein; aber nur Europa wird Teil der Lösung seinkönnen .
Nach meiner persönlichen Meinung müssen wir uns inder Europäischen Union zu festen, großzügigen Kontingenten für die Aufnahme von Flüchtlingen verpflichten,die dann auch eine Begrenzung der Aufnahmefähigkeitbilden . Ich freue mich, dass darüber jetzt eine konstruktive Debatte stattfindet, sogar bei den Grünen im Europaparlament .Wir brauchen aber nicht nur nationale und europäische Antworten . Wir werden keines der Probleme auf derWelt lösen können, indem wir unbegrenzten Zuzug nachEuropa erlauben und diesen einfach nur besser organisieren . Hier ist die Staatengemeinschaft insgesamt gefordert . Wir müssen die Fluchtursachen angehen und dazubeitragen, dass sich nicht noch mehr Menschen auf denWeg machen . Die europäischen Staats und Regierungschefs haben sich in der vergangenen Woche auf zusätzliche Hilfen in Höhe von rund 1 Milliarde Euro für dieseAufgaben geeinigt .
Die Transitländer brauchen mehr Unterstützung, sowohlaußerhalb als auch innerhalb Europas . Die EU wird neueWege gehen müssen, auch im Verhältnis zur Türkei; ichkann und will das hier heute nicht vertiefen .Meine Damen und Herren, was sollen wir tun, undwas können wir tun? Beide Fragen gehören zusammen .Unser bisheriges System war nicht auf einen solchenAndrang an Menschen ausgelegt . Im September sind soviele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen wie seitJahrzehnten nicht mehr in einem einzigen Monat . Wirhaben unsere Organisation und das Recht nun auf die aktuelle Lage eingestellt . Ob das reicht, wird man sehen .Es geht jetzt nicht um Formblätter und nicht um großeScheindebatten, sondern um Handeln an vielen Stellen,mit vielen Händen und auf allen Ebenen – nicht nur inder Politik . In dieser Phase unserer Geschichte richtetsich die Aufgabe an alle . Wir brauchen Menschen, diemitmachen – überall in unserem Land . Wir brauchen Einfühlungsvermögen für die, die zu uns kommen . Aber wirmüssen auch klare Erwartungen an sie richten . Wir müssen die echten Sorgen ernst nehmen und diejenigen in dieSchranken weisen, die unser Land radikalisieren wollen .
Wir werden Mut, Geduld und Ausdauer brauchen, undwir brauchen eine Politik, die großzügige, vernünftigeund harte Entscheidungen treffen kann . Dieser Gesetzentwurf ist ein wichtiger Teil davon . Ich bitte um zügigeBeratung und Zustimmung .
Das Wort erhält nun der Kollege Gregor Gysi für die
Fraktion Die Linke .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stelltsich wieder einmal heraus: Erst wenn Probleme gravierend werden, sucht eine Regierung auch nach Lösungenund geht Schritte, die zu einem großen Teil richtig undwichtig sind, zumindest was die Richtung der Schrittebetrifft . Aber wir haben das schon seit Jahren beantragt –ohne jede Reaktion .
– Ich werde es Ihnen gleich belegen . Wollen Sie ein Beispiel hören? Herr Kahrs, da Sie ja nie etwas zur Kenntnis nehmen, nenne ich es Ihnen einmal: Wir haben seitJahren gefordert, 0,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts,Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
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wie es die UNO vor 45 Jahren beschlossen hat, endlichfür Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen . Sie haben das immer abgelehnt . Wir sind bei 0,4 Prozent . Jetztsagt die Bundeskanzlerin vor der UNO: Wir gehen auf0,7 Prozent . – Das hätten wir schon seit Jahren machenkönnen, Herr Kahrs, auch als Sie führend regiert haben .
Trotzdem – ich sage es noch einmal – ist das ein Schrittin die richtige Richtung . Es gibt allerdings auch Schrittein die falsche Richtung . Das ist wieder eine Mischunggewesen, die Sie da mit den Länderministerpräsidentenverabredet haben .Woher kommen die Flüchtlinge? Sie kommen ausnordafrikanischen Ländern und aus Ländern neben Nordafrika, vor allem Syrien, dem Irak und Afghanistan . Wasden Krieg in Afghanistan angeht, haben wir Ihnen gleichgesagt, dass er falsch ist . Sie sind mit dieser Politik vollständig gescheitert .
Nichts in Afghanistan ist besser . Jetzt haben die Taliban sogar Kunduz erobert . Jetzt soll es wieder zurückerobert werden . Das heißt, es hat sich auch an den Herrschaftsstrukturen so gut wie nichts geändert . Ich sagees Ihnen ganz klar: Woran erinnert uns Kunduz? Auchunsere Soldaten haben da Zivilisten getötet: Kinder undFrauen .
Und auch unsere Soldaten wurden getötet, verletzt undsind traumatisiert . Das ist das Ergebnis des AfghanistanKrieges . Genau das hätte man verhindern müssen – dringend verhindern müssen .
In Syrien herrscht seit 2011 Krieg . Es gibt einen Konflikt zwischen den USA und Russland. Obama will Assadstürzen, Putin will es nicht . Aber wer führt den Kampfgegen den „Islamischen Staat“, die weltweit schlimmste Terrororganisation, eigentlich am Boden? Es sind dieTruppen von Assad und die Kurdinnen und Kurden . Aberdie Kurdinnen und Kurden werden von der Türkei bombardiert . Das ist ein NATOPartner . Sie aber sagen fastnichts dagegen . Auch das ist nicht hinnehmbar .
Wahr ist: Assad ist ein Tyrann . Trotzdem kann undmuss man mit ihm reden, wenn man Frieden in Syrienwill . Johannes Kahrs hat mich im Rahmen der Kanzlerdebatte, als ich vorschlug, mit Assad zu reden, wie verrückt beschimpft – lautstark . Nun schlägt genau dies aberauch ein Mitglied seiner Fraktion, Herr Steinmeier, vor .Nun schlägt es auch die Bundeskanzlerin Merkel vor . Dameckern Sie nicht, Herr Kahrs . Das heißt, Ihnen geht esnicht um Inhalt, sondern um Personen; das ist damit belegt .
Auch mit dem König von SaudiArabien wird geredet .Was ist das für ein Mann? Er lässt auspeitschen . Dort gibtes nicht nur die Todesstrafe an sich, was schon schlimmgenug ist, sondern sogar die Todesstrafe für Jugendliche . Ein 17Jähriger ist gerade zum Tode verurteilt worden . Außerdem steht Homosexualität unter Todesstrafe .SaudiArabien führt Krieg gegen den Jemen; das ist übrigens auch völkerrechtswidrig . Vor zwei oder drei Tagenist dort eine Hochzeitsgesellschaft bombardiert worden .Es gab weit über 100 Tote; Kinder und Frauen warendarunter . Was aber machen wir? Wir liefern Waffen anSaudiArabien . Wann stellen Sie diese Verträge eigentlich endlich einmal ein?
Ich sage Ihnen in Bezug auf die Flüchtlinge noch etwas: Vor dem Krieg gegen Afghanistan hatten wir relativwenige Flüchtlinge aus Afghanistan . Jetzt haben wir sehrviele . Im Augenblick haben wir noch wenige Flüchtlingeaus dem Jemen . Aber wenn SaudiArabien weiter Krieggegen den Jemen führt, werden wir viele, Tausende,Abertausende Flüchtlinge aus dem Jemen bekommen .Daran wird doch eines deutlich: Man muss die Ursachender Flucht bekämpfen . Das ist das Entscheidende .
Das heißt, dass wenigstens die Waffenexporte anSaudiArabien, an Katar und in Krisengebiete – wennnicht sogar Waffenexporte generell – unterbunden werden müssen .Wir müssen aber auch etwas gegen Hunger, Not undArmut tun . Ich will Ihnen sagen, wovon wir in Europa gelebt haben, auch wenn das viele nicht wahrhabenwollen: Wir haben in Europa davon gelebt, dass man inAfrika nicht wusste, wie wir leben . Wir haben alle dieBedeutung der technischen Revolution durch die Digitalisierung des Lebens unterschätzt . Jetzt weiß man auchin Afrika, wie wir leben . Da entstehen Fragen, und zwarFragen, die auch zur Flucht führen . Wenn wir Hunger,Not und Armut also nicht wirksam bekämpfen, kann unsdas Ganze überfordern .Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wir subventionierenLebensmittel . Das kann für uns hier in Deutschland undEuropa richtig sein . Aber subventionierte Lebensmittelnach Afrika zu exportieren, ist eine Frechheit, weil wirdas Entstehen einer eigenen Landwirtschaft in Afrika damit verhindern . Das kann nicht unsere Aufgabe sein .
Jetzt kommen viele Flüchtlinge aus den Lagern inden verschiedenen Ländern . Vor einem Jahr habe ich dieLager in Nordirak und in Syrien besucht . Ich verstehe,warum sie kommen . Ich habe mir die Situation dort angesehen . Es ist eine große Zahl . Wissen Sie, dass die Mittel für diese Lager reduziert wurden? Pro Flüchtling gibtes pro Tag 50 Cent . Auch Deutschland hat seine Hilfereduziert . Auch die Europäische Union hat die Mittel reDr. Gregor Gysi
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duziert . Jetzt haben sie sie aufgestockt . Das ist ein Schrittin die richtige Richtung .
Das muss verstetigt werden, sonst dürfen wir uns nichtwundern, dass die Flüchtlinge auch von dort fliehen undzu uns kommen . Die Zahl der Flüchtlinge ist sehr groß .In diesem Jahr sind es über 800 000 . Ich danke allen Bürgerinnen und Bürgern, die dort eine sehr fleißige ehrenamtliche Arbeit leisten .
Ich sage Ihnen auch: Wir dürfen das nicht überziehen .Der Bund muss schnell Hilfe leisten, damit die Stimmung nicht kippt . Die Bundeswehr – das fällt mir auf –hat doch so viele Kasernen. Ich finde, sie könnten dochbeim Bettenaufstellen, beim Aufstellen der Zelte, helfen .
– Ja, ich weiß . Da können sie mehr helfen . Das ist vielnützlicher, als in Afghanistan Krieg zu führen, wenn ichdas einmal sagen darf, auch wenn Sie sich aufregen . Beider Registrierung dürfen sie nicht helfen, da das einehoheitliche Aufgabe ist . Da sind sie wieder falsch eingesetzt .
Die Kehrseite: Es gibt tatsächlich besorgte Bürgerinnen und Bürger .
Wir haben die Aufgabe, abstrakte Ängste abzubauen .Es gibt aber vor allem Rechtsextremismus und Rechtspopulismus von AfD bis Nazis, die versuchen, Ängstezu schüren, zu vereinnahmen und zu radikalisieren . Über60 Anschläge auf Asylunterkünfte sind beschämend . Dagegen muss entschieden vorgegangen werden .
Aber auch die offizielle Politik, vor allem die CSUaus Bayern, betätigt sich als Stichwortgeberin . Ich habeim Bayerischen Fernsehen erlebt, wie ein Iraner, der inBayern lebt, erklärte, dass er vor zwei Jahren einen Asylantrag gestellt hat . Bis heute hat er keinen Bescheid .
Darum sollte sich Seehofer kümmern, nicht um Orban –um das auch einmal ganz klar zu sagen .
Die Überlegungen von Orban und Seehofer, wie manFlüchtlinge verhindert, ist nicht nur inhuman, sondernsie geht auch nie auf . Flüchtlinge lassen sich von Zäunennicht aufhalten .Seit Jahren fordern wir für die ärmeren Schichtenunserer Bevölkerung Dinge wie Wohnungsbau, eine andere Arbeitsmarktpolitik, insbesondere die Überwindungder prekären Beschäftigung und vieles mehr . Das gilt sowohl für die Flüchtlinge als auch für die armen Schichten unserer Bevölkerung . Wir fordern das immer für alle .Anders geht es nicht .
Wir brauchen – das sagen wir auch seit Jahren – mehrLehrerinnen und Lehrer, mehr Erzieherinnen und Erzieher . Das Kooperationsverbot aus dem Grundgesetzmuss weg, damit der Bund sich darum kümmern kann,und zwar sowohl für unsere Bevölkerung als auch für dieFlüchtlinge . Anders wird es nicht gehen .
Herr Kollege Gysi .
Ich bin fast fertig . Ein Satz noch, Herr Bundestags
präsident .
Die Kopfpauschale von 670 Euro pro Flüchtling ist
wichtig, aber es reicht nicht . Es muss eigentlich mehr
sein . Aber das ist nicht mein Hauptanliegen . Mein Haupt
anliegen ist, dass zum Abschluss des Asylverfahrens die
Zahlung beendet wird . Was ist mit all den Geduldeten,
denen, die kein Asyl bekommen, aber auch nicht wegge
schickt werden können? Das sollen die Kommunen und
Länder alleine bezahlen? Wie sollen sie das denn ma
chen? Lassen Sie sich noch eins sagen: Es gibt Flüchtlin
ge, die kann man nicht in gute und schlechte unterteilen .
Wir müssen in erster Linie die Fluchtursachen bekämp
fen .
Christine Lambrecht ist die nächste Rednerin für die
SPDFraktion .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann gar nicht anders, als auf das kurz erwidern,was Herr Gysi von sich gegeben hat .
Herr Gysi, in der ganzen Rede haben Sie nur überSaudiArabien, über Afghanistan, über Homosexualitätin SaudiArabien, über Katar, über das 0,7ProzentEntwicklungsziel gesprochen . Das alles sind wichtige TheDr. Gregor Gysi
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men, über die man sicherlich reden könnte; auch in dieserForm und in einer solchen Debatte .
Aber Sie haben kaum ein Wort darüber gesagt, wie dietatsächliche Situation in unserem Land momentan ist .
Diese Ignoranz von Ihnen kann ich überhaupt nicht mehrin Worte fassen . Vielleicht wäre es ganz gut, wenn Siesich statt mit der großen Weltpolitik mit der Situation vorOrt befassen würden, mit dem Bürgermeister reden odervielleicht mit Herrn Ramelow, Ihrem Ministerpräsidenten in Thüringen . Wenn der heute hier gesprochen hätte,hätte sich das sicherlich völlig anders angehört .
Meine Damen und Herren, seit Wochen erreichen unsBilder von Menschen, die aus ihren Heimatländern fliehen; Menschen, die großes Leid und Strapazen auf sichnehmen, weil sie dort, wo sie lebten, nicht mehr lebenkönnen; Menschen, die hoffen, in Europa eine Zufluchtzu finden und eine Chance zu bekommen, hier ihr Lebenzu gestalten .Abstrakt wissen wir, was diese Menschen auf sichnehmen . Wenn man dann aber einem 17jährigen jungen Mann gegenübersteht, der erzählt, wie er auf seinerFlucht aus Eritrea vor Gewalt und Verfolgung tagelangohne Wasser durch die Wüste geirrt ist, wie er von betrunkenen Schleppern verprügelt wurde und noch vielesandere mehr erlebt hat, dann wird deutlich, welche Dimension dieses Leid wirklich hat .Ich habe einen solchen Jungen in meinem Wahlkreisin einer Intensivklasse kennengelernt . Dieser Junge istkein Einzelfall . Obwohl Abraham aus Eritrea erst kurze Zeit in Deutschland lebt, hat er mir von seinen Erlebnissen auf Deutsch erzählen können . Er ist hochmotiviert in einer Klasse mit 60 jungen Menschen, die mitBegeisterung Deutsch lernen und die Chance ergreifenwollen, hier ihre Ausbildung zu machen, um sich dannirgendwann ihren Lebensunterhalt verdienen zu können .Sie sind auf dem besten Weg dorthin . Abraham machtmittlerweile eine Ausbildung bei einem Optiker .Ich denke, wir sind uns alle darin einig, dass der vonmir angesprochene junge Mann stellvertretend für viele,die ein ähnliches Schicksal erlitten haben, eine Perspektive haben muss, hier bei uns zu bleiben; eine Perspektive, hier seine Ausbildung zu beenden; eine Perspektive,hier einer Erwerbsarbeit nachzugehen, von der man leben kann . An dieser Stelle sage ich zur Klarstellung nocheinmal ganz deutlich: Allen Forderungen nach einer Aussetzung des Mindestlohns für Flüchtlinge erteilen wirSozialdemokratinnen und Sozialdemokraten eine klareAbsage .
Wir werden nicht zulassen, dass in diesem Land Geringverdiener und Flüchtlinge gegeneinander ausgespieltwerden . Das wird es mit uns nicht geben .
Für die Perspektive eines selbstbestimmten Lebens istes wichtig, dass ein schnellerer Zugang zu Sprach undIntegrationskursen für Menschen mit einer guten Bleibeperspektive beschlossen wird . Daran machen wir unsjetzt . Wir regeln das mit diesem Gesetz; denn Sprachkenntnisse sind das A und O für eine gelungene Integration . Wir sorgen dafür, dass Menschen durch ein möglichst kurzes Verfahren bald wissen, ob sie in ihre Heimatzurückkehren müssen oder ob sie hier eine Perspektivehaben .Dazu müssen wir Maßnahmen ergreifen, die das eineoder andere Mal schwerfallen . Dazu gehört die Feststellung, dass Länder, die sich bereits im Verfahren zurAufnahme in die Europäische Union befinden, sichereHerkunftsstaaten sind, wie Albanien, Kosovo und Montenegro .
Dazu gehört genauso, dass Menschen, die hier kein Bleiberecht bekommen, rückgeführt werden und diese Rückführung konsequent durchgesetzt wird . Das muss manklar ansprechen .Es geht darum, die Balance zu halten: einerseits derhumanitären Verpflichtung nachzukommen, Menschen,die aus Not geflohen sind, wie der junge Mann, den ichbeschrieben habe, hier eine Perspektive zu geben, andererseits aber all denen, die kein Bleiberecht haben, dieklare Ansage zu machen, dass sie nicht hierbleiben können . Ich glaube, diese Balance haben wir in diesem Gesetzentwurf gut hinbekommen, mit dem einiges auf denWeg gebracht wird .Meine Damen und Herren, ja, wir nutzen Immobiliendes Bundes dafür, dass dort Flüchtlinge untergebrachtwerden können, in Zukunft auch zu ganz geringen Mieten oder sogar kostenfrei für die Kommunen . Wir unterstützen die Kommunen bei der Unterbringung; denn sieleisten die Hauptaufgabe dieser Integrationsarbeit . Wirunterstützen die Kommunen durch noch mehr Geld . Dasist auch richtig so; denn vor Ort spielt die Musik, unddort muss alles umgesetzt werden .Ich will die Gelegenheit nutzen, Danke zu sagen . Ichmöchte ausdrücklich auch Ihnen, Herr Minister, danken, dass Sie am Montag all jenen THWHelferinnenund Helfern gedankt haben, die ehrenamtlich zum Beispiel dafür sorgen, dass vor Ort, wo es darauf ankommt,Unterkünfte entsprechend ausgestattet und Sprachkurseangeboten werden .
Mich als Vizepräsidentin des THW freut das besonders .Christine Lambrecht
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Ich möchte aber auch all denjenigen Danke sagen, diemomentan im öffentlichen Dienst einen richtig guten Jobmachen und nicht nur Dienst nach Vorschrift . Dafür istmomentan nämlich nicht der richtige Zeitpunkt .Mein ausdrücklicher Dank gilt auch all denjenigen,die für die Polizei arbeiten, den Polizistinnen und Polizisten, die momentan wirklich eine schwere Aufgabe haben .Sie müssen neben ihrer normalen Arbeit auch noch dafürsorgen, dass Schwierigkeiten und Auseinandersetzungenin Flüchtlingsunterkünften geregelt werden . Sie müssensich gegen Anfeindungen und Gewalt von Rechten wehren . All denen möchte ich ein herzliches Dankeschön fürihr Engagement sagen .
Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurfbekennen wir uns zu unserer humanitären Verpflichtunggegenüber Menschen in Not, gegenüber Menschen aufder Flucht, aber wir schaffen auch die Voraussetzungendafür, dass die konkrete Umsetzung des Gesetzes vor Ortgelingen kann .Herzliches Dankeschön .
Katrin GöringEckardt ist die nächste Rednerin für dieFraktion Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DasGesetzespaket, das uns heute hier vorliegt, ist in der Tatein großer Schritt für die Länder und für die Kommunenin Deutschland . Monate, ja jahrelang, muss man sagen,hat sich die Bundesregierung vor dieser Verantwortunggedrückt . Ich erinnere daran: Es waren nicht mehr als10 Prozent, die der Bund für die Unterbringung gezahlthat . Es ist wirklich gut, dass sich das endlich ändert .
Dass wir, die Länder und natürlich vor allen Dingen dieVerhältnisse Sie dazu zwingen mussten – Schwammdrüber! Aber ich finde, es muss auch klar sein: Das isthier jetzt eine gemeinsame Anstrengung, und es ist keineWohltat des Bundes für die Länder . Wenn man gemeinsam Verantwortung übernimmt, dann heißt „gemeinsam“eben auch „gemeinsame Finanzierung“ . Das wird jetztendlich nachgeholt . Vieles von dem, was wir an Chaosund Schwierigkeiten haben, hätte vermieden werdenkönnen, wenn es schon früher geschehen wäre .
Nach monatelanger Kritik am BAMF präsentierenSie uns jetzt mit Herrn Weise endlich einen Profi. Auchdas ist gut . Die Beschleunigung der Verfahren und derBearbeitung der unerledigten Fälle sind wirklich zentral, wenn die Not in den Kommunen gelindert werdensoll . Dass Sie es wieder handwerklich vergeigt habenund Herr Weise nun doch nicht Präsident werden kann,ist eine weitere Perle in der langen Kette von Versagen,Verdaddeln, Verpassen des BMI . Aber sei es drum! DieKommunen haben bisher den Preis bezahlt . Ich hoffesehr, dass Herr Weise jetzt flotte Fahrt macht und es gelingt . Ich sage Ihnen aber auch: Wir werden sehr daraufachten, ob das wirklich geschieht . Wir hätten Herrn Weise und seine Mitarbeiter nämlich gerne um weitere Aufgaben erleichtert . Wir hätten ihn gerne um die Altfälleerleichtert .
Wir hätten seine Mitarbeiter gerne um die Widerrufsverfahren erleichtert, die spätestens drei Jahre nach einerEntscheidung durchgeführt werden müssen . Gar nichtals Drohung, sondern nur als freundlich helfenden Hinweis – ich bin ja ein freundlicher Mensch – sage ich Ihnen: Das werden wir von den Grünen dem Bund und denLändern für den Fall, dass das mit der Beschleunigungder Verfahren nicht klappt, wieder auf den Tisch legen;denn daran hängt sehr viel .
Meine Kolleginnen und Kollegen, es ist gut, dass dieim Bundestag vertretenen Parteien und die von ihnengeführten Landesregierungen einschließlich des thüringischen und des bayerischen Ministerpräsidenten einenKompromiss erzielt haben . Ich glaube, das ist ein gutesSignal an die Bevölkerung . Wer aber meint, dass manParteien am rechten Rand dadurch verhindern könnte,dass man ihre Parolen übernimmt, der hält diese Parolennicht klein, sondern gibt ihnen Nahrung .
Falsche Toleranz hat Pegida in Sachsen erst stark gemacht . Appeasement auf dem Rücken der Flüchtlingefunktioniert nicht, auch nicht in Bayern . Dass die AfDdort jetzt in Umfragen bei 5 Prozent liegt, meine Damenund Herren, ist kein Zufall . Wer die rechten Geister ruft,der wird sie nicht los und bringt sie auch nicht wiederzurück in die Flasche .
Und wer Ressentiments schürt, der gefährdet den inneren Frieden mutwillig . Das gilt für Herrn Seehofer; dasgilt aber leider in diesen Tagen auch für Julia Klöckner
– ja! –, die versucht, mit ein paar markigen Sprüchengegen Muslime, und zwar pauschalster Art, Wahlkampfin RheinlandPfalz zu machen . Das ist billig, das ist geChristine Lambrecht
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fährlich . Und ich sage Ihnen ehrlich: So wird man auchkein Land regieren können .
Recht und Werte einhalten, das ist selbstverständlich .Aber – wie an diesem Pult schon gesagt – es wird vieleKonflikte geben. Es wird Konflikte geben, wenn es umdie Rolle der Frau geht . Es wird an vielen anderen StellenKonflikte geben, auch weil man Religion anders betrachtet, als die meisten von uns das tun. Aber die Konfliktekann man nicht lösen, indem man Ressentiments schürt .Der Innenminister hat eben von Einfühlungsvermögenund von Klarheit gesprochen . Ich würde mir sehr wünschen, dass beides gilt, und zwar auch für Julia Klöckner .
Es gibt positive Punkte im vorliegenden Gesetzespaket . Ich bin froh – das will ich ausdrücklich sagen –, dassein Beschäftigungskorridor für den Westbalkan vorgesehen ist . Das öffnet die Tür zu einem Einwanderungsgesetz, jedenfalls ein kleines Stück . Sie können sich sichersein: Wir werden den Fuß in dieser Tür lassen . Endlichkönnen auch Menschen jenseits der Mangelberufe kommen . Aus diesem Einwanderungskorridor muss aberdann endlich ein modernes Einwanderungsgesetz werden . Es ist wirklich nur ein erster kleiner Schritt .
Man darf aber auch nicht drum herumreden . Sieversuchen, das Asylrecht an verschiedenen Stellen zuschwächen, und zwar auf Kosten der Flüchtlinge . Ichwill nicht auf den sicheren Herkunftsländern als Symbol oder als Ideologie herumreiten . Aber wie sicher istdenn der Kosovo, wenn im Rahmen des KFOREinsatzes 700 Bundeswehrsoldaten stationiert sind? Die Resolution 1244 des UNSicherheitsrates, die wir hier imBundestag beraten haben, spricht – ich zitiere – „voneiner ernsten humanitären Lage“ . Der Einsatz habe denZweck, für eine – ich zitiere – „sichere und freie Rückkehr aller Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Heimat zusorgen“ . Nach dieser Resolution hat sich die Lage im Kosovo nicht verbessert – wie denn auch? –, sonst müsstenwir die Bundeswehrsoldaten ja abziehen .
Ich finde, Sie sollten sehr klar sagen, worum es geht. Gerade beim Kosovo sollten Sie nicht einfach sagen: „Dasist schon sicher“, wenn gleichzeitig die Bundeswehr dortstationiert ist .
Meine Damen und Herren, Sie haben sehr viel Wertdarauf gelegt, dass Sachleistungen ausgegeben werden .Ich halte das für einen Vorschlag aus der Mottenkiste . Ichglaube nicht, dass die Menschen, die im September ausSyrien, aus dem Nordirak und aus Afghanistan gekommen sind, wegen 4,70 Euro am Tag kommen .
Wem Sie es aber mit einer solchen Regelung schwer machen – das ärgert mich an diesem Vorschlag in besonderer Weise –, das sind die Helfer vor Ort, die Sie hier dieganze Zeit gelobt haben und bei denen Sie sich die ganzeZeit bedankt haben . Die sollen jetzt neben Betten aufstellen, neben Essensversorgung und neben Streitschlichtenauch noch Deo und Zigaretten verteilen .
Ich glaube übrigens, dass die Ihnen sehr schnell sagenwerden, dass das überhaupt nicht geht . Ihr Vorschlag istsinnlos und gleichzeitig eine Schikane . Das wird die Praxis deutlich machen .
Genauso ist es mit den Leistungskürzungen . Vielleichtwollten Sie ja uns ärgern; das können Sie auch machen,das ist nicht so schlimm . Es ist aber Schikane denjenigengegenüber, die das betrifft . Sie sagen: Die Kürzungensind unabdingbar notwendig . Wie viel ist das eigentlich?Soll das jetzt wieder Karlsruhe festlegen?
Ich halte auch das für keinen besonders sinnvollen Vorschlag .Ich will eines zum verlängerten Verbleib in der Erstaufnahmeeinrichtung sagen . Herr de Maizière hat gesagt:Das ist eine harte Maßnahme, die man jetzt durchführenmuss . – Ich bin sehr gespannt, wie das umgesetzt wird .Ich finde, wir sollten in diesem Zusammenhang über dasreden, was uns in diesen Tagen immer vor Augen geführtwird: vorgestern Calden, gestern Donaueschingen, dannHamburg . Klar: Genauso wenig, wie wir Gewalt vonRechtsextremen vor Flüchtlingsheimen dulden, duldenwir sie in Flüchtlingsheimen . Hier muss entsprechendbestraft und gegebenenfalls auch ausgewiesen werden .
Aber die Situation in den meisten Erstaufnahmen ist drückend, und Konflikte sind unvermeidlich. Jetzt sagen Sie:Bitte noch mehr davon und noch länger . – Einmal abgesehen davon, dass das die Länder vor weitere Problemestellt: Es verhindert Integration, und es schafft zusätzlichen Stress .
Wir sind 630 Kolleginnen und Kollegen in diesemHaus . Ich habe mir vorgestellt, wie das wäre, wenn wiralle gemeinsam in einer Messehalle untergebracht wären – auf Feldbetten, Herr Kauder neben Frau Wagenknecht –,
Katrin Göring-Eckardt
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und dann würde auch noch jemand sagen: Die Grünensind die kleinste Fraktion, die müssen zuerst an die Essensausgabe . – Ich nehme an, es würde alles total friedlich und ohne Schreierei abgehen, meine Damen undHerren .
– Da bin ich sehr beruhigt . Wir können ja einen Test machen .
Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Redezeit .
Ich achte auf meine Redezeit . – Worauf es jetzt an
kommt, ist in der Tat Integration . Dafür brauchen wir
eine große und eine neue Anstrengung . Das werden wir
alles nicht nebenbei schaffen . Das wird Geld brauchen,
das wird Zeit brauchen, das wird Personal brauchen .
Wir müssen bei den Ursachen ansetzen . Zuallererst
sage ich Ihnen: Ich finde es eine Schande, dass es für das
World Food Programme immer noch keine vollständige
Finanzierung gibt .
Wenn wir dafür nicht sehr schnell sorgen, dass sich das
ändert – die Menschen zum Beispiel in dem Lager in Zaa
tari haben uns schon vor einem Jahr gesagt: wir wissen
noch nicht, wie wir morgen das Essen hier bezahlen sol
len –, dann müssen wir uns gar nicht wundern, wenn die
Zahl derer, die zu uns kommen, noch viel größer wird .
Insofern ist diese Initiative neben all den innenpoli
tischen Angelegenheiten vordringlich, absolut zentral .
Machen Sie international, aber auch mit einem deutschen
Beitrag und mit einer Vorleistung deutlich, dass Sie die
ses Problem sehen, dass Sie das nicht wieder vergessen;
denn sonst wundert sich im nächsten halben Jahr wieder
jemand, dass das Essen nicht reicht und dass es in Lagern
wie diesem große Schwierigkeiten gibt .
Vielen Dank .
Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Peter
Bleser das Wort .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Liebe Frau Göring
Eckardt, ich weiß nicht, ob Sie schon zu Beginn der De
batte hier anwesend waren
und die Empfehlungen des Präsidenten zur Kenntnis ge
nommen haben . Jedenfalls bedauere ich sehr, dass Sie
Ihren Auftritt genutzt haben, um Wahlkampf zu machen .
Sie diskreditieren eine unserer herausragenden Politike
rinnen, die sich sehr früh in RheinlandPfalz um die In
tegration von Flüchtlingen gekümmert hat . Als Erste hat
sie einen Flüchtlings und Integrationsgipfel initiiert . Sie
hat die Kommunen zusammengeführt .
Sie hat sich in vielen Besuchen um die Situation der zu
uns kommenden Menschen bemüht . Sie hat sich um sie
gekümmert, und sie hat sich bei Problemen um Abhilfe
bemüht .
Wenn Sie ihr dann unterstellen, dass sie in eine rechte
Ecke rücke, dann ist das eine Unverschämtheit, die ich
mit aller Deutlichkeit zurückweise .
Ich möchte Sie dringend bitten, dass wir gerade in
dieser besonderen Situation, in der sich dieses Land jetzt
befindet, solche Unterstellungen unterlassen.
Wir sollten zusammenhalten, um die Herausforderungen
im Sinne der zu uns Kommenden, aber auch im Sinne der
heimischen Bevölkerung zu bewältigen .
Zur Erwiderung Frau GöringEckardt .
Also, niemals würde ich mich den Empfehlungen desPräsidenten widersetzen .
Das weiß er auch . Das entspricht überhaupt nicht meinem politischen Umgang in diesem Haus .Ich habe eigentlich auf genau das eingehen wollen,was der Präsident am Anfang hier gesagt hat. Ich finde esrührend, wie Sie hier über Julia Klöckner reden . Das istaus Ihrer Sicht sicherlich auch gerechtfertigt . Das müsKatrin Göring-Eckardt
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sen Sie als RheinlandPfälzer auch machen . Das dürfenSie auch gerne .
Aber ich will gerne darauf verweisen, dass ich nicht von„rechter Ecke“ geredet habe, sehr bewusst nicht .
– Nein . – Vielmehr habe ich gesagt: Es geht darum, dassman keine Ressentiments schüren darf, schon gar nicht inso einer Situation .
Wenn man anfängt, Muslime – erst recht pauschal – zuverurteilen,
dann wird es gefährlich .
Ich habe ein Interview mit Julia Klöckner gehört . Da hatsie davon geredet, dass das Problem sei, dass ein Imam,der schon sehr lange hier in Deutschland ist, ihr nicht dieHand gegeben hat und dass das nicht passieren dürfe .
– Einen Moment! – Das hat aber mit den Flüchtlingennichts zu tun .
Einen Augenblick!
– Ich bin gleich fertig, Herr Präsident . – Das hat etwas
damit zu tun, dass man jetzt versucht, auf dem Rücken
der Flüchtlinge, die hierherkommen, Ressentiments zu
schüren . Ich kann nur davor warnen, und ich warne auch
davor, das in RheinlandPfalz zu tun .
Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Thomas Strobl
für die CDU/CSUFraktion .
Im Übrigen erleichtert es die wechselseitige Verstän
digung sehr, wenn nicht alle gleichzeitig reden wollen .
Das meiste davon kommt nicht einmal ins Protokoll . –
Thomas Strobl .
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Wir beraten heute die bedeutendste Reform des deutschen Asylrechts seit den 1990erJahren .
Einen so umfangreichen Gesetzentwurf in so kurzer Zeitauf den Weg zu bringen, das ist eine gute Leistung, dasist ein Erfolg .
Das ist eine Gemeinschaftsleistung . Ich bedanke michbei den Kolleginnen und Kollegen der SPDBundestagsfraktion, die es nicht immer leicht hatten, für gute undkluge Beratungen .
Ich bedanke mich bei den Ländern, die im Bundesratzustimmen werden . Mein besonderer Dank gilt einemMann, der sich in den letzten Wochen – das möchte ichwirklich so sagen – abgerackert hat: Herzlichen Dankdem Bundesinnenminister Thomas de Maizière .
Der Bundesinnenminister hat in seiner Rede auf zahlreiche Neuerungen, die mit diesem Gesetzespaket verbunden sind, hingewiesen . Ich möchte einen Gedankenherausgreifen, der sich wie ein roter Faden durch diesesGesetzespaket zieht: Wir unterscheiden in den Asylverfahren zum ersten Mal sehr genau und folgenreich zwischen denen, die unseres Schutzes bedürfen, und denen,die offensichtlich nicht schutzbedürftig sind . Es gehtnicht nur um die Tatsache, dass wir drei weitere sichereHerkunftsländer hinzubekommen und damit den gesamten Westbalkan zur sicheren Herkunftsregion erklären .Das ist für sich genommen schon ein wichtiger Schritt;wir haben in der Union lange für diesen Schritt geworben . Neu und richtungsweisend ist insbesondere, dass inZukunft eine ganze Reihe von Einschränkungen mit demStatus „sicheres Herkunftsland“ verbunden sein werden .Diese Einschränkungen sollen denen, die nicht schutzbeKatrin Göring-Eckardt
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dürftig sind, den Anreiz nehmen, überhaupt einen Asylantrag in Deutschland zu stellen .
Wer aus einem sicheren Herkunftsland kommt, bleibtjetzt in der Erstaufnahmeeinrichtung . Es soll dort keinBargeld mehr geben, und es gibt keine Gesundheitskarte . Die Leistungen werden nach Abschluss des Asylverfahrens deutlich gekürzt, und der Antragsteller wirddirekt aus der Erstaufnahmeeinrichtung in sein Heimatland zurückgeschickt . Damit senden wir ein eindeutigesSignal: Wer keinen Anspruch auf Asyl hat und dennochin Deutschland einen Asylantrag stellt, der muss in seineHeimat zurückgehen, und zwar rasch .
Das ist ein wichtiges Signal in Richtung Westbalkan:Verkauft nicht euer Haus und euer Auto, um den Schlepper und den Schleuser bezahlen zu können .
Wir werden euch schnell wieder zurückschicken . Ihrwerdet schnell wieder da sein, wo ihr hergekommen seid,nur ihr werdet noch ärmer sein . Es macht keinen Sinn .Für euch gibt es andere Möglichkeiten, nach Deutschland zu kommen .
Diese Konsequenz muss im Übrigen auch für Flüchtlinge gelten, die sich in den Erstaufnahmeeinrichtungen –ich werde immer häufiger darauf angesprochen – gewalttätig verhalten. Mir ist nicht begreiflich, wie Menschen,die vor Verfolgung aus Religionsgründen nach Deutschland fliehen, hier aus denselben Gründen mit Gewalt aufeinander losgehen können .
Die Integration der Flüchtlinge wird nur gelingen,wenn wir als aufnehmende Gesellschaft eine klare Vorstellung davon haben, was wir brauchen und was wirnicht brauchen, und wenn wir klare Ansagen machen .Wir müssen gleich zu Beginn formulieren und konsequent durchsetzen, was unsere Gesellschaftsordnungausmacht: Das Grundgesetz steht über der Religion .Frauen und Männer sind gleichberechtigt . Jeder kann leben und lieben, wie er will,
glauben, was er will, oder auch nicht glauben und seineMeinung frei äußern, solange er die Gesetze respektiert .
Diese Gesetze macht bei uns in Deutschland nicht derProphet, die macht bei uns in Deutschland das Parlament,meine Damen und Herren .
Ich bitte uns alle, die Entscheidungen, die wir jetzt gemeinsam gefunden haben, auch gemeinsam zu vertreten .Es kann nicht sein, dass ein Teil dieses Hauses allein fürdas Mitgefühl und der andere Teil für die harten Maßnahmen zuständig ist .Weil wir den Schutzbedürftigen heute und auch inZukunft helfen wollen, werden wir Tausende, vielleichtHunderttausende abweisen und zurückschicken müssen,die nicht schutzbedürftig sind – nicht aus Hartherzigkeit,sondern aus der Einsicht in die Grenzen unserer Möglichkeiten . Nur wenn es bei uns funktioniert, dann können wir auch in Zukunft Schutzbedürftigen helfen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir diesesGesetzgebungsvorhaben zum Abschluss gebracht haben,sollten wir die Menschen nicht in ihren Zweifeln und inihrem Unbehagen bestärken . Ja, es ist wahr: Wir stehenvor einer großen Herausforderung . Aber große Herausforderungen sind nichts Neues in unserer Geschichte .Wir haben schon andere große Herausforderungen gemeistert: vor 25 Jahren die deutsche Einheit; zwei Jahrzehnte später drohte unsere Währung, der Euro, zu scheitern . Wir haben diese Herausforderungen angenommen,und wir haben sie gemeistert .Wir dürfen uns – lassen Sie es mich einmal so sagen –in dieser Krise durchaus bei unserer patriotischen Ehrepacken lassen .
Wenn Deutschland sich in dieser humanitären Notsituation geschlagen gibt, muss jedes andere Land in Europadas doch auch tun . Wenn Deutschland aufgäbe, was würden dann die anderen Länder in Europa vermögen? Waswollen wir anderen Ländern in Europa zumuten, wennwir uns selbst nichts zutrauen? Es kommt schon auf unsan .Es hat in der vergangenen Woche mit den Beschlüssen der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten einbeeindruckendes Zeichen nationaler Solidarität gegeben .Jetzt brauchen wir einen weiteren Schritt: Wir brauchenein bemerkenswertes Zeichen europäischer Solidarität .
Scheitert Europa an der Flüchtlingsfrage, dann scheitertEuropa insgesamt .Der heutige Schritt war ein richtiger Schritt . Weitere Schritte werden folgen müssen. Ich finde, wir solltennicht verzagen, nicht lamentieren und schon gar nichtkapitulieren . Wir sollten das tun, wofür wir gewählt worden sind: die Ärmel hochkrempeln und unsere Arbeitmachen .Herzlichen Dank .
Ulla Jelpke ist die nächste Rednerin für die FraktionDie Linke .
Thomas Strobl
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! HerrStrobl, nur einen Satz zu Ihrer Rede: Sie haben heutewieder genau diese rassistischen Ressentiments bedient
mit Ihrer Rede von den richtigen und falschen Flüchtlingen . Zwei Drittel aller Flüchtlinge, die gegenwärtig nachDeutschland kommen, sind schutzbedürftige Flüchtlinge, die aus Kriegsgebieten kommen . Alle anderen habennichtsdestotrotz ein individuelles Recht darauf, nachunserem Grundgesetz jedenfalls immer noch, hier einenAntrag auf Asyl zu stellen . Dieser Antrag muss auch individuell bearbeitet und behandelt werden .
Zweifellos, das Gesetzespaket, das hier heute vorliegt,hat einen positiven Aspekt: Endlich wird sich der Bundan der Finanzierung, die die Länder und Kommunenleisten, beteiligen . Aber wird dies nicht seit anderthalbJahren hier diskutiert und gefordert? Sie sind doch mitverantwortlich für das Chaos, das in den Kommunen undin den Ländern entstanden ist, weil Sie diese finanzielle Beteiligung viel zu spät in Angriff genommen haben .Deswegen haben Sie, wie gesagt, eine Mitschuld an deraktuellen Situation .
Ansonsten: Der Gesetzentwurf ist ein ganz gefährlicher Mix aus Gesetzesverschärfung, verfassungswidrigen Leistungseinschränkungen und Abschreckungsmaßnahmen . Das ist genau das Gegenteil dessen, waswir gegenwärtig brauchen. Hier sind häufig genug Solidarität, menschenwürdige Aufnahme und Versorgungder Flüchtlinge eingeklagt worden . Das brauchen wirjetzt . Alle Kraft muss dafür aufgebracht werden . Aberwas machen Sie stattdessen in diesem Gesetzentwurf?Flüchtlinge sollen bis zu sechs Monate lang in Erstaufnahmelagern eingezwängt werden, einige sogar so lange,bis sie abgeschoben werden können, und das, obwohlwir wissen, dass dies zusätzliche Konflikte und übrigensauch zusätzliche Kosten verursacht . Wir haben geradewieder etwas über die Auseinandersetzungen in Flüchtlingslagern gehört .Ich frage Sie hier: Warum versperren Sie sich der Möglichkeit, Schutzsuchende einfach auch zu ihren Familien,Bekannten, Freunden gehen zu lassen? Das betrifft zumBeispiel viele Menschen, die aus Syrien kommen .
Sie würden dort auch Unterkunft finden. Aber nein, daist schon das nächste bürokratische Gesetz in Arbeit . DieMenschen jedoch haben diesen Wunsch . Sie könntensich dann sprachlich besser verständigen und hätten dieChance, sich leichter zu integrieren .Völlig verfehlt ist natürlich auch das Vorhaben, bestimmten Gruppen das physische Existenzminimumnicht mehr zu gewähren .
Das Bundesverfassungsgericht hat hier eindeutige Urteile gefällt und gesagt: Menschenwürde ist nicht verhandelbar, auch nicht zum Zweck der Migrationspolitik .
Auch die Ausgabe von Sachleistungen statt Bargeldist reine Schikane . Ich würde es sogar bürokratischenIrrsinn nennen . Es verursacht sogar Mehrkosten . Das istlängst erwiesen . Der Stammtisch mag ja behaupten, dasTaschengeld von 140 Euro sei ein Anreiz für Flüchtlinge,aber ich halte das für totalen Unsinn .
Die Menschen kommen, weil sie vor Terror und Bombenfliehen. Die Menschen kommen vor allen Dingen auch,weil immer noch Waffen aus Deutschland in diese Länder geliefert werden. Davor müssen sie fliehen.Auch ich war im Irak und habe die Flüchtlingslagergesehen .
Es ist eine Katastrophe – auch hier reagieren wir viel zuspät –, dass dort nur noch einmal am Tag eine Essensration ausgegeben wird und keine gesundheitliche Versorgung, nicht einmal mehr für Kinder, stattfindet. Es istein Skandal .
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,Sie haben eine Presseerklärung herausgegeben, in der esheißt, das, worüber wir hier heute diskutieren, sei einetragfähige Grundlage für das weitere Gesetzgebungsverfahren . Ich appelliere an Sie: Schauen Sie sich das Gesetzwirklich genau an . Wenn Sie im Bundesrat zustimmen,werden wir diese Abschreckungspolitik festigen . Amschlimmsten finde ich: Es besteht die Gefahr, die Solidaritätsbewegung zu ersticken, an der auch Ihre Parteiso stark beteiligt ist. Das würde ich sehr schade finden.
Zum Schluss möchte ich hier noch einmal ganz deutlich sagen: Jetzt kommt aus Bayern der Ruf, sogenannteTransitzentren an den Grenzen einzurichten . Wenn Siedas umsetzen, dann werden wir an den Grenzen Massenlager mit Hunderttausenden haben . Ich sage Ihnen: DieseOrbanisierungspolitik dürfen wir nicht mitmachen .
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Frau Kollegin .
Ich komme zum letzten Satz . – Diese Flüchtlings
politik wird den Hetzern von Pegida, AfD und NPD ent
gegenkommen . Da können wir nur klare Kante zeigen
und unsere Solidarität mit den Flüchtlingen praktizieren .
Ich danke Ihnen .
Frau Kollegin Jelpke, es mag sein, dass Sie sich an
einer Stelle versprochen haben . Nur um möglichen Miss
verständnissen vorzubeugen: In dieser Debatte hat noch
niemand vorgeschlagen, Menschen, die hier leben, das
physische Existenzminimum nicht zu gewähren .
– Ja; ich vermute ja, dass es so ist . Dann haben wir das
hiermit gleich klargestellt, ohne dass uns das weitere Zeit
kostet .
Nun erteile ich das Wort dem Minister für Inneres und
Sport des Landes Niedersachsen, Herrn Pistorius .
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben derzeit mit den seit Generationen größtenFlüchtlingsbewegungen nach Europa und insbesondereauch nach Deutschland zu tun . Unser Land lebt zu Rechtseit Jahrzehnten das Asylrecht als einen wesentlichenTeil seiner Staatsräson . Es entspricht unserer historischen Verantwortung, dass wir unser Möglichstes tun,um Flüchtlingen Sicherheit vor politischer Verfolgungund Krieg zu gewähren .Seit Beginn des Jahres haben wir ununterbrochen anhaltend hohe Flüchtlingszahlen, Zahlen, die mittlerweile – ich wähle dieses Wort ganz bewusst – exponentiellzunehmen . Bis vor kurzem konnten wir uns die Ankunftvon Menschen in der Größenordnung der letzten Wochennicht einmal annähernd vorstellen . Die Flüchtlingspolitik in Deutschland wird dadurch eine enorme, vielleichtsogar die Herausforderung der nächsten Jahrzehnte . DieFlüchtlingspolitik in Deutschland ist zu einem Kristallisationspunkt der Zukunft dieses Landes und damit auchseiner Politik geworden, meine Damen und Herren .
Ich habe immer wieder, auch auf Bundesebene, nachdrücklich unterstrichen: Wir haben hier eine nationale,eine gesamtstaatliche, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu bewältigen . Lassen Sie mich deshalb zunächstfeststellen: Viele Menschen, Haupt und Ehrenamtlicheauf allen Ebenen – in den Ländern, in den Kommunen,im Bund –, leisten Großartiges .
Und noch etwas: Unser Land hat bei der Bewältigungdieser Aufgabe schon viel, viel mehr geleistet, als vonso manchem Berufspessimisten in diesem Land erwartet .
Allerdings ist es Realismus und nicht Pessimismus,wenn wir feststellen müssen: Wir sind an einem Punktangelangt, an dem wir uns ehrlich sagen müssen: Es gibtGrenzen der Aufnahmegeschwindigkeit und der Aufnahmezahl, selbst trotz des großartigen Engagements inunserem Land; und damit rede ich nicht der Parole dasWort, das Boot sei voll . Wir haben eine rechtliche, einemenschliche Verpflichtung, unser Asylsystem nach allenKräften des Staates und der Gesellschaft arbeitsfähig undfunktionsfähig zu halten . Wir müssen begreifen: UnserAsylrecht kann nur dann effektiv wirken, wenn wir seineGrenzen respektieren, Grenzen, die trotz aller menschlich möglichen Anstrengungen erkennbar in Teilen erreicht und überschritten sind . Deswegen sage ich sehrdeutlich: Der Gesetzentwurf des Bundesinnenministersschwächt nicht das Recht auf Asyl . Richtig umgesetztund richtig beraten kann das Gesetz einen Beitrag dazuleisten, seine Gewährleistung zu sichern, meine Damenund Herren .
Auch wenn wir uns verantwortungsethisch verhalten,verhalten wir uns ethisch . Das sage ich allen, die leider die Augen vor der Realität verschließen . Ein großerSchritt, ein wichtiger Schritt, aber eben nur ein Schrittvon vielen notwendigen ist das heute hier vorliegendeGesetzespaket . Ich bin allen Beteiligten, insbesondere der Bundesregierung, den sie tragenden Fraktionenund den Ministerpräsidenten der Länder, sehr dankbar,dass sie sich beim Gipfel über Maßnahmen verständigenkonnten, die helfen können und müssen, die Flüchtlingspolitik zu ordnen und zu strukturieren und Länder undKommunen finanziell zu entlasten.Ebenso wichtig wie die finanzielle Entlastung derLänder und Kommunen ist die zumindest vorübergehende Beseitigung bürokratischer Hindernisse, die diezügige Inbetriebnahme dringend benötigter Unterkünftebeinhaltet . Ich sage deshalb auch Danke dafür, dass dieniedersächsische Bundesratsinitiative bereits vor ihrerBeschlussfassung Umsetzung erfahren hat . Auch das erlebt man nicht alle Tage .
Aber, meine Damen und Herren, wo es Licht gibt, dagibt es auch Schatten . Die Länder müssen sich darauf
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verlassen können, dass die Bundesregierung die Verabredungen des Gipfels umsetzt – nicht mehr und nicht weniger . Das heißt, wir müssen getroffenen Vereinbarungentrauen können .
Ich will nur drei Stichpunkte nennen, über die wir werden reden müssen: Ein Aspekt sind die nicht vereinbartenVerschärfungen beim Zugang zur Härtefallkommission .
Von Bedeutung ist auch die Ermessensausübung, obSachleistungen an die Stelle von Geldleistungen treten –das ist nämlich keineswegs so, wie sich der eine oder andere das vorstellen mag –; auch darüber wird zu redensein .
Der Dreh und Angelpunkt ist aber die – entschuldigen Sie den Ausdruck – naive Annahme, man könntedurch Gesetz beschließen, Menschen länger in Erstaufnahmeeinrichtungen zu lassen, weil sie aus sicheren Herkunftsstaaten kommen oder Asylfolgeantragsteller sind .Letzteres ist übrigens ebenfalls nicht Gegenstand derVereinbarung von letzter Woche .Ich sage Ihnen: Ein Blick in die Erstaufnahmeeinrichtungen wird Ihnen zeigen, dass sie auf Sicht nicht in derLage sind, die weiter hinzukommenden Menschen aufzunehmen, und sie sind erst recht nicht in der Lage, dieMenschen, die aus sicheren Herkunftsländern kommen,bis zu ihrer Rückführung dann auch noch länger bei sichzu lassen .
Das werden wir auf Sicht nicht leisten können, und dasmuss allen klar sein .
Die Kapazitäten sind erschöpft, und es ist illusorisch,anzunehmen, dass die Probleme durch niedersächsische, hamburgische, bayerische oder sogar kommunaleModelle gelöst werden können . Es ist auch illusorisch,anzunehmen, dass wir die nächsten Wochen ohne eineerneute große Kraftanstrengung aller staatlichen Ebenenbewältigen können . An dieser Stelle übrigens Dank andie Bundeswehr, die an vielen Standorten hervorragendunterstützt und ohne die wir viele Dinge nicht mehr leisten könnten .
Bei Betrachtung dieses Gesetzespakets sage ich: Wirsind nicht am Ende der Lösung und der Diskussionen,sondern wir stehen am Anfang einer riesigen Aufgabe .Deswegen brauchen wir auch das Bekenntnis, dass esebenso illusorisch wäre, zu glauben, die größtenteils ehrenamtlich tätigen Angehörigen der Hilfsorganisationenkönnten noch Monate so weitermachen . Das können sienicht . Gleiches gilt für die Hauptamtlichen und für vieleandere mehr .Es ist auch illusorisch, anzunehmen, dass die Fluchtursachen hinreichend bekämpft wären, dass die Unterstützung für die Flüchtlingslager im Nahen Osten und diebeschlossenen Maßnahmen der EU auch nur annäherndausreichend wären und dass die Verteilung der Flüchtlinge in der EU auch nur ansatzweise befriedigend gelöstwäre .
Daneben ist es auch illusorisch, anzunehmen – damitkomme ich zum Schluss –, dass wir keinen europäischenoder bundesdeutschen Plan B für den Fall brauchen, dassdie Zahl der Flüchtlinge weiter steigt und wir den Unterbringungsnotstand feststellen müssen .Dieses Land und seine Menschen haben in dieser Situation bis jetzt schon Großartiges geleistet . Wir habenmehr geschafft, als viele für möglich gehalten haben .Um die tagtägliche und in diesem Fall äußerst sinnvolleund menschlich wertvolle Sisyphusaufgabe zu meistern,braucht unser Land weitere große und noch größere Anstrengungen, noch größere Taten der Länder und Kommunen und besonders deutlich auch operative Taten desBundes – auch bei der Flüchtlingsunterbringung und derSteuerung der Ströme .Meine Damen und Herren, es reicht nicht, zu sagen:„Wir schaffen das“ . Die Menschen wollen von uns hören,was genau und wie viel wir schaffen, und vor allen Dingen wollen sie wissen, wie wir es schaffen .Vielen Dank .
Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Weiler
das Wort .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Beim Beitrag vonHerrn Gysi vorhin habe ich mich zu Wort gemeldet, aberer ist so schnell geflüchtet, dass der Präsident die Wortmeldung nicht mehr zulassen konnte .Herr Gysi, nur ganz kurz: Falls Sie es noch nicht bemerkt haben: Die Bundeswehr macht viele Einsätze beimir in Ohrdruf in Thüringen und darüber hinaus, und sieholt Flüchtlinge aus dem Meer . Es ist also nicht nötig,der Bundeswehr noch einen Auftrag zu geben, etwas zutun; denn sie tut das schon seit langer, seit geraumer Zeit,und zwar gut .Jetzt noch kurz zu Frau Jelpke: Es ist eine einfacheSache, die Menschen, die eine andere Meinung als dieLinke haben – ob Frau Klöckner, Thomas Strobl oder ichBoris Pistorius
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nachher –, in eine rechte Ecke zu stellen, aber das wirdder Sache nicht gerecht .Wir haben in Thüringen einen linken Ministerpräsidenten, der Abschiebestopps durchführt
und der der Ausweitung der sicheren Herkunftsländernicht zustimmt . Das regt die Menschen auf und berührtsie . Ich bin seit elf Jahren Bürgermeister in einem Ort inThüringen – das bin ich immer noch – und merke ganzgenau, wie die Bevölkerung, meine Bürgerinnen undBürger,
durch solch eine Politik nicht nur nervös, sondern verängstigt werden .Und Sie wollen uns hier im Bund erklären, wie wirFlüchtlingspolitik machen sollen! Das, was Frau Merkelund Thomas de Maizière in harter Arbeit durchsetzen,versuchen Sie, mit reiner Polemik schlechtzumachen .Das ist nicht gut für Deutschland, und das ist für michstaatsgefährdend .Ich bitte Sie einfach, damit aufzuhören und ein bisschen mehr konstruktiv mitzuarbeiten und gute Vorschläge zu bringen . Dann wäre hier auch eine Zusammenarbeit möglich .Vielen Dank .
Nun hat Volker Beck für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen das Wort .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde,diese Debatte ist zu ernst für parteipolitisches KleinKlein .
– Dieser Beitrag war wirklich nicht hilfreich .
Es ist gut, dass wir durch den Gipfel von Bund undLändern eine dauerhafte Finanzierung der Flüchtlingsaufnahme erreicht haben . Das war unabdingbar, damitLänder und Kommunen ihre Aufgaben wahrnehmenkönnen .
Wir sind uns auch einig, Herr Minister, bei dem Zielder Verfahrensbeschleunigung . Wir brauchen schnellereEntscheidungen, damit die Menschen wissen, ob ihnenhier Schutz gewährt wird oder ob sie nicht dauerhafthierbleiben können . Aber zu diesem Thema enthält IhrGesetzentwurf schlicht gesagt nicht eine einzige Bestimmung .
Wir haben Ihnen dazu mehrere Vorschläge unterbreitet – nichts davon haben Sie aufgegriffen –: pauschaleAnerkennung der Flüchtlinge aus Syrien, Eritrea, demIrak und Somalia, wo wir eine Anerkennungsquote vonfast 100 Prozent haben,
die Abarbeitung der Altfälle, Schluss mit der Wiederaufnahme von Verfahren von anerkannten Flüchtlingen . Dashätte tatsächlich etwas gebracht .Stattdessen setzen Sie nur auf eines – das hat der Minister gestern im Plenum auch gesagt –, auf Abschreckung . Sie wollen signalisieren, dass es keinen Sinn hat,hierherzukommen . Das kann man auch anders tun; dashaben wir im Kosovo gezeigt . Man kann den Menschendie Rechtslage erklären, anstatt sie, wenn sie hier inDeutschland sind, zu schikanieren .
Mit dem Fokussieren auf die Erstaufnahmeeinrichtungen, in die Sie alle Flüchtlinge sechs Monate und dieMenschen aus sicheren Herkunftsstaaten dauerhaft stecken wollen, produzieren Sie sehenden Auges sozialenSprengstoff .
Menschen, die der Residenzpflicht, einem Arbeitsverbotund dem Bezug von Sach statt Geldleistungen unterliegen und denen die Leistungen gekürzt werden – das konzentriert Armut, Elend, Benachteiligung und Ausgrenzung an bestimmten Orten . Das konzentriert zu sehen,wird unsere Bevölkerung schwer irritieren . Dort wird dieStimmung kippen, weil die Helfer dort nicht helfen wollen, weil sie sich an dieser Veranstaltung nicht beteiligenwollen . Deshalb ist es hochgefährlich, was Sie hier aufden Weg bringen .
Von der Sache hier ist die Einstufung des gesamtenWestbalkans als sichere Herkunftsstaaten einfach nichtvertretbar . Ich war vor zwei Wochen in Serbien . Warum sind die Roma aus dem Kosovo geflohen und lebenin Serbien immer noch als „unsichtbare Roma“ – ohnePapiere, in wilden Siedlungen ohne jede Infrastruktur?Weil es im Kosovo so sicher ist? Nein, weil ihre Dörfernicht mehr existieren, weil sie nicht sicher zurückkönnen .Da können wir doch mit einer solchen rechtspolitischenEntscheidung keinen Blankoscheck für diese Länder ausstellen; das ist zynisch und unverantwortlich .
Albert Weiler
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(D)
Herr Kollege .
Die Civil Rights Defenders von Serbien haben für
dieses Jahr 24 Übergriffe auf Journalisten im „sicheren
Herkunftsland“ Serbien in ihrem Bericht festgestellt, den
sie kürzlich in Belgrad vorgestellt haben . Sicher? – Das
ist eine Chimäre .
Ich bin dafür, dass wir solche Entscheidungen mit Ver
antwortungsgefühl für die Menschenrechte treffen .
Deshalb kann ich diesen Vorschlägen nicht zustimmen,
zumal sie in der Sache nichts bringen .
Herr Kollege .
In Serbien sind die Zahlen nicht gesunken, sondern
gestiegen . Der Kosovo war kein sicherer Herkunftsstaat .
Da sind die Zahlen durch eine Aufklärungskampagne ge
sunken . Das zeigt: Die Einstufung als sichere Herkunfts
staaten ist keine Remedur des Problems, richtet aber in
anderen Bereichen enormen Schaden an .
Ich muss alle Beteiligten noch einmal bitten, auch
wenn es bei diesem Thema besonders schwerfällt, sich
an die Redezeiten zu halten . Ich stelle ungerne dann das
Mikrofon aus . Aber es kann nicht jeder individuell ent
scheiden, wie lange er am liebsten reden möchte . Das
wäre schön, aber es geht leider nicht .
Nächster Redner ist der Kollege Stephan Mayer .
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Was wir heute auf den parlamentarischen Weg bringen, ist die umfassendste Reformunseres deutschen Asylrechts seit dem Asylkompromissin den 90erJahren . Dass wir dieses Gesetzgebungsverfahren sehr zügig bis Mitte Oktober durchführen wollen,zeigt, wie schwierig die Situation und wie dringend derHandlungsbedarf ist .Ich möchte zu Beginn ausdrücklich und mit großerÜberzeugung all den unzähligen, all den Tausenden vonehrenamtlichen und hauptamtlichen Helferinnen undHelfern in ganz Deutschland danken, die sich tagein,tagaus – teilweise bis zur Belastungsgrenze und mancheauch darüber hinaus – in der jetzigen Flüchtlingssituationengagieren .
Ich möchte all den Polizisten, den THWHelfern, denFeuerwehrleuten und den Mitarbeitern der karitativenEinrichtungen und der Rettungsorganisationen ganzherzlich danken . Es ist herausragend, was in Deutschland derzeit passiert und wie viel Solidarität und Empathie gegenüber den Flüchtlingen und Asylbewerbern anden Tag gelegt wird .Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchteaber auch ausdrücklich dem Bundesinnenminister undseinen hochmotivierten und versierten Mitarbeitern danken . Denn was jetzt unter hohem zeitlichen Druck undauch mit großer Expertise erarbeitet wurde, verdient großen Respekt und hohe Anerkennung .
Die Flüchtlingssituation ist derzeit mit Sicherheit dasgrößte Problem unserer Zeit. Es befinden sich zur Stundeüber 60 Millionen Menschen auf unserem Globus auf derFlucht . Das ist die höchste Zahl seit Ende des ZweitenWeltkriegs .Für Deutschland ist eine andere Zahl von entscheidender Bedeutung . Jeden Tag kommen zwischen 5 000 und10 000 Flüchtlinge in unser Land, die meisten über diebayerischösterreichische Grenze, und man kann nichtumhin, klar zu konstatieren: Das ist insbesondere für diesüdbayerischen Kommunen bzw . die Landkreise eineenorme Belastung und eine riesige Herausforderung .
Wir hatten allein im September mehr Flüchtlinge inDeutschland zu verzeichnen als im gesamten letzten Jahr,und schon im gesamten letzten Jahr war es die vierthöchste Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber aller Zeiten .Eines muss klar sein: Wenn die Zahlen weiterhin aufdiesem hohen Niveau bleiben, dann wird Deutschlandüber kurz oder lang überfordert sein . Was die Registrierung, Antragstellung und Antragsbearbeitung anbelangt,ist dies eine riesige Herausforderung, und die Unterbringung sowie die Integration in unsere Gesellschaft und inden Arbeitsmarkt sind auch für ein starkes und wohlhabendes Land wie Deutschland auch bei größter Anstrengung auf die Dauer nicht zu leisten, wenn die Zahlen aufdiesem hohen Niveau bleiben .Meine sehr verehrten Damen und Herren, allein imSeptember sind mehrere zehntausend Flüchtlinge undAsylbewerber nach Deutschland gekommen . Sie wurdennicht registriert . Sie wurden nicht kontrolliert . Ich möchte in aller Deutlichkeit feststellen: Damit besteht auch eingroßes Sicherheitsrisiko .Es ist deshalb das Gebot der Stunde, dass wir zurRechtsstaatlichkeit zurückkehren . Jeder Flüchtling undjeder Asylbewerber muss schnellstmöglich, wenn er
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deutschen Boden betritt, registriert und überprüft werden . Das ist im deutschen Interesse .
Für mich ist eines entscheidend: Deutschland undEuropa haben nicht nur Verpflichtungen gegenüberschutzbedürftigen Menschen – dies haben wir sehr wohlauch –, wir haben insbesondere auch eine Verpflichtunggegenüber unserer heimischen Bevölkerung, ein funktionierendes Gemeinwesen und sichere und soziale Lebensbedingungen zu gewährleisten . Es sind vor allem dieMenschen in unserem Land, denen wir verpflichtet sind.Eines ist auch klar: Wenn Deutschland an Leistungsund Integrationskraft einbüßt, ist letzten Endes niemandem geholfen .
Nur ein starkes Deutschland kann Flüchtlinge im Inland unterstützen und dazu beitragen, dass Flüchtlingeihre Herkunftsregionen erst gar nicht verlassen müssen .Deshalb ist nicht nur die Innenpolitik gefordert, sondernzuvorderst auch die Außen, Europa und Entwicklungspolitik . Ich bin unserem Entwicklungshilfeminister GerdMüller sehr dankbar,
dass er sich nachdrücklich dafür einsetzt, die Bedingungen vor Ort in den Anrainerstaaten deutlich zu verbessern . Unser Bundesminister Gerd Müller weist immerwieder darauf hin: Jeder Euro, der im Herkunftsland bzw .im Anrainerland investiert wird, ist zehnmal so effektivinvestiert, als wenn er in Deutschland investiert würde .
Deshalb ist es ein wichtiger Schritt, dass wir hier mehrtun . Hier ist nicht nur Deutschland gefordert, sondernhier ist die gesamte Europäische Union in der Verantwortung .Wir geben mit diesem Gesetz zur Beschleunigung desAsylverfahrens ein wichtiges Signal an all die Menschen,die nicht schutzbedürftig sind, sich nicht nach Deutschland aufzumachen . Ich möchte der insbesondere vonseiten der Linken – leider auch in dieser Debatte – aufgestellten stereotypen Behauptung widersprechen, dasswir zwischen schlechten und guten Flüchtlingen differenzierten . Das stimmt nicht . Jeder Mensch ist gleichviel wert, und jeder Mensch hat natürlich Anerkennungund Respekt verdient . Aber es kommt entscheidend darauf an, ob jemandem der Flüchtlingsstatus zuerkanntwird oder nicht . Es geht nicht um eine Differenzierungin schlechte und gute Flüchtlinge, sondern darum, ob jemand überhaupt Flüchtling oder anerkannter Asylbewerber ist oder ob er es nicht ist . Wenn er es nicht ist – dasgehört zur Ehrlichkeit dazu –, dann muss er Deutschlandwieder verlassen .
Ich bin unserem Bundespräsidenten Joachim Gaucksehr dankbar, dass er in seiner Rede am vergangenenSonntag in Mainz deutlich gesagt hat, dass wir es miteinem epochalen Ereignis zu tun haben, „dessen Ausmaß und Tragweite wir noch schwer erfassen können“,und dass unsere Möglichkeiten endlich sind . Dieser Satzist keine Selbstverständlichkeit, aber er ist unbestreitbarwahr . Nicht nur Juristen wissen: Unmögliches ist nie geschuldet . – Ich möchte noch eines offen sagen: Wer mitIgnoranz darauf reagiert, dass sich Ängste in der Bevölkerung manifestieren, und wer die Probleme in der Bevölkerung negiert, gefährdet letzten Endes den innerenFrieden und auch unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt .
Eines muss auch klar sein: Es gibt kein Recht – auchnicht für anerkannte Flüchtlinge –, sich den Staat derSchutzgewährung nach Günstigkeitserwägungen auszusuchen. Der Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge ist inallen Staaten der Europäischen Union, in allen Staatender Genfer Flüchtlingskonvention im Grundsatz möglich und zumutbar . Es geht deshalb insbesondere in dennächsten Wochen und Monaten darum, dass wir Rechtsstaatlichkeit in der gesamten Europäischen Union wiederherstellen, dass sich alle Mitgliedsländer der Europäischen Union an die europäische Asylrechtsgesetzgebunghalten, an die DublinVerordnung, die SchengenVerordnung und die EurodacVerordnung; auch das gehört dazu .Das Gesetz dient insgesamt drei primären Zielen . Esgeht darum, die Asylverfahren zu beschleunigen, dieUnterbringung zu erleichtern und gleichzeitig die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zu forcieren . Auchhier werden wir als Bund darauf achten, wie die Ländermit dieser Aufgabe umgehen; ich sage das hier in allerOffenheit . Es wird in Zukunft verboten sein, Abschiebungen im Vorfeld anzukündigen . Sehr geehrter HerrMinister Pistorius, wir werden einen intensiven Blickinsbesondere auf Niedersachsen werfen .
Sie haben mindestens zweimal Abschiebungen im Vorfeld angekündigt und haben selbst vor wenigen Jahrenden Paradigmenwechsel beim Abschiebungsrecht ausgerufen . Es wird darauf ankommen, dass sich alle politischen Ebenen, angefangen von der Kommune über dieLänder bis zum Bund, entsprechend konzertieren und zusammenarbeiten .In diesem Sinne bringen wir mit dem heutigen Gesetzentwurf ein sehr weitreichendes und wichtiges Gesetzgebungsverfahren im Deutschen Bundestag auf den Weg .Ich möchte zum Abschluss nicht verhehlen: Es handeltsich zwar um einen essenziellen Zwischenschritt . Aber eswird uns nicht erspart bleiben, hier in diesem Haus sehrschnell über weiter gehende Maßnahmen zu diskutierenund sie dann auch zu verabschieden .Danke .
Stephan Mayer
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Für die SPDFraktion hat nun der Kollege Rüdiger
Veit das Wort .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich will zunächst am Anfang etwas machen, was meiner
Meinung nach bisher zu kurz gekommen ist . Ich möchte
der Bundeskanzlerin für ihre Entscheidung und ihre kla
ren Worte am 5 . September danken .
Da sie nicht mehr anwesend ist, bitte ich, ihr das aus
zurichten . Ich teile ihre Auffassung und kleide das nun
einmal in meine Worte: Ich möchte auch nicht in einem
Land leben, in dem kein Platz mehr für Mitgefühl gegen
über geschundenen, verfolgten und vom Tode bedrohten
Menschen ist, egal woher sie kommen . Und ich möchte
auch nicht in einem Land leben, in dem kein Platz mehr
ist für Hilfsbereitschaft – Hilfsbereitschaft, egal ob letzt
endlich christlich motiviert, aus sozialistischer Ideologie
heraus, einfach humanistisch motiviert oder weil man
schlicht und ergreifend, so mein Empfinden, ein anstän
diger Mensch ist .
– Genau, Herr Dr. Schäuble; das reicht. – Ich finde, Frau
Dr . Merkel hat anständig gehandelt, und dafür dürfen wir
alle sie einmal loben und ihr sagen: Wir sind an Ihrer Sei
te gewesen, auch in dieser Entscheidung und bei diesen
Ihren Worten .
Wir sind als SPDFraktion von der hier zur Debatte
stehenden Asylrechtsreform, zumindest in ihren flücht
lingsrechtlichen Teilen, durchaus nicht nur begeistert;
das können Sie sich denken . Ich hoffe sehr, lieber Kolle
ge Stephan Mayer, dass wir über ein paar Punkte, die so
auch gar nicht vereinbart sind, im Gesetzgebungsverfah
ren noch einmal reden werden . Einen Punkt hat Minis
ter Pistorius angesprochen; einen weiteren hast du eben
selbst angesprochen .
Eines muss aber klar sein – das muss auch in der De
batte herausgestellt werden –: Wir können auf die gegen
wärtige Situation nicht stets und ständig mit neuen ge
setzlichen Vorschlägen antworten, schon gar nicht mit
solchen, die vielleicht populistisch gedacht sind, aber
überhaupt nicht realisierbar sind .
Ich weiß nicht, ob Herr Kauder noch da ist . Ihm woll
te ich ebenfalls ein Wort der Zustimmung zurufen . Herr
Kauder hat im Zusammenhang mit der Sitzung seiner
Fraktion am Dienstag ausgeführt, nachdem noch nicht
einmal die Tinte unter dem Beschluss der Ministerpräsi
denten und der Bundeskanzlerin trocken sei, sei es ver
fehlt – da bin ich ganz bei ihm –, sofort schon wieder
neue Vorschläge zu machen . Ich stimme ihm ausdrück
lich zu . Das ist die zweite Neuigkeit, jedenfalls in der
Verhaltensweise, der ich mich hier heute, glaube ich,
befleißigen darf. Dazu gehört dann auch – da gucke ich
in den Süden der Republik, ein bisschen verstohlen viel
leicht auch auf die Regierungsbank –, dass wir den Men
schen nicht weiszumachen versuchen, etwas leisten zu
können, was wir in Wahrheit schon von der Realität her
gar nicht leisten können .
Bevor wir davon reden, dass wir die Grenzen effek
tiver kontrollieren wollen, dass wir das Flughafenver
fahren übertragen wollen, müssen wir uns doch einmal
klarmachen, was das heißt: Im Flughafen, wo niemand
die Transitzone verlassen kann, kann man ihn auch gegen
seinen Willen sozusagen einsperren . Aber wie wollen Sie
denn die deutschen Grenzen darüber hinaus noch kon
trollieren? Sie können das vielleicht noch in den Zügen
machen, vielleicht noch stichprobenartig an den Auto
bahnen, den Bundesstraßen, den Landstraßen, den Kreis
straßen, aber Sie können es nicht mehr an der grünen
Grenze .
Die grüne Grenze Deutschlands, die Landgrenze, ist
ganze 3 621 Kilometer lang . Allein die Landgrenze zu
Österreich ist über 800 Kilometer lang . Was wollen Sie
denn da machen? Wollen Sie da Zäune errichten wie in
Ceuta, Melilla oder wie vielleicht in Ungarn oder in Grie
chenland, wo wir es auch schon erlebt haben? Meine sehr
verehrten Damen und Herren, diese Zäune müssten Sie
im Ernstfall dann vielleicht auch noch durch die Bundes
wehr oder wen auch immer gegen Flüchtlinge verteidi
gen . Das ist ein völlig falscher Weg .
Wenn Sie jetzt von mir wissen wollen, was der rich
tige Weg wäre, dann sage auch ich Ihnen, was erfreu
licherweise schon von vielen in der heutigen Debatte
herausgearbeitet worden ist, und das geht über die na
tionale Gesetzgebung hinaus: Wenn es uns nicht gelingt,
die PushFaktoren – Herr Bundestagspräsident, die Ver
treibungsfaktoren –
Geht doch!
– in der Nähe der Herkunftsländer zu verringern und dafür zu sorgen, dass die Menschen dort wenigstens nichtverhungern oder erfrieren, dann dürfen wir uns nichtwundern, wenn die sich alle auf den Weg zu uns machen .Da ist internationale Politik gefragt . Davon dürfen wirnicht nur übereinstimmend reden; wir müssen da auchhandeln .Und dann gibt es da auch die europäische Komponente: Es reicht eben nicht, Europa als ein bloßes Verrechnungskonto zu begreifen und Solidarität nur dann zuzeigen, wenn es darum geht, den Steiß – mit Verlaub –griechischer Banken auch im Interesse internationalerGläubigerbanken zu retten, sondern es geht auch darum,der humanistischen Idee Europas an dieser Stelle Geltung zu verschaffen, und das heißt, dass wir uns verstärkt
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für eine solidarische Flüchtlingspolitik auch auf europäischer Ebene einsetzen müssen .
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen .
Wenn die Bundesregierung, namentlich die Bundes
kanzlerin, hier mit vergleichbarer Härte auftreten wür
de, wie sie das im Zusammenhang mit der Bewältigung
oder – vielleicht ist sie ja noch nicht bewältigt – wenigs
tens Bekämpfung der GriechenlandFinanzkrise gemacht
hat, dann hätte sie, glaube ich, unser aller Unterstützung .
Wir sagen noch einmal allen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union: Europa ist keine Schönwetterver
anstaltung, ist kein Verrechnungskonto, von dem man ab
und zu Geld abzweigen kann, wenn es einem gerade ge
fällt, sondern wir haben auch gemeinsame Pflichten; wir
haben gemeinsame Werte . Dazu müssen wir stehen . Da
für müssen wir alle gemeinsam kämpfen . Darum würde
ich Sie alle bitten .
Danke sehr .
Eckhardt Rehberg ist der nächste Redner für die CDU/
CSUFraktion .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Beck, lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen:Zu klären, ob es sich um Syrer handelt, ist nicht ganz soeinfach, wie Sie meinen . Wenn Sie sich einmal vor Ortkundig machen, dann erfahren Sie: Ein hoher Prozentsatz hat keinen Pass . Wenn Sie sich mit Dolmetschernunterhalten, die die Anhörungen durchführen, dann sagen diese Ihnen: Ein hoher Prozentsatz gibt vor, Syrerzu sein, spricht aber nicht den Dialekt, der in den entsprechenden Regionen in Syrien eigentlich heimisch ist .Deswegen muss man, wenn jemand sagt: „Ich kommeaus Syrien“, schon prüfen, ob er auch wirklich aus Syrienkommt . Auch das gehört zu einem geordneten Asylverfahren und zur Realität in diesem Land . Das muss auchbenannt werden .
Ja, Herr Pistorius, all das ist eine nationale, gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe . Ichglaube, wir als Bund, also die Bundesregierung und derBundestag, stellen uns dieser Aufgabe und werden unsdieser Aufgabe stellen . Wir werden das für dieses undauch für das kommende Jahr leisten können, ohne neueSchulden aufnehmen zu müssen . Der Grund dafür ist,dass wir eine gute wirtschaftliche Entwicklung haben .Deswegen können wir es uns auch leisten, in diesem Jahreine Rücklage in Höhe von 5 Milliarden Euro zu bilden .Diese wird nicht nur aus den Erlösen der Digitalen Dividende und Zinsminderausgaben gespeist, sondern sie istso strukturiert und konstruiert, dass auch zukünftig beiEntlastungen des Bundeshaushaltes oder bei Minderausgaben Geld dort hineinfließen kann.Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bund hat für2015 eine finanzielle Entlastung der Länder um insgesamt 2 Milliarden Euro zugesagt . Dieses Geld, HerrMinister Pistorius, geht in diesem Jahr ungebunden undunkonditioniert in die Länderhaushalte, wie auch die3,67 Milliarden Euro im nächsten Jahr . Herr MinisterPistorius, wenn Sie von einer nationalen, gesamtstaatlichen und gesamtgesellschaftlichen Aufgabe sprechen,dann muss ich Ihnen dazu sagen: Es liegt jetzt in der Verantwortung der Länder, dass das gesamte Geld, das derBund zur Verfügung stellt, bei den Kommunen ankommt .
Es ist jetzt Ihre Verantwortung und die Ihrer Kollegen inden einzelnen Ländern, dafür zu sorgen, dass das nichtzur Sanierung der Landeshaushalte verwendet wird, sondern bei den Kommunen ankommt .Welche Situation haben wir in den Ländern? Bei dendrei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg ist dasrelativ unproblematisch . Dann gibt es drei Länder, die,weil sie ihren Kommunen die vollen Kosten erstatten,das Geld im Landeshaushalt vereinnahmen könnten: Dassind der Freistaat Bayern, das Saarland und mein Heimatbundesland MecklenburgVorpommern . Herr Kollege Pistorius, ich muss Ihnen sagen: Nach meinen Informationen bleiben die Kommunen in Niedersachsen auf40 Prozent der Kosten sitzen .
Deswegen erwarte ich, dass in all den Bundesländern, dieden Kommunen nicht die vollen Kosten erstatten, dafürgesorgt wird, dass dieses Geld des Bundes zukünftig beiden Kommunen ankommt und damit eine Vollkostenerstattung vorgenommen wird . Das muss man erwarten .
Ich erwarte weiterhin von den Ländern, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass auch die 350 Millionen Euro,die in diesem Betrag für unbegleitete Jugendliche enthalten sind, den unbegleiteten Jugendlichen zugutekommen . Ich erwarte weiter von den Ländern, dass auch die339 Millionen Euro, die für die Kinderbetreuung ungeRüdiger Veit
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bunden in die Länderhaushalte gehen, für die Kinderbetreuung in den Ländern ausgegeben werden .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Stichwort „sozialer Wohnungsbau“: Wir als Bund stellen nicht nur mietzinsfrei Bundesimmobilien zur Verfügung, sondern wirgehen noch einen Schritt weiter: Wir werden auch dieHerrichtungs und Erschließungskosten übernehmen,und zwar rückwirkend zum 1 . Januar dieses Jahres . Undhinsichtlich der 500 Millionen Euro, die wir noch zusätzlich zu den Kompensationsmitteln für den sozialen Wohnungsbau dazugeben, ist zu sagen: In den 2,5 MilliardenEuro an Entflechtungsmitteln sind schon 518 MillionenEuro für die Förderung von sozialem Wohnraum enthalten . Das heißt, es handelt sich um 500 Millionen Euround 518 Millionen Euro, also insgesamt über 1 MilliardeEuro für den sozialen Wohnungsbau vonseiten des Bundes . Aktuell verwendet aber keines der 16 Bundesländerdie in den Entflechtungsmitteln für die Förderung von sozialem Wohnraum vorgesehenen Mittel zweckgerichtetund zweckentsprechend für den sozialen Wohnungsbau .
Und an dieser Stelle, Herr Pistorius, müssen Sie sich vonmir anhören: Wir erwarten, dass die 78,3 Millionen Euro,die Niedersachsen zustehen, für den sozialen Wohnungsbau verwendet werden und für nichts anderes .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben darüberhinaus das Thema Regionalisierungsmittel abgeräumt .Vorausgegangen war eine lange Debatte . Ich fand es allerdings dreist, dass Ministerpräsident Kretschmann ausBadenWürttemberg auf die Frage, warum das Themader Regionalisierungsmittel mitverhandelt wurde, geantwortet hat – Zitat –:Wir müssen ja immer aufpassen, dass der Bund unsdie Gelder, die er uns an der einen Stelle zusätzlichgibt, uns an anderer Stelle nicht wieder abzieht .Das war am 26 . September 2015, also gerade einmal48 Stunden nach dem Gipfel bei der Bundeskanzlerin .Ich finde, so kann man nicht miteinander umgehen.
Dabei gibt es in BadenWürttemberg für die Kommunenkeine Vollkostenerstattung .
Gerade einmal drei Viertel der Kosten werden erstattet .Wir als Deutscher Bundestag sollten von daher dieBotschaft senden: Ja, der Weg dahin war nicht ganz einfach, aber wir haben uns dieser Herausforderung gestelltund überweisen die entsprechenden Mittel an die Länder . – Mir persönlich – das sage ich ganz ehrlich – wäreeine Zweckgebundenheit lieber gewesen . Das ist nur miteiner Grundgesetzänderung möglich, und ich gestehe zu,dass das schwierig und kompliziert gewesen wäre .Wir werden im Zuge der Haushaltsberatungen natürlich auch die Mittel in den Haushalt 2016 einstellen, dieder Bund zu tragen hat: Leistungen für den SGBIIAufwuchs, 4,5 Millionen Euro für das Auswärtige Amt, Personalmittel für 3 000 neue Stellen bei der Bundespolizeiund mehr Geld für Sprach und Integrationskurse . DieserHerausforderung werden wir uns stellen .Ich glaube – das ist meine feste Überzeugung –, wennhier jeder, aber auch wirklich jeder, seine Zusagen einhält, dann werden wir gesamtstaatlich der nationalenVerantwortung gerecht . In den letzten Wochen und Monaten haben die Länder gefordert, dass der Bund seinerVerantwortung gerecht werden muss, und heute könnenwir das Fazit ziehen, dass er seiner nationalen Aufgabegerecht geworden ist . Die Länder müssen dieser Aufgabeaber in gleicher Art und Weise gerecht werden . Sie tragennach unserem föderalen System die Verantwortung fürihre Kommunen und müssen jetzt hier und heute ihrergesamtstaatlichen, ihrer nationalen Aufgabe gerecht werden . Ich bin davon überzeugt, dass wir so als Gesamtstaatdie Problematik und den Ausnahmezustand beim Thema„Flüchtlinge und Asylbewerber“ bewältigen werden können .Herzlichen Dank .
Ich will nur eine kurze technische Zwischenbemerkung machen: Da wir die vereinbarte Redezeit von96 Minuten bereits erkennbar überschritten haben undnoch vier weitere angemeldete Redner zu Wort kommen,werde ich jetzt weder Zwischenfragen noch Kurzinterventionen zulassen . Mir ist schon klar, dass es noch sehrviel weiteren Diskussionsbedarf gibt . Aber wir könnenmit Blick auf die weitere Tagesordnung unsere selbstfestgelegten Redezeiten nicht beliebig sprengen .Nächste Rednerin ist die Staatsministerin Özoğuz fürdie Bundesregierung .
Aydan Özoğuz, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin:Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!Thomas de Maizière sagte am Anfang: Nur gemeinsamgeht es . – In Wahrheit verbirgt sich dahinter viel mehr,als wir hier immer sonst so mit dem Überparteilichenmeinen. Ich finde, bei Herrn Rehberg ist das eben schonein Stück weit angeklungen . Es ging bei diesem Paketnatürlich auch um eine Vereinbarung zwischen Parteien, aber tatsächlich handelt es sich dabei in erster Linieum eine Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Kommunen . Alle mussten an einen Tisch,mehrfach . Wenn man das Ergebnis mit dem schlechtenAsylkompromiss von 1993, wenn ich das einmal sagendarf, vergleicht, dann kann man feststellen: Wir haben inEckhardt Rehberg
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der Asylpolitik jetzt einen riesigen Schritt gemacht, derunser Land voranbringen wird .
– Das sehe ich nicht so .Ich bin sehr froh, dass wir eine dauerhafte strukturelleFinanzierung haben,
dass wir davon weg sind, Herr Beck, dass wöchentlichMenschen zusammenkommen müssen, um darüber zuverhandeln, wie man es finanzieren kann, wenn so vieleAsylbewerber kommen, und wie wir solche Dinge wieSprachkurse von Anfang an auch für Asylbewerber zurSelbstverständlichkeit machen . Wenn Menschen jetzt zuuns kommen, können wir sagen, dass wir aus der Vergangenheit gelernt haben, indem wir dafür sorgen, dass sienicht monatelang und jahrelang nur herumsitzen müssenund nichts tun, sondern Deutsch lernen und Zugänge zuunserer Gesellschaft finden. Selbst dann, wenn sie einesTages wieder gehen sollten, weil zum Beispiel in ihremLand wieder Frieden herrscht, ist das für alle Beteiligteneine sehr gute Sache .
Aber, wie Herr Mayer zu Recht sagte, wird nicht jederbleiben können . Das ist hier schon mehrfach angeklungen . Das ist auch ein Teil der Wahrheit, der Ehrlichkeit .Ich möchte nur eines dazusagen, weil mir das manchmalin den Debatten aufstößt: Es ist aus einem deutschenWohnzimmer, wo man gemütlich sitzt, leicht, ein Wortwie Wirtschaftsflüchtling in den Mund zu nehmen.
Wir sollten uns überlegen, welche wirtschaftliche Notsich oftmals dahinter verbirgt, wenn Menschen alles aufgeben, wenn sie ihre Kinder nehmen und sich auf denWeg machen, auch wenn sie bei uns kein Asyl bekommen können . Deswegen ist es richtig, dass wir legale Zugangsmöglichkeiten schaffen wollen und denjenigen, diekommen, um zu arbeiten, um hier zu leben und um einTeil von uns zu werden, eine Möglichkeit dazu eröffnen .Da wird das Ventil einmal aufgemacht und eine solcheTür geöffnet . Das war, wie ich glaube, längst überfällig .
Ich glaube, es ist ganz wichtig, hier auch zu betonen, dass sich Fremdheit nur durch Begegnung ändernkann . Wenn ich jetzt in der Kürze der Zeit auf die vielenÄngste und Sorgen in unserer Bevölkerung nicht mehrBezug nehmen kann, so ist mir doch besonders wichtig,auf einen Punkt hinzuweisen: Wenn man das, was all dieEhrenamtlichen und auch all die Hauptamtlichen leisten,die wahrlich genug Überstunden machen – ich denke nuran die Sozialarbeiter, die Extraschichten an den Wochenenden einlegen, damit immer jemand da ist und eine Ordnung und eine Struktur hineinkommen –, wirklich ernstnehmen will, dann muss man auch auf das hören, wassie sagen .Beim ersten Ehrenamtsempfang im letzten Jahr, denich mit Ihrer aller Hilfe geben durfte – Sie haben ja dieEhrenamtlichen vorgeschlagen –, haben wir von allenSeiten gehört, dass Strukturen benötigt werden, dassman jemanden braucht, den man fragen kann, bei demman auch einmal eine Information bekommen kann . Ichfreue mich, dass es jetzt gelungen ist, mit den Wohlfahrtsverbänden einen entsprechenden Anfang zu machen . Die Haushälter haben hier Gott sei Dank ein Augezugedrückt, sodass ich noch ein bisschen mehr Geld alssonst ausgeben konnte, um Schulungen durchführen zukönnen,
um Strukturen schaffen zu können, sodass auch Ehrenamtliche entsprechende Anlaufstellen haben . Dabei hilftuns übrigens sehr der deutsche Fußball . Die Sportvereinebeginnen jetzt damit . Überall dort, wo Menschen zusammenkommen, werden die Begegnungen ein Stück weitunterstützt . Ich glaube, das hilft, Fremdheit abzubauen .Herr Präsident, ich möchte nur noch einen Satz sagen,der mir sehr wichtig ist, und bin dann gleich am Endemeiner Redezeit . Viele Abgeordnete in diesem Haus, undzwar aus allen Fraktionen, bekommen in diesen Tagenviele Verleumdungsversuche übergestülpt . Das sind sehrbösartige Verleumdungen. Ich weiß nicht, wie häufigmittlerweile vorgeschlagen wurde, Strafanzeige zu stellen . Manchmal überlegt man sich, ob man sie noch unterschreiben soll. Wir sollten hier, wie ich finde, jedenfallsauch einmal sagen: Gerade in einer solchen Zeit müssen wir alle zusammenstehen, müssen gemeinsam gegenHetze und völkische Ideologien vorgehen und dürfen soetwas überhaupt nicht in die Debatte hineintragen lassen,auch wenn das leider oft versucht wird .
Vielen Dank .
KlausDieter Gröhler hat nun für die CDU/CSUFrak
tion das Wort .
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident, Sie haben vorhin von Besorgten und Begeistertengesprochen . Ich will mich, wie so oft, in der Mitte, alsodazwischen, einordnen, vielleicht mit einer ganz kleinenTendenz zum Besorgtsein. Ich glaube, da befinde ichmich in ganz guter Gesellschaft, zumindest mit den Bürgerinnen und Bürgern meines Wahlkreises .Staatsministerin Aydan Özoğuz
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An dieser Stelle möchte ich Ihnen einmal die Zahleneiner Umfrage aus Berlin präsentieren, die vor einigenTagen durchgeführt wurde . Sie hat folgendes Ergebniszutage gebracht: 7 Prozent aller Berlinerinnen und Berliner würden aktiv dagegen vorgehen, wenn in ihrer Nachbarschaft eine Flüchtlingsunterkunft entstehen würde . Inmeinem Wahlkreis, CharlottenburgWilmersdorf – darauf bin ich stolz –, war die Zahl am niedrigsten, nämlich2 Prozent . Aber in einem Bezirk von Berlin haben 15 Prozent aller Menschen gesagt, sie würden aktiv etwas gegenFlüchtlinge in ihrer Nachbarschaft unternehmen . Da istder Wahlkreis TreptowKöpenick . Leider kann Herr Gysinicht zuhören, weil er seit etwa 20 Minuten telefoniert .Aber vielleicht sind die Genossen seiner Fraktion einmalso gut, ihm zu sagen: Statt hier über SaudiArabien zuschwadronieren, wäre es gut, in den Wahlkreis zu gehen,mit den Menschen zu reden und ihnen zuzuhören . Daswürde mehr bringen .
Ich habe in den letzten Wochen wie sicherlich vieleandere Kollegen sehr aufmerksam zugehört . Ich habehäufig die Frage gehört: Können wir das wirklich schaffen? Und sagt uns doch bitte einmal: Wie werden wirdas schaffen? – Ich glaube, heute geht vom Gesetzentwurf der Bundesregierung und von der Mehrheit diesesBundestages ein Signal ins Land hinaus . Die Frage „Wiekönnen wir das schaffen?“ beantworten wir nämlich mitdiesem Gesetzespaket und senden deutliche Signale .Wir senden Signale an diejenigen, die noch kommen wollen, und sagen ihnen: Wenn ihr in Deutschlandkein Bleiberecht bekommen könnt, dann überlegt wirklich gut, ob ihr euch auf den Weg macht . Es ist nämlicheigentlich falsch, zu kommen .Wir sagen denen, die hier sind und kein Bleiberechtbekommen können: Ihr habt die Verpflichtung, wiederzurückzugehen. Wenn ihr diese Verpflichtung nicht erfüllt, dann werden wir sie mit staatlichen Maßnahmendurchsetzen . Das ist weder Rassismus, meine Damen undHerren, noch ist es ungerecht oder unmenschlich, sondern das ist schlicht und ergreifend Rechtsstaatlichkeit,das ist ein Stück Gerechtigkeit; denn derjenige, der einRecht hat, muss anders behandelt werden als derjenige,der kein Recht hat . Dazu sollten wir uns an dieser Stelleauch bekennen .
Wir senden ein Signal an diejenigen, die bleiben können . Wir senden das Signal: Wir werden alles dafür tun,dass ihr in Deutschland vernünftig und würdevoll behandelt werdet . Wir senden das Signal: Wir wollen euchintegrieren . Aber wir erwarten auch, dass ihr euch integriert. – Wer in das Land des Grundgesetzes flüchtet,der darf nicht nur die Vorteile dieses Grundgesetzes fürsich in Anspruch nehmen wollen, sondern er muss diesesGrundgesetz auch leben . Wir sind es den Menschen, diein diesem Land leben, seien sie Deutsche oder seien sieNichtdeutsche, schuldig, das durchzusetzen, meine Damen und Herren .
Wir senden ein Signal an diejenigen, die sich ehrenamtlich engagieren, die in den Behörden tätig sind, diebei der Polizei, der Bundespolizei und der Bundeswehrarbeiten .Wir senden auch ein Signal an die Kommunen . Leider ist die Länderbank inzwischen verwaist . Ich will dieWorte meines Kollegen Rehberg unterstreichen: WennHerr Pistorius sagt, er erwarte, dass der Bund seine Verpflichtungen erfüllt, dann erwarten wir von den Länderndas ganz genauso . Ich kann die Kollegen in den Länderparlamenten und in den Kommunen nur auffordern: Bitteüberprüft sehr deutlich, was die Länder mit dem Geld desBundes tatsächlich machen, damit sie die Kommunenhinterher nicht im Regen stehen lassen .
Es ist heute schon zahlreichen Mitgliedern der Bundesregierung gedankt worden . Ich will aber noch einmalein deutliches Dankeschön an Wolfgang Schäuble aussenden . Den Nachtragshaushalt, den er jetzt vorgelegthat, und die Vorsorge, die er für 2016 trifft, hätten wir garnicht auf den Weg bringen können, wenn er als Finanzminister in den letzten Jahren mit unseren Staatsfinanzennicht so verantwortungsvoll umgegangen wäre . Wenner das nicht gemacht hätte, wären wir zu den genanntenMaßnahmen heute nicht in der Lage .Ich weiß, meine Damen und Herren, dass wir mitdem Gesetzespaket einige Menschen in der Bevölkerungmöglicherweise nicht erreichen . Diese Menschen sagen:Was interessiert uns das alles? Wir machen die Schottendicht . Wir geben kein Geld für andere in der Welt . Warum sollen die Probleme der anderen unsere Problemesein? Diesen Menschen rufe ich zu: Vergesst nicht, dassauch Deutschland einmal Solidarität erfahren hat .
Ich sage das ganz bewusst als Berliner und denke dabeian die Zeit von 1948/49 . Ich erinnere auch an 25 Jahredeutsche Wiedervereinigung . Wir haben die Solidarität der anderen europäischen Länder bekommen, als dieDDR praktisch über Nacht der Bundesrepublik Deutschland beitrat und damit auch Teil der Europäischen Unionwurde . Damals waren wir darauf angewiesen, dass unsdie anderen dabei unterstützen . Das sollten wir nicht vergessen .
Wir wissen, meine Damen und Herren, dass die Entwicklung im Moment äußerst dynamisch ist . Wir wissen,dass dieses Gesetzespaket möglicherweise nicht die letzte Antwort sein kann . Es kann auch nur eine von vielenMaßnahmen sein . Neben dem Bemühen, die Fluchtursachen zu beseitigen, geht es auch darum, die EuropäischeUnion stärker in die Verantwortung zu nehmen, die Türkei zu fördern und zu fordern und die Vereinten Nationenan dieser Stelle verstärkt ins Boot zu holen .Zwei Sätze der Kanzlerin sind für mich sehr wichtig, und an die halte ich mich . Erstens: „…wir könnennicht alle Probleme in Deutschland lösen …“ – das hatKlaus-Dieter Gröhler
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sie gestern gesagt . Der zweite Satz lautet: „Wir könnendas schaffen …“ Beide Sätze zusammen, meine Damenund Herren, sollten unsere Handlungsmaxime sein . Dannsind wir in der Tat auf einem guten Weg .Danke .
Das Wort hat nun die Kollegin Kerstin Griese für die
SPDFraktion .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieFlüchtlinge, die zu uns kommen, haben in unserem Landeine Seite geweckt, von der wir gar nicht wussten, dasses sie gibt . Das Engagement und die Hilfsbereitschaft,mit denen sich tagtäglich Zehntausende von Menschenin Deutschland um Flüchtlinge kümmern, sind ungeahntgroß und leidenschaftlich . Ohne diese tatkräftige Hilfe der vielen Freiwilligen wäre es gar nicht gelungen,Flüchtlinge so gut willkommen zu heißen .
Auch unsere Stadtverwaltungen, die Kitas, die Schulen –ich habe großartige Schulklassen besucht, in denen dieKinder Deutsch lernen –, die Hilfsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und die Polizei leisten Großartiges, umallen Geflüchteten ein Dach über dem Kopf und eineerste Versorgung zu bieten . Deshalb als Allererstes einherzliches Dankeschön dafür .
Jetzt kommt es darauf an, dass auch die staatlichenStrukturen funktionieren, dass Unterkünfte und Versorgung bereitstehen, dass die Registrierung der Flüchtlingeschneller erfolgt, dass die Verfahren beschleunigt werden, damit die Menschen wissen, ob sie bleiben könnenoder nicht, und damit diejenigen, die bleiben dürfen, sofort die deutsche Sprache lernen können und die Chancehaben, einen Arbeitsplatz zu finden. Auch dafür stellenwir mit diesem Gesetzentwurf die Weichen .
Wir nehmen die große Herausforderung an und wollenjetzt Bedingungen schaffen, damit aus Flüchtlingen guteNachbarn und Kollegen werden .Sprache und Arbeit, das sind die wichtigsten Schlüssel für die Integration . Gute Sprachkenntnisse sind dieVoraussetzung dafür, dass jemand arbeiten kann, ein Einkommen erzielen kann . Das ist auch für unsere Sozialsysteme wichtig . Deshalb ist unser vordringlichstes Anliegen, dass Flüchtlinge frühzeitig die deutsche Sprachelernen können . Wir sorgen jetzt dafür, dass die Integrationskurse auch für Menschen, die sich im Asylverfahrenbefinden und eine gute Bleibeperspektive haben, sowiefür Geduldete geöffnet werden . Das heißt, es wird in Zukunft möglich sein, viel früher Deutsch zu lernen . DieZahl der Sprachkurse wird erheblich erhöht . Die Mitteldafür werden erhöht . Zusammen mit den berufsbezogenen Deutschkursen wird ein Gesamtprogramm Spracheentwickelt . Zusätzlich werden Mittel der Bundesagenturfür Arbeit bereitgestellt . All das ist wichtig . Wir müssen schon jetzt dafür sorgen, dass die deutsche Spracheschnell gelernt werden kann .
Sprache ist der erste Schritt in die Arbeitswelt . Darüber hinaus brauchen wir mehr Vermittler in den Jobcentern und Arbeitsagenturen, die sich um die Flüchtlingekümmern . Ich will ausdrücklich sagen, dass wir gleichzeitig nicht die Menschen aus den Augen verlieren, dieschon bei uns leben und Probleme auf dem Arbeitsmarkthaben . Wir werden und wollen uns weiter intensiv umLangzeitarbeitslose kümmern; denn wir wollen nicht,dass Menschen gegeneinander ausgespielt werden .
egal, ob jemand hier geboren ist oder zu uns geflohenist . Wer das infrage stellt, schürt Probleme, die es nochgar nicht gibt . Erst letzte Woche sagte eine Betriebsrätinzu mir, dass es gerade jetzt ein Segen ist, dass wir denMindestlohn haben .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesagenturfür Arbeit wird mit diesem Gesetz schon viel früher denjenigen, die eine gute Bleibeperspektive haben, helfenkönnen, eine Arbeit zu finden. Das Programm „EarlyIntervention“ wird flächendeckend ausgebaut zu einemProgramm, bei dem die Qualifikationen der Flüchtlingeerfasst werden, um mit ihnen gemeinsam überlegen zukönnen, wie sie sich weiterbilden und einen Arbeitsplatzfinden können.Wenn wir all das schaffen, liegt eine große Chance inden Flüchtlingen, die zu uns kommen . Wir erleben jungeLeute – 50 Prozent der Flüchtlinge sind unter 25 Jahren –,die etwas lernen wollen, die unbedingt arbeiten wollen .Wir erleben Kinder, die unglaublich schnell Deutsch lernen und sich mit ihren Mitschülern anfreunden . Ich sageganz klar: Wenn wir das gut machen – und wir wollendas gut hinkriegen –, dann ist das eine große Chance . Danimmt auch niemand einem anderen den Arbeitsplatzweg; vielmehr brauchen wir mehr Menschen, die bei unsleben und arbeiten wollen .Ich will auf einen Punkt hinweisen, der auch in diesemGesetz geregelt wird und den noch keiner genannt hat; erfindet sich in der Änderung der Beschäftigungsverordnung . Wir wissen, dass Flüchtlinge aus den Ländern desWestbalkans in den weitaus meisten Fällen kein Asyl bekommen, weil sie nicht verfolgt sind . Insofern brauchenwir endlich für diejenigen aus dem Balkan, die hier arbeiKlaus-Dieter Gröhler
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ten wollen, eine legale Möglichkeit der Arbeitsmigration,damit sie keine Asylanträge stellen . So kann die Mengeder Verfahren reduziert werden .
Ich bin sehr froh, dass wir eine entsprechende Regelung gefunden haben . Wer künftig einen Arbeitsoder Ausbildungsvertrag mit tarifvertraglichen Bedingungen vorweisen kann und in den letzten beiden Jahrennicht als Asylbewerber in Deutschland Leistungen erhalten hat oder – und das ist wichtig; das ist eine wichtigeBotschaft an die Menschen in den Flüchtlingsunterkünften – wer in diesem Jahr gekommen ist – bis zur Verabschiedung dieses Gesetzes –, der kann künftig mitZustimmung der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland arbeiten oder eine Ausbildung machen und dafür einArbeitsvisum beantragen . Das ist gerade für die Menschen aus dem Westbalkan ein wichtiger Schritt zur legalen Arbeitsmigration .
Wenn es uns gelingt, dass Asylverfahren deutlichschneller entschieden werden, dass die deutsche Spracheschnell erlernt werden kann, dass Qualifikationen erfasstund Praktika und Ausbildung angeboten werden, dannkönnen wir diese Herausforderung meistern . Ich willnicht verschweigen, dass das viel Anstrengung und auchviel Geld kosten wird . Aber es ist gut angelegtes Geld indie Zukunft unseres Landes . Und angesichts dessen, wasich in Schulen und Flüchtlingsunterkünften mit den Ehrenamtlichen und Verantwortlichen erlebt habe, bin ichoptimistisch, dass wir diese Herausforderung meisternwollen und meistern können .Vielen Dank .
Vielen Dank, Frau Kollegin . – Einen schönen Tag von
meiner Seite aus und auch noch weiterhin einen schönen
Tag Ihnen und den Gästen auf der Tribüne!
Der letzte Redner in dieser Debatte ist Johannes Kahrs .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Wir haben heute hier viel Wahres gehört . Wirhaben als Koalition vieles angestoßen, das wir umsetzenwerden . Ich glaube, gemeinsam mit den Ländern undKommunen werden wir das schaffen .Kollege Rehberg hat im Einzelnen erklärt, wie dieLeistungen für die Kommunen aussehen . Wir müssen nurdarauf achten, dass die Länder die Mittel an die Kommunen auch entsprechend weiterleiten – das ist einer derwesentlichen Punkte –, und wir Haushälter werden unseren Teil dazu beitragen .
Der Bundesinnenminister de Maizière – wenn ich dasnoch kurz erwähnen darf – hat eine sehr gute Rede gehalten . Ich möchte nur noch eine kurze Anmerkung machen .Es ist nicht nur wichtig, dass wir 3 000 neue Stellen fürdie Bundespolizei beschließen, sondern wir müssen auchdarauf achten, dass die Verwaltung der Bundespolizeientsprechend ausgestattet wird und dass die Ausstattungder Bundespolizei modernisiert wird . Die Unterkünfteder Bundespolizei sind auch nicht immer so toll . Wirmüssen in den nächsten Jahren strukturell daran arbeiten,dass hier etwas passiert . Wenn wir das gemeinschaftlichhinkriegen, Kollege Rehberg, dann würde mich das sehrfreuen . Vielen Dank!
Man muss es einfach sagen: Die Bundespolizei, genauso wie die Polizeien der Länder, leistet in diesen Tagen Unendliches . Die Polizisten sind rund um die Uhr imEinsatz, sie werden von einer Ecke der Republik in dieandere gefahren . Dass das geschieht, ohne dass es dabeizu großen Verwerfungen kommt, ist wirklich unglaublich . Deswegen gebührt ihnen nicht nur unser Dank undunsere Anerkennung, sondern man muss sie auch entsprechend ausstatten und bezahlen . Ich glaube, das gehört zur Wahrheit dazu .
Das Gleiche gilt für die Hilfsorganisationen . LassenSie mich exemplarisch das THW erwähnen . Das THWmacht sehr viel mit den Mitteln, die ihm zur Verfügungstehen . Das THW ist personell sehr bescheiden aufgestellt . Es gibt circa 800 Hauptamtliche, der Rest sind Ehrenamtliche .
Wir werden dem THW Unterstützung angedeihen lassenmüssen . Das THW braucht unsere Hilfe . Wir haben dasim Haushaltsausschuss – der Kollege Rehberg war immer tapfer dabei – in den letzten zwei Jahren gemacht .Ich bin mir sicher: Das werden wir auch in diesem undim nächsten Jahr schaffen, damit das THW weiterhin dasleisten kann, was es in den letzten Tagen und Wochengeleistet hat .
Wir haben darüber hinaus weitere 500 Millionen Eurofür den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt . Insgesamtstellen wir also 1 Milliarde Euro zur Verfügung . Ich hoffe, dass die Länder dieses Geld in Zukunft für diesenZweck ausgeben werden . Aber ernsthafterweise mussman zur Kenntnis nehmen, dass wir zurzeit damit beschäftigt sind, Flüchtlinge überhaupt unterzubringen . Siemüssen raus aus den Zelten und in irgendeine Form vonUnterkunft für den Winter . Das wird in den nächsten Jahren anders organisiert werden müssen . Wir können dieFlüchtlinge ja nicht alle in den provisorischen UnterkünfKerstin Griese
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ten lassen . Diejenigen, die hierbleiben, müssen anständiguntergebracht werden . Gleichzeitig ist die Wohnungssituation in vielen Städten schwierig . Deswegen wird dersoziale Wohnungsbau, und zwar über den dritten und denersten Förderweg, in den nächsten Jahren richtig ausgebaut werden müssen .
Es bedarf einer großen Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen, um das gemeinschaftlich hinzubekommen .Es ist gut, dass wir Grundstücke von der BImA haben .Sie allein werden aber nicht reichen . Wir werden in dennächsten Jahren dafür sorgen müssen, dass alle, die indiesem Land leben, anständige Wohnungen vorfinden.Auch hier darf man keinen gegen den anderen ausspielen .
Lassen Sie mich abschließend sagen – Kollegin Griese hat das dankenswerterweise ebenfalls gesagt –: Wennman keinen gegen einen anderen ausspielen will, heißtdas, dass wir, obwohl wir diese große Flüchtlingskrisegemeinsam meistern werden und wir viel Geld investieren, nicht vergessen dürfen, wofür wir auch gewählt worden sind, zum Beispiel zur Bewältigung von Fragen desTeilhabegesetzes,
von Fragen der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt; und auchandere Punkte müssen dringend angegangen werden .
Ich hoffe, dass das Anfang nächsten Jahres passiert, dasswir mit einzelnen Gesetzespaketen das Problem fehlender Ordnung auf dem Arbeitsmarkt angehen und dass wirim nächsten Jahr den Entwurf eines Bundesteilhabegesetzes nicht nur vorstellen, sondern auch beschließen .Vielen Dank .
Vielen Dank, Johannes Kahrs . – Damit schließe ichdie Aussprache .Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagenauf den Drucksachen 18/6185, 18/6172, 18/6190 und18/6090 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? –Das ist der Fall . Dann sind die Überweisungen so beschlossen .Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b auf:a) Beratung des Antrags der AbgeordnetenKatharina Dröge, Dr . Frithjof Schmidt, BärbelHöhn, weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENStarke Schutzstandards – Ziel statt Zielschei-be moderner HandelspolitikDrucksache 18/6197Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und ReaktorsicherheitAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und EntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unionb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie
– zu dem Antrag der Abgeordneten ThomasNord, Klaus Ernst, Dr . Dietmar Bartsch,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEDie Verhandlungen zum EU-USA-Frei-handelsabkommen TTIP stoppen– zu dem Antrag der Abgeordneten KatharinaDröge, Bärbel Höhn, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENFür ein starkes Primat der Politik – Fürfairen Handel ohne Demokratie-Outsour-cing– zu dem Antrag der Abgeordneten KatharinaDröge, Kerstin Andreae, Dr . ThomasGambke, weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENStellungnahme im Rahmen des Konsulta-tionsverfahrens der Europäischen Kom-mission zum Investitionsschutzkapitel imgeplanten Transatlantischen Freihandels-abkommen TTIP– zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst,Thomas Nord, Wolfgang Gehrcke, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIE LINKECETA-Verhandlungsergebnis ablehnen– zu dem Antrag der Abgeordneten KatharinaDröge, Bärbel Höhn, Renate Künast, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKeine Klageprivilegien für Konzerne – CETA-Vertragsentwurf ablehnenDrucksachen 18/1093, 18/1457, 18/1964,18/4090, 18/2620, 18/4969Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache 77 Minuten vorgesehen . – Ich höre undsehe keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .
– Diejenigen, die sich an der Debatte nicht beteiligenwollen, bitte ich, entweder still zu sein oder den Raum zuverlassen oder beides zu tun .
Johannes Kahrs
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Ich eröffne die Debatte mit der Worterteilung fürDr . Anton Hofreiter, Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die europäische Bürgerinitiative zum Thema
TTIP hat inzwischen fast 3 Millionen Unterschriften be
kommen .
Das ist die stärkste europäische Bürgerinitiative, die es
je gab .
Jetzt wird den Kritikern ja immer vorgeworfen, sie
hätten sich nicht ausreichend informiert . Gefordert wird,
besser zu informieren . Es ist sicher so, dass viele Men
schen nicht sämtliche 500 Seiten des CETAVertrags und
die 1 500 Seiten Anhang, die noch dazu in juristischem
Englisch verfasst sind, gelesen haben . Aber die Men
schen haben oft ein verdammt gutes Gespür dafür, dass
Dinge grundlegend schieflaufen.
Ich kann Ihnen sagen: Bei TTIP läuft einiges grundle
gend schief .
Worum geht es bei TTIP im Kern? Im Kern geht es
darum: Was ist man für ein äußerst vages Wachstumsver
sprechen aufzugeben bereit?
Die Bundesregierung tut immer so, als wenn alle Stan
dards erhalten bleiben würden . Die Bundesregierung
agiert so nach dem Prinzip Hoffnung . Aber ich würde Ih
nen einfach mal empfehlen, nachzulesen, was der franzö
sische Handelsminister sagt . Er hat nämlich Einblick in
die Unterlagen, und er hat sich dazu ganz klar geäußert .
Schauen wir uns doch einfach einmal an, was bisher
geschah und was von dem, was bisher geschah, öffent
lich wurde . Die europäische Seite hat versucht, die ame
rikanische Seite unter Druck zu setzen, doch endlich ihre
strengeren Finanzmarktregulierungen zu senken . So viel
zu der Behauptung, dass keine Standards gesenkt werden
sollen . Die amerikanische Seite wiederum hat versucht,
die strengeren Lebensmittel und Agrarstandards, die
wir in Europa haben, zu senken . Beide Seiten haben ver
sucht, Schiedsgerichte durchzusetzen, und beide Seiten
kämpfen darum, eine regulatorische Kooperation zustan
de zu bringen .
Ist es das, was Sie unter „Standards erhalten“ verste
hen? Ist es das, was Sie unter „Transparenz“ verstehen?
Ist es das, was Sie unter einem „bürgerfreundlichen,
sinnvollen Vertrag“ verstehen?
Was wir stattdessen brauchen, sind entsprechende Refor
men der bereits bestehenden Schiedsgerichtsverfahren .
Da liegt vieles im Argen .
Da anzusetzen, wäre besser, als dem alten Falschen noch
etwas neues Falsches hinzuzufügen .
Bundeskanzlerin Merkel hat erst letzte Woche gesagt,
TTIP sei eine Riesenchance .
Aber welche Fakten hat sie, um das zu belegen?
Sie hat die schöne Aussage getätigt, dass das Wachstum
um 0,05 Prozent pro Jahr wachsen würde . – Das ist sta
tistisches Rauschen . Das liegt im Bereich einer Messun
genauigkeit, ist aber nun wirklich kein Faktum . 0,05 Pro
zent mehr Wachstum – und dafür geben Sie Standards
auf? Das ist doch lächerlich . Seien Sie doch ehrlich .
Die Leute haben längst gemerkt, dass diese 0,05 Pro
zent Wachstum ein total tönernes Versprechen sind . Des
wegen lehnen sie es ab, und die Leute haben damit recht .
Darum lehnen auch wir das, was vorliegt, ab . Hören wir
doch einfach einmal auf eine große Mehrheit in der Be
völkerung .
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder
bemerkung vom Kollegen Wiese?
Ja . Warum nicht?
Das war ein bayerisches Ja . Passt schon!
Vizepräsidentin Claudia Roth
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Es sei ihm gestattet .
Herr Kollege Hofreiter, vielen Dank dafür, dass Sie
die Zwischenfrage zulassen . Ich bin etwas irritiert von
Ihren Ausführungen .
Vielleicht können Sie mir weiterhelfen im Hinblick auf
Ihre Position und die Position der Grünen .
Ich habe vorliegen die „Eckpunkte der Positionierung
der Landesregierung BadenWürttemberg“, herausge
geben von Ministerpräsident Winfried Kretschmann . In
diesen Eckpunkten schreibt er unter Punkt eins: „Aus
Sicht der Landesregierung bietet die Freihandelszone
TTIP eine Riesenchance, um die Wirtschaft zu stärken .“
Weiter schreibt er im zweiten Punkt: „TTIP gibt die
Möglichkeit, globale Maßstäbe zu schaffen .“
Weiter führt er aus, unter Drittens: „Das ist eine Rie
senchance für die exportorientierte Industrie in Baden
Württemberg .“
Ich zitiere weiter: „Der Abbau nichttarifärer Handels
hemmnisse und Zölle“ ist „aus Sicht der Landesregie
rung“ in BadenWürttemberg „richtig“ .
Weiter schreibt er, unter Viertens: „Die angestrebte
regulatorische Kooperation kann nach dem Dafürhalten
der Landesregierung“ dazu beitragen, zukünftige „Re
gulierung besser zu koordinieren und gemeinsam zu ge
stalten“ .
Das widerspricht in allen Punkten dem, was Sie hier
gerade ausführen . Darum würde ich gerne einmal fragen:
Sprechen Sie hier für die Grünen, oder spricht Winfried
Kretschmann für die Grünen?
Vielen Dank für Ihre Frage . Sie haben einige Punkteaus der Stellungnahme der Landesregierung von BadenWürttemberg aufmerksam gelesen . Schade, dass Sie sichnicht die Mühe gemacht haben, die Stellungnahme komplett zu lesen .
Wenn Sie die Stellungnahme komplett gelesen hättenund wenn Sie unser Positionspapier gelesen hätten, dannwüssten Sie, dass wir der Meinung sind, dass TTIP sonicht geht .
Wir haben überhaupt nichts dagegen, wenn – das istein schönes Beispiel, das immer genannt wird – die Farbe der Kabel in den Geräten angeglichen wird . Ich habevergessen, ob sie in deutschen Maschinen weiß und inamerikanischen grün sind oder umgekehrt . Das könnenSie gerne angleichen . Damit hat kein Mensch ein Problem . Ein anderes Beispiel sind die berühmten Blinker .Ich bin Verkehrspolitiker und kann Ihnen sagen: MeinGott, wenn das so wichtig ist, dann einigen wir uns haltauf orange oder rote Blinker . Davon wird die Welt nichtuntergehen . Es war ein Vorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft, sich bei TTIP auf das zu konzentrieren,was sinnvoll und notwendig ist, nämlich auf ein paarwichtige Angleichungen bei den Industriestandards .
Damit hätte in diesem Haus wahrscheinlich überhauptniemand ein Problem .
Damit hätte wahrscheinlich auch kein einziger Bürgerein Problem . Die Bürger haben aber zu Recht ein Problem damit, dass geheime Schiedsverfahren eingeführtwerden sollen,
die einen dazu verdonnern, Strafzahlungen in Millionenhöhe zu leisten, wenn man bestimmte Gesetze verabschiedet .
Sie haben ein Problem damit, dass Umweltstandards gesenkt werden, sie haben ein Problem damit, dass Agrarstandards gesenkt werden, sie haben ein Problem damit,dass das Transparenzniveau sinkt, und sie haben eingroßes Problem damit, dass auf Tausenden von SeitenRegulierungen festgelegt werden, an die die Parlamentenicht herankommen . Damit haben die Leute zu Recht einProblem, und damit hat auch Winfried Kretschmann einProblem .
Nebenbei: Nochmals vielen Dank für Ihre Frage, HerrWiese .
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Schauen wir uns einmal die bereits existierenden Dokumente zu CETA an . Was ist zum Beispiel nicht drin?Das Vorsorgeprinzip ist nicht drin, obwohl das Vorsorgeprinzip in unserer Umweltpolitik ganz entscheidend ist .Wir haben doch bereits negative Erfahrungen mit Verträgen gemacht, in denen das Vorsorgeprinzip nicht enthalten ist . Kennen Sie den WTOVertrag? Der WTOVertragist ganz spannend . Wir als Europäische Union haben bereits eine Verurteilung kassiert, weil wir Hormonfleischnicht importieren wollen . Wollen Sie noch mehr Verurteilungen erhalten? Oder wollen Sie in Zukunft Hormonfleisch importieren? Sie müssen sich entscheiden:Wollen Sie noch mehr Steuergelder zum Fenster hinausschmeißen, oder wollen Sie Hormonfleisch importieren?Eines von beiden geht nur . Oder lehnen Sie einfach dieVerträge in der Form ab .
Wenn wir uns das Ganze weiter anschauen, dann stellen wir fest, dass unsere amerikanischen Kollegen ziemlich gute Zugänge zu den Verträgen haben und hineinschauen können . Bei uns im Haus ist es sehr skurril . Vonden Abgeordneten ohne Regierungsamt hat ausgerechnetein CDUAbgeordneter, nämlich Jürgen Hardt, Zugang .Ich meine, skurriler geht es nicht .
Wir beglückwünschen ihn, und wir wünschen ihm einspannendes Lesen .Wir bedanken uns aber auch bei Herrn Lammert fürdie klaren Worte . Wir erwarten von den Regierungsfraktionen, dass sie dafür sorgen, dass alle Abgeordneten, diedas lesen wollen, Leserechte erhalten . So viel Stolz sollten wir als Parlament haben .
Zur SPD mit ihren Schiedsgerichten. Da findet einewunderbare PRArbeit von Herrn Gabriel und FrauMalmström statt: dass es jetzt angeblich einen öffentlichen Handelsgerichtshof geben soll, dass dabei ganz vieles verändert werden soll . Frau Malmström hat allerdingsauf eine Frage – wir können dabei auch einmal etwas zugestehen – von Vertretern der Linken im EuropäischenParlament, ob denn am CETAVertrag noch etwas geändert werden solle, geantwortet: Nein, daran wird überhaupt nichts mehr geändert .Also, was stimmt jetzt, die Aussage von Frau Malmström im Europäischen Parlament oder die Aussage vonHerrn Gabriel? Ich vermute, dass die Aussage von FrauMalmström dazu stimmt . Sie ist näher dran und hat denDaumen drauf . Also hören Sie auf mit Ihrer PRArbeitund damit, auf Frau Malmström hereinzufallen . LassenSie diese Form von PRArbeit sein! Geben Sie es einfachzu: Sie stehen genauso zu Schiedsgerichten, und IhreParteibeschlüsse sind Ihnen einfach nichts wert .
– Sie können so viel schreien, wie Sie wollen .
Deshalb bleibt es trotzdem bei den Aussagen auf europäischer Ebene .
Dabei wäre es dringend notwendig, dass wir uns aufeine stärkere Kooperation auf internationaler Ebene einigen . In Paris wäre es dringend notwendig, dass wir einenvernünftigen Vertrag finden, der entsprechende Klimaschutzstandards setzt . Es wäre auch dringend notwendig,dass wir uns auf internationale Verträge verständigen,dass die großen Unternehmen wie Amazon, Google oderStarbucks endlich Steuern zahlen . Erst in Addis Abebahat die Bundesregierung das Gegenteil gemacht .Also: Es ist ganz klar, dass bei den großen Herausforderungen von den Flüchtlingen über die Klimakrise biszur Veränderung der Konzernstrukturen und der Weigerung der Konzerne, Steuern zu zahlen, sowohl Deutschland als auch die USA zu klein sind, ebenso wie auchviele andere Länder zu klein sind, um solche Probleme inden Griff zu bekommen .
Redezeit!
Dabei sind Veränderungen nötig . Dazu sind entspre
chende internationale Abkommen notwendig, aber Ab
kommen, die an den Interessen der Bürger orientiert sind,
Abkommen, die die Standards heben, und nicht Abkom
men, die die Standards senken .
Vielen Dank .
Vielen Dank, Herr Kollege Hofreiter . – Nächster Red
ner in der Debatte ist Dr . Michael Fuchs für die CDU/
CSUFraktion .
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Wir haben gerade einmal wieder ein Paradebeispiel gehört, wie die Grünen internationale Handelspolitik verteufeln . Sie wollen sie ja auch nicht . Sieschreiben in ihrem Antrag den bemerkenswerten Satz:Dr. Anton Hofreiter
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Zudem ist zu befürchten, dass die Abkommen einenzunehmenden Wettbewerbsdruck schaffen . . .Meine Damen und Herren, Wettbewerb ist etwasSchlechtes . Das lernen wir von den Grünen: Wir wollen keinen Wettbewerb, um Gottes willen . – Es soll allesschön brav in der Kuschelecke der Grünen bleiben .Wir wollen Wettbewerb . Wenn dieses Abkommen einPositives hat,
dann das, dass es Wettbewerb schaffen wird . Genau denbrauchen wir im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher . Aber für Sie gilt das alles nicht, Sie interessiertdas nicht .
Es ist auch bemerkenswert, dass es auf einmal einHandelsabkommen gibt, an dem gewaltiges Interesseherrscht . Es hat früher in diesem Hohen Hause kaumeiner zugehört, wenn wir über ein Handelsabkommen gesprochen haben . Deutschland allein hat 134 verschiedeneAbkommen abgeschlossen . Deutschland hat über die EUnoch einmal mehr als 30 Abkommen abgeschlossen . In130 Abkommen haben wir ISDS vereinbart . Wir habendies überall gehabt . Ich habe nie gehört, dass die Grünensich aufgeregt haben .Aber ich weiß, warum Sie sich jetzt aufregen: Das istder Antiamerikanismus, der bei Ihnen vorhanden ist, undnichts anderes .
Wo waren Sie denn, als wir das KoreaAbkommen verhandelt haben? Ich habe niemanden hier im Hohen Hause gehört, der sich darüber aufgeregt hat . Wir haben einHandelsabkommen mit Korea abgeschlossen, und in diesem Abkommen haben wir Hunderte von verschiedenenStandards vereinbart . All das war genau der richtige Weg .
Wir müssen Standards angleichen .Warum ist dieses Abkommen mit den Amerikanern sowichtig? Weil wir damit globale Standards setzen können . Mir wäre es ja recht – das ist das Einzige, wo ichmit Herrn Hofreiter einig bin; aber das geht auch ganzschnell zu Ende, keine Sorge –,
wenn wir über die WTO Weltstandards setzen könnten .Aber wir müssen uns im Klaren sein, dass Doha seit etlichen Jahren keinen Zentimeter weiterkommt, dass esniemandem gelungen ist, Doha in Bewegung zu bringen,
weil keine Interessen daran bestehen und weil es unheimlich schwierig ist, 156 Länder in ein Abkommen hineinzubekommen . Wir müssen leider erkennen, dass Doha inden letzten Jahren keinen Zentimeter weitergekommenist .Dem müssen wir auch insofern Rechnung tragen, dasswir Free Trade Agreements mit anderen schließen . Wennes uns gelingt, ein vernünftiges TTIPAbkommen auszuhandeln, dann setzen wir für 800 Millionen MenschenStandards . Diese Standards werden mit ziemlicher Sicherheit auch in andere Regionen der Welt übertragen .Sie werden dann auch bei TPP, also auch in der Pazifikregion, zur Anwendung kommen . Dies ist für uns wichtig .
Die Märchenstunde der Grünen, in der sie behaupten,die Standards würden gesenkt und die amerikanischenStandards seien des Teufels und so schlecht, ist dochdurch VW ziemlich intensiv beendet worden . Haben Sieeinmal geschaut, was bei VW los war? Die Amerikanerhaben wesentlich strengere Standards bei den Abgasenvon Dieselfahrzeugen als die Deutschen, als die Europäer .
80 Milligramm NOX pro Kilometer darf ein Auto inDeutschland ausstoßen; in den USA sind es etwas über50 Milligramm pro Meile . Da ich manchmal das Gefühlhabe, dass der eine oder andere von Ihnen nicht richtigrechnen kann, sage ich: Das sind 31 Milligramm proKilometer . Das heißt, nicht einmal die Hälfte an Stickstoffmonoxid darf in den USA ausgeschieden werden .Der Standard ist wesentlich strenger als bei uns . Wahrscheinlich ist das auch einer der Gründe, weswegen gewisse Manipulationen – ich verurteile diese – von VWvorgenommen wurden . Das muss man in aller Deutlichkeit sagen . Die amerikanischen Standards sind in vielenBereichen deutlich strenger als die deutschen oder dieeuropäischen Standards . Diese sollen aneinander angeglichen werden . Dafür bin ich .Ich möchte erreichen, dass dieses Abkommen vielesändert, wo wir jetzt aneinander vorbeilaufen . Sie habeneben die Automobilindustrie erwähnt . Natürlich ist esBlödsinn, dass in dem einen Land der Blinker rot undin dem anderen Land gelb sein soll . Das kann man ändern . Es gibt jede Menge technische Standards, die manangleichen kann . Beispielsweise müssen amerikanischeArmaturenbretter komplett anders ausgestattet sein alsdeutsche . Wesentlich größere Airbagsysteme müsseneingebaut werden . Das führt zu einer gewaltigen Verteuerung für deutsche Automobilhersteller .
Noch viel mehr brauchen die kleinen und mittlerenUnternehmen dieses Abkommen . Sie können sich nichtwie VW oder andere große Unternehmen eine riesigeDr. Michael Fuchs
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Rechtsabteilung leisten, die sich mit den Standards inden USA beschäftigt . Nein, sie werden schlicht und ergreifend daran gehindert, in die USA zu exportieren .Ich sage Ihnen eines: Jedes dieser Freihandelsabkommen hat gerade für Deutschland enorme Vorteile gehabt .Nehmen wir einmal das KoreaAbkommen . Es ist vordrei Jahren in Kraft getreten. Endratifiziert ist es, nebenbei gesagt, immer noch nicht, weil einige Mitgliedsländer noch nicht zugestimmt haben; aber es ist zu großenTeilen in Kraft, und es wird danach gehandelt . Im erstenHalbjahr dieses Jahres, Herr Hofreiter, hat sich unserHandel mit Korea um 50 Prozent gegenüber der Zeit vordem KoreaAbkommen verbessert . Die einzige Branche,die erheblich Probleme befürchtete, war die Automobilindustrie, weil man Angst hatte, dass dann zuhauf Hyundais, Kias etc . auf deutschen Straßen herumfahren würden . Das mag ja der Fall sein, aber es fahren mittlerweiledeutlich mehr Mercedes, Audi und BMW in Korea alskoreanische Autos hier .Die deutsche Industrie war immer der Profiteur vonAußenhandel . Das sehen Sie auch daran, dass wir mittlerweile einen Außenhandelsüberschuss, einen positivenSaldo von über 200 Milliarden Euro haben .
Wenn wir das Abkommen nicht abschließen, waspassiert denn dann? Unser Export ist eine tragende Säule der deutschen Wirtschaft . Es ist einfach Unfug, zuglauben, wir könnten darauf verzichten . Wenn wir dasmachen würden, dann können Sie davon ausgehen, dassdie deutsche Wirtschaft sehr schnell nicht mehr in derLage sein würde, die vielen Arbeitsplätze zu stellen, diesie stellt . Gestern haben wir die tolle Zahl zur Kenntnisbekommen, dass wir nur knapp 2,7 Millionen Arbeitslose haben . Das sind immer noch zu viele . Aber auf deranderen Seite gab es seit der Wiedervereinigung noch nieso wenige Arbeitslose . Das ist doch eine Erfolgsstory!Darüber möchten Sie nicht reden; das kann ich durchausverstehen . Als Opposition gefällt es einem nicht, wenndie Regierung etwas gut macht; dann ärgert einen das .
Aber ich möchte das hier schon erwähnen, und ich binstolz darauf, dass es so ist .
Nur: Das hängt natürlich auch mit einem funktionierenden Export zusammen . Wenn er nicht funktioniert,dann sind rund 30 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland nicht nur gefährdet, sondern sie fallen weg . Geradein der Situation, in der wir uns jetzt befinden, einer Situation, in der überall Flüchtlinge sind, brauchen wir dieIntegrationskraft der deutschen Wirtschaft . Wir müssendafür sorgen, dass wir in der Lage sind, möglichst vieledieser Flüchtlinge aufzunehmen .
Deswegen sollten wir gemeinsam dafür kämpfen, dassdas funktioniert . Wir sollten gemeinsam dafür kämpfen,indem wir alle Schwierigkeiten für die Wirtschaft, die dasind, jetzt aus dem Weg räumen . Das muss unsere Aufgabe sein, und diese werden wir auch erledigen . Ich weißgenau, dass wir mit den Kollegen von der SPD auf demrichtigen Weg sind .Wir werden nicht zulassen, dass Abkommen wie TTIPdie ganze Zeit schlechtgeredet werden . TTIP ist eine große Chance für uns, eine Chance für Europa, eine Chancefür Arbeitsplätze in Europa, eine Chance zur Sicherungvon Arbeitsplätzen in Europa und für eine bessere Zusammenarbeit über den Atlantik hinweg . Daran arbeitenwir weiter .
Vielen Dank, Kollege Dr . Fuchs . – Nächster Redner in
der Debatte: Klaus Ernst für die Linke .
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin!Herr Fuchs, Sie haben gerade eine Rede gehalten, die ichinsofern fantastisch finde,
als sie den besten Beweis geliefert hat, warum TTIP undCETA nicht notwendig sind .
Die Bundesrepublik Deutschland ist Exportweltmeistergewesen und hat aus Ihrer Sicht hervorragende Überschüsse; wir sehen sie problematisch . Das haben wir allesohne TTIP und ohne CETA hinbekommen .
Wir brauchen diese Abkommen nicht . Der Export funktioniert auch ohne die Handelsabkommen, die Sie unbedingt wollen .
Ich sehe am Glitzern in Ihren Augen, wie sehr Sie sichüber diese Debatte hier freuen; Sie hätten ja am liebsten,dass das ganze Thema im stillen Kämmerlein behandeltwird . Sie können sich übrigens noch viel mehr freuen,Herr Fuchs und Herr Pfeiffer . Denn am 10 . Oktober dieses Jahres werden schätzungsweise mehrere 10 000 Menschen in Berlin gegen diese Abkommen demonstrieren .
Dr. Michael Fuchs
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Es freut uns, dass das so ist . Ich hoffe, dass sich die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Protest gegen Ihre Lobbypolitik für Teile der Industrie durchsetzen werden .
Meine Damen und Herren, der Antrag der Grünen istrichtig .
Ja, wir brauchen einen Neustart in der Handelspolitik .Wir brauchen das Vorsorgeprinzip . Das bedeutet, dassProdukte, die auf den Markt kommen, erwiesenermaßenunschädlich sein müssen und nicht erst hinterher nachgeschaut wird, ob es eine Schadenersatzklage gibt, wie zumBeispiel in den USA . Wir brauchen die Setzung robusterökologischer und sozialer Standards . Das alles ist in diesem Antrag der Grünen beinhaltet . Wir haben dieselbePosition .Wir sagen auch: All die Standards, die gesetzt wurden, übrigens auch positiv in den USA – Herr Fuchs, Siehaben hier richtige Beispiele genannt –, dürfen nicht derHandelspolitik zum Opfer fallen . In den USA bestehendieselben Ängste wie bei uns hinsichtlich eines Abbausder Standards . Das gilt auch für das Finanzwesen, HerrFuchs; das wissen Sie ganz genau . Das wollen wir nicht,meine Damen und Herren .
Die Zahl der Kritiker an den Handelsabkommennimmt immer mehr zu . Laut Wirtschaftswoche drohtFrankreich jetzt damit, die Verhandlungen platzen zu lassen . Ja, die Franzosen sind mutig .
Und wie ist es bei uns? Ich möchte einmal Herrn Gabriel,unseren Wirtschaftsminister, zitieren . Er sagte hier imPlenum – Zitat –: Aber den Glauben, wir hätten es imKreuz, gegen den Rest Europas den Investitionsschutzkomplett wieder aus den Verhandlungen herauszunehmen, den habe ich nicht .So viel Zaudern! Nun hat er doch ein breites Kreuz; erkönnte es in diesen Verhandlungen doch einmal zeigen,statt sich immer bloß zu Glaubensfragen zu äußern . Ober daran glaubt oder nicht, ist nicht die Frage . Die Frageist, was er tut, um diese Positionen durchzusetzen, meineDamen und Herren .
Der Widerstand wird immer größer: Österreich, Frankreich und Ungarn . Wir sind in dieser Frage mit unsererPosition jedenfalls nicht alleine .
Ich zitiere die Berliner Zeitung vom 11 . September2015, die die Schiedsgerichte so beschrieben hat, HerrFuchs – das ist übrigens auch der Unterschied zu dem,was früher in den Handelsabkommen enthalten war –:Mittlerweile hat sich eine regelrechte Klageindustrie entwickelt .– Übrigens nicht Empörungsindustrie, Herr Pfeiffer, sondern Klageindustrie .
Die Zahl der Klagen– vor diesen Schiedsgerichten –hat sich in den vergangenen 20 Jahren verfünfzigfacht, mit steigender Tendenz . . . . Ganz offenbar dient der Investitionsschutz nicht mehrin erster Linie dem ursprünglichen Zweck,Unternehmen vor staatlicher Willkür zu schützen . Er ist selbst zum Geschäft geworden .Vor allem für die Beteiligten! Das ist auch ein Grund dafür, dass wir sagen: Diese Schiedsgerichte brauchen wirnicht; sie müssen weg .
Jetzt haben wir so eine Position auch von der SPD;ich verstehe sie nicht richtig . Es wird gesagt: Wir habenmit dem internationalen Handelsgerichtshof jetzt docheine andere Position . – Kolleginnen und Kollegen, bittelest euch CETA durch! Da sind die Schiedsgerichte drinund nicht ein internationaler Handelsgerichtshof . VonMalmström bis Gabriel, alle sagen: Das kann nicht mehrverändert werden . – Wenn Sie diese Schiedsgerichte beiCETA akzeptieren, dann können 80 Prozent der amerikanischen Unternehmen über Kanada klagen, weil sie dorteinen Standort haben .
Kollege Ernst, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Rosemann von der SPD?
Freilich .
Herr Rosemann .
Herr Kollege Ernst, weil Sie eben über das breite odernicht breite Kreuz von Herrn Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel gesprochen haben:
Würden Sie vielleicht freundlicherweise zur Kenntnisnehmen, dass die Europäische Kommission ihre Haltungin der Frage der Schiedsgerichte massiv geändert hat,Klaus Ernst
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dass sie keine Schiedsgerichte mehr, sondern einen internationalen Handelsgerichtshof will und dass diese veränderte Haltung ganz maßgeblich auf zwei deutsche Sozialdemokraten zurückgeht, nämlich auf Sigmar Gabriel undauf den Berichterstatter und Vorsitzenden des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange?
Natürlich nehme ich das zur Kenntnis . – Ich habe aber
schon in der letzten Rede gesagt und will hier noch ein
mal sagen: Da passiert etwas sehr Seltsames . Es wird
nämlich so getan, als würde man mit dieser Position die
privaten Schiedsgerichte tatsächlich verhindern . Das tut
man aber nicht, weil die privaten Schiedsgerichte – ich
habe gerade versucht, das auszuführen – in CETA, also in
dem Abkommen mit Kanada, enthalten sind . Da sind sie
drin, und da bleiben sie auch drin, weil das Abkommen
nicht verändert werden soll .
Da 80 Prozent der Unternehmen in den USA über
Kanada in Deutschland und in Europa klagen können,
weil CETA die Schiedsgerichte beinhaltet, nützt Ihnen
ein internationaler Handelsgerichtshof überhaupt nichts,
sondern wenn Sie CETA nicht ablehnen, dann akzeptie
ren Sie letztendlich private Schiedsgerichte . Das ist der
Zusammenhang .
Ich komme zu meinem nächsten Punkt: Selbst wenn
Sie diesen internationalen Handelsgerichtshof hätten –
ich gehe davon aus, dass es eine gewisse Zeit dauern
wird, bis wir ihn kriegen –, hätten Sie folgendes Prob
lem: Auch das ist eine Sondergerichtsbarkeit . Vor diesem
Gericht können nur die Unternehmen gegen die einzel
nen Staaten klagen . Kein Bürger Europas hat die Mög
lichkeit, vor diesem internationalen Handelsgerichtshof
zum Beispiel dagegen zu klagen, dass irgendein Konzern
aus Amerika, aus Kanada oder sonst woher die Umwelt
versaut und die Standards nicht einhält . Dafür müsste er
vor ein deutsches Gericht gehen, wenn er deutscher Bür
ger ist . Für Franzosen und Italiener gilt das entsprechend .
Das ändern Sie mit diesem internationalen Handelsge
richtshof überhaupt nicht .
Deshalb sage ich: Wir brauchen auch keinen interna
tionalen Handelsgerichtshof; wir brauchen keine Son
dergerichte . Die USA, Kanada, Frankreich, Italien und
Deutschland sind Rechtsstaaten . Wenn jemand klagen
will, dann soll er es da tun, wo er lebt, und damit hat
sich das .
Meine Damen und Herren von der SPD, aufgrund
Ihrer Frage und Ihrer Einlassung vorhin muss ich na
türlich fragen: Welche Position hat eigentlich die SPD?
Was will sie denn eigentlich mit diesem Schlingerkurs
gewinnen? Ich kenne doch die Debatte . In der SPD sind
langsam immer mehr Leute frustriert, weil sie nicht mehr
wissen, wohin Sie wollen .
Ich möchte den Vorsitzenden der IG Metall zitieren,
weil immer so getan wird, als würde durch CETA Wachs
tum entstehen . Er hat gesagt: Da hat das Wetter mehr
Einfluss auf das Wachstum als das Handelsabkommen.
Die Gewerkschaften, Sigmar Gabriel, sind euch von
der Fahne gegangen . Sie demonstrieren mit uns am
10 . Oktober gegen diese Abkommen . Ich weiß nicht, wo
die Freunde noch sind, vielleicht bei Herrn Pfeiffer und
anderen . Eigentlich ist es doch so, dass das breite Mehr
heiten in der Bevölkerung inzwischen sehr, sehr kritisch
sehen .
Meine Damen und Herren, wir wollen, dass es bei
den Schutzvorschriften bleibt, die wir haben . Wir wol
len, dass es bei unseren Regulierungen bleibt . Wir wol
len nicht, dass die Regulierungen künftig nicht mehr von
Parlamenten oder Regierungen ausgehen . Wir wollen
nicht, dass regulatorische Räte, die genauso geheim han
deln und tagen werden, wie bisher dieser ganze Laden
gelaufen ist, letztendlich die Geschichte bestimmen .
Ich komme zum Schluss . Wenn man sich das ganze
Vertragswerk zu Kanada ansieht – und das wird die Blau
pause für TTIP werden –, stellt man fest: Da sind auf
der einen Seite Dinge von der Liberalisierung ausgenom
men, auf der anderen Seite sind sie wieder drin . Wenn
man das liest, hat man den Eindruck: Die Politik, die ge
macht wird, läuft unter dem Motto: Wenn wir sie nicht
überzeugen können, dann verwirren wir sie halt . Man
kommt sozusagen nicht richtig an das Fleisch heran . Der
eigentliche Sinn wird verschleiert . – Ich bin gleich fertig,
Frau Präsidentin . – Es geht – und da hat Herr Hofrei
ter vollkommen recht – nicht um die gelben oder roten
Blinklichter . Es geht noch nicht einmal um das Chlor
hühnchen . Es geht darum, dass wir nicht wollen, dass
Standards abgesenkt werden, dass private Schiedsgerich
te Rechtsstaaten aushebeln . Vielmehr wollen wir, dass
es dabei bleibt, dass die Parlamente entscheiden, welche
Regelungen wir haben .
Deshalb unterstützen wir die heutigen Anträge der
Grünen, haben auch eigene vorgelegt und rufen alle
Bürgerinnen und Bürger auf, am 10 . Oktober mit uns ge
meinsam gegen TTIP und CETA zu demonstrieren .
Ich danke fürs Zuhören .
Vielen Dank, Herr Kollege Ernst . – Nächster Redner:
Dirk Wiese für die SPD .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Lassen Sie mich für die SPDBundestagsfrakDr. Martin Rosemann
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tion zunächst eines betonen: Ohne die vielen engagiertenNGOs hätten wir heute hier im Haus keine so bewegendeDebatte über das Für und Wider von Freihandelsabkommen .
Während sich früher nur eine Handvoll Spezialistenfür Themen der internationalen Handelspolitik interessierte, so findet heute eine breite Diskussion darüber statt, wie wir Globalisierung gestalten wollen, unddies ist gut und richtig . Leider hat es dieses Interesseaber bei den über 100 bereits ratifizierten Freihandelsabkommen der Bundesrepublik Deutschland so nichtgegeben . Doch jetzt wird debattiert, Argumente werden ausgetauscht . Jede Diskussionsrunde hier in Berlin oder vor Ort in den Wahlkreisen ist wichtig; das habenmir viele Veranstaltungen und persönliche Gespräche inden letzten Wochen eindrucksvoll gezeigt .
Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Debattebraucht keine Feindbilder, sondern Pro und Kontraargumente . Eine einseitige Stigmatisierung des – in Anführungszeichen – Westens greift aus meiner Sicht insLeere . Warum wird nicht auch über das Für und Widerder Freihandelsabkommen der Europäischen Union mitVietnam, Singapur, Japan oder Indien diskutiert?
Was verbirgt sich hinter dem Investitionsschutzabkommen mit China? Wieso wird nicht öffentlich über das Pround Kontra einer Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok diskutiert? Was tut sich in anderen Regionender Welt? Allein in der Asien-Pazifik-Region sind über100 Freihandelsabkommen in Kraft, und 75 befindensich derzeit in Verhandlung . Dazu kommt ein Wettlaufzwischen der Trans-Pacific Partnership und der RegionalComprehensive Economic Partnership in Asien .
Herr Wiese, erlauben Sie eine Zwischenfrage von
Herrn Ebner?
Harald, klar, bitte .
Harald, ja .
Sehr geehrter Kollege Wiese, lieber Dirk, es kamen
gerade die weiteren Handelsabkommen mit China usw .
zur Sprache, all jene, die derzeit verhandelt werden bzw .
bereits verhandelt sind . Vorhin wurden die Punkte 1 bis
4 aus dem Kabinettsbeschluss der grünroten Landesre
gierung in BadenWürttemberg zitiert . Deshalb möchte
ich an dieser Stelle nachfragen, ob es sich nicht gelohnt
hätte, auch die Ziffern 5 bis 21 zu lesen, in denen auf
genau solche Dinge eingegangen wird, in denen auf In
vestitionsschutz eingegangen und klargestellt wird: Die
Landesregierung BadenWürttemberg stellt sich gegen
solche Investitionsschutzabkommen und möchte sich
auch dafür einsetzen, in all diesen – auch vom Kolle
gen Fuchs vorhin angeführten – bereits abgeschlossenen
Handelsabkommen diese aus unserer Sicht und aus Sicht
der Landesregierung BadenWürttemberg nicht tragba
ren Investitionsschutzvorschriften mit den Schiedsge
richtsverfahren, die intransparent ablaufen, aus der Welt
zu schaffen .
Ein Letztes noch: die Frage der Transparenz . Ist Ihnen
zum Beispiel bekannt, dass gestern zum ersten Mal der
von der Landesregierung aufgrund dieses Kabinettsbe
schlusses eingesetzte öffentliche Beirat zu TTIP getagt
hat, in den gesellschaftliche Gruppen wie NGOs und Kir
chen eingebunden sind?
Damit stellt man Transparenz her; sie ist notwendig . Da
von könnte sich der Bund eine Scheibe abschneiden . Ich
glaube, dafür sollten wir uns einsetzen, auch was das Le
serecht für Abgeordnete und all diese Dinge angeht .
Danke schön .
Herr Wiese, bitte .
Lieber Kollege Ebner, ich danke für die Zwischenfra
ge und begrüße ausdrücklich, dass die Landesregierung
in BadenWürttemberg auf Initiative des Europaminis
ters Peter Friedrich, SPD, den TTIPBeirat ins Leben ge
rufen hat . Das heißt doch: Sie haben sich Sigmar Gabriel
im Bundeswirtschaftsministerium als Vorbild genom
men, der schon längst einen TTIPBeirat eingerichtet hat .
Darum freuen wir uns, wenn wir auch Ministerpräsident
Kretschmann mal auf gute Ideen bringen .
Zu dem zweiten Punkt, den Sie angesprochen haben .
Ja, die Eckpunkte der badenwürttembergischen Lan
desregierung umfassen 21 Punkte . Ich war mir, ehrlich
gesagt, nur nicht sicher, ob ich alle 21 Punkte zitieren
soll . Denn ich bin mir nicht ganz sicher, wie lange gemäß
unserer Geschäftsordnung die Fragezeit ist, die man als
Abgeordneter hat .
So lange nicht .Dirk Wiese
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Die Präsidentin bestätigt es gerade: So lange ist die
Zeit nicht . Darum sehen Sie es bitte nach . Die Geschäfts
ordnung ermöglicht es nicht, alle Punkte aufzuzählen .
Ich habe die Punkte 1, 2, 3 und 4 angesprochen . Aber
mir sind auch die Punkte bewusst, die deutlich machen,
dass das bestehende System der Schiedsgerichtsbarkeit
einer Reform bedarf. Das sehe ich definitiv so – darauf
gehe ich gleich noch ausführlich ein –, und darum ist es
gut, dass das auf den Weg gebracht worden ist .
In den Punkten wird aber auch betont, dass in solchen
Abkommen Chancen stecken . Allerdings müssen wir die
Position der badenwürttembergischen Landesregierung
in Bezug auf die regulatorische Kooperation in Punkt 4,
die sie relativ unkritisch sieht, meiner Meinung nach
etwas genauer in den Blick nehmen . Aber dabei helfen
wir Ihnen als SPD immer gerne . Wenn die SPD mitre
giert, ist es immer gut . Darum noch einmal Dank an Peter
Friedrich, dass er in BadenWürttemberg den Beirat in
itiiert hat .
Man sieht also: Jedes dieser von mir genannten Ab
kommen, die auch Kollege Harald Ebner eben ange
sprochen hat, bedarf einer breiten Diskussion . Für die
SPDBundestagsfraktion ist aus meiner Sicht klar: Glo
balisierung braucht keine Denkverbote, sondern Regeln,
und zwar ganz im Sinne von Willy Brandt: „Der beste
Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten .“
Wir wollen an den Regeln aktiv mitwirken und unsere
sozialdemokratischen Vorstellungen und Konzepte ein
bringen . Nur aktive Gestaltung und engagierte Mitarbeit
ermöglichen Lösungen für unsere Bürgerinnen und Bür
ger: für gute Arbeitsplätze vor Ort, für eine tatsächliche
Stärkung der ILOKernarbeitsnormen und für einen Weg
hin zu einem internationalen Handelsgerichtshof bei In
vestitionsstreitigkeiten zwischen Rechtsstaaten, wie ihn
Sigmar Gabriel vorgeschlagen hat . Dazu gehört auch –
das möchte ich ausdrücklich betonen – eine umfassende
Reform der Schiedsgerichtsbarkeit bei nicht vergleichba
ren Rechtsstaaten. Die Ratifizierung der Mauritius-Kon
vention in diesem Jahr war ein wichtiger Schritt in diese
Richtung .
Aber wer sich nicht konstruktiv einbringt und auch
nicht am Verhandlungstisch sitzt, der redet auch nicht
mit .
Einfach und verführerisch klingt deshalb der Ruf „Stoppt
TTIP!“ . Das wäre allerdings aus meiner Sicht ein Pyr
rhussieg . Würden wir die Verhandlungen stoppen, dann
gestalten zukünftig andere die Globalisierung und set
zen ihre Regeln und Standards, und die EU und ihre
Mitgliedstaaten würden ihren Gestaltungsanspruch auf
geben . Diese Art demonstrativer Ablehnung zeigt keine
Stärke, sondern gibt einfach den Ball aus der Hand . Wir
müssen aber am Verhandlungstisch mit starker Stimme
präsent bleiben .
Wie geht es eigentlich bei TTIP und CETA weiter?
Der heraufziehende USPräsidentschaftswahlkampf be
stimmt den Zeitplan . 10 von 27 Verhandlungsrunden
sind gelaufen . Bis zum Jahresende wird daher ein Me
morandum of Understanding angestrebt . Darin sollen der
derzeitige Verhandlungsstand und etwaige Einigungen
festgehalten werden . Aber es soll auch erneut deutlich
gemacht werden, was nicht Gegenstand der Verhandlun
gen ist . Das MoU ist sehr sinnvoll, da man damit einen
handfesten Zwischenstand für die Diskussionen hat, wo
ran sich alle handfest abarbeiten können .
CETA wird derzeit noch juristisch geprüft . Im An
schluss erfolgt die Übersetzung in die Amtssprachen der
Europäischen Union . Die Resolution des Europäischen
Parlaments vom Juli – noch einmal Dank an meinen
Kollegen Bernd Lange; mein Kollege Martin Rosemann
hat es bereits angesprochen – macht diesbezüglich klare
Vorgaben und erteilt dem alten Schiedssystem eine klare
Absage .
Die Reformvorschläge von Professor Dr . Krajewski
im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft zei
gen zudem den sozialdemokratischen Gestaltungswillen
in der Debatte . Warten wir also die anstehenden Wahlen
in Kanada am 16 . Oktober in Ruhe ab .
Es freut mich ganz besonders – Harald Ebner hat
das angesprochen –, dass auch die grünrote Landesre
gierung von BadenWürttemberg einen TTIPBeirat ins
Leben gerufen hat . Sie hat sich in ihren Eckpunkten klar
zu den Chancen bekannt, hat aber auch aufgezeigt, wo
Reformen und Änderungen in den laufenden Verhand
lungen nötig sind, und dies ganz im Sinne von Sigmar
Gabriel . Ich freue mich sehr, dass Winfried Kretschmann
auf die Linie der SPD eingeschwenkt ist .
Dies ist nicht erstaunlich, sondern richtig .
Lieber Kollege Hofreiter, ich würde mich freuen,
wenn Sie beim nächsten Mal meine Frage beantworten
und nicht darum herumreden würden .
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
Vielen Dank, Dirk Wiese . – Nächster Redner in derDebatte: Dr . Joachim Pfeiffer für die CDU/CSUFraktion .
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn man die Kollegen Hofreiter, Ernst und Konsor
ten reden hört, dann fragt man sich, worum es eigentlich
geht . In der Sache geht es darum, den größten Binnen
markt der Welt zu schaffen, der 800 Millionen Menschen
umfasst, 500 Millionen aus Europa – wir haben 1992
einen vergleichbaren Binnenmarkt geschaffen, und zwar
mit sehr vielen positiven Wirkungen, die hier im Haus
mittlerweile von niemandem mehr bestritten werden,
nicht einmal von ganz links – und 300 Millionen Ame
rikaner auf der anderen Seite des Atlantiks . Insgesamt
werden auf diesem Binnenmarkt mehr als 50 Prozent des
Weltsozialprodukts erwirtschaftet . Über ein Drittel des
Welthandels wird damit umfasst . Gerade für Deutsch
land als globalisierte Nation par excellence, die wie kein
anderes Land in die Weltwirtschaft eingebunden ist, ist
von zentraler Bedeutung, dass wir Freihandel, freie Re
geln, Marktzugang und einheitliche moderne Standards
schaffen . Es geht nicht darum, Standards abzusenken; es
geht darum, Standards und Regeln zu vereinbaren, die
weltweit Vorbildcharakter haben .
Was sind die Instrumente? Sie wurden teilweise schon
genannt . Es geht darum, den Marktzugang zu verbes
sern und Zölle, sofern noch vorhanden, abzusenken . Es
geht nicht darum, Standards abzusenken, sondern dar
um, gleich hohe und vergleichbare Standards dort, wo es
sinnvoll ist, gegenseitig anzuerkennen, genauso wie es
1992 auf dem Binnenmarkt der Europäischen Union der
Fall war . Es geht nicht um Demokratieabbau, wie Sie be
haupten, sondern um Bürokratieabbau und Verbesserung
der Standards .
Es geht auch darum, einen Zugang – einen solchen
haben wir bisher nicht – zu den Beschaffungsmärkten
der öffentlichen Hand in den USA zu ermöglichen . Da
rüber wird verhandelt, und zwar zwischen der EU und
den USA und nicht zwischen Deutschland und den USA,
Herr Hofreiter . Auch Sie haben zugestimmt, dass die EU
und nicht Deutschland das verhandelt . Erzählen Sie also
nichts Falsches! Sie haben vorhin gesagt, dass Sie kei
nen Zugang zu den Unterlagen hätten . Es verhandelt die
Europäische Union mit den USA, und zwar transparent
wie nie und demokratisch legitimiert . Die EUKommis
sion, die auf unserer Seite die Verhandlungen führt, wird
eng begleitet vom Europäischen Parlament, das genauso
demokratisch legitimiert ist wie der Deutsche Bundestag .
Ich frage Sie von der Linken und den Grünen: Wollen
Sie sich in die Verhandlungen einbringen? Wollen Sie
das beste Abkommen, das die besten Standards setzt und
das unsere Anliegen berücksichtigt, oder sind Sie in To
talopposition und dagegen? Ich habe den Eindruck, dass
Letzteres zutrifft . Herr Hofreiter und Herr Ernst sprachen
von Bürgerinitiativen gegen TTIP . Mit Bürgerinitiativen
kennen sich sicherlich manch andere besser aus als ich .
Das stimmt . Das ist aber auch leicht .
Ich jedenfalls denke, dass Bürgerinitiativen demokratisch strukturiert, legitimiert und verfasst sind . Dort kommen Bürger zusammen, die gemeinsam für eine Sachekämpfen .Was steckt wirklich hinter diesen vermeintlichen Bürgerinitiativen, von denen Sie hier vorher gesprochen haben? Sie haben von Millionen Menschen gesprochen, diesich angeblich in der Sache bürgerschaftlich engagieren .Ich habe eher den Eindruck: Dort werden Ängste undEmotionen geweckt, bewusst bedient .
Deshalb habe ich den Begriff der Empörungsindustriegeprägt und hier auch schon mehrfach verwendet; ichwill ihn an dieser Stelle ausdrücklich wiederholen .
Ich möchte das auch gern einmal mit ein paar Beispielen belegen, und zwar mit Zitaten, wie andere Kollegen das vorher auch getan haben . Zufälligerweise ganzaktuell, gestern, hat Cicero geschrieben, was sich hinterdieser Empörungsindustrie, wie ich sie nenne, verbirgt:„digitalen OneKlickAktivismus aus den USA nachDeutschland“ geholt . – Ich rede jetzt von Campact .
Das ist eine dieser Organisationen; andere sind Attac,Foodwatch; ich weiß nicht, ob ich es schaffe, heute aufalle einzugehen . Die kann man schön analysieren undzerlegen . Allein bei Campact „erreicht jede Aktionsmailfast 1,7 Millionen Protestwillige“ . Sie nennen das „Bürgerinitiativen“ . Cicero schreibt:Von Aufklärung ist allerdings nicht viel zu sehen,stattdessen setzt Campact auf den schnellen Protest .An die Stelle von Argumenten treten Emotionenund Angstkampagnen .
Ich führe weiter aus:Der Etat der Organisation umfasst für das Jahr 2015rund 6,2 Millionen Euro . Tendenz steigend . . . .Rund 40 Mitarbeiter sorgen dafür, dass die Empörungsmaschine läuft . …
Und Campact braucht einen Partner, denn das CampactPrinzip heißt: Inhaltliche Details interessierenuns nicht .
Der BUND, ver .di, die Diakonie und der Verkehrsclub Deutschland – viele große NGOs haben schon
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 127 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 1 . Oktober 2015 12303
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auf die Schlagkraft von Campact zurückgegriffen .Im besten Fall ist es eine WinwinSituation, dereine liefert die Inhalte, der andere die KlickBataillone .
Herr Dr . Pfeiffer, erlauben Sie eine Zwischenfrage
von Klaus Ernst?
Selbstverständlich .
Gut .
Ich habe ja noch Zeit .
So lange nicht mehr .
Herr Pfeiffer, ich wollte Ihre Redezeit tatsächlich ein
bisschen verlängern . Je länger Sie reden, desto mehr wer
den Sie den Widerstand gegen diese Abkommen sicher
erhöhen .
Aber zu dieser Empörungsindustrie, über die Sie sich
ja so trefflich auslassen: Sind Sie mit mir der Auffassung,
dass die Empörungsindustrie und die Menschen, die
bereit waren, sich mit dieser Empörungsindustrie dafür
einzusetzen, dass das öffentlich wird, was sich bis jetzt
hinter dem Rücken der Menschen vollzogen hat,
eigentlich ein Erfolg der Demokratie sind? Sind Sie mit
mir der Auffassung, dass wir es diesen Initiativen zu ver
danken haben, dass das eine oder andere öffentlich ge
worden ist, das sonst nach wie vor nur in den Schränken
und Aktenkoffern von einigen in der Europäischen Union
und von einigen Vertretern großer Industrieunternehmen
gewesen wäre?
Herr Pfeiffer, weil Sie sich so vortrefflich für den Han
del ausgesprochen haben: Ich glaube nicht, dass hier je
mand sitzt, der gegen Handel ist .
Was uns unterscheidet, ist, dass wir fairen Handel wol
len – darin unterscheiden wir uns: fairen Handel .
Wir haben den Eindruck, dass das, was mit den Han
delsabkommen stattfinden soll, eben nicht fairer Handel
ist, sondern dass das dazu führen wird – das ist bereits
ausgeführt worden –, dass die Standards sich verschlech
tern .
Zum Schluss, Herr Pfeiffer:
– Ich bin ja froh, wenn Sie länger reden .
Ja, aber ich nicht, wenn Sie länger fragen .
Ich wünsche Herrn Pfeiffer, dass er auch einmal in sei
ne eigene Basis hineinhört und nicht nur bei Campact .
Wenn ich mit verschiedenen Leuten aus Ihrer Partei rede,
dann merke ich, dass es dort auch sehr große berechtigte
Vorbehalte gegen das gibt, was Sie hier vertreten .
Ich danke für die Möglichkeit, Ihnen eine Frage zu
stellen .
Herr Dr . Pfeiffer, bitte .
Vielen Dank für die Bemerkungen und auch die Fragen . – Ich teile Ihre Auffassung dezidiert nicht,
weil ich nicht erkennen kann, dass sich hinter den Millionen von KlickAktivisten, allein 1,7 Millionen bei Campact, wirkliche Bürgerinteressen verbergen, Interessenvon Bürgern, die auch informiert sind . Die sind vielleichteher etwas hinters Licht geführt worden . Das ist ja vorherschon angeklungen . Ich habe hier gerade die aktuellenZahlen von der Europäischen Union . Es sind, wie gesagt,1,3 Millionen, die sich in Deutschland beteiligt haben .Ein großes Thema ist zum Beispiel die Frage, ob öffentliche Dienstleistungen bzw . die öffentliche Daseinsvorsorge privatisiert werden sollen oder nicht . Über die wirdja gar nicht verhandelt . Die Dokumente von MalmströmDr. Joachim Pfeiffer
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und Froman wurden gerade einmal 149mal auf Deutschabgerufen .
Das Konzeptpapier zum Investitionsschutz wurde seitdem 1 . Januar 2015 601mal abgerufen, das Infopapierzu CETA, von dem vorhin auch gesprochen wurde,899mal, und, und, und . Das lässt sich fortsetzen . Ichstelle da eine gewisse Diskrepanz fest: Sie klagen Transparenz ein; diese ist aber schon vorhanden . Die Textesind verfügbar, zwar nicht immer sofort auf Deutsch,aber die Transparenz ist da, ob man sich mit den Textenauseinandersetzt oder ob man das nicht tut . Insofern frage ich Sie: Machen Sie sich gemein mit diesen Leuten?Haben Sie Interesse an einem Abkommen, das das besteFreihandelsabkommen ist, das wir jemals hatten, oderhaben Sie Interesse daran, hier mit Emotionen Angst zuschüren, um Ihr parteipolitisches Süppchen zu kochen?Das frage ich Sie . Ich habe jedenfalls diesen Eindruck .Ich frage Sie auch: Machen Sie sich gemein mit Campactund anderen wie Attac oder Foodwatch, die die Großdemonstration am 10 . Oktober organisieren?
– Okay . Vielen Dank .Dann führe ich weiter aus, um was es dort geht . Ichzitiere weiter:
… Campact braucht einen Partner …Der Partner sind offensichtlich auch die Grünen unddie Linken . Es ist gut, dass wir das wissen und dass Siedas auch hier für das Protokoll niedergelegt haben .
Sie sind ja immer für Demokratie . Sie sollten sichvielleicht auch einmal mit der Struktur von Campact auseinandersetzen .In dem Verein, der in seinen Kampagnen gerne dieFahne der Bürgerbeteiligung schwingt,– ich zitiere weiter –herrscht vor allem Zentralismus . „Bürger machenselber Politik“ heißt das Motto von Campact, dochinnerhalb der Organisation wird von oben nachunten durchregiert . … Anders als beim amerikanischen Vorbild … dürfen die CampactUnterstützerbei der Auswahl der Kampagnen nicht mitentscheiden .Das wird sogar vom Vorsitzenden entsprechend konzediert . Er sagt ja selbstverständlich: Wir legen das fest .Er führt Campact wie ein „privates Protestunternehmen“ .
Und er sagt:TTIP ist unverhandelbar, da gibt es keinen Raum fürKompromisse .So sagen das auch die Linken .
Bei den Grünen bin ich mir nicht ganz sicher . Man könnte auch sagen: Ein Kompromiss würde dem Geschäftsmodell schaden .
So weit das Zitat zu Campact .Ich könnte das fortführen mit Attac . Dafür würde dieZeit nicht reichen . Lassen Sie mich noch etwas zu Foodwatch sagen; das ist auch so eine Spezialorganisation,bei Campact ist es übrigens ähnlich . Aber jetzt nehmenwir einmal Foodwatch . Die haben 30 000 Förderer, nichtstimmberechtigte Fördermitglieder und Einmalspender,also vor allem solche, die für die Aktivitäten dieses Unternehmens zahlen . Über die Aufnahme stimmberechtigterMitglieder bestimmt der Aufsichtsrat . Der besteht ausfünf Personen . Die Zahl der stimmberechtigten Mitglieder hat Thilo Bode, der da der Vorderaktivist ist, einmalangesprochen – eine Veröffentlichung gibt es nicht –: Essind 80 . Mehr als 10 dürfen es nicht werden .
Die bestimmen sich alle gegenseitig . Mit Demokratie hatdas, was diese Organisationen unternehmen, nichts, aberauch gar nichts zu tun .
Jetzt frage ich mich: Lassen Sie sich vor deren Karrenspannen? Sind Sie so einfach strukturiert, Herr Hofreiter,oder ist das Absicht?
Dann kann sich jeder sein Bild selber machen .
Herr Dr . Pfeiffer, es gibt noch eine kurze Zwischen
frage der Kollegin Scheer, wenn Sie das erlauben .
Herr Kollege Pfeiffer, meinen Sie im Ernst, dass wiruns als Abgeordnete hier im Deutschen Bundestag aufdieses Niveau begeben sollten,
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in einer Pauschalität Stimmen von Bürgern, die sich inverschiedenster Weise in den von Ihnen genannten Organisationen äußern, als nicht demokratische Stimmenwahrzunehmen?
Sie haben die Organisation Campact als quasi nicht demokratisch dargestellt .
Sie haben damit die Legitimation der dahinterstehendenBürger infrage gestellt,
sich überhaupt zu Wort zu melden, und haben das auchauf andere Organisationen noch ausgeweitet .
Ich finde das untragbar, so mit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes umzugehen .
Frau Scheer, wenn Sie bitte stehen bleiben würden . –
Herr Pfeiffer, wenn es geht, dann bitte nur eine kurze Re
plik .
Ich glaube, Sie haben etwas verwechselt . Ich habe
nicht die Bürger, die dahinter stehen
– nein, das habe ich nicht –,
sondern die Strukturen und die Organisationen adressiert
und gesagt, wie sie funktionieren und wie sie offensicht
lich Menschen, die leicht mit Ängsten oder Emotionen
zu bedienen sind, für ihren Zweck und ihr Geschäftsmo
dell instrumentalisieren .
Das hat mit demokratischer Legitimation überhaupt
nichts zu tun . Ich stelle in der Tat die demokratische Le
gitimation von Campact, Attac, Foodwatch und den an
deren Mitgliedern dieser Empörungsindustrie infrage,
und frage noch einmal – und darauf erwarte ich von Ih
nen eine Antwort, entweder heute hier oder an anderer
Stelle –, ob Sie mit denen gemeinsame Sache machen
und was Ihre Intention ist . Ich will wissen, ob Sie sich in
der Sache einbringen wollen,
oder andere Dinge anführen . Ich glaube, Ihre Reaktion
zeigt, welch Geistes Kind Sie sind .
Bald werden Union und SPD über dieses so wichtige Ab
kommen mit der demokratischen Legitimation, über die
sie verfügen, in Deutschland beschließen und die Euro
päische Union bei diesem Vorhaben unterstützen .
Danke, Dr . Pfeiffer . – Er hat seine Redezeit ausge
schöpft, und es gibt keine Zugabe .
Der nächste Redner ist Klaus Barthel von der SPD .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn ich so viel Zeit hätte wie der Kollege Pfeiffer, dannmüsste man sich auch einmal über Kampagnen unterhalten . Es gibt schließlich noch andere, zum Beispiel dieInitiative Neue Soziale Marktwirtschaft,
in die jedes Jahr 10 Millionen Euro etwa von den Metallarbeitgeberverbänden fließen. Da müssten wir in der Tatmehr Transparenz herstellen .Die Frage ist doch: Warum sind Millionen Menschenbereit, solche Kampagnen zu unterstützen?
Selbst wenn die Bundesregierung und die Befürwortervon TTIP mit allem recht hätten, was sie sagen, müssDr. Nina Scheer
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te man sich doch fragen, warum offensichtlich so vieleMenschen Ängste und Bedenken haben .
Ich glaube, mit dieser Frage müssen wir uns inhaltlichernsthaft auseinandersetzen .Da wir schon über Kampagnen reden, komme ich aufdas Thema von vorhin zurück – das sollten wir vielleichtnicht ganz ausblenden –: Wer über Fluchtursachen undderen Bekämpfung reden will, der darf natürlich beimThema Handelspolitik nicht schweigen .
Vieles spricht in der Tat für eine Neuorientierung unsererAußenwirtschafts und Handelspolitik, für einen multilateralen Ansatz, für eine Nachbarschaftspolitik und fürfaire Regeln statt Liberalisierung . Deswegen halte ich dieTeilnahme an der Demonstration am 10 . Oktober diesesJahres mit vielen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sowie mit vielen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern für sinnvoll .
Man muss aber schon lesen, was in dem Aufruf steht . Darin steht wesentlich mehr und etwas ganz anderes als das,was von den Grünen und den Linken vorgetragen wird .Dort heißt es zum Beispiel: Wir treten für internationaleAbkommen ein, die die Umwelt und Sozialstandards erhöhen, statt sie zu senken . Wir treten für Abkommen ein,die Arbeitsstandards wie die Kernarbeitsnormen festschreiben . Wir treten für eine Stärkung der Daseinsvorsorge, für kulturelle Vielfalt ein . Das heißt also: Wir sindfür eine Gestaltung durch Verträge und Abkommen; dennwenn wir die nicht haben, dann bestimmen die Märkte,was in dieser Welt passiert .
Dem werden die hier vorgelegten Anträge bei weitemnicht gerecht; denn darin wimmelt es von Widersprüchen .Um ein Beispiel zu geben, möchte ich aus dem neuenAntrag der Grünen zitieren . Ich weiß nämlich nicht, obSie das Zeug lesen, was Sie hier vorlegen .
Bevor Sie zitieren: Erlauben Sie eine Zwischenfrage
von Frau Dröge?
Ja .
Gut .
Herzlichen Dank, Herr Barthel, dass Sie die Zwischen
frage zulassen . – Ich beginne mit dem Punkt, mit dem
Sie geendet haben, nämlich mit der Frage, ob wir „das
Zeug lesen“, was wir hier vorlegen . Sie haben gesagt,
wir Grüne würden uns entgegen dem, was im Aufruf zur
Demo am 10 . Oktober steht, nicht für gute Abkommen,
für internationale Regelungen, für hohe Umweltschutz
standards, für ILOKernarbeitsnormen, für die ISO aus
sprechen . Unter Ziffer 2 des Beschlussteils unseres An
trags steht genau das . Ich gebe zu: Wir haben uns Mühe
gegeben, und der Antrag ist daher etwas lang;
das ist leider so . Aber man muss diesen Antrag auch
einmal lesen, wenn man ihn berät . Wir haben in sechs
Punkten ausgeführt, wie man Handelspolitik vernünftig
gestalten könnte . Es sind konstruktive Vorschläge, wie
eine bessere Handelspolitik aussehen kann . Von Ihrer
Fraktion habe ich dazu noch keinen Antrag im Deut
schen Bundestag gesehen . Deshalb meine Frage: Haben
Sie diesen Antrag überhaupt gelesen?
Ich freue mich sehr, Kollegin Dröge, dass Sie es mirermöglichen, aus Ihrem Antrag zu zitieren, ohne dasses auf meine Redezeit angerechnet wird . Das wollte ichnämlich ohnehin machen, um die Widersprüche, vondenen ich geredet habe, aufzuzeigen .
Das ist ein schönes Geschenk .In ein und demselben Absatz heißt es dort einerseits,Sie seien für „robuste ökologische und soziale Standardsetzung“, und zwar auf höchstem Niveau . Zwei Sätzeweiter heißt es zum Thema „Exportchancen von Entwicklungsländern“ andererseits – ich zitiere –:Ihre wirtschaftliche Entwicklung könnte dadurchgehemmt werden, dass zwischen IndustriestaatenStandards festgelegt werden, die ihre Teilnahme amMarkt enorm erschweren .Das ist ein Widerspruch . Das fällt Ihnen aber gar nichtauf, und Sie lösen das im Antragstext auch nicht auf .
Ich mache weiter, Frau Dröge . Sie lehnen Living Agreements und regulatorische Kooperationen ab . Weiterheißt es im Text:Angesichts zukünftiger Herausforderungen dürfenpolitische Handlungsspielräume für zusätzliche Regulierungen nicht erschwert werden, um ein Überleben zukünftiger Generationen innerhalb der planetaren Grenzen sicherzustellen .Klaus Barthel
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Der nächste Satz lautet dann:Die Europäische Handelspolitik sollte sich stattdessen die robuste Standardsetzung auf internationalerEbene zum Ziel setzen . . .Okay . – Aber ich frage Sie: Wie soll das gehen ohne regulatorische Kooperationen, ohne Living Agreements?
Lösen wir die planetaren Probleme durch nationale Regulierungen? Das frage ich Sie im Ernst .
– Sie können stehen bleiben . – Auch hier lösen Sie denWiderspruch nicht auf, indem Sie nach Wegen suchen,zum Beispiel die regulatorische Kooperation demokratisch auszugestalten und parlamentarische Beteiligungsicherzustellen und die Regeln und Ziele zu definieren,die mit der regulatorischen Kooperation erreicht werdensollen .So geht es weiter; Sie hätten stehen bleiben können .Ihr Antrag trieft vor deutscher und europäischer Selbstgerechtigkeit, als hätte es nie Gammelfleisch, die bayerischen Eier, BSE, das Pferdefleisch und VW gegeben.Überall geht es nur darum, unsere Standards zu behaupten . Wäre es denn nicht besser, den jeweils höheren Standard zur gemeinsamen Norm zu machen, anstatt zweimalwirkungslos zu kontrollieren, wie es sich jetzt bei VWherausgestellt hat?
Das Gleiche gilt leider auch für die Anträge der Linken . Vieles ist überholt . Die Reden, die hier manchmalgehalten werden, hätte man vor einem Jahr hören können .In puncto Streitbeilegung zum Beispiel hat sich die Zeitgeändert . Wenn ich zuerst lese, dass wir CETA ablehnensollen, und einige Zeilen weiter steht, dass wir möglichstschnell eine deutsche Übersetzung auf den Tisch legensollen, dann frage ich mich: Warum soll man das Abkommen übersetzen lassen, wenn Sie es eh ablehnen?
Ähnlich ist es im Antrag der Grünen auf Drucksache 18/2620 . Dort steht zuerst, dass wir CETA ablehnensollen, und anschließend, dass wir das ISDS herausnehmen sollen . Was soll das eigentlich?
Alles in allem gibt es keinen Gestaltungsansatz . DieAnträge bleiben auch hinter dem zurück, was wir gemeinsam – die Sozialdemokraten, die Grünen und dieChristdemokraten – im Europäischen Parlament beschlossen haben. Daran aber sollten wir, wie ich finde,im Sinne eines konstruktiven Ansatzes weiterarbeiten .An unseren Koalitionspartner habe ich die Bitte: Siesagen ja, dass Sie sich für gute Standards einsetzen undsie erhalten wollen . Aber dann nehmen Sie bitte nichtjede Gelegenheit wahr, erreichte Standards und sozialeLeistungen wie zum Beispiel den Mindestlohn infrage zustellen .
Ansonsten wird sich das Misstrauen weiter erhöhen .
Vielen Dank, Kollege Barthel . – Nächste Rednerin:
Barbara Lanzinger für die CDU/CSUFraktion .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!Nicht erst seit Monaten, sondern seit mehreren Jahrenwird das geplante Freihandelsabkommen zwischen derEU und den USA sehr kontrovers und sehr hitzig, wiewir es gerade wieder erlebt haben, diskutiert – ein Abkommen, mit dem wir – davon bin ich und sind sehrviele überzeugt – eine der wichtigsten wirtschaftlichenEntscheidungen der nächsten Jahre treffen und treffenmüssen . Es ist doch unbestreitbar, dass ein solches Abkommen mit zwei technisch und wirtschaftlich hochentwickelten Industriestaaten mit Herausforderungen verbunden ist . Hochentwickelte Strukturen führen zu einererhöhten Komplexität . Hochentwickelte Strukturen können zusammengeführt werden und somit auch zu mehrSynergien führen . Genau das ist unser gemeinsames Ziel .Ein Stopp der Verhandlungen, wie es die Linke fordert, ist sicherlich der falsche Weg . Hochemotionale undüberhitzte Debatten bringen uns nicht weiter . Notwendigsind sachliche und inhaltlich richtige Diskussionen . Wirmüssen klug abwägen und uns unserer ökonomischen,politischen und auch gesellschaftlichen Verantwortungbewusst sein .Sachlich und inhaltlich richtig ist, dass der Kern dieses Abkommens die Abschaffung von Handelshemmnissen ist, mit dem Ziel, unsere Wirtschaft international zustärken . Wie wichtig dies vor allem für die Gesellschafteines Landes ist, liegt bereits in unserer Geschichte begründet; darauf gehe ich gerne ein . Freier Handel ist dieälteste Form des Wirtschaftens und seit Jahrhundertendas wichtigste Instrument für mehr Wachstum, Bildungund Beschäftigung . Handel ist auch der Ursprung für dieRechtsregeln in unserem Geschäftsverkehr . Ohne Handelwürde es unseren heutigen Wohlstand so nicht geben .
Deshalb ist das Abkommen so wichtig für unsere Wirtschaft und für unseren gesamten Wirtschaftsraum .Vor allem Deutschland hat einen unschlagbaren Vorteil im globalen Wettbewerb . Es hat Gott sei Dank immernoch einen starken Mittelstand, im Ausland bewundertund geschätzt . Nach wie vor gilt dieser Mittelstand alsJobmotor Nummer eins, als Treiber für Innovationenund schlicht als das Rezept für den Erfolg der deutschenWirtschaft . Daher ist es besonders wichtig, EUweitKlaus Barthel
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nichttarifäre Handelshemmnisse abzubauen sowie regulatorische Vorschriften zu harmonisieren und gegenseitiganzuerkennen . Das Ergebnis muss sein, die internationalen Aktivitäten unseres Mittelstandes weiter zu fördernund auszubauen . Nur die Zölle abzuschaffen, reicht nichtaus . Dadurch hätten vor allem unsere KMUs, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, mit ihrer hohenQualität und Kompetenz so gut wie keine Vorteile oderWachstumseffekte .Das DIN, das Deutsche Institut für Normung, hat eseinmal auf den Punkt gebracht: Normen sind die Sprache der Wirtschaft . – Wir sollten und müssen das Steuerergreifen und die europäischen Normen die Sprache derWeltwirtschaft werden lassen . Das geht aber nicht imAlleingang oder durch rein europäische Aktivitäten, sondern nur gemeinsam . Es ist eine Schwarzmalerei, ständigvon der Absenkung der Standards zu sprechen . Weder dieUSA noch die EU haben dies nötig . Beide Industriegesellschaften zusammen erwirtschaften immerhin 50 Prozent des gesamten internationalen Bruttoinlandsprodukts .Handel, und zwar nicht nur regional, sondern auchinternational, ist eines unserer wichtigsten Güter – einGut, das leider seit TTIP und CETA – das sage ich ganzbewusst – von einigen Gruppierungen, zu denen ich nichtnur Verbände, sondern auch die Fraktionen der Linkenund der Grünen zähle, grundsätzlich infrage gestelltwird . Allen, die Unheil und Geister heraufbeschwören,sage ich ganz deutlich: Es geht um mehr als politischeund ideologische Diskussionen . Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, und zwar füralle .
Gerade deshalb ist es wichtig, sorgfältig und differenziert, vor allem sachgerecht zu diskutieren, statt Stimmungsmache zu betreiben und gezielt Desinformationskampagnen zu führen .
Das möchte ich an zwei Beispielen verdeutlichen:Erstens . Das internationale Schiedsgerichtsverfahrenist kein Verfahren, das neu zum Tragen kommt, sondernwird bereits vielfach in internationalen und europäischenAbkommen angewendet . Die EUMitgliedstaaten haben1 400 Investitionsschutzabkommen vereinbart, die zu95 Prozent einen Investorenschutz nach dem internationalen Schiedsgerichtsverfahren vorsehen, so zum Beispiel beim 1994 unterzeichneten EnergiechartaVertrag .
Frau Lanzinger, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich erlaube keine Zwischenfrage . Da bringt mich
erstens inhaltlich nicht weiter, zweitens nicht politisch,
und drittens verlängert man damit nur Debattenzeit .
Gut . Sie brauchen das überhaupt nicht zu begründen,
sondern müssen nur Ja oder Nein sagen .
Ich sage Nein .
Sie haben Nein gesagt . Gut .
Dem EnergiechartaVertrag gehören neben der Europäischen Union auch Länder wie Japan, Russland oderauch Australien an . Haben Sie da jemals Beschwerdengehört? Haben Sie gehört, dass das SchiedsverfahrenSchwierigkeiten bereitet?
Nein, und das, obwohl es bei diesem Abkommen um einwesentliches Gut, die Energie, geht und das Verfahrenexakt das gleiche ist . – Erfunden hat das Investitionsschutzabkommen im Übrigen Deutschland vor rund50 Jahren, um das deutsche Kapital im Ausland zu schützen . Und es sind beileibe nicht die Amerikaner, die weltweit am meisten klagen, also die aktivsten Kläger sind;die Klagen der USA machen gerade einmal 22 Prozentaus . Vielmehr sind es die Europäer, die am meisten klagen; auf sie entfallen 53 Prozent aller Klagen . In diesemlangen Zeitraum gab es außerdem nur drei Klagen gegenDeutschland .Man muss wirklich die Kirche im Dorf lassen . Ja, wirmüssen das Investitionsschutzrecht sicherlich modernisieren – da gebe ich allen recht –; aber TTIP bietet eineChance, verschiedene Verbesserungen zu erreichen, zumBeispiel klare Regeln für die Zusammensetzung und dieFunktionsweise der Schiedsgerichte .Desinformationskampagne Nummer zwei: mangelndeTransparenz . Die EUKommission informiert regelmäßig das Parlament und die EUMitgliedstaaten; das wurde heute schon erwähnt . Zudem gibt es zahlreiche Informationsveranstaltungen und plattformen, darunter aucheine der CDU, auf denen ausschließlich über die Inhalteund den aktuellen Sachstand bei TTIP informiert wird .Nennen Sie mir ein Abkommen, das transparenter verhandelt worden ist! Die Beschuldigungen, dass Verhandlungsergebnisse verschleiert werden und die Öffentlichkeit nicht ausreichend eingebunden werde, sind falsch .Wenn man die Pressemeldungen, die Informationender Medien und die Demonstrationen verfolgt, dann kannman sicher sein, dass das Misstrauen gegenüber TTIPdurch – auch das sage ich ganz bewusst – antikapitalistische und antiamerikanische Gruppierungen hervorgerufen und verbreitet wird .
Barbara Lanzinger
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Einigen professionellen Protestorganisationen scheint esnicht um die Sache zu gehen, sondern einzig darum, dasAbkommen aus Prinzip zu verhindern .
Diesen Eindruck gewinnt man .Ich finde es schon erstaunlich, dass das Handelsabkommen der EU mit Vietnam, das kurz vor seinemAbschluss steht, noch niemals Anlass für Anträge oderKampagnen war;
ich habe jedenfalls nichts davon gehört . Bei diesem Abkommen mit einem südostasiatischen Land gibt es aberhinsichtlich der Standards ein weitaus größeres Gefällezu überwinden als bei TTIP .Freie Meinungsäußerung ist unser höchstes Gut . Das isttagtäglich hörbar und unübersehbar . Schlimm und absolut nicht hinnehmbar – auch das ist mir wichtig zu erwähnen – ist für mich, wenn dieses hohe Gut dazu missbraucht wird, um bei den Menschen ganz gezielt Ängstezu schüren . Unsere Aufgabe als Politiker – ich kommezum Schluss – ist es vielmehr, zu erklären, aufzuklärenund die Befürchtungen der Bürgerinnen und Bürger, diedurchaus vorhanden sind, ernst zu nehmen . Wir müssenmit allen Bürgerinnen und Bürgern einen vertrauensvollen und sachlichen Dialog führen und ihnen in persönlichen Gesprächen die vorhandenen Ängste und Sorgennehmen .Für mich und für uns alle gilt: Wir müssen mit offenemVisier kämpfen, dürfen uns nicht von der Stimmungsmache treiben lassen, müssen den Fakten ins Auge blickenund diesem Abkommen, das mehr Vorteile als Nachteilebietet, offen gegenüberstehen . Wir sollten dieses Abkommen beschließen, gemeinsam mit unseren Bürgerinnenund Bürgern .Vielen herzlichen Dank .
Danke, Frau Kollegin . – Nächster Redner in der Debatte ist für die Bundesregierung Sigmar Gabriel .
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft undEnergie:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich will mit der ersten Frage von Herrn Hofreiter beginnen, die rhetorisch gemeint war, aber trotzdem die wichtigste in der Debatte ist . Er hat gefragt: Was sind wir bereit für dieses Abkommen aufzugeben? – Meine Antwortlautet: Gar nichts!
Es geht nämlich nicht darum, etwas aufzugeben . Jedenfalls werde ich keinem Abkommen im Handelsministerrat zustimmen – mit Sicherheit auch das Parlamentnicht –, wenn dabei etwas aufgegeben wird .
– Herr Krischer, ich wäre da etwas aufmerksamer, da dieweit überwiegende Mehrheit Europas – und die verhandeln ja – in diesem Abkommen große Chancen sieht .
Es ist erstaunlich – in dieser Frage wie manchmalauch sonst –, dass manche glauben, dass nur wir Deutschen genau wüssten, was gut und richtig, was hilfreichund gefährlich ist .
– Nein, es gibt auch in Österreich Widerstand, ebenfallsein deutschsprachiges Land . In Frankreich gibt es ihn beiweitem nicht in dem Maße . Mein Kollege Matthias Feklund ich haben gemeinschaftlich ein paar Dinge durchgesetzt, die Sie heute hier kritisiert haben . Herr Hofreiterhat ihn vorhin gelobt; er hat aber vergessen, zu erwähnen,dass Matthias Fekl ausgesprochen stolz darauf ist, dasses im TTIP keine privaten Schiedsgerichte geben wird .
– Ich komme schon noch zu CETA, Klaus, keine Sorge. – Ich finde nur, wir sollten aufpassen, dass wir nichtso tun, als sei das alles völlig klar und nur wir Deutschenwüssten, wie sich die Welt neu zu ordnen hat . Ich wäreda vorsichtig .
Das macht das ganze Problem deutlich . Es geht gerade nicht um ein Freihandelsabkommen alter Art . Was istder große Unterschied? Es ist ganz interessant: Früherwaren die Produzenten gegen den Freihandel – sie warenprotektionistisch – und die Konsumenten für den Freihandel, weil das die Preise senkte . Wir führen jetzt einevöllig andere Debatte: Die Produzenten sind dafür – dieamerikanischen wollen in die Agrarmärkte, unsere in dieöffentlichen Märkte –, aber die Konsumenten sind sehrskeptisch . Das ist auch verständlich; denn die alten Zollbarrieren, die wir früher kannten, sind zu 80 Prozent weg .Auch in diesem Freihandelsabkommen geht es um Zollfragen; aber das macht nur einen kleinen Teil aus . Zumgroßen Teil geht es um die Frage: Gibt es in den beidengroßen Wirtschaftsräumen Europa und USA eigentlichvergleichbare Standards? Wenn ja: Können wir die beimVerbraucherschutz gegenseitig anerkennen, oder könnenwir das nicht? Ich prophezeie: Wenn das Abkommen jemals kommt, dann wird es in der Tat, wie es vorhin genannt wurde, ein Living Agreement sein . Das heißt, eswerden Strukturen festgelegt, innerhalb derer die Standards in den Bereichen Verbraucherschutz, Umweltschutz, Sozialschutz und vieles andere überprüft werden .Barbara Lanzinger
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Es wird aber keine Entscheidung festgelegt . Ich fragemich, wer eigentlich etwas dagegen haben kann . Es ist jakeineswegs so, dass in den Vereinigten Staaten sämtlicheStandards schlechter sind als bei uns . In der amerikanischen Food and Drug Administration sind die Standardsoffensichtlich viel höher .
Bei der Chemikaliensicherheit sind unsere Standards vielbesser . Was spricht also dagegen, mit einem Abkommendie Standards weiterzuentwickeln, und zwar nach oben?Das muss doch unser Ziel sein .
Die Prognose der Linkspartei, der Grünen und vielerMenschen, die sich – das muss ich schon zugeben – desUnternehmens Campact bedienen – das ist ein Geschäftsmodell; es ist etwas anderes als der BUND –, lautet: Eswird niemals gelingen, die Standards nach oben anzupassen; die Entwicklung wird immer nur nach unten gehen .Ich sage: Versuchen wir doch einmal, das zu verhandeln .Keiner von uns kann heute sagen, ob wir am Ende zustimmen .Hier im Parlament sitzen Abgeordnete, die aufDemonstrationen „Stoppt Campact!“ fordern, weil sienicht glauben, dass bei den Verhandlungen etwas Vernünftiges herauskommen kann .
– Habe ich Campact gesagt? Ich meine TTIP . Vorsicht,sonst geht da noch jemand hin .
Herr Pfeiffer zum Beispiel .
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:
Also, ich meine eine Demonstration „Stoppt TTIP!“ . –
Was heißt das eigentlich für das Selbstbewusstsein des
Parlaments? Gleichzeitig wird hier gefordert – wie ich
finde, zu Recht –, dass das Parlament über dieses Han
delsabkommen abstimmt .
Wenn das so ist: Mit wie viel Minderwertigkeitsgefühl
geht eigentlich ein Teil des Parlaments in diese Verhand
lungen?
Ich sage Ihnen einmal in aller Offenheit: Ich finde,
Europa hat richtig etwas anzubieten .
– Hören Sie doch einmal eine Sekunde zu! Ich habe mir
das auch eben angetan .
Wenn es neue Argumente gäbe, wäre das nicht schlecht .
Ich sage nur Folgendes, damit die Rede kürzer wird:
Ich gebe alles zu Protokoll, was ich zu Ihren Fragen hier
bereits beantwortet habe . Jetzt reden wir über neue Fra
gen .
Was ist der Grund dafür, dass es für uns so bedeutsam
ist, diesen Versuch zu unternehmen und jetzt nicht die
Verhandlungen zu stoppen? Ein Grund ist, dass sich die
Welt ändert . Es wird hier doch so getan, als sei die Frage:
Gibt es eine Einigung mit den Vereinigten Staaten über
Standards, oder gibt es keine? Das ist doch Unsinn! Es
geht nur um die Frage: Wird es Europa sein, das diese
Standards beeinflusst, oder werden es China und Indien
sein? Das ist die einzige Frage .
Der Welthandel wächst . Übrigens werden China,
Asien und Lateinamerika mit Recht bedeutsamer . Dort
leben sehr viele Menschen, und die haben aufzuholen .
Wir können nicht eurozentristisch sagen: Wir sind die
Einzigen, die etwas zu sagen haben .
Also wird es Handelsabkommen und neue Standards ge
ben . Die Frage ist nur: Können wir diese Standards selber
fortschrittlich bestimmen, oder werden wir uns ihnen an
passen müssen? Das ist doch die einzige Frage .
Herr Minister Gabriel, jetzt will Herr Dr . Dehm eine
Frage stellen . Erlauben Sie das?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:
Dass mir das noch passiert . Diether, dann man los .
Ja oder nein?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:
Ja .
Bitte, Herr Dehm, machen Sie es kurz .
Ich habe drei ganz kurze Fragen .Erste Frage . Bei den Pestiziden hat die EUKommission jetzt schon Standards in die Verhandlungen eingebracht, die weit niedriger sind als die, die in Europa bislang gelten . Wie verhältst du dich bzw . wie verhalten Siesich dazu?Bundesminister Sigmar Gabriel
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Zweite Frage . Vorhin haben wir in zwei CDU/CSUReden ein Abwatschen der kritischen Öffentlichkeit gehört. Welche Empfindungen haben dich bzw. Sie da auchvor dem Hintergrund deiner bzw. Ihrer Biografie beschlichen?Dritte Frage . Wenn der Entwicklungsminister GerdMüller sagt: „Wir wollen fairen Handel statt Freihandel“,ist das dann die gemeinsame Position der Koalition? Wieverhält sich das zu dem, was Herr Pfeiffer vorhin gesagthat?
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft undEnergie:Antwort zu Frage eins: Die Handelskommissarin unddie Europäische Kommission haben mit exzellenten Argumenten die Behauptung, dort gebe es eine Standardabsenkung, widerlegt .Antwort zu Frage zwei: Mein Gefühl ist stets humorvoll, was immer ich hier erlebe .
Antwort zu Frage drei: Freier und fairer Handel gehören zusammen . Fairer Handel ohne freien Handel gehtnicht; freien Handel ohne Fairness gibt es . Aber fairenHandel werden die Entwicklungsländer einklagen . Essind die Industrienationen, die den armen Ländern häufigden Zugang zu ihren Märkten verweigern und deshalbübrigens auch Fluchtbewegungen auslösen .
Freier Handel ist also die notwendige, aber nicht die hinreichende Bedingung . Hinreichend ist es, wenn er freiund fair ist .Es wird um die Frage gehen: Wer bestimmt dieseStandards? Es ist doch sehr wahrscheinlich, dass es besser wäre, wenn wir zu einem solchen Abkommen kämen,als wenn man mit China zu einem solchen Abkommenkäme . Fairer wird es mit uns .
Ein anderer Aspekt ist: Warum sind wir eigentlich sowenig selbstbewusst? Warum gehen wir als Europäernicht selbstbewusster in solche Verhandlungen? Wir haben doch etwas anzubieten . Wir sind nicht gezwungen,am Ende Ja zu sagen; aber erst einmal haben wir etwasanzubieten .Übrigens haben wir jetzt durchgesetzt, dass es indem amerikanischeuropäischen Freihandelsabkommengarantiert nicht zu den alten Schiedsgerichten kommt .Klammer auf: Ich finde es bemerkenswert, dass es inDeutschland niemals eine Debatte über diese privatenSchiedsgerichte gegeben hat, solange wir Deutschen dabei die Stärkeren waren . Jetzt, wo wir einen Partner aufAugenhöhe kriegen, dem wir uns manchmal unterlegenfühlen, ist das auf einmal ein Riesenproblem .
Solange wir das den Entwicklungsländern aufdrückenkonnten, fanden wir das alles nicht einmal diskussionswürdig . – Klammer zu .
Warum vertritt Frau Malmström jetzt eigentlich diePosition, dass man mit den Amerikanern über einen öffentlichrechtlichen Handelsgerichtshof redet? Ich sagees Ihnen: Weil wir ihr mit sechs sozialdemokratischenHandelsministern gesagt haben: Wenn du das nichtmachst, werden wir nicht zustimmen, dann gibt es keinAbkommen . Es wird kein Abkommen geben, ohne dassdas da drinsteht, oder es gibt keine privaten Schiedsgerichte da drin . Nur dann wird das funktionieren .Toni Hofreiter hat mir vorhin vorgeworfen, ich würdeöffentlich erklären, dass es keine gibt . Als Beispiel dafür,dass ich nicht die Wahrheit sage, haben Sie CETA angeführt . Meine Bitte: Immer nur das kritisieren, was ichwirklich tue und sage . Ich habe hier im Haus auf FragenIhrer Fraktion immer gesagt – ein bisschen zur Verärgerung meiner Fraktion –: Bei TTIP bin ich sicher, dass iches durchsetzen kann; bei CETA bin ich nicht sicher, dassich es durchsetzen kann . – Warum nicht? Weil das einfertig verhandeltes Abkommen ist . Trotzdem versuchtdie Bundesregierung das . Das Wirtschaftsministeriumund das Kanzleramt versuchen das gemeinsam . Aber wirkönnen Ihnen nicht versprechen, dass das gelingt . Dashabe ich hier nie getan .
Lieber Toni Hofreiter, Fairness im Umgang zeichnet Sieeigentlich aus . Seien Sie bitte auch in Zukunft bei dieserFrage fair .
Klaus Ernst, ich komme zu der Frage: Warum brauchtman das eigentlich überhaupt? Die Antwort ist ganzeinfach: Weil es einem deutschen Mittelständler großeSchwierigkeiten bereiten würde, vor dem amerikanischen Gerichtshof in Alabama seine Interessen durchzusetzen, wenn der Richter kurz zuvor gewählt wurde,
möglicherweise sogar gewählt wurde, weil er erklärthat, dass er „Buy American“ durchsetzen will . Das giltübrigens auch umgekehrt . Selbst für Deutschland ist esmanchmal schwierig, die Interessen deutscher Mittelständler in einigen europäischen Mitgliedstaaten durchzusetzen,
weil sich die Gesetzgebung dort gelegentlich überhauptnicht für europäisches Recht interessiert .
Das ist der Grund, warum wir das machen .Dr. Diether Dehm
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Jetzt sagt Frau Malmström etwas – was wir von ihrübrigens gefordert haben –, was für CETA ein interessanter Hinweis ist . Sie sagt: Wenn das mit den Amerikanern verhandelt wird, will ich hinterher, dass dieseröffentlichrechtliche Handelsgerichtshof auch für alleanderen Abkommen, die Europa oder die Mitgliedstaaten geschlossen haben, zuständig ist . Mein Ziel geht überden Aufbau eines öffentlichrechtlichen Handelsgerichtshofs mit den USA hinaus . Mein Ziel ist ein multilateralerHandelsgerichtshof . – Dazu habe ich gesagt: Alle Achtung; das dauert ein paar Jahre . – Im Umkehrschluss istdas für mich ein weiteres Argument, um das bei CETAauch zu ändern .
Deswegen versuchen wir das; aber ich kann Ihnen dasnicht versprechen .Was ist die große Chance, die vor uns liegt? Die große Chance – nicht die Sicherheit, aber die große Chance – ist, dass die beiden größten Handelsräume der Weltein Abkommen neuer Art schließen – fragen Sie einmalden früheren Chef der Welthandelsorganisation, PascalLamy, was er Ihnen dazu sagt; er ist nun wirklich unverdächtig –, mit dem wir die Standards Stück für Stückanheben . Ein Abkommen alter Art hat solche Standardsgar nicht . Ein Abkommen alter Art, wie es China mit denUSA schließen würde, kennt keine sozialen Standards,kennt keine ökologischen Standards, kennt keine Standards für Verbraucherschutz, Kulturschutz oder Kulturförderung . Die entscheidende Frage ist: Haben wir alsEuropäer den Mut, das selber in die Hand zu nehmen?Wollen wir mit den Amerikanern darüber reden und verhandeln, oder wollen wir schon vorher den Kopf in denSand stecken und uns auf Demonstrationen wohlfühlen?Auf der Besuchertribüne sitzen junge Leute . Die werden auszubaden haben, was wir hier entscheiden .
– Sie von der Opposition haben diese Debatte doch initiiert, um die Öffentlichkeit auf die Demonstrationen inder kommenden Woche aufmerksam zu machen .
Sie haben diese Diskussion ja nicht angestrebt, weil Sieetwas Neues wissen wollen . – Die jungen Menschen dortoben werden entweder in einer Welt leben, in der Europa Standards mitbestimmt, oder sie werden in einer Weltleben, in der sich Europa den Standards anpassen muss .
Das ist die Debatte. Ich finde, alles, was Sie an Sorgenvortragen, sind doch berechtigte Hinweise . Wir sind dochalle durch die kritische öffentliche Debatte klüger geworden, das ist doch gar nicht die Frage . Aber den Kopf inden Sand stecken und nicht weiter verhandeln, wie Sie esfordern, das ist falsch . Deshalb hat Herr Kretschmann diebessere Position als die grüne Bundestagsfraktion . Sorryto say that .Vielen Dank .
Vielen Dank, Sigmar Gabriel . – Es war jetzt ein biss
chen überzogen, nein, es war nicht nur ein bisschen über
zogen, sondern es war reichlich überzogen . Deshalb be
kommen die anderen etwas mehr Redezeit .
Nächster Redner in der Debatte: Alexander Ulrich für
die Linke .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Der Wirtschaftsminister hat zwar reichlich überzogen,ist aber nicht auf die Argumente derer eingegangen, diedazu aufrufen, am 10 . Oktober hier in Berlin zu demonstrieren . Das ist eine weitere Chance, die Sie vollkommenverpasst haben .
Wir, die Linke im Bundestag, fordern den Bundestagauf, den CETAVertrag abzulehnen . Wir fordern auch dieBundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass dieTTIPVerhandlungen mit den USA abgebrochen werden . Diese Verträge widersprechen in jeder Form unsererpolitischen Idee . Sie sind auch ein Angriff auf die Demokratie, auch auf die Demokratie, für die wir hier imDeutschen Bundestag streiten .Herr Gabriel, wenn Sie sagen, diese jungen Menschenmüssen es ausbaden: Ja, diese jungen Menschen müssenin ein paar Jahren ausbaden, wenn die Demokratie durchsolche Verträge ausgehöhlt wird . Diese Menschen müssen es ausbaden, wenn Umwelt und Verbraucherschutzstandards abgebaut werden, sie müssen es ausbaden,wenn Arbeits und Sozialschutz abgebaut wird und wenndie Demokratie bis hinunter zur Kommune ausgehöhltwird . Das müssen diese Menschen ausbaden, da habenSie recht .
Man kommt nicht umhin, hier auch noch etwas zumHerrn Pfeiffer zu sagen . Herr Pfeiffer, ich muss Ihnen sagen, das Niveau in diesem Bundestag kann nicht mehrunterboten werden, wenn Sie hier stehen .
Sie haben sich aufgeregt über eine Empörungsindustrie . Ich möchte einmal nennen, wer sich darin alles wiederfindet. Nahezu alle DGB-Gewerkschaften, BUND,Paritätischer Wohlfahrtsverband, Campact – haben Sieerwähnt –, Naturfreunde, Oxfam, Attac, Brot für dieBundesminister Sigmar Gabriel
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Welt, Foodwatch, NABU – alle diejenigen erklären Siehier zur Empörungsindustrie .
Sie haben beklagt, dass zu wenige Bürgerinnen und Bürger die Dokumente von der Europäischen Kommissionabrufen . Man würde sich wünschen, dass jeder Bürger indiesem Land Ihre Rede abruft .
Denn dann würden die sich wirklich empören . Dann würde klar sein, was hier eigentlich gewollt ist . Was Sie hiergemacht haben, ist tatsächlich eine pauschale Herabwürdigung zivilgesellschaftlichen Engagements .
Politiker wie Sie sind mit daran schuld, dass sich immer mehr Menschen von der Demokratie verabschieden .Denn alle Gründe, die diese Menschen bewegen, diediese Organisationen bewegen, am 10 . Oktober auf dieStraße zu gehen, werden von Ihnen und auch von HerrnGabriel überhaupt nicht wahrgenommen . Das könnenwir nicht akzeptieren .
Zu Campact . Vielleicht sollten Sie sich trotzdem einmal die Mühe machen . Es gibt drei Vorsitzende . DieStrukturen kann man alle auf der Webseite einsehen . Siefinanzieren sich ausschließlich durch Spenden und Förderbeiträge, also viel transparenter als teilweise die CDU .
Deshalb haben die, glaube ich, es nicht verdient, von Ihnen so angegriffen zu werden .Dann haben Sie die Demokratie angesprochen . Ichmöchte Ihnen sagen: TTIP und CETA höhlen die Demokratie aus . Ich möchte vier Beispiele nennen . Zum einender Investorenschutz: Mit dem Vorschlag für einen internationalen Handelsgerichtshof, wie von Herrn Gabrieleben gesagt, soll zwar etwas Bewegung in die Sache hineinkommen . Aber an dem Grundproblem, dass ausländische Investoren durch besondere Tatbestände und einparalleles Justizsystem systematisch bevorteilt werden,ändert das rein gar nichts . Zudem gelten diese Sachen fürCETA überhaupt nicht, und ob die USA überhaupt mitspielen und so etwas akzeptieren, was Malmström undGabriel vorschlagen, ist auch noch völlig unklar . Es wirdjetzt so dargestellt, als wäre das Thema bereinigt . Garnichts ist bereinigt . Von der USSeite hört man ja, dasssie überhaupt nicht bereit sind, darüber zu diskutieren .
Zweites Beispiel: Die regulatorische Kooperation . Andie Stelle des bewährten Vorsorgeprinzips der EU sollkünftig das wenig bewährte USRegulierungssystem treten . Dort ist das Regulieren so bürokratisiert, dass es amEnde überhaupt nicht mehr stattfindet. Nicht einmal diejahrzehntelangen Versuche, Asbest zu verbieten, warendort erfolgreich .Drittens: Stillstand und Sperrklinkenklauseln . DieVertragsparteien sollen sich verpflichten, das gegebeneLiberalisierungsniveau nicht mehr anzuheben und künftige Liberalisierungen in alle Ewigkeit festzuschreiben .Damit würde eine politische Einbahnstraße geschaffen,die alle künftigen Regierungen bindet . Das kann ein riesiges Problem werden, wenn zum Beispiel Privatisierungen wieder rückgängig gemacht werden sollen . Derzeitwollen viele Kommunen ihre Stromversorgung rekommunalisieren . Mit TTIP und CETA wäre das nicht mehrohne Weiteres möglich .
Viertens: die Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung . Durch marktradikale Regeln bei der öffentlichen Auftragsvergabe, Subventionierungsverbote,Marktzugangsverpflichtungen etc. soll den Kommunenjeglicher Gestaltungsspielraum genommen und ein massiver Privatisierungsdruck vor Ort aufgebaut werden .Allein in Deutschland haben sich schon fast 300 Kommunen gegen TTIP ausgesprochen . Auch viele CDU undSPDKommunalpolitiker sind dabei .
Auch der Städtetag, die kommunalen Spitzenverbändeund der Verband kommunaler Unternehmen haben TTIPscharf kritisiert .Das Beispiel passt hier ganz gut: Ich war bei einer Veranstaltung, da haben sich sogar die deutschen Bierbrauer – Herr Kauder ist Botschafter des deutschen Bieres;ich weiß nicht, ob er es immer noch ist – über TTIP undCETA beschwert, weil sie Angst haben, dass das deutsche Reinheitsgebot durch Fracking gefährdet wäre .
Herr Kauder, wenn Sie nicht auf uns hören, auf die Empörungsindustrie, dann hören Sie zumindest auf IhreBierbrauer . Vielleicht wäre das ein guter Fortschritt .
Herr Gabriel, ich möchte Ihnen dringend widersprechen, wenn Sie sagen, dass das nur ein deutsches Problem ist . Wir haben jetzt fast 3 Millionen Unterschriften .Die europäische Bürgerinitiative ist ein großer Erfolg .Herzlichen Glückwunsch dafür! Macht noch weiter mit!Es sind 3 Millionen .
In 23 von 28 Ländern sind die Länderquoren überschritten . Das ist also weit mehr als nur eine deutsche Protestbewegung . Es ist eine europäische .
Alexander Ulrich
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In vielen Ländern, auch in Spanien, Frankreich, Österreich und den Niederlanden, sind Kommunen, die sichgegen TTIP aussprechen . Wenn Sie, Herr Gabriel, das alles ignorieren, dann ist das ein Sargnagel für die europäische Demokratie, für die europäische Sozialstaatlichkeit .Machen Sie diesem Spuk endlich ein Ende! Ihre Parteiwar schon einmal so weit, nur Sie nicht .
Sie müssen Ihre Rede jetzt beenden .
Ja, ich komme zum Ende .
Die Forderungen der Empörungsindustrie, wie Herr
Pfeiffer es nennt, sind vollkommen gerechtfertigt . Wir
teilen sie uneingeschränkt . Ich rufe alle Bürgerinnen und
Bürger auf: Lesen Sie die Rede von Herrn Pfeiffer, lesen
Sie die Rede von Herrn Gabriel, und kommen Sie am
10 . Oktober um 12 Uhr an den Hauptbahnhof in Berlin!
Empört euch!
Nächster Redner in der Debatte: Andreas Lämmel für
die CDU/CSUFraktion .
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Es läuft eigentlich wie immer, wenn wir in den
letzten Monaten über TTIP und CETA diskutiert haben .
Herr Ernst, ich habe Sie stark im Verdacht, dass Sie Ihre
Redemanuskripte sozusagen fünfmal nachnutzen . Das ist
zwar sehr effizient, aber es bringt hier kein einziges neu
es Argument .
Das war heute bei Herrn Hofreiter nicht anders als bei
Ihrer Rede, Herr Ernst .
Wenn man das auf die Politik ummünzt, müsste man
konstatieren: Wenn die Grünen und die Linken an der
Macht wären, gäbe es einen völligen Politikstillstand in
unserem Land .
Denn seit Jahren haben Sie zu diesem Thema nichts an
deres zu sagen als das, was Sie auch heute gesagt haben .
Die Grünen wussten ja gestern im Ausschuss nicht ein
mal so richtig, wo der Antrag abgeblieben war, über den
wir heute diskutieren . Offensichtlich ist Ihre Fraktion
nicht so gut organisiert . Wenn man sich den Antrag ein
mal anschaut, Frau Dröge, dann sieht man, dass das ein
Sammelsurium von Unterstellungen ist . Dazu hat auch
der Minister Stellung genommen .
Wir dürfen doch nicht der Illusion aufsitzen – das
schüren vor allem die Grünen in diesen Diskussionen –,
dass Deutschland der Verhandlungsführer ist und dass
das, was wir in Deutschland an Systemen und Standards
haben, das ist, was die Welt braucht . Da sind viele sehr
gute Dinge dabei; da gibt es überhaupt keinen Zweifel .
Aber ignorieren Sie ganz einfach, dass auch in anderen
Ländern mitgedacht wird, dass sich auch andere Länder
Standards geben, dass sie sich Regelungen geben, die sie
für gut befinden, die aber nicht den deutschen entspre
chen? Diese ignorante Politik betreiben Sie im Prinzip
seit Jahren . Sie sind der Auffassung: Am deutschen We
sen soll die Welt genesen .
Das setzen Sie bei diesen Verhandlungen natürlich ge
nauso fort .
Noch einmal zu dem Aufruf . Bei der letzten Rede ist
ja offensichtlich geworden, dass es heute nicht darum
geht, sachliche Argumente auszutauschen, sondern dass
Sie heute Ihren Demonstrationsaufruf verstärken wollen .
Herr Lämmel, erlauben Sie eine Zwischenfrage von
Dr . Schmidt?
Nein, danke . Ich brauche jetzt keine Zwischenfrage .
Kommen wir zu der Demonstration, die Sie am Wochenende planen . Campact ist ein Unternehmen, dasgegen Geld Kampagnen organisiert; ganz einfach . Diehaben das Prinzip der Marktwirtschaft erkannt . Wer Geldgibt, bekommt seine Kampagne organisiert . Das hatüberhaupt nichts damit zu tun, dass eine solche Vereinigung demokratisch legitimiert wäre, meine Damen undHerren . Das muss man einmal deutlich sagen .Ich meine, man muss sich natürlich auch die Fragestellen, wieso sich eine so große mitgliederfinanzierteOrganisation wie der Deutsche Gewerkschaftsbund mitseinen Mitgliedsorganisationen in das Bündnis „TTIPund CETA stoppen!“ begibt .
Ich frage mich ganz ernsthaft, Herr Ernst, wieso eine solche Organisation ohne demokratischen Beschluss ihrerMitglieder entscheidet,
Alexander Ulrich
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sich einem solchen Bündnis anzuschließen .
Damit entzieht sich der Deutsche Gewerkschaftsbundvollkommen einer unabhängigen Diskussion, weil ersich einseitig festgelegt hat . Damit ist doch klar: Wennwir mit Vertretern des Deutschen Gewerkschaftsbundesdiskutieren, dann müssen wir nicht darüber reden, wiebessere Regelungen aussehen könnten oder welche Befürchtungen die Mitglieder haben . Vielmehr ist klar: DerDGB ist gegen TTIP, und damit ist die Welt für sie zuEnde .
Genau das ist das Problem an der ganzen Sache .Zu der Bürgerbewegung . Sie sprachen von 3 Millionen Unterschriften . Aber auch Sie wissen, dass Europa500 Millionen Einwohner hat . Dann können Sie ja einmal rechnen . 3 Millionen, das ist zwar schon ganz gut .Aber wir wissen auch, wie auf den Straßen Unterschriften gesammelt werden .
Meine Damen und Herren, ich nehme bei verschiedensten Gelegenheiten an Diskussionen über TTIP undCETA teil . Eines fällt immer wieder auf: Wenn man einmal die Chance hat, eine Stunde oder zwei Stunden überTTIP und Freihandel zu diskutieren, dann kommen hinterher 80 Prozent der Leute zu mir und sagen: Ja, dasmuss uns doch einmal jemand erklären . – Genau das istdas Problem an Ihren Kampagnen: Sie verkürzen dasThema auf fünf Hauptsätze und sagen dann: Hier bitteunterschreiben . – Das ist Ihre Art, Unterschriften zu sammeln, und das ist Ihre Art, Kampagnen zu betreiben . Deswegen ist die Verunsicherung bei den Bürgerinnen undBürgern natürlich sehr groß .
Denn eines ist ganz klar: Zu versuchen, ein Freihandelsabkommen mit fünf Kernsätzen zu beschreiben, kannnicht gelingen .
Deswegen, meine Damen und Herren, sind Sie diejenigen, die die große Verunsicherung in Deutschland verbreiten und nichts dazu beitragen, die Diskussion aufordentliche Füße zu stellen .Ich meine, als sich Europa und die Vereinigten Staatenauf den Weg gemacht haben, ein Freihandelsabkommenzu schließen, wussten wir von vornherein, dass das einholpriger Weg ist . Dass es nicht leicht wird, wenn diezwei größten Wirtschaftsräume der Welt versuchen, soein großes Abkommen auf den Weg zu bringen, war allenklar . Sie sagen jetzt: Verhandlungen abbrechen! KeinenSchritt weiter! – Aber Sie wissen doch selber, dass Verhandlungen dazu da sind, unterschiedliche Positionenmöglicherweise zu einer gemeinsamen Position zu bringen . Sonst könnten wir ja überall in der Welt aufhören, zuverhandeln . Wenn es nach Ihren Verhandlungsprinzipienginge, bräuchten wir auf europäischer Ebene über nichtsmehr zu verhandeln, und dann bräuchten wir letztendlichauch in der WTO nicht weiter zu verhandeln .Nun zu den Grünen und ihren Unterstellungen . Sie sagen, Sie befürchten, dass wir das im Rahmen der EU nieschaffen werden . Ja, auch ich denke, dass die Grünen niewieder an die Macht kommen .
Ich kann mich täuschen; aber ich denke das . Ich befürchte, dass Ihnen das angesichts dessen, was Sie so machen,nicht mehr gelingt . Wieso versuchen Sie, die Leute fürdumm zu verkaufen,
anstatt Ihre Positionen einzubringen und zu sagen: „Wirmöchten gerne, dass in diesem Abkommen die und diePunkte berücksichtigt werden“?
Der Minister hat deutlich gemacht: Die Einrichtungeines Handelsgerichtshofes war ein Vorschlag, den Europa eingebracht hat . Wir müssen uns doch nicht verstecken! Sie suggerieren immer, die Amerikaner zögen unsüber den Tisch . Na ja, meine Damen und Herren von denLinken und den Grünen, was denken Sie eigentlich, wieblöd die Leute in Brüssel sind und wie blöd das deutscheParlament ist,
das letztendlich über dieses Vorhaben abstimmen muss?
Das gesamte Verhandlungsergebnis wird in den Deutschen Bundestag kommen . Hier wird darüber diskutiert .Letztendlich wird es dann eine Abstimmung geben, unddann wird man sehen, ob es dafür eine Mehrheit gibt odernicht .Herr Ernst, im Gegensatz zu Campact und solchenHilfsorganisationen, die nicht demokratisch legitimiertsind, ist der Deutsche Bundestag das gewählte Gremiumdes deutschen Volkes, in dem letztendlich diese Entscheidungen getroffen werden müssen .
Insofern kann ich nur sagen: Ihre Stimmungsmache wirdletztlich nicht dazu führen, dass Sie erfolgreich sind .Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, aber wirsind noch lange nicht am Ziel . Darin sind wir uns hierAndreas G. Lämmel
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im Hause auch völlig einig . Wir müssen noch viel in dieVerhandlungen einbringen, und es wird diejenigen, dieam Verhandlungstisch sitzen, sicherlich noch mancheNerven kosten, bis sie zu einer Vereinbarung kommen .Wir können nur hoffen, dass wir in einem absehbarenZeitraum zum Abschluss kommen können .Vielen Dank .
Vielen Dank, Herr Lämmel . – Nächste Rednerin in der
Debatte: Katharina Dröge für Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrter Herr Minister Gabriel, kennenSie eigentlich das Versteckspiel von kleinen Kindern?Wenn kleine Kinder Verstecken spielen, dann halten siesich manchmal die Augen zu und glauben, niemand könne sie mehr sehen .
Ein bisschen erinnert mich das, was Sie hier in den letzten zwei Stunden vorgetragen haben, und die Politik, diedie Bundesregierung in den letzten zwei Jahren gemachthat, auch an dieses Versteckspiel von kleinen Kindern .
Sie scheinen ernsthaft zu glauben, dass niemand die Probleme sieht, die es mit TTIP und CETA gibt, wenn Siesie nicht sehen, sodass Sie sie einfach wegignorierenkönnen .
Schauen wir einmal auf die letzten zwei Jahre: Probleme durch die Einführung von Schiedsgerichten, weilGroßkonzerne Staaten verklagen können, gab es für Sieam Anfang nicht .
Das gilt für beide Seiten . Die SPD ist hier mittlerweile jaschon ein bisschen näher an der Realität, aber die CDU/CSU verweigert die Realität weiterhin . Probleme bei derLiberalisierung von Dienstleistungen durch Negativlisten gab es in Ihrer Wahrnehmung am Anfang nicht . Gefahren für den europäischen Verbraucher und Umweltschutz durch die Schwächung des Vorsorgeprinzips gabes für Sie am Anfang nicht .Alles, was zumindest die Hälfte des Bundestages angemeinsamer Erkenntnis gewonnen hat, ist nicht aufIhren Mist gewachsen . Die Arbeit der Opposition und derNichtregierungsorganisationen, die von Herrn Pfeifferhier so schändlich bedacht wurden, hat zu diesem Erkenntnisgewinn geführt .
Herr Wiese, Sie haben sich hier ja wirklich sehr fragwürdig hingestellt und so getan, als sei die SPD in derLandesregierung BadenWürttemberg der Motor füreinen kritischen TTIPBeschluss gewesen . Von IhrerFraktion habe ich im Deutschen Bundestag – dafür sindSie verantwortlich – noch niemals einen einzigen Antrag zu TTIP und CETA gesehen, mit dem Sie irgendeinePosition zu diesem Abkommen eingebracht haben .
Das wäre aber Ihre Pflicht als Abgeordnete gewesen,wenn Sie sagen, dass Sie hier solche Erkenntnisse gewonnen haben .Jetzt komme ich zu den Kinderspielen zurück . Beikleinen Kindern finde ich das Blinde-Kuh-Spiel manchmal sogar niedlich. Bei Ihnen finde ich das aber nichtwirklich niedlich . Angesichts der Tragweite dieser Abkommen finde ich das sogar höchst unangemessen.Ich möchte Ihnen nur ein neues Beispiel für das BlindeKuhSpiel nennen, das Sie hier versuchen mit demParlament zu spielen . Noch vor der Sommerpause habeich Sie gefragt, wie denn diese neuen Gremien, dieseHauptausschüsse, in CETA ausgestaltet sein sollen . Ichhabe Sie gefragt: Welche Kompetenzen wird der Hauptausschuss in CETA haben? Ist es richtig, dass dieserHauptausschuss die Kompetenz hat, verbindliche Entscheidungen zu treffen, wie Annexe und Protokolle vonCETA zu verändern? Auf die schriftliche Frage von mirund auf die schriftliche Frage von Frau Haßelmann haben Sie geantwortet: Das stimmt nicht .Danach haben wir Ihnen in der Regierungsbefragungnoch einmal die Textstelle des CETAVertragsentwurfsvorgehalten, in der steht, dass dieses Gremium die Kompetenz haben soll, die Anlagen zu verändern . Daraufhaben Sie geantwortet: Ja, okay, das stimmt; ihr habtrecht . – Das haben Sie zwar nicht so klar gesagt, aberwenn man Sie richtig verstanden hat, dann war das genaudie Antwort .
Es gibt nämlich noch das Legal Scrubbing, durch dassich, so hoffen Sie, vielleicht noch etwas ändern wird .Das Problem ist nur: Ich habe Sie vor der Sommerpause auch gefragt, was Sie im Rahmen des Legal Scrubbing an CETA noch ändern wollen . Darauf haben Siegeantwortet: Ein bisschen bei den Schiedsgerichten undein bisschen bei der kulturellen Vielfalt . – Das Thema„Hauptausschuss in CETA“ kam in Ihrer Antwort überhaupt nicht vor .
Noch viel wichtiger finde ich – die Kollegen von derCDU haben ja immer gesagt, das Parlament ist der OrtAndreas G. Lämmel
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der Demokratie, und wir sind gewählt, um über diese Abkommen zu entscheiden –: In CETA ist die Frage, wasnach der Ratifizierung des Abkommens passiert, nichtgeklärt .
Wir haben die Bundesregierung gefragt: Ist sicher, istwirklich abschließend sicher, dass das Europäische Parlament und gegebenenfalls der Deutsche Bundestag nachAbschluss des Abkommens noch beteiligt sein werden,wenn der Hauptausschuss Veränderungen am Abkommen vornimmt?
Da hat die Bundesregierung immer nur gesagt: Ja, das regeln die innereuropäischen Verfahren . Wir haben mehrfach nachgefragt: Kennt die Bundesregierung denn dieinnereuropäischen Verfahren? Meine Interpretation ist:Sie weichen der Antwort darauf aus,
weil Sie ganz genau wissen, dass die Einbindung desEuropäischen Parlaments nicht explizit abgesichert ist .Das ist ein Fehler . Der ist Ihnen nicht aufgefallen, er istIhnen jetzt, durch unsere Nachfragen, erst bewusst geworden, und das möchten Sie nicht zugeben .
– Doch, genau das fordern wir in unseren Anträgen ein .
Herr Barthel, ich muss Ihnen ja zugestehen: Sie sindeiner der wenigen in der Debatte, der diesen Antrag gelesen hat . Die Redner der CDU/CSU haben das anscheinend nicht getan .
Aber zwischen Lesen und Verstehen gibt es noch einenUnterschied .
In unserem Antrag gibt es eine ganze Reihe konkreterVorschläge, die wir gemacht haben, wie eine bessere Handelspolitik in der Europäischen Union aussehen kann .Wir haben dezidiert zu der Frage der HauptausschüsseStellung genommen, haben gesagt: Es muss abgesichertsein, dass das Europäische Parlament einbezogen ist . Wirhaben zu der Frage Stellung genommen: Wie kann mandie Standards in der Europäischen Union absichern? Wirhaben gesagt: Das europäische Vorsorgeprinzip musselementarer Bestandteil aller Handelsabkommen sein .
Das ist in CETA nicht abgesichert . Sie erzählen uns hierimmer wieder, es sei nicht wahr, dass durch CETA oderTTIP Standards abgesenkt werden könnten . Immer wieder erzählen Sie dieselbe Leier .In unserem Antrag haben wir dezidiert an verschiedenen Punkten auch schon für den CETAVertrag nachgewiesen, dass die Standards in Gefahr sind, weil nämlichdas europäische Vorsorgeprinzip, der zentrale Pfeiler, mitdem wir hier unsere Verbraucher und Umweltschutzstandards in Europa absichern wollen, in diesem Vertragstext nicht erwähnt ist . Den hätten Sie verankern müssen,wenn Sie beispielsweise vor dem WTOStaatzuStaatSchiedsverfahren diesen Grundsatz sichern wollen .
Wir werden jetzt schon – das hat Anton Hofreiter gesagt – vor dem WTOStaatzuStaatSchiedsverfahrengenau deshalb verurteilt, weil dieses Vorsorgeprinzipnicht verankert ist . Dasselbe gilt für das Right to regulate, dasselbe gilt für die Absicherung des „hohen Schutzniveaus“ . All das steht in unserem Antrag .
Von der CDU/CSU habe ich keinen einzigen Satz zumInhalt dieses Antrags gehört, keinen einzigen Satz zurDebatte, stattdessen nur Verfahrenskritik oder Beschimpfungen der Zivilgesellschaft .
Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn wir unsere Aufgabe als Parlament ernst nehmen, dann setzen wir uns vernünftig mit diesen Abkommen auseinander . Dann führenwir hier nicht immer eine solch polemische Debatte, inder man sich gegenseitig beschimpft, wer jetzt hier falschargumentiert, und Stilnoten erteilt .
Das tun Sie die ganze Zeit, und das finde ich der Sachenicht angemessen .
Stattdessen können wir uns doch einfach einmal mitden Inhalten der Vertragstexte beschäftigen . Das istviel – 500 Seiten Vertragstext CETA plus 1 000 SeitenAnhänge –, aber da muss eine vernünftige Analyse her .Das Problem ist: Am Ende, wenn die Abkommen ausverhandelt sind, wenn sie dem Deutschen Bundestag vorgelegt werden, dann haben wir als Parlamentarier keineChance mehr, dann können wir nur noch Ja oder Neinsagen .Wenn wir aber in den Verhandlungsprozess hineinwollen, dann müssen wir jetzt unsere Beteiligung einfordern . Dann müssen wir jetzt der Bundesregierung sagen,welche Punkte wir akzeptieren würden und welche Punkte nicht . Deswegen sind Debatten hier im Bundestag sozentral wichtig . Deswegen ist es auch wichtig, dass wirZugang zu den Verhandlungsdokumenten bekommen .
Auch da vermisse ich jegliche Unterstützung der Bundesregierung . Herr Ramsauer und Herr Lammert sind dieKatharina Dröge
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Einzigen hier aufseiten der Bundesregierung, die uns andieser Stelle unterstützt haben . Von der Bundesregierungging bis jetzt nur ein einziger Brief nach Brüssel; das haben Sie auf unsere entsprechende Frage geantwortet,
was Sie tun, um uns zu unterstützen, damit wir hier Zugang zu den Leseräumen bekommen . Da haben Sie gesagt, Sie haben der Kommission einen Brief geschrieben .
Frau Kollegin, die Redezeit .
Ja, die Redezeit – das stimmt –, da achte ich jetzt auch
drauf .
Ich komme jetzt zum Ende meiner Rede .
Da achte ich drauf . Bitte kommen Sie zum Schluss .
Stimmt, das ist dein Job .
Deswegen komme ich jetzt zum Ende meiner Rede .
Ich kann Ihnen wirklich nur sagen: Lassen Sie uns die
Debatte etwas über die Inhalte führen . Wir haben hier
einen Antrag vorgelegt, von dem ich überzeugt bin, dass
er eine gute richtungsweisende Politik für Europa gestal
ten könnte .
Wenn Sie sich dem nicht anschließen wollen, legen Sie
eigene Anträge vor, aber debattieren Sie endlich mit uns
über die Sache .
Vielen Dank, Frau Kollegin . – Der letzte Redner in
dieser wirklich sehr lebhaften Debatte ist Rainer Spiering
für die SPD .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Vorab zu Herrn Ulrich: Der Deutsche Städtetagund alle Wohlfahrtsverbände haben mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ein gemeinsames Papier zu TTIPerarbeitet, das pro TTIP ist, und dafür die Bedingungenfestgelegt . Das kann man aber, glaube ich, nachlesen .Die öffentliche Diskussion über Freihandelsabkommen ist gut, richtig und notwendig . Das erleben wir auchheute . Voraussetzung dafür ist Transparenz .Es ist heute schon mehrfach gesagt worden: Deutschland hat bereits 138 Freihandelsabkommen ratifiziert.Wenn ich mir die Debatte vergegenwärtige, stelle ich mirdie Frage: Welches davon hat uns geschadet? WelchesAbkommen hat uns geschadet, dass diese Emotionenfreigesetzt werden? Ich zumindest habe den Eindruck,dass die Freihandelsabkommen, die wir in der Vergangenheit geschlossen haben, diesem Land ausgesprochengutgetan haben .
Ich glaube, das ist auch der Ansatz, dem wir folgen sollten .Eine Bemerkung möchte ich mir noch erlauben, weilhäufig angesprochen wurde, wie sich die SPD zu SigmarGabriel verhält . Mein eigener Kreisverband hat das tiefund raumgreifend debattiert . Dann haben wir darüberabgestimmt . Dabei ist herausgekommen, dass die Liniedes Wirtschaftsministers zu nahezu 100 Prozent bestätigt worden ist . So erlebe ich meine SPD auch im ganzenBundesgebiet . Wir sind rührig im Diskutieren, aber wirwissen auch, wann der Punkt gekommen ist, der Sachezuzustimmen und dem Verhandlungsmandat Raum zugeben .
Sie erlauben vielleicht, dass ich mit einer gewissen regionalen Betroffenheit argumentiere . Ich habe es geradenoch schnell gegoogelt: Drei der weltweit größten Landmaschinenhersteller mit circa 12 000 Mitarbeitern sind inmeiner Heimatregion .
Das sind alles kleine und mittelständische Unternehmen,die auf dem amerikanischen Markt sehr große Problemehaben, wenn sie ihre Rechte durchsetzen wollen . Dennaufgrund der „Buy America“Gesetzgebung der Amerikaner wird keiner von ihnen in den Vereinigten Staatenvon Amerika klagen . Ich sehe eine sehr große Chance,das Mandat „Buy America“ über das Freihandelsabkommen aufzubrechen . Dann hätten wir völlig andere Marktbedingungen, und zwar Marktbedingungen, die wir gestalten können, wobei wir uns einen ganz anderen Raumgeben könnten .Nehmen Sie das zur Kenntnis! 12 000 Mitarbeiter ineiner Region in einer bestimmten Sparte sind eine richtige Ansage. Ich finde, sie haben das Recht, eine Zukunftzu haben und sich weiterzuentwickeln . Das ist die Aufgabe, die mit einem Freihandelsabkommen, das zu unseren Bedingungen gestaltet wird, durchverhandelt werdenkann .Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung dazu: Wir erleben zurzeit eine gigantische Auseinandersetzung aufdem Automobilsektor, was selbstfahrende Fahrzeugeangeht . Google und Co . strecken ihre Finger aus, unddie deutsche Automobilindustrie hat große Probleme .Katharina Dröge
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Bei unserem Landmaschinensektor sieht das anders aus .Die ITPlattformen werden zurzeit noch in Deutschlandselber hergestellt: mit unseren Sicherheitsstandards . Parallel dazu sind in den Vereinigten Staaten von AmerikaMonsanto und Google unterwegs . Ich würde mir zumSchutz unserer heimischen Industrie wünschen, dass wirgemeinsame Standards erwirken können, die auch denDatenschutz umfassen und unseren Herstellern eine faireChance geben, sich auch auf dem ITSektor zu behaupten . Aber diese Chance bekommen Sie nur, wenn Sie verhandeln, Kolleginnen und Kollegen, statt ein Verhandlungsmandat abzulehnen .Herzlichen Dank .
Vielen Dank, Herr Kollege . – Liebe Kolleginnen und
Kollegen, damit schließe ich diese Aussprache .
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/6197 an die in der Tagesordnung aufge
führten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein
verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung
so beschlossen .
Ich komme zum Tagesordnungspunkt 4 b . Abstim
mung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses
für Wirtschaft und Energie auf Drucksache 18/4969 . Der
Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschluss
empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 18/1093 mit dem Titel „Die Ver
handlungen zum EUUSAFreihandelsabkommen TTIP
stoppen“ . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Die Frak
tion Die Linke . Wer enthält sich? – Die Fraktion Bünd
nis 90/Die Grünen . Damit ist diese Beschlussempfehlung
mit den Stimmen der Koalition angenommen worden .
Ich komme zu dem Buchstaben b der Beschlussemp
fehlung. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die
Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 18/1457 mit dem Titel „Für ein
starkes Primat der Politik – Für fairen Handel ohne De
mokratieOutsourcing“ . Wer stimmt für diese Beschluss
empfehlung? – Die Koalition . Wer stimmt dagegen? –
Die Opposition . Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht
der Fall . Dann ist diese Beschlussempfehlung ebenfalls
mit den Stimmen der Koalition angenommen worden .
Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c
seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des An
trags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa
che 18/1964 mit dem Titel „Stellungnahme im Rahmen
des Konsultationsverfahrens der Europäischen Kommis
sion zum Investitionsschutzkapitel im geplanten Trans
atlantischen Freihandelsabkommen TTIP“ . Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition . Wer
stimmt dagegen? – Die Opposition . Enthaltungen? –
Keine . Dann ist auch diese Beschlussempfehlung mit den
Stimmen der Koalition angenommen worden .
Wir kommen zu dem Buchstaben d der Beschlussvor
lage des Ausschusses. Unter Buchstabe d empfiehlt der
Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die
Linke auf Drucksache 18/4090 mit dem Titel „CETA
Verhandlungsergebnis ablehnen“ . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wiederum die Koalition . Wer
stimmt dagegen? – Die Opposition . Gibt es Enthaltun
gen? – Das ist nicht der Fall . Dann ist die Beschlussemp
fehlung mit den Stimmen der Koalition angenommen
worden .
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchsta
be e seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck
sache 18/2620 mit dem Titel „Keine Klageprivilegien
für Konzerne – CETAVertragsentwurf ablehnen“ . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition .
Wer stimmt dagegen? – Die Opposition . Wer enthält
sich? – Niemand . Dann ist diese Beschlussempfehlung
ebenfalls mit den Stimmen der Koalition angenommen
worden .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zum
Tagesordnungspunkt 5:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe zu der Unter
richtung durch die Bundesregierung
Elfter Bericht der Bundesregierung über ihre
Menschenrechtspolitik
Drucksachen 18/3494, 18/6183
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke vor .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Dazu höre ich
keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache . Als erster Redner in der
Debatte hat Frank Schwabe von der SPDFraktion das
Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir diskutieren heute über den elften Menschenrechtsbericht der Bundesregierung . Interessanterweise istgleichzeitig der Menschenrechtskommissar des Europarats in Berlin . Ich weiß nicht, ob das Zufall ist . Aberes ist nicht schlecht, auch seinen Bericht zur Menschenrechtslage in Deutschland zur Kenntnis zu nehmen . DerMenschenrechtsbericht der Bundesregierung betrachtetgleichberechtigt die Menschenrechtslage im Inland wieim Ausland . Das kann man schon an der Dicke und derSeitenzahl erkennen . Es ist wichtig, den Blick ins Inlandzu wenden, zum einen weil es in der Tat viele Verletzungen von Menschenrechten im Inland gibt – die Lage derMenschenrechte in Deutschland ist vielleicht besser alsin manchen anderen Ländern, aber sie ist nicht perfekt –und zum anderen weil der Blick ins Inland uns überhaupterst das Recht gibt, ins Ausland zu schauen und andereStaaten für ihre Menschenrechtspolitik zu kritisieren .Rainer Spiering
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Ich will zur Flüchtlingsdebatte nicht so viel sagen,weil darüber schon heute Morgen intensiv diskutiertwurde . Aber ich will ein Zitat vortragen und zwei Bittenäußern . Das Zitat lautet: „Die Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigt sich nicht zuletzt daran, wie sie mit denschwächsten Mitgliedern umgeht .“ Das Zitat könnte vonvielen stammen . Es gibt viele ähnliche Zitate . Aber dieses Zitat stammt von Helmut Kohl aus dem Jahr 1998 .Damit möchte ich zwei Bitten verbinden . Die erste Bittelautet: Ich bitte alle, die sich an der Debatte beteiligen,auf die Sprache zu achten, auch wenn man unterschiedlicher Meinung ist .
Man sollte darüber nachdenken, ob es zum Beispiel angemessen ist, von Flut, Welle und Überschwemmung zusprechen, wenn es letztendlich um Menschen geht .
Ich finde, dass – einige werden wissen, wem die folgenden Zitate zuzuordnen sind – Sprüche wie „Der Griechehat genug genervt“ oder „Die Gesetze macht bei unsnicht der Prophet“ alles andere als hilfreich sind, wenn esum die dringend notwendige Versachlichung der Debattegeht .
Die zweite Bitte lautet – auch sie hat etwas mit Menschenrechten zu tun –, darüber nachzudenken, wie wirmit Menschen umgehen, die zu uns kommen, und unterwelchen Bedingungen wir es Menschen ermöglichenwollen, zu uns zu kommen . Das Bild des ertrunkenenkleinen Jungen ging um die Welt; alle haben darüber geredet . Ich habe den Eindruck, dass der eine oder anderedieses Bild gerade vergisst .Ich will zur Flüchtlingsdebatte nicht sehr viel sagen,aber ich will sagen, dass wir versuchen müssen, denMenschen die Chance zu geben, auf eine vernünftige Artund Weise zu uns zu kommen, auch um Zuwanderungsteuern zu können . Ich werde nicht vergessen, mein ganzes Leben nicht, denke ich, dass ich vor ein paar Wochenim Libanon in Flüchtlingslagern war und dort zwei Jungsgetroffen habe, die ganz gespannt auf mich waren, aufden Besuch aus Deutschland, weil sie die Chance haben,jetzt über Kontingente nach Deutschland zu kommen .Ein paar Tage später war dann überall das Bild des Jungen, der an der Küste angeschwemmt wurde .Ich kann einfach nicht verstehen, warum die einen sozusagen die Chance haben, vernünftig nach Deutschlandzu kommen, zu überleben, und die anderen nicht . Deswegen plädiere ich dafür, dass wir für vernünftige Kontingentlösungen, für ResettlementProgramme sorgen . Wirkönnen nicht sagen, dass jeder kommen soll; wir könnenaber eine Steuerung hinbekommen, indem wir zum Beispiel sagen: Wir nehmen 200 000 pro Jahr in Europa auf .Ihr könnt dieses Verfahren aber nur von dort aus betreiben, wo ihr euch befindet. Macht euch nicht auf diesenhalsbrecherischen Weg, sondern versucht, das Verfahrenaus dem Land heraus zu betreiben, wo ihr seid . – Ichglaube, das wäre zumindest eine Möglichkeit .
– Angegliedert . Wir sind zuständig, jedenfalls was denHaushalt angeht . – Jetzt geht es aber darum – das sageich auch –, über die finanzielle Ausstattung zu reden.Wenn man mehr Aufgaben hat, dann muss man auch gutausgestattet werden, um diese Aufgaben bewältigen zukönnen .Wir haben andere Institutionen wie zum Beispiel dieAntidiskriminierungsstelle des Bundes oder die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter . Auch da kann esVerbesserungen geben; auch dort haben wir Verbesserungen durchgesetzt . Es braucht am Ende eine vernünftigeFinanzausstattung, damit diese Institutionen ordentlichwirken können .Es gehört auch dazu, über die Performance und eineverbesserte Finanzausstattung des Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und HumanitäreHilfe zu reden . Auch da ist noch der eine oder andereSpielraum .
Wir führen wichtige Debatten zum Thema Flüchtlingsaufnahme . Ich habe es gerade gesagt . Wir werdendas schaffen; da bin ich mir sicher . Ich glaube, wir werden in dieser Gesellschaft auch daran wachsen . Aber esist eine große Herausforderung, ganz zweifellos, eineHerausforderung im Inland; es ist aber auch eine Herausforderung für uns, zu verstehen, dass das, was wir imInland tun und diskutieren, auch etwas mit dem zu tunhat, was wir im Ausland tun und diskutieren . Es hat etwaszu tun mit auswärtiger Politik, mit Menschenrechtspolitik, mit Entwicklungspolitik . Deswegen reden wir überFriedenspolitik, über Diplomatie, manchmal auch überGewalt, die wir einsetzen müssen, um Menschenleben zuschützen, um Menschenrechte durchzusetzen .Wir müssen auch über die humanitäre Hilfe und dieEntwicklungspolitik reden . Aber es kommt eine neue Dimension dazu – ich glaube, das muss man sich angesichtsFrank Schwabe
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der Dramatik der Situation klarmachen –, eine neue Dimension von Entwicklungs und Menschenrechtspolitik .Zu der bürgerlichen Dimension der Menschenrechte –Unversehrtheit, Schutz des Lebens, gleiche Rechte vorGericht – kommen eine wirtschaftliche und eine sozialeDimension der Menschenrechte . Sie geraten in den Fokus, und ich finde, wir müssen die Debatte jetzt führenund ernst nehmen .Deswegen ist es gut, dass der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages in der nächstenWoche in Mexiko und Peru sein wird, um sich über dieAuswirkungen von Handels und Rohstoffabkommen zuinformieren . Wir haben dazu gestern eine Anhörung imAusschuss gehabt . Es ist auch gut, dass im AuswärtigenAmt ein Nationaler Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ erarbeitet wird – zusammen mit der Zivilgesellschaft . Ich bin dabei für ganz viel Dialog . Ich binfür ganz viele Regeln, für Austausch darüber, wie mandas besser machen kann, wie man die Wirtschaft nutzenkann, um Menschenrechte zu schützen .Am Ende, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht esaber auch um die Frage der Verbindlichkeit und die Frage der verbindlichen Durchsetzung von Regeln . Dabeireden wir darüber, dass es endlich dringend notwendigist, dass Deutschland das ILOÜbereinkommen 169 ratifiziert und ebenso das Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt .
Wenn wir über die internationale Dimension der Menschenrechtspolitik reden – nun bleibt mir nicht mehrganz so viel Zeit –, will ich sagen, dass ich stolz daraufbin, dass die Europäische Union und die 47 Mitgliedsländer des Europarats sich dazu bekennen, die Todesstrafenicht anzuwenden . Das ist immer wieder ein Thema; aberman kann es hier leider nicht oft genug ansprechen, weiles die Todesstrafe immer noch gibt und sie in vielen Ländern der Welt noch vollstreckt wird .Die Todesstrafe ist nicht nur eine Barbarei, sonderndie, die sie vollstrecken, verstoßen sehr häufig gegenUNAbkommen, die sie selbst unterzeichnet haben . Beispielhaft zu nennen ist hier der Fall von Ali MohammedalNimr, der zur schiitischen Minderheit SaudiArabiensgehört und der bei einer Demonstration dabei war undjetzt getötet werden soll – geköpft und gekreuzigt . Er war17 Jahre alt, als er die Tat, derer er beschuldigt wird, begangen haben soll . Ebenso zu nennen ist Abdul Basit ausPakistan . In Pakistan ist die Aussetzung der Todesstrafeaufgehoben worden, angeblich um Terroristen zu strafen .Am Ende straft man sozusagen aber Menschen, die wegen ganz anderer Verbrechen angeklagt sind . Bei AbdulBasit ist es nicht nachvollziehbar, warum er überhauptverurteilt wurde . Tatsache ist: Er ist querschnittsgelähmtund soll trotzdem hingerichtet werden . Hingerichtet wurde vor wenigen Stunden Kelly Gissendaner aus Georgiain den USA. Ich finde, es ist besonders schmerzhaft, dasswir die USA immer wieder in die Reihe dieser Staateneinreihen müssen .
Zum Glück wenden viele Staaten die Todesstrafe nichtmehr an . 95 Prozent der Vollstreckungen der Todesstrafefinden in wenigen Ländern der Welt statt. Die USA sindin schlechter Gesellschaft mit China, dem Iran, SaudiArabien, dem Sudan und dem Jemen . Zum Glück sinktauch die Zustimmung in den Vereinigten Staaten . Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, finde ich, istimmer wieder ein Appell an die Vereinigten Staaten, aberauch an Japan nötig: Schafft die Todesstrafe ab . Begebteuch nicht in die falsche Gesellschaft .Vielen Dank .
Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Inge Höger
von der Fraktion Die Linke das Wort .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Grenzen überwinden“, so lautet das Motto zum diesjährigenTag der Deutschen Einheit . Es könnte auch ein gutesMotto für die Menschenrechtspolitik der deutschen Bundesregierung sein . Nicht nur die Grenzen zwischen denLändern sind zu überwinden – obwohl dies aktuell vongrößter Dringlichkeit ist –, sondern auch die Grenzenzwischen Armut und Reichtum .
Außerdem geht es auch darum, blinde Flecken zu erkennen und Mauern in den Köpfen zu überwinden . Fürdie Überwindung von Grenzen ist der vorliegende Menschenrechtsbericht leider ein schlechtes Beispiel . Er istdurchzogen von zwei gefährlichen Grundannahmen:erstens, dass in Deutschland alles in Ordnung sei, undzweitens, dass Deutschland und die EU für das Elend inanderen Teilen der Welt keine oder nur eine geringe Verantwortung tragen .
Während führende Politikerinnen und Politiker hierim Land gerne von Freiheit und Verantwortung reden,bleiben die konkreten Schlussfolgerungen häufig weithinter dem Notwendigen zurück . Wir erleben zurzeit,dass Menschen, die aus Not und Elend fliehen, Tag fürTag Grenzen überwinden oder dies zumindest versuchen. Einige der Gründe für die Flucht finden wir imMenschenrechtsbericht, doch wesentliche Aspekte derFluchtursachen bleiben ausgeblendet . Es wird Zeit, dasssich die Bundesregierung der Verantwortung stellt, dieunser Land für Menschenrechtsverletzungen und Fluchtursachen hat .
Es fehlt in dem Bericht vieles, wofür die Politik inDeutschland mitverantwortlich war und ist: Der Klimawandel wird durch die Industrienationen wesentlichmitverursacht und führt zu neuen Fluchtursachen in derFrank Schwabe
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Welt . Die deutsche und europäische Außenhandels undWirtschaftspolitik, die Liberalisierung von Handelsbeziehungen, die Ressourcenausbeutung und der Exportvon subventionierten Lebensmitteln gefährden die Menschenrechtslage in Drittstaaten . Deutsche Rüstungsexporte wirken wie Öl im Feuer zahlreicher Kriegs undKrisennationen . Konsequente Menschenrechtspolitikheißt deshalb auch: Freihandel beenden und Rüstungsexporte stoppen .
Eine Politik, die sich am Schutz von Menschenrechtenausrichtet, hätte weltweit einen positiven Effekt . EinenAnfang könnte die Bundesregierung zum Beispiel miteiner verbindlichen Menschenrechtsprüfung bei Investitionen deutscher Firmen im Ausland machen .Jahr für Jahr sterben 2,6 Millionen Kinder unter fünf Jahren an Unterernährung, und weltweit haben etwa 800 Millionen Menschen nicht genügend zu essen . Wie könnenSie es da zulassen, dass deutsche und europäische Unternehmen Kraftstoffe aus Biomasse importieren? Warumbeginnen Sie nicht umgehend damit, die Spekulationenauf Nahrungsmittel an den Börsen zu verbieten?
Das wäre wirkungsvolle und vorbildliche deutsche Menschenrechtspolitik .In vielen Bereichen profitieren deutsche Unternehmenund Banken von Menschenrechtsverletzungen und Notlagen auf der ganzen Welt . Warum hilft die Bundesregierung dabei, international exklusive Rechte zur Verwertung von Arzneimitteln durchzusetzen? Das führt dazu,dass in ärmeren Regionen die adäquate Behandlung vonInfektionskrankheiten wie Malaria, Tuberkulose oderAids erschwert wird . Für die Linke stehen die Rechte derMenschen über den Profitinteressen der Unternehmen.Der Zugang zu angemessener medizinischer Versorgungist ein Menschenrecht .
Für die Linke stehen Menschenrechte auch überBündnissolidarität . Wir werden nicht schweigen, wennMilitärbasen in Deutschland von NATOVerbündeten genutzt werden, um Drohneneinsätze durchzuführen . Killerdrohnen sind ein massiver Angriff auf das Menschenund Völkerrecht .
Deswegen muss diese Technologie global geächtet werden .
Die Kriegs und Besatzungseinsätze der Bundeswehrund ihrer Verbündeten tragen weltweit zur Destabilisierung und Zerstörung ganzer Gesellschaften bei . Siebinden Ressourcen, die für eine friedliche Krisenbewältigung fehlen . Bitte erklären Sie jetzt nicht, der im Anschluss an diese Debatte auf der Tagesordnung stehendeEUMittelmeereinsatz sei ein Beitrag zum Schutz derMenschenrechte . Ich leugne nicht, dass zahlreiche Menschen von Militärschiffen im Mittelmeer gerettet wurden .Ich bezweifle aber, dass es bei diesem Einsatz tatsächlichum die Rettung von Flüchtlingen geht . Denn dann wäreeine zivile Rettungsmission sehr viel sinnvoller .
Noch besser wären sichere und legale Einreisemöglichkeiten .Sehr verräterisch in diesem Zusammenhang ist dieTatsache, dass das Sterben im Mittelmeer im vorliegenden Bericht keine Rolle spielt . Dabei sind zwischenzeitlich Zehntausende von Ertrunkenen im Mittelmeer einedirekte Folge der europäischen Abschottungspolitik .Menschenrechtspolitik geht definitiv anders. Die Linkefordert deswegen, dass in den künftigen Berichten dieeuropäische Flüchtlingspolitik und die Fluchtursachen ineinem eigenen Kapitel ehrlich aufgearbeitet werden .Auch die Situation von Flüchtlingen in anderenEUStaaten ist kritisch zu betrachten . Mit Lagern wiein Ungarn, neuen Grenzanlagen und zäunen quer durchEuropa dürfen wir uns nicht abfinden.
Auch der Umgang mit Flüchtlingen hierzulande ist genau zu betrachten. Warum befinden sich im Widerspruchzur UNKinderrechtskonvention immer noch Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren in Abschiebehaft? Warum helfen deutsche Bundespolizisten der ungarischenRegierung bei deren Abschottungspolitik?
Das muss aufhören .
Neben der großen Hilfsbereitschaft gibt es in Deutschland leider auch einen tief verankerten Rassismus in derBevölkerung und bei staatlichen Institutionen .
Im Zuge der Aufarbeitung der NSUMorde darf das Thema „Geheimdienste und Menschenrechtsverletzungen“nicht vergessen werden . Wir dürfen rassistische und faschistische Tendenzen in unserer Gesellschaft nie mehrkleinreden .
Wie kann es sein, dass es zwischenzeitlich etwa70 Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben hat,aber nur 10 Verdächtige ermittelt wurden? Wie kann essein, dass in diesem Land diejenigen, die anders aussehen, besonders häufig in Polizeikontrollen geraten?Dabei widersprechen Personenkontrollen aufgrund derHautfarbe dem Gleichbehandlungsgrundsatz .
Die Linke kämpft für ein Land, in dem Menschenrechtefür alle gleichermaßen gelten, nicht nur auf dem Papier .Zu Beginn meiner Rede habe ich das Motto „Grenzenüberwinden“ zitiert . Dies funktioniert nur mit Solidarität .Dazu gehört, dass breite Schultern mehr tragen könnenals schwache . Es ist deswegen absolut unverständlich,Inge Höger
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warum bei der Finanzierung der Kosten für die Integration von Flüchtlingen verschiedene Gruppen in prekärenLebenslagen gegeneinander ausgespielt werden .
Warum darf der Mehrbedarf durch Kürzungen in anderenEtats finanziert werden, während es einen Haushaltsüberschuss gibt? Deutschland muss in den sozialen Friedeninvestieren . Das bedeutet mehr Geld für den sozialenWohnungsbau, Kampf gegen Steuerflucht und nicht zuletzt, endlich die Superreichen in diesem Land ausreichend zur Kasse zu bieten .
Grenzen überwinden heißt Armut überwinden – inDeutschland und weltweit .Vielen Dank .
Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Erika Stein
bach von der CDU/CSU Fraktion das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Der Elfte Menschenrechtsbericht der Bundesregierungmit all seinen bedenkenswerten Facetten ist heute zu beraten . Es ist ein umfangreiches Paket, in dem viele Themen und Dinge bezüglich der Menschenrechte dargelegtwerden .Es gibt zurzeit ein Thema, das in Deutschland, in Europa und vor unserer Haustür im Nahen Osten alles überlagert: Die Völkerwanderung in Richtung Europa, hier insbesondere nach Deutschland, beschäftigt die Menschenim Lande . Damit eng verbunden ist ein gravierendesMenschenrechtsthema . Die aktuellen Migrantenströmezeigen die Anziehungskraft unseres Landes . Hunderttausende aus dem Nahen Osten und Afrika suchen in diesenTagen und Monaten das, was ihnen in der Heimat fehlt .Sie suchen ein Leben in Sicherheit . Sie suchen ein Lebenin Freiheit und in Wohlstand . Illegitim ist das nicht .Heute sind weltweit 60 Millionen Menschen auf derFlucht oder auf der Wanderung und damit auf der Suchenach einem anderen Ort für ihr neues Leben . Neu für unsist diese Erkenntnis nicht . Im Menschenrechtsausschussdes Deutschen Bundestages beschäftigen wir uns seitJahren mit den zunehmenden Wanderungsströmen .Bereits bei der Einbringung des Haushaltes im vorigen Jahr habe ich darauf hingewiesen, wenn Deutschland, wenn Europa, wenn die demokratischen Staatendieser Welt nicht gemeinsam alles tun, um das massenhafte Elend am Entstehungsort zu lindern, dann werdenwir früher oder später in unserem Land die Folgen spüren . Die pure Not hat Menschen hierher getrieben, weildie Völkergemeinschaft nicht alles getan hat, um vor OrtLinderung zu schaffen . Die meisten Menschen würdendoch gerne in der Heimat oder nahe der Heimat bleiben .Dafür hat es in den letzten Jahren viel zu wenig Hilfestellung gegeben, im Gegenteil . Was ist geschehen? DerUNHCR, die Vereinten Nationen haben die Mittel fürNahrung in den Flüchtlingscamps im Nahen Osten fasthalbiert, weil die anderen Länder das Geld nicht bezahlthaben, das der UNHCR benötigt . Das ist eine Schandefür die Weltgemeinschaft; das muss man deutlich sagen .
Der Europäischen Union war das nicht unbekannt . DieEuropäische Union hat nicht alles getan . Sie hat die Augen und Ohren vor dem verschlossen, was sich vor denToren Europas tut . Allein mit dem Retten von Menschenim Meer ist es nicht behoben . Mehr noch: Die Europäische Union hat seit Jahren die katastrophale Flüchtlingslage in Griechenland und in Italien – wie oft haben wiruns im Menschenrechtsausschuss mit dieser Thematikauseinandergesetzt – fahrlässig, ja sträflich hingenommen und damit dazu beigetragen, dass sich die Karawane der Migranten heute in Richtung Europa, in RichtungDeutschland bewegt .Deutschland ist ein Land mit wirklich großer Hilfsbereitschaft . Es ist erfreulich, das zu sehen . Es ist erfreulich, zu sehen, dass das Betreuen von Flüchtlingenfast überwiegend mit ehrenamtlichen Kräften möglichgemacht wird . Das ließ sich selten so erkennen wie beider Betreuung von Hunderttausenden Flüchtlingen inden letzten Wochen, die innerhalb einer kurzen Zeit zuuns gekommen sind . Jeder Mensch, der nach Deutschland kommt, muss und soll menschenwürdig behandeltwerden – das ist unser Anspruch –, ob er hierbleiben darfoder ob er zurückgeschickt werden muss .Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, werAugen hat, um zu sehen, weiß, dass die Grenzen der Aufnahmefähigkeit hier im Lande erreicht sind . SprechenSie mit den Bürgermeistern, mit den Landräten vor Ort .Die Situation in den Lagern – anders kann man es nichtnennen – wie Messehallen, Turnhallen, Zeltlager machtes deutlich; noch so viel Hilfsbereitschaft kann nicht darüber hinwegtäuschen .Wenn wir auf der einen Seite Hilfsbereitschaft zeigen,dann müssen wir auf der anderen Seite die Augen für dasoffen halten, was es noch gibt: Die Zustände, die inzwischen in den Masseneinrichtungen und in ihrem Umfeldzu beobachten sind, müssen uns alarmieren . Wir dürfendarüber nicht einfach den Mantel des Schweigens ausbreiten . Es spricht sich trotzdem herum; also müssen wirdarüber reden .Gewaltausbrüche zwischen Asylsuchenden sind nachAngaben des Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Herrn Wendt, seit Wochen zu beobachten .Insider wissen das schon seit längerer Zeit . Religiöse undethnische Konflikte sind nach Deutschland importiertworden . Es haben sich teilweise Clans herausgebildet,die um die Vorherrschaft in den Lagern gewalttätig ringen . Die Leidtragenden sind oftmals Frauen und Kinder .Sie sind in diesen Einrichtungen immer wieder sexuellenÜbergriffen bis hin zur Vergewaltigung ausgesetzt . Auchwerden Frauen zur Verschleierung gezwungen . UnsereInge Höger
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Polizei und die Ordnungskräfte, auch die nichtausgebildeten Ordnungskräfte, sind mit diesen Situationen oftmals überfordert .Die ungeheure Zahl von Menschen, die mit einemganz anderen Wertefundament hierhergekommen sind,hat mit dazu beigetragen, dass leider das Recht häufignicht mehr umgesetzt werden kann, weder in den Aufnahmeeinrichtungen noch in deren Umfeld . Darüber hinaus sind Hunderttausende abgetaucht und befinden sichillegal im Lande .Diese Situation muss Menschenrechtsengagierte hellhörig machen . Die Grenze dessen, was Deutschland anHilfe leisten kann, ist längst überschritten . An die Linkegerichtet: Nur ein Narr gibt mehr, als er hat .
Das Elend dieser Welt mit 60 Millionen flüchtendenMenschen lässt sich weder in Deutschland noch in Europa heilen, beim allerbesten Willen nicht .
Der gute Wille hier im Lande ist doch jeden Tag sichtbar .Was ist zu tun?
Was haben wir für Möglichkeiten? Es muss baldmöglichst gelingen, alle, die nicht hierbleiben dürfen, wiederzurückzuschicken . Wenn man die einzelnen Schicksalesieht, dreht es einem schon das Herz im Leib herum .Aber wir haben eine Gesamtverantwortung . Wir alle, diewir hier sitzen, sind für dieses Land verantwortlich . Aberdas wird nicht reichen .Wir müssen den Zuwanderungsstrom so konsequentwie möglich stoppen . Wir müssen dazu beitragen, in denHerkunftsländern und in deren Anrainerstaaten, auchmithilfe der Europäischen Union, die Versorgung derMenschen mit den elementarsten Dingen zu sichern . Esdarf nicht sein, dass die Menschen in den Flüchtlingseinrichtungen im Nahen Osten Hunger leiden, sie nichtgenug zu trinken bekommen und die Kinder nicht in dieSchule gehen können . Das, was wir leisten können, sollten wir vor Ort, also heimatnah, zu implementieren versuchen .
Was Deutschland betrifft: Wenn wir nicht auf eine katastrophale Situation zusteuern wollen, müssen wir einGrenzregime implementieren, mit dessen Hilfe Nichtasylberechtigte sofort abgewiesen werden . Wenn wirMenschenrechte ernst nehmen, dann ist das unverzichtbar, um hier unseren Menschenrechtsstatus zu erhaltenund ungute Strömungen nicht aufwachsen zu lassen . Warum sage ich das? Wir haben kaum noch Möglichkeiten,noch mehr Menschen hier unterzubringen . Jeder möge inseinem Wohnort nachsehen, wo es dort noch Möglichkeiten gibt .Für diejenigen, die das Recht haben, hierzubleiben,wird es nicht reichen, unsere Sprache zu sprechen . Siemüssen sich auch mit unseren Werten auseinandersetzen .Diese müssen sie respektieren . Sie müssen auch gewisseGewohnheiten ablegen . Wenn ich in Frankfurt sehe, dasseine Muslima drei Schritte hinter ihrem Mann läuft, dannwiderspricht das dem Menschenrechtsstatus der Gleichberechtigung von Mann und Frau .Das bedeutet auch, dass wir die Grenzen im Zusammenleben aufzeigen müssen . Das heißt, Regeln undWerte, die unser schönes Land ausmachen und die dasMiteinander so auskömmlich und erfreulich machen,sollten wir offensiv vertreten . Wer Menschenrechte inDeutschland tatsächlich ernst nimmt, der muss auf dieEinhaltung dieser Regeln dringen . Ich glaube, das ist dereinzige Weg, den wir gehen können .Ich bedanke mich .
Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Omid
Nouripour von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das
Wort .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! FrauKollegin Steinbach, was Sie beschrieben haben, ist völlig richtig: Es gibt auch in den Aufnahmeeinrichtungengroße Probleme, Ausschreitungen und Gewaltanwendungen . Davon muss man sprechen; da haben Sie völligrecht . Zur Redlichkeit gehört aber auch, davon zu sprechen, wie die Zahl der Anschläge auf diese Einrichtungen in den letzten Wochen und Monaten explodiert ist .
Meine Damen und Herren, es ist gut, dass alle zweiJahre ein Menschenrechtsbericht vorgelegt wird . Es istgut, dass wir alle zwei Jahre die Möglichkeit haben, diesen hier zu diskutieren . Das gibt uns im Hohen Hause dieMöglichkeit, über die Lage der Menschenrechte im Allgemeinen und über die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung im Besonderen zu diskutieren .An dieser Stelle möchte ich – ich glaube, nicht nurin meinem eigenen Namen – einen herzlichen Dank anChristoph Strässer aussprechen . Christoph, du machsteine unglaubliche Arbeit unter widrigsten Umständen, dubohrst sehr dicke Bretter . Herzlichen Dank dafür!
Es ist gut, dass es hier einen Konsens gibt, dass dieFrage der Menschenrechte kein Thema der Innenpolitikoder der Außenpolitik ist, sondern Thema von beiden .Erika Steinbach
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Der Bericht besteht zum Großteil aus einer Auflistungvon Einzelaktivitäten . Im Übrigen wurden alle 19 Handlungsbereiche der Bundesregierung unverändert aus demalten Aktionsplan übernommen . Auch diesmal bleibt derBericht unscharf und asymmetrisch . Menschenrechtsverletzungen im Westen, wie zum Beispiel in Guantánamo,werden kaum thematisiert; stattdessen liegt der Fokus aufdem globalen Süden und dem Nahen Osten .Der Bericht lässt offen, was das Ziel deutscher Menschenrechtspolitik ist . Sie soll eine „Querschnittsaufgabe“ sein . Aber was heißt das? Was folgt daraus? Was willdie Bundesregierung mit ihrer Menschenrechtspolitikbewirken? Und vor allem: Wo ist eigentlich die Selbstkritik? Haben wir wirklich alles perfekt gemacht? DieBundesregierung muss die Stellen nachvollziehen undbenennen, an denen ihre eigene Politik zu Menschenrechtsverletzungen beigetragen hat, damit das ThemaMenschenrechte nicht nur eine leere Floskel bleibt .Meine Damen und Herren, 2014 war ein katastrophales Jahr für die Menschenrechte, 2015 ist noch schlimmer . Wir sehen jeden Tag, wie die Weltgemeinschaft beider Durchsetzung der Menschenrechte kläglich versagt .Menschenrechtsverletzungen treffen die Schwächstenund Unschuldigsten . Ob in der Zentralafrikanischen Republik, im Irak, in Syrien, Palästina, Südsudan oder derUkraine – Gewalt gegen Kinder, in all ihren Ausprägungen, erreichte im vergangenen Jahr ein unbegreiflichesAusmaß . Das Grauen der Gewalt macht uns fassungslos und viel zu häufig auch sprachlos. Aber es ist unserePflicht, darüber zu sprechen.Sprechen wir über Folter an Kindern . Gerade inKriegsgebieten sind Kinder brutalster körperlicher undgeistiger Folter ausgesetzt . Ich empfehle niemandem,Berichte über einzelne Fälle aus Syrien zu lesen, die Amnesty International vorgelegt hat . Aber wir müssen unsmit dem Thema beschäftigen . Auch in Deutschland istdie Umsetzung der AntiFolterKonvention noch nichtvollständig gewährleistet . Man sieht ja, wie überfordertviele sind, weil die Mittel für die Unterstützung traumatisierter Flüchtlingskinder fehlen .Sprechen wir über Kinder auf der Flucht . Etwa30 Millionen minderjährige Menschen mussten ihre Heimat verlassen . Die Zahl der alleine Fliehenden hat sich2014 fast verdoppelt . Wir sehen: Unsere Kommunen sindfinanziell und auch personell damit überfordert, diesejungen Menschen so zu versorgen, wie sie es brauchen .Sprechen wir über Kinderarmut . Armut hat viele Gesichter . Nicht nur in Nordkorea hungern derzeit Kinder .Wir sehen, dass in Indien trotz konstitutioneller Aufhebung des Kastensystems nach wie vor die Praktikender Unberührbarkeit existieren. Häufig werden Dalit-Kinder – das sind Kinder aus der untersten Kaste – inSchulen gezielt ausgegrenzt: Sie müssen Toiletten putzen, beim Unterricht auf dem Boden sitzen oder werdengeschlagen, und das alles vor den Augen der anderen . Sowird die Saat der Diskriminierung immer weiter fortgepflanzt.Sprechen wir über Kinderarbeit . Weltweit arbeitenetwa 168 Millionen Kinder – sehr häufig als Sklaven –auf Plantagen, auf Müllkippen, in Minen oder werden zurProstitution gezwungen . Diese Arbeit hinterlässt lebenslange physische und psychische Spuren . Im Bericht steht:Die Bundesregierung engagiert sich fortan im weltweiten Kampf gegen Kinderarbeit .Das ist gut, das ist begrüßenswert . Ich kann aber nur appellieren, endlich verbindliche Regeln auf den Weg zubringen,
etwa Regeln für die globale Lieferkette oder Standardsfür die Kennzeichnung von Produkten .Sprechen wir über Kindesmissbrauch . Es gibt Unmengen Fälle körperlicher, sexueller und seelischerMisshandlungen im In und Ausland, und jeder einzelneFall muss schonungslos aufgeklärt werden . In den letzten Monaten gab es einen Fall, der unsere Vorstellungskraft gesprengt hat: Das war der Kindesmissbrauch durchUNBlauhelmsoldaten – die eigentlich für den Schutz derKinder da sind – im Kongo und in der Zentralafrikanischen Republik . Die Aufklärung verläuft nur schleppend .Es wurde sogar versucht, die Anschuldigungen zu vertuschen. Hier darf es auf keinen Fall Straflosigkeit geben.
Sprechen wir über die Todesstrafe für Minderjährige . Gerade erst hat Pakistan einen Mann wegen Mordeshingerichtet, der zur Tatzeit 15 Jahre alt war . AmnestyInternational hat seit 1990 50 Hinrichtungen von Minderjährigen im Iran registriert . In SaudiArabien soll, wiees ISIS Tag für Tag macht, nun ein 21Jähriger, der zurangeblichen Tatzeit 17 Jahre alt war, gekreuzigt werden .Nicht bei allen angesprochenen Grausamkeiten kann diedeutsche Bundesregierung direkten Einfluss ausüben –das ist richtig –; aber sie muss beobachten, sie muss aufdecken, sie muss benennen, sie muss ansprechen, und siemuss aussprechen . Es ist notwendig, Druck auf die Verantwortlichen auszuüben . Wir müssen vor allem darübernachdenken, wo wir eine Mitschuld tragen . Man kannnicht von einer menschenrechtsbasierten Außenpolitiksprechen und gleichzeitig SaudiArabien als unserenPartner bezeichnen und mit Waffen beliefern .
Sprechen wir über Kinder im Krieg . Es heißt immer:Die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges . Das ist sicherlich nicht falsch, aber heutzutage sieht man: Die ersten Opfer von Kriegen sind die Kinder . Sie verlieren ihreKindheit, ihr Leben, ihr soziales Umfeld . Die Zahl derGewaltexzesse gegen Kinder ist unglaublich . Um nur eineinziges Beispiel zu nennen: 230 Millionen Kinder lebenzurzeit in Kriegs und Krisengebieten . Im Jemen werdenaufgrund von Bombenanschlägen der Saudis und ihrerAlliierten Tag für Tag Kinder in Bombenbunkern geboren . Dennoch gibt es in Deutschland keinerlei Skrupel,mit diesem Krieg auch noch Geld zu machen .Omid Nouripour
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Sprechen wir über Kindersoldaten . Sprechen wir überdie Firmen, die Handwaffen extra klein bauen, damit siein Kinderhände passen . Sprechen wir darüber, was wirendlich dagegen tun können . Kinder sind keine Soldaten .Kinder brauchen Zukunftsperspektiven, sie brauchenBildung . Unter der Leitung von Norwegen und Argentinien gibt es bei den Vereinten Nationen die Initiative„Safe Schools Declaration“ . Es geht darum, dass Schulen und Hochschulen aus militärischen Kampfhandlungen herausgehalten werden . Mittlerweile sind 49 StaatenUnterstützer dieser Erklärung . Wir haben bereits vor derSommerpause einen Antrag vorgelegt – nachher tun wires wieder –, in dem wir die Bundesregierung bitten, diese Erklärung zu unterschreiben . Es ist uns vollkommenschleierhaft, warum das nicht passiert .
Ich kann Sie nur anflehen: Wenn Sie unseren Antrag nichtunterstützen, dann finden Sie einen anderen Weg, damit die Bundesregierung diese Erklärung unterschreibt .Denn schließlich ist die Frage der Kinderrechte und derMenschenrechte keine Frage der richtigen Formulierungin einem Bericht, sondern stets konkret .
Astrid Lindgren hat es in ihrer wunderbaren Rede„Niemals Gewalt!“ anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche auf den Punkt gebracht – ich zitiere –:Die jetzt Kinder sind, werden ja einst die Geschäfteunserer Welt übernehmen, sofern dann noch etwasvon ihr übrig ist . Sie sind es, die über Krieg undFrieden bestimmen werden und darüber, in was füreiner Gesellschaft sie leben wollen . In einer, wo dieGewalt nur ständig weiterwächst, oder in einer, wodie Menschen in Frieden und Eintracht miteinanderleben wollen .Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
Vielen Dank . – Als nächster Redner in der Debatte hat
Michael Brand von der CDU/CSUFraktion das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Weil die Lage außergewöhnlich ist, möchte ich heutekeine gewöhnliche Rede halten . Ich hoffe, die hier Anwesenden vertragen sowohl grundlegenden Optimismusals auch scharfe Kritik, auch an uns selber .Selten hat eine Diskussion zum Thema Menschenrechte und humanitäre Hilfe vor einem solchen Hintergrund von Dynamik und Dramatik in unserem Land stattgefunden . All denjenigen, die sich Sorgen machen, obwir in Deutschland mit dieser Lage zurechtkommen, seigesagt: Ja, wir werden das schaffen, weil wir das können,und auch, weil wir das wollen .
Von meinen Reisen vor Ort – ob in den Flüchtlingscamps in Jordanien, im Libanon, in Ostafrika, in Dadaaboder anderswo – habe ich erschütternde Eindrücke mitgebracht, und das seit vielen Jahren, wie viele andereKollegen auch .Aber von dieser Stelle aus möchte ich denjenigen mitden vielen Sorgen und auch manchen Kommentatoren,die ernste Probleme viel zu rasch zur absoluten Katastrophe erklären, zurufen: Ja, wir haben das ein oder andere auch sehr ernste Problem . Und ja, viele Menschenhier bei uns machen sich angesichts der Größe dieser Dimension auch Sorgen . Aber wahr ist auch: Diese Sorgenmöchten die Menschen in Syrien, im Irak oder in denFlüchtlingslagern einmal haben!Wir leben – ich sage das bewusst – in dem Teil derWelt, den man auch das christliche Abendland nennt .Und man ist nicht weltfremd, wenn man dazu feststellt:Gerade in Situationen mit Problemen gilt der christlicheKompass . Gerade dann kommt es auf die helfende Handan .Zu manchen überzogenen Beiträgen muss allerdingsauch klargestellt werden in Richtung Bürger wie auchin Richtung Medien und natürlich auch in Richtungsozialer Medien: Ein dreijähriger Junge, der im Mittelmeer ertrinkt, stellte keine islamistische Gefahr dar . Einjunger Mann, der mit 14 von den Eltern weggeschicktwird, weil es für ihn kaum eine Chance auf Überlebenoder auf ein menschenwürdiges Leben gibt, der will nichtdie Islamisierung Europas, der will schlicht ein Leben inMenschenwürde .
Es ist uns doch allen völlig klar – und es ist wichtig, das auch anzusprechen –: Nicht alle, die kommen,haben Anspruch auf Asyl, und nicht alle werden bleibenkönnen . Es gibt auch die berechtigten Ansprüche vonEltern auf Unterricht ihrer Kinder, auf Turnhallen, aufSchwimmbäder und auf vieles, was Kommunen für ihreBürger bereitstellen . Aber jeder, der sich ernsthaft fragt,wird doch zur selben Antwort kommen: Wer aus solchverzweifelter Lage zu uns kommt, wer an Leib und Leben bedroht ist, hat zunächst einmal Anspruch auf einemenschlich ordentliche Behandlung,
unabhängig von Herkunft, Religion und Hautfarbe – umes klar und zweifelsfrei zu formulieren –, so wie dies inden Grundsätzen unserer Verfassung niedergelegt ist .Dabei zeigt die Erfahrung der letzten großen Flüchtlingsbewegung nach Deutschland: Die allerwenigstenvon denen, die kommen, bleiben . Hunderttausende sindin den 90erJahren auf den Balkan zurückgegangen .Omid Nouripour
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Es bleibt eine schwierige – auch das will ich sagen –,aber dennoch richtige Entscheidung, dass im aktuellenAsylkompromiss drei sichere Länder ohne politischeVerfolgung auch von uns als sichere Herkunftsländer eingestuft werden . Es ist nichts anderes, als den Status quoso zu beschreiben . Und es wäre zudem für diese Länderund ihre Gesellschaften ein unverantwortliches Stigma,wenn Deutschland sich weigerte, diesen Ländern zu attestieren, dass es dort eben keine politische Verfolgungmehr gibt .Wenn heute wieder Zehntausende vom Balkan hierherkommen, dann liegt das auch an einem: Deutschlandund auch die Europäische Union haben die Menschendort in den 90erJahren – jedenfalls zum Teil – vor Genozid und Gewalt gerettet, und wir haben sie dann offenenAuges und wider besseres Wissen mit dem Abkommenvon Dayton im Stich gelassen – mit organisierter Kriminalität, mit Korruption, die nicht entstanden ist, bevordie internationale Gemeinschaft kam, sondern unter denAugen der internationalen Gemeinschaft, mit der größten Mission, die die UN und die EU je auf den Weg gebracht haben, und das in einem der kleinsten Länder mitso wenigen tatsächlichen Ergebnissen . Dass dann Leutesagen: „Wir haben hier keine Zukunftsperspektive, weildie internationale Gemeinschaft mit den Falschen auchgemeinsame Sache macht“, muss uns Anlass geben, eineAnalyse über eigene Fehler vorzunehmen .
Hier bei uns in Deutschland gilt: Wir sind ein Rechtsstaat . Der Rechtsstaat muss sein Recht anwenden, wenner sich selbst ernst nehmen will . Das gilt sowohl für dieAnwendung des Asylrechts als auch für die anderenRechtsnormen . Wer Straftaten begeht als eingesessenerBürger oder als Neuankömmling, muss es selbstverständlich mit dem deutschen Recht zu tun bekommen .Das Recht gilt für alles und für alle – für Brandanschläge gegen Flüchtlingsunterkünfte, bei Gewaltanwendung,für Vergewaltigungen in Flüchtlingsunterkünften undauch für Volksverhetzung .Wir alle wissen: Wenn wir die Ursache nicht bekämpfen, werden wir das Thema „Migration und Flüchtlinge“nicht in den Griff bekommen . Wir wissen auch: Wennwir die Bekämpfung der Ursachen in dem Maße intensivieren würden, wie es schon länger erforderlich ist, würden wir dazu beitragen, dass Hunderttausende Flüchtlinge sich eben nicht auf den Weg machen und dass wir dieFolgen dessen nicht hier mit Milliarden abfedern müssten .Entwicklungsminister Gerd Müller hat ja recht, wenner sagt: Wir können mit dem gleichen Geld im Libanon,in Jordanien, in der Türkei oder in Griechenland das 10bis 20Fache von dem ausrichten, was wir hier erreichenkönnen .Wir diskutieren heute über den Bericht zur Lage derMenschenrechte . Wenn wir über das Regime Assad reden, dann reden wir über einen der größten Menschenrechtsverbrecher auf diesem Globus . Dass wir neuerdings einen Kompromiss mit Assad suchen wollen unddass wir das gemeinsam mit dem lupenreinen Menschenrechtsverletzer Putin tun, ist eine teilweise Bankrotterklärung unserer Menschenrechtspolitik . Es bleibt einteuflisches Unterfangen: Wir paktieren mit dem einenTeufel, um den anderen Teufel in Schach zu halten . Ichhoffe und bete, dass wir nicht alle miteinander am Endeein faustisches Erwachen erleben . Die aktuelle Entwicklung, der Alleingang Russlands, zeigt das ja sehr deutlich . Die Logik dieses taktischen Paktes mit dem Bösenist, die noch Böseren hoffentlich stoppen zu können .Wir werden am Ende nicht nur hier in Deutschland,sondern auch andernorts mehr Bereitschaft zum Handeln zeigen müssen, wenn wir noch mehr Opfer undden Vormarsch des sogenannten Islamischen Staatesbis nach Europa verhindern wollen . Menschen und ihrefundamentalen Rechte schützt man nicht allein mit Resolutionen, auch nicht mit einem taktischen Pakt mit demBösen . Und Deutschland und Europa schützt man nichtvor ungebremster Zuwanderung, indem man Grenzenverdichtet, eine harte Rhetorik auflegt und die Problemekonsequent ignoriert .
Diese Flüchtlingsfrage ist eine der größten Fragen dereuropäischen und deutschen Politik der nächsten Jahre . Das Problem ist an unserer Grenze gelandet und hatsie bereits überschritten . Zur Wahrheit gehört, dass dasein Dauerthema bleiben wird . Wenn wir nicht begreifen, dass dies nicht allein mit Geld zu regeln ist, dassdas nicht allein durch Ressortabstimmungen zu regelnist, dass das nicht allein durch Kompromisse zwischenBund, Ländern und Kommunen zu regeln ist, dann werden wir auf Jahre hinaus teils hohe Preise bezahlen, unddas sowohl politisch wie auch finanziell, im Dialog derReligionen und der Regionen Europas, im Nahen Osten,in Afrika und darüber hinaus . Deutschland und Europawerden so lange ein Magnet sein, wie die Lage in denHerkunftsländern nicht besser wird .Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hätte viele einzelne Themen ansprechen können, von der Menschenrechtslage in China und Tibet über die Religionsfreiheitbis hin zu zahlreichen anderen wichtigen Themenfelderndieses Berichtes . Ich hätte auf die Gespräche mit Bundesaußenminister Steinmeier im Ausschuss hinweisenkönnen, auf den langen und intensiven Austausch mitEntwicklungsminister Gerd Müller in der letzten Sitzungswoche oder die Runden mit der Bundeskanzlerin,natürlich auch auf die Gespräche mit unserem KollegenChristoph Strässer, dem ich an dieser Stelle in besondererWeise danken möchte, für seinen Einsatz und für seineÜberzeugung bei diesem Thema .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Entscheidungder Bundeskanzlerin zur Beendigung des Dramas am Budapester Bahnhof war richtig . Sie war eine starke Geste,die im Übrigen mitnichten eine Flüchtlingswelle ausgelöst hat: Die war doch längst unterwegs!
Und selbst wenn die Bundeskanzlerin nicht so reagierthätte, würde das Thema uns heute beschäftigen . Ich glaube, im Gegenteil, mit der Geste wurde etwas getan, wasMichael Brand
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andere hoffentlich zur Einsicht bringt und zum Mitanpacken einlädt, und zwar in ganz Europa, aber auch in denarabischen Ländern und in Afrika; daran arbeiten wir jagerade intensiv .Und es ist gut, dass auf europäischer Ebene in der vergangenen Woche endlich die ersten Trippelschritte in dierichtige Richtung beschlossen wurden . Auch unser Gesetzespaket, über das wir heute Morgen hier im Parlament beraten haben, ist gut .In diesen Zeiten über Symptome zu reden, ist falsch .Wichtiger sind die einzelnen Themen . Wir brauchen auchals Deutscher Bundestag jenseits des Krisenmechanismus eine neue Sicht auf diese sich dynamisch verändernde Welt . Wer jetzt behauptet, er habe schon alle Antworten, der hat entweder null Ahnung oder null Respekt vorder Wahrheit . Ich gestehe, dass ich viele Fragen habe zudiesen sich abzeichnenden, großen Veränderungen, inDeutschland und um uns herum . Und auf viele Fragenkeine Antwort . Eines aber weiß ich: Wir werden uns anders um Antworten bemühen müssen, als wir dies bishertun . Vielleicht fangen wir hier im Deutschen Bundestagdamit an .
Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Angelika
Glöckner von der SPDFraktion das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Menschen, die den Flammen in einer Textilfabrik in Bangladesch zum Opfer fallen, steigende Selbstmordraten in einem weltweit führenden Elektronikkonzern, Schreckensherrschaft des IS und weltweite Krisensind – es wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen –Beispiele dafür, dass die Achtung von Menschenrechtenkein Selbstläufer ist .Frau Höger, ich kann nicht verstehen, warum Sie diesen Bericht nicht für gut befinden. Ich will Ihnen sagen,warum: Mit dem Elften Bericht zur Menschenrechtspolitik stellt die Bundesregierung ihre eigene Menschenrechtspolitik vor und bietet damit meines Erachtens einenhervorragenden Ausgangspunkt für eine Debatte überden Stellenwert der Menschenrechte in ihrem eigenenpolitischen Handeln .Der Bericht ermöglicht aber auch eine breite öffentliche, gesellschaftliche Debatte über die Bedeutung undUmsetzung menschenrechtlicher Grundsätze . Es ist generell wichtig, dass neben Experten und Wissenschaftlern auch breite Bevölkerungsschichten darüber diskutieren können und diskutieren und sie dadurch die nötigeSensibilisierung erhalten, ganz besonders vor dem Hintergrund der aktuellen weltweiten Krisen und der Flüchtlingssituation . Dieses Thema hat doch zunehmende Bedeutung .
An dieser Stelle ist es mir wichtig, die vielen Ehrenamtlichen zu erwähnen, die sich in den letzten Monatenund Jahren – so kann man es sagen – mit immer größeremEngagement eingesetzt haben . Darauf wurde bereits hingewiesen . Es ist mir aber auch ein wichtiges Anliegen,darauf hinzuweisen, dass auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, in den Verwaltungen und ganz besonders die Kolleginnen und Kollegen in der Bundespolizei,ihre Kraft mit großem Durchhaltevermögen daransetzen, das große Unterfangen des derzeitigen Flüchtlingszustroms Tag für Tag zu bewältigen . Ich wünsche allenweiterhin viel Kraft und Durchhaltevermögen, nicht zuletzt den Flüchtlingen, den Menschen, die in besondererWeise betroffen sind .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, täglich erreichen unsBilder aus Kriegs und Krisengebieten . Die Flüchtlingsströme treffen uns unmittelbar . Gerade in diesen Zeitenwird einmal mehr deutlich, dass die Sicherung und Achtung der Grund und Menschenrechte den elementarenGrundstein bilden für ein friedvolles Zusammenleben,für Glück, Sicherheit und Wohlstand . Folgerichtig stelltdie Bundesregierung in diesem Bericht ihre Menschenrechtspolitik sowohl nach innen als auch nach außen dar .Sie verdeutlicht dabei auch, dass die Menschenrechtezahlreichen wechselseitigen Abhängigkeiten unterliegenund daher Grundlage eines kohärenten, ressortübergreifenden Regierungshandelns sein müssen .Vorrangig ist es staatliche Aufgabe, auf den Schutz unddie Achtung der Menschenrechte hinzuwirken . Dennoch,so meine ich, hat auch die Wirtschaft einen entscheidenden Beitrag zur Verwirklichung der Menschenrechte zuleisten . Im Rahmen zunehmender globaler Aktivitätenwachsen auch die Anforderungen gerade an internationalagierende Unternehmen, sich für die Achtung der Menschenrechte weltweit einzusetzen .
Primär muss natürlich jedes Land selbst den gesetzlichen Handlungsrahmen für seine Unternehmen steckenund trägt so die Hauptverantwortung für die Einhaltungder Menschenrechte sowie für seine wirtschaftliche undsoziale Entwicklung . Immer mehr setzt sich jedoch dieErkenntnis durch, dass transnational agierende Unternehmen ebenfalls Verantwortung übernehmen müssen .Insbesondere mit Blick auf die Arbeitsbedingungen undnachhaltige Produktionsweisen können Unternehmenerheblichen Einfluss auf die Verwirklichung der Menschenrechte nehmen bzw . auf deren Umsetzung hinwirken . Hierbei darf man aber nicht nur auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen hoffen, sondern muss durchstaatliches Handeln in Form gezielter Normensetzungverbindlich darauf Einfluss nehmen.
Richtige Ansätze dazu sind die nationale Umsetzungder europäischen CSRRichtlinie oder auch die Menschenrechtsklauseln in den gegenwärtig viel diskutiertenHandelsabkommen . Hierbei bedarf es aber Sanktionsmechanismen, die die konsequente Durchsetzung von MenMichael Brand
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schenrechten sicherstellen . Sie müssen mehr wert seinals das Papier, auf dem sie stehen .
Schlussendlich müssen die Verbraucher in die Lageversetzt werden, Liefer und Produktionsketten umfassend nachzuvollziehen . Das kann nicht nur in der Verantwortung der Unternehmen oder der Verbraucher liegen,sondern es liegt nach meiner Überzeugung in der Verantwortung staatlichen Handelns, durch verbindliche Regeln Transparenz zu schaffen . Hier gilt es für die Bundesrepublik Deutschland, Verantwortung zu übernehmen,mit gutem Beispiel voranzugehen und positiv auf unserePartner in der internationalen Staatengemeinschaft einzuwirken . Es muss klar sein, dass der Schutz von Menschenrechten weltweit ein unverzichtbarer, unverhandelbarer Bestandteil unserer auswärtigen Beziehungen ist .Ich möchte an dieser Stelle dem Kollegen ChristophSträsser sehr für sein Engagement danken, das wirklichwertvolle Früchte trägt .
Dass sich die Bundesregierung ihrer Verantwortungbewusst ist, zeigt die Tatsache, dass dem Elften Menschenrechtsbericht auch ein nationaler Aktionsplan angeschlossen ist, welcher die menschenrechtspolitischenZiele der Bundesregierung für die nächste Berichtsperiode zusammenfasst . Zu begrüßen ist hier die klare Herausstellung und Benennung von menschenrechtspolitischen Zielen sowohl im Inland als auch im Ausland unddass die Bundesregierung auch schreibt, wie diese Zielemultilateral und bilateral umgesetzt werden sollen . Hiermuss aber Ziel sein, dass die doch recht allgemein gehaltenen Formulierungen des Berichts in konkretes Handelnumgesetzt werden .An dieser Stelle bietet sich bezüglich der menschenrechtlichen Situation insbesondere bei Betrachtung derLänderberichte einiges an Verbesserungspotenzial, aberauch im Hinblick auf die menschenrechtliche Situationin der EU, an den EUAußengrenzen und innerhalb derwestlichen Wertegemeinschaft .
Gerade anhand der derzeitigen Flüchtlingssituation –es wurde mehrfach angesprochen – in Deutschland undEuropa wird deutlich, was passiert, wenn Menschen nichtsicher sind vor Tod, Folter, Vertreibung oder religiös undpolitisch motivierter Verfolgung, wenn sie keinen Zugang zu elementaren Lebensgrundlagen wie Nahrung,Bildung, Kultur und wirtschaftlicher oder politischerTeilhabe besitzen . Die Wander und Fluchtbewegungen –sie wurden mehrfach angesprochen –, die Hunderttausende über die Westbalkan und Zentralroute sowie überdas Mittelmeer zu uns führen, sind eben nicht nur derFlucht vor dem Bürgerkrieg in Syrien geschuldet, nein,sie sind auch ein tiefer Ausdruck dessen, dass Menschenrechte wie Meinungs und Religionsfreiheit nicht geltensowie die Grundlagen eines menschenwürdigen Lebensin vielen der Herkunftsländer nicht annähernd sichergestellt sind . Für viele dieser Menschen ist der lebensgefährliche Versuch, nach Europa zu gelangen, die einzigeOption für ein Leben in Sicherheit und in Freiheit .Spätestens hier werden sich viele ihrer unmittelbarenVerantwortung bewusst, gerade weil schlussendlich wirBürgerinnen und Bürger sowie die Kommunen und dieBundesländer vor ganz enorme Herausforderungen gestellt sind . Deutschland ist nicht losgelöst von den Lebensumständen der Menschen in unserer unmittelbarenNachbarschaft und der Welt zu sehen . Das muss und wirdauch weiterhin deutlich gemacht . Ich möchte nur ermuntern, dass dieser Prozess so fortgeführt wird .Wir brauchen eine kohärente Menschenrechtspolitik,die sich der Verbesserung der Lebensumstände der Menschen weltweit verschreibt . Das ist von vitaler Bedeutungfür unser Land . Der vorgelegte Menschenrechtsberichtmuss ein wichtiger Ausgangspunkt in der Diskussionsein, um den Menschen in unserem Land die Bedeutungmenschenrechtsgeleiteter Außenpolitik zu verdeutlichen .
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen .
Ich komme zum Schluss . – Die weltweite Umsetzung
von Menschenrechten ist ein Prozess, der nicht durch das
Umlegen eines Schalters abgeschlossen wird . Aber wir
müssen diesen Prozess vorantreiben . Denn wenn wir ab
warten, sind die Menschenrechtsprobleme von heute die
Flüchtlingsströme von morgen .
Herzlichen Dank .
Vielen Dank . – Als letzter Redner in der Debatte hat
Dr . Bernd Fabritius von der CDU/CSUFraktion das
Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Der Blick auf die Menschenrechtssituationweltweit und vieles von dem, was wir heute schon gehört haben, gibt Anlass zu großer Sorge . Hunger, Vertreibungen, Kriege sowie despotische Machthaber beraubenganze Völker ihrer Grundrechte und ihrer Würde . In denvergangenen Jahren mussten wir darüber hinaus beklemmende Rückschritte sogar in Weltregionen beobachten,die eigentlich auf einem guten Weg zu sein schienen .Vor allem im Vergleich dazu ist das Schutzniveau derMenschenrechte bei uns in Deutschland erfreulich hoch .Dafür sollten und können wir ausgesprochen dankbarsein . Herr Kollege Schwabe, wir dürfen das auch anerkennen .Dennoch gilt es, sich auf dem Erreichten nicht auszuruhen, sondern weiter Verbesserungen vorzunehmen .Angelika Glöckner
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Genau das ist unser Ziel . Lassen Sie mich ein paar Beispiele dafür nennen . Bereits vor einigen Jahren wurdeeine neue Strafvorschrift eingeführt, um die Opfer vonZwangsheirat – meist sind es junge Frauen oder garKinder – besser vor einer gegen ihren Willen erzwungenen Eheschließung zu schützen . Auch gegen die weibliche Genitalverstümmelung haben wir einen eigenenStraftatbestand geschaffen, der wegen der Schwere dieser Rechtsverletzung einen erhöhten Strafrahmen voneinem Jahr bis zu 15 Jahren Haft vorsieht . Natürlich istdas eigentliche Problem nicht in Deutschland verortet,sondern primär in afrikanischen Ländern zu finden. DieBundesregierung setzt daher auf einen breiten Strauß vonMaßnahmen, um dieser schweren Menschenrechtsverletzung beizukommen . Ich bin ihr sehr dankbar dafür, dasssie weibliche Genitalverstümmelung in ihrem Bericht alsBrennpunktthema ausweist und damit die hohe Prioritätdieses Themas unterstreicht .Im Juni dieses Jahres haben wir das Deutsche Institutfür Menschenrechte auf eine stabile gesetzliche Grundlage gestellt . Der Unterausschuss für Akkreditierungdes ICC hat in seinem Bericht aus dem Jahr 2008 unteranderem gerügt, dass unser Institut die von den PariserPrinzipien geforderte pluralistische Vertretung relevanter gesellschaftlicher Kräfte in seinen Gremien nicht gewährleistet . Unser neues Gesetz trägt dem nun Rechnungund stellt sicher, dass sich die gesamte Bandbreite derGesellschaft in den Gremien des Instituts widerspiegelnkann . Ich muss schon sagen: Ich war verwundert, dassgerade dieser Punkt in Teilen der Opposition lange Zeitumstritten gewesen ist .Ein weiterer wichtiger Punkt in Bezug auf das Institut ist seine neue Multiperspektivität . Die grundsätzlicheIntention der Vereinten Nationen ist, dass die nationalenMenschenrechtsinstitute ihren Blick vor allem nach innenrichten; und das ist auch richtig so . Allerdings haben wirgerade festgestellt – die Reden heute im Plenum habendas belegt –, dass es um die Situation der Menschenrechte in vielen Ländern weltweit deutlich schlechter bestelltist als bei uns . In einer zunehmend globalisierten Welt hatdie Menschenrechtslage Auswirkungen weit über regionale Grenzen hinweg, oft bis zu uns nach Deutschland .Wo kämen wir denn da hin, wenn unser Institut Scheuklappen aufsetzen und auch für uns relevante Aspekteaußerhalb Deutschlands einfach ausblenden würde? DerBlick in andere Länder darf schon alleine deshalb nichtfehlen, um eine möglichst effektive, nach außen gerichtete Menschenrechts und Entwicklungspolitik gewährleisten zu können .Im Übrigen ist der Menschenrechtsbericht der Bundesregierung, den wir heute debattieren, genau dafür eingutes Beispiel . Auch er legt den Fokus auf die Situationder Menschenrechte bei uns im eigenen Land . Gleichzeitig spart er die Probleme in anderen Teilen der Weltnicht aus, spricht von Menschenrechten in der deutschenAußen und Entwicklungspolitik und weltweit und gewährt so einen weiten Blick deutlich über den eigenenTellerrand hinaus .Das aktuell drängendste Thema ist eine humanitäreKatastrophe gigantischen Ausmaßes . Seit dem ZweitenWeltkrieg waren nicht mehr so viele Menschen auf derFlucht wie heute; vom Kleinreden werden es auch nichtweniger .
Hier, meine Damen und Herren, leistet Deutschland Vorbildliches . Wenn da dauernd Kritik von der Oppositionkommt, darf ich den Flüchtlingskommissar der VereintenNationen, António Guterres, zitieren, der Deutschlandfür seine – so wörtlich – „führende Rolle beim Flüchtlingsschutz“ explizit gelobt hat .Ein Schritt in die richtige Richtung ist das Asylpaket,das aktuell auf den Weg gebracht wird und das wir heute Vormittag hier im Plenum bereits ausgiebig debattierthaben . Nicht alles daran ist neu . Die Einstufung weitererStaaten als sichere Herkunftsstaaten beispielsweise hätten wir gerne bereits vor einem Jahr umgesetzt . Es wirdhöchste Zeit, dass auch die Grünen hier zur Vernunftkommen und ihre Blockade im Bundesrat dazu aufgeben .Neben europäischer Solidarität bei der Aufnahme vonFlüchtlingen sind vor allem entschlossene außenpolitische Ansätze gefordert, die eine spürbare Verbesserungder Situation nicht nur in den Herkunftsländern, sondernauch in den angrenzenden Schutzgebieten bringen unddamit das Problem der Sekundärmigration, für das unserAsylrecht schon laut Definition nun überhaupt nicht gedacht ist, endlich an der Wurzel angehen . Meine Damenund Herren, 1 000 Kalorien pro Tag oder 14 Dollar proMonat und Flüchtling in diesen Gebieten sind absolut unzureichend,
ein Problem, das aber von der Staatengemeinschaft menschenrechtskonform dort vor Ort und nicht durch Sekundärmigration nach Deutschland zu lösen ist .Ein weiterer Punkt, der mir am Herzen liegt, ist dievielerorts schwierige Lage von Menschenrechtsverteidigern . Sie sind in ihren Ländern oftmals die Letzten, diesich noch aktiv für die Rechte ihrer gepeinigten Landsleute einsetzen. Häufig werden sie dafür selbst bedroht,verfolgt, entführt oder gar ermordet . Ihre Arbeit ist vonunschätzbarem Wert und verdient unsere Hochachtungund unsere Unterstützung .Der Fall des Ukrainers Oleg Sentsov ist ein erschreckendes Beispiel für die Willkür, die Menschenrechtsaktivisten und verteidigern oftmals wiederfährt . DerFilmregisseur hatte seine Popularität genutzt und sichöffentlich gegen die völkerrechtswidrige Annexion derKrim durch Russland ausgesprochen . Dafür wurde ervon russischen Behörden zuerst entführt, dann angeklagt .Man dichtete ihm kurzerhand angebliche terroristischeAktivitäten an . Kurz nach seiner Festnahme durch denFSB wurde Sentsov unwiderlegten Angaben zufolge sogar gefoltert .Im August – vor wenigen Wochen – wurde er dann ineinem Schauprozess zu sage und schreibe 20 Jahren Haftverurteilt . Die in diesem eindeutig politisch motiviertenVerfahren gegen ihn verwendeten Zeugenaussagen sindvermutlich ebenfalls durch Folter zustande gekommen .Dr. Bernd Fabritius
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Meine Damen und Herren, das ist eine vollständigePreisgabe des Rechtsstaates zugunsten staatlicher Willkür mitten in Europa . Es ist ein Frontalangriff auf elementare Menschenrechte, den wir nicht akzeptieren können .
Nicht nur der russische Staat entledigt sich auf diese Weise unbequemer Oppositioneller und Regimegegner . Deshalb ist es wichtig und richtig, dass der Schutzvon Menschenrechtsverteidigern seit langem zentralerBestandteil unserer Menschenrechtspolitik ist . EineSchwerpunktsetzung in diesem Bereich ist daher dringend notwendig und zu unterstützen .Lassen Sie uns daher auf dem Weg weitermachen,der durch den Menschenrechtsbericht der Bundesregierung skizziert wird . Herr Kollege Nouripour, er ist sichernicht nur eine leere Floskel, wie Sie gesagt haben . LassenSie uns den Aktionsplan der Bundesregierung Punkt fürPunkt beherzt umsetzen . Das ist der richtige Weg .Danke für die Aufmerksamkeit .
Vielen Dank . – Ich schließe die Aussprache .Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschussesfür Menschenrechte und humanitäre Hilfe auf Drucksache 18/6183 zu dem Elften Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik . Der Ausschussempfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 18/3494 eine Entschließung anzunehmen, die Teilder Drucksache ist . Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – DieFraktion Die Linke . Wer enthält sich? – Die FraktionBündnis 90/Die Grünen . Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition angenommen worden .Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/6193 .Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Die Linke . Wer stimmt dagegen? – Die Koalition . Wer enthältsich? – Bündnis 90/Die Grünen . Damit ist dieser Entschließungsantrag mit den Stimmen der Koalition abgelehnt worden .Ich rufe die Tagesordnungspunkte 23 a bis 23 g sowieden Zusatzpunkt 3 auf:23 a) Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Siebten Be-soldungsänderungsgesetzes
Drucksache 18/6156Überweisungsvorschlag: Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 derGOb) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-zes zu dem Abkommen vom 7. Mai 2015zwischen der Regierung der Bundesre-publik Deutschland und der Regierungvon Jersey über die Zusammenarbeit inSteuersachen und die Vermeidung derDoppelbesteuerung bei bestimmten Ein-künftenDrucksache 18/6157Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutzc) Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zudem Zusatzabkommen vom 31. März2015 zum Abkommen vom 21. Juli 1959zwischen der Bundesrepublik Deutsch-land und der Französischen Republik zurVermeidung der Doppelbesteuerungenund über gegenseitige Amts- und Rechts-hilfe auf dem Gebiete der Steuern vomEinkommen und vom Vermögen sowieder Gewerbesteuern und der Grund-steuernDrucksache 18/6158Überweisungsvorschlag: Finanzausschussd) Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes überdie Feststellung des Wirtschaftsplans desERP-Sondervermögens für das Jahr 2016
Drucksache 18/6159Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschusse) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zwei-ten Gesetzes zur Änderung agrarmarkt-rechtlicher BestimmungenDrucksache 18/6160Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Innenausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheitf) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach,Dr . Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneterund der Fraktion DIE LINKEWissenschaftsfreiheit und Wissenschafts-verantwortung sicherstellenDrucksache 18/6191Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und TechnikfolgenDr. Bernd Fabritius
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 127 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 1 . Oktober 201512332
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abschätzung
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschussg) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
gemäß § 56a der Geschäfts
ordnungTechnikfolgenabschätzung
Technischer Fortschritt im Gesundheitswesen: Quelle für Kostensteigerungen oder Chancefür Kostensenkungen?Drucksache 18/4283 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und TechnikfolgenabschätzungZP 3 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines... Gesetzes zur Änderung des Bundeszentral-registergesetzesDrucksache 18/6186 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Innenausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss Digitale AgendaDabei handelt es sich um Überweisungen imvereinfachten Verfahren ohne Debatte.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuüberweisen . Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derFall . Dann sind die Überweisungen so beschlossen .Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a bis 24 k auf .Hierbei handelt es sich um Beschlussfassungen zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist .Tagesordnungspunkt 24 a:– Zweite Beratung und Schlussabstimmung des vonder Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zu dem Protokoll vom 17. März 2014zur Änderung des Abkommens vom 30. März2010 zwischen der Bundesrepublik Deutsch-land und dem Vereinigten Königreich Groß-britannien und Nordirland zur Vermeidung derDoppelbesteuerung und zur Verhinderung derSteuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuernvom Einkommen und vom VermögenDrucksache 18/5575– Zweite Beratung und Schlussabstimmung des vonder Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zu dem Abkommen vom 19. Oktober2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschlandund der Föderation St. Kitts und Nevis über dieUnterstützung in Steuer- und Steuerstrafsachendurch InformationsaustauschDrucksache 18/5576– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zudem Abkommen vom 21. August 2014 zwischender Bundesrepublik Deutschland und dem StaatIsrael zur Vermeidung der Doppelbesteuerungund der Steuerverkürzung auf dem Gebiet derSteuern vom Einkommen und vom VermögenDrucksache 18/5578Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
Drucksache 18/6219Ich komme zunächst zur Abstimmung über den von derBundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu demProtokoll zur Änderung des Abkommens mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zurVermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuernvom Einkommen und vom Vermögen . Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6219, den Gesetzentwurf derBundesregierung auf Drucksache 18/5575 anzunehmen .Zweite Beratungund Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist derGesetzentwurf angenommen worden .Da es bei einigen gerade eine Irritation gegeben hat:Es gibt hier nur eine zweite Lesung, da dies ein Vertragsgesetz ist . Deshalb sind wir unmittelbar zu der entscheidenden Abstimmung gekommen .Ich komme zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Abkommen mit der Föderation St . Kitts und Nevis über dieUnterstützung in Steuer und Steuerstrafsachen durchInformationsaustausch. Der Finanzausschuss empfiehltunter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 18/6219, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/5576 anzunehmen .Zweite Beratungund Schlussabstimmung . Ich bitte wiederum diejenigen,die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . – Das ist die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Niemand . Wer enthält sich? – Das ist die Opposition . Damitist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition angenommen worden .Ich komme zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu demAbkommen mit dem Staat Israel zur Vermeidung derDoppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf demGebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe cseiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6219,den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/5578 anzunehmen .Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
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Dritte Beratungund Schlussabstimmung . Ich bitte wiederum diejenigen,die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . – Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Niemand .Wer enthält sich? – Die Opposition . Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition angenommenworden .Ich komme zu Tagesordnungspunkt 24 b:Beratung der Beschlussempfehlung und des
Nouripour, Dr . Franziska Brantner, AgnieszkaBrugger, weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENRichtlinien zum Schutz von Schulen undHochschulen vor militärischer Nutzung ineinem bewaffneten Konflikt umsetzenDrucksachen 18/4939, 18/5174Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/5174, den Antrag der FraktionBündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/4939 abzulehnen .Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/6209 vor . Überdiesen Änderungsantrag stimmen wir zuerst ab . Werstimmt für den Änderungsantrag? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion Die Linke . Werstimmt dagegen? – Das ist die Koalition . Enthält sichjemand? – Das ist nicht der Fall . Damit ist dieser Antragmit den Stimmen der Koalition abgelehnt worden .Wer stimmt jetzt für die Beschlussempfehlung desAusschusses? – Die Koalition . Wer stimmt dagegen? –Die Opposition . Enthaltungen? – Keine . Damit ist dieBeschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalitionangenommen worden .Ich komme zu Tagesordnungspunkt 24 c:Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz,Bau und Reaktorsicherheit zuder Verordnung der BundesregierungDritte Verordnung zur Änderung der Elektro-und Elektronikgeräte-Stoff-VerordnungDrucksachen 18/5902, 18/5976 Nr. 2.2,18/6101Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6101, der Verordnung aufDrucksache 18/5902 zuzustimmen . Wer stimmt für dieseBeschlussempfehlung? – Die Koalition und die FraktionBündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? – Werenthält sich? – Das ist die Fraktion Die Linke . Damit istdiese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden .Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses, Tagesordnungspunkte 24 d bis 24 k .Tagesordnungspunkt 24 d:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 224 zu PetitionenDrucksache 18/5961
Wer stimmt dafür? – Die Koalition . Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen . Wer enthält sich? – DieFraktion Die Linke . Damit ist die Sammelübersicht 224mit den Stimmen der Koalition angenommen worden .Tagesordnungspunkt 24 e:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 226 zu PetitionenDrucksache 18/6076Wer stimmt für diese Sammelübersicht? – Alle .Stimmt jemand dagegen? – Nein . Enthaltungen? – Dasist auch nicht der Fall . Dann ist diese Sammelübersichteinstimmig angenommen worden .Tagesordnungspunkt 24 f:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 227 zu PetitionenDrucksache 18/6077Wer stimmt für diese Sammelübersicht? – Ebenfallsalle . Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall .Enthält sich jemand? – Das ist auch nicht der Fall . Dannist die Sammelübersicht 227 ebenfalls einstimmig angenommen worden .Tagesordnungspunkt 24 g:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 228 zu PetitionenDrucksache 18/6078Wer stimmt dafür? – Die Koalition . Stimmt jemanddagegen? – Die Fraktion Die Linke . Wer enthält sich? –Bündnis 90/Die Grünen . Dann ist die Sammelübersicht 228 mit den Stimmen der Koalition angenommenworden .Tagesordnungspunkt 24 h:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 229 zu PetitionenDrucksache 18/6079Wer stimmt für diese Sammelübersicht? – Die Koalition und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen . Werstimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Fraktion DieLinke . Damit ist diese Sammelübersicht 229 mit denStimmen der Koalition und der Fraktion Bündnis 90/DieGrünen angenommen worden .Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 127 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 1 . Oktober 201512334
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Tagesordnungspunkt 24 i:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 230 zu PetitionenDrucksache 18/6080Wer stimmt für diese Sammelübersicht? – Alle .Stimmt jemand dagegen? – Nein . Enthält sich jemand? –Das ist auch nicht der Fall . Damit ist diese Sammelübersicht einstimmig angenommen worden .Tagesordnungspunkt 24 j:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 231 zu PetitionenDrucksache 18/6081Wer stimmt dafür? – Die Koalition und Bündnis 90/Die Grünen . Wer stimmt dagegen? – Die Fraktion DieLinke . Enthaltungen gibt es keine . Damit ist diese Sammelübersicht mit den Stimmen der Koalition und derFraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden .Tagesordnungspunkt 24 k:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 232 zu PetitionenDrucksache 18/6082 Wer stimmt dafür? – Die Koalition . Gibt es jemanden,der dagegen stimmt? – Die Opposition . Gibt es jemanden, der sich enthält? – Das ist nicht der Fall . Damit istdie Sammelübersicht 232 mit den Stimmen der Koalitionangenommen worden .Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:– Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses
zu dem Antrag der BundesregierungBeteiligung bewaffneter deutscher Streitkräftean der EU-Operation EUNAVFOR MED alsein Teil der Gesamtinitiative der EU zur Unter-bindung des Geschäftsmodells der Menschen-schmuggel- und Menschenhandelsnetzwerke imsüdlichen und zentralen MittelmeerDrucksachen 18/6013, 18/6189– Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der GeschäftsordnungDrucksache 18/6213 Hierzu liegt je ein Entschließungsantrag der FraktionDie Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor .Über die Beschlussempfehlungen werden wir späternamentlich abstimmen .Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Dazu gibt eskeinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .Ich eröffne die Aussprache . Als erste Rednerin in dieser Debatte hat die Kollegin Gabi Weber von der SPDFraktion das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Mittelmeer ist ein Grab geworden . Das Bild des ertrunkenen Flüchtlingsjungen Aylanhat viele Menschen aufgerüttelt . Aber warum erst jetzt?Lampedusa ist doch schon längst eine bittere Mahnung .Die UNO verzeichnete für 2014 rund 3 500 im Mittelmeer ertrunkene Menschen; dieses Jahr sollen es bereits2 000 sein . Die Menschen begeben sich in die Hände vonkriminellen Schleppern, die sie auf seeuntüchtigen Booten auf den Weg nach Europa schicken .Es sind die Schrecken des syrischen Bürgerkrieges,der Terror des selbsternannten ISKalifats, zerfallendeStaaten und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit, die sieverzweifeln lassen und zum Aufbruch bewegen . Die Notder Menschen ist so groß, dass sie die lebensgefährlicheÜberfahrt über das Mittelmeer antreten .Wenn wir heute dem Bundeswehreinsatz im Rahmender Operation EUNAVFOR MED zustimmen, danngenehmigen wir eine Operation, die das Geschäft derSchleuser massiv behindern soll, diese in Italien vor Gericht stellen lässt und aufgefundene Flüchtlinge sichernach Italien geleitet . Ja, diese Operation setzt bei denSymptomen an, aber auch das ist neben der Ursachenbekämpfung notwendig .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte an dieserStelle – und hier spreche ich sicher für alle in diesemHause – den beteiligten Soldatinnen und Soldaten Dankund Anerkennung aussprechen . Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Rettung von Menschenleben .
Für die Rettung Schiffbrüchiger oder in Seenot geratener Flüchtlinge gab es die effektive italienische Operation Mare Nostrum . Solch eine Mission muss durch dieEU neu aufgelegt werden; der kleinere Einsatz Tritonreicht nicht .
Gegen die Schleuser selbst vorzugehen, war bisher allerdings zu wenig im Fokus . Das ändern wir mit dem jetztvorgesehenen Mandat .Flankierend müssen wir aber auch gegenüber Italieneuropäische Solidarität leisten . Dieses Land schulterteinen Großteil der Flüchtlingswelle über das Mittelmeer . Unsere Partner Italien und Griechenland könnenVizepräsidentin Edelgard Bulmahn
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das nicht alleine leisten . Es braucht mehr Union an dieserStelle, und zwar Europäische Union .
In diesen Tagen wird von der Entwicklungspolitik verlangt, sie möge schnelle Lösungen der Flüchtlingsfragepräsentieren . Ich sage es ganz deutlich: Diese Erwartungkann sie nicht erfüllen . Fluchtursachen lassen sich nichtvon heute auf morgen bekämpfen . Dazu braucht es einenlangen Atem und einen großen Werkzeugkasten . Zu diesem Werkzeugkasten gehört zweifelsohne ein umfassendes Zuwanderungsgesetz, das Flüchtlingen legale Möglichkeiten für einen Neustart in Deutschland bietet . LiebeKollegen von der Union, reichen Sie uns dazu die Hand .
Wir beschließen heute einen weiteren Einsatz im Mittelmeer und leisten bereits humanitäre Hilfe . Aber wasist weiter zu tun? Erstens muss eine langfristige Entwicklungspolitik betrieben werden . Soeben wurden von derUNO in New York 17 Entwicklungsziele verabschiedet,die alle Staaten binden, auch uns. Sie verpflichten uns,unsere Wirtschafts, Handels und Klimapolitik so zuändern, dass sie Menschen in anderen Ländern nicht dieLebensgrundlage rauben .
Die EUWirtschaftsabkommen müssen wir daraufhinkritisch überprüfen . Unsere Entwicklungspolitik mussso ausgerichtet sein, dass sie Armut wirklich und nachweisbar bekämpft, Einkommen und Arbeit für die lokaleBevölkerung schafft und insgesamt die lokale Teilhabealler ermöglicht .Wir brauchen zweitens die Schaffung von Sicherheitin fragilen oder zerfallenden Staaten . Vor diesem Hintergrund müssen wir internationale Polizeimissionen vielstärker in den Blick nehmen . Diese haben die richtigenWerkzeuge, um organisierter Kriminalität oder Korruption etwas entgegenzusetzen . Dann ist es nicht hilfreich,dass im Haushalt genau dieser Mittelansatz gekürzt wird .Wir brauchen drittens Steuergerechtigkeit . Entwicklungsländer haben oft eine erschreckend niedrige Steuerquote . Korruption, gesetzliche Lücken und Steueroasenerlauben es den dortigen Eliten, sich ihrer Mitverantwortung für ein gesundes Staatswesen zu entziehen, übrigensgenauso wie bei uns an der einen oder anderen Stelle .Entwicklungspolitik muss hier einen Schwerpunkt setzen . Staaten, die über stabile Einnahmequellen verfügen,besitzen mehr Möglichkeiten, ihrer Bevölkerung eineZukunft im eigenen Land zu bieten .Wer denkt, ich würde mit dieser Auflistung von Themen abweichen, irrt . Wer glaubt, mit einfachen Lösungendieser Krise Herr werden zu können, befindet sich aufdem Holzweg . Man muss das eine tun – Bekämpfungder Schleuser, humanitäre Soforthilfe und legale Einwanderungswege – und darf das andere – Staatsaufbau,Schaffung von Lebensperspektiven vor Ort und Gewährleistung individueller Sicherheit – nicht lassen . LassenSie uns für beides arbeiten .
Aber die Durchsetzung dieses Anforderungskatalogswird Geld kosten . Im Übrigen bin ich der Meinung, dassdie deutsche ODAQuote zügig und in klar messbarenZwischenschritten in Richtung 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts steigen muss . Ich möchte gerade jetzt anBundesfinanzminister Schäuble appellieren, nicht vomZiel einer zeitnahen Einführung der Finanztransaktionsteuer Abstand zu nehmen .
Davon, dass die Einführung verschoben werden sollte,war zu meiner Verwunderung unlängst zu lesen . Aberschließlich war diese Steuer die Gegenleistung für dieZustimmung meiner Fraktion zum Fiskalpakt . Wir brauchen die Finanztransaktionsteuer zügig, nicht irgendwann .Ich schließe damit und bitte Sie um Zustimmung zudem vorliegenden Mandat .Danke .
Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Dr . Alexander
Neu von der Fraktion Die Linke das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damenund Herren! Ich finde, es ist vielsagend, wenn nur halbherzig über die Fluchtursachen gesprochen wird . Daseine Mal hört man, das „Schleusertum“ sei eine Fluchtursache . Das andere Mal hört man, die unzureichendeFinanzierung der Flüchtlingslager sei ein Grund . Zu derVielzahl der Gründe, die genannt werden, gehört auch diefragile Staatlichkeit . Aber die Gründe für die Fragilitätder Staatlichkeit einiger Staaten werden nicht genannt .Es ist kein Zufall, dass die meisten Flüchtlinge, die derzeit nach Europa kommen, aus Syrien, Libyen, Afghanistan, dem Kosovo oder dem Irak kommen . Das hat etwasmit der westlichen Kriegsführung in diesen Ländern zutun, die dazu dient, die eigenen Interessen durchzusetzen .Das schafft Fragilität .
Wir hören auch von sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen. Ich würde eher sagen: Es sind Armutsflüchtlinge.Die Ursache für deren Flucht liegt darin begründet, dasses Handelsabkommen gibt, die Handelsliberalisierungenvorsehen, die die Wirtschaft in deren Heimat – sei es dieLandwirtschaft, sei es die Industrie – vollends kaputtmachen . Jüngst wurden EPA verabschiedet, sogenannteneue Handelsabkommen mit Afrika, die erneut einen Armutsschub auf dem afrikanischen Kontinent hervorrufenwerden und weitere Flüchtlinge produzieren werden .Gabi Weber
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Deutschland ist Exportvizeweltmeister . Damit exportiert Deutschland aber auch Armut . Die wirklichenFluchtursachen zu benennen, sehr geehrte Damen undHerren, trauen Sie sich nicht; denn das würde bedeuten,dass wir die Außenpolitik, die Sicherheitspolitik und dieAußenwirtschaftspolitik gründlich überdenken müssten .
Die zur Beratung anstehende Mission EUNAVFORMED ist keine Ursachenbekämpfung, noch nicht einmal in Ansätzen . EUNAVFOR MED ist lediglich undausschließlich Symptombekämpfung . Man hat den Eindruck, sehr geehrte Damen und Herren, dass es unterbetriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten günstiger ist,eine Symptombekämpfung vorzunehmen, als das westliche Wirtschaftssystem, den Neoliberalismus, zu einemsolidarischen Wirtschaftssystem auf globaler Ebene umzubauen .
Kommen wir ganz konkret zu EUNAVFOR MED .Laut dem Schreiben des Auswärtigen Amtes und desVerteidigungsministeriums vom 14 . September an denBundestag sind die Ziele: erstens Seenotrettung, zweitens Bekämpfung der Schleusernetzwerke . In dem unsnun vorliegenden Antrag der Bundesregierung steht nurnoch Schleuserbekämpfung .
Die Seenotrettung wird gewissermaßen abgetan mit demHinweis: Das ist eine völkerrechtliche Verpflichtung; dasmuss man nicht als Ziel formulieren . – Ich frage: Warumdenn nicht? Warum keine Aufwertung der Seenotrettungals Ziel in dem Antrag? Damit würden zumindest durchdie Bundesregierung und dann durch den Bundestag dasRückgrat und die Position der Soldatinnen und Soldatenauf den deutschen Schiffen gestärkt . Aber genau das machen Sie nicht . Die Aussagen über Seenotrettung, die inden letzten Wochen in den Vordergrund geschoben wurden, erscheinen vor diesem Hintergrund eher als Propagandatrick .
Die Flüchtlingsrettung ist weder prioritäres Ziel nochüberhaupt ein Ziel von EUNAVFOR MED . Dies belegennoch zwei weitere Punkte:Der Kollege Nouripour hat in der letzten Woche darauf hingewiesen, dass in dem Moment, als das nationaleKommando auf das EUKommando übergegangen ist,die Zahl der geretteten Flüchtlinge von 6 000 auf 2 500gesunken ist . Um kein Missverständnis aufkommen zulassen: Es gab nicht weniger Flüchtlinge; es gab nur weniger Gerettete . Die Frage ist: Wo sind die Übrigen geblieben? Sind sie ertrunken?Der zweite Aspekt . Im Begründungsteil des Antragsder Bundesregierung wird auch nicht auf die Seenotrettung verwiesen, sondern es heißt – ich zitiere –:… Umleitung von Schleuserschiffen im südlichenund zentralen Mittelmeer, seewärts der Küstenmeere der betroffenen Küstenstaaten …Eine sehr verquaste Formulierung! Auch ich habe überlegt: Was könnte das heißen? Für mich heißt das letztendlich: Es geht darum, die Schiffe aufs offene MeerRichtung Süden abzudrängen, Richtung afrikanischerKontinent . Sollte diese Interpretation zutreffen, dannwäre das nicht nur ein Skandal, sondern ein Verbrechenan den Menschen, die man auf diese Weise abschiebt .
Ich fasse zusammen:Erstens . EUNAVFOR MED ist Symptombekämpfungund kein Beitrag zur Ursachenbekämpfung . Die Flüchtlinge werden auf anderen Wegen nach Europa kommen,wenn die Ursachen nicht bekämpft werden .Zweitens . EUNAVFOR MED bedient sich einer humanitären Rhetorik, um öffentliche Zustimmung zu gewinnen . Das tatsächliche Ziel ist es, Flüchtlinge davonabzuhalten, nach Europa zu kommen; darin eingeschlossen ist auch die Umleitung der Schiffe zurück in Richtung Afrika .Drittens . Die Mission EUNAVFOR MED soll in „Sophia“ umbenannt werden . Sophia ist ein Mädchen, dasam 24 . August auf einer deutschen Fregatte im Mittelmeer geboren wurde . Angesichts dessen, was der wirkliche Zweck dieser Mission ist, finde ich es wirklich pietätlos, diese Mission in „Sophia“ umzubenennen .
Ich möchte keine Zweifel aufkommen lassen: Ich kritisiere nicht die Soldatinnen und Soldaten auf den deutschen Schiffen . Im Gegenteil: Ich bin überzeugt: Sie wollen helfen, und sie helfen .
Aber ich habe ein Problem mit dem Zynismus der Politik der Bundesregierung und der Europäischen Union imUmgang mit Flüchtlingen . Daher lehnen wir den Antragder Bundesregierung ab .Zu dem Entschließungsantrag der Grünen enthaltenwir uns . Er zielt darauf ab, dass die Bundeswehr nichtals Teil von EUNAVFOR MED agiert, sondern nationaleFlüchtlingsrettung betreibt . Das ist temporär in Ordnung,aber dabei wird vergessen, dass wir zivile Seenotrettungskapazitäten aufbauen müssen .
Das ist das, was wir fordern, um auf diese Weise die Bundeswehr aus dem Mittelmeer abzuziehen .Danke .
Vielen Dank . – Als nächster Redner hat RoderichKiesewetter von der CDU/CSUFraktion das Wort .
Dr. Alexander S. Neu
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir habenim Parlament heute früh wie auch vorhin während derMenschenrechtsdebatte beeindruckend erlebt, wie sichunser Parlament die Frage der Flüchtlinge im Inland zuHerzen nimmt . In der jetzigen Debatte geht es darum,wie wir als Europäische Union mit der Flüchtlingslage anden europäischen Grenzen umgehen . 22 Mitgliedstaatender Europäischen Union engagieren sich in der MissionEUNAVFOR MED, diese stellen neun Schiffe und zwölfLuftfahrzeuge zur Verfügung . Das ist ein Zeichen europäischer Solidarität, aber es ist eben auch nur ein Teil dernotwendigen Strategie, die wir brauchen .Herr Dr . Neu, ich weise eindeutig zurück, was Sie hierangesprochen haben . Wenn Sie den Operationsplan genau lesen,
dann werden Sie feststellen, dass eine Abweisung derSchiffe nicht vorgesehen ist .
Es kann aber sein, dass Sie den nötigen Annex nicht lesendurften, weil Sie die notwendige Sicherheitsüberprüfungnicht haben . Aber das möchte ich nicht unterstellen .
Ich möchte das trotzdem sehr ernsthaft aufgreifen . ImJahr 2003 hat die Europäische Union in ihrer Sicherheitsstrategie gefordert, dass wir in den nächsten Jahren – alsoausgehend von 2003 – alles daransetzen müssen, dass inder südlichen Nachbarschaft der Europäischen Union einRing gut regierter Staaten entsteht, die stabil sind undmit denen wir vertrauensvoll zusammenarbeiten können .Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist unsnicht gelungen . Wir müssen deshalb unsere außen undentwicklungspolitischen Strategien deutlich besser aufeinander abstimmen .Ein Ansatz ist die Mission EUNAVFOR MED, beider es in der ersten Phase um die Aufklärung der Schleppernetzwerke ging, und bei der es jetzt darum geht, dieSchlepperboote und das Netzwerk der Beobachter derSchlepper auf dem Mittelmeer auszuheben . Das kannaber nur ein allererster Schritt sein . Wir müssen deshalballes daransetzen, zusammen mit dem Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen León und auch mit seinemNachfolger als EUSonderbeauftragter zu erreichen, dassin Libyen eine Einheitsregierung entsteht . Die Bundesrepublik Deutschland, aber auch Marokko haben wesentliche Verdienste daran, dass die beiden Parteien in Tripolis und in Bengasi bereits miteinander sprechen, undwir hoffen, dass das Ziel bis zum Jahresende erreicht ist .Das, was wir mit dem Festsetzen der Schlepperbootemachen, ist ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein . Wirmüssen natürlich auch in den libyschen Hoheitsgewässern agieren können, und wir sollten das, was die Europäische Union im Jahr 2013 begonnen hat, fortsetzen,nämlich eine Grenzsicherungsmission nach dem Vorbildder Mission EUBAM, also eine zivil organisierte Grenzsicherungsunterstützungsmission, etablieren, die dieGrenzen Libyens unterstützt . Warum ist das nötig? In Libyen sind etwa 1 Million Menschen in Flüchtlingslagern .Es hilft uns wenig, wenn wir immer nur die Flüchtlinge aufnehmen, die den harten Weg über das Mittelmeerwagen . Wir müssen neben der Fluchtursachenbekämpfung – ich komme nachher darauf zurück – im nördlichenAfrika Einrichtungen schaffen, in denen die Flüchtlingesichere Aufenthaltsorte bekommen .
Das bekommen wir eben nur hin, wenn wir das Mandatder libyschen Regierung erhalten, auch an Land aktiv zuwerden . Ich denke, dass dies im Rahmen einer GASP/GSVPPolizeimission durchaus leistbar ist .Ich möchte dafür werben, dass wir alles daransetzen, auch unserer Öffentlichkeit zu erklären, dass wirdie Ursachenbekämpfung angehen, aber auch die ärgsteNot lindern müssen, indem wir die Flüchtlinge aus denSchlepperbooten befreien und auf den Boden der Europäischen Union bringen . Das steht auch eindeutig so imOperationsplan .Ein letzter Punkt, der mir am Herzen liegt, ist unserUmgang mit Afrika . Wir werden im November wiedereinen gemeinsamen Gipfel der Europäischen Union mitder Afrikanischen Union auf Malta haben . Kernpunktdieses Treffens werden folgende Fragen sein: Wie schaffen wir in der Subsahara gute, sichere Zonen? Wie bekämpfen wir dort Flüchtlingsursachen? Und – das solltedas Thema der Europäischen Union sein –: Wie befähigen wir die Afrikanische Union, auf ihrem KontinentVerantwortung wahrzunehmen, gute Regierungsführungdurchzusetzen und – mindestens genauso wichtig – fürdie Flüchtlinge gute Lebensbedingungen in den jeweiligen Flüchtlingseinrichtungen zu schaffen? Denn dort –das zu sagen, gehört zur Ehrlichkeit dazu – werden wiruns wesentlich deutlicher engagieren müssen .Es geht auch um die Unterbindung von Terrornetzwerken, denen in Libyen Tür und Tor geöffnet wurde . Esgeht auch darum, dass wir die Ausbreitung von Waffenund von Proliferation, aber auch von ausgebildeten Terroristen eindämmen . Das bedeutet eben, dass wir nebenentwicklungspolitischer Zusammenarbeit und außenpolitischen Strategien auch eine gewisse polizeiliche und militärische Begleitung brauchen .
Wir nehmen aber auch sehr ernst, was die Nachbarstaaten sagen . Wir hatten gestern eine Delegation der tunesischen Regierungspartei Nida Tunis zu Besuch bei uns .Von deren Seite wurde die Sorge geäußert, dass sich derEinsatz von EUNAVFOR MED möglicherweise, auchunbeabsichtigt, gegen Fischerboote richten kann . Wirmüssen also auch die Betroffenheit der Nachbarländerernst nehmen . Wir wissen, dass in dem Operationsplan,der letztlich vom Einsatzhauptquartier auf dem italienischen Flaggschiff sowie vom Operationshauptquartierin Rom aus umgesetzt wird, sehr sensibel auf diese Be
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dingungen eingegangen wird und die teilnehmenden Soldaten auch in diese Richtung sensibilisiert werden .Lassen Sie mich abschließend sagen: Diese Missionist nur ein Tropfen auf den heißen Stein . Es ist aber einnotwendiger Schritt, um das Schleppernetzwerk lahmzulegen . Viel wichtiger ist, dass wir eine gemeinsameAfrikastrategie entwickeln und auch als Parlament eindeutliches Zeichen der Unterstützung an die eingesetztenSoldatinnen und Soldaten und an die Entwicklungshelferim nördlichen Afrika senden . Wir wollen einen ganzheitlichen Einsatz . Alle müssen zusammenarbeiten . Wir alsCDU/CSUFraktion unterstützen diese Mission deshalb .Herzlichen Dank .
Vielen Dank . – Bevor Agnieszka Brugger vom Bünd
nis 90/Die Grünen als nächste Rednerin das Wort hat,
habe ich eine Kurzintervention zugesagt . Herr Dr . Neu
hat die Möglichkeit zu einer Kurzintervention .
– Okay, Frau Dağdelen.
Danke, Frau Präsidentin . – Ich habe mich hier gemel
det, weil ich mich auch angesprochen fühle
von den Ausführungen in der Rede des Kollegen
Kiesewetter zu den Möglichkeiten für Abgeordnete,
überhaupt Einsicht und Einblick in den Operationsplan
zu nehmen .
Es ist natürlich ein schlechter Witz, zu sagen, dass der
Abgeordnetenkollege Herr Neu nicht die notwendige
Sicherheitsüberprüfung bestanden hätte, um den Annex
dieses Operationsplans zu lesen .
Ich möchte hier zwei Punkte erwähnen, und ich glau
be, ich spreche hier für viele Abgeordnete, die überhaupt
keinen Einblick in diesen Operationsplan haben:
Erstens . Nur die Abgeordneten, die Mitglieder des
Auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsaus
schusses sind, haben seit Freitag, faktisch aber erst seit
diesem Montag, Zugang zu dem Operationsplan, über
den hier heute der gesamte Bundestag entscheiden soll .
Ich finde diesen Umgang unparlamentarisch.
Ich finde, die Bundesregierung tritt die parlamentari
schen Rechte des Bundestages hier mit Füßen . Warum?
Weil dieser Operationsplan für die Mitglieder des Deut
schen Bundestages seit Montag für nur maximal eine
halbe Stunde in der Geheimschutzstelle zum Lesen zur
Verfügung gestellt wird . Dieser Operationsplan umfasst
aber 677 Seiten in englischer Sprache, Frau Präsidentin .
– Nicht jeder Abgeordnete, Herr Trittin, kann fließend
Englisch sprechen und auch lesen . Das sollte man hier
schon ernst nehmen. – Ich finde, dieser Umgang ist nicht
akzeptabel, weil so die Mehrheit der Abgeordneten die
ses Hauses keinen blassen Schimmer hat, über was er
oder sie hier gleich abstimmt und was Grundlage für die
sen Bundeswehreinsatz ist .
Zweitens . Tatsache ist auch, dass die Bundesregierung
einen offenen Rechtsbruch begangen hat, weil sie den Be
schluss des EURates zur Phase 2 dieser Militärmission
dem Bundestag – auch laut Referat PE 3 des Deutschen
Bundestages – nicht ordnungsgemäß zur Verfügung ge
stellt und zugeleitet hat .
Ich finde, wer sich in diesem Hohen Haus als Abge
ordneter ernst nimmt, kann diesem Mandat nicht zustim
men, weil er überhaupt keine Ahnung hat, was in diesem
Operationsplan steht .
Herr Kiesewetter, Sie haben die Möglichkeit zur Er
widerung .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Frau KolleginDağdelen, nur einige kurze Anmerkungen.Erstens . Die Globalisierung darf auch vor der FraktionDie Linke keinen Halt machen .
Ein bisschen polyglott zu sein, hilft .Zweitens . Unparlamentarisch ist eher Ihr Antrag . Siezeigen keinerlei Alternativen auf, wie Sie mit den Flüchtlingen und der Flüchtlingsnot umgehen wollen .
Sie sagen immer nur, was nicht geht . Sie hören jetzt nichteinmal zu .Letzter Punkt . Wir hatten Gelegenheit, in den Operationsplan zu schauen . Operationspläne sind, wie Sie wissen, immer gleich aufgebaut. Sie finden immer an dengleichen Stellen die notwendigen Punkte . Ich empfehleRoderich Kiesewetter
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Ihnen, sich künftig etwas mehr Zeit zu nehmen und eineÜbersetzung zu Hilfe zu nehmen .
Ich finde es bedauerlich, dass Ihr Antrag – und das istziemlich unparlamentarisch – keinerlei Alternativen aufzeigt im Gegensatz zu dem Antrag der Grünen oder demAntrag der Bundesregierung .Herzlichen Dank .
Vielen Dank . – Jetzt hat die Rednerin AgnieszkaBrugger das Wort .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich würde meine Rede gerne mit einem Zitat beginnen: „DieZerstörung von Booten ist nicht angemessen . Das ist keinguter Ansatz“ . – Diese Aussage stammt nicht aus der letzten Bundestagsdebatte von uns Grünen oder den Linken .Wissen Sie, wer so die Pläne der Europäischen Unionzur militärischen Bekämpfung von Schleppern kritisierthat? Es war der Generalsekretär der Vereinten Nationen,es war Ban Kimoon . Und er hat recht mit seiner Kritik .
Das Mandat, das uns die Bundesregierung heute vorlegt, ist nicht nur gefährlich, sondern auch eine völligfalsche und zynische Antwort auf die Dramen im Mittelmeer .
Um es ganz klar vorab zu sagen – und kommen Sie janicht auf die Idee, uns etwas anderes zu unterstellen –:Wir sind den Soldatinnen und Soldaten der DeutschenMarine zutiefst dankbar für jeden der über 7 000 Menschen, die in den vergangenen Monaten im Mittelmeergerettet wurden .
Ebenso muss man hier aber auch den wertvollen Dienstder zivilen Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen oderdes Projektes SeaWatch erwähnen, die dort eingesprungen sind, wo die europäischen Mitgliedstaaten versagthaben .
Meine Damen und Herren, die Zahlen zur Seenotrettung muss man sich aber wirklich genau anschauen; denndort gibt es einen Bruch . Als die Schiffe zunächst unternationalem Kommando unterwegs waren, haben sie inkürzerer Zeit mehr als doppelt so viele Menschen gerettet als in einem längeren Zeitraum nach der Unterstellungunter die europäische Mission . Das ist auch einfach zuerklären: Hier wurden sie nämlich vor allem zu Aufklärungszwecken eingesetzt . Gleichzeitig gibt es unter deneuropäischen Mitgliedstaaten in Bezug auf die Missiondie Diskussion, dass man Flüchtlinge abschrecken müsseund dass man nicht durch zu viel Rettung unerwünschtePull-Effekte, also falsche Anreize – ich finde ohnehin,das ist ein schreckliches Wort in der Flüchtlingsdebatte –, erzeugen solle .Wenn der Außenminister FrankWalter Steinmeierund die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen inihren öffentlichen Statements für die Mission vor allemmit der Seenotrettung werben, kann ich nur entgegnen:Sie verschleiern die Realität und die Wahrheit; denn dasist nicht Priorität dieser Mission . Man muss auch sagen,Frau von der Leyen, Herr Steinmeier: Hören Sie mit dieser Augenwischerei auf, und sorgen Sie stattdessen dafür,dass die Seenotrettung wieder die alleroberste Prioritätbekommt .
Meine Damen und Herren, dieser Militäreinsatz birgtaber auch Risiken für die Flüchtlinge und die Soldatinnen und Soldaten . Heute geht es um die zweite Phasedieser Mission, grob gesagt darum, dass man auch gegenWiderstand in internationalen Gewässern an Bord vonSchiffen gehen kann, um Schlepper festzunehmen . Natürlich gibt es das Risiko der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen militärischen Kräften und Schleppern .Und das gefährdet die Flüchtlinge .Noch riskanter und gefährlicher ist aber die Phase 3,die die Bundesregierung als nächsten Schritt plant undmit Hochdruck vorantreibt . Sie wollen am libyschenFestland und in libyschen Küstengewässern gezieltgegen die Infrastruktur der Schlepper vorgehen . Daswollen sie in einem Land machen, in dem die Lage völligunübersichtlich ist; klar ist da nur, dass die Schlepper keine Kleinkriminellen sind, sondern mit dschihadistischenGruppen verbunden sind und gut ausgerüstete Netzwerkeder organisierten Kriminalität darstellen . Wir können dieBundesregierung an dieser Stelle nur auffordern, diesesSpiel mit dem Feuer zu stoppen und die Phase 3 nicht inKraft treten zu lassen .
Meine Damen und Herren, mit diesem Mandat wirdheute die Ermächtigung erteilt, dass die Mission Flüchtlingsboote – Herr Kollege Kiesewetter, hier müssen Siegar nicht in den geheimen Operationsplan schauen, sondern in das Mandat der Bundesregierung – „seewärts derKüstenmeere der betroffenen Küstenstaaten“ umleitenkann und soll . Das heißt im Klartext: zurück an die afrikanische Küste .
Wir haben den Operationsplan gelesen . Ich muss sagen:Entweder haben Sie ihn nicht gelesen, Herr KollegeRoderich Kiesewetter
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Kiesewetter, oder Sie behaupten hier mit Absicht die Unwahrheit .
Im Operationsplan findet sich keine Antwort darauf –und die Bundesregierung hat auch keine –, mit welchenMitteln und unter welchen Umständen diese Umleitungfunktionieren kann, ohne dabei zentrale menschenrechtliche Standards zu verletzen; denn es ist verboten, Flüchtlinge auf hoher See zurückzudrängen . Meine Damen undHerren, dieses Abdrängen von Flüchtlingsbooten lehnenwir Grüne ganz klar ab .
Neben all diesen hochproblematischen Aspekten haben wir eine ganz fundamentale Kritik an Ihren Plänenzur militärischen Flüchtlingsabwehr; so muss man diesesMandat ja bezeichnen . Ich möchte vorab betonen: Natürlich sind die Schlepper grausame Menschen, die einschlimmes Geschäft mit dem Leid der Flüchtlinge betreiben . Dagegen müssen wir etwas tun . Aber statt eineMission auf den Weg zu bringen, die einerseits riskantist, aber andererseits ihre Ziele nicht erreichen wird, gibtes einen sicheren und effektiveren Weg, den Schlepperndie Geschäftsgrundlage zu entziehen, nämlich endlichlegale und sichere Einwanderungswege nach Europa zuschaffen .
Doch da tut die Bundesregierung nichts. Ich finde, auchdas spricht Bände .Es ist doch eine Schande, dass die europäischen Mitgliedstaaten so viel Geld, so viel Personal und so vieletechnische Kapazitäten für einen solch falschen Einsatzauf den Weg bringen, aber dem Sterben im Mittelmeerviel zu lange tatenlos zugeschaut haben und die Seenotrettungsmission Mare Nostrum eingestellt werden musste, weil man nicht genug Geld dafür zur Verfügung gestellt hatte .
Meine Damen und Herren, wir Grüne werden diesesMandat, das am Ende vor allem eine Grenze um Europa im Mittelmeer hochzieht, ablehnen . Wir Grüne wollen den Schutz der Flüchtlinge . Wir wollen legale undsichere Einwanderungswege und vor allem endlich eineengagierte und effektive Seenotrettung .Vielen Dank .
Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat Julia
Obermeier von der CDU/CSUFraktion das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Was macht den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiv? Unternehmer antworten mir darauf: Mankann sich in Deutschland darauf verlassen, dass von derMüllabfuhr bis zum Rechtsstaat alles funktioniert . Rechtund Ordnung, meine Damen und Herren, sind der Rahmen, aus dem unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeitund unser Wohlstand entspringen . Entsprechend habenwir überall dort in Europa Probleme, wo Recht und Ordnung untergraben werden, zum Beispiel in Griechenlanddurch massenhafte Korruption und Steuerhinterziehung .Unsere größte Herausforderung in Europa sind abernicht die Schulden, sondern der ungebremste Zustromvon Migranten und Flüchtlingen . Am Münchener Hauptbahnhof haben wir gesehen, wie ob der schieren Massean Menschen Recht und Ordnung außer Kraft gesetztwurden .
Wenn jeden Tag 10 000 in Bayern ankommen, dann istdas auf Dauer nicht mehr zu schaffen .
Hunderttausende Menschen, Migranten und Asylbewerber, tingeln quer durch Europa,
ohne dass eine Registrierung oder gar eine Sicherheitsüberprüfung stattgefunden hat . Allein in Deutschlandsind das 290 000 Personen . Meine Damen und Herren,das ist ein Sicherheitsrisiko, das wir nicht länger hinnehmen können .
Neben der Wiedereinführung der Grenzkontrollen unddem umfassenden innenpolitischen Maßnahmenpaket,das wir heute Morgen hier beraten haben, gilt es nun,europäische Lösungen für dieses europäische Problemzu finden.Wie so oft sind wir uns in Europa nicht in allen Punkten einig . Das haben wir diese Woche bei der Sitzung desEuroparates in Straßburg wieder deutlich gesehen . Worinwir uns in der Europäischen Union aber sehr einig sind,ist, dass wir in einer gemeinsamen Militärmission imMittelmeer für Recht und Ordnung sorgen wollen .
Heute entscheiden kriminelle Schleuser, wer zu uns nachEuropa kommt . Das wollen, das müssen wir ändern .Seit Januar 2015 sind eine halbe Million Migrantenund Flüchtlinge mithilfe von Schleuserbanden über dasMittelmeer nach Europa gekommen . Pro Platz auf einemBoot verlangen die Schleuser 600 bis 5 000 Euro . Aufdiesem Weg haben sie in den letzten 15 Jahren 16 MilAgnieszka Brugger
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liarden Euro eingenommen . Und sie betreiben ihr Geschäft ohne Rücksicht auf Verluste .Jene, die auf der Suche nach Frieden, Recht und Wohlstand den Weg nach Europa antreten, werden wie Viehin teils seeuntaugliche Boote geprügelt . Familien werdendabei auseinandergerissen, und so manches Kind, das aufder Überfahrt zu laut weinte, wurde von den Schleuserneinfach über Bord geworfen . Diese Schleuser sind alsokeine heldenhaften Fluchthelfer, sondern skrupelloseKriminelle .
Dieses Jahr bezahlten bereits 3 000 Menschen ihreReise nach Europa mit dem Tod .
Deshalb ist seit Mai 2015 die Bundeswehr im Mittelmeer an der Seenotrettung beteiligt und hat dabei über8 000 Menschen geholfen . Mein Dank gilt an dieser Stelle allen Einsatzkräften an Bord der Fregatte „SchleswigHolstein“ und des Tenders „Werra“ sowie zuvor der Fregatte „Hessen“ und des Versorgers „Berlin“ .
22 Mitgliedstaaten beteiligen sich an EUNAVFORMED . Italien ist hier als Rahmennation tätig, Deutschland ist zweitgrößter Truppensteller . Bis zu 950 deutscheSoldatinnen und Soldaten werden dort im Einsatz sein .Sie werden nun aber nicht mehr nur Seenotrettung betreiben, sondern wir gehen in dieser Phase der Mission dennächsten Schritt: Wir werden den kriminellen Schleuserndas Handwerk legen .
Dazu wollen wir die Netzwerke der Schleuser aufdecken, auch auf hoher See Boote beschlagnahmen, bevorsie zum Menschenhandel und Menschenschmuggel eingesetzt werden, und wir wollen die ertappten Schleuserauch strafrechtlich belangen .
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bitte Sie um IhreZustimmung zu diesem Mandat: Für Recht und Ordnungauf dem Mittelmeer .Danke .
Vielen Dank . – Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir haben jetzt noch zwei Redner in dieser Debatte . Ich
bin sicher, es wird Ihnen gelingen, Ihre Gespräche für
die Redezeit dieser zwei Redner zu unterbrechen . Dann,
wenn wir abstimmen, können Sie so laut miteinander re
den, wie Sie wollen, und danach geht es dann bitte wie
der leise weiter .
Jetzt hat Herr Lars Klingbeil von der SPDFraktion
das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn man sich die Debatten des heutigen Tages anschaut, dann sieht man, wie schwer wir uns an vielenStellen tun, mit den Herausforderungen der Flüchtlingskrise umzugehen . Das ist zweifelsohne eine schwereSituation . Wenn die Kanzlerin sagt: „Wir schaffen das“,dann haben wir als Parlament gemeinsam die Verantwortung, den Menschen zu erklären, wie wir das schaffenund welche Maßnahmen wir unternehmen wollen .
Die Politik muss Antworten geben, und wir sehen alleinan dieser Debatte, dass es nicht immer einfach ist, Antworten zu geben . Ich glaube auch, dass viele Antwortenviel komplexer sind, als manche Debattenredner es hierdarstellen .Ich will am Beginn meiner Rede auch den vielen Menschen danken, die sich in Deutschland hauptamtlich undehrenamtlich um Flüchtlinge kümmern .
Ich habe es selbst in meinem Wahlkreis erleben können,als innerhalb weniger Stunden eine Notunterkunft für1 400 Flüchtlinge aufgebaut werden musste . Dort warenes DRK, DLRG, Johanniter, Feuerwehren, viele Ehrenamtliche, aber auch die Bundeswehr, die gemeinsam dafür gesorgt haben, dass Flüchtlinge in Niedersachsen einZuhause bekommen haben .Der Dank gilt ganz explizit der Bundeswehr, die jetztschon im Mittelmeer auf der Fregatte „SchleswigHolstein“ und dem Tender „Werra“ unterwegs ist und bei derSeenotrettung schon über 8 000 Menschenleben gerettethat . Ich denke, den Soldatinnen und Soldaten gebührt eingroßer Dank aus diesem Haus .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, dass in derheutigen Debatte Widersprüche aufgemacht werden, diekeine sind . Es geht nicht um die Frage, ob wir Seenotrettung oder Bekämpfung der Schlepperbanden wollen .
Wir wollen beides . Ich sage auch ganz klar: Das Mandatbeinhaltet beides . Es geht nicht darum, die Seenotrettungeinzugrenzen, zu beschränken oder abzuschaffen . Nein,die Seenotrettung gehört zu diesem Mandat, und sie wirdweiter stattfinden. Dafür sind unsere Soldatinnen undSoldaten im Einsatz im Mittelmeer, und sie werden sichweiter darum kümmern .
Julia Obermeier
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Es wird hier behauptet, es soll zukünftig darum gehen,dass die Boote der Schlepper versenkt werden . Ich sage:Das steht nicht in dem Mandat, über das wir heute abstimmen. Es geht darum, dass die Netzwerke identifiziertwerden sollen. Es geht darum, dass Schlepper identifiziert werden sollen, dass sie erkennungsdienstlich behandelt werden sollen, dass die Routen erkannt werden unddass Boote beschlagnahmt werden können . Aber es gehtnicht darum, sie zu zerstören . Sie sollten schon deutlichsagen, worum es bei diesem Mandat geht . Es geht darum,ein Geschäftsmodell zu zerstören, liebe Kolleginnen undKollegen .
Weil es vorhin vom Kollegen Neu von der Linken angesprochen wurde: Niemand hat behauptet, dass mit diesem Mandat die Fluchtursachen bekämpft werden sollen .Darum geht es gar nicht . Wenn man sich anschaut, waswir als Koalitionsfraktionen und die Bundesregierungsonst noch unternehmen, dann finde ich es töricht, wennman behauptet, wir würden uns nicht um die Bekämpfung der Fluchtursachen kümmern . Ich will Ihnen dasdeutlich sagen .
Schauen Sie sich allein an, was AußenministerSteinmeier im Rahmen der G 7 erreicht hat: Die Mittelfür das Welternährungsprogramm und den UNHCR werden um 1,6 Milliarden Euro erhöht . Das ist Fluchtursachenbekämpfung . Darum kümmert sich unser Außenminister. Ich finde, wir alle können ihm an dieser Stelle fürdas, was er erreicht hat, wirklich dankbar sein .
Wir müssen uns darum kümmern, dass legale Wegenach Deutschland ermöglicht werden . Ich sage hier ganzklar: Meine Fraktion, die SPD, setzt sich dafür ein, dasswir in Deutschland ein Einwanderungsgesetz bekommen, das den Menschen zeigt, wie sie nach Deutschlandkommen können . Ich würde mir wünschen, dass sichauch andere Fraktionen hier im Parlament bewegen, damit wir schnell ein solches wichtiges Einwanderungsgesetz bekommen .
Lassen Sie mich am Ende Folgendes sagen: Wenn ichhier in der Debatte vonseiten der Linkspartei höre, wieneoliberale Interessen unterstellt werden, wie skizziertwird, dass man anscheinend mit Freude militärisch vorgeht, dann kann ich nur sagen: Herr Kollege Dr . Neu, Siezeichnen ein Bild von Deutschland, das nicht der Realitätentspricht .
Gucken Sie sich doch einmal an, was die internationalePresse schreibt .Ich war vor wenigen Tagen in den USA und habe michdort mit Vertretern der größten muslimischen Gemeindeunterhalten . Ich kann Ihnen sagen: Es ist Dankbarkeit zuspüren, dass wir den Menschen den Weg nach Deutschland ermöglichen, dass wir den Menschen Schutz gebenin Deutschland . Wenn Sie das nicht weiter ignorierenwürden, würde Ihr Deutschlandbild zurechtgerückt werden . Sie zeichnen hier im Parlament ein falsches Bild vonDeutschland . Das hat nichts mit der Realität zu tun .
Ich fasse zusammen: Wir werden dem Mandat zustimmen . Ein Allheilmittel sehen wir darin nicht . Es wird viele andere Aufgaben geben, die wir als Parlament bewältigen müssen . Das Mandat, über das wir heute abstimmen,ist ein wichtiges Mosaiksteinchen bei der Bekämpfungder Flüchtlingskrise .Vielen Dank .
Das Wort hat der Kollege Michael Vietz für CDU/
CSUFraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr geehrte Damen und Herren! Entgegen dem hiermanchmal gezeichneten Bild: Es ist weder den Koalitionsfraktionen noch der Bundesregierung egal, ob einMassensterben im Mittelmeer stattfindet. Ebenso ist esuns nicht egal, ob ein Risiko für Leib und Leben vonFlüchtlingen besteht .
Das war einer der Auslöser für die Mission EUNAVFORMED als gemeinsame Operation der EuropäischenUnion . Hier beobachten unsere Einsatzkräfte Tag fürTag, wie skrupellose Schlepper ihrem Geschäft nachgehen und aus der Not ihrer Opfer Profit schlagen.Ich danke an dieser Stelle allen beteiligten Kräften derEUNAVFOR MED – seien es deutsche, seien es europäische – für ihren Einsatz . Seit Beginn der Mission konntenwir bis vergangene Woche über 8 000 gerettete Seelenzählen . Am letzten Wochenende hat allein unser Tender„Werra“ weitere 140 Menschen aus Seenot gerettet .Nüchterne Zahlen sind das eine . Hinter jeder Zahlsteht ein Schicksal . Ich erinnere – allerdings aus anderem Anlass als Kollege Neu – hier ganz besonders an denStabsarzt und an den Heizer unserer Fregatte „SchleswigHolstein“ . Sie waren am 24 . August im Einsatz undhalfen der kleinen Sophia an Bord eines Kriegsschiffes,das Licht der Welt zu erblicken . Sophia steht in diesemKontext für Hoffnung und Leben, und auch dafür stehtEUNAVFOR MED .
Lars Klingbeil
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Ich begrüße daher ganz im Gegensatz zum Kollegen Neuden Vorschlag von Federica Mogherini, die Mission in„Sophia“ umzutaufen . Denn darum geht es auch: Wir retten Leben .Phase 1 von EUNAVFOR MED beschränkte sich zunächst auf die humanitäre Seenotrettung und die Aufklärung von Schleppernetzwerken im Mittelmeer . DerÜbergang zu Phase 2 i) bedeutet nun, nach der Informationsgewinnung gezielt gegen die Schlepper vorzugehen .Schlepperboote können auf hoher See aufgebracht undbeschlagnahmt werden . Sie können mitnichten nach Afrika, sondern werden nach Italien gebracht werden, woaufgeklärt werden kann .Selbstverständlich ist das im Wesentlichen die Bekämpfung von Symptomen des seit Jahren fließendenFlüchtlingsstroms; es auch hat nie jemand etwas anderes behauptet . Aber auch diese Aufgabe muss erledigtwerden . Danach können wir weitere Schritte planen undeinen Übergang zu den weiteren Phasen in Betracht ziehen . Nur, darum geht es heute, hier und jetzt nicht .Ich hoffe ausdrücklich, dass die positiven Signale ausLibyen, dass eine Einheitsregierung gebildet werdenkönnte, sich bestätigen . Für die Stabilität des Landes unddie Zukunft seiner Bürger ist dies wichtig . Es liegt auchim Interesse der Flüchtlinge und von uns allen, damit diese lebensgefährlichen Schlepperfahrten ihre Ausgangsbasis verlieren .Die Flüchtlingskrise stellt uns vor innen, europa undaußenpolitische Herausforderungen . Zum einen geht esum die Bewältigung ihrer Auswirkungen hier bei uns,zum anderen um die Bekämpfung der Fluchtursachen .Daneben geht es aber auch – das sollten wir nicht vergessen – um die Situation in den Transitländern, und damitgeht es darum, wie wir den Schleppern ihre menschenverachtende Arbeit unmöglich machen .Über die innenpolitischen Notwendigkeiten haben wirheute Vormittag debattiert . Über die außenpolitischenNotwendigkeiten, wie zum Beispiel unsere Unterstützung für UNHCR und das Welternährungsprogramm,sprechen wir in den Haushaltsberatungen . Die Erhöhungder Flüchtlingshilfe durch die G 7 und die Golfstaatenist hier schon ein positives Signal . Wir müssen den Menschen vor Ort Hoffnung und Perspektiven bieten, damitsie sich nicht auf diesen lebensgefährlichen Weg machen .Es geht dabei um eine vernetzte Gesamtstrategie, diesowohl die Herkunfts und Nachbarländer als auch dieSchlepperorganisationen gezielt ins Visier nimmt . Wirwollen den Schleppern ihr Millionengeschäft schlichtweg ausdrücklich vermiesen, und dafür dient auchEUNAVFOR MED .Phase 1 der Mission hat wesentliche Erkenntnisse darüber erbracht, wie unterschiedlich die Schlepper agieren .Die gewonnenen Informationen bereiten nun den Wegfür die Phase 2 i) . Worüber wir also heute sprechen, ist:die gewonnenen Erkenntnisse gezielt nutzen, konsequenthandeln . Es kann und darf nicht sein, dass zum BeispielSchlepper vor den Augen unserer Einsatzkräfte ihre Boote wieder einsammeln, um sie erneut mit Flüchtlingenvollzustopfen .
Dabei ist und bleibt die Seenotrettung selbstverständlichDreh und Angelpunkt der Mission .Unsere Männer und Frauen der Marine kommen beidiesen Einsätzen im Mittelmeer tagtäglich an ihre Belastungsgrenzen . Sie verdienen nicht nur unseren Dank undunsere Anerkennung; sie verdienen zudem, dass diesesHohe Haus geschlossen hinter ihnen steht . Daher bitteich um Zustimmung zu dem Antrag der Bundesregierung: Stimmen Sie für EUNAVFOR MED! Stimmen Siefür „Sophia“!Danke .
Ich schließe die Aussprache .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, erst
einmal Platz zu nehmen und auch den Geräuschpegel
so weit herunterzufahren, dass wir eine gleich folgende
Erklärung zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsord
nung auch zur Kenntnis nehmen können .
Mir liegen schriftliche Erklärungen nach § 31 der Ge
schäftsordnung der Kollegin Dr . Nina Scheer, der Kol
legin Sevim Dağdelen, der Kollegin Heike Hänsel und
des Kollegen Alexander Neu vor . Entsprechend unseren
Regeln nehmen wir diese zu Protokoll .1)
Es liegt mir außerdem eine Meldung des Kollegen
Rüdiger Veit zu einer Erklärung zur Abstimmung vor . Ich
gebe ihm aber erst dann das Wort, wenn es im Plenum
auch die notwendige Aufmerksamkeit gibt . – Ich bitte
tatsächlich alle Kolleginnen und Kollegen, sich in den
Reihen ihrer Fraktion oder in den Reihen einer anderen
Fraktion, sollten sie dort Gastrecht genießen, einen Platz
zu suchen . Ich bitte vor allen Dingen, die lauten Gesprä
che einzustellen .
Sollte es sich noch nicht herumgesprochen haben: Wir
kommen noch nicht zur Abstimmung .
Vor allen Dingen bitte ich jetzt, den Geräuschpegel tat
sächlich herunterzufahren . – Vielleicht können sowohl
die Kollegen der SPD als auch der Union ihren Kollegen
dort hinten einen Hinweis geben, die Gespräche einzu
stellen oder nach draußen zu verlagern .
Zu einer Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsord
nung hat nun der Kollege Rüdiger Veit das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Zunächst einmal herzlichen Dank, Frau Präsidentin, dassSie für das notwendige Maß an Aufmerksamkeit gesorgt1) Anlagen 2 und 3Michael Vietz
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haben . Es wird – da kann ich alle beruhigen – sehr kurzwerden .Mir persönlich – ich erkläre das zugleich im Namenmeines Kollegen Christoph Strässer – fehlt jede Zuversicht – ja, uns fehlt sogar der Glaube –, dass die hier inRede stehende Maßnahme ein sinnvoller Beitrag zur Bekämpfung von Schleuserkriminalität sein kann .
Aber da wir der Auffassung sind, dass nichts, buchstäblich nichts unversucht gelassen werden sollte, um diesemmenschenverachtenden, verbrecherischen Treiben Einhalt zu gebieten, stimmen wir zu, um diese Chance nichtzu verbauen . Das wollte ich hierzu erklärt haben .Danke für die Aufmerksamkeit .
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneterdeutscher Streitkräfte an der EUOperation EUNAVFORMED als ein Teil der Gesamtinitiative der EU zur Unterbindung des Geschäftsmodells der Menschenschmuggel und Menschenhandelsnetzwerke im südlichen undzentralen Mittelmeer. Der Ausschuss empfiehlt in seinerBeschlussempfehlung auf Drucksache 18/6189, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 18/6013 anzunehmen . Wir stimmen über die Beschlussempfehlungnamentlich ab .Bevor ich die Abstimmung eröffne, möchte ich daraufhinweisen, dass wir in circa 40 Minuten zwei weitere namentliche Abstimmungen durchführen werden .Sind alle Schriftführerinnen und Schriftführer am vorgesehenen Platz? – Ich eröffne die Abstimmung über dieBeschlussempfehlung .Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgeben konnte? – Dann bitte ich, das jetztzu vollziehen . Im Übrigen mache ich darauf aufmerksam,dass wir unter diesem Tagesordnungspunkt noch weitereAbstimmungen vornehmen . Es wäre sicherlich hilfreichfür uns hier vorn, wenn diejenigen, die an den weiterenVerhandlungen teilnehmen, Platz nehmen, sodass wir dieAbstimmungsergebnisse zweifelsfrei feststellen und zurKenntnis nehmen können .Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgeben konnte? – Das ist nicht der Fall .Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen . Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen späterbekannt gegeben .1)Ich wiederhole meine Bitte, dass all diejenigen, diean den weiteren Verhandlungen und insbesondere anden Abstimmungen, die jetzt noch anstehen, teilhabenwollen, sich in die Reihen der Fraktionen begeben . Ich1) Ergebnis Seite 12346bitte die Mitglieder der Bundesregierung, gegebenenfallsihren Platz auf der Regierungsbank einzunehmen .Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge . Entschließungsantrag der Fraktion DieLinke auf Drucksache 18/6207 . Wer stimmt für diesenEntschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Werenthält sich der Stimme? – Der Entschließungsantragist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und derFraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen derFraktion Die Linke abgelehnt worden .Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/DieGrünen auf Drucksache 18/6208 . Wer stimmt für diesenEntschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Werenthält sich der Stimme? – Der Entschließungsantragist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen dieStimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt worden .Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 7:Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
– zu dem Antrag der Abgeordneten KatjaKipping, Sabine Zimmermann ,Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneterund der Fraktion DIE LINKESanktionen bei Hartz IV und Leistungsein-schränkungen bei der Sozialhilfe abschaf-fen– zu dem Antrag der Abgeordneten KatjaKipping, Sabine Zimmermann ,Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und derFraktion DIE LINKEGute Arbeit und eine sanktionsfreie Min-destsicherung statt Hartz IV– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . WolfgangStrengmannKuhn, Beate MüllerGemmeke,Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENExistenzminimum und Teilhabe sicherstel-len – Sanktionsmoratorium jetztDrucksachen 18/1115, 18/3549, 18/1963,18/6128 Zu der Beschlussempfehlung werden wir später zweinamentliche Abstimmungen durchführen . Ich bitte, denKolleginnen und Kollegen, die rechts von mir noch imGang stehen, zu übermitteln, dass diese Abstimmungenerst nach der Debatte durchgeführt werden . Sie müssenalso nicht hier in Bereitschaft stehen bleiben .Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die KolleginDagmar Schmidt für die SPDFraktion .
Rüdiger Veit
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damenund Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! LiebeKolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, ich binnoch nicht lange dabei, aber ein Prinzip Ihrer Politik istauch für mich schon offensichtlich geworden: Sie nehmen sich eine Gruppe heraus und betrachten ausschließlich deren einzelne Interessen . Ich gebe zu, Ihre Gruppensind mir deutlich sympathischer als die, die sich die FDPimmer herausgesucht hat .
Auch ich widme mich deutlich lieber den Interessen vonLangzeitarbeitslosen als denen von Hoteliers .
Aber das Ergebnis ist in beiden Fällen ein sehr engerBlick auf die Welt .
– Ich kenne auch die Stellungnahme vom DGB . Dazukomme ich noch .Sie erzählen Geschichten von Betroffenen; das ist auchgut so . Viele dieser Geschichten müssen erzählt und auchgehört werden . Aber die Geschichten, die Sie erzählen,sind nicht die einzigen Geschichten, sie repräsentierennie das Ganze . Es gibt Geschichten, in denen MenschenUnrecht widerfahren ist, und es gibt Erfolgsgeschichten,in denen dank der Unterstützung durch unsere Jobcenterund dem eigenen Engagement der Weg in gute Arbeit gelungen ist . Es gibt auch diejenigen, deren Leben nichtimmer leicht ist, die Kinder versorgen oder sich um ihreEltern kümmern und trotzdem Vollzeit arbeiten, ohne dabei viel zu verdienen, für die es aber selbstverständlichist, ihren Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften, unddie es als gerecht empfinden, dass auch andere sich dafüranstrengen müssen, die es als gerecht empfinden, dassman eigenes Engagement einfordert .
Es gibt auch diejenigen, die unter für uns inakzeptablen Bedingungen eine Ausbildung absolvieren und beenden, weil es für sie inakzeptabel und unvorstellbar ist,alles einfach hinzuschmeißen . Sie beißen sich durch underwarten dies auch von anderen .
Es steht außer Frage, dass wir Eltern und Pflegendeunterstützen; das tun wir . Ich erspare Ihnen, aufzuzählen,was wir alles Gutes tun, schon getan haben und noch tunwerden . Es steht auch außer Frage, dass wir uns nicht nurum die Quantität, sondern auch um die Qualität von Ausbildung kümmern müssen . Dieses Thema steht oftmalsbei der Frage von Ausbildungsfähigkeit und anderemhintenan . Was ich damit sagen möchte, ist: Es gibt nichtnur den einen Blickwinkel, aus dem Dinge als gerechtoder ungerecht empfunden werden, sondern es gibt auchdie anderen . Es lohnt sich, auch diese Geschichten zu erzählen und zu hören .Wenn es um Sanktionen geht, dann wollen wir, dannwill die SPD nicht, dass es so bleibt, wie es ist .
Wir wollen einiges ändern . Wir wollen eine Angleichung der Sanktionsregeln für unter 25Jährige undüber 25Jährige .
Wir sehen keinen Grund dafür, junge Menschen härter zubestrafen oder zu sanktionieren . Wir sehen keinen Belegdafür, dass das dem Ziel der Ausbildungs oder Arbeitsaufnahme zuträglich wäre . Im Gegenteil: Viel zu vieleverabschieden sich dann ganz aus dem System .Wir wollen, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht mehr von Sanktionen erfasst werden .
Sanktionen sollen eine Erwartung an Mitwirkung zumAusdruck bringen . Sie sollen und dürfen Menschen nichtin noch größere soziale Not oder Obdachlosigkeit treiben .Aber wir wollen eben nicht auf die Mitwirkungspflichtverzichten . Ich habe das schon in der letzten Debatte gesagt: Keine Erwartung an Menschen zu haben, ist keinZeichen von Respekt . Ihnen Arbeit und die selbstständige Sicherung ihres Lebensunterhalts zuzutrauen und siedabei zu unterstützen, das ist ein Zeichen von Respekt .
Die Möglichkeiten und Probleme von Arbeitslosensind unterschiedlich . Wenn wir mehr Gerechtigkeit wollen, müssen wir das stärker berücksichtigen als bisher .Deswegen müssen wir dort ansetzen, wo wir ihre Rechtestärken und das Fördern und Fordern in eine bessere Balance bringen . Wir brauchen individuelle Lösungen fürindividuelle Problemlagen .Zentrales Instrument hierfür ist aus unserer Sicht dieEingliederungsvereinbarung . Dabei sind uns drei Dingewichtig .Erstens . Die Eingliederungsvereinbarung muss sichan den Kompetenzen, Interessen und Neigungen der oderdes Arbeitslosen orientieren . Daran sind auch die Instrumente und Angebote auszurichten . Diese sind konkret inder Vereinbarung festzulegen .Zweitens . Die Information muss stimmen . Arbeitslosemüssen besser über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärtwerden, und zwar in einfacher und verständlicher Sprache . Lange juristische Rechtsbelehrungen sind nicht derSinn einer Eingliederungsvereinbarung .
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Drittens . Wir wollen in diesem Prozess die Rechte derArbeitslosen stärken . Wir wollen das Recht, einmal dieBetreuerin oder den Betreuer zu wechseln . Wir wolleneine Obperson, die bei unterschiedlichen Auffassungenüber den Inhalt oder die Umsetzung der Eingliederungsvereinbarung als neutrale Instanz vermittelt . Wir wollen,dass am Ende eine einvernehmlich geschlossene Vereinbarung steht . Denn aus unserer Sicht ist das der besteWeg zum Erfolg .
Wir sind aber auch der Ansicht, dass das, was von beidenSeiten dort festgehalten wird, bei Nichteinhaltung sanktioniert werden kann, aber nur das . Sanktionen müssenihren Sinn erfüllen . Sie sind keine Strafe, und sie ersetzen auch nicht die pädagogische Betreuung im Eingliederungsprozess . Sanktionen müssen letztendlich einenBeitrag zum Erfolg des Eingliederungsprozesses leisten .Wir fühlen uns in unserer Position durch die Anhörungbestätigt: Wir wollen die Sanktionen nicht abschaffen, sieaber ändern, die Regelungen für unter 25Jährige an dieRegelungen für über 25Jährige anpassen und die KdUausnehmen . Außerdem wollen wir Beratung, Informationund das Fördern verbessern und die Eingliederungsvereinbarung zu einem echten, beidseitig akzeptierten Vertrag machen . Wir wollen Menschen in Arbeit bringen, sieunabhängig von staatlichen Leistungen und stolz auf dasvon ihnen Geleistete machen . Oder um es mit VoltairesWahlspruch zu sagen: Immer an die Arbeit!In diesem Sinn: Glück auf!
Bevor wir in der Debatte fortfahren, gebe ich Ihnen dasvon den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelteErgebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen 568 . Mit Ja haben 450 Kolleginnenund Kollegen gestimmt, mit Nein 116, und 2 Kolleginnen oder Kollegen haben sich enthalten . Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen .Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 567;davonja: 449nein: 116enthalten: 2JaCDU/CSUStephan AlbaniKatrin AlbsteigerArtur AuernhammerThomas BareißNorbert BarthleGünter BaumannMaik BeermannManfred Behrens
Veronika BellmannSybille BenningDr . Andre BergheggerDr . Christoph BergnerUte BertramPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr . Maria BöhmerWolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr . Reinhard BrandlHelmut BrandtDr . Ralf BrauksiepeDr . Helge BraunHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannAlexandra DingesDierigAlexander DobrindtMichael DonthThomas DörflingerMarieLuise DöttHansjörg DurzIris EberlJutta EckenbachDr . Bernd FabritiusHermann FärberEnak FerlemannIngrid FischbachDirk Fischer
Dr . Maria FlachsbarthThorsten FreiDr . Astrid FreudensteinDr . HansPeter Friedrich
Michael FrieserDr . Michael FuchsHansJoachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr . Thomas GebhartAlois GerigEberhard GiengerJosef GöppelReinhard GrindelUrsula GrodenKranichHermann GröheKlausDieter GröhlerMichael GrosseBrömerAstrid GrotelüschenMarkus GrübelManfred GrundOliver GrundmannMonika GrüttersDr . Herlind GundelachFritz GüntzlerOlav GuttingChristian HaaseFlorian HahnDr . Stephan HarbarthGerda HasselfeldtMatthias HauerMark HauptmannDr . Stefan HeckDr . Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilFrank Heinrich
Mark HelfrichUda HellerJörg HellmuthRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingPeter HintzeDr . Heribert HirteRobert HochbaumThorsten Hoffmann
Alexander HoffmannKarl HolmeierFranzJosef HolzenkampDr . Hendrik HoppenstedtMargaret HorbBettina HornhuesCharles M . HuberAnette HübingerHubert HüppeErich IrlstorferThomas JarzombekSylvia JörrißenAndreas JungDr . Franz Josef JungXaver JungDr . Egon JüttnerBartholomäus KalbHansWerner KammerSteffen KampeterSteffen KanitzAlois KarlAnja KarliczekBernhard KasterVolker KauderDr . Stefan KaufmannRoderich KiesewetterDr . Georg KippelsVolkmar KleinJürgen KlimkeAxel KnoerigDagmar Schmidt
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Jens KoeppenMarkus KoobCarsten KörberHartmut KoschykKordula KovacMichael KretschmerGunther KrichbaumDr . Günter KringsRüdiger KruseBettina KudlaDr . Roy KühneGünter LachUwe LagoskyDr . Karl A . LamersAndreas G . LämmelDr . Norbert LammertKatharina LandgrafUlrich LangeBarbara LanzingerDr . Silke LaunertPaul LehriederDr . Katja LeikertDr . Philipp LengsfeldDr . Andreas LenzPhilipp Graf LerchenfeldAntje LeziusIngbert LiebingMatthias LietzAndrea LindholzDr . Carsten LinnemannPatricia LipsWilfried LorenzDr . Claudia LückingMichelDr . JanMarco LuczakDaniela LudwigKarin MaagYvonne MagwasThomas MahlbergGisela ManderlaMatern von MarschallHansGeorg von der MarwitzAndreas MattfeldtStephan Mayer
Reiner MeierDr . Michael MeisterJan MetzlerMaria MichalkDr . h .c . Hans MichelbachDr . Mathias MiddelbergDietrich MonstadtKarsten MöringVolker MosblechElisabeth MotschmannDr . Gerd Müller
Stefan Müller
Dr . Philipp MurmannMichaela NollHelmut NowakDr . Georg NüßleinJulia ObermeierWilfried OellersDr . Tim OstermannHenning OtteFlorian OßnerIngrid PahlmannSylvia PantelMartin PatzeltDr . Martin PätzoldUlrich PetzoldDr . Joachim PfeifferEckhard PolsThomas RachelKerstin RadomskiAlexander RadwanAlois RainerDr . Peter RamsauerEckhardt RehbergLothar RiebsamenJosef RiefDr . Heinz RiesenhuberJohannes RöringErwin RüddelAlbert RupprechtAnita Schäfer
Dr . Wolfgang SchäubleAndreas ScheuerKarl SchiewerlingJana SchimkeNorbert SchindlerTankred SchipanskiHeiko SchmelzleGabriele Schmidt
Ronja SchmittPatrick SchniederNadine Schön
Dr . Ole SchröderDr . Kristina Schröder
Bernhard SchulteDrüggelteDr . KlausPeter SchulzeUwe Schummer
Christina SchwarzerDetlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr . Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerTino SorgeJens SpahnCarola StaucheDr . Frank SteffelDr. Wolfgang StefingerAlbert StegemannPeter SteinErika SteinbachSebastian SteinekeJohannes SteinigerChristian Frhr . von StettenDieter StierRita StockhofeGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerMatthäus StreblThomas StritzlThomas Strobl
Lena StrothmannMichael StübgenDr . Sabine SütterlinWaackDr . Peter TauberAntje TillmannDr . HansPeter UhlDr . Volker UllrichArnold VaatzOswin VeithThomas ViesehonMichael VietzSven VolmeringChristel VoßbeckKayserDr . Johann WadephulMarco WanderwitzNina WarkenKai WegnerAlbert WeilerMarcus Weinberg
Dr . Anja WeisgerberPeter Weiß
Sabine Weiss
Ingo WellenreutherKarlGeorg WellmannMarian WendtWaldemar WestermayerKai WhittakerPeter WichtelAnnette WidmannMauzHeinz Wiese
Elisabeth WinkelmeierBeckerOliver WittkeDagmar G . WöhrlBarbara WoltmannHeinrich ZertikEmmi ZeulnerDr . Matthias ZimmerGudrun ZollnerSPDNiels AnnenIngrid ArndtBrauerRainer ArnoldHeike BaehrensUlrike BahrHeinzJoachim BarchmannDr . Katarina BarleyDoris BarnettDr . Matthias BartkeSören BartolBärbel BasLothar Binding
Burkhard BlienertWilli BraseDr . KarlHeinz BrunnerEdelgard BulmahnMarco BülowDr . Lars CastellucciPetra CroneDr . Daniela De RidderDr . Karamba DiabySabine DittmarElvira DrobinskiWeißSiegmund EhrmannMichaela EngelmeierDr . h .c . Gernot ErlerPetra ErnstbergerSaskia EskenKarin EversMeyerDr . Johannes FechnerDr . Fritz FelgentreuElke FernerChristian FlisekGabriele FograscherDr . Edgar FrankeUlrich FreeseDagmar FreitagMichael GerdesMartin GersterIris GleickeAngelika GlöcknerUlrike GottschalckKerstin GrieseGabriele GronebergMichael GroßUli GrötschWolfgang GunkelBettina HagedornRita HaglKehlMetin HakverdiVizepräsidentin Petra Pau
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Ulrich HampelSebastian HartmannDirk HeidenblutGabriela HeinrichMarcus HeldWolfgang HellmichHeidtrud HennGustav HerzogGabriele HillerOhmThomas HitschlerDr . Eva HöglMatthias IlgenChristina JantzFrank JungeThomas JurkOliver KaczmarekJohannes KahrsRalf KapschackGabriele KatzmarekUlrich KelberMarina KermerArno KlareLars KlingbeilDr. Bärbel KoflerBirgit KömpelAnette KrammeDr . HansUlrich KrügerHelga KühnMengelChristine LambrechtSteffenClaudio LemmeBurkhard LischkaHiltrud LotzeKirsten LühmannDr . Birgit MalechaNissenCaren MarksKatja MastDr . Matthias MierschKlaus MindrupSusanne MittagBettina MüllerMichelle MünteferingDr . Rolf MützenichUlli NissenMahmut Özdemir
Aydan ÖzoguzThomas OppermannMarkus PaschkeChristian PetryJeannine PflugradtDetlev PilgerSabine PoschmannAchim Post
Florian PostJoachim PoßDr . Wilhelm PriesmeierFlorian PronoldDr . Sascha RaabeDr . Simone RaatzMartin RabanusStefan RebmannGerold ReichenbachDr . Carola ReimannAndreas RimkusSönke RixDennis RohdeDr . Martin RosemannDr . Ernst Dieter RossmannSusann RüthrichBernd RützelSarah RyglewskiJohann SaathoffAnnette SawadeDr . HansJoachim SchabedothAxel Schäfer
Marianne SchiederUdo SchiefnerDr . Dorothee SchlegelUlla Schmidt
Matthias Schmidt
Dagmar Schmidt
Carsten Schneider
Ursula SchulteSwen Schulz
Ewald SchurerFrank SchwabeStefan SchwartzeAndreas SchwarzRainer SpieringNorbert SpinrathSvenja StadlerMartina StammFibichSonja SteffenPeer SteinbrückChristoph SträsserKerstin TackClaudia TausendMichael ThewsDr . Karin ThissenFranz ThönnesCarsten TrägerRüdiger VeitUte VogtDirk VöpelGabi WeberBernd WestphalDirk WieseGülistan YükselDagmar ZieglerStefan ZierkeDr . Jens ZimmermannManfred ZöllmerBrigitte ZypriesNeinSPDKlaus BarthelDr . Ute FinckhKrämerHilde MattheisWaltraud Wolff
DIE LINKEJan van AkenDr . Dietmar BartschHerbert BehrensKarin BinderMatthias W . BirkwaldHeidrun BluhmChristine BuchholzEva BullingSchröterRoland ClausSevim DagdelenDr . Diether DehmKlaus ErnstNicole GohlkeDr . Gregor GysiDr . Andre HahnHeike HänselDr . Rosemarie HeinInge HögerAndrej HunkoSigrid HupachUlla JelpkeKerstin KassnerKatja KippingJan KorteJutta KrellmannKatrin KunertSabine LeidigMichael LeutertStefan LiebichDr . Gesine LötzschThomas LutzeBirgit MenzCornelia MöhringNiema MovassatNorbert Müller
Dr . Alexander S . NeuThomas NordPetra PauRichard PitterleMartina RennerDr . Petra SitteKersten SteinkeDr . Kirsten TackmannFrank TempelDr . Axel TroostAlexander UlrichKathrin VoglerDr . Sahra WagenknechtHalina WawzyniakKatrin WernerBirgit WöllertJörn WunderlichHubertus ZdebelBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKerstin AndreaeAnnalena BaerbockVolker Beck
Dr . Franziska BrantnerAgnieszka BruggerEkin DeligözKatja DörnerKatharina DrögeHarald EbnerDr . Thomas GambkeMatthias GastelKai GehringKatrin GöringEckardtAnja HajdukBritta HaßelmannDr . Anton HofreiterBärbel HöhnDieter JanecekUwe KekeritzKatja KeulSvenChristian KindlerMaria KleinSchmeinkSylvia KottingUhlOliver KrischerStephan Kühn
Christian Kühn
Renate KünastMarkus KurthMonika LazarSteffi LemkeDr . Tobias LindnerNicole MaischPeter MeiwaldBeate MüllerGemmekeÖzcan MutluDr . Konstantin von NotzOmid NouripourFriedrich OstendorffCem ÖzdemirLisa PausBrigitte PothmerTabea RößnerVizepräsidentin Petra Pau
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Claudia Roth
Corinna RüfferManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergUlle SchauwsDr . Gerhard SchickDr . Frithjof SchmidtKordula SchulzAscheDr . Wolfgang StrengmannKuhnHansChristian StröbeleDr . Harald TerpeMarkus TresselJürgen TrittinDr . Julia VerlindenDoris WagnerBeate WalterRosenheimerDr . Valerie WilmsEnthaltenSPDPetra Hinz
Dr . Nina ScheerWir kommen zurück zur Debatte zum Thema „Sanktionen bei Harz IV und Sozialhilfe“ . Das Wort hat dieKollegin Katja Kipping für die Fraktion Die Linke .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Linke beantragt heute die Abschaffung der HartzIVSanktionen .
Die Sanktionen besagen, dass der ohnehin niedrigeRegelsatz gekürzt wird – erst um 10 Prozent, dann um30 Prozent, dann um 60 Prozent – und am Ende sogarganz gestrichen werden kann . Wir wollen mit dieser Regelung Schluss machen . Denn wir sind überzeugt: Beimsoziokulturellen Existenzminimum handelt es sich umein Grundrecht .
Ich bitte Sie, nicht gleich die Schotten dichtzumachen,sondern sich einmal gegenüber der Idee der sozialenGrundrechte zu öffnen . Ein Grundrecht steht jedem hierlebenden Menschen zu, und das ganz unabhängig davon,ob er Erfolg auf dem Erwerbsarbeitsmarkt hat, unabhängig davon, wo er geboren wurde, und – ja – auch unabhängig davon, ob er sich in einer Behörde als braverUntertan erwiesen hat oder eben nicht . Grundrechte mussman sich nicht verdienen .
Das mag in Ihren Ohren ungewohnt klingen; aber soneu ist das gar nicht . Denken wir nur an die Freiheitsgrundrechte wie beispielsweise das Recht auf Demonstrationsfreiheit .
Dieses gilt für alle, ohne dass man es sich vorher verdienen muss, ohne dass man vorher nachweisen muss,so und so viele Artikel zu einem Thema gelesen und sicheine fundierte Meinung gebildet zu haben . Ich meine,keine Instanz hat das Recht, zu entscheiden, ob jemandwürdig ist, Grundrechte zu tragen, und das ist gut so .
Die Praxis bei Hartz IV ist leider das kompletteGegenteil . So führen die Sanktionen in der Praxis zuexistenzieller Not . Nun werden Sie sicherlich einwenden: Es ist ja nur ein kleiner Teil der Menschen, der wirklich sanktioniert wird . – Fakt ist aber, dass deutlich mehrdavon bedroht sind .
Allein die Tatsache, dass der Regelsatz gekürzt werdenkann, hängt wie ein Damoklesschwert über den Betroffenen .
– Ich finde, es muss unbedingt ins Protokoll aufgenommen werden, dass aus den Reihen der CDU/CSU gesagtwird: Zu Recht hängt über Erwerbslosen ein Damoklesschwert . – Das sagt sehr viel über Ihr Bild vom Menschen .
Diese existenzielle Bedrohung mindert die Wehrhaftigkeit, im Übrigen auch bei Bewerbungsgesprächen .Versetzen Sie sich doch einmal in die Situation einerHartzIVBetroffenen, dem in einem Bewerbungsgespräch ein niedriger Lohn und schlechte Arbeitszeitenangeboten werden . Wie sehr wird sie für familienfreundlichere Arbeitszeiten streiten können, wenn sie Angsthaben muss, dass solche Forderungen in der Behördensprache fehlende Mitwirkung bedeuten und am Ende zueiner Kürzung des Arbeitslosengeldes II führen können?Das ist keine Theorie, sondern in der Praxis leider vorgekommen . Frau Schmidt, hier irren Sie: Die Sanktionen betreffen eben nicht nur Langzeiterwerbslose . Siebetreffen gleichermaßen die Erwerbsarbeitswirklichkeit .Ja, HartzIVSanktionen sind auch ein Angriff auf guteArbeit und gute Löhne .
Zu diesem Angriff sagen wir deutlich Nein!
Unsere Kritik an den HartzIVSanktionen wird von zunehmend mehr Menschen und Gruppen geteilt . Denkenwir nur an die vielen Menschen, die sich in großer Sorgeum Ralph Boes an den Bundestag gewandt haben . RalphBoes, der infolge einer 100ProzentSanktion kein Essenmehr aufnimmt, verfolgt unsere Debatte heute von derTribüne aus – wie übrigens auch Inge Hannemann .
Vizepräsidentin Petra Pau
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Mit Blick auf die heutige Abstimmung haben sichauch noch einmal verschiedene Organisationen, wie dieDiakonie und die Nationale Armutskonferenz, zu Wortgemeldet und sich klar gegen Sanktionen ausgesprochen .In der Stellungnahme der Diakonie heißt es – Zitat –:Das Grundrecht auf ein soziokulturelles Existenzminimum darf nicht beschnitten werden .Weiter schreibt die Diakonie:Arbeitslose Menschen brauchen Hilfen, die an ihrerpersönlichen Not ansetzen . Wir sollten ihnen Brücken in die Arbeitswelt bauen und nicht zusätzlichSteine in den Weg legen .
Nun behandeln wir heute auch einen Antrag der Grünen . Dazu möchte ich einiges sagen:Sie sprechen sich in diesem Antrag für ein Sanktionsmoratorium aus . Ich selber war Mitinitiatorin einerInitiative dafür und hätte das Sanktionsmoratorium alseinen ersten wichtigen Schritt gerne unterstützt . Leiderfordern Sie in Ihrem Antrag auch – Zitat –: . . . bei Kürzungen über 10 Prozent des Regelsatzessind antragslos entsprechende Sachleistungen zu erbringen . . .Das heißt also, Ihrem Antrag zufolge sollen auch weiterhin Sanktionen von über 10 Prozent möglich sein . Ausdiesem Grund können wir uns bei Ihrem Antrag leidernur enthalten .Die Linke lehnt Sanktionen generell ab . Es gibt aberzwei besonders grausame Formen der Sanktionen – dashaben Sie angesprochen, Frau Schmidt –: die Sanktionierung der Kosten der Unterkunft und die sofortige 100ProzentSanktion bei jungen Menschen unter25 Jahren .In der Vergangenheit hat sich Ihre Fraktion immerwieder kritisch dazu geäußert – Sie jetzt auch –, und eswar schon einmal Konsens zwischen allen Bundesländern, dass man zumindest diese grausamen Formen abschafft . Nur Bayern war dagegen .
Kollegin Kipping, Sie haben die Chance, die Redezeit
nicht zu überziehen, wenn Sie eine Frage oder eine Be
merkung zulassen .
Ja, gerne .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Ich wollte keine Fra
ge stellen, sondern lediglich etwas richtigstellen, weil die
Kollegin Kipping bei einem Zwischenruf, den ich getä
tigt habe, meinte, ich bzw . meine Fraktion teile die Auf
fassung, dass die Drohung, die Regelsätze zu kürzen, zu
Recht erfolge .
Ich möchte nur darauf hinweisen, dass Sie den Zwi
schenruf offensichtlich nicht richtig verstanden oder be
wusst missverstanden haben . Weil Sie darauf hinwiesen,
dass es Rechte gibt,
habe ich lediglich gesagt, dass zu Rechten auch Pflichten
gehören . Das wollte ich hier nur richtiggestellt haben .
Es liegt jetzt in Ihrem Geschick – wenn der Kollege
auch noch eine oder auch nur eine halbe Minute stehen
bleibt –, die Antwort auf die Richtigstellung und das
Ende Ihrer Rede in dieser Zeit unterzubringen . – Ich bitte
also darum, auf die Zeit zu achten .
Ich freue mich sehr über Ihre nachdrückliche Korrek
tur des Zwischenrufs und kann nur in Richtung SPD sa
gen: Es besteht also noch die Chance, dass es selbst in der
CDU eine gewisse Lernfähigkeit gibt . – Vor diesem Hin
tergrund bitte ich Sie: Lassen Sie sich von der CSU hier
nicht am Ring durch die Manege ziehen . Setzen Sie auch
gegenüber Herrn Seehofer durch, dass auf jeden Fall die
se besonders grausamen Sanktionsformen abgeschafft
werden . Vielleicht wollen Sie dann ja auch zustimmen .
Abschließend möchte ich sagen: Die Abschaffung der
Sanktionen kostet uns nicht viel . Wenn wir aber weiter
so fortfahren wie bisher, dann bezahlen die Betroffenen
mit existenzieller Not . Deswegen sage ich: Bei dieser
Abstimmung geht es nicht nur um Gesetze, sondern auch
um menschliche Schicksale .
Also: Folgen Sie Ihrem Gewissen, und stimmen Sie
unserem Antrag zu!
Herzlichen Dank .
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Dr . Wolfgang StrengmannKuhn das Wort .
– Ich entschuldige mich . Bei mir hier vorne ist etwasdurcheinandergeraten . – Bevor die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort hat, hat natürlich eine Rednerin derKatja Kipping
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Koalitionsfraktionen das Wort, nämlich ganz konkret dieKollegin Jutta Eckenbach für die CDU/CSUFraktion .
Da habe ich ja noch mal Glück gehabt, Frau Präsidentin, dass Sie jetzt in der richtigen Reihenfolge aufgerufenhaben .Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!Die Arbeitsmarktreformen der letzten zehn Jahre wirkenund sorgen mit dafür, dass noch niemals so viele Menschen in Deutschland Arbeit hatten wie heute . Die Zahlen sind ganz frisch: Wir haben 43 Millionen Erwerbstätige, davon 30 Millionen sozialversicherungspflichtig.Die Arbeitslosenzahlen sind weiter gesunken . Auch beiden Langzeitarbeitslosen sind Fortschritte erkennbar .Hier sind wir sicher auf dem richtigen Weg .
Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist weiter sehr stark .Das zeigt sich in den Unternehmensdienstleistungen, imBereich Pflege, Soziales und im Handel.
600 000 freie Stellen weist der Arbeitsmarkt auf . Dieseaugenblickliche Situation kann uns den Rückhalt geben,die kommenden Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt mittelfristig zu meistern .Sehr geehrte Damen und Herren, heute sprechen wirnicht zum ersten Mal, sondern zum wiederholten Maleüber die Abschaffung von Sanktionen . Vielleicht habendie Antragsteller darauf spekuliert, wir wären genervt .Dazu kann ich Ihnen heute nur sagen: Den Zeitpunkt hätten Sie nicht besser wählen können, als heute darüber zureden . Denn gerade jetzt, in Anbetracht von 10 000 oder100 000 Menschen, die im kommenden Jahr als neue –zugewanderte – Leistungsempfänger ins SGB II kommen werden, ist es dringend geboten, über die Einhaltung von Regeln und somit auch über das Fördern undFordern hier im Bundestag zu sprechen .
Wir haben das Prinzip des Förderns und Forderns vorJahren eingeführt, um deutlich zu machen, dass Menschen geholfen wird und sie dabei eben auch mithelfenmüssen . Die Gemeinschaft hilft und darf zu Recht dieMitwirkung und den Willen des Hilfesuchenden erwarten . Diese grundlegende Einstellung spiegelt auch soziales Denken wider .
Damit wird sofort klar: Es geht nicht um Bestrafung oderSanktionen, sondern darum, den Betroffenen in die Lagezu versetzen, die Notsituation auch schnell wieder verlassen zu können .
Das Prinzip des Förderns und Forderns und somit dieSanktionsregeln haben sich bewährt . In unserer öffentlichen Anhörung wurde das auch eindrucksvoll, FrauKipping, wiedergegeben und bestätigt .
Die Sachverständigen haben überwiegend analysiert,dass sowohl der bis dato feststellbare Rückgang derArbeitslosigkeit insgesamt als auch der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit neben der Konjunktur auch auf unsere Arbeitsmarktpolitik zurückzuführen ist .
Die Dosis des Förderns und Forderns ist das Entscheidende, und zwar in jedem Einzelfall . Das wird noch nichtin allen Fällen erreicht; das will ich hier deutlich sagen,aber es ist und bleibt unser Ziel .Jedes Zusammenleben von Menschen fordert Regeln .Es gibt gemeinsame Werte und Überzeugungen in unserem Land, auf denen das gesellschaftliche Miteinanderfußt . Organisiert wird es über Regeln, die man nicht immer gutheißen muss, die aber eben das Rückgrat bilden .Wer am gesellschaftlichen Miteinander teilhaben will,sollte die gemeinsamen Regeln beachten . Das gilt für alteingesessene und für neue Bürger gleichermaßen, undzwar umgehend und nicht erst, nachdem viele Regelnbereits verletzt wurden .Auch wenn die Regeln für alle gleichermaßen gelten,ist es wichtig, die Menschen in ihrer Unterschiedlichkeitwahrzunehmen und zu akzeptieren . Nicht jeder JobcenterKunde hat in seinem bisherigen Leben Zuverlässigkeit erlebt oder gelernt . Das muss man hierbei berücksichtigen . Ich bin davon überzeugt, dass die Mitarbeiterin den Jobcentern in der Regel mit Fingerspitzengefühlund Erfahrung angemessen und im richtigen Tempo reagieren .
Klar sagen muss man aber auch: Sanktionen sind keine willkürliche Strafe, sondern sie sind eine Rechtsfolge .
Dennoch gibt es hier Verbesserungspotenzial; das sehen wir auch . Wir wollen dahin kommen, dass wir mehrKommunikation, mehr Transparenz und mehr Einfachheit, zum Beispiel in der Eingliederungsvereinbarung,erreichen und dies gemeinsam mit den Betroffenen besprochen wird . Dieses Ziel haben wir, und wir werdenVizepräsidentin Petra Pau
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es mit den SGBIIRechtsvereinfachungsverfahren auchanpacken . Ich hoffe, der Koalitionspartner macht mit .
Und eines sage ich Ihnen heute auch: Wenn durch gesteuerte EMailAktionen die Leistungsempfänger aufgestachelt und gegeneinander ausgespielt werden, istdas durchschaubar und leider auch erschütternd . Es wirdein Bild von unserem Land gezeichnet, das falsch ist:Hungernde Menschen und gequälte Bürger sind wederStaatsziel, noch sind sie Alltag in Deutschland .4,3 Millionen Menschen beziehen ALG II, alsoArbeitslosengeld II . Davon sind 1,9 Millionen Menschenarbeitslos; die anderen arbeiten mindestens 15 Wochenstunden, betreuen Kinder oder sind noch in der Ausbildung . Von allen Leistungsempfängern verhalten sich97 Prozent korrekt . Sie nehmen die Termine wahr undmelden sich rechtzeitig . Lediglich 3 Prozent werdensanktioniert . Das sind immer noch 129 000 Menschenzu viel . Davon sind 75 Prozent auf Meldeversäumnissezurückzuführen . Andersherum gesagt: 97 Prozent haltensich an die Regeln und werden nicht sanktioniert . Durchschnittlich bewirken die Sanktionen eine zeitweise Kürzung um etwa 108 Euro im Monat .Sie hingegen zeichnen ein Zerrbild . Sie ignorieren dieRealität und schüren Verunsicherung bei 97 Prozent derBetroffenen .
Das heißt nicht, dass es keine Baustellen mehr gibt; daswill ich auch gar nicht sagen . Wir müssen noch weiterhart daran arbeiten .Wir haben aber auch Instrumente, die wir einsetzenkönnen, um den Menschen für ihren späteren Lebenswegeine Befähigung mitzugeben . Es geht um einfache Tätigkeiten mit Begleitung, die zu anspruchsvolleren Tätigkeiten mit wachsender Verantwortung ausgebaut werden .Unser Ziel ist eine wachsende, wiedererstarkte Kompetenz der Menschen für den Arbeitsmarkt . Zugleichmüssen wir bei anderen Gruppen, die jetzt zu uns kommen, etwa bei Flüchtlingen mit Bleibeperspektive, ebenfalls eine Kompetenzstärkung in den Fokus nehmen . Ichbin daher froh, dass die Bundeskanzlerin, die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen einig sind, dassdie Haushaltsmittel für die Arbeitsförderung angehobenwerden . Damit können wir sowohl die bisherigen Leistungsempfänger als auch die Flüchtlinge gleichermaßenangemessen fördern und – das darf ich Ihnen heute nichtersparen – auch fordern .In diesen Zeiten mit all den Herausforderungen für dieFunktionsfähigkeit und Funktionsnotwendigkeit unserer Gesellschaft und der von ihr erbrachten Leistungenmittelfristig eine sanktionsfreie Mindestsicherung vonüber 1 000 Euro plus Mehrbedarfe zu fordern, ist kontraproduktiv und nahezu fahrlässig . Dann wäre es nur nochein Schritt bis zum bedingungslosen Grundeinkommen .Auch diese Botschaft wäre derzeit fatal .Eine kurzfristige Anhebung des Arbeitslosengeldes IIauf 500 Euro mindestens, wie Sie schreiben, widerspräche dem Aktivierungsanreiz und würde ebenfalls alsfalsches Signal gewertet . Meine Damen und Herren vonden Grünen, wir plädieren für eine Anhebung der Regelbedarfe, sobald es die Neuberechnung des Existenzminiums erforderlich macht, aber nicht vorher und auchnicht willkürlich .
Eine Änderung der Sanktionsregeln für unter 25Jährige hat durchaus prominente Fürsprecher, etwa die Caritas . Aber ich gebe zu bedenken, dass der überwiegendeTeil der Leistungsempfänger selbst die Sanktionsregelnbefürwortet, da sie den positiven Effekt auf ihre eigeneDisziplin erkennen . Gerade die jungen Menschen stehenerst am Beginn ihres Berufslebens und profitieren vonden Anreizsystemen .Eine gute Konjunktur und eine gute Auftragslagein den Betrieben sind die Voraussetzung und die beste Grundlage für die Schaffung neuer und beständigerArbeitsplätze . Aus diesen Gründen – mit neuen Instrumenten, die wir angehen werden, und neuen Überlegungen, ohne Sanktionen abzuschaffen – werden wir heutedie Anträge der Linken und der Grünen ablehnen, wiewir das schon im Ausschuss getan haben .Ich bedanke mich dafür, dass Sie mir zugehört haben .Herzlichen Dank .
Zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Kipping
das Wort .
Ich habe Ihnen zugehört, Frau Eckenbach . Sie habenden Eindruck erweckt, dass in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses die jetzige Sanktionspraxis vonfast allen Seiten bestätigt wurde . Dem möchte ich widersprechen . Zunächst einmal möchte ich noch einmal daran erinnern – das wissen vielleicht nicht alle Zuhörer –,dass die Zusammensetzung der Sachverständigen nachFraktionsproporz erfolgt, also Grüne und Linke jeweilsnur einen Sachverständigen benennen können . Der großeRest wird von den Regierungsfraktionen benannt .Vor diesem Hintergrund ist es umso bemerkenswerter, dass sich viele Sachverständige, auch diejenigen, dienicht hundertprozentig dem Antrag der Linken folgen,sehr kritisch zur gegenwärtigen Sanktionspraxis geäußerthaben und hier deutlichen Verbesserungsbedarf sehen,gerade wenn es um die Sanktionierung bei Kosten derUnterkunft und bei jungen Leuten geht . Wer das überprüfen möchte, dem kann ich nur empfehlen, das Protokollder öffentlichen Anhörung zu lesen . Dort wird deutlich:Die Front der Kritiker der jetzigen Sanktionspraxis istJutta Eckenbach
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sehr breit, insbesondere bei denjenigen, die in der Praxisdamit zu tun haben .
Die Kollegin Eckenbach hat das Wort zur Erwiderung .
Da ich ebenfalls bei der Anhörung anwesend war, ist
mir aufgefallen, dass der überwiegende Teil der Sachver
ständigen keine Abschaffung der Sanktionen gefordert
hat – es sei denn, wir hätten an verschiedenen Anhörun
gen teilgenommen, Frau Kollegin .
Nun hat der Kollege Dr . Wolfgang StrengmannKuhnfür die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Mehrheit der Sachverständigen in der Anhörung hatsich für grundlegende Reformen der Sanktionen ausgesprochen,
und zwar vonseiten der Wissenschaft, vom IAB, vomISG und insbesondere von den beiden christlichen Wohlfahrtsverbänden Diakonie und Caritas .
Sie sollten wirklich einmal über das C in Ihrem Parteinamen nachdenken .
Frau Schmidt, in der heutigen Debatte geht es auchnicht um eine kleine Teilgruppe, sondern um die grundsätzliche Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen . Da hat sich bei der Rede von Frau Eckenbach undnoch deutlicher bei dem Zuruf vorhin gezeigt, dass sichunsere Vorstellung von Gesellschaft fundamental vonIhrer Vorstellung unterscheidet .
Unsere Vorstellung von Gesellschaft ist: Niemand sollausgegrenzt werden . Wir wollen selbstbestimmte Teilhabe für alle .
Letztlich geht es um Freiheit, und zwar um Freiheit füralle . Voraussetzung für eine selbstbestimmte Teilhabe füralle ist eine Grundsicherung ohne Existenzängste undohne soziale Ausgrenzung .
Um es deutlich zu sagen: Hartz IV ist nicht die emanzipatorische Grundsicherung, wie wir sie uns vorstellen,und muss deswegen grundlegend geändert und die Bestrafungslogik der heutigen Sanktionen muss überwunden werden .
Die Hartz-IV-Sanktionen sind häufig demütigend, unnötig und kontraproduktiv . Deswegen fordern wir einSanktionsmoratorium, also die sofortige Aussetzung aller Sanktionen .
Im Fall von Ralph Boes, der oben auf der Zuschauertribüne sitzt, kann das sogar Menschenleben retten . Auchdas sollte Ihnen vielleicht nicht ganz egal sein .Nach einer Aussetzung der Sanktionen brauchen wireine grundlegende, systematische Evaluation – eine solche gibt es bislang nicht –, aber auch eine ehrliche Debatte darüber, ob Sanktionen nötig sind und, wenn ja, wieSanktionen ausgestaltet sein sollen . Zentral ist, wie gesagt, dass wir aus der Bestrafungslogik herauskommenund dass das Existenzminimum immer sichergestellt ist .Ich darf noch einmal daran erinnern, dass es das Bundesverfassungsgericht war – so viel zum Thema Regeln,Frau Eckenbach –,
das gesagt hat, dass aus dem Grundgesetz ein Grundrechtund Menschenrecht auf Existenzsicherung folgt .
Eine Kürzung des Existenzminimums ist also eigentlich nicht mit dem Grundgesetz vereinbar . Deswegenbegrüße ich es sehr, dass die Sozialgerichte Gotha undDresden diese Frage an das Bundesverfassungsgerichtweitergegeben haben . Ich bin gespannt, wie das Urteilausgeht und ob das Bundesverfassungsgericht die Sanktionen ganz untersagt oder zumindest eine Grenze setzt .Meine persönliche Meinung ist ja: Das Grundrecht aufExistenzsicherung ist am einfachsten und besten dadurchsichergestellt, dass das Minimum einfach an alle alsGrundeinkommen ausgezahlt wird .
– Auch an Millionäre .
Innerhalb des Systems der Grundsicherung halte ichaber eine Abschaffung der Sanktionen für schwierig .Sanktionen sollten im jetzigen System aber auf Ausnahmefälle beschränkt sein . Wir Grüne fordern deshalbKatja Kipping
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in unserem Antrag eine grundlegende Reform . Es mussein Wunsch und Wahlrecht für die Arbeitslosen geben .Sanktionen dürfen nicht verhängt werden, wenn Fähigkeiten, Wünschen und Vorschlägen der Einzelnen nichtRechnung getragen wird . Es dürfen keine Sanktionenverhängt werden, wenn die Aufnahme von Arbeit verweigert wird, die unterhalb des tariflichen oder örtlichenEntgelts entlohnt wird . Die heutigen Sanktionsregelnsind zu starr. Wir finden: Es darf keinen Automatismusmehr geben, und Sanktionen müssen bei einer Verhaltensänderung zurückgenommen werden können . Wichtig ist: Wenn sanktioniert wird, dann dürfen höchstens10 Prozent des Regelsatzes gekürzt werden, damit derGrundbedarf immer gesichert ist .Das Mindeste aber ist, dass erstens keine Sanktionenbei den Kosten der Unterkunft mehr stattfinden. Zweitens . Die verschärften Sanktionen gegen unter 25Jährigesind erwiesenermaßen – das haben alle Experten in derAusschussanhörung gesagt – unsinnig und kontraproduktiv . Sie gehören abgeschafft .
Bei diesen beiden zuletzt genannten Punkten sindsich tatsächlich fast alle einig . Alle Experten, die SPDund fast alle Länder – bis auf eines – sind sich da einig .Nur die CSU blockiert hier – mal wieder . Ich frage michmanchmal: Nach Betreuungsgeld, Maut, GriechenlandHilfe, Flüchtlingsabschreckung, Hofierung von ViktorOrban, Blockade bei der Reform von Hartz IV – wannschmeißen CDU und SPD endlich die CSU aus der Großen Koalition raus?
Ich finde, Seehofer hat lange genug genervt.Die CSU blockiert damit aber nicht nur eine Reformder Sanktionen . Seit zwei Jahren verspricht die Bundesregierung ein Gesetz zur Vereinfachung der passivenLeistungen, also der Geldleistungen bei Hartz IV . Auchwenn wir nicht alle der bisher bekanntgewordenen Vorschläge unterstützen und sinnvoll finden: Eine Vereinfachung ist dringend erforderlich . Die Jobcenter wartendarauf .Wir wollen eine Vereinfachung der Grundsicherung,die dafür sorgt, dass sich die Jobcenter endlich auf daskonzentrieren können, wofür sie eigentlich da sind,nämlich die Vermittlung in Arbeit, und wir wollen eineGrundsicherung, die das Existenzminimum für alle sichert .Vielen Dank .
Für die CDU/CSUFraktion hat der Kollege Matthäus
Strebl das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnenund Kollegen! Deutschland galt Anfang dieses Jahrhunderts als der kranke Mann in Europa . Viele Reformen mussten gestemmt werden, damit die Wirtschaft inDeutschland Aufschwung nehmen konnte . Die HartzIVReformen haben das Sozialsystem gravierend verändert .Sie haben sich rückwirkend betrachtet als erfolgreichund notwendig erwiesen . Zu dem Konzept gehören sowohl die Unterstützung durch die Jobcenter als auch dasselbstständige Handeln der Kunden . Deshalb halte ich esfür dringend erforderlich, werte Kolleginnen und Kollegen, dass an dem Konzept „Fördern und Fordern“ festgehalten wird .
Dies beinhaltet auch das Festhalten an Konsequenzenaufgrund fehlender Mitwirkung, nämlich Sanktionen .Werte Kolleginnen und Kollegen, „Langzeitarbeitslosigkeit“, „Reformierung von Arbeitsmarktinstrumenten“und „SGBIIRechtsvereinfachung“ sind wichtige Themen, die wir in unserem Ausschuss auch in Zukunft nichtvernachlässigen sollten . Hier sollten und müssen wir guteund zukunftssichere Lösungen finden. Die Bund-Länder-Gruppe arbeitet weiterhin an Verbesserungen sowohl fürdie Jobcenter als auch für die Leistungsberechtigten .
Die Abschaffung von Sanktionen hingegen ist ausschließlich das Dauerthema der Fraktion Die Linke,
und das, obwohl die große Masse der Leistungsbeziehernicht von Sanktionen betroffen ist .
Sie halten sich an die gesetzlichen Vorschriften undsind in der Regel bemüht, den Leistungsbezug zu beenden . Tatsächlich sind nach einer Studie des Instituts fürArbeitsmarkt und Berufsforschung nur 5 Prozent allerKunden davon betroffen .Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, natürlich können wir trotzdem alle bekannten Argumenteund Einwände erneut austauschen, wie wir es so oft getanhaben, auch in dieser Wahlperiode bereits mehrfach inden Ausschüssen, in der Anhörung und im Plenum .
Nach einer im September dieses Jahres veröffentlichten Statistik der Bundesagentur für Arbeit ist die Zahlder verhängten Sanktionen in den letzten Jahren leichtrückläufig. Über 70 Prozent aller Sanktionen werdenDr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
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aufgrund von Meldeversäumnissen ausgesprochen . DasNichteinhalten eines Termins
ohne berechtigten Grund hat Folgen . Das ist sowohl imArbeitsleben und im politischen Alltag als auch im privaten Umgang für jeden nachvollziehbar .
Warum sollte das anders sein, wenn man Leistungen nachdem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhält? Die Fraktion Die Linke nennt in ihrem Antrag Beispiele, dass Betroffene Meldetermine nicht wahrnehmen, weil sie sichnicht trauen, die Briefe des Jobcenters zu öffnen . Diesmag zwar in Ausnahmefällen vorliegen, dennoch stehensie nicht stellvertretend für alle sanktionierten Meldeversäumnisse .Natürlich bestreite ich nicht, dass jeder Mensch einmenschenwürdiges Existenzminimum zur Verfügung haben muss . Jeder, der ohne eigenes Verschulden in Notgerät, muss in einem Sozialstaat wie Deutschland unterstützt werden . Bezieher von Arbeitslosengeld II erhaltenneben dem Regelbedarf Unterstützung, insbesondere beiden Kosten der Unterkunft, Hilfe bei der Suche nacheiner neuen Tätigkeit und im Bedarfsfall Weiterbildungen oder Umschulungen . Eigentlich müsste es auch unbestritten sein, dass jeder Bürger seinen Beitrag, nämlichEigeninitiative, leisten muss, um für den Lebensunterhaltfür sich und seine Familie aufzukommen . Vergessen sollten wir auch nicht, dass das Bundesverfassungsgerichtzu keinem Zeitpunkt Sanktionen für verfassungswidrigerklärt hat – zumindest bisher . Vom Sozialgericht Gotha – Sie haben es gesagt, Herr Kollege – wurde dieseFrage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt . Ich bingespannt, wie dieses dann entscheiden wird .Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will ein qualifiziertes, individuelles und umfassendes Fallmanagement .Diese Unterstützung kann aber nur erfolgen, wenn Kunden die Termine im Jobcenter auch tatsächlich wahrnehmen . Bereits heute müssen die Arbeitsvermittler, insbesondere im Erstgespräch und nach jeder Weiterbildung,die Stärken, die Fähigkeiten, aber auch die Vermittlungshemmnisse ausführlich dokumentieren . Zweifelsfrei darfdiese Dokumentation nach dem ersten Erstellen nichtvernachlässigt werden und muss regelmäßig aktualisiertwerden . Nur so können die Kunden durch das Jobcentererfolgreich vermittelt werden .Unsere Aufgabe ist es, Lösungen zu finden, um dieVerfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit über mehrereGenerationen in einer Familie zu vermeiden . Ganz aktuell, erst am vergangenen Montag, wurde eine Studie desLeibnizInstituts für Wirtschaftsforschung veröffentlicht,wonach Jugendliche mit einem arbeitslosen Vater miteiner hohen Wahrscheinlichkeit später auch selbst vonArbeitslosigkeit bedroht sind . Hier müssen wir mit ausgewählten Programmen gegensteuern . Erste Fortschrittekönnen wir bereits bundesweit mit den Jugendberufsagenturen verbuchen . Daran muss weiter gearbeitet werden .Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir von derCDU/CSUFraktion halten an Sanktionen fest und werden deshalb Ihre Anträge ablehnen .
Das Wort hat der Kollege Dr . Matthias Bartke für die
SPDFraktion .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! VonSanktionen waren bislang stets immer nur etwa 3 Prozent aller SGBIILeistungsbezieher betroffen – nur3 Prozent . Ich möchte das ganz prominent an erster Stelledieser Rede betonen . Ich betone das, weil in der Debatteüber Sanktionen und Leistungsmissbrauch oft ein völligfalscher Eindruck erweckt wird, nämlich der Eindruck,HartzIVEmpfänger würden sich allein ihrer Unlust undFaulheit hingeben . Lassen Sie mich ganz klar sagen: Dasist nicht so .
Die überwältigende Mehrheit der HartzIVEmpfängerwill arbeiten und gibt ihr Bestes, dieses Ziel zu erreichen .
Die Zahl zeigt noch etwas anderes: Jobcenter sind keine Sanktionsämter . Statistisch muss noch nicht einmaljeder 30 . JobcenterKunde mit Sanktionen rechnen . DieIdee des SGB II ist die des Förderns und Forderns; dasist hier schon ausgeführt worden . Das ist eigentlich einsinnvolles Prinzip . Es ist aber zusehends in eine Schieflage geraten . Das gilt ganz besonders für die verschärftenSanktionsregeln bei Jugendlichen, die drastischer sindals bei Erwachsenen . Ich sage: Wir lehnen das ab .
Das ist nicht Sozialpädagogik, das ist schwarze Pädagogik .Genauso halten wir es für unverantwortlich, bei denKosten der Unterkunft zu kürzen . Ich komme aus Hamburg . Da gibt es einen großen Wohnungsmangel . WennSie da die Kosten der Unterkunft kürzen und die ALGIIBezieher ihre Unterkunft verlieren, dann ist doch klar,was dabei herauskommt: Obdachlosigkeit . Das kann mandoch nicht wirklich wollen .
Matthäus Strebl
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Deswegen sagen wir Sozialdemokraten ganz klar: Wirwollen keine Kürzung bei den Kosten der Unterkunft .
Die Linkspartei fordert, sämtliche Sanktionen abzuschaffen . Grundsätzlich gilt offenbar Folgendes: Wennwir „Einführung einer Rente mit 63“ sagen, dann sagenSie: Einführung mit 60 . Wenn wir „8,50 Euro Mindestlohn“ sagen, dann sagen Sie: 10 Euro . Wenn wir „deutliche Überarbeitung des Sanktionsregimes und Abschaffung diskriminierender und gefährlicher Regeln“ sagen,dann sagen Sie: Abschaffung aller Sanktionen .
Mit der Realität haben Ihre Forderungen nicht wirklichviel zu tun . Aber zugegeben: Als Opposition kann manso etwas natürlich fordern . Offenbar soll die Abschaffung aller Sanktionen ein erster Schritt in Richtung bedingungslose Grundsicherung sein, und die wollen wirganz bestimmt nicht .
Liebe Frau Kipping, lassen Sie mich etwas zu IhrerKampagne zum Hungerstreik von Herrn Boes sagen . Gelinde gesagt, finde ich es schwierig, was Sie da machen.Einerseits sagen Sie, dass Sie Herrn Boes von seinemHungerstreik abraten, andererseits bringen Sie genaudiesen Hungerstreik über alle medialen Kanäle in die Öffentlichkeit . Natürlich bestärken Sie ihn damit in seinemhochgefährlichen Tun .
Und dann sagen Sie auch noch öffentlich, dass MinisterinAndrea Nahles hier Verantwortung für ein Menschenleben habe . Ich sage Ihnen: Da sind die Grenzen des gutenGeschmacks deutlich überschritten .
Ich sage Ihnen: Hungerstreik darf kein Mittel der Politiksein .Bündnis 90/Die Grünen haben einen Antrag vorgelegt, den ich deutlich gehaltvoller finde,
gehaltvoller, aber auch zwiespältig . Einerseits halte ichviele Ihrer Forderungen durchaus für zustimmungsfähig,und sie sind auch klug hergeleitet .
Aber am Schluss fordern Sie dann, dass die Folgen derSanktionen umfassend evaluiert und bis zum Ende dieserEvaluation alle Sanktionen außer Kraft gesetzt werden,
also eine völlige Sanktionsabschaffung mindestens fürdie nächsten drei Jahre . Das verstehe, wer will .
Viele Sachverständige haben die Sanktionspraxis kritisiert; aber fast keiner wollte die Abschaffung, auch nichtder DGB .Meine Damen und Herren, die BundLänderArbeitsgruppe „Rechtsvereinfachung im SGB II“ hat ihren Bericht bereits vor einem Jahr vorgelegt . Er hätte längstumgesetzt werden können, ja müssen . Jeder weiß, dasses die CSU ist, die das verhindert . Ministerpräsident Seehofer hat damals der Bild am Sonntag gesagt:Das Verwässern der Sanktionen bei Drückebergernwird die CSU verhindern .
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, mit Verlaub,das ist Stammtisch, das ist keine verantwortliche Politik .
Sie sind Sozialpolitiker und wissen sehr wohl: Es gibtMenschen, die ihr Leben nicht im Griff haben . Da hilftSozialarbeit, aber keine pauschale Verurteilung . MeineBitte ist daher: Überdenken Sie Ihre Position! Sie istnicht gut .
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten wollenUngerechtigkeiten bei den Sanktionsregeln abschaffen .Wir wollen sie nicht verwässern, wir wollen sie verbessern .Ich danke Ihnen .
Zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Kipping
das Wort .
Es tut mir leid . Aber Sie haben mich direkt angesprochen und mir Geschmacklosigkeit im Umgang mit demSanktionshungern von Ralph Boes unterstellt .Ich weiß, der Umgang damit ist nicht einfach, gerade wenn man möchte, dass niemand sein Leben riskiert .Aber glauben Sie wirklich, dass der Demokratie und demAnsehen des Deutschen Bundestages geholfen wäre,wenn die vielen Menschen, die das Schicksal von RalphBoes berührt hat, den Eindruck haben, dass die gesamte Politik mit Ignoranz reagiert, obwohl da jemand seinDr. Matthias Bartke
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 127 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 1 . Oktober 2015 12357
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Leben gefährdet? Können Sie sich vorstellen, wie diesesSignal bei den Menschen ankommt?
Zu ignorieren, dass jemand sein Leben gefährdet, istauch nicht gerade der Gipfel des guten Geschmacks .Deswegen finde ich es besser, darüber zu reden, als es zuignorieren; denn das Leiden geht weiter, auch wenn wirdie Augen davor verschließen .
Zur Erwiderung hat der Kollege Dr . Matthias Bartke
das Wort .
Frau Kipping, ich habe mich im Vorfeld über Herrn
Boes schlau gemacht . Herr Boes ist im Jahr 2012 schon
einmal in einen Hungerstreik getreten; er macht es jetzt
wieder . Er isst öffentlich seine Essensgutscheine auf . Ich
finde, das ist kein angemessener Umgang mit einer solch
schwierigen Problematik .
Danke .
Ich schließe die Aussprache .
Mir liegen drei Erklärungen nach § 31 unserer Ge
schäftsordnung vor . Sie sind gezeichnet von den Kol
legen Marco Bülow, Katharina Dröge und Lisa Paus .
Entsprechend unseren Regeln nehmen wir sie zu unserer
Aussprache zu Protokoll .1)
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlus
sempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales
auf Drucksache 18/6128 und beginnen mit der einfachen
Abstimmung . Anschließend führen wir zwei namentliche
Abstimmungen durch .
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab
lehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Druck
sache 18/3549 mit dem Titel „Gute Arbeit und eine sank
tionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV“ . Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt da
gegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen der CDU/CSUFraktion und der
SPDFraktion gegen die Fraktion Die Linke bei Enthal
tung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen .
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6128 die Ab
lehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Druck
sache 18/1115 mit dem Titel „Sanktionen bei Hartz IV
und Leistungseinschränkungen bei der Sozialhilfe ab
schaffen“ . Wir stimmen nun über Buchstabe a der Be
schlussempfehlung auf Verlangen der Fraktion Die Lin
1) Anlagen 4 und 5
ke namentlich ab . Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen . –
Sind die Schriftführerinnen und Schriftführer an ihrem
Platz? – Es sind alle Abstimmungsplätze besetzt . Ich er
öffne die Abstimmung über Buchstabe a der Beschluss
empfehlung .
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, welches sei
ne Stimme zur ersten namentlichen Abstimmung noch
nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall . Ich schlie
ße die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen .
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6128
die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 18/1963 mit dem Titel „Exis
tenzminimum und Teilhabe sicherstellen – Sanktionsmo
ratorium jetzt“ . Wir stimmen nun über Buchstabe c der
Beschlussempfehlung auf Verlangen der Fraktion Bünd
nis 90/Die Grünen namentlich ab . Sind alle Schriftführe
rinnen und Schriftführer am vorgesehenen Platz? – Das
ist der Fall . Ich eröffne die Abstimmung über Buchsta
be c der Beschlussempfehlung .
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stim
me bisher nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall .
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführe
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin
nen .
Die Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmun
gen werden Ihnen später bekannt gegeben .2)
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be
richts des Ausschusses für Kultur und Medien
zu dem Antrag der Abgeordneten
Ute Bertram, Yvonne Magwas, Michael Kretsch
mer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU sowie der Abgeordneten Burkhard
Blienert, Marco Bülow, Martin Dörmann, weite
rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Zukunftsweisende Kulturpolitik im demo-
grafischen Wandel – Stärkung der Kultur im
ländlichen Raum
Drucksachen 18/5091, 18/6167
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei
nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin
Yvonne Magwas für die CDU/CSUFraktion .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Der demografische Wandel verändert seit Jahrund Tag schleichend unsere Gesellschaft . Die Politik befasst sich damit ebenfalls seit Jahren, wie nicht zuletztdie Demografiegipfel der Bundesregierung zeigen. Bei2) Ergebnisse Seite 12359 und Seite 12362Katja Kipping
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dem heute zu debattierenden Antrag ging es uns Koalitionsfraktionen darum, die Demografiepolitik um dieFacette der Kulturförderung zu erweitern; denn Kulturist der Kitt, der gesellschaftliche Veränderungen positivvorantreibt .
Was heißt es, wenn eine Stadt wie Dessau ein Theatermit 1 000 Sitzplätzen, aber nur noch 84 000 Einwohnerhat? Wie wandelt sich das Kulturpublikum? Wie lässtsich bei schrumpfenden kommunalen Etats das kulturelleAngebot vor Ort noch finanzieren? Man gerät bei solchen Fragen leicht in die Versuchung, über Kulturpolitikals Ganzes zu debattieren . Allein die Vielfalt an existierenden Projekten, aber auch an Förderinstrumenten undKulturpreisen ist eindrucksvoll; aber es droht auch dieGefahr, sich zu verzetteln . Daher kamen wir – in diesemZusammenhang danke ich recht herzlich meinen Mitberichterstattern Ute Bertram, Michael Kretschmer unddem Kollegen Blienert – während der Erarbeitung unseres Antrages zu dem Schluss, uns auf das kulturelle Leben im ländlichen Raum zu konzentrieren .Ja, es stimmt: Der ländliche Raum ist nicht automatischmit Bevölkerungsabwanderung und alterung gleichzusetzen . In manchen Gegenden Süddeutschlands sind dieImmobilienpreise so hoch, dass es manchem Städter dieTränen in die Augen treibt . Die BodenseeRegion oderauch das bayerische Voralpenland brauchen das kulturpolitische Engagement des Bundes eher weniger . Es wirdhingegen dort benötigt, wo durch Bevölkerungsschwundund eine alternde Bevölkerung die vorhandene kulturelleInfrastruktur nicht mehr eins zu eins mit den dort lebenden Menschen harmoniert .Eines ist mir ganz besonders wichtig: Keiner Kommune ist mit der Mentalität geholfen, dass der Letzte dasLicht ausmacht . Eine Verliererdiskussion, wie wir sie inden letzten Jahren gelegentlich geführt haben, ist nichtangemessen . Alle Kommunen sollten stärker ihre vielfältigen Erfolge herausstellen und würdigen . Voraussetzungdafür ist aber, den immateriellen Wert der Kultur anzuerkennen . In Kindergärten, Schulen, Kirchen oder derfreiwilligen Feuerwehr wird exzellente Arbeit geleistet .Mehr Selbstbewusstsein, positives Denken und der Willezum praktischen Handeln tun gut . – Dies war eines dervielen wichtigen Ergebnisse eines Fachgespräches zu lebendigen Kulturräumen im demografischen Wandel, dasmeine Fraktion mit Experten geführt hat .Als Folge des demografischen Wandels brauchen wirein neues Denken auch im Kulturbereich . Teilweise sindneue Strukturen erforderlich, um die anstehenden Aufgaben viel zielgerichteter erfüllen zu können . Die Akteureaus dem Kulturbereich regen selbst an, Kooperationengenerell auszuweiten und zu stärken . Wir brauchen nichtdas eine große nationale Gesamtkonzept . Vielmehr hilftes, die vor Ort jeweils vorhandenen Akteure – die Kommunalverwaltung, die Vereine, die Ehrenämtler, aberauch die ansässigen Unternehmen – zusammenzubringenund die Kräfte dort zu bündeln .
Meine Damen und Herren, wir müssen das Rad nichtimmer neu erfinden. Von gelingenden Lösungen in einerRegion kann anderswo gelernt und profitiert werden.Modellhafte Projekte in Sachsen können zum Beispielauch in MecklenburgVorpommern oder RheinlandPfalzfunktionieren . Deshalb setzen wir uns für die Schaffungeiner Plattform für Praxisbeispiele ein . Auch streben wireine Bündelung bereits vorhandener Förderdatenbankenund eine Vereinfachung der Antragsverfahren für Fördergelder an .Mir ist es wichtig, dass wir die jungen Leute ausbildenund begeistern, mit Ideen und auch mit Schaffenskraftfür ihre Region Verantwortung zu übernehmen und ihreHeimat mitzugestalten . Mir ist wichtig, unsere ländlichen Regionen zu beleben und zu zeigen, dass man auchjenseits der urbanen Zentren mit hoher Lebensqualitätleben kann . Bürgerschaftliches Engagement im Kulturbereich trägt in besonderem Maße zu einer gesteigertenIdentifizierung mit der Heimat bei – bei denjenigen, diesich engagieren, genauso wie bei denjenigen, die als Zuhörer oder Zuschauer von einem kulturellen Angebotprofitieren.Menschen, die sich mit ihrer Heimat identifizieren,können dies weitergeben und auch besser vermitteln . Daher liegt mir besonders die Breitenkultur am Herzen . Ichbin fest davon überzeugt: Kultur stiftet Identität, Breitenkultur stiftet Pluralität . Gerade in einer Zeit, die vonSchnelligkeit geprägt ist, wächst bei vielen Menschendas Bedürfnis nach Bindung . Die Breitenkultur ist derfruchtbare Boden, wo die Menschen Wurzeln schlagen,persönliche Werte entfalten und soziale Beziehungenaufbauen können .Dieser Punkt beleuchtet aber noch ein anderes Spektrum: Kultur dient auch der Integration . Uns allen istbewusst, dass wir vor neuen sozialen Herausforderungen stehen . Kultur kann gerade im ländlichen Raum zurIntegration von Flüchtlingen genutzt werden . Musik,Tanz oder auch der Sportverein dienen als eine Brückezur Kontaktaufnahme mit Flüchtlingen, ohne dass mangleich über die Sprachbarriere stolpert .Meine Damen und Herren, ein Kulturbegriff, der nurdie Staatsoper oder die Nationalgalerie in den Blicknimmt, ist längst nicht mehr zeitgemäß, so wichtig dieseLeuchttürme auch sind, und das aus zwei Gründen . Erstens erreicht die Breitenkultur viel mehr Menschen alsdie Hochkultur, und sie wird von den Menschen gelebt .Die Menschen konsumieren Kultur nicht, sie erschaffensie selbst . Breitenkultur bedeutet Teilhabe der Bürger .Zweitens ist sie besonders für den ländlichen Raum unverzichtbar . Wir brauchen also beides: die kulturellenSpitzenleistungen, zum Beispiel von Gerhard Richter,und die Musikschulen und die Heimatvereine im ländlichen Raum .
Das Engagement des Bundes für die Kulturlandschaft in Deutschland ist schon jetzt stark und nimmtimmer mehr zu, obwohl Kulturförderung, wie wir allewissen, zunächst Aufgabe der Länder und Kommunenist . Beleg dafür sind die abermals gestiegenen Mittel imBKMHaushalt . Ich danke ausdrücklich StaatsministerinYvonne Magwas
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 127 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 1 . Oktober 2015 12359
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Monika Grütters für ihren besonderen Einsatz für daskulturelle Leben abseits der Metropolen .
In den Medien lesen wir viel über neue Museen oderSchlösser in Berlin . Aber die bisherige Amtszeit derBeauftragten für Kultur und Medien ist genauso durchdezentrales Engagement für die Kultur geprägt . Beispielhaft zu nennen sind hier der erfolgreich gestartete Deutsche Buchhandlungspreis und der geplante Theaterpreisfür mittlere und kleinere Häuser . Sie wirken vor allemin den Mittelzentren und in der Fläche . Auch das in derletzten Legislaturperiode begonnene Förderprogrammvon Bund und Ländern zur Kinodigitalisierung, das InvestOstProgramm und die Fortführung der Denkmalschutzsonderprogramme gehören in diese eindrucksvolleReihe .Meine Damen und Herren, mit unserem Antrag regenwir nun ein Pilotprojekt der BKM zu den Herausforderungen des demografischen Wandels für die kulturelleBildung an . Die Bedeutung der kulturellen Bildung darfja in keiner Sonntagsrede fehlen . Sie ist aber vom demografischen Wandel besonders betroffen. Das Publikumvon Kultur verändert sich, und in einer schrumpfendenBevölkerung muss es uns daran gelegen sein, alle Kinderund Jugendlichen mit Kultur in Berührung zu bringen .Kulturelle Bildung ist das entscheidende Fundament fürdie Kultur der Zukunft .Last but not least freue ich mich, dass es uns gelungen ist, den Deutschen Musikinstrumentenpreis weiterzu verstetigen . Mit dieser Auszeichnung führen wir derWelt die große Bandbreite deutscher Musikinstrumentenbaukunst vor Augen . Hier jedenfalls gilt die Marke„made in Germany“ noch etwas . In meiner Heimat liegtder vogtländische Musikwinkel, wo sich eine weltweiteinmalige Konzentration des Musikinstrumentenbausbefindet. Diese 350 Jahre alte Tradition ist unter anderemfür meine Heimat identitätsstiftend und somit ein weiteres Beispiel für die sinnstiftende Wirkung von Kultur .Ich komme zum Schluss. Der demografische Wandelwirkt sich regional jeweils verschieden aus . Zwar tragenwir mit dieser Debatte beileibe noch nicht zur kulturellenVielfalt bei; aber wir beschreiben die reiche kulturelleVielfalt, die wir in Deutschland haben und um die uns dieganze Welt beneidet . Das kann man gar nicht oft genugtun; denn die kulturelle Vielfalt gilt es überall, vor allemauch im ländlichen Raum, zu bewahren .Vielen Dank .
Bevor wir in der Debatte fortfahren, gebe ich Ihnendie von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der beiden namentlichen Abstim-mungen bekannt:An der Abstimmung über die Beschlussempfehlungdes Ausschusses für Arbeit und Soziales zum Antrag„Sanktionen bei Hartz IV und Leistungseinschränkungenbei der Sozialhilfe abschaffen“ haben 559 Kolleginnenund Kollegen teilgenommen . Mit Ja haben 451 gestimmt,mit Nein 55, und 53 Kolleginnen und Kollegen habensich enthalten . Die Beschlussempfehlung ist angenommen .Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 559;davonja: 451nein: 55enthalten: 53JaCDU/CSUStephan AlbaniKatrin AlbsteigerArtur AuernhammerThomas BareißNorbert BarthleGünter BaumannMaik BeermannManfred Behrens
Veronika BellmannSybille BenningDr . Andre BergheggerDr . Christoph BergnerUte BertramPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr . Maria BöhmerNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr . Reinhard BrandlHelmut BrandtDr . Ralf BrauksiepeDr . Helge BraunHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannAlexandra DingesDierigAlexander DobrindtMichael DonthThomas DörflingerMarieLuise DöttHansjörg DurzIris EberlJutta EckenbachDr . Bernd FabritiusHermann FärberEnak FerlemannIngrid FischbachDirk Fischer
Dr . Maria FlachsbarthThorsten FreiDr . Astrid FreudensteinDr . HansPeter Friedrich
Michael FrieserDr . Michael FuchsHansJoachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr . Thomas GebhartAlois GerigEberhard GiengerJosef GöppelReinhard GrindelUrsula GrodenKranichHermann GröheKlausDieter GröhlerMichael GrosseBrömerAstrid GrotelüschenMarkus GrübelManfred GrundOliver GrundmannMonika GrüttersDr . Herlind GundelachFritz GüntzlerOlav GuttingChristian HaaseFlorian HahnDr . Stephan HarbarthGerda HasselfeldtMatthias HauerMark HauptmannDr . Stefan HeckDr . Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilFrank Heinrich
Mark HelfrichUda HellerJörg HellmuthRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingYvonne Magwas
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Peter HintzeDr . Heribert HirteRobert Hochbaum
Alexander HoffmannKarl HolmeierFranzJosef HolzenkampDr . Hendrik HoppenstedtMargaret HorbBettina HornhuesCharles M . HuberAnette HübingerHubert HüppeErich IrlstorferThomas JarzombekSylvia JörrißenAndreas JungXaver JungDr . Egon JüttnerBartholomäus KalbHansWerner KammerSteffen KampeterSteffen KanitzAlois KarlAnja KarliczekBernhard KasterVolker KauderDr . Stefan KaufmannRoderich KiesewetterDr . Georg KippelsVolkmar KleinJürgen KlimkeAxel KnoerigJens KoeppenMarkus KoobCarsten KörberHartmut KoschykKordula KovacMichael KretschmerGunther KrichbaumDr . Günter KringsRüdiger KruseBettina KudlaDr . Roy KühneGünter LachUwe LagoskyDr . Karl A . LamersAndreas G . LämmelDr . Norbert LammertKatharina LandgrafUlrich LangeBarbara LanzingerDr . Silke LaunertPaul LehriederDr . Katja LeikertDr . Philipp LengsfeldDr . Andreas LenzPhilipp Graf LerchenfeldAntje LeziusIngbert LiebingMatthias LietzAndrea LindholzDr . Carsten LinnemannPatricia LipsWilfried LorenzDr . Claudia LückingMichelDr . JanMarco LuczakDaniela LudwigKarin MaagYvonne MagwasThomas MahlbergGisela ManderlaMatern von MarschallHansGeorg von der MarwitzAndreas MattfeldtStephan Mayer
Reiner MeierDr . Michael MeisterJan MetzlerMaria MichalkDr . h .c . Hans MichelbachDr . Mathias MiddelbergDietrich MonstadtKarsten MöringMarlene MortlerVolker MosblechElisabeth MotschmannDr . Gerd Müller
Stefan Müller
Dr . Philipp MurmannMichaela NollHelmut NowakDr . Georg NüßleinJulia ObermeierWilfried OellersFlorian OßnerDr . Tim OstermannHenning OtteIngrid PahlmannSylvia PantelMartin PatzeltDr . Martin PätzoldUlrich PetzoldDr . Joachim PfeifferEckhard PolsThomas RachelKerstin RadomskiAlexander RadwanAlois RainerDr . Peter RamsauerEckhardt RehbergLothar RiebsamenJosef RiefDr . Heinz RiesenhuberJohannes RöringErwin RüddelAlbert RupprechtAnita Schäfer
Dr . Wolfgang SchäubleAndreas ScheuerKarl SchiewerlingJana SchimkeNorbert SchindlerTankred SchipanskiHeiko SchmelzleGabriele Schmidt
Ronja SchmittPatrick SchniederNadine Schön
Dr . Ole Schröder
Bernhard SchulteDrüggelteDr . KlausPeter SchulzeUwe Schummer
Christina SchwarzerDetlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr . Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerTino SorgeJens SpahnCarola StaucheDr . Frank SteffelDr. Wolfgang StefingerAlbert StegemannPeter SteinErika SteinbachSebastian SteinekeJohannes SteinigerChristian Frhr . von StettenDieter StierRita StockhofeGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerMatthäus StreblThomas StritzlThomas Strobl
Michael StübgenDr . Sabine SütterlinWaackAntje TillmannDr . HansPeter UhlDr . Volker UllrichArnold VaatzOswin VeithThomas ViesehonMichael VietzSven VolmeringChristel VoßbeckKayserDr . Johann WadephulMarco WanderwitzNina WarkenKai WegnerAlbert WeilerMarcus Weinberg
Dr . Anja WeisgerberPeter Weiß
Sabine Weiss
Ingo WellenreutherKarlGeorg WellmannMarian WendtWaldemar WestermayerKai WhittakerPeter WichtelAnnette WidmannMauzHeinz Wiese
Elisabeth WinkelmeierBeckerOliver WittkeDagmar G . WöhrlBarbara WoltmannHeinrich ZertikEmmi ZeulnerDr . Matthias ZimmerGudrun ZollnerSPDNiels AnnenIngrid ArndtBrauerRainer ArnoldHeike BaehrensUlrike BahrHeinzJoachim BarchmannDr . Katarina BarleyDoris BarnettKlaus BarthelDr . Matthias BartkeSören BartolBärbel BasLothar Binding
Burkhard BlienertWilli BraseDr . KarlHeinz BrunnerEdelgard BulmahnVizepräsidentin Petra Pau
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 127 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 1 . Oktober 2015 12361
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Marco BülowMartin BurkertDr . Lars CastellucciPetra CroneDr . Daniela De RidderDr . Karamba DiabySabine DittmarElvira DrobinskiWeißSiegmund EhrmannMichaela EngelmeierDr . h .c . Gernot ErlerPetra ErnstbergerSaskia EskenKarin EversMeyerDr . Johannes FechnerDr . Fritz FelgentreuElke FernerDr . Ute FinckhKrämerChristian FlisekGabriele FograscherDr . Edgar FrankeUlrich FreeseDagmar FreitagMichael GerdesMartin GersterIris GleickeAngelika GlöcknerUlrike GottschalckKerstin GrieseGabriele GronebergMichael GroßWolfgang GunkelBettina HagedornRita HaglKehlMetin HakverdiUlrich HampelSebastian HartmannDirk HeidenblutGabriela HeinrichMarcus HeldWolfgang HellmichHeidtrud HennGustav HerzogGabriele HillerOhmPetra Hinz
Thomas HitschlerDr . Eva HöglMatthias IlgenChristina JantzFrank JungeThomas JurkOliver KaczmarekJohannes KahrsRalf KapschackGabriele KatzmarekUlrich KelberMarina KermerArno KlareLars KlingbeilDr. Bärbel KoflerAnette KrammeDr . HansUlrich KrügerBirgit KömpelHelga KühnMengelChristine LambrechtSteffenClaudio LemmeBurkhard LischkaHiltrud LotzeKirsten LühmannDr . Birgit MalechaNissenCaren MarksKatja MastHilde MattheisDr . Matthias MierschKlaus MindrupSusanne MittagBettina MüllerMichelle MünteferingDr . Rolf MützenichUlli NissenMahmut Özdemir
Aydan ÖzoguzThomas OppermannMarkus PaschkeChristian PetryJeannine PflugradtDetlev PilgerSabine PoschmannAchim Post
Joachim PoßFlorian PostDr . Wilhelm PriesmeierFlorian PronoldDr . Sascha RaabeDr . Simone RaatzMartin RabanusStefan RebmannGerold ReichenbachDr . Carola ReimannAndreas RimkusSönke RixDr . Martin RosemannDr . Ernst Dieter RossmannSusann RüthrichBernd RützelSarah RyglewskiJohann SaathoffAnnette SawadeDr . HansJoachim SchabedothAxel Schäfer
Dr . Nina ScheerMarianne SchiederUdo SchiefnerDr . Dorothee SchlegelUlla Schmidt
Matthias Schmidt
Dagmar Schmidt
Carsten Schneider
Ursula SchulteSwen Schulz
Ewald SchurerFrank SchwabeStefan SchwartzeAndreas SchwarzRainer SpieringNorbert SpinrathSvenja StadlerMartina StammFibichSonja SteffenPeer SteinbrückChristoph SträsserKerstin TackClaudia TausendMichael ThewsDr . Karin ThissenFranz ThönnesCarsten TrägerRüdiger VeitUte VogtDirk VöpelGabi WeberBernd WestphalDirk Wiese
Gülistan YükselDagmar ZieglerStefan ZierkeDr . Jens ZimmermannManfred ZöllmerBrigitte ZypriesNeinDIE LINKEJan van AkenDr . Dietmar BartschHerbert BehrensKarin BinderMatthias W . BirkwaldHeidrun BluhmChristine BuchholzEva BullingSchröterRoland ClausSevim DagdelenDr . Diether DehmKlaus ErnstNicole GohlkeDr . Andre HahnHeike HänselDr . Rosemarie HeinInge HögerAndrej HunkoSigrid HupachUlla JelpkeKerstin KassnerKatja KippingJan KorteJutta KrellmannKatrin KunertSabine LeidigMichael LeutertStefan LiebichDr . Gesine LötzschThomas LutzeBirgit MenzCornelia MöhringNiema MovassatNorbert Müller
Dr . Alexander S . NeuThomas NordPetra PauRichard PitterleMartina RennerDr . Petra SitteKersten SteinkeDr . Kirsten TackmannFrank TempelDr . Axel TroostAlexander UlrichKathrin VoglerDr . Sahra WagenknechtHalina WawzyniakKatrin WernerBirgit WöllertJörn WunderlichHubertus ZdebelBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENKatharina DrögeLisa PausHansChristian StröbeleVizepräsidentin Petra Pau
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Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 127 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 1 . Oktober 201512362
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EnthaltenBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENAnnalena BaerbockVolker Beck
Dr . Franziska BrantnerAgnieszka BruggerEkin DeligözKatja DörnerHarald EbnerDr . Thomas GambkeMatthias GastelKai GehringAnja HajdukBritta HaßelmannDr . Anton HofreiterBärbel HöhnDieter JanecekUwe KekeritzKatja KeulSvenChristian KindlerMaria KleinSchmeinkSylvia KottingUhlOliver KrischerStephan Kühn
Christian Kühn
Renate KünastMarkus KurthMonika LazarSteffi LemkeDr . Tobias LindnerNicole MaischPeter MeiwaldBeate MüllerGemmekeÖzcan MutluDr . Konstantin von NotzOmid NouripourFriedrich OstendorffBrigitte PothmerTabea RößnerClaudia Roth
Corinna RüfferManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergUlle SchauwsDr . Gerhard SchickDr . Frithjof SchmidtKordula SchulzAscheDr . Wolfgang StrengmannKuhnDr . Harald TerpeMarkus TresselJürgen TrittinDr . Julia VerlindenDoris WagnerBeate WalterRosenheimerDr . Valerie WilmsAn der Abstimmung über die Beschlussempfehlungdes Ausschusses für Arbeit und Soziales zum Antrag„Existenzminimum und Teilhabe sicherstellen – Sanktionsmoratorium jetzt“ haben 556 Kolleginnen und Kollegen teilgenommen . Mit Ja stimmten 448 Kolleginnenund Kollegen, mit Nein 57, und es gab 51 Enthaltungen .Die Beschlussempfehlung ist angenommen .Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 556;davonja: 448nein: 57enthalten: 51JaCDU/CSUStephan AlbaniKatrin AlbsteigerArtur AuernhammerThomas BareißNorbert BarthleGünter BaumannMaik BeermannManfred Behrens
Veronika BellmannSybille BenningDr . Andre BergheggerDr . Christoph BergnerUte BertramPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr . Maria BöhmerNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr . Reinhard BrandlHelmut BrandtDr . Ralf BrauksiepeDr . Helge BraunHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannAlexandra DingesDierigAlexander DobrindtMichael DonthThomas DörflingerMarieLuise DöttHansjörg DurzIris EberlJutta EckenbachDr . Bernd FabritiusHermann FärberEnak FerlemannIngrid FischbachDirk Fischer
Dr . Maria FlachsbarthThorsten FreiDr . Astrid FreudensteinDr . HansPeter Friedrich
Michael FrieserDr . Michael FuchsHansJoachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr . Thomas GebhartAlois GerigEberhard GiengerJosef GöppelReinhard GrindelUrsula GrodenKranichHermann GröheKlausDieter GröhlerMichael GrosseBrömerAstrid GrotelüschenMarkus GrübelManfred GrundOliver GrundmannMonika GrüttersDr . Herlind GundelachFritz GüntzlerOlav GuttingChristian HaaseFlorian HahnDr . Stephan HarbarthGerda HasselfeldtMatthias HauerMark HauptmannDr . Stefan HeckDr . Matthias HeiderHelmut HeiderichMechthild HeilFrank Heinrich
Mark HelfrichUda HellerJörg HellmuthRudolf HenkeMichael HennrichAnsgar HevelingPeter HintzeDr . Heribert HirteRobert Hochbaum
Alexander HoffmannKarl HolmeierFranzJosef HolzenkampDr . Hendrik HoppenstedtMargaret HorbBettina HornhuesCharles M . HuberAnette HübingerHubert HüppeErich IrlstorferThomas JarzombekSylvia JörrißenAndreas JungXaver JungDr . Egon JüttnerBartholomäus KalbHansWerner KammerSteffen KampeterSteffen KanitzAlois KarlAnja KarliczekBernhard KasterVolker KauderDr . Stefan KaufmannRoderich KiesewetterDr . Georg KippelsVolkmar KleinJürgen KlimkeAxel KnoerigJens KoeppenMarkus KoobCarsten KörberHartmut KoschykKordula KovacMichael KretschmerGunther KrichbaumDr . Günter KringsRüdiger KruseBettina KudlaDr . Roy KühneGünter LachVizepräsidentin Petra Pau
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Uwe LagoskyDr . Karl A . LamersAndreas G . LämmelDr . Norbert LammertKatharina LandgrafUlrich LangeBarbara LanzingerDr . Silke LaunertPaul LehriederDr . Katja LeikertDr . Philipp LengsfeldDr . Andreas LenzPhilipp Graf LerchenfeldAntje LeziusIngbert LiebingMatthias LietzAndrea LindholzDr . Carsten LinnemannPatricia LipsWilfried LorenzDr . Claudia LückingMichelDr . JanMarco LuczakDaniela LudwigKarin MaagYvonne MagwasThomas MahlbergGisela ManderlaMatern von MarschallHansGeorg von der MarwitzAndreas MattfeldtStephan Mayer
Reiner MeierDr . Michael MeisterJan MetzlerMaria MichalkDr . h .c . Hans MichelbachDr . Mathias MiddelbergDietrich MonstadtKarsten MöringMarlene MortlerVolker MosblechElisabeth MotschmannDr . Gerd Müller
Stefan Müller
Dr . Philipp MurmannMichaela NollHelmut NowakDr . Georg NüßleinJulia ObermeierWilfried OellersDr . Tim OstermannHenning OtteFlorian OßnerIngrid PahlmannSylvia PantelMartin PatzeltDr . Martin PätzoldUlrich PetzoldDr . Joachim PfeifferEckhard PolsThomas RachelKerstin RadomskiAlexander RadwanAlois RainerDr . Peter RamsauerEckhardt RehbergLothar RiebsamenJosef RiefDr . Heinz RiesenhuberJohannes RöringErwin RüddelAlbert RupprechtAnita Schäfer
Dr . Wolfgang SchäubleAndreas ScheuerKarl SchiewerlingJana SchimkeNorbert SchindlerTankred SchipanskiHeiko SchmelzleGabriele Schmidt
Ronja SchmittPatrick SchniederNadine Schön
Dr . Ole SchröderDr . Kristina Schröder
Bernhard SchulteDrüggelteDr . KlausPeter SchulzeUwe Schummer
Christina SchwarzerDetlef SeifJohannes SelleReinhold SendkerDr . Patrick SensburgBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerTino SorgeJens SpahnCarola StaucheDr . Frank SteffelDr. Wolfgang StefingerAlbert StegemannPeter SteinErika SteinbachSebastian SteinekeJohannes SteinigerChristian Frhr . von StettenDieter StierRita StockhofeGero StorjohannStephan StrackeMax StraubingerMatthäus StreblThomas StritzlThomas Strobl
Michael StübgenDr . Sabine SütterlinWaackAntje TillmannDr . Volker UllrichArnold VaatzOswin VeithThomas ViesehonMichael VietzSven VolmeringChristel VoßbeckKayserDr . Johann WadephulMarco WanderwitzNina WarkenKai WegnerAlbert WeilerMarcus Weinberg
Dr . Anja WeisgerberPeter Weiß
Sabine Weiss
Ingo WellenreutherKarlGeorg WellmannMarian WendtWaldemar WestermayerKai WhittakerPeter WichtelAnnette WidmannMauzHeinz Wiese
Elisabeth WinkelmeierBeckerOliver WittkeDagmar G . WöhrlBarbara WoltmannHeinrich ZertikEmmi ZeulnerDr . Matthias ZimmerGudrun ZollnerSPDNiels AnnenIngrid ArndtBrauerRainer ArnoldHeike BaehrensUlrike BahrHeinzJoachim BarchmannDr . Katarina BarleyDoris BarnettKlaus BarthelDr . Matthias BartkeSören BartolBärbel BasLothar Binding
Burkhard BlienertWilli BraseDr . KarlHeinz BrunnerEdelgard BulmahnMartin BurkertDr . Lars CastellucciPetra CroneDr . Daniela De RidderDr . Karamba DiabySabine DittmarElvira DrobinskiWeißSiegmund EhrmannMichaela EngelmeierDr . h .c . Gernot ErlerPetra ErnstbergerSaskia EskenKarin EversMeyerDr . Johannes FechnerDr . Fritz FelgentreuElke FernerDr . Ute FinckhKrämerChristian FlisekGabriele FograscherDr . Edgar FrankeUlrich FreeseDagmar FreitagMichael GerdesMartin GersterIris GleickeAngelika GlöcknerUlrike GottschalckKerstin GrieseGabriele GronebergMichael GroßWolfgang GunkelBettina HagedornRita HaglKehlMetin HakverdiUlrich HampelSebastian HartmannDirk HeidenblutGabriela HeinrichMarcus HeldWolfgang HellmichHeidtrud HennGustav HerzogGabriele HillerOhmPetra Hinz
Thomas HitschlerDr . Eva HöglMatthias IlgenChristina JantzVizepräsidentin Petra Pau
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Frank JungeThomas JurkOliver KaczmarekJohannes KahrsRalf KapschackGabriele KatzmarekUlrich KelberMarina KermerArno KlareLars KlingbeilDr. Bärbel KoflerBirgit KömpelDr . HansUlrich KrügerHelga KühnMengelChristine LambrechtSteffenClaudio LemmeBurkhard LischkaHiltrud LotzeKirsten LühmannDr . Birgit MalechaNissenCaren MarksKatja MastHilde MattheisDr . Matthias MierschKlaus MindrupSusanne MittagBettina MüllerMichelle MünteferingDr . Rolf MützenichUlli NissenMahmut Özdemir
Aydan ÖzoguzThomas OppermannMarkus PaschkeChristian PetryJeannine PflugradtDetlev PilgerSabine PoschmannJoachim PoßAchim Post
Florian PostDr . Wilhelm PriesmeierFlorian PronoldDr . Sascha RaabeDr . Simone RaatzMartin RabanusStefan RebmannGerold ReichenbachDr . Carola ReimannAndreas RimkusSönke RixDr . Martin RosemannDr . Ernst Dieter RossmannSusann RüthrichBernd RützelSarah RyglewskiJohann SaathoffAnnette SawadeDr . HansJoachim SchabedothAxel Schäfer
Dr . Nina ScheerMarianne SchiederUdo SchiefnerDr . Dorothee SchlegelUlla Schmidt
Matthias Schmidt
Dagmar Schmidt
Carsten Schneider
Ursula SchulteSwen Schulz
Ewald SchurerFrank SchwabeStefan SchwartzeAndreas SchwarzRainer SpieringNorbert SpinrathSvenja StadlerMartina StammFibichSonja SteffenPeer SteinbrückChristoph SträsserKerstin TackClaudia TausendMichael ThewsDr . Karin ThissenFranz ThönnesCarsten TrägerRüdiger VeitUte VogtDirk VöpelGabi WeberBernd WestphalDirk WieseWaltraud Wolff
Gülistan YükselDagmar ZieglerStefan ZierkeDr . Jens ZimmermannManfred ZöllmerBrigitte ZypriesNeinSPDMarco BülowBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENAnnalena BaerbockVolker Beck
Dr . Franziska BrantnerAgnieszka BruggerEkin DeligözKatja DörnerKatharina DrögeHarald EbnerDr . Thomas GambkeMatthias GastelKai GehringAnja HajdukBritta HaßelmannDr . Anton HofreiterBärbel HöhnDieter JanecekUwe KekeritzKatja KeulSvenChristian KindlerMaria KleinSchmeinkSylvia KottingUhlOliver KrischerStephan Kühn
Christian Kühn
Renate KünastMarkus KurthMonika LazarSteffi LemkeDr . Tobias LindnerNicole MaischPeter MeiwaldBeate MüllerGemmekeÖzcan MutluDr . Konstantin von NotzOmid NouripourFriedrich OstendorffLisa PausBrigitte PothmerTabea RößnerClaudia Roth
Corinna RüfferManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergUlle SchauwsDr . Gerhard SchickDr . Frithjof SchmidtKordula SchulzAscheDr . Wolfgang StrengmannKuhnHansChristian StröbeleDr . Harald TerpeMarkus TresselJürgen TrittinDr . Julia VerlindenDoris WagnerBeate WalterRosenheimerDr . Valerie WilmsEnthaltenDIE LINKEJan van AkenDr . Dietmar BartschHerbert BehrensKarin BinderMatthias W . BirkwaldChristine BuchholzEva BullingSchröterRoland ClausSevim DagdelenDr . Diether DehmKlaus ErnstNicole GohlkeDr . Andre HahnHeike HänselDr . Rosemarie HeinInge HögerAndrej HunkoSigrid HupachUlla JelpkeKerstin KassnerKatja KippingJan KorteJutta KrellmannKatrin KunertSabine LeidigMichael LeutertStefan LiebichDr . Gesine LötzschThomas LutzeBirgit MenzCornelia MöhringNiema MovassatNorbert Müller
Dr . Alexander S . NeuThomas NordPetra PauRichard PitterleMartina RennerDr . Petra SitteKersten SteinkeDr . Kirsten TackmannFrank TempelDr . Axel TroostAlexander UlrichKathrin VoglerDr . Sahra WagenknechtHalina WawzyniakKatrin WernerBirgit WöllertJörn WunderlichHubertus ZdebelVizepräsidentin Petra Pau
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Wir kommen zurück zur Debatte zum Thema „Stärkung der Kultur im ländlichen Raum“ . Das Wort hat dieKollegin Sigrid Hupach für die Fraktion Die Linke .
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Titel Ihres Antrags,„Zukunftsweisende Kulturpolitik im demografischenWandel – Stärkung der Kultur im ländlichen Raum“,verspricht viel, hält aber wenig . Wir werden dem Antrag auch nach der Debatte im Ausschuss deshalb nichtzustimmen . Grund dafür ist keineswegs, dass wir nichtfür eine bessere Kulturpolitik in den ländlichen Räumensind . Im Gegenteil: Gerade weil wir überzeugt sind, dasshierfür ein ressortübergreifendes Handlungskonzept nötig ist, greift Ihr Antrag unseres Erachtens viel zu kurz .
Eine zukunftsweisende Politik, wie Sie es formulieren, muss grundsätzlich anders ansetzen . Ihre ausführliche Beschreibung im Feststellungsteil liefert dafür sogar eine gute Begründung, auch für die Aufhebung desKooperationsverbotes und die Definition einer Gemeinschaftsaufgabe „Kultur“ . Umso mehr ist es zu bedauern,dass Sie dann nicht den Mut haben, eine nachhaltigekulturpolitische Strategie zu entwickeln, und bei IhrenForderungen unkonkret und kleinteilig bleiben und allesunter Haushaltsvorbehalt stellen .Auf eine Ihrer Forderungen möchte ich hier eingehen. Sie erwarten im Rahmen der Demografiestrategiekonkrete Handlungsempfehlungen . Wirft man dazu abereinen Blick in die grundlegenden Papiere der Bundesregierung, so findet man leider nichts, was unter kulturpolitischen Aspekten Mut macht . Der Innenminister hatim Januar 2015 das Papier „Grundsätze und Schritte zurWeiterentwicklung der Demografiepolitik der Bundesregierung“ vorgelegt . Darin kommt Kultur nur im Zusammenhang mit einer Willkommens und Anerkennungskultur vor . Das ist wichtig, ja, das Thema erschöpft sichaber nicht in der Benutzung der Menschen als internationale Fachkräfte . Auch die Einteilung der Menschen,die in Not sind und gegenwärtig bei uns Schutz suchen,in solche, die für unseren Arbeitsmarkt qualifiziert sind,und solche, die es nicht sind, ist in keiner Weise zu akzeptieren .Wir Linke sehen die Kulturpolitik in einer aktiven undwichtigen Rolle bei der Gestaltung des gesellschaftlichenWandels und der aktuellen Herausforderungen . Wenn IhrAntrag in diesem Sinne zur Sensibilisierung im Kabinettführt, dann wäre das ein erster Schritt .Sie fordern in Ihrem Antrag die Prüfung von vielenDingen . Warum handeln Sie nicht einfach? Eine Plattform der Förderprogramme und erfolgreichen Projekteeinrichten und das Antragswesen vereinfachen – ja, daskann man machen, vielleicht sollte man das auch an manchen Stellen machen . Besser aber wäre es, man würdesich schon vor Auslobung des nächsten Programms undvor Start eines weiteren Pilotprojektes ressortübergreifend abstimmen und vor allem die Programme mit denAkteuren gemeinsam erarbeiten .
Das gilt erst recht für so komplizierte Angelegenheiten wie die kulturelle Bildung . Genau bei diesem übergreifenden Thema fordern Sie Initiativen innerhalb dereinzelnen Ressorts . Sie wissen, wir haben das Programm„Kultur macht stark“ am Anfang mit sehr großer Skepsisbegleitet . Mittlerweile ist aber deutlich geworden, dassdieses Programm im Bereich der kulturellen Bildung vielbewegt hat . Das liegt maßgeblich auch an der Professionalisierung der Beteiligten und der Begleitung durch dieProgrammpartner; denn sie sind diejenigen, die wissen,was gebraucht wird, wo der Schuh drückt und was vielleicht auch nicht funktioniert, gerade weil sie eng mitden Akteuren vor Ort zusammenarbeiten und mit ihnenverbunden sind . Warum wollen Sie diese Expertise nichtnutzen, um ein bestehendes Programm weiterzuentwickeln, statt wieder ein neues zu testen?Sie wollen die Kultur und Kreativwirtschaft in denländlichen Räumen verstärken . Nein, Sie wollen erst einmal prüfen, ob das geht . Zeitgleich schaffen Sie ab demkommenden Jahr die Regionalbüros des Kompetenzzentrums ab .Unter Punkt 10 nehmen Sie Bezug auf eine freie, zeitgenössische und darstellende Kunst und Kultur vor demHintergrund interkultureller Herausforderungen . Aberauch hier braucht es eine verlässliche und langfristig gesicherte Förderung struktureller Art . Ich hoffe sehr, dassIhre Prüfung zu einer Veränderung des aktuellen Haushaltstitels bei den Einzelprojekten im Bereich Tanz undTheater führt . Hier stehen wir nämlich vor einer Kürzungder Mittel um zwei Drittel .Statt bestimmter Einzelprojekte brauchen die Menschen in den ländlichen Räumen ein übergreifendes,zwischen den politischen Ebenen abgestimmtes, verlässliches und ehrlich gemeintes Konzept . Dieses muss dieStärkung der kulturellen Infrastruktur ins Zentrum stellen . Nur dort kann dann die freie Szene andocken oderdas von Ihnen zu Recht gelobte ehrenamtliche Engagement . Es ist aber ein Trugschluss, zu glauben, dass dasEhrenamt die Lücken der öffentlichen Kulturförderungschließen könnte . Die Hauptverantwortung für die kulturelle Infrastruktur tragen die Kommunen . Sie müssenalso entsprechend finanziell ausgestattet werden, dass siedie Kultur auch schützen und fördern können, wie es sichfür einen Bereich der Daseinsvorsorge eigentlich gehört .Das Verfassungsziel, gleichwertige Lebensverhältnissezu schaffen, sollte hierfür der Maßstab sein .
Die Kommunen brauchen Anreize und Beratung bei derEntwicklung von Kulturkonzepten und Entwicklungsplänen . Dabei hilft – das ist ein wichtiger Punkt in IhremAntrag – ganz sicher auch eine verstärkte Kulturpolitikforschung .Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, im Ziel sind wir uns einig und auch in Ihrer Analyse . Wir stimmen trotzdem Ihrem Antrag heute nicht zu,Vizepräsidentin Petra Pau
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weil wir ihn für zu oberflächlich und nicht zielführendhalten .Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
Für die SPDFraktion hat der Kollege Burkhard
Blienert das Wort .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Das Thema „Kulturpolitikim ländlichen Raum unter demografischen Gesichtspunkten“ braucht eine Herleitung, eine Ableitung, sonstkann man den Kontext aus meiner Sicht nicht richtig einordnen .Wir wissen – das sind fast Banalitäten –: Gesellschaftenmüssen sich permanent verändern . Stillstand bedeutetletztendlich Rückschritt . Status quo bedeutet Innovationsträgheit . Gesellschaften verändern sich von alleine .Die zurzeit größten Kräfte gesellschaftlicher Veränderung sind die Auswirkungen des demografischen Wandels, der Digitalisierung und die Folgen einer immerstärker zusammenwachsenden Weltengemeinschaft imZeichen der Globalisierung . All das erleben wir aktuellin all seinen Facetten .Politik muss diese Transformationsprozesse genaubenennen und diskutieren, um gesellschaftliche Widersprüche und Zielkonflikte deutlich zu machen und nachLösungen zu suchen . Einen großen Anteil daran habeneben Kunst, Kreativität und Kultur, haben die kulturellenAkteure und haben die Orte kulturellen Lebens, insbesondere im ländlichen Raum .In diesem Antrag konzentrieren wir uns auf den demografischen Aspekt und auf den ländlichen Raum. Derdemografische Wandel ist, gesellschaftlich gesehen, eineQuerschnittsaufgabe, bei der die verschiedensten Themenfelder zusammenkommen und womit auch nahezualle Ausschüsse hier im Deutschen Bundestag befasstsind. Ich finde, es ist uns gut gelungen, diesen komplexen Entwicklungsprozess aus kulturpolitischer Sicht zubeleuchten . Der Antrag bietet daher eine gute Ausgangsbasis für die Debatte .Aus meiner Sicht werden die notwendigen Spannungsverhältnisse infolge des demografischen Wandelsbeschrieben, die sich auf das kulturelle Leben auswirken,Spannungsverhältnisse, die im Rahmen der Kulturpolitikaustariert werden müssen .Dabei will ich nun noch einige Aspekte aus diesenBlickwinkeln hervorheben . Zum einen geht es um dasSpannungsverhältnis zwischen Ehrenamt und staatlichen Aufgaben . Ehrenamtliches Engagement spielt beider Frage, wie wir den zukünftigen demografischen Herausforderungen im ländlichen Raum begegnen wollen,eine zentrale Rolle . Ehrenamt kann und soll staatlicheStrukturen aber nicht ersetzen . Wenn ich unterwegs bin,werde ich vielfach von den kulturell engagierten Menschen angesprochen, die sich oftmals auch alleingelassenfühlen und denen häufig die notwendige Unterstützungfehlt, gerade wenn es darum geht, bürokratische Hürdenzu überwinden . Für viele ist das Anlass, ihr Engagementzurückzufahren, und viele hält es davon ab, sich überhaupt einzusetzen . Damit bleibt ein großes Potenzial insbesondere auch im ländlichen Raum ungenutzt .So gilt es nun, die richtige Balance zwischen Ehrenamt und staatlichen Aufgaben zu finden und dabei Ungleichgewichte zu vermeiden . Wir dürfen nicht darinnachlassen, die Rahmenbedingungen für ehrenamtlichesEngagement weiter zu verbessern . Neben der Vereinfachung des Antragsverfahrens müssen wir den Ehrenamtlichen auch Hauptamtliche an die Seite stellen, die siemit Beratung und Professionalisierung unterstützen können . Das ist einer der zentralen Punkte in dem Antrag .Ein zweites Spannungsverhältnis, das im Antragdargestellt wird, bezieht sich auf die unterschiedlichenräumlichen Schwerpunkte des demografischen Wandels.Nicht überall findet alles gleichzeitig statt. Dabei ist esuns wichtig, dass alle Regionen als attraktive Lebensräume gestärkt werden müssen . Ein lebendiges kulturellesLeben und kulturelle Teilhabe schaffen Lebensqualitätund Bindung . Sie sind für die meisten Menschen wichtige Kriterien bei der Entscheidung über ihren Wohn undLebensmittelpunkt .„Kultur schafft Willkommensräume“, so hat die kulturpolitische Gesellschaft es bezeichnet . Das muss Zielunserer Kulturpolitik sein, und das ist auch Ziel unseresAntrags .Liebe Kolleginnen und Kollegen, Schlüsselfaktor kultureller Integration ist die kulturelle Bildung . Sie öffnetden Zugang zu Kunst und Kultur und ermöglicht die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben . Sie bietet Gelegenheitfür interkulturellen Austausch, der das eigene kulturelleVerständnis befruchten und bereichern kann . Deshalbsteht fest: Wenn wir die kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft als Chance nutzen wollen, müssen wir die kulturelle Bildung fördern, in Zukunft noch viel konsequenter und energischer als bisher .Noch ein drittes Spannungsverhältnis wird in unseremAntrag angesprochen . Das liegt in der Finanzierung derKultur begründet . Der Bund fördert Kultur auf vielenWegen . Diesen Förderaktivitäten des Bundes sind durchden Kulturföderalismus jedoch enge Grenzen gesetzt .Wir müssen dafür sorgen, dass Bund, Länder und Kommunen ihre Förderaktivitäten stärker miteinander abstimmen . Ein stärker kooperativ orientierter Kulturföderalismus könnte das kulturfördernde Engagement des Bundesin der Fläche verstärken und beim Erhalt der kulturellenInfrastruktur helfen .Die wesentlichen Träger bleiben jedoch die Kommunen . Dort wird in Zusammenarbeit mit den Ländern dasmeiste Geld für die Förderung der Kultur akquiriert undausgegeben . Deshalb ist es auch wichtig, dass wir unddie Bundesregierung die Kommunen in diesem Jahr undauch schon in den vergangenen Jahren finanziell spürbarentlastet haben . Das ist der richtige Weg, der fortgesetztwerden muss, damit kommunale Kulturetats Luft zumAtmen haben .Sigrid Hupach
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Der Antrag bietet Ideen und zeigt konkrete Maßnahmen auf, wie durch Konzentration auf die eigenen lokalen Stärken und durch Vernetzungen, Partnerschaftenund Kooperationen Neues entstehen kann . Wissenstransfer und Vernetzung sind dabei ein wichtiger Erfolgsfaktor . Der Antrag zeigt aber auch Möglichkeiten auf, wieund wo der Bund bei der Kulturförderung mithelfen sollte, zum Beispiel bei der Entbürokratisierung von Förderinstrumenten oder bei der notwendigen Kulturpolitikforschung, die verstärkt werden muss .Hier sind wir bei einem ganz entscheidenden Punkt,nämlich bei der Frage, wie wir den demografischen Veränderungen begegnen wollen . Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder erleben wir es als Krise und Bedrohung,oder wir sehen die Chancen und Potenziale, gehen dieHerausforderungen an und fangen an, den Wandel aktivzu gestalten .Ich denke, wir sind uns einig, dass der zweite Wegauch vor dem Hintergrund der von mir beschriebenenSpannungsverhältnisse der richtige ist, sodass wir demländlichen Raum auch in Zeiten des demografischenWandels eine Zukunft geben können . Ich würde michüber die Unterstützung unseres Antrags auch durch dieGrünen und die Linken sehr freuen .Ich danke für die Aufmerksamkeit .
Das Wort hat die Kollegin Ulle Schauws für die Frak
tion Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Die Sicherungdes kulturellen Angebots im ländlichen Raum ist einwichtiges Thema . Die Problembeschreibung im Antragder Koalition ist grundsätzlich richtig . Kulturinstitutionen sind als Orte der Begegnung unverzichtbar und tragen entscheidend zur sozialen Teilhabe und Identifikation mit dem direkten Lebensumfeld bei .Angesichts knapper Haushaltskassen wird aber oftbei den freiwilligen Leistungen gespart . Darunter sindleider viele kulturelle Angebote . Der Wegfall eines Bücherbusses, ein geschlossenes Programmkino oder einweggekürztes soziokulturelles Zentrum bedeuten weniger Bildung, weniger Information und einen Verlust vongesellschaftlicher Teilhabe vor Ort . Um den Erhalt derkulturellen und sozialen Infrastruktur nicht nur im ländlichen Raum langfristig zu sichern, braucht es zunächstdauerhaft eine finanzielle Entlastung von strukturschwachen Kommunen .
Genau das fordern wir in unserem aktuellen Antrag„Dauerhafte und strukturelle Entlastungen für Kommunen in Not“ . Hier muss die Bundesregierung endlich tätigwerden .
Außerdem sind eine abgestimmte demografische Gesamtstrategie und nachhaltige Konzepte für den Erhaltder kulturellen Infrastruktur gefragt . Denn viele ländliche Räume, beispielsweise im Nordosten Brandenburgs,im Norden SachsenAnhalts oder in weiten Teilen MecklenburgVorpommerns, stehen vor existenziellen Herausforderungen beim Erhalt der sozialen und kulturellen Infrastruktur vor Ort . Hier brauchen wir dringend Lösungenunter Einbeziehung aller politischen Ebenen; denn umbeispielsweise den Zugang zu Kulturangeboten im ländlichen Raum dauerhaft zu sichern, sind gute Mobilitätsansätze notwendig .Erst letzte Woche hat die Bundesregierung im Rahmen ihres Strategiekongresses Demografie allerdings erneut verpasst, dieses Problem endlich umfassend anzugehen . Was macht sie stattdessen? Uninspiriert und wenigengagiert verwaltet sie ihre sogenannte Demografiestrategie . Warum sonst wurde aus dem ursprünglich für denSommer groß geplanten Demografiegipfel ein kleiner geschrumpfter Strategiekongress im Herbst?Ich sage Ihnen: Nicht zuletzt aufgrund der aktuellenZuwanderung von geflüchteten Menschen, von denenviele bleiben werden, muss hier dringend viel mehr passieren, und zwar im positiven Sinne; denn es ist ja keinesfalls neu, dass Einwanderung neben Alterung und demRückgang der Bevölkerung eine entscheidende Komponente für demografische Entwicklung ist. Bisher beschäftigt sich aber lediglich eine von zehn Arbeitsgruppen desStrategiekongresses Demografie mit Einwanderung. Dasreicht nicht . Das müsste auch Ihnen klar sein .
Auch das Potenzial von Kultur bei der Bewältigungaktueller und zukünftiger demografischer Herausforderungen spielt im Rahmen der Demografiestrategie derBundesregierung bisher fast gar keine Rolle . Einerseitsfordern Sie in Ihrem Antrag eine zukunftsweisende Kulturpolitik im demografischen Wandel, andererseits habenSie es leider verpasst, hierzu konkrete Forderungen zustellen . Außerdem fehlt mir ein nachhaltiges Konzeptzur Stärkung der kulturellen Infrastruktur im ländlichenRaum . Eine Modellförderung hier oder ein Preis da, dassind erste wichtige Schritte . Aber langfristige Antwortensehen aus meiner Sicht anders aus. Da müssen Sie, findeich, schon den Mut aufbringen, sich an die grundsätzlichen Fragen heranzuwagen und etwas zu ändern .
Zwei Aspekte möchte ich konkret ansprechen . Es wäresinnvoll, zum einen wirklich ernsthaft über das StaatszielKultur zu sprechen und zum anderen die Kulturförderungdes Bundes grundsätzlich zu überarbeiten und sie an dieneuen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Hierzu finde ich in Ihrem Antrag nichts.Noch ein wichtiger Punkt – er wurde schon mehrfachgenannt –: Die Forderung nach ehrenamtlichem Engagement ist ein sinnvolles Vorhaben; das unterstützen auchwir ganz grundsätzlich . Aber dies als wichtigsten Schrittzur Stärkung der Kultur im ländlichen Raum zu bezeichnen, wie es die Kollegin Freudenstein in ihrer Rede beider ersten Lesung, die zu Protokoll gegeben wurde, getanBurkhard Blienert
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hat, kann es wirklich nicht sein . Wenn Sie den Leuten,die im Ehrenamt tätig sind, sagen: „Macht ihr die Kulturpolitik im ländlichen Raum, wir als Politik ziehen unsdaraus zurück; ihr macht die Arbeit, aber wir stellen keine Finanzierung zur Verfügung“, dann ist das das falscheSignal .
Dann können Sie nicht ernsthaft sagen, das sei der wichtigste Schritt zur Stärkung der Kultur im ländlichenRaum . Da bin ich Burkhard Blienert dankbar, der sagt:Hier brauchen wir eine Balance, einen Ausgleich . Dasdarf nicht nur ein Signal an die Ehrenamtlerinnen undEhrenamtler sein .
Stattdessen möchte ich – darauf lege ich ganz besonders großen Wert – für die Stärkung der Soziokultur plädieren . Das ist ein Punkt, auf den Sie Ihren Blicknicht richten. Tatsächlich ist es so, dass viele geflüchteteMenschen auch im Kulturbereich nachhaltige Teilhabemöglichkeiten in soziokulturellen Zentren bekommenkönnen . Sie ermöglichen umfassende Partizipation fürMenschen jedes Alters, jeder Nationalität und jeder Herkunft . Sie alle sind in soziokulturellen Zentren richtigaufgehoben . Hier steht eine große Bandbreite an künstlerischen Angeboten und Aktivitäten zur Verfügung, gerade auch im ländlichen Raum . Notwendig ist deshalb einenachhaltige Erhöhung und Sicherung der Mittel für dieSoziokultur, für die Stärkung gesellschaftlicher Teilhabedurch Kulturangebote für alle .Vielen Dank .
Die Kollegin Dagmar Wöhrl hat für die CDU/CSU
Fraktion das Wort .
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Deutschland, sagt man, istdas Land der Dichter und Denker . Da fallen uns sehrviele Vertreter ein, ob in der deutschen Literatur JohannWolfgang von Goethe, Koryphäen der klassischen Musikwie Ludwig van Beethoven oder zeitgenössische Malerwie Gerhard Richter . Aber daneben gibt es viele Kulturschaffende, deren Namen uns nicht bekannt sind, die inden vielen kleinen Theatern, in den kleinen Kinos, aufden kleinen Bühnen ihre Arbeit machen, die gestaltenund die Kultur mit weiterentwickeln .Unsere Kultur ist vielfältig; darauf sind wir stolz . Sieist genauso vielfältig wie Deutschland und seine Regionen, ob Malerei, Musik, Film oder darstellende Künste .Sie ist beeindruckend . Das gilt nicht nur für die Kulturmetropolen wie Berlin mit den großen Staatstheatern undOpernhäusern, sondern auch für den ländlichen Raum .Es ist von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern angesprochen worden: Wir haben einen demografischenWandel, Geburtenrückgänge – dieses Jahr ist die Zahlder Geburten Gott sei Dank wieder ein bisschen höher –und eine Abwanderung aus ländlichen Gegenden zu verzeichnen, vor allem von jungen Menschen, die es immermehr in die Stadt zieht . Das heißt, es gibt ein Problem .Die Flüchtlingsströme, die uns derzeit erreichen, sindnatürlich unumstritten die größte Herausforderung, diewir in diesen Tagen, in diesen Wochen und auch in dennächsten Monaten zu bewältigen haben . Auch hier gibtes kulturpolitische Herausforderungen; denn kulturpolitische Teilhabe ist gesellschaftliche Teilhabe und somitauch ein ganz wichtiger Schlüssel zur Integration .
Menschen mit Migrationshintergrund prägen unsere Gesellschaft und unser kulturelles Leben und – dasdürfen wir nicht vergessen – bereichern es auch . Integration heißt auch, kulturelle Werte und Traditionen zuvermitteln, und zwar in beide Richtungen: von uns aufdie Flüchtlinge und Migranten und von den Flüchtlingenund Migranten auf uns . Tanz, Theater, Film und Musikkönnen hier einen wichtigen Beitrag leisten .Kultur war schon immer ein verbindendes Elementüber Grenzen hinweg . Das haben wir schon sehr oft erwähnt und wissen wir alle . Sie ist aber auch ein verbindendes Element zwischen Land und Stadt und zwischenJung und Alt . Sie ist eine gemeinsame Sprache und stiftetIdentität, wie das vorhin auch schon zu Recht erwähntworden ist . Wir leben in Zeiten der Veränderungen . Indiesen bietet sie Halt und hilft sie uns, den gesellschaftlichen Wandel zu bewältigen .Was bedeutet das alles aber für den ländlichen Raum?Wie schon erwähnt, ist der ländliche Raum besondersstark vom demografischen Wandel betroffen. Sichergeht es auf dem Land vorrangig um Daseinsvorsorge,also darum, dass etwa der TanteEmmaLaden erhaltenbleibt und dass die ärztliche Versorgung weiterhin zurVerfügung steht . Es geht aber auch um die Aufrechterhaltung eines Kulturangebotes . Das ist eine Herausforderung, und zwar auch deswegen, weil die Kommunen,wie wir wissen, immer weniger Einnahmen und auf deranderen Seite aufgrund der Flüchtlingsströme natürlichmehr Ausgaben als früher haben . Und wo wird als Erstes gespart? Das geschieht im Kulturbereich – das wissenwir –, weil die Förderung der Kultur eine freiwillige Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung ist und man dortam schnellsten Geld einsparen kann .Mit der Veränderung der Bevölkerungsstruktur wandelt sich aber auch noch etwas anderes, nämlich dasKulturinteresse des Publikums und das Publikum selbst .Statt Opern und anderer Hochkultur sind zukünftig andere Kulturangebote und Formate gefragt .Das heißt, Kulturpolitik ist auch Standortpolitik . Wirmüssen in den ländlichen Gebieten Angebote schaffen,mit denen wir Städter dazu bekommen, wieder aufs Landzu ziehen . Dafür brauchen wir ein spezielles Kulturmarketing in diesem Bereich und andere Formen des kulturellen Angebotes, wie zum Beispiel Festivals .Ulle Schauws
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Wir wissen, dass Regionen, die wirtschaftlich und kulturell aktiv sind, wachsen . Es wird immer unterschätzt,welche Auswirkungen ein kulturelles Angebot hat . Wennman über den Fachkräftemangel spricht, sucht man immer Kriterien zur Mitarbeiterbindung . Hier ist auch dieKultur ein ganz wichtiger Punkt . Sie ist für viele einGrund, mit ihrer Familie in eine bestimmte Gegend zuziehen. Die Menschen identifizieren sich mit der Region,in der sie leben. Sie finden in dieser Region Halt und fühlen sich mit ihrer Heimat verbunden . Wenn sie wissen,dass dort unter anderem auch ein kulturelles Angebot gegeben ist, dann bleiben sie auch dort . Das heißt, die Kultur ist längst nicht mehr ein weicher Standortfaktor, wiedas früher vielleicht einmal der Fall gewesen ist .Ich finde, in dem Antrag wird sehr gut herausgearbeitet, dass die Handlungsfelder natürlich neu beackert werden müssen . Es geht dabei auch darum, neue Finanzierungswege, neue Zielgruppen und neue Nutzer zu findenund die kulturelle Bildung in diesem Bereich stärker inden Fokus zu stellen .Dabei müssen alle Altersgruppen berücksichtigt werden . Durch die Jugendarbeit müssen die jungen Leutesehr viel mehr begeistert werden . Sie müssen von Anfang an in die kulturellen Planungen einbezogen werden .Das fängt schon im Kindergarten an und gilt auch für dieSchulen . Eines darf man nämlich nie vergessen: UnsereKinder sind das Kulturpublikum und die Kulturschaffenden von morgen . Deswegen muss man das Interesse unddie Begeisterung früh wecken .Natürlich müssen wir hier auch die Senioren sehr starkin den Blick nehmen . Die Zahl der über 60Jährigen inden ländlichen Räumen in Deutschland nimmt von 2009bis 2030 um über 50 Prozent zu . Das bedeutet, dass zumBeispiel auch mobile Bücherbusse für immobile Nutzerwie Senioren unter anderem ein Baustein für ein anderesKulturangebot in diesem Bereich sind . Es ist schon angesprochen worden, dass das bürgerschaftliche Engagement dabei eine ganz wichtige Stütze ist .Eines müssen wir natürlich auch sehen: Jede Krise hatnatürlich auch eine Chance, nämlich die Chance, sich mitdem Thema auseinanderzusetzen – so wie wir jetzt mitdiesem Antrag –, um neue, kreative Konzepte zu entwickeln, um über neue kulturelle Angebote – mobile Kinos, Kreativzentren oder vieles andere mehr –, aber auchüber neue Finanzierungsmöglichkeiten nachzudenken .Wir wissen, dass wir in diesem Zusammenhang immerwieder auf das Thema Finanzierung zurückkommen undes auch Kooperationen, Partnerschaften – Kirche, Schule, Unternehmen, die dort vor Ort sind – gibt sowie dieFörderung des bürgerschaftlichen Engagements; das istvorhin auch erwähnt worden . Es sind gute Punkte angesprochen worden, wie die Kooperationsmodelle, wiedie Kulturpolitikforschung, um Angebote zu schaffen,die die Kulturakteure auch wirklich nutzen . Es geht hieralso darum, nicht am Menschen vorbei, sondern mit denMenschen aktiv zu werden, und um Förderprogramme,von denen sie profitieren.Die Vereinfachung des Antrags und Vergabesystemsfür die Kulturförderung ist angesprochen worden . Wirhaben gestern im Ausschuss auch die Initiative Kulturund Kreativwirtschaft der Bundesregierung debattiert .Auch sie muss im ländlichen Raum stärker aktiv werden .Wir haben ein Ziel . Unser Ziel ist es, die Kulturschaffenden, die Initiativen vor Ort bestmöglich zu unterstützen, damit diejenigen, die im ländlichen Raum zu Hause sind, auch zukünftig sagen: Bei uns ist die Kultur zuHause .Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .
Das Wort hat die Kollegin Hiltrud Lotze für die SPD
Fraktion .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Gäste auf denBesuchertribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Derländliche Raum, auf den unser Antrag zur Stärkung derKultur abzielt, das sind manchmal auch solche Regionen, in denen im schlechtesten Fall außer dem Schulbusseit Jahren kein Bus mehr fährt, aus denen viele jungeMenschen längst in die nächste Stadt gezogen sind, in diekaum noch jemand zieht, weil das letzte Kino, die letzteKneipe und der letzte Einkaufsladen zugemacht haben .Die Demografie tut ein Übriges, dass sich ganze Landstriche langsam entvölkern .Dass sich manche Landkreise und Regionen trotz dieser Aussicht nicht mit ihrem Schicksal abfinden, das zeigtbeispielhaft der Landkreis LüchowDannenberg in meinem Wahlkreis . LüchowDannenberg war Zonenrandgebiet und an drei Seiten von der DDR eingegrenzt . Heuteleben dort noch 40 Einwohner pro Quadratkilometer . DasWendland und die Region dort haben zu Recht einen guten Ruf unter Naturliebhabern . Es gibt die wunderbareFlusslandschaft Elbe, die einzigartigen Rundlingsdörferund andere schöne Dinge mehr . Aber fehlende Arbeitsplätze, schwache Wirtschaftskraft und schlechte Anbindung bewirken, dass die Menschen eher wegziehen alszuziehen, und die, die dableiben, werden immer älter .Dieser Trend ist dort zwar nicht gestoppt, aber dieMenschen haben den Kampf um ihre Region nicht aufgegeben . Das Wendland punktet mit einer vielfältigenKultur, die auf ehrenamtlicher Basis mit sehr viel Ehrgeizund Kreativität umgesetzt wird . Es würde meine Redezeitdeutlich überschreiten, wenn ich all die tollen Projekteaufzählen würde . Herausragend dort ist die „KulturelleLandpartie“, das größte selbstorganisierte Kulturfestivalin Norddeutschland .
– Genau, ich höre hier schon: Das ist super . Ich habe auchschon einige dort getroffen .Zehntausende Besucher kommen jährlich für zwölfTage ins Wendland, um Kunst und Kultur, Theater, Musik, offene Werkstätten, traditionsreiches Handwerk zuerkunden . Entstanden ist die Kulturelle Landpartie übDagmar G. Wöhrl
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rigens aus dem Atomwiderstand, und dazu gibt es auchvielfältige Angebote . Die Betonung liegt hier auf „selbstorganisiert“, denn das kulturelle Angebot wird von denBürgerinnen und Bürgern vor Ort bestritten .Natürlich – das ist hier mehrfach gesagt worden – darfbürgerschaftliches Engagement nicht die Verantwortungder öffentlichen Hand für Finanzierung und Ermöglichung von Kultur ersetzen . Genau dieses Spannungsfeldlotet unser Antrag hervorragend aus .Das Beispiel Wendland zeigt aber sehr deutlich, dassdie Politik in vielen ländlichen Regionen an tolle Eigeninitiativen anknüpfen kann . Unsere Aufgabe ist es, dieRahmenbedingungen zu schaffen, um das Engagementvor Ort zu unterstützen und anzuerkennen . Wir müssenes den Menschen noch einfacher machen, ihre Ideen vorOrt umzusetzen .Der Antrag zielt genau darauf ab, indem er fordert,bürokratische Hürden abzubauen, Förderdatenbankenübersichtlich zu bündeln und umfassende Beratung zugewährleisten, um die Kulturinitiativen vor Ort zu unterstützen . – Ich bin gleich fertig . – Das Beantragen vonFördergeldern muss vereinfacht werden . Denn oftmalsscheitern Initiativen daran, dass die Antragstellung zuzeitaufwendig und kompliziert ist .Das alles muss verbessert werden; dann kann die Kultur einen Beitrag dazu leisten, dass in den ländlichen Regionen das Licht an bleibt und hell strahlt .Die Kulturelle Landpartie – damit komme ich zumSchluss – findet immer zwischen Himmelfahrt undPfingsten statt. Ich darf alle einladen, einmal daran teilzunehmen . Sie werden begeistert sein .Vielen Dank .
Vielen Dank, Frau Kollegin Lotze . Ehrlich gesagt,
wenn alle so pünktlich wären, was die Redezeit angeht,
dann hätten wir manche Probleme weniger . Das war
wirklich vorbildlich .
Frau Lotze war die letzte Rednerin zu diesem Tages
ordnungspunkt . Damit beenden wir die Aussprache .
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus
ses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Zukunftswei
sende Kulturpolitik im demografischen Wandel – Stär
kung der Kultur im ländlichen Raum“ . Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa
che 18/6167, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD auf Drucksache 18/5091 anzunehmen . Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfeh
lung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen .
Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Katja
Keul, Ulle Schauws, Renate Künast, weiteren Ab
geordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines … Geset-
zes zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Ver-
besserung des Schutzes vor sexueller Misshand-
lung und Vergewaltigung
Drucksache 18/5384
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich sehe kei
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin
Katja Keul, Bündnis 90/Die Grünen .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Mit unserem heutigen Vorschlag zur Reformdes § 177 Strafgesetzbuch zeigen wir einen Weg auf, wieein jahrzehntealtes Problem beim Straftatbestand der sexuellen Nötigung bzw . Vergewaltigung aus dem Weg geräumt werden kann . Bis heute ist ein sexueller Übergriffnur dann strafbar, wenn der Täter das Opfer nötigt, undzwar mit Gewalt oder durch Drohung mit einer Gefahrfür Leib und Leben . In vielen Fällen müssen daher dieVerfahren nicht aus Beweisgründen eingestellt werden,sondern weil der Sachverhalt schlicht nicht strafbar ist .Ich will Ihnen einige Beispiele dafür aus der Praxisnennen . Das sind zunächst die Fälle, in denen der zeitliche Zusammenhang zwischen der Gewalt und der sexuellen Handlung unterbrochen ist . So konnte ein Täternicht wegen Vergewaltigung verurteilt werden, der zuvorden Freund seiner Exfrau in deren Anwesenheit erschoss,diese mit vorgehaltener Pistole zwang, mit ihm zu kommen, und schließlich in einem Hotelzimmer den Sexualverkehr mit ihr durchführte, nachdem er seine Waffeweggelegt hatte .Nicht strafbar sind des Weiteren die sogenanntenÜberraschungsfälle, in denen der Täter keine Nötigungsmittel einsetzen muss, weil das Opfer gar nicht mit einemÜbergriff rechnet, wie in dem Fall eines Aktmodels, dasvom Täter gebeten wurde, sich mit dem Rücken zu ihman die Wand zu stellen . Als dieser dann völlig unvermittelt in das Opfer eindrang, war dieses zu überrascht, umden Angriff abzuwehren .Da sind weiter Fälle, in denen das Opfer aus anderenGründen keinen Widerstand leistet, weil es entweder ausErfahrung weiß, dass der Täter gewalttätig wird, oderweil das Opfer nicht will, dass die Kinder oder die Nachbarn etwas von der Tat mitbekommen .Auch die Einführung der dritten Tatbestandsalternative im Jahr 1997, wonach die Nötigung durch Ausnutzung der schutzlosen Lage strafbar wurde, hat fürdie betreffenden Fälle keine Besserung gebracht . ImHiltrud Lotze
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Zweifelsfall muss das Opfer nach wie vor erklären undbeweisen, warum es nicht weggelaufen ist, warum esnicht geschrien hat, warum es sich nicht gewehrt hat . Diedeutsche Rechtslage entspricht damit nicht der IstanbulKonvention vom Mai 2011, wonach nicht einvernehmlich ausgeübte sexuelle Handlungen unter Strafe gestelltwerden müssen, unabhängig von der Frage der Widerstandsleistung .Wir schlagen Ihnen daher einen neuen § 177 Absatz 2vor, der keine zusätzliche Nötigungshandlung des Täterserfordert, wenn dieser die Arg oder Wehrlosigkeit desOpfers ausnutzt oder der entgegenstehende Wille des Opfers erkennbar zum Ausdruck gebracht worden ist . DieErkennbarkeit des entgegenstehenden Willens ist selbstverständlich im Verfahren zu beweisen, wie dies bisherbei allen Tatbestandsmerkmalen der Fall war . Die Beweislage wird dadurch nicht besser oder schlechter . Sieist bei Sexualdelikten häufig schwierig. Aber das ist keinGrund, die Tat als solche nicht unter Strafe zu stellen .
Es muss den Opfern künftig erspart werden, dass dasVerfahren trotz erwiesenem und erkennbar entgegenstehendem Willen eingestellt werden muss und den Täterndamit noch nachträglich staatlicherseits attestiert wird,dass sie das Recht auf ihrer Seite hatten . Wer erkannthat, dass der andere den Verkehr nicht will, macht sichnach unserem Vorschlag strafbar, wenn er diesen trotzdem durchführt . Unser Gesetzentwurf stellt damit klar:Nein heißt Nein .
Wir haben deshalb auch die sexuelle Nötigung imgeltenden § 240 Absatz 4 nicht nur aus systematischenGründen in § 177 Absatz 1 integriert, sondern auch dorteine weitere Lücke geschlossen . Bei diesem Tatbestandgeht es um die einfache Nötigung mit einem empfindlichen Übel, also nicht um die qualifizierte Nötigung miteiner Gefahr für Leib und Leben . Bislang macht sichdanach nur strafbar, wer zu einer sexuellen Handlungnötigt, nicht aber zur Duldung einer solchen Handlung .So musste ein Handballtrainer freigesprochen werden,der einer Spielerin drohte, sie dürfe nicht bei dem entscheidenden Wettkampf mitspielen, wenn sie den Geschlechtsverkehr nicht dulde . Mit dem von uns vorgeschlagenen § 177 Absatz 1 ist die sexuelle Nötigung nunin beiden Varianten erfasst .Seit Juli wissen wir, dass auch das Bundesjustizministerium einen Vorschlag zur Behebung der dargelegtenProbleme erarbeitet hat . Leider hatten Sie dabei nicht denMut, § 177 selbst zu reformieren, sondern haben stattdessen lediglich an § 179, dem sexuellen Missbrauch widerstandsunfähiger Personen, Änderungen vorgenommen .Dieser Tatbestand ist allerdings schon in seiner bisherigen Form missglückt, da er unter anderem eine Sonderregel für Behinderte und damit eine Diskriminierung enthält . Dieser Sondertatbestand ist nicht reformierbar . Ergehört schlicht gestrichen .
Nach unserem Vorschlag sind alle Personen – aus welchen Gründen auch immer sie keinen Widerstand leisten – vom neuen § 179 Absatz 2 geschützt . Da braucht eskeinen gesonderten Tatbestand mehr .
Außerdem sieht Ihr Entwurf noch immer vor, dass dasOpfer im Falle des Widerstands ein empfindliches Übelbefürchten muss . Ein offensichtlich entgegenstehenderWille des Opfers ist nach Ihrem Entwurf kein strafbewehrtes Hindernis, den Verkehr trotzdem zu vollziehen .Das genügt weder uns noch den Anforderungen der IstanbulKonvention .
Immerhin haben Sie den Handlungsbedarf anerkannt .Was uns wirklich irritiert hat, war der Bericht in der tazvom 9 . September, wonach das Kanzleramt die Reformdes Vergewaltigungstatbestandes vorerst gestoppt hat .Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass Vertreterdes Kanzleramtes in der Expertenanhörung am 13 . Oktober 2014 anwesend waren . Dort wäre die Gelegenheitgewesen, sich von der Unzulänglichkeit des deutschenStrafrechts zu überzeugen .
Bis auf Herrn Fischer – ihn lassen wir einmal außenvor – waren sich die Fachleute weitgehend einig undhaben die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen überzeugen können . Der Kollege Wiese von derSPD wurde damit zitiert, dass ihn die Blockadehaltungdes Kanzleramtes völlig unverständlich sei . Die KolleginWinkelmeierBecker hat zu Recht darauf hingewiesen,dass die Fraktionen den Entwurf schließlich auch ohneZustimmung des Kanzleramtes in den Bundestag einbringen können .
Frau Kollegin, denken Sie an die Zeit .
Ich komme zum Ende . – Das wäre sicherlich das Besteim Sinne der Opfer sexueller Misshandlung . Wir sind unsjedenfalls einig, was den Regelungsbedarf betrifft, auchwenn wir unterschiedliche Vorschläge gemacht haben .
Ich hoffe, dass ich Sie von den Vorzügen unseres Entwurfs überzeugen konnte, und freue mich auf eine konstruktive Auseinandersetzung über die beste Lösung –mit oder ohne Kanzleramt .Vielen Dank .
Katja Keul
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Vielen Dank . – Nächster Redner ist Alexander
Hoffmann, CDU/CSUFraktion .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen undHerren auf den Besuchertribünen! Ich gebe zu, dass esbisweilen für Sie als Besucher schwierig ist, rechtspolitischen Debatten hier zu folgen . Sie gelten bisweilen alslangweilig . Aber wir haben heute ein Thema, das aus demLeben gegriffen ist, glaube ich, im wahrsten Sinne desWortes griffig, an mancher Stelle sicher schwere Kost.Ich will Sie ein bisschen durch das Thema führen . Umwas geht es? In Deutschland sind sexuelle Handlungennur gegen den Willen des Opfers per se nicht strafbar .Das Problem verorten wir in § 177 StGB . – Liebe Kollegin Keul, ich bin sehr dankbar, dass Sie unmissverständlich klargemacht haben, dass wir alle Handlungsbedarfdort sehen . – Das führt in der Praxis bisweilen zu komisch anmutenden Fällen; Sie hatten einige geschildert .Meine Damen, meine Herren, stellen Sie sich vor:Eine Frau ist mit einem Trinker verheiratet . Der kommteines Abends sturzbetrunken aus der Kneipe nach Hause,will den Beischlaf mit ihr vollziehen . Sie will das nicht,weist mehrmals darauf hin . Es kommt am Schluss dochdazu, weil sie sich fügt, weinend und verkrampft, weilsie Angst hat, dass die Kinder im Nachbarzimmer etwasmitbekommen, dass die Nachbarn etwas mitbekommenoder dass er wieder übergriffig wird, wie das schon einmal der Fall gewesen ist . – Dieser Fall – das muss mansich einmal vorstellen – ist nicht strafbar, selbst wenn derMann am nächsten Tag in die Kneipe geht und sich mitdieser Tat brüstet .Ein anderer Fall ist der von dem Model, den Sie vorhin angesprochen haben, wo das paralysierte Mädchenso überrumpelt ist, dass es zu keiner Gegenwehr kommt .Das Problem ist die Formulierung von § 177 StGB,der im Moment drei Alternativen vorsieht: Die sexuelle Handlung muss entweder mit Gewalt vorgenommenworden sein oder durch eine Drohung mit gegenwärtigerGefahr für Leib oder Leben oder unter Ausnutzung einerLage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist . Dabei hat der Gesetzgeber 1997 diesedritte Alternative ins StGB aufgenommen, weil er geradeFälle erfassen wollte, in denen das Opfer keine Schutzund keine Verteidigungsmöglichkeiten hat .Die obergerichtliche Rechtsprechung hat diese Alternative aber immer in einem Kontext gesehen, nämlichdass es eine enge Verbindung zur Nötigung geben muss,und hat sehr hohe, restriktive Anforderungen gestellt,weil auch das Strafmaß verhältnismäßig hoch ist . Deswegen fordert der BGH wie bei § 240 StGB – Nötigung –nicht nur die bloße Willensmissachtung; es muss vor demNötigungserfolg noch eine Nötigungskomponente, undzwar eine objektive Nötigungskomponente, eine objektive Zwangslage vorliegen .§ 177 Absatz 1 Nummer 3 ist also dahin gehend strengauszulegen, dass objektiv gesehen keine Schutz, Fluchtoder Hilfsmöglichkeiten für das Opfer vorhanden seindürfen . Bei dieser objektiven Betrachtung ist die Sichtdes Opfers nicht entscheidend . Es genügt auch das bloßeAlleinsein nicht, und ebenso reicht es nicht aus, wennnur das Opfer das Gefühl hat: Ich befinde mich in einerhilflosen Lage. – Deswegen sind die geschilderten Fälleaktuell straflos.Hinzu kommt – Sie haben es gesagt –, dass wir aufeuropäischer Ebene dringenden Handlungsbedarf angezeigt bekommen haben . Deutschland hat die IstanbulKonvention unterzeichnet . Das ist ein europäisches Regelwerk . Darin ist in Artikel 36 Absatz 1 vereinbart, dassdie Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass jedwedesexuelle Handlung gegen den Willen des Opfers in ihremHoheitsgebiet unter Strafe gestellt wird . Es gibt Frauenverbände, die uns auf den Handlungsbedarf hingewiesenhaben; auch der Deutsche Juristinnenbund hat das getan .Ich bin sehr froh, dass die CDU/CSUBundestagsfraktion im Frühsommer des letzten Jahres sehr früh ganzklar Position bezogen und Handlungsbedarf signalisierthat . Wir waren damals schon der Meinung: Ein Nein istein Nein, und wenn der Täter dieses Nein positiv kenntoder es auch nur billigend in Kauf nimmt, ist es einestrafwürdige Handlung .
Das Ministerium – ich denke, das darf man an dieserStelle sagen – war zunächst etwas zögerlich . In einemReferentenentwurf vom 7 . April des letzten Jahres wurdenoch kein Handlungsbedarf gesehen . Es kam aber dannsehr schnell – auch durch die fruchtbare öffentliche Debatte – Bewegung rein . Zunächst wurde bekundet: Wirwollen das prüfen . – Am Schluss wurde nach einer Länderabfrage sehr deutlich gemacht: Wir müssen dort etwas verändern . – Das Ergebnis ist jetzt ein Entwurf, dernoch nicht im offiziellen Verfahren ist. Er befindet sichin der Ressortabstimmung . Da sage ich: Meine Damen,meine Herren, das ist doch eine Entwicklung, mit der wirgerechnet haben . Wir haben doch gewusst, wir kommenirgendwann an einen Punkt, an dem es um einzelne Formulierungen geht, an dem es um Fragen geht wie: Wiewerden wir einzelne Dinge nachweisen können? Wiepraxistauglich ist eine Formulierung? Der Entwurf hatnämlich meines Erachtens die positive Seite: Er versuchtsehr umfassend, Schutzlücken zu schließen . Aber er lotet damit natürlich auch Grenzen aus, weil er die Grenzeziehen muss zwischen dem, was strafbar ist, und dem,was vielleicht nur moralisch zu missbilligen ist . Ich willIhnen dazu zwei Fälle nennen .Es muss zweifelsohne strafbar sein, wenn ein Chefoder eine Chefin sexuelle Handlungen einfordert undnur bei dieser Gegenleistung eine Beförderung anbietet .Aber es ist vielleicht nur moralisch zu missbilligen, wenneine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter mit dem oder derVorgesetzten eine sexuelle Beziehung aufbaut in derHoffnung, dass sich das vielleicht später einmal positivauf die Karriere auswirkt . Der Unterschied ist, dass im
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zweiten Fall kalkuliert und frei ein Wille gebildet werdenkonnte .Deswegen ist es, denke ich, ganz wichtig, dass jetztgerade in der Ressortabstimmung noch einmal ganztrennscharf geschaut wird: Wie ist das im Einzelfall zudiskutieren und zu formulieren? Denn wir alle sind unsdoch darüber im Klaren: Strafrecht ist Ultima Ratio . Esist niemandem gedient, wenn am Schluss ein Entwurf aufdem Tisch liegt, der unter Umständen sozial adäquatesVerhalten unter Strafe stellt . Es ist ein Ringen um Formulierungen . Das braucht Zeit . Da gebe ich zu, dass Ihr Formulierungsvorschlag in diesem Prozess durchaus einensinnvollen Beitrag leistet . Sie haben eine Formulierungaufgegriffen, die auch schon in der Anhörung zur Sprache kam, nämlich eine Strafbarkeit dann zu etablieren,wenn der Täter das Opfer durch eine Drohung mit einemempfindlichen Übel zu sexuellen Handlungen nötigt,wenn der Täter die Arg oder Wehrlosigkeit des Opfersausnutzt, wodurch auch die Fälle des schlafenden Opferserfasst wären, oder wenn der entgegenstehende Wille desOpfers eindeutig zum Ausdruck kommt .Aber der Teufel liegt natürlich im Detail . Auch dieser Entwurf begegnet am Ende denselben Schwierigkeiten wie im Moment der Referentenentwurf . Denn dieKunst wird natürlich dann in der Praxis sein, diesen entgegenstehenden Willen auch tatsächlich nachweisen zukönnen . Ich persönlich würde ohnehin empfehlen, nicht§ 177 zu ändern, sondern eher § 179 zu reformieren, weil§ 177 historisch immer an der Nötigung orientiert warund wir natürlich auch dem Umstand vorbeugen müssen,dass uns später wieder eine obergerichtliche Rechtsprechung einholt .Ein weiterer Aspekt, der mir in diesem Zusammenhang wichtig ist, ist, dass ich schon glaube, dass es einenUnterschied machen muss, ob der Täter eine vorgefundene Situation ausnutzt oder ob er mit eigenen Maßnahmeneine Situation erzeugt, um den entgegenstehenden Willenzu beugen . Das ist ein Unterschied im Unrechtsgehalt,und das muss sich am Schluss auch in unterschiedlichemStrafrahmen auswirken .Ein letzter Punkt, der mir noch wichtig ist: Wenn wirdarangehen und sagen: „Wir wollen umfassend Lückenschließen“, dann sollten wir uns auch Artikel 46 der IstanbulKonvention vornehmen . Dieser sieht nämlich vor,dass sich die Mitgliedstaaten Gedanken darüber machenmüssen, ob es sich nicht sogar strafschärfend auswirkenmuss, wenn die Tat an einer Person begangen wird, dieaus besonderen Gründen schutzbedürftig geworden ist .Da denke ich vor allem an Menschen mit Behinderung .Im Moment haben wir die Situation, dass in § 179 dieMindeststrafe sogar niedriger ist, wir also eher über eineDiskriminierung nachdenken müssen . Wir sollten daszum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, ob sichdie sexuelle Misshandlung oder die Vergewaltigung voneinem Menschen mit Behinderung nicht sogar strafschärfend auswirken muss .
Ich freue mich auf die weitere Beratung . Wir werdennoch viel über dieses Thema diskutieren, aber ich denke,sehr sachorientiert .Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
Vielen Dank, Herr Kollege . – Nächste Rednerin ist
Halina Wawzyniak, Fraktion Die Linke .
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnenund Kollegen! Der Gesetzentwurf von Bündnis 90/DieGrünen weist zu Recht darauf hin – das haben schon allegesagt –, dass die derzeitige Regelung zum Schutz vorsexueller Misshandlung und Vergewaltigung nicht ausreichend ist . Ich gebe persönlich zu: Ich habe das in derletzten Legislaturperiode noch nicht so gesehen . Michhat die Anhörung zur IstanbulKonvention davon überzeugt, dass eine neue gesetzliche Regelung notwendigist . Manchmal bringen Anhörungen tatsächlich etwas .Die Schutzlücke liegt meines Erachtens darin, dassder bisherige § 177 StGB, auch wenn er anders gedachtwar, insbesondere mit der Formulierung in Absatz 1Nummer 3 „Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer derEinwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist“ immernoch eine Nötigung voraussetzt . Eine Nötigung liegt vor,wenn einer natürlichen Person ein bestimmtes Verhalten aufgezwungen werden soll und das Nötigungsmittelauf Willensbeugung oder Ausschaltung des Willens gerichtet ist, und das durch Anwendung unwiderstehlichenZwangs, namentlich durch Gewalt oder Drohung miteinem empfindlichen Übel. Das ist das Grundproblem indiesem Paragrafen . Das verhindert, dass der Grundsatz„Ein Nein ist ein Nein“, den alle verankern wollen, auchtatsächlich umgesetzt werden kann . Der Gesetzgebersollte sehr deutlich formulieren, dass ein Nein ein Neinund zu akzeptieren ist . Punkt . Aus . Ende der Debatte . –Ein Nein ist ein Nein .
Bündnis 90/Die Grünen haben nun einen Versuchunternommen, eine Neuregelung vorzuschlagen. Ich finde das ausgesprochen verdienstvoll. Ich finde vor allenDingen verdienstvoll, dass mit dem Absatz 2 der Versuchunternommen wird, von der „Nötigung“ Abstand zu nehmen . Trotzdem überzeugt mich das nicht ganz, weil indem Gesetzentwurf insbesondere das Verhältnis von Absatz 4 zu Absatz 5 für mich nicht ganz eindeutig ist . InAbsatz 4 wird auf Gewalt oder Drohung abgestellt; da istdie Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr . Das ist okay .Der Absatz 5 wiederum lässt aufgrund seiner Formulierung und der Begründung offen, ob für einen besondersschweren Fall Gewalt oder Drohung mit einem Übelerforderlich sind oder nicht . Das können wir vielleichtnoch klären .Alexander Hoffmann
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Mein Grundeinwand bezieht sich auf den mir nochnicht offiziell bekannten Änderungsvorschlag zum§ 179 . Aus meiner Sicht können wir es weder mit einerisolierten Lösung in § 177 noch mit einer in § 179 hinbekommen, den Schutz der sexuellen Selbstbestimmungumfassend zu gewährleisten . Um das umfassend zu regeln, müssen wir das gesamte Sexualstrafrecht reformieren, und zwar unter zwei Prämissen:Erstens . Eine Strafbewehrung nicht einvernehmlichersexueller Handlungen verlangt eine klare Willensbekundung, mit der sexuellen Handlung nicht einverstanden zusein . Wie diese klare Willensbekundung aussehen kann,sage ich gleich .Zweitens . Der Grundsatz „in dubio pro reo“ – dasmüssen wir in dieser Debatte auch immer wieder sagen –ist unverhandelbar . Erst in einem Strafverfahren kann geklärt werden, ob jemand ein Straftäter ist oder nicht . Damüssen entlastende und belastende Beweise gesammeltwerden .Wir müssen deutlich machen – ich glaube, das gehört zur Ehrlichkeit dazu –: Ja, wir wollen die gesetzliche Klarstellung „ein Nein ist ein Nein“ . Aber wirmüssen auch vor der Illusion warnen, dass es zu mehrVerurteilungen kommt und dass es einfacher wird . Dashat zwar in dieser Debatte keiner gesagt; das sage ichsehr deutlich . Aber manche Reden werden später nocheinmal nachgelesen . Deswegen will ich auf diesen Fakthinweisen .Aus meiner Sicht – dieser Punkt ist bei uns aber nochumstritten; da müssen wir uns mit den Rechtspolitikernaus den Ländern noch unterhalten – wäre es denkbar,einen Grundtatbestand zu formulieren, der beinhaltet,dass ein Nein ein Nein bedeutet und dass gegen den erklärten Willen einer anderen Person keine sexuellenHandlungen vorgenommen werden dürfen . Der erklärteWille kann sowohl ein ausgesprochenes Nein als aucheine Abwehrhandlung sein .In der Folge müsste aus unserer Sicht das Sexualstrafrecht umgestellt werden; ich habe das schon angedeutet .Wenn man einen solchen Grundtatbestand formuliert,dann kann man sich überlegen, ob der Qualifikationstatbestand entweder vorangestellt oder hintangestellt wird .Man muss dann überlegen, wo man Missbrauchstatbestände einsortiert, bei denen aus verschiedenen Gründen,wie zum Beispiel Abhängigkeitsverhältnis, davon ausgegangen werden kann, dass kein freier Wille gebildetwerden kann .Ich finde, die berechtigte Kritik zum § 179 StGB, diegenannt worden ist, spricht dafür, dass man sich nocheinmal umfassender anschauen sollte, ob es nicht sinnvoll ist, einen Grundtatbestand des Verbots des sexuellenMissbrauchs zu formulieren, ob man die Missbrauchstatbestände nicht an anderer Stelle behandelt und über Qualifikationstatbestände nachdenkt. Deswegen würden wirgerne das Ergebnis der Expertenkommission, die beimBundesministerium für Verbraucherschutz eingerichtetist, zur Reformierung des Sexualstrafrechtes abwartenund dann handeln . Dass gehandelt werden soll, ist, glaube ich, unstreitig .
Vielen Dank . – Für die SPDFraktion erhält jetzt Dirk
Wiese das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Die Reform der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung ist eines der wichtigsten Reformvorhaben im Rechtsbereich, die noch vor uns liegen . Es gilt,Regelungslücken im Strafrecht zu schließen und durcheine klare Normsetzung die Anzahl der Fehlurteile zusenken . Deshalb muss hier sauber und ganz genau gearbeitet werden . Ich erinnere mich hier an die 33 . Strafrechtsreform im Jahr 1997, bei der das leider nicht sogewesen ist; denn sie hat zu einigen Regelungslückengeführt, die wir heute zu beheben versuchen .Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ichim Folgenden auf den Gesetzentwurf der Grünen eingehen . Im Detail ist er aus meiner Sicht an der einen oderanderen Stelle handwerklich nicht gelungen . Sie schaffenes aus meiner Sicht in Ihrem Gesetzentwurf, nicht nurRegelungslücken nicht zu schließen, sondern durch unbestimmte Rechtsbegriffe neue Regelungslücken zu etablieren . So ist in § 177 Absatz 2 Ihres Gesetzentwurfeseine Tatbegehungsvariante, dass der Täter die Arg oderWehrlosigkeit des Opfers ausnutzt . Ihr erklärtes Ziel istes, die überraschende Tatbegehung zu bestrafen, wiees von Frau Keul geschildert wurde und wie es in derGesetzesbegründung als Beispielfall steht, in dem dasOpfer sich mit gespreizten Beinen mit dem Rücken zumTäter stellt, um sich zeichnen zu lassen, der Täter sichanschleicht und überraschend den Geschlechtsverkehrausführt . Hier soll sich nach Ihrem Gesetzentwurf derTäter strafbar machen, weil er die Arglosigkeit des Opfers ausnutzt .
Wenn Sie aber die Rechtsprechung zur Arg oderWehrlosigkeit vergleichen, möchte ich bezweifeln, obdiese Fallkonstellation von Ihrem Gesetzentwurf abgedeckt ist .
Zumindest bietet sie aber den Raum für breite Auslegungsdebatten . Das ist das, was Sie angeblich mit IhremGesetzentwurf nicht wollen .Ferner finde ich es höchst fraglich, wie Sie in IhremGesetzentwurf den Schutz für widerstandsunfähige Personen auflockern, indem sie den § 179 StGB streichenund mögliche Opfergruppen unter dem Tatbestandsmerkmal „wehrlos“ subsumieren . Gerade Menschen mit geistiger Erkrankung oder Behinderung sind oftmals nichtHalina Wawzyniak
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körperlich wehrlos und fallen deshalb nach Ihrer Definition möglicherweise aus dem Raster . Hier müssen wirsehr genau hinschauen . Der Kollege Hoffmann hat schondarauf hingewiesen .
Es gibt noch weitere Kritikpunkte, auf die ich ausZeitgründen leider nicht komplett eingehen kann . Nurso viel: Gerade bei schwerwiegenden Taten, die Opfermitunter für ein ganzes Leben traumatisieren, muss derGesetzgeber den höchstmöglichen Schutz gewähren unddarf keinen breiten Raum für Rechtsinterpretationen lassen, wie es in Ihrem Gesetzentwurf an der einen oder anderen Stelle noch der Fall ist . Es bedarf aus meiner Sichteiner Reform mit Augenmaß . Es bedarf eines Entwurfs,wie ihn Bundesjustizminister Heiko Maas vorgelegt hat,der in solider Vorarbeit und auch ordentlich bis ins Detailgut vorbereitet wurde . So hat Bundesminister Maas dieLänder im September 2014 aufgefordert,
dem Ministerium mitzuteilen, ob Fallkonstellationen ausder Praxis bei Anwendung von § 177 StGB bekannt seien, die Rechtslücken nahelegen, um verlässliche Fallzahlen zu bekommen . Die Rückmeldung aus der Praxis offenbarte vor allem vier problematische Konstellationen .Erstens – das habe ich bereits beschrieben – den Umstand, dass Fälle, in denen der Täter den Überraschungsmoment ausnutzt, wegen des Erfordernisses der Nötigung überhaupt nicht nach § 177 StGB strafrechtlicherfasst sind .Zweitens das Erfordernis des § 177 Absatz 1 Nummer 3 StGB an einer schutzlosen Lage . Hier reicht nachaktueller Rechtsprechung nicht das Ausnutzen einer lediglich subjektiven schutzlosen Lage durch den Täter .Das Opfer muss sich objektiv in einer schutzlosen Lagebefinden. In der Praxis führte dies in vielen Fällen zueinem Tatbestandausschluss, in dem das Opfer sich nursubjektiv in schutzloser Lage wähnte .Drittens die Furcht vor Beeinträchtigung, die keineKörperverletzungs oder Tötungsdelikte darstellen, alsoin Fällen, in denen der Täter zwar weiß oder zumindestbilligend in Kauf nimmt, dass das Opfer lediglich wegendes Vorliegens besonderer Umstände keine Gegenwehrleistet, etwa wenn der Sporttrainer droht, eine Spielerinbeim Endspiel nicht aufzustellen .Viertens die mangelnde Finalität zwischen Gewaltoder Drohung und der sexuellen Handlung . Als Beispielsei hier der Fall genannt, in dem der Täter Gewalt ausübt,indem er das Opfer in einem umschlossenen Raum einschließt, das Abschließen jedoch nicht der Ermöglichungder sexuellen Handlung, sondern nur dem Zwecke dient,ungestört zu sein .Dieser und anderer Fallkonstellationen hat sich dasBMJV angenommen, und es hat aus meiner Sicht einenguten und fundierten Gesetzentwurf vorgelegt, der bestehende Regelungslücken in Kürze schließen wird .
– Frau Künast,
Sie müssen uns nachsehen, dass wir an der Stelle versuchen, einen vernünftigen Gesetzentwurf vorzulegen .Unser Ziel ist es nicht, vor Beginn einer Sitzungswocheam Samstag in den Spiegel zu kommen und zitiert zuwerden .
– Wir freuen uns, dass Sie verspätet zur Debatte gekommen sind .
Die SPD schreibt aus meiner Sicht Opferschutz groß .Um es mit den Worten von Bundesjustizminister HeikoMaas zu sagen:Vorfahrt für Opferschutz: Keine Vergewaltigungdarf straflos bleiben.Zuletzt möchte ich aber doch noch ein paar Worte anunseren Koalitionspartner richten . Ich freue mich sehr,dass die CDU/CSUFraktion – das ist gerade deutlich geworden – den Gesetzentwurf unterstützt .
Ich hoffe allerdings auch – Frau WinkelmeierBecker, ichnehme Sie da beim Wort –, dass Sie zügig dafür sorgenwerden, dass das Bundeskanzleramt die Blockade aufgibt .
Der Kollege Hoffmann hat gerade gesagt, dass er an dereinen oder anderen Stelle im Detail ein paar Bedenkenhat . Ich hoffe, das können Sie beide aber intern klären .Denn Sie haben gesagt, dass der Entwurf schon beratungsfähig ist . Insofern hoffe ich, dass wir ihn schnellstmöglich auf den Weg bringen, dass das Bundeskanzleramt die Blockade aufgibt und wir dann hier über einenDirk Wiese
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guten und gelungenen Gesetzentwurf des BMJV diskutieren können .
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .
Vielen Dank . – Frau Kollegin Künast, können wir uns
jetzt darauf einigen, dass jetzt vor allen Dingen die Kol
legin Sylvia Pantel für die CDU/CSUFraktion das Wort
hat?
Bitte schön .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eswäre für mich als Nichtjuristin jetzt etwas schwierig, aufdiese fachlichen Dispute einzugehen . Ich werde es garnicht erst versuchen .Die Regeln des Strafgesetzbuches sind nicht bloßeStrafandrohungen, sondern sie versprechen Schutz: dasGefühl für jeden von uns, dass uns schon niemand das,was verboten ist, antun wird, Schutz vor Gewalt, Schutzvor Übergriffen, Schutz, den uns der Staat dadurch gewährt, dass er diejenigen bestraft, die unsere Rechte verletzen . Die Strafandrohung des Gesetzes dient also derAbschreckung . Der 13 . Abschnitt des Strafgesetzbuches,um den es hier heute im Wesentlichen geht, trägt dieÜberschrift „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ . Ich glaube, hier ist niemand im Raum, der nichtauch die Meinung vertritt, dass ein Nein ein Nein ist; dasind wir alle uns völlig einig .
2014 wurden laut Polizeilicher Kriminalstatistik inDeutschland 12 537 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung unter Gewaltanwendung oder Ausnutzungeines Abhängigkeitsverhältnisses erfasst . Das Sexualstrafrecht wurde in den vergangenen Jahrzehnten erfreulicherweise immer mehr in Richtung Selbstbestimmungder Frau geändert . „Mein Körper gehört mir!“ – schonvor fast zwanzig Jahren engagierte ich mich in Düsseldorf für ein gleichnamiges Projekt an Schulen, für dieFrauenhäuser und für Angebote, die Frauen vor Gewaltschützen . Daher kenne ich zu viele Schilderungen vonGewalterfahrungen aus direkter Erzählung .Die Normen zur Bestrafung von sexueller Nötigungund Vergewaltigung setzen bei ebenjener Selbstbestimmung über den eigenen Körper an . Der Grundgedankehinter § 177 ff . StGB, auf die sich dieser Antrag hierheute bezieht, war Schutz – Schutz davor, gegen deneigenen Willen mit einem anderen Menschen Sex habenzu müssen oder sexuell genötigt zu werden . In der Wirklichkeit ist das aber oft schwer nachzuweisen . Damit einVergewaltiger auch als solcher bestraft wird, muss sichdas Opfer deutlich sichtbar und körperlich gegen die Vergewaltigung gewehrt haben . Lässt das Opfer die Tat übersich ergehen, weil Schlimmeres befürchtet wird, kann esdurchaus sein, dass keine Vergewaltigung im tatbestandlichen Sinne vorliegt . Das Gesetz sorgt also auf den ersten Blick dafür, dass nicht all das bestraft wird, was wirunter Strafe stellen wollen . Dabei ist eben genau das dieAufgabe des Rechts .Das Recht muss jedem von uns genau und eindeutigaufzeigen, wo die Grenze zwischen legal und illegal verläuft . Ein Gesetz muss eindeutig sein, sagen, was erlaubtund was verboten ist . Mit Artikel 36 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfungvon Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, genannt IstanbulKonvention, haben wir uns als Vertragsstaat dazu verpflichtet, jede Form des nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs unter Strafe zu stellen .Aber was genau ist denn nun einvernehmlicher Geschlechtsverkehr? Das klingt zunächst einfach und offensichtlich . Wir alle haben auf die eine oder andere Weiseein Bild von zwei aufgeklärten Menschen im Kopf, diesich einig sind, dass sie miteinander schlafen wollen . Wirgehen also bisher grundsätzlich davon aus, dass zweiMenschen, die miteinander Sex haben, dies einvernehmlich tun .Die bisherige Regelung nahm an, dass einer der beiden deutlich und eindeutig gezeigt haben musste, keinenSex haben zu wollen, damit es strafrechtlich betrachteteine Vergewaltigung war . In der extremsten Ausprägungder Veränderung könnte dieses Prinzip nun umgedrehtwerden: Geschlechtsverkehr wäre so lange ein Verbrechen, wie nicht beide Seiten offensichtlich und eindeutig bekundet haben, dass sie Sex haben wollen . Wie alsosollte diese Bekundung aussehen?An amerikanischen Universitäten betreibt das „Affirmative Consent Project“ eine Kampagne, bei der Studenten neben einem Kondom und wichtigen Aufklärungshinweisen auch einen Vertragsvordruck bekommen, aufdem sie beide schriftlich bestätigen, im Anschluss an dieUnterschrift miteinander Geschlechtsverkehr haben zuwollen . Was aber würden wir machen, wenn einer Fraunach der Unterschrift unter die Einwilligung Gewalt angetan würde? Das heißt: Wenn man unterschrieben hat,könnte danach gemacht werden, was man wollte, auchwenn die Frau Nein sagt? – Hätten wir da nicht ein nochgrößeres Beweisproblem? Die Beweislage ist extremschwierig . Deshalb lassen wir uns mit dem Gesetz nochein bisschen Zeit, bevor wir irgendetwas machen, washinterher nicht klar und eindeutig ist .Es wird für die Juristen eine große Herausforderungsein, gesetzliche Regelungen zu schaffen, die die sexuelDirk Wiese
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le Selbstbestimmung der Menschen schützen und gleichzeitig auch noch lebensnah sind . Immer einen schriftlichen Sexvertrag auszufüllen, mit dieser Idee würdenwir nicht einmal bei meinem Berichterstatterthema, demProstituiertenschutzgesetz, ernst genommen werden .
In der Praxis ist an solche Maßnahmen kaum zu denken .Als Gesetzgeber wollen wir ja auch vermeiden, dassdie Anzeige wegen sexueller Nötigung leichtfertig undunbegründet als Mittel genommen wird, um eventuelleinem ehemaligen Partner zu schaden .Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einen anderenPunkt anbringen . Das Strafbedürfnis des Staates und dieGenugtuung des Opfers, wenn der Täter hinter Gitternlandet, sind nur die eine Seite der Medaille . Es mussauch mehr für die Opfer selbst getan werden . HäuslicheGewalt ist oft ein erster Schritt auf dem Weg zur Vergewaltigung in den eigenen vier Wänden . Wenn wir alsGesellschaft besser hinhören und hinschauen, wenn wiraufpassen, wo Gewalt gegen Frauen passiert, und einschreiten, dann können wir eventuell Vergewaltigungenverhindern . Das Hilfetelefon bietet von Gewalt betroffenen Frauen eine niederschwellige Anlaufstelle . Frauenhäuser, Beratungsstellen und psychologische Betreuungsind neben Polizei und Staatsanwaltschaft wichtige Aspekte beim Opferschutz .
Mit einer gesetzlichen Neuregelung des Sexualstrafrechts müssen wir zeigen, dass Vergewaltiger hart bestraft werden . Umgekehrt darf das Gesetz keine Anreizefür Missbrauch und falsche Verdächtigungen setzen . DieKoalitionsfraktionen legen daher Wert darauf, eine gute,ausgewogene und lebensnahe Reform der Strafverfolgung von sexueller Nötigung vorzulegen .Im Ziel sind wir uns alle einig: Bei dieser Reformmuss Lebensnähe vor Wortklauberei stehen, es mussQualität vor Geschwindigkeit stehen . Wir sind der Ansicht, der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf ist nochnicht ausgereift genug . Ich hoffe, dass wir alle miteinander am Ende der Beratungen einen wirklich guten Gesetzentwurf verabschieden können .Herzlichen Dank .
Herzlichen Dank . – Als letzte Rednerin zu diesem
Tagesordnungspunkt spricht jetzt Christina Jantz, SPD
Fraktion .
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste auf den Besuchertribünen!Die fleißigen Krimizuschauer unter uns werden sichvielleicht erinnern: Kopfgeld, das war der zweite TilSchweigerTatort im Frühjahr dieses Jahres, und er hatgenau diese Problematik angesprochen . Im Kern ginges um eine angesehene Staatsanwältin, die vergewaltigtwird und sich anschließend nicht traut, Anzeige zu erstatten . Ihr Grund, verkürzt dargestellt: Das Opfer, also sieselber, könnte im späteren Verfahren der Lüge bezichtigtwerden .Nach der Ausstrahlung wandte sich die stellvertretende Frauenbeauftragte von der HumboldtUniversität Berlin natürlich auch an die TatortRedaktion und hinterfragte die Motive; denn schließlich erzeuge auch ein solchesSzenario den Eindruck, dass Frauen keine Chance hätten,gegen ihren Vergewaltiger vorzugehen . Zu Recht wurdedadurch eine medial intensiv begleitete Debatte über eineanzustrebende Reform des Strafgesetzbuches ausgelöst .Das Thema wurde noch einmal öffentlich gemacht – unddas ist auch gut so, auch vor dem Hintergrund, dass dieZahl der bei der Polizei angezeigten Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung im Jahre 2014 gestiegen ist .Als Gesetzgeber haben wir bereits einige Änderungenim Bereich der sexuellen Nötigung und Vergewaltigungvorgenommen, um Opfer besser zu schützen, aber auch,um die Täter adäquat verurteilen zu können . Seit Januar 2002 werden auch Fälle der sexuellen Nötigung innerhalb der Ehe erfasst . Bereits vor fast 20 Jahren wolltedieses Haus die Strafbarkeitslücken schließen . In derPraxis hatten sich nämlich Fälle gezeigt, in denen dasOpfer dem körperlich überlegenen Täter ausgeliefert warund angesichts seiner hilflosen Lage eine Verteidigungfür sinnlos hielt . In der Rechtsprechung hat sich also dieAusgestaltung der gesamten Vorschrift, insbesondere desreformierten § 177 Absatz 1 Nummer 3 StGB, als zu engerwiesen .Neben der zuvor genannten Lücke werden aus meinerSicht auch weitere als strafwürdig angesehene Handlungen von den Straftatbeständen zum Schutz der sexuellenSelbstbestimmung nicht oder nur unzureichend erfasst,so etwa, wenn das Opfer aufgrund der überraschendenHandlung des Täters keinen Widerstand leisten kann –die Beispiele sind schon genannt worden – oder wenndas Opfer nur aus Furcht keinen Widerstand leistet . Wirals SPDBundestagsfraktion treten daher schon seit langer Zeit für eine Stärkung des Opferschutzes ein und diskutieren dies nicht erst seit der bereits angesprochenenIstanbulKonvention .
Beispielsweise leisten auch Terre des Femmes oder OneBillion Rising auf diesem Gebiet eine wertvolle Arbeit .Der nun von Ihnen eingebrachte Gesetzentwurf, liebeGrünen, greift ein wichtiges Thema auf; da sind wir unsalle einig . Bei den erforderlichen Änderungen kommt esaus meiner Sicht allerdings darauf an, rechtlich sauberzu arbeiten . Eine Streichung des § 179 StGB erachte ichhier als nicht zielführend; vielmehr sollte dieser eherSylvia Pantel
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noch breiter ausgestaltet und um weitere Straftatbeständeerweitert werden .
So hatte es auch der Sachverständige Professor Dr . JörgEisele in der Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses im Januar 2015 aufgezeigt .
Es freut mich daher sehr, dass unser Bundesjustizminister Heiko Maas einen eigenen Entwurf vorgelegt hat,der die aus meiner Sicht bestehenden Lücken auch tatsächlich schließt .
Dieser Gesetzentwurf ist maßvoll und vernünftig . Ichgehe davon aus, dass der Entwurf nunmehr auch zeitnahweitergeleitet wird, liebes Bundeskanzleramt .Darüber hinausgehende, immer wieder geforderteÄnderungen, insbesondere die Forderung, dass die Strafbarkeit allein an das Fehlen eines Einverständnisses zursexuellen Handlung anzuknüpfen ist, müssten sehr gutabgewogen werden . Ich teile hier die bislang geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken, weil zum BeispielFormulierungen, die neben der sexuellen Handlung nurdie Worte „ohne Einverständnis“ enthielten, eine Abweichung von der Unschuldsvermutung erwirken könnten .Dies könnte zu einer Angreifbarkeit der Regelung führen, was sicherlich nicht in unser aller Interesse wäre .Zusammenfassend möchte ich betonen, dass ich denGedanken des Gesetzentwurfs zwar lobenswert finde,jedoch der Meinung bin, dass einige Punkte rechtlich anders geregelt werden sollten . Ich freue mich daher auf dieweitere Diskussion hier im Hause .Vielen Dank .
Vielen Dank, Frau Kollegin . – Ich schließe die Aus
sprache .
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent
wurfs auf Drucksache 18/5384 an die in der Tagesord
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Ich sehe keine . Dann
ist so beschlossen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundes
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-
Änderungsrichtlinie
Drucksachen 18/5010, 18/5272, 18/5458 Nr. 1
Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz
ausschusses
Drucksache 18/6220
Hierzu liegt ein gemeinsamer Entschließungsantrag
der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen
vor .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich sehe auch
hiergegen keine Einwände . Dann ist auch dies beschlos
sen .
Ich bitte, jetzt zügig die Plätze einzunehmen .
Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege
Dr . Mathias Middelberg, CDU/CSUFraktion .
Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erreichen wir wesentliche Verbesserungen der Situation am Kapitalmarkt .Wir verbessern insbesondere die Situation für die Anleger, auch für die Kleinanleger am Kapitalmarkt . Zweizentrale Teile dieses Gesetzgebungsverfahrens möchteich besonders ansprechen:Das eine sind die Transparenzvorschriften . Viele vonuns können sich noch an folgende Übernahmekonstellationen erinnern: Schaeffler und Conti sowie VW undPorsche . Damals war es so, dass die Unternehmen, dieübernehmen wollten, nur wenige Aktien erworben haben . Sie blieben damit unterhalb der Schwelle, ab der andie BaFin, also die Aufsichtsbehörde, zu melden war . Siehatten sich aber sehr viele Aktien, teilweise über 20 und30 Prozent, durch verschiedene Optionsgeschäfte, diedamals nicht meldepflichtig waren, gesichert. Das hat zugravierenden Kursausschlägen geführt . Die VWAktiehat, wie sich vielleicht einige erinnern, damals an einigenTagen über 1 000 Euro gekostet . Das war ungefähr dasZehnfache des damals üblichen Wertes . Das hat natürlich zu einer erheblichen Schädigung des Vertrauens dernormalen Anleger, der Kleinanleger, in den Kapitalmarktgeführt .2011 haben wir die Situation bereinigt, indem wir dieMeldevorschriften in dem Bereich deutlich verschärfthaben; aber wir haben das noch nicht mit einem richtigen Sanktionssystem hinterlegt . Damals war es so undbis jetzt ist es noch so, dass man, wenn man gegen diese Meldevorschriften verstößt, mit einer Geldbuße vonmaximal 1 Million Euro zu rechnen hat . Das ist natürlich nicht ganz ausreichend . Wenn ich ein Milliardengeschäft im Blick habe, dann lasse ich mich nicht von einerGeldbuße von 1 Million Euro abschrecken . Ich halte esfür ganz wichtig, dass wir jetzt den Schritt gehen, dieGeldbußen umsatzabhängig zu gestalten und überdiesdie Möglichkeit des Stimmrechtsverlusts vorzusehen .Das heißt, derjenige, der Papiere akquiriert, die meldepflichtig sind, aber nicht meldet, muss im Zweifel damitrechnen, dass er das Stimmrecht für die entsprechendenAktien nicht ausüben kann . Das ist das wirksamste Mittel, um im Kapitalverkehr für Klarheit und Transparenzzu sorgen .
Christina Jantz
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Die zweite Maßnahme, die ich hervorheben möchte,ist die Neuregelung des Delisting . Der Bundesgerichtshof hat durch seine Rechtsprechung die bisherigen Regelungen zur Makulatur gemacht . Es war eine Situation entstanden, in der die Anleger, wenn sich ein Unternehmenvon der Börse zurückzog, praktisch ohne Rechtsschutzdastanden . Auch wenn in einigen Fällen die Kurse – zumindest kann man das vermuten – vielleicht zielgerichtetbeeinflusst und heruntergetrieben wurden, bestand für dieAnleger im Grunde keine Entschädigungsmöglichkeit .Es war eine Schutzlücke im Anlegerrecht entstanden .Deswegen sind wir als Unionsfraktion tätig gewordenund haben eine Initiative gestartet .
Ich freue mich sehr, dass sich der Koalitionspartner daran in sehr konstruktiver Form beteiligt hat und gute undbrauchbare Vorschläge eingebracht hat, die wir gemeinsam, glaube ich, zu einem sehr brauchbaren, guten Gesetzentwurf geformt haben .
Jetzt haben einige Kritiker gesagt: Ihr müsst abereigentlich die alte Rechtssituation wiederherstellen, Entschädigung zum Ertragswert, Spruchverfahren usw . –Wir meinen, dass das nicht der Fall sein sollte . Dennbeim Delisting verliert man nicht den Anteilswert ansich, sondern man verliert nur die Handelbarkeit diesesAnteilswertes an der Börse . Das ist etwas anderes alsbeim Squeezeout, wenn man aus dem Unternehmen hinausgedrückt wird . Dann muss man eine Entschädigungzum Ertragswert erhalten, also zum eigentlichen Wertdes Anteils . Beim Delisting verliere ich nur den Wert derHandelbarkeit der Aktie . Das ist etwas anderes . Deshalbist es angemessen, hierbei auf den Börsenkurs abzustellen. Das tun wir, und wir haben einen, finde ich, sehrbrauchbaren Zeitraum von sechs Monaten dafür gewählt .Wir brauchen auch keinen Hauptversammlungsbeschluss für diese Maßnahme; denn es handelt sich beimRückzug von der Börse nicht um eine Strukturveränderung in der Gesellschaft . Auch beim Börsengang gibt eskeinen Hauptversammlungsbeschluss . Es geht um dieHandelbarkeit eines Anteils und nicht um eine strukturelle Veränderung in der Gesellschaftsstruktur . Das mussman sauber auseinanderhalten .Was den Rechtsschutz angeht, haben wir uns nicht fürdas Spruchverfahren, sondern für das KapitalanlegerMusterverfahrensgesetz ausgesprochen . Ichhalte auch das für die richtige Entscheidung, weil es darum geht, effizienten Rechtsschutz zu erreichen. Das istnicht gegeben, wenn wir Verfahren mit einer Dauer vonmehr als zehn Jahren haben, wie das im Moment beimSpruchverfahren der Fall ist .Wir haben allerdings eine Ausnahmeregelung getroffen, nämlich für den Fall, dass der Börsenkurs – ich sagedas einmal so – beeinflusst wird. Wenn wir Hinweise darauf haben und es festgestellt worden ist, dass beispielsweise fehlerhafte AdhocMitteilungen gemacht wurden,wenn Tatsachen unterdrückt wurden, der Kapitalmarktnicht zutreffend informiert wurde, oder wenn wir sogarFälle von Kursmanipulation haben, dann ist es richtig,in dieser manipulierten Situation, wenn der Börsenkurseben keine Aussagekraft hat, auf den Ertragswert zurekurrieren . Diese Sondertatbestände haben wir eingebracht und damit, glaube ich, sachgerecht gehandelt .
Insgesamt war es – es ist mir ein Anliegen, dies amEnde festzustellen – wichtig, wirksame Regelungen füreinen wirksamen Anlegerschutz zu schaffen . Wir müssenaber auf der anderen Seite bei diesen kapitalmarktrechtlichen Maßnahmen immer auch daran denken, dass dieBörse als Finanzierungsinstrument für unsere Unternehmen zur Verfügung stehen muss . Die Börse muss ein attraktives Ziel sein . Ein junges, innovatives Unternehmenmuss sich, sage ich einmal, freudig der Börse zuwendenwollen . Es muss sehen, dass ein Börsengang mit vertretbaren Mitteln und berechenbar zu realisieren ist .Genauso muss das aber gelten, wenn es zu dem Szenario kommt, dass ein Unternehmen, aus welchen Gründen auch immer, die Börse verlassen will; auch das mussmöglich und berechenbar sein .
Das erreichen wir, glaube ich, mit diesem Gesetzentwurf: vernünftigen, wirksamen Anlegerschutz undgleichzeitig eine berechenbare, klare Situation an derBörse .Herzlichen Dank .
Vielen Dank . – Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt
Dr . Axel Troost .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wie unterschiedlich man Gesetzentwürfe doch interpretieren kann . Ich habe meiner Kollegin eben gesagt, hiergehe es auch um Entwicklungsländer und Entwicklungspolitik . Sie hat mich ganz komisch angeschaut, weil dasalles gar nicht vorkam .Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Umsetzungder Transparenzrichtlinie setzen wir europäische Vorgaben um. Es geht um die Meldepflicht von börsennotiertenUnternehmen . Dabei ist aus meiner Sicht besonders zuwürdigen, dass nun Rohstoff und Holzindustrie in ihrenBilanzen stärker offenlegen müssen, was sie in einzelnenLändern betreiben . Das ist wichtig, weil diese Unternehmen in Entwicklungsländern oft nicht zum Nutzen derMenschen agieren . Gerade in Ländern mit großen Rohstoffaufkommen wird die Bevölkerung häufig vom vorhandenen Reichtum ausgeschlossen, während eine kleine Minderheit sich bereichert . Oft wird die Bevölkerungsogar noch durch Konflikte, mafiöse Seilschaften undUmweltzerstörung ins Elend gestürzt . Da sind natürlichDr. Mathias Middelberg
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auch westliche Konzerne in erheblichem Umfang mitbetroffen. Die neue Berichtspflicht sorgt nun dafür, dassZahlungen an Regierungen projekt und länderbezogenoffengelegt werden müssen .
Das bietet eine gute Grundlage, um Korruption undMisswirtschaft zu bekämpfen .
Die neue Regelung ist nicht vom Himmel gefallen,sondern geht auf jahrelange Arbeit und das Wirken vonNichtregierungsorganisationen zurück . Insbesondere inden USA ist man hier aktiv geworden . Jetzt hat man inEuropa nachgezogen . Insofern geht mein Lob nicht sosehr an die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen,
sondern an die Organisationen der Zivilgesellschaft, diesich in diesem Punkt haben durchsetzen können . Das istein gutes Signal .
Aber das sollte nur der Anfang sein . Wir fordern zusammen mit den Grünen, dass auch weitere Taten folgen .Durch die erweiterte Berichtspflicht für Banken, die wirvor zwei Jahren beschlossen haben, zeigen sich erste sehrpositive Ergebnisse. Die länderbezogene Berichtspflichtsollte also dringend auch auf weitere Branchen ausgeweitet werden . Ich nenne hier nur einmal exemplarischdie Telekommunikation und die Bauwirtschaft; das sindzwei Branchen, in denen besonders offene Flanken fürMissbrauch und für Korruption bestehen .Die länderbezogene Rechnungslegung spielt natürlichauch im Bereich der Steuer eine große Rolle, um Gewinnverlagerungen und Gewinnkürzungen zu bekämpfen . Deswegen sollten wir aus unserer Sicht nicht aufhalbem Wege stehen bleiben, sondern das in der Tat ausweiten . Insofern sollten Sie unserem Antrag zustimmenund diese Ausweitung entsprechend vornehmen .
Die Transparenzrichtlinie enthält aber natürlich mehr .Jetzt komme ich noch einmal auf die vorher angesprochenen Punkte . In der Tat sind in den letzten Jahrenhäufig durch ganz kurzfristige Ankündigungen Kursrutsche an der Börse ausgelöst worden, und Kleinanlegerkonnten Aktien dann entweder gar nicht mehr oder nurzu Spottpreisen verkaufen . Hier bestand sicherlich Handlungsbedarf, und hier hat die Bundesregierung jetzt entsprechende Maßnahmen vorgenommen . Die Frage istaus unserer Sicht, ob es richtig ist, dass die Abfindungauf den Börsenkurs abstellt . Denn zum Teil systematischunterbewertete Aktien sind damit für Kleinanleger, aberauch für Rentenkassen, Versicherungen und Minderheitsaktionäre möglicherweise dennoch nicht zu vernünftigenWerten zu verkaufen .Es bleibt dabei – es ist eben auch angesprochen worden –: Für uns ist nicht wirklich nachvollziehbar, warumder Rückzug von der Börse nicht in der Hauptversammlung beschlossen werden muss, sondern vom Vorstandallein beschlossen werden kann . Die Tatsache, dass dasbei der Aktienausgabe so ist, muss keineswegs bedeuten,dass das auch beim Rückzug von der Börse – davon sindja Leute betroffen – die richtige Maßnahme ist .Ich will einen letzten Punkt ansprechen . 2013 sind sogenannte Schiffserlöspools vorübergehend steuerbefreitworden, um die deutsche Seeschifffahrt aus der Krise zuholen . Jetzt wird mit diesem Gesetzentwurf diese zeitweilige Begünstigung permanent festgeschrieben . Daslehnen wir eindeutig ab . Seit der Gründung des Maritimen Bündnisses haben die Reedereien schon eine halbeMilliarde Euro an Subventionen bekommen, obwohl siekeine ihrer Zusagen im Rahmen dieses Bündnisses eingehalten haben . Von daher sollte auch für die Reedereiengelten: Keine Leistung ohne Gegenleistung .Wir werden uns bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf enthalten . Wir halten Nachholbedarf an manchenStellen für zwingend erforderlich . Wir fordern Sie nocheinmal auf, unserem Entschließungsantrag, in dem eineAusweitung der Richtlinie vorgesehen ist, zuzustimmen .Danke schön .
Vielen Dank . – Als Nächstes hat der Kollege Christian
Petry, SPDFraktion, das Wort .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Es ist heute ein besonderer Tag hier im Parlament . Über was wir heute schon alles diskutiert haben:über die Flüchtlingsproblematik, über Krieg, über Welthandel, über Menschenhandel . Und nun beraten wir denEntwurf des Gesetzes zur Umsetzung der TransparenzrichtlinieÄnderungsrichtlinie, an das drei weitere Gesetze angedockt sind .Aber, meine Damen und Herren, auch das sollte manin einem größeren Kontext sehen: Das, was wir heutehier beraten und vorbereitet haben, trägt auch ein Stückdazu bei, dass wir Europa transparenter machen, Europazu mehr Akzeptanz verhelfen und den Verbraucherschutzstärken, sodass damit auch auf diesem Gebiet ein Beitragdazu geleistet wird, das Vertrauen der Bürgerinnen undBürger in Europa zu stärken .
Dieses Vertrauen brauchen wir . Wenn wir all die Politikfelder beherrschen wollen, die die Debatte und den Alltagaktuell überlagern, weil die anderen Probleme wesentlichbedeutender und dringender zu lösen sind, müssen wirim Hinblick auf den Finanzmarkt die Wege gehen, diewir seit der Finanzkrise gegangen sind . Es geht um eineDr. Axel Troost
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Stärkung des Finanzmarktes und die Schaffung von mehrTransparenz . Dies bringt das Vertrauen zurück .Wir müssen die TransparenzrichtlinieÄnderungsrichtlinie in nationales Recht umsetzen . Drei weitereGesetzesvorhaben sind daran angedockt worden . Diedeutsche Seeschifffahrt ist genannt worden . Sie wirddavon profitieren, dass durch Änderungen im Versicherungsteuergesetz Erlöspools auch zukünftig von der Versicherungsteuer befreit bleiben . Das stärkt die Konkurrenzfähigkeit . Bei uns hat der Kollege Andreas Schwarzdieses Thema bearbeitet . Ich glaube, die Einigung waram Ende einvernehmlich . Hier hat sich die Schifffahrtletztlich durchgesetzt – zwar nicht ganz diskussionsfrei,aber ich glaube, diese Regelung ist von Vorteil .
Außerdem haben wir mit dem Begleitgesetz zur Verordnung über Interbankenentgelte für kartengebundeneZahlungsvorgänge die Transaktionskosten bei Zahlungen mit Debit und Kreditkarten gedeckelt; dazu wirdmein Kollege Jens Zimmermann reden . Auch hier gehtes um große Volumina . Das hört sich nach so wenig an,aber wenn man es aufsummiert, stellt man fest, dass esum mehrere Milliarden Euro geht . Durch die getroffenen Regelungen soll letzten Endes der Verbraucher gestärkt werden . Wir werden sehen, ob es so kommt . Jens Zimmermann wird dazu Ausführungen machen .Außerdem ist die gesetzliche Regelung zur Anlegerentschädigung im Falle des Börsenrückzugs einer Aktiengesellschaft, das sogenannte Delisting, zu nennen .Die Initiative hierzu kam – das ist mein persönlicher Eindruck, Herr Dr . Middelberg – nicht von der CDU, sondern von der SPD;
aber hier geht es nicht um das Urheberrecht . Herr Professor Hirte hat dazu einige Vorschläge eingebracht, zumBeispiel zu den AdhocRegelungen, die vom KollegenJohannes Fechner dargelegt werden . Herr Fechner hatdarüber hinaus die Missbrauchsmöglichkeiten angesprochen . Wir haben uns zusammengefunden; das war nichteinfach . Ich danke Herrn Dr . Middelberg für die konstruktive Zusammenarbeit . Ich glaube, er hat in seinereigenen Fraktion einen schwierigeren Part gehabt als ichin der SPDFraktion .
Insofern, finde ich, hat er das gut gemacht. Wir sind, wiegesagt, zusammengekommen, und wir haben einen gutenVorschlag vorgelegt . Jens Fechner wird ihn noch erläutern .Ich denke, dass das Gesetz zur Umsetzung der TransparenzrichtlinieÄnderungsrichtlinie – sie ist der Kern –den Anleger und Verbraucherschutz am Wertpapiermarkt nachhaltig stärken wird . Denn eine umfassendeTransparenz ist grundlegend für ein effizientes Marktgeschehen; wir wissen das . Hier geht es nun um die Umsetzung einer EURichtlinie .Durch die frühzeitige Bekanntgabe von Informationen können beispielsweise Aktienhalter eine fundiertere Beurteilung von Geschäftsergebnissen vornehmen .Der Verkauf und Erwerb von Aktien muss im Sinne derMarkttransparenz dokumentiert werden . Mit der Überarbeitung der Transparenzrichtlinie stellen wir klar, dassder Schutz der Anlegerinnen und Anleger bei uns im Vordergrund steht . Die Überarbeitung der Richtlinie führtzu einer deutlichen Erhöhung des Sanktionsrahmens beiVerstößen . Das war nicht ganz unumstritten, und daranwurde vonseiten der Kreditwirtschaft Kritik geübt . Aberwir halten das für notwendig; denn die bisherigen Regelungen sahen keine effektive Strafe vor . Da ging es eherum die Portokasse: 1 Million Euro . Das konnte man einfach so machen .
Nun wird es umsatzabhängige Geldbußen geben . Ichglaube, das ist ein Schritt nach vorne .Verstöße gegen Meldepflichten eines Stimmberechtigten führen in Zukunft automatisch zum Stimmrechtsverlust und zur Möglichkeit des Verlusts von Vermögensrechten . Auch dies ist natürlich eine sehr harte Strafe . Ichglaube, sie wird greifen .Die nationale Aufsichtsbehörde wird die BaFin sein .Ich denke, durch die Veröffentlichung der Sanktionen aufihrer Internetseite wird die Transparenz gestärkt .Die Auflistung von Zahlungen an Unternehmen imRohstoffsektor ist eben schon von Herrn Kollegen Troostgenannt worden . Dies ist eine Regelung, die nachhaltigwirken soll, die man stärken sollte und die man auf andere Bereiche ausweiten kann . Aber jetzt machen wir daserst einmal für diesen Bereich . Ich glaube, das ist ein guter Schritt nach vorne .
Das war jetzt auch ein gutes Ende, Herr Kollege Petry .
Das Ende kommt jetzt mit dem Dank, wenn es noch
erlaubt ist, Frau Präsidentin .
Ja .
Ich möchte all denjenigen, die mitgearbeitet haben,besonders Herrn Dr . Middelberg und den Kollegen desFinanzministeriums und des Bundesministeriums derJustiz und für Verbraucherschutz danken; denn dies istein gutes und richtiges Signal im Jahr der Stärkung desVerbraucherschutzes .Glück auf!
Christian Petry
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Vielen Dank . – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht
jetzt Dr . Gerhard Schick .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Durch die Koalition wurde jetzt ein bisschen Transparenzüber das Zustandekommen der einzelnen Abschnitte desGesetzentwurfs hergestellt, aber darum geht es bei derTransparenzrichtlinie nicht, sondern es geht um Transparenz im unternehmerischen Bereich .Dieser Gesetzentwurf enthält viele Regelungen . Ichwill mich auf drei Punkte konzentrieren:Der erste ist das Thema Bußgelder, das schon angesprochen worden ist . Wir halten es für richtig, dass hierdie Bußgelder erhöht werden und vor allem, dass sie sicham Umsatz orientieren, weil dadurch eine richtige Relation hergestellt wird . Eine Regelung, die als Abschreckung einen festen Betrag vorsieht, während gleichzeitigUmsatz und Gewinn des Unternehmens möglicherweisesehr hoch sind, ist ja nur wenig sinnvoll .Trotzdem muss man sagen, dass dies ein fragmentarischer Ansatz bleibt . Sie gehen nur an Einzelpunkteheran . Insgesamt müssen wir sagen, dass die Sanktionsmechanismen bei einem Fehlverhalten von Unternehmenin Deutschland auch nach der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs deutlich zu geringe Folgen haben werden .Das werden wir auch im Zusammenhang mit VW nocheinmal diskutieren müssen . Es wird für die Unternehmenauch nach der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfseinfach immer noch zu günstig sein, sich nicht an die Gesetze in Deutschland zu halten . Hier wollen wir weitergehen als Sie .
Der zweite Punkt ist das Thema Delisting . Es geht umfolgende Frage, die schon angesprochen worden ist: Waspassiert, wenn ein Unternehmen von der Börse genommen wird? – Sie haben jetzt ja den Anschein erweckt,es gebe nun ein großartiges Verfahren . Man muss abersagen: Schon 2013 hat der Bundesgerichtshof in der sogenannten FrostaEntscheidung klargemacht, dass derGesetzgeber entscheiden muss . Dass Sie das jetzt kurzfristig noch in diesen Gesetzentwurf aufnehmen mussten,ist nicht gerade ein Ausdruck großer Vorausschau einesgesetzgebenden Organs, sondern das wurde schnell „dazugefrickelt“ .Nun aber auch zur Kritik in der Sache: Wir meinen,dass Ihr Vorgehen nicht richtig ist, sondern es wäre richtig gewesen, sich an der früheren Rechtsprechung desBundesgerichtshofs zu orientieren und sie mit einigenModifikationen in den Gesetzentwurf zu übernehmen.Die Angemessenheit des verpflichtenden Kaufangebots sollte daran gemessen werden, ob eine qualifizierteMehrheit der Aktionäre das Angebot annimmt . Danebenmuss natürlich auch eine gerichtliche Überprüfung derAngebotshöhe ermöglicht werden . Wir meinen, dass dasein fairer Ausgleich zwischen den Interessen der kleinenAktionäre und den Interessen der Unternehmensleitunggewesen wäre .
Der dritte Punkt ist das CountrybyCountryReporting . Es ist schon gesagt worden: Das ist in zwei Branchenein Fortschritt . Dadurch kommt dort mehr Transparenzhinein . Die Frage ist aber, warum das eigentlich nur inzwei Branchen geschieht .In einer dritten Branche gibt es bereits ein entsprechendes Vorbild . Dort ist dies vom Europäischen Parlament schon durchgesetzt worden . Wir Grünen habenuns damals sehr dafür eingesetzt . Ich spreche von denBanken . Mit der Bankenrichtlinie haben wir das hinbekommen, und seit dem 1 . Juli 2015 kann man sehen, wasdas bringt . Ich glaube, es ist wichtig, sich das in diesemKontext einmal klarzumachen .Die Fraktion der Grünen im Europäischen Parlamenthat dazu eine Studie erstellt, um eine erste Abschätzungvornehmen zu können . Was können wir aus den Datenlernen, wenn die Banken offenlegen müssen, wo sie wieviel Steuern zahlen und wie dies im Verhältnis zum Umsatz steht?Man kann zum Beispiel sehen, dass jeder einzelneMitarbeiter der Deutschen Bank im Steuerparadies Malta20,8 Millionen Euro zum Konzernergebnis beiträgt, während es bei einem Mitarbeiter in Deutschland nur 45 000Euro sind . Hier besteht also eine riesige Diskrepanz,die sich nicht damit erklären lässt, dass in Malta nur dieSupermitarbeiter und in Deutschland nur die nicht leistungsfähigen Mitarbeiter tätig sind, sondern nur damit,dass ein relevanter Teil der Erträge offensichtlich eher imSteuerparadies versteuert wird als bei uns .
Genau diese Offenheit brauchen wir, und hier hilft derVerweis von Lothar Binding per Zwischenruf, dass dieZahlen durch BEPS kommen, natürlich nicht .
– Ja, Moment . Genau das ist ja das Problem: Es ist vonder Bundesregierung vorgesehen, dass nur die Steuerverwaltungen diese Zahlen haben . Das geschieht also geradehinter verschlossenen Türen und ist nicht transparent .
Wenn man also Transparenz will, dann muss man demgemeinsamen Entschließungsantrag der Linksfraktionund der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zustimmen undsagen: Wir wollen diese Transparenz in Zukunft für alleBranchen,
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damit wir Fehlverhalten im Steuerbereich und im Bereich der Geldwäsche leichter aufdecken und damit einenwichtigen Beitrag zu einer besseren Unternehmensführung leisten können .Vielen Dank .
Vielen Dank . – Nächster Redner ist der Kollege
Dr . Philipp Murmann, CDU/CSUFraktion .
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Norddeutschem sei es mir gegönnt, noch etwas genauer auf dasThema Schiffserlöspools einzugehen .
Die gute Nachricht gleich vorweg: Die Schiffserlöspoolsbleiben von der Versicherungsteuer befreit . Das ist einwichtiges und gutes Signal an die Schifffahrt, das wirhier eindeutig senden wollen, meine Damen und Herren .
Lieber Herr Troost, normalerweise beschäftigen Siesich immer intensiv mit einer Sache, bevor Sie entsprechende Schlussfolgerungen ziehen, aber in dem Fall,muss ich sagen, haben Sie sich vielleicht nicht ausreichend damit beschäftigt . Immerhin hat es 88 Jahre gedauert, bis ein Bundesfinanzbeamter auf die Idee gekommen ist, einen Schiffserlöspool mit Versicherungsteuerzu belegen . Das Versicherungsteuergesetz ist von 1922 .
– Nun mag es solche Konstruktionen nicht von Anfangan gegeben haben – das kann sein –, aber es gibt sieschon relativ lange .1 500 Schiffe sind in solchen Poolkonstruktionen zusammengeschlossen . Meistens umfassen die Pools 20 bis40 Schiffe . Warum macht man das? Weil viele Reederin Deutschland relativ klein sind: Immerhin ein Drittel – 36 Prozent aller Reeder – hat nur ein Schiff . Weitere36 Prozent der Reeder haben weniger als zehn Schiffe .Auf einem globalen Markt ist es natürlich relativ schwer,mit einem, zwei oder drei Schiffen tätig zu werden undam Spotmarkt Transportaufträge zu bekommen . Deswegen hat man sich schon vor relativ langer Zeit entschlossen, solche Pools zu bilden, um entsprechende Aufträgeübernehmen zu können . Die Eigner geben die Erlöse sozusagen in einen Topf und verteilen sie dann nach einembestimmten Schlüssel . Wenn man das nicht täte, würdendie kleinen Reeder, die nur ein Schiff oder wenige Schiffe haben, komplett aus diesem Markt verdrängt . Deswegen ist es nicht angemessen, wenn Sie hier sagen, wirwürden das irgendwie subventionieren .Eine Versicherungsteuer auf solche Schiffserlöspoolshat es nie gegeben . Warum sollten wir jetzt, in dieser Situation eine solche Maßnahme einführen? Ich finde, dasmacht keinen Sinn . Deswegen ist es richtig, dass wir dafür gesorgt haben, dass das jetzt auch entfristet wird .
Um ein Beispiel zu bringen: Wenn ein solcher Pool14 Schiffe umfasst und der Erlös sich auf etwa 6 Millionen Euro im Jahr beläuft, würde die Steuer – 19 Prozent – immerhin etwa 1,2 Millionen Euro betragen, proSchiff 90 000 Euro . Das ist eine Größenordnung, diefür viele Reeder in der momentanen Situation kaum zustemmen ist . Wir wollen sie jedoch nicht verlieren . Deswegen – noch einmal – haben wir uns dazu entschlossen,diese Versicherungsteuer nicht zu erheben .Dem Fiskus hätte das wohl etwa 200 Millionen Eurogebracht . In solchen Fällen reiben sich Vertreter desBundesfinanzministeriums und auch andere natürlich dieHände und sagen: Da könnten wir noch 200 MillionenEuro einnehmen . Aber einerseits entstehen auch Kosten,und andererseits, denke ich, ist es unsere Aufgabe, immerdafür zu sorgen, dass wir am Ende einen Ausgleich zwischen dem, was volkswirtschaftlich sinnvoll, und dem,was fiskalisch sinnvoll ist, finden. Deswegen bin ich derMeinung: An dieser Stelle haben wir das so richtig gemacht . Ich danke auch dem Kollegen Schwarz ganz besonders, der gerade abgetaucht ist oder zum Abendessenmusste,
der – wie auch die Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums – intensiv daran mitgearbeitet hat .
– Nein, wir stehen da in einem extremen Wettbewerb, ineinem Subventionswettbewerb mit verschiedenen Ländern . Deswegen ist vielleicht auch noch einmal wichtig –weil Sie das sagen, Herr Binding –, zu betonen: Dass wirdieses Gesetz heute verabschieden, ist ein besonderesSignal . Die Schifffahrtsbranche – wir sind eine Schifffahrtsnation, eine Handelsnation – trifft sich alle zweiJahre zur Nationalen Maritimen Konferenz, die netterweise von der Bundesregierung ausgerichtet wird, um daalle Themen, die relevant sind, zu diskutieren .Zum Glück haben wir dieses Mal das Thema „Versicherungsteuer auf Erlöspools“ nicht auf der Tagesordnung; wir können uns stattdessen konstruktiv um andereThemen kümmern . In Deutschland arbeiten immerhinnoch 400 000 Mitarbeiter in dieser Industrie, und eswerden dort 30 Milliarden Euro umgesetzt, die auch inDeutschland versteuert werden . Insofern ist das auch fürDr. Gerhard Schick
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uns eine relevante Größe, und ich bin dankbar, dass wirdas Gesetz nun gemeinsam auf den Weg gebracht haben .
Ich komme zum Schluss . Herr Gambke, Sie hattenim Ausschuss gesagt, dass Sie das ordnungspolitisch fürschwierig halten . Ein Blick ins Versicherungsteuergesetzzeigt, dass es dort jede Menge Ausnahmen gibt .
Ich denke, das ist eine Ausnahme im Versicherungsteuergesetz, an die erstens die Gründerväter damals wohl nochgar nicht gedacht hatten – sie haben sicherlich nicht geglaubt, dass so etwas jemals auftreten würde – und diezweitens sinnvoll ist .Wir sind eine Schifffahrtsnation, und wir wollen aucheine Schifffahrtsnation bleiben . Dafür wollen wir unsauch weiterhin einsetzen .Vielen Dank .
Vielen Dank . – Für die SPDFraktion erhält jetzt
Dr . Johannes Fechner das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, enthält eine
wichtige Regelung zum Delisting . Es geht dabei um die
Frage, welche Regelungen für Kleinaktionäre gelten soll
ten, insbesondere wenn sich große Unternehmen von der
Börse zurückziehen . Ich bin sehr froh darüber, dass wir
hier zu einer Regelung gekommen sind, die große Vor
teile für die Kleinaktionäre bringen wird .
Künftig wird es ein verbindliches Abfindungsangebot
an die Aktionäre geben, wenn sich ein Unternehmen von
der Börse zurückzieht . Denn bei einem solchen Rück
zug werden die Aktien praktisch nicht mehr handelbar .
Deswegen hat in der Regel schon die Ankündigung eines
Delistings oft massive Kursrückgänge mit den entspre
chenden Nachteilen zur Folge . Die SPD will, dass es
ein angemessenes und faires Abfindungsangebot an die
Aktionäre gibt . Es muss an der Börse gerecht und trans
parent zugehen . Deswegen ist das eine ganz wichtige
Maßnahme .
Es ist kein Geheimnis: Wir in der SPDFraktion hätten
uns auch vorstellen können, dass wir uns an den Rege
lungen orientieren, die gelten, wenn ein börsennotiertes
Unternehmen mit einem anderen, nicht börsennotierten
Unternehmen verschmolzen wird . Nach diesen Rege
lungen müssen die Aktionäre dann zum Ertragswert und
damit zum vollen Wert des Aktieneigentums abgefunden
werden, und sie haben die Möglichkeit, die Höhe der Ab
findung im Spruchverfahren überprüfen zu lassen. Das
hätten wir gerne gehabt, und auch der Deutsche Anwalt
verein hat sich dahin gehend geäußert . Wir haben in der
Union leider außer Herrn Hirte, glaube ich, wenig Befür
worter für eine solche Regelung gefunden .
Dennoch meine ich, dass wir einen vernünftigen Kom
promiss gefunden haben . Generell gilt der Börsenwert
der letzten sechs Monate . Wenn es Manipulationen gibt,
wird allerdings auf das Ertragswertverfahren zurückge
griffen werden, das dann auch gerichtlich überprüft wer
den kann, sodass es einen Rechtsschutz gibt .
Die zweite Möglichkeit, wann auf diese Art und Wei
se überprüft werden kann, ob ein angemessenes Abfin
dungsangebot vorliegt, geht auf den Vorschlag von Herrn
Hirte zurück . Ich möchte ausdrücklich betonen, dass es
Ihr Vorschlag war, dass dann, wenn eine fehlerhafte Ad
hocMitteilung erfolgt oder es gar keine AdhocMittei
lung gibt, diese Regelung greift . Wir meinen: In den Fäl
len, dass Kurse manipuliert werden, soll der Börsenkurs
nicht Maßstab sein, weil er eben gedrückt worden ist .
Wichtig war uns auch, dass der Ausgleich, dass eine
solche Abfindung in Geld statt in Aktien erfolgt. Nicht
in den Gesetzentwurf aufgenommen haben wir den Vor
schlag, dass bei einem Übernahmeangebot, das von den
Aktionären nicht angenommen wird, ein Abfindungsan
gebot nicht erteilt werden muss . Sonst käme es zu einer
regelrechten Erpressung, dass ein Aktionär auch ein noch
so schlechtes Übernahmeangebot annehmen muss, um
nicht in die Situation des Delistings zu kommen, mit der
Folge, dass er noch weniger für seine Aktien bekommt .
Sie sehen also: Wir haben sehr viele wichtige Rege
lungen getroffen . Dabei möchte ich noch einen Punkt
hervorheben: Ich glaube nicht, dass jemand sich Sorgen
machen muss, dass dadurch Börsengänge weniger attrak
tiv werden . Denn das Delisting ist getrennt von der Fra
ge, ob es einen Aufschlag für den Aktienwert gibt . Der
Rückzug von der Börse kann nicht wegen eines Streits,
etwa eines längeren Rechtsstreits, darüber, in welchem
Umfang abgefunden werden muss, aufgehalten werden .
Sie sehen: Wir machen insbesondere für die Klein
anleger ein wichtiges Gesetz . Deswegen kann man dem
Gesetzentwurf eigentlich nur zustimmen .
Vielen Dank .
Vielen Dank . – Nächster Redner ist jetzt Professor
Heribert Hirte, CDU/CSUFraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe Zuhörer! Wir haben gehört, welches der Hintergrund des Änderungsantrags ist, den wir als KoalitionsDr. Philipp Murmann
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fraktionen zum Gesetzespaket noch eingebracht haben;der Kollege Middelberg hat das ausführlich geschildert .Bei uns in der Fraktion bestand schon sehr früh Konsensdarüber, dass hier – bei der Wiedereinführung einer Abfindung der Aktionäre im Falle eines Delistings – dieNotwendigkeit gesetzgeberischen Handelns besteht .Wenn die SPD das nicht mitbekommen hat, ist das natürlich traurig . Aber sie war bei unseren internen Gesprächen auch nicht dabei . Sagen wir es einfach so: DerErfolg hat viele Väter, und das ist gut so .
Konsens bestand dabei auch darüber, dass ein Hauptversammlungsbeschluss zu dieser Entscheidung nichtmehr vorgesehen werden sollte, weil einerseits die Mehrheiten klar sind – Herr Kollege Schick schaut deshalbjetzt vielleicht weg – und weil andererseits die mit demHauptversammlungsbeschluss zu vermittelnden Informationen auf andere Weise, vielleicht sogar besser,nämlich nun nach der WertpapierübernahmegesetzAngebotsverordnung, mit behördlicher Kontrolle und auchbilliger, bereitgestellt werden können .Der entscheidende Punkt für uns ist aber gewesen:Wie berechnet sich die Höhe der Abfindung? Hier habenwir uns im Interesse der Verfahrensvereinfachung dafürentschieden, zunächst einmal an den Börsenkurs in denletzten sechs Monaten vor einem Delisting oder ein davor erfolgtes Erwerbsangebot anzuknüpfen; denn insbesondere der Börsenkurs ist leicht zu ermitteln und gibtdamit auch den Unternehmen die Freiheit, sich irgendwann von der Börse zurückzuziehen .Natürlich haben wir auch intensiv darüber diskutiert,ob man die Maßnahme nicht ähnlich einer Umwandlungbehandeln und die Abfindung nach dem Spruchverfahrensgesetz anhand einer Ertragswertberechnung ermitteln könnte . Ich selbst hatte – Herr Kollege Fechner hattedarauf hingewiesen – einmal einen solchen Vorschlaggemacht . Der große mit einem Spruchverfahren verbundene Aufwand hat uns aber davon abgehalten, und dieüberfällige Reform des Spruchverfahrensrechts konntenwir nicht sozusagen im Vorbeigehen erledigen .Deshalb haben wir uns die Frage gestellt, warum Börsenkurs und Unternehmenswert nach Ertragswertberechnung häufig auseinanderfallen, obwohl sie theoretischgenau zum selben Ergebnis führen müssten . Es handeltsich schließlich nicht um zwei unterschiedliche Werte,sondern um zwei Methoden, um zum richtigen Unternehmenswert zu kommen . Wir haben als entscheidenden Grund ausgemacht, dass die nicht vollständige oderfehlerhafte Information des Kapitalmarkts der Punkt ist,auf den die Differenz zurückzuführen ist . Das haben wirdann – das ist schon mehrfach angeklungen – in einemvöllig neuen Rechtsbehelf adressiert und vorgesehen,dass im Falle von fehlenden oder fehlerhaften AdhocMeldungen oder in Fällen der Marktmanipulation dochauf die Ertragswertmethode, also wie im Bereich desSpruchverfahrens, zurückzugreifen ist .
Die Emittenten haben damit die Wahl . Ein Rückzug vonder Börse kann auf der Grundlage einer am Börsenkursorientierten Abfindung erfolgen, dann, aber auch nurdann, wenn dieser Börsenkurs korrekt zustande gekommen ist . Das ist ein wichtiger Beitrag zum Anlegerschutz .
Fehler in der Informationspolitik haben dabei auchdann noch Auswirkungen auf den Börsenkurs in den relevanten sechs Monaten vor einem Delisting, wenn derursprüngliche Fehler länger zurückliegt; denn die Veröffentlichungs- bzw. Korrekturpflicht wirkt fort und erstreckt sich in diesen SechsMonatsZeitraum hinein . ImÜbrigen sei – nur der Vollständigkeit halber – darauf verwiesen, dass allein schon durch den Verweis auf die Berechnungsmethode anhand des Börsenkurses mancherleiManipulationen ausgeschlossen werden; denn dadurchwerden auch sogenannte Parallelerwerbe erfasst . Werjetzt sagt, der Börsenkurs sei ungeeignet, übersieht diesen sehr wichtigen Punkt .Für die Durchsetzung des Abfindungsanspruchs habenwir noch weitere anlegerfreundliche Weichenstellungenvorgenommen . So haben wir vor allem das KapitalanlegerMusterverfahrensgesetz hier für anwendbar erklärt,das auch unter Kostengesichtspunkten die Durchsetzungvon Abfindungsansprüchen gegenüber dem allgemeinenVerfahrensrecht deutlich erleichtert . Es gibt also sehrwohl eine gerichtliche Kontrolle, Kollege Schick . ImÜbrigen gehen wir davon aus, dass die Zivilgerichte dasVerfahren insbesondere hinsichtlich der Beweislastverteilung und der Kostentragung gemäß dem Parteivortragden Möglichkeiten und Grenzen der aus der Gesellschaftausscheidenden Anleger anpassen . Da wir nicht sicherwissen, ob wir in allen Punkten recht haben, haben wirschließlich – darauf sei hingewiesen – eine Evaluationsklausel eingeführt . Wir schauen uns das alles in zwei Jahren noch einmal an .Aber auch aus meiner Sicht: Vielen Dank an die Kollegen Petry und Fechner für die produktive Zusammenarbeit!Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
Vielen Dank . – Nächster Redner ist Dr . Jens
Zimmermann, SPDFraktion .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Wer hätte nach dieser Debatte gedacht, dass es in diesem Gesetz auch noch umetwas ganz anderes geht? Es geht nämlich um etwas, dasdie meisten draußen verstehen . Es geht um ECKarten,es geht um Kreditkarten, und es geht um die Frage: Waskostet das eigentlich, und wer bezahlt es am Ende?Wir haben an das Gesetz das Begleitgesetz zur EUVerordnung über Interbankenentgelte angehängt . WennDr. Heribert Hirte
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man so etwas anhängt, ist es manchmal eine Herausforderung, zu erreichen, dass es nicht komplett untergeht .Was dort vonseiten der EUKommission gemacht wurde,ist ein Beitrag zum Verbraucherschutz . Die Frage „Wiehoch sind die Gebühren, die eine Händlerbank an dieBank zahlen muss, die die Karte ausgibt?“ ist gar nichtso ohne . Es ist vorhin vom Kollegen Petry angesprochenworden: Die Schätzungen über die Auswirkungen dieser EUVerordnung gehen dahin, dass 6 Milliarden Eurovonseiten der Kreditkartenunternehmen an den Handelfließen werden. Wir gehen natürlich davon aus, dass dasam Ende an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wird, meine Damen und Herren .
Es ist ein Teil eines größeren Paketes . Wir werdenuns noch weiter über die zweite Zahlungsdiensterichtlinie unterhalten . Aber alles in allem haben wir hier beider Umsetzung im Deutschen Bundestag eine gute undkonstruktive Diskussion gehabt . Es gab die Möglichkeit,verschiedene Optionen für den Übergang in Betracht zuziehen . Aber wir sind am Ende relativ schnell zu demErgebnis gekommen, dass das keine Möglichkeiten sind,die die Verbraucherinnen und Verbraucher in unseremLand wirklich weiterbringen .Ein Punkt ist mir an dieser Stelle sehr wichtig . Wirmüssen natürlich schauen: Wir haben das berühmte ECKartenSystem – so sagt man ja – oder GirocardSystemin Deutschland, mit dem ganz viele ganz selbstverständlich zahlen, weil das historisch gewachsen ist . Das gibt esin dieser Form, glaube ich, in keinem anderen EUMitgliedstaat. Deswegen finde ich es richtig, dass wir unsals Koalitionsfraktionen darauf geeinigt haben, genau zuschauen, welche Auswirkungen das auf unser deutschesSystem am Ende haben wird . Eines kann natürlich nichtsein: dass es am Ende den gegenteiligen Effekt hat, denman eigentlich nicht erreichen will, dass am Ende dieVerbraucherinnen und Verbraucher mehr zahlen müssen .Das darf auf keinen Fall passieren, meine Damen undHerren .
Alles in allem kann man zum Schluss der Debatte sagen: Das ist ein richtiges Gesetz, an dem alle hart gearbeitet haben . Hier ging es um die Sache . Hier ging esum viele Details . Es ist eine ganz wichtige Sache, dasswir genau aufpassen, dass wir keine Lücken lassen, diewir nicht lassen wollen . Aber, ich glaube, das haben wirgut geschafft .Deswegen möchte ich mich bei allen bedanken, diemitgeholfen haben . Ich glaube, wir haben im Finanzausschuss – das kann man auch einmal sagen – in den letztenWochen ordentlich was geschafft für unser Geld, und dasist auch gut so .Vielen Dank .
Vielen Dank . – Wie der Kollege Zimmermann schon
richtigerweise erwähnt hat, sind wir am Schluss der Aus
sprache angekommen .
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun
desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Umsetzung der TransparenzrichtlinieÄnderungsrichtli
nie. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschluss
empfehlung auf Drucksache 18/6220, den Gesetzentwurf
der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/5010 und
18/5272 in der Ausschussfassung anzunehmen . Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas
sung zustimmen wollen, um das Handzeichen . – Wer ist
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzent
wurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koali
tionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen .
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Keiner . Wer enthält sich? – Der
Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis
angenommen .
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Frak
tionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf Druck
sache 18/6221 . Wer stimmt für diesen Entschließungs
antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koali
tionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition ab
gelehnt .
Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
zu dem Antrag der Abgeordneten
Katja Kipping, Sabine Zimmermann ,
Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Armuts- und Reichtumsbericht qualifizieren
und Armut bekämpfen
Drucksachen 18/5109, 18/6218
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich sehe, Sie
sind damit einverstanden . Dann ist so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin
Dagmar Schmidt, SPDFraktion .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damenund Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächsteinmal möchte ich sagen, dass wir nicht nur der Ansichtsind, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Kompetenz und die Expertise dazu hat, denArmuts und Reichtumsbericht zu verfassen, nein, ausunserer Sicht hat es auch die Pflicht dazu. Dafür habenwir uns lange eingesetzt, und wir sind froh, dass wir jetztDr. Jens Zimmermann
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eine regelmäßige Armuts und Reichtumsberichterstattung haben .
Der Armuts und Reichtumsbericht wird ja nicht imwissenschaftlich luftleeren Raum erstellt, und er istauch nicht das Einzige, was zu Fragen der Armuts undReichtumsforschung vorliegt . Es gibt den Bericht „Diezerklüftete Republik“ des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes genauso wie Einzeluntersuchungen zuwichtigen anderen Fragen . Wir haben zum Glück einefreie Wissenschaft und qualifizierte Institutionen wie dieHansBöcklerStiftung, wie Caritas, FES, Diakonie, IAB,DGB usw ., die mit der Armutsforschung beschäftigt sind .Es ist gerade wichtig, einen Bericht zu haben, derin der Verantwortung der Bundesregierung liegt, weiler dann eben auch von der Bundesregierung zu verantworten und zu verteidigen ist und weil er die konkreteGrundlage für eine Politik der Armutsbekämpfung undder Armutsprävention darstellt . Das Ministerium beschreibt das auf seiner Internetseite selbst wie folgt – ichzitiere –:Ziel des Berichts ist in letzter Konsequenz die Entwicklung von … Handlungsoptionen zur Vermeidung und Bekämpfung von Armut und Ungleichheit .Auch dient der Bericht mittelbar der Überprüfungfrüher politischer Maßnahmen .Der Bericht ist also ein Politikum, und genau das soll erauch sein .
Es wird nie die eine mögliche objektive Interpretationvon Zahlen geben . Auch Sie geben Gutachten an deneinen und nicht an den anderen .Was wir von einem Armuts und Reichtumsbericht derRegierung erwarten können, ist Transparenz und Nachvollziehbarkeit . Ich glaube, das ist durch die Internetseitevorbildlich gewährleistet .Was wir noch erwarten können, ist eine ausgiebigeDiskussion . Diesmal wird gut und eng mit dem Beraterkreis zusammengearbeitet . Auch von Armut direkt betroffene Menschen selbst werden gehört. Ich finde, auchdas ist ein wichtiger Punkt .Was wir noch erwarten können, ist, dass sich nichtimmer die Gleichen das Gleiche erzählen, nur mit aktualisierten Zahlen . Das ist dadurch gewährleistet, dass esSchwerpunkte gibt, und dadurch, dass dem wissenschaftlichen Gutachtergremium sechs Nachwuchsschaftlerinnen und wissenschaftler angehören, die ihrerseits einenkritischen Blick auf die Erstellung des Berichts werfensollen .Das alles gewährleistet eine qualitativ hochwertigeAnalyse und einen breit akzeptierten Bericht . Beim letzten Armuts und Reichtumsbericht war das anders .
Die Zusammenarbeit mit dem Beraterkreis wurde aufein Minimum reduziert, von Transparenz keine Spur .Auf Drängen der FDP wurden zahlreiche Passagen gestrichen,
so der Hinweis auf die sehr ungleiche Verteilung der Privatvermögen oder auf die 4 Millionen Menschen, die weniger als 7 Euro brutto pro Stunde verdienen .
Letzteres haben wir zum Glück ja ändern können .
Das war politisch aussagekräftiger als alles, was die FDPansonsten in der Debatte vorbringen konnte . Was war daspolitische Ergebnis? Wo ist die FDP heute?
Was ich damit sagen will: Es ist gut, wenn die Regierungihren Bericht verantworten und verteidigen muss .Auch wenn es Deutschland insgesamt gut geht: Jedesfünfte Kind lebt in Armut . Alleinerziehend und weiblichzu sein, ist immer noch das größte Armutsrisiko . Dieoberen 10 Prozent besitzen 60 Prozent der Vermögen,die unteren 50 Prozent gerade einmal 0,1 Prozent . Darüber und über die vielen interessanten Fragen, die imBericht angelegt sind, muss geredet werden: über Armutund Reichtum, über sozialen Zusammenhalt und über dieVerpflichtung des Eigentums in Deutschland.Um es mit den Worten Wilhelm Buschs zu sagen:Zu nehmen, zu behalten Und gut für sich zu leben, Fällt jedem selber ein . Die Börse zu entfalten, Den andern was zu geben, Das will ermuntert sein .Auch zu dieser Ermunterung sollte die Debatte beitragen .Glück auf!
Vielen Dank . – Nächster Redner ist Matthias W .Birkwald, Fraktion Die Linke .
Dagmar Schmidt
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren!
Reicher Mann und armer Mann
standen da und sah’n sich an .
Und der Arme sagte bleich:
„Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich .“
Ich sage, Frau Schmidt: Recht hat er, der Bertolt Brecht .
Skandalös ist: In unserer Gesellschaft wird Armut im
mer noch vererbt . Das Institut für Wirtschaftsforschung
Halle hat vorgestern festgestellt – ich zitiere –:
Für jedes Jahr Arbeitslosigkeit des Vaters erhöht
sich die Dauer der Arbeitslosigkeit des Sohnes im
Schnitt um zwei Wochen .
Fakt ist: Unser Sozialstaat schützt heute nicht mehr
vor Armut . Er schützt insbesondere Kinder nicht vor Ar
mut, er schützt Erwerbslose nicht vor Armut, er schützt
Alleinerziehende nicht vor Armut, und er schützt Ältere
nicht vor Armut . Genau deshalb brauchen wir einen
schonungslosen, einen ehrlichen und einen unabhängi
gen Armuts und Reichtumsbericht .
Denn, Frau Schmidt, die Bundesregierung ist verant
wortlich für die soziale Ungleichheit im Lande . Es heißt,
den Bock zum Gärtner zu machen, wenn die Bundes
regierung weiterhin den Armuts und Reichtumsbericht
schreibt . Schönfärberei ist da vorprogrammiert . Sie ha
ben es ja vorgetragen . Ich erinnere nur an die Schön
färberei des damaligen FDPChefs Philipp Rösler beim
Vierten Armuts und Reichtumsbericht .
Das wollen wir nicht mehr, und darum fordert die Linke
eine unabhängige Kommission .
Regierungsunabhängige Kommissionen sind eine gän
gige und bewährte Praxis . Der Gleichstellungsbericht
beispielsweise wird ebenfalls von einer unabhängigen
Kommission erarbeitet .
Meine Damen und Herren, Ministerin Andrea Nah
les und die Union versuchen immer wieder, den in ganz
Europa gültigen Maßstab für Armut anzuzweifeln . Trotz
alledem: Es hat sich durchgesetzt, dass ein Mensch dann
als armutsgefährdet gilt, wenn sein laufendes monat
liches Nettoeinkommen unterhalb von 60 Prozent des
durchschnittlichen Äquivalenzeinkommens liegt . Nach
dieser EU-weit etablierten Armutsdefinition ist man als
Alleinlebender in Deutschland aktuell bei einem monat
lichen Nettoeinkommen von weniger als 979 Euro von
Armut bedroht .
Das Ergebnis: 16 Prozent der Bevölkerung müssen
von weniger als 979 Euro im Monat leben . 16,6 Prozent
der älteren Frauen, 38,8 Prozent der Alleinerziehenden
und sage und schreibe 69,3 Prozent der Erwerbslosen
müssen von weniger als 979 Euro im Monat leben . Das
ist die traurige Realität in unserem Land . Wenn wir das
ändern wollen und eine Kellnerin oder ein Postbote durch
Arbeit aus der Armutsfalle rauskommen soll, dann müss
te sie oder er einen Bruttostundenlohn von 11,39 Euro
erhalten .
Auf Seite 1 des Armuts und Reichtumsberichts müss
te dann stehen: 8,50 Euro Mindestlohn sind zu niedrig,
um vor Armut zu schützen .
Und auf Seite 2 des Armuts und Reichtumsbericht wür
de dann stehen, dass Beschäftigte 45 Jahre lang einen
Stundenlohn von 14,57 Euro erhalten müssten, wenn sie
im Alter eine Rente in Höhe von 979 Euro netto erhalten
wollten . 14,57 Euro und nicht 8,50 Euro, Frau Schmidt!
Diese bitteren Wahrheiten sollen im nächsten Armuts
und Reichtumsbericht stehen .
Es sollten auch die zwingenden Schlussfolgerungen
daraus gezogen werden . Darum fordern wir Linken in
unserem Antrag eine regierungsunabhängige Kommis
sion und als Konsequenz aus dem Bericht ein Programm
gegen Armut und soziale Ausgrenzung .
Und wir wollen, dass auch qualitative Aspekte, die die
soziale Ausgrenzung jenseits des Geldes deutlich ma
chen, eingezogen werden .
Wir wissen nämlich, dass sich jeder fünfte Haushalt in
Deutschland keine Woche Urlaub im Jahr leisten kann .
Wir wissen, dass jeder dritte Haushalt bei unerwarteten
einmaligen Ausgaben in Höhe von 952 Euro überfordert
ist . Wir wissen, dass 8,4 Prozent der Haushalte es nicht
schaffen, jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit
auf den Tisch zu bringen . Und wir wissen auch, dass in
Deutschland 20 Prozent der Bevölkerung von Armut und
sozialer Ausgrenzung betroffen sind – mehr als 16 Mil
lionen Menschen! Armut in einem reichen Land gehört
abgeschafft .
Danke schön .
Vielen Dank . – Für die CDU/CSUFraktion sprichtjetzt der Kollege Dr . Matthias Zimmer .
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! KolleginSchmidt hat Busch zitiert . Dann kam auch noch BertoltBrecht .
– Wilhelm Brecht .
Jetzt haben Sie mich aber durcheinandergebracht .Mir ist beim Zuhören, vor allen Dingen bei der Rededes Kollegen Birkwald, ein Gedicht von Eugen Roth inden Sinn gekommen .
Es lautet wie folgt:Ein Mensch bemerkt mit bitterm Zorn, daß keine Rose ohne Dorn . Doch muß ihn noch viel mehr erbosen, daß sehr viel Dornen ohne Rosen .Meine Damen und Herren, Armut bekämpfen wirnachhaltig am besten, indem wir Menschen befähigen,indem wir ihnen Möglichkeiten eröffnen und Chancenbieten, sich selbst zu helfen . Armut ist ein Mangel anfundamentalen Verwirklichungschancen . Und hier wirdes dann auch grundsätzlich: Ein Mangel an Verwirklichungschancen ist ein Mangel an Freiheit . Deswegensind wir auch davon überzeugt: Nur dort, wo der Menschund seine Fähigkeiten ertüchtigt werden, für sich selbstVerantwortung zu übernehmen, hat das Soziale eineChance . Deswegen spricht der Nobelpreisträger AmartyaSen auch von der Freiheit als einem sozialen Gebot .Wir sind davon überzeugt, dass die Freiheit als soziales Gebot in der sozialen Marktwirtschaft einen geeigneten Ordnungsrahmen gefunden hat . Innerhalb diesesOrdnungsrahmens nehmen wir ein gewisses Maß an Ungleichheit hin . Ich glaube nicht, dass die These stimmt,Glück sei eine Funktion von gesellschaftlicher Gleichheit; vielmehr bin ich der Überzeugung: Gleichheit führteher zu gesellschaftlichem Stillstand, zu einer Erstickungvon Innovation und Kreativität, zu einem Abwürgen aller Entwicklung . Es muss gerecht zugehen in der Gesellschaft, was die Verteilung angeht, die Leistung, die Chancen . Menschen haben die gleiche Würde, aber eben sehrunterschiedliche Fähigkeiten und Begabungen . Wenn wirFreiheit als soziales Gebot ernst nehmen, müssen wir dieMenschen ertüchtigen, ihre Fähigkeiten und Begabungenzu entwickeln . Das führt notwendig zu einem gewissenMaß an gesellschaftlicher Ungleichheit .Nun ist auch richtig: Ein zu hohes Maß an Ungleichheit schränkt die Freiheit ein . Deswegen ist die Innenschau des Armuts und Reichtumsberichtes wichtig .Es lohnt sich, einen Blick auf die langfristigen Trendszu lenken . So hat Thomas Piketty herausgearbeitet, dassdie Ungleichheit der Einkommen und Vermögen vomEnde des 19 . Jahrhunderts bis zum Anfang der 80erJahredes 20 . Jahrhunderts deutlich abgenommen hat, um sichseither moderat zu erhöhen . Der Befund der letzten20 Jahre ist ebenfalls eindeutig, zumindest laut dem letzten Armuts und Reichtumsbericht der Bundesregierung:eine leichte Zunahme der Vermögensungleichheit undbei der Einkommensungleichheit eine Zunahme der Ungleichheit in den Jahren 2000 bis 2005, dann eine Stagnation . Das hat sicherlich mit den HartzGesetzen undmit der Einführung des Niedriglohnsektors zu tun . Ichbin deswegen gespannt, wie sich die Einführung desMindestlohns auf die Einkommensungleichheit auswirkt .Und, weil das Thema in den letzten Tagen aufgekommenist: Wer glaubt, er könne beim Mindestlohn Migrantengegen andere Arbeitnehmer ausspielen, ist ein sozialerBrandstifter .
Ich will noch einen Gedanken anfügen, auch mit Blickauf das Thema Migration . Wir hatten in der letzten Legislaturperiode eine EnqueteKommission, die sich mit derFrage Wohlstand und Lebensqualität beschäftigte undeinen Wohlstandsindikator erarbeitet hat . Dabei ging esauch um Armut und Reichtum, aber in einem sehr vielbreiteren Kontext, der auch ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit zum Thema hatte . Wenn ich einenWunsch an die Bundesregierung habe, dann den: vondem da erarbeiteten Wohlstandsindikator auch Gebrauchzu machen .
Augenblicklich ist die Landschaft in eine Vielzahl vonBerichten zersplittert: der Armuts und Reichtumsbericht,die Jahreswirtschaftsberichte, die Berichte zum Umweltschutz, zur Nachhaltigkeit und vieles mehr . Allerdingssind die einzelnen Politikbereiche ja miteinander verschränkt . Es nutzt eben nicht, nur die Einkommens undVermögensverteilung in den Blick zu nehmen, wenn dadurch die ökologische Nachhaltigkeit aus dem Blick gerät . Freiheit als soziales Gebot hat eine ökologische Dimension, nicht nur auf Wohlstand und Lebensqualität beiuns bezogen, sondern als Imperativ der Vorsorge . UnsereLebensweise hat Auswirkungen auf andere Länder .Um es überspitzt zu formulieren: Unseren wirtschaftlichen Reichtum, unseren Wohlstand, dürfen wir nichtdadurch erkaufen, dass wir die Lebenschancen von Menschen in anderen Regionen der Welt schmälern .
Das geschieht aber durch den Klimawandel . Wenn wirdiesen nicht begrenzen, könnte dieses Jahrhundert imZeichen ökologisch motivierter Fluchtbewegungen stehen . Im Zuge der Globalisierung sind auch die Schadensbeziehungen global geworden . Die Flüchtlingswellezeigt uns im Moment, wie schnell uns eine dadurch ausgelöste Wanderungswelle in die Verantwortung zwingt .Meine Damen und Herren, für den nächsten Armutsund Reichtumsbericht ist es sicherlich noch zu früh; aberes würde mich freuen, wenn sich die Bundesregierungentschließen könnte, beim übernächsten Armuts und
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Reichtumsbericht den klugen Indikatorensatz des Deutschen Bundestages zu Wohlstand und Lebensqualitätnachhaltig zu nutzen .
Herzlichen Dank .
Vielen Dank . – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Dr . Wolfgang StrengmannKuhn .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Matthias Zimmer, man muss wahrscheinlich nicht biszum nächsten Armuts und Reichtumsbericht warten,weil wir von der grünen Fraktion da schon aktiv geworden sind . Es ist ja bekannt: Wir haben damals in derEnqueteKommission ein anderes Indikatorenset vorgeschlagen . Nächstes Jahr, wenn der Jahreswirtschaftsbericht vorgestellt wird, werden wir einen alternativengrünen Jahreswohlstandsbericht vorlegen, in dem dievielfältigen Dimensionen von Wohlstand – ökologisch,ökonomisch usw . – berücksichtigt werden . Dann bekommst du das, was du gerade von der Bundesregierungeingefordert hast, schon mal von uns Grünen vorgelegt .
– Das ist schon an ein unabhängiges Institut vergebenworden, an zwei Wissenschaftler, die auch an die EnqueteKommission angedockt waren .Das ist jetzt zwar nicht das Hauptthema; aber wennes schon mal so grundsätzlich geworden ist und wir überWohlstand und Armut reden, will ich hier ein Zitat vonJohn Rawls einbringen; er hat sinngemäß gesagt, dasssich der Wohlstand einer Gesellschaft daran bemisst, wasdie schwächsten ihrer Glieder haben . Er hat für das MinimaxPrinzip plädiert, nach dem diejenigen, die am wenigsten haben, am meisten bekommen sollen . Er hat zugegeben, dass dies nicht unbedingt Gleichheit bedeutet,hat aber dafür plädiert, weil durch ungleiche Verteilungder Wohlstand aller angehoben werden könne – ganz indem Sinne, wie es eben beschrieben worden ist . Das istalso ein wichtiger Punkt . Und für uns Grüne bedeutetdas, dass wir vor allen Dingen die Freiheit derjenigen,die am wenigsten frei sind, steigern wollen . Das heißt füruns, dass wir zum Beispiel eine andere Grundsicherungerreichen wollen, nämlich eine solche, die die Menschentatsächlich zur Freiheit befähigt .
Nun vielleicht doch noch zu dem Antrag .
Wir haben jetzt über vieles geredet . Viele Zahlen zumBeispiel konnten wir nur deswegen hier so gut als objektive Gegebenheiten diskutieren, weil es die Armuts undReichtumsberichterstattung gibt . Sie ist wirklich eine Errungenschaft der damaligen rotgrünen Koalition .
In der Tat ist es wichtig, dass die Bundesregierungsagt, wie der Stand der Armut in Deutschland ist, weil siepolitisch verantwortlich ist . Auch die Bundesregierungmuss Vorschläge machen, wie man Armut bekämpfenkann,
nicht nur eine unabhängige Kommission . Es ist zu einfach, zu sagen: Wir geben das in eine Kommission, dasitzen Wissenschaftler, und die geben uns dann eineobjektive Lösung, die wir dann umsetzen können . – Sofunktionieren weder Wissenschaft noch Politik .
Ich beobachte das Ganze ja schon länger: Bei den ersten drei Armutsberichten war ich noch im Gutachtergremium, bei den letzten beiden Armuts und Reichtumsberichten habe ich es hier im Parlament verfolgt . Ich musssagen: Das Verfahren hat sich bewährt . Es gab zwar beiden letzten beiden Armuts und Reichtumsberichten denVersuch der Bundesregierung – beim vorletzten Berichtwar es Olaf Scholz, beim letzten Philipp Rösler –,
Einfluss auf den Text zu nehmen; aber es gab dann darüber eine offene politische Debatte hier im Parlament; unddas war gut so .
Deswegen ist der Vorschlag, den die Linken machen, abzulehnen .Ich will noch auf zwei Punkte eingehen, die ich mirfür den nächsten Armuts und Reichtumsbericht wünschen würde .Das eine ist: Die Vorgehensweise hat sich sehr bewährt – das ist bei diesem Mal tatsächlich besser gelaufen als beim letzten Mal –, aber wer nicht eingebundenwar, das sind wir, das Parlament. Ich finde, das ist nochein Manko . Wir sollten zusehen, dass wir am Anfang derLegislaturperiode – nicht jetzt, da wir schon in der Mittesind – eine Debatte darüber führen, was der Armuts undReichtumsbericht leisten soll, und der Bundesregierungeinen entsprechenden Auftrag erteilen . Das wäre meinesDr. Matthias Zimmer
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Erachtens eine wünschenswerte Weiterentwicklung desKonzepts, wie wir es derzeit haben .Einen zweiten Punkt möchte ich noch ansprechen .Letzte Woche gab es einen Gipfel zu den SDGs, Sustainable Development Goals . Der Unterschied zu denMDGs ist, dass auch wir diese Ziele erfüllen müssen . EinUnterziel bei dem Oberziel der Armutsbekämpfung ist,dass die Armut bis 2030 in den Ländern halbiert werdensoll, und zwar nach nationalen Definitionen. Ich würdemir dazu ein Konzept oder wenigstens Vorschläge derBundesregierung wünschen,
damit es tatsächlich gelingt, die Armut bei uns zu halbieren .Vielen Dank .
Vielen Dank . – Jetzt hat der Kollege Matthäus Strebl,
CDU/CSUFraktion, das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn es heißt, der Armuts undReichtumsbericht der Bundesregierung müsse „qualifiziert“ werden, dann meinen die Antragsteller, die Fraktion Die Linke, natürlich Qualifizierung ausschließlich inihrem Sinn .In dem Antrag ist gleich zu Beginn im Hinblick aufdie Bundesregierung die Rede davon – ich zitiere –:Damit liegt die Zuständigkeit für die Beschreibungund die Bewertung von Armut und Reichtum in denHänden der Instanz, die die politische Verantwortung für die soziale Spaltung trägt .Werte Kolleginnen und Kollegen, bei einer solchenFormulierung sind Zweifel angebracht, ob wirklich einesachliche Auseinandersetzung gewünscht wird . Ein weiteres Beispiel soll genügen, um diese Zweifel zu stärken:Der Bundesregierung werden „Verschleierungsabsichten“ unterstellt, und die bisherigen Berichte stellen demnach „dem jeweiligen Regierungshandeln ein Armutszeugnis aus“ .
Wer den Antrag liest, muss sich fragen: In welchemLand leben die Linken eigentlich? Sie behaupten, der flächendeckende Mindestlohn sei gescheitert und „ein Desaster für das Niedriglohnland Deutschland“ . An keinerStelle des Antrags wird die Situation in Deutschland auchnur annährend so beschrieben, wie sie sich tatsächlichdarstellt . Dass ein solcher Antrag kurz vor dem 25 . Jahrestag der Wiedervereinigung im Bundestag behandeltwerden muss, entbehrt im Übrigen nicht einer gewissenIronie .
Es wird behauptet, die Große Koalition unternehmenichts gegen Armut . Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen, eine gute Arbeitsmarktpolitik ist dochwohl das beste Mittel gegen Armut . Das behaupte ichjedenfalls . Von 2013 bis zum September 2015 ist dieArbeitslosenquote von 6,9 Prozent auf 6,2 Prozent zurückgegangen . Laut Bundesagentur für Arbeit waren imSeptember 2,7 Millionen Menschen arbeitslos gegenüber2,8 Millionen im Vergleichsmonat des Vorjahres . Insgesamt haben wir 43 Millionen Erwerbstätige und 31 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, so vielewie noch nie .
Der schon genannte Mindestlohn wird ebenfalls dazubeitragen, die Wohlstandsschere ein wenig zu schließen .Er wird ja von einer Mindestlohnkommission entsprechend fortgeschrieben werden .Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zueinem anderen Aspekt des Antrags kommen . Es wirdsuggeriert, dass der größte Teil der Menschen in Deutschland in bitterer Armut lebt .
– Es ist so herauszulesen .
Die Antragsteller werfen der Bundesarbeitsministerinvor, sie wolle mit ihrer Definition des ArmutsbegriffsArmut in Deutschland wegdefinieren. So der Vorwurfgegenüber der Bundesarbeitsministerin . Hier muss dieFrage erlaubt sein, was unter Armut bzw . unter Reichtumüberhaupt zu verstehen ist . Der Hamburger Zukunftsforscher Opaschowski hat beispielsweise erst kürzlich in derRheinischen Post gesagt – ich zitiere –:Die Frage nach dem Reichtum wird immer wiederreduziert auf eine Geldfrage .Man macht es sich in der Tat zu einfach, wenn man nurdas Einkommen betrachtet und den Menschen sagt: „So,Ihr seid arm“ oder: „Ihr seid reich“ .
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,2014 lag die vom Statistischen Bundesamt errechnete Armutsgefährdungsschwelle für Alleinstehende inDeutschland bei 917 Euro . Für Familien mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren betrug sie1 926 Euro . Dabei gibt es regionale Unterschiede, wiewir wissen . In MecklenburgVorpommern zum Beispielgilt die genannte Familie mit 1 615 Euro im Monat alsDr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
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armutsgefährdet, dagegen in BadenWürttemberg schonbei 2 119 Euro im Monat .
Der Antrag der Linken weist die bisherigen Armutsund Reichtumsberichte als „schönfärberisch“ zurück .Allerdings ist jetzt, werte Kolleginnen und Kollegen vonder Linken, durch die Einbeziehung vieler gesellschaftlicher Gruppen sichergestellt, dass der Fünfte Armuts undReichtumsbericht frei von sprachlichen Tricks sein wird,die die Situation beschönigen könnten . Es wird ein ehrliches Bild der Lage in Deutschland geben . Die von Ihnen verlangte unabhängige Kommission ist daher völligüberflüssig. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen,dass Sie von der Fraktion Die Linke deren Ergebnisseauch nicht anerkennen würden, wenn sie Ihren vorgefassten Meinungen nicht entsprächen .
Vielleicht werden Sie Ihren Antrag wieder und wiedereinbringen, wie wir es von Ihnen gewohnt sind . Zustimmungsfähig würde er dadurch auch nicht werden .Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .
Vielen Dank . – Als letzter Redner zu diesem Tages
ordnungspunkt erhält jetzt der Kollege Markus Paschke,
SPDFraktion, das Wort .
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich
halte einen qualifizierten Armuts- und Reichtumsbericht
genau wie Sie für wichtig . Er ist ein geeignetes Instru
ment, um die soziale Wirklichkeit in Deutschland zu ana
lysieren . Und zur Analyse der sozialen Wirklichkeit ge
hört die Erkenntnis, dass die Schere zwischen Arm und
Reich in unserem Land weit auseinanderklafft .
Hier haben wir nach wie vor viel Arbeit vor uns,
Arbeit, die eben auch auf einem qualifizierten Bericht
beruhen muss . Allerdings unterscheidet sich mein Ver
ständnis von „qualifiziert“ von Ihrem: Aus meiner Sicht
ist es richtig, dass die Verantwortung für den Bericht
beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales liegt
und nicht bei einer externen Kommission . Beim Ministe
rium liegen die Kompetenz und die Fachkenntnis,
und dort werden auch entsprechende Folgerungen gezo
gen, zum Beispiel aufstockende Leistungen im SGB II
oder beim Thema Altersarmut .
Insbesondere beim letzten Bericht wurde deutlich,
dass die Beschreibung des Zustandes in Deutschland
sehr politisch gefärbt ist . Die Änderungen am Vierten
Armuts und Reichtumsbericht und der offensichtliche
Versuch, die Wirklichkeit so in einem sanfteren Licht
erscheinen zu lassen, haben die politische Diskussion in
der Öffentlichkeit befördert und bei vielen das Problem
bewusstsein erst geschärft .
Umso wichtiger ist es, die Entstehung des Berichtes
von Anfang an transparent zu machen, und genau das tut
unsere Ministerin Andrea Nahles .
Fragen wie: „Was wird untersucht?“, „Welche Daten flie
ßen in den Bericht ein?“, „Wer arbeitet an dem Bericht?“,
werden für jedermann auf dem Internetportal www .ar
mutsundreichtumsbericht .de umfänglich beantwortet .
Mehr Transparenz geht nicht .
Hinzu kommt, dass der Fünfte Armuts und Reich
tumsbericht gezielt um wichtige Schwerpunktthemen er
weitert wird .
Herr Kollege, Sie haben die Chance auf mehr Re
dezeit, wenn Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen
Zimmer zulassen .
Aber gerne .
Ich hatte es vermutet .
Danke schön . – Herr Kollege Paschke, können Sie
ausschließen, dass der Armuts und Reichtumsbericht,
nachdem er von dem Ministerium mit der unterstellten
und mit Sicherheit auch vorhandenen Sorgfalt erstellt
wurde, auf dem Wege zur Kabinettsbefassung geändert
wird?
Nein . Aber das ist doch genau das, was wir politischzu bewerten haben . Wir haben darüber zu diskutieren,ob und wann welche Änderungen vorgenommen werdensollen . Das Recht muss das Parlament haben .
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– Das Parlament muss das Recht haben, darüber zu diskutieren, ob Änderungen, die vorgenommen werden,korrekt und akzeptabel sind .
Der Fünfte Armuts und Reichtumsbericht wird gezieltum Schwerpunktthemen erweitert, die schon genanntwurden . Zum ersten Mal werden auch die gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen ausführlich dargestellt . Im Vergleich zu den vorangegangenen Berichtenherrscht jetzt also ein Klima von Offenheit und Transparenz. Ich finde, schon der letzte Bericht war ein wichtiger Anstoß für politische Initiativen und Veränderungen,zum Beispiel für die Einführung des Mindestlohns unddie Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente .
Ich erwarte, dass auch der fünfte Bericht als Grundlagedienen wird, um unsere Gesellschaft in Deutschland gerechter zu gestalten .Danke schön .
Ich schließe die Aussprache .
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus
ses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion
Die Linke mit dem Titel „Armuts und Reichtumsbericht
qualifizieren und Armut bekämpfen“. Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck
sache 18/6218, den Antrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 18/5109 abzulehnen . Wer stimmt für die Be
schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent
hält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim
men der CDU/CSUFraktion, der SPDFraktion und der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke angenommen .
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a und 14 b auf:
a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Ent
wurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom
24. Juni 2010 zur Änderung des am 25. und
30. April 2007 unterzeichneten Luftverkehrs-
abkommens zwischen den Vereinigten Staaten
von Amerika und der Europäischen Gemein-
schaft und ihren Mitgliedstaaten
Drucksache 18/5271
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus
schusses für Verkehr und digitale Infrastruktur
Drucksache 18/6161
b) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Ent
wurfs eines Gesetzes zu dem Luftverkehrsab-
kommen vom 16. und 21. Juni 2011 zwischen
den Vereinigten Staaten von Amerika als ers-
ter Partei, der Europäischen Union und ihren
Mitgliedstaaten als zweiter Partei, Island als
dritter Partei und dem Königreich Norwegen
als vierter Partei und zu dem Zusatzabkom-
men vom 16. und 21. Juni 2011 zwischen der
Europäischen Union und ihren Mitgliedstaa-
ten als erster Partei, Island als zweiter Partei
und dem Königreich Norwegen als dritter
Partei, betreffend die Anwendung des Luft-
verkehrsabkommens vom 16. und 21. Juni
2011
Drucksache 18/5580
Beschlussempfehlung und Bericht des Aus
schusses für Verkehr und digitale Infrastruktur
Drucksache 18/6072
Zu dem Gesetzentwurf zu dem Protokoll zur Ände
rung des Luftverkehrsabkommens liegt ein Entschlie
ßungsantrag der Fraktion Die Linke vor .
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei
nen Widerspruch . Dann ist es so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache . Als erstem Redner ertei
le ich das Wort dem Abgeordneten Peter Wichtel, CDU/
CSUFraktion .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Im März 2008, also vor sieben Jahren, hatmit der Verabschiedung des sogenannten Open SkiesAbkommens zwischen der Europäischen Union, denMitgliedstaaten der Europäischen Union und den USAeine neue Ära der transatlantischen Luftfahrt begonnen .Mit dem wegweisenden Luftverkehrsabkommen habenzwei der größten Luftverkehrsmärkte der Welt vereinbart, enger zusammenzuarbeiten . Sie haben alle bisherigen Einschränkungen hinsichtlich Strecken, Tarif oderder Anzahl von Flügen aufgehoben . Das bedeutete eineStärkung des Wettbewerbs am Himmel, mehr Passagiere, Kostenersparnisse für die Airlines und insbesondereniedrige Ticketpreise für uns Verbraucher .Heute befassen wir uns mit der Erweiterung des Luftverkehrsabkommens zwischen der Europäischen Union,den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und denUSA, mit der sogenannten zweiten Stufe . Die Vereinbarung darüber wurde im Jahr 2010 unterzeichnet und wirdseitdem vorläufig angewendet. Die Erweiterung bringtspürbare Verbesserungen mit sich . So hat man sich nebeneiner weiteren Stärkung des Wettbewerbs auf eine verbesserte Zusammenarbeit in Fragen des Umweltschutzes, des Lärmschutzes, der Flugsicherheit, der GefahrenMarkus Paschke
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abwehr, des Klimawandels und des Verbraucherschutzessowie in sozialen Fragen geeinigt .
Es gibt beispielsweise eine Arbeitsvereinbarung übergegenseitige Flughafenbewertungen . Zudem wurde mitdem Umweltschutzprojekt AIRE ein Vorhaben zur Verminderung der umweltschädlichen Auswirkungen vonTransatlantikflügen gestartet.Das ursprüngliche Abkommen aus dem Jahr 2008, dasdie weitreichendsten Vereinbarungen enthielt, die jemalsim Luftverkehr ausgehandelt wurden, kann mit der unsnun vorliegenden zweiten Stufe aus dem Jahr 2010 invielen Bereichen noch einmal verbessert werden .Fester Bestandteil des Abkommens wird auch weiterhin der sogenannte Gemeinsame Ausschuss sein . Indiesem Gremium kommen mindestens einmal pro JahrVertreter aller Vertragsparteien, also der EuropäischenUnion, der europäischen Mitgliedstaaten und der USA,zusammen, um Konsultationen zum Abkommen durchzuführen und dessen Anwendung zu prüfen . Deutschlandwird dabei durch das Bundesverkehrsministerium vertreten .
Wichtig anzumerken ist, dass der Gemeinsame Ausschuss keine Gesetzgebungsgewalt hat und ein reines Beratungsgremium ist . Zudem werden die Entscheidungeneinvernehmlich getroffen . Teilweise aufkommende Kritik am Ausschuss, dieser würde es einzelnen Mitgliedstaaten oder der Europäischen Union oder den Amerikanern ermöglichen, eigenmächtige Entscheidungen zutreffen, ist somit falsch und vollkommen unbegründet .Ähnlich verhält es sich mit der Kritik an den vermeintlich niedrigen Umweltstandards . So gibt es Stimmen, diebehaupten, dass mit dem Inkrafttreten des erweitertenAbkommens die Umweltstandards alle nicht mehr eingehalten werden müssen, sondern nur noch das Regelwerkder internationalen Zivilluftfahrt, also der ICAO . Auchdieser Vorwurf ist falsch und haltlos . Es ist vielmehr so,dass die Standards erhalten bleiben,
dass die Gesetzgebungsverfahren nach wie vor von denNationalstaaten gemacht werden . Im Rahmen der Kompetenz und im Einklang mit höherem Recht kann diesauch weiterhin getan werden . Die Umweltregeln, die wirhaben, bleiben erhalten .Abschließend betrachtet bieten das Luftverkehrsabkommen und die uns vorliegenden Erweiterungen unschätzbare Vorteile für die Luftverkehrsunternehmenund insbesondere für uns Passagiere . Die seitens derEUKommission veröffentlichten Werte bestätigen diesübrigens eindrucksvoll . So rechnet man langfristig damit, dass 26 Millionen Passagiere zwischen Europaund den USA mehr fliegen werden. Der wirtschaftlicheund volkswirtschaftliche Nutzen wird bei 12 MilliardenEuro liegen . Außerdem schätzt man, dass bis zu 80 000Arbeitsplätze entstehen können .Kurzum: Das ursprüngliche Abkommen aus demJahr 2008 und die europäische Erweiterung des Luftverkehrsabkommens werden nun mit dem Protokoll und derzweiten Stufe nochmals verbessert . Deswegen werdenwir ihm zustimmen .Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge
ordneten Herbert Behrens, Fraktion Die Linke .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Derinternationale Luftverkehr braucht einheitliche Regeln .Darin sind wir, glaube ich, einer Meinung . Doch was hierunter dem sehr unverfänglichen Titel „Änderung zumLuftverkehrsabkommen“ daherkommt, ist weit mehr . Esgeht hierin um knallharte Profitinteressen, die geregeltwerden sollen .Erstens . Die wirtschaftlichen Belange der Fluggesellschaften sollen über die Interessen der Bürgerinnen undBürger gestellt werden,
die auf saubere Luft und Schutz vor Fluglärm angewiesen sind .Zweitens . Die Fluggesellschaften sollen über einenGemeinsamen Ausschuss Einfluss bekommen, um beispielsweise über Nachtflugverbote und andere einschränkende Maßnahmen zu entscheiden .Drittens. Schiedsgerichte sollen im Konfliktfall darüber richten, ob und zu welchem Preis ein Nachtflugverbotbestehen kann oder auch nicht .
Das ist so etwas wie das Freihandelsabkommen TTIPdes Luftverkehrs
einschließlich Investorenschutz und privater Schiedsgerichte . Das ist für die Linke unannehmbar .
Nun konkret, Sie haben danach gefragt . Umweltschutzgibt es nicht mehr . Es heißt jetzt nur noch „Umwelt“ . DerSchutz wurde vorsorglich gestrichen . Allerdings könnteman auch von Investorenschutz sprechen . Dann trifft esnoch zu . Nun sollen Auswirkungen der internationalenLuftfahrt auf die Umwelt lediglich „in wirtschaftlich angemessener Art und Weise“, so heißt es, begrenzt oderPeter Wichtel
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verringert werden . Konsequenter Schutz der Menschenin der Nähe von Flughäfen sieht anders aus .
Darüber hinaus wird den Luftverkehrsgesellschaftenein direkter Zugang zu allen Entscheidungsprozessender Luftverkehrsbehörden verschafft, die zulasten derKapazitäten eines Flughafens gehen können . Die Luftverkehrsgesellschaften können dadurch direkt auf diesenProzess einwirken . Das ist weit mehr, als zum BeispielUmweltverbänden oder auch Lärmbetroffenen zusteht .Selbst die – wenn auch aus unserer Sicht untauglichen –Lärmpausen am Frankfurter Flughafen fallen unter dieseRegelung des Luftverkehrsabkommens
wie übrigens auch lärmmindernde Flugrouten und Anflugverfahren, bei deren Festlegung weder Bürger nochVerbände beteiligt werden . Diesen Demokratieabbaumüssen wir stoppen .
Wenn sich dann noch eine Luftverkehrsgesellschaft –nicht nur USamerikanische – in ihren Rechten beschnitten fühlt, dann geht es in den Gemeinsamen Ausschuss .Dieser Ausschuss soll kontinuierlich prüfen, an welchenStellen „widersprüchliche Regulierungsanforderungen“,so heißt es, vorliegen und wie sie abgebaut werden können . Der Gemeinsame Ausschuss erhält einen kontinuierlichen Prüfauftrag für Betriebsbeschränkungen wie zumBeispiel Nachtflugverbote.Konkret heißt das: Schränkt ein Nachtflugverbot,das vor Ort beschlossen worden ist, die wirtschaftlicheFreiheit der Fluggesellschaften ein, kann es mit einemeinstimmigen Beschluss des Gemeinsamen Ausschusses aufgehoben werden . Diesen Beschluss müsste dieBundesregierung umsetzen . Wie das geht, haben wir amFlughafen Köln/Bonn gesehen, wo das Bundesverkehrsministerium im Februar dieses Jahres eine Entscheidungdes Landtags NordrheinWestfalen gekippt hat .
Natürlich wird im Gemeinsamen Ausschuss nicht immer Einmütigkeit herrschen . Aber für diesen Fall ist vorgesorgt. Im Konfliktfall, Schritt drei, wird nämlich einSchiedsgericht angerufen . Worum es dabei geht, wissenwir . Es geht dabei um Entschädigung für entgangenenProfit. Kurzum: Auf der Basis dieses Protokolls zumLuftverkehrsabkommen werden Nachtflugverbote, dieden Luftverkehrsgesellschaften nicht passen, entwederausgesetzt oder richtig teuer .Wir sagen Nein zu diesem vorauseilenden Gehorsamgegenüber der Luftverkehrswirtschaft . Wir sagen Nein zudiesem garantierten Profit für Luftverkehrsunternehmen.
Wer sich in diesem Hause nicht selbst entmündigenund Umweltschutz dem Wachstum im Luftverkehr opfern will, muss diesen Gesetzentwurf ablehnen und unserem Entschließungsantrag zustimmen .
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abge
ordneten Arno Klare, SPDFraktion .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Behrens, ichfange mit dem Umweltschutz an, weil Sie gesagt haben,das Wort „Umweltschutz“ käme in dem Vertragswerk garnicht vor .
Die Überschrift heißt „Umwelt“ . Dann geht es weiter:„Die Vertragsparteien erkennen die Bedeutung des Umweltschutzes . . .“ usw . In dem ersten Absatz kommt dasWort „Umweltschutz“ sogar zweimal vor . Aber wir müssen jetzt nicht darüber reden; es ist einfach so, wie iches sage .
Man muss, glaube ich, ein wenig tiefer in dieses Vertragswerk auch im juristischen Sinne einsteigen, um eseinordnen zu können .
Welchen Hintergrund hat das? Das Ganze findet imRahmen des Vertrages, der 1944 geschlossen worden istund die Internationale Luftfahrtorganisation begründete,statt; die Bundesrepublik Deutschland konnte natürlicherst 1956 beitreten . Dieser ICAOVertrag enthält dreiGrundsätze, die sehr wichtig sind: einmal das Grundprinzip der Souveränität aller Staaten ausgedrückt in dem Begriff der Lufthoheit – hier ist ausdrücklich nicht die überStammtische gemeint –, zweitens die Chancengleichheit,damit alle, die den Luftraum nutzen, die gleichen Regelnhaben, und drittens – das ist daraus abgeleitet – die sogenannte Diskriminierungsfreiheit . Das heißt, wenn ich ineinem Luftraum die Souveränität habe wie die Bundesrepublik Deutschland im Luftraum über dieser Republik,dann müssen alle Fluggesellschaften, die Flughäfen inunserem Lande anfliegen, die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben . Darum geht es im Kern .Es gibt in dem Vertrag, von dem Herr Wichtel geradegeredet hat und der schon seit 2007 existiert, eine Formulierung, die man sich genau anschauen muss . Bitte genauhinhören! In der vorherigen Debatte sind Dichter zitiertworden; das ist jetzt allerdings juristische Prosa .
Herbert Behrens
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In Artikel 7 unter der Überschrift „Anwendung vonRechtsvorschriften“ – so einen Satz können nur Juristenhinbekommen; ich hoffe, ich trage ihn jetzt korrekt vor –heißt es:Die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften einerVertragspartei– das sind wir –betreffend den Einflug in ihr oder den Ausflug ausihrem Gebiet der im internationalen Luftverkehreingesetzten Luftfahrzeuge oder betreffend den Betrieb und den Verkehr dieser Luftfahrzeuge innerhalb ihres Gebietes gelten für die Luftfahrzeuge,die von den Luftfahrtunternehmen der anderen Vertragspartei verwendet werden, und sind von diesenLuftfahrzeugen beim Ein- oder Ausflug und innerhalb des Gebietes der ersten Vertragspartei zu befolgen .Ich weiß, dass man diesen Satz mit 0,5 Promille nichtmehr vortragen kann .
Der Kern des Satzes lautet:Die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften einerVertragspartei . . .– also von uns –sind zu befolgen .Das heißt, es gibt einen Bereich, in dem wir souveränsind und in dem wir Gesetze erlassen können, die eindeutig zu befolgen sind . Sie stellen das gerade in Abredeund erwecken den Eindruck, als könne das ausgehebeltwerden . Damit würde der Basisvertrag, nämlich derICAOVertrag, null und nichtig . Er ist aber der Rahmen,der vorgegeben wird,
und jedes Luftverkehrsabkommen, das abgeschlossenwird, hat in seiner Eingangsformel eine Bezugnahme aufdiesen Vertrag . Jedes!
Insofern stimmt das, was Sie sagen, nicht . Es gilt weiterhin die Lufthoheit, die Souveränität unseres Landes,und bei Umweltschutzmaßnahmen der sogenannte ausgewogene Ansatz, der „balanced approach“ . Das bedeutet, es gibt ein Kriterienviereck, nach dem man sich zurichten hat . Alle Kriterien sind gleichermaßen wichtig .Es ist manchmal schwer, sich das vorzustellen; aber esist so . Es geht um Flugsicherheit, um ökologische Ziele, um ökonomische Ziele und um flugbetriebliche Ziele.Sie sind gleichermaßen bedeutend und haben bei der Abwägung das gleiche Gewicht .Außerdem gibt es eine Kaskade, wie zum Beispielökologische Ziele wie Lärmminderung einzuhalten sind:Am Anfang steht die Lärmreduktion an der Quelle .Jeder Fluglärmaktivist, aber auch jeder Aktivist auf derGegenseite sagt genau das: Es muss an der Quelle beginnen .Dann gibt es lokale Maßnahmen wie die in einem Flächennutzungsplan im Bereich der Raumordnung, aberauch beim passiven Lärmschutz .Lärmreduktion am Boden bedeutet, man muss andereFlugverfahren und bei Flughäfen andere Anflugsystemehaben . Auch das ist lärmreduzierend .Als letzter Schritt, als Ultima Ratio sozusagen, wennman das Ziel mithilfe der ersten drei Kriterien nicht erreichen kann, kommen Betriebsbeschränkungen ins Spiel .Das ist der „balanced approach“ . Er ist völkerrechtlich verbindlich und muss angewendet werden . Aber dieMaßnahmen, mit denen man das Ziel erreicht, unterliegen dem nationalen Recht, das durch keinen anderen Vertrag ausgehebelt wird, auch nicht durch den, der hier inRede steht .
Zusammengefasst muss man sagen: Es gelten der „balanced approach“ und die Lufthoheit . Genau dies ermöglicht uns, diese Regelungen zu treffen . Ihre Interpretationist juristisch schlicht falsch .
Ich möchte noch auf eines hinweisen – es wäre vielleicht nicht ganz unwichtig gewesen, wenn Sie das erwähnt hätten; das hätte ich eigentlich erwartet –: Zumersten Mal überhaupt ist in einem Luftverkehrsabkommen eine soziale Dimensionierung vorgenommen worden; das ist ein ganz wesentlicher Punkt . Es wird nämlich ein Artikel 17 a eingefügt, in dem auf die sozialeDimension des Abkommens abgehoben wird . Eine ganzwichtige Formulierung ist, dass offene Märkte, um die eshier geht, und hohe arbeitsrechtliche Normen zusammengehören . Das steht in dem Vertrag, über den wir heute zuentscheiden haben, drin .Von den Gewerkschaften, die im Luftverkehrsbereichaktiv sind, weiß ich, dass sie das begrüßen und sagen:Endlich ist die soziale Dimension wirklich einmal ineinem Vertrag formuliert worden . – Das gab es bisherin keinem einzigen Luftverkehrsabkommen . Das gibtes erst jetzt, nämlich in diesem Luftverkehrsabkommenzwischen der Europäischen Union und den VereinigtenStaaten von Amerika .
Insofern kann ich Ihnen nur empfehlen, diesem Vertragzuzustimmen .Ich hatte zwei Aufgaben:Erstens . Ich wollte Sie überzeugen, Herr Behrens . Ichweiß, dass ich Sie nicht überzeugt habe . Sie werden nichtzustimmen; das weiß ich . Aber vielleicht kann ich Sie jadazu bringen, dass Sie sich enthalten .Meine zweite ganz schwere Aufgabe betrifft HerrnRimkus . Es gibt eine Art Running Gag zwischen uns . IchArno Klare
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habe mit Herrn Rimkus vereinbart, dass wir uns in unseren Reden immer gegenseitig erwähnen . Das ist mir jetztgelungen .Ich danke, dass Sie mir zugehört haben .
Zum Glück haben Sie das noch innerhalb Ihrer Rede
zeit geschafft . Sonst wäre ich dazwischengegangen .
Als nächster Redner hat der Abgeordnete Stephan
Kühn, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort . Bitte .
Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ
NEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir haben uns im Deutschen Bundestag be
reits mit zahlreichen Luftverkehrsabkommen befasst .
Das Luftverkehrsabkommen zwischen den Vereinigten
Staaten von Amerika, der Europäischen Gemeinschaft
und ihren Mitgliedstaaten hat eine besondere wirtschaft
liche Bedeutung und weist relevante Besonderheiten auf .
Im uns vorliegenden Gesetzentwurf zum Protokoll
vom 24 . Juni 2010 zur Änderung des bereits 2007 unter
zeichneten Luftverkehrsabkommens sind detaillierte Be
stimmungen zu Betriebsbeschränkungen enthalten . Sie
machen aus unserer Sicht das Erlassen von Betriebsbe
schränkungen, wie beispielsweise Nachtflugverboten,
zum Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsgefährden
dem Lärm an deutschen Flughäfen in Zukunft mindes
tens schwerer .
Die hier verfassten Regeln zum Lärmschutz sind ins
besondere deswegen relevant, weil – das wurde schon
erwähnt – im Luftverkehrsabkommen für Streitfälle die
Anrufung einer Schiedsgerichtsbarkeit vorgesehen ist . In
Artikel 19 des Gesetzes zu dem Luftverkehrsabkommen
vom 25 . und 30 . April 2007 steht Folgendes – ich zitie
re –:
Einigen sich die Vertragsparteien nicht . . ., so wird
die Streitigkeit auf Ersuchen einer der Vertrags
parteien in Übereinstimmung mit den nachstehend
aufgeführten Verfahren Gegenstand eines Schieds
verfahrens .
Die Fragen des Lärmschutzes an Flughäfen sollen also
nicht mehr vor regulären deutschen Gerichten verhan
delt, sondern von Schiedsgerichten entschieden werden .
Wie für TTIP gilt auch hier: Wir wollen nicht, dass Unter
nehmen jenseits der bestehenden Rechtssysteme in in
transparenten Verfahren Sonderrechte erstreiten können .
Davon, dass Fluggesellschaften klagen würden, ist
auszugehen . Amerikanische Airlines haben in der Ver
gangenheit wiederholt gegen die deutsche und die euro
päische Umweltgesetzgebung geklagt . So hat eine US
Fluggesellschaft vor dem Finanzgericht in Hessen gegen
die Luftverkehrsteuer geklagt, wenn auch erfolglos . Die
Richter haben festgestellt, dass die Luftverkehrsteuer
sehr wohl völkerrechts und verfassungskonform ist .
In einem anderen, aber ähnlichen Fall haben einige
amerikanische und kanadische Luftverkehrsunterneh
men gegen die Einbeziehung des Luftverkehrs in den
EUEmissionshandel geklagt . Eine der Begründungen
dieser Klage war, dass der Emissionshandel gegen das
sogenannte OpenSkiesAgreement verstößt . Der Text,
über den wir hier beraten, ist eine Ergänzung zum Open
SkiesAgreement . Das will ich an dieser Stelle auch er
wähnen .
Die Airlines haben wieder verloren . Die Einbeziehung
internationaler Flüge in das Emissionshandelssystem war
rechtens . Diese Klage wurde vor dem Europäischen Ge
richtshof und nicht vor einem Schiedsgericht verhandelt,
und dort gehören diese Verfahren auch hin .
Positiv kann man zu dem Vertragstext erwähnen, dass
darin tatsächlich eine AntiDumpingKlausel verankert
ist . Herr Klare hat es erwähnt .
Hier wird endlich anerkannt, dass offene Märkte auch or
dentliche arbeits und sozialrechtliche Normen brauchen .
Das amerikanische Verkehrsministerium hat der Bil
ligfluggesellschaft Norwegian Air International mit Sitz
in Irland auf Basis von Artikel 17 a des vorliegenden Pro
tokolls die Verkehrsrechte verweigert . Hintergrund war,
dass Norwegian Air International für Langstreckenflüge
Leiharbeiterinnen aus Singapur und Thailand zu den dor
tigen schlechten Arbeitsrechtsstandards beschäftigt hatte .
Dieser Aspekt wiegt die eingangs beschriebenen
Nachteile des Abkommens aber nicht auf . Deshalb wer
den wir heute gegen den Gesetzentwurf stimmen und uns
dem Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke an
schließen .
Herzlichen Dank .
Als letztem Redner in dieser Aussprache erteile ich
das Wort dem Abgeordneten Thomas Jarzombek, CDU/
CSUFraktion .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass dieses Luftverkehrsabkommen zu einem solchen politischenDiskurs taugt, hätte man eigentlich nicht für möglich gehalten . Ich glaube, dass nicht nur der freie Handel etwasArno Klare
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Gutes ist, sondern dass auch freie Flugbeziehungen etwas Gutes sind .
Wir haben in den letzten Tagen viel über die Zukunft desAutomobils geredet . Das Automobil hat für viele junge Menschen zu großer Freiheit geführt . Heute bringengünstige und einfache Flugverbindungen die Menschennicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt zusammen . Unsere jungen Leute heute wissen, wie es in anderen Ländern aussieht . Das baut Ressentiments ab, bringtMenschen zusammen und macht Europa erst komplett .Das Luftverkehrsabkommen zwischen Europa undden USA ist ein großer Erfolg in dieser Hinsicht, weilman jetzt schlicht und ergreifend von allen Orten deseinen Kontinents zu allen Orten des anderen Kontinentsfliegen kann. Das klingt wie eine Selbstverständlichkeit,ist aber keine . Es zeigt auch, wie die Perspektiven vonFreihandel sind . Wenn man zurückschaut, stellt man fest:Es ist noch nicht viele Jahre her, und genau durch dieseLuftverkehrsabkommen werden Wettbewerbsbeschränkungen innerhalb Europas, nämlich in Großbritannien,aufgehoben .Am Airport Heathrow hatten allein British Airwaysund American Airways einen Marktanteil von 75 Prozent . Nur vier Fluggesellschaften durften in London landen . Das waren neben den beiden benannten noch Virginund United . Der Markt war fein sortiert . Genau durchdiese Abkommen hier hat man den Markt öffnen können,und jetzt dürfen auch unsere deutschen Airlines – dieLufthansa, Air Berlin – nach London fliegen. Das Ganzebringt in der Tat einen sehr spürbaren Effekt . Wenn manallein Air Berlin betrachtet, so sieht man, dass sich dieAnzahl der Flüge in die USA in dem Zeitraum von 2008bis heute verdoppelt hat – sogar um 105 Prozent gestiegen ist – und sich auch die Anzahl der verkauften Sitzeverdoppelt hat . Das zeigt, dass hier in der Tat Wachstumzu verzeichnen ist und auch unsere Anbieter in diesenMarkt gekommen sind, die es an dieser Stelle im Übrigenauch dringend nötig haben .Ich glaube, dass Wettbewerb und Effizienz auch zumUmweltschutz beitragen; denn im besten Falle ist dasFlugzeug voll und nicht halbleer . Erst dann, wenn dieAnbieter gezwungen werden, so zusammenzuarbeiten,dass sie die Sitze füllen, ist auch der Umwelt gedient .Ich bin schon überrascht, dass das Ganze jetzt offensichtlich auch noch zu einer Debatte über Schiedsgerichte, TTIP und Umweltstandards geworden ist .
Nun kann man in dieser Woche auch sagen, dass dieAntwort auf die Frage, wo denn die höchsten Umweltstandards gelten, nicht zwangsläufig „in Europa“ lautenmuss . Volkswagen hat gerade bitter zu spüren bekommen,dass in Amerika verdammt hohe Verbraucherschutz undUmweltstandards gelten .Ich glaube, dass es etwas Gutes ist, wenn sich die beiden Kontinente mit den strengsten Standards zusammentun und hier auch Freihandel ermöglichen .
Vielleicht auch ein Wort zu den Schiedsgerichten,die ja unentwegt von Ihnen diskreditiert werden: DieSchiedsgerichte sind ja keine Erfindung der USA odervon irgendwelchen merkwürdigen Wirtschaftsinteressengeleitet gewesen .
Die Schiedsgerichte sind etwas, was wir selber gern haben wollten, weil es eine Reihe von Ländern auf dieserWelt gibt, die lieber vor einem Schiedsgericht verhandeln – ich will gar kein Land exemplarisch nennen – alsvor den entsprechenden Gerichten in Staaten unserer sehrwillkommenen Handelspartner .
Deshalb ist das etwas, was uns hilft, und nichts, was unsschadet, meine Damen und Herren .
Und ganz ehrlich: Auch das Schiedsgericht von Toll Collect wäre viel schneller zu einem Ergebnis gekommen,wenn die rotgrüne Regierung damals nicht, – ich glaube, – 18 000 Seiten Vertragswerk fabriziert hätte,
wobei ich, ehrlich gesagt, fassungslos bin, wie man einenso komplexen Vertrag aufsetzen kann . Man darf sichdann nicht wundern, dass es schwierig ist, daraus amEnde eine Rechtsmeinung zu bilden .
Nicht zuletzt – Herr Kollege Kühn, da haben Sie einetolle Vorlage geliefert –: Ich glaube, es wäre vielleichtein eleganter Weg gewesen, wenn man über ein Gerichtsverfahren aus der Luftverkehrsteuer herausgekommenwäre . Denn ich glaube, da sind wir Verkehrspolitiker unsalle einig: Das wäre ein guter Maßstab – auch für dieWettbewerbsfähigkeit – gewesen . Das ist das, was wirim Luftverkehr brauchen . Wenn wir sehen, was da inder arabischen Welt entsteht, was in der Türkei entsteht,erkennen wir, dass wir verdammt hart darum kämpfenmüssen, dass unsere Airlines hier konkurrenzfähig bleiben . Das ist eine wichtige Aufgabenstellung für uns .Deshalb, glaube ich, ist dieses Abkommen, über das wirhier heute beschließen, ein gutes . Ich würde mir ganzklar wünschen, dass sich auch die arabischen Airlines indieses Abkommen einbringen; denn das hätte zur Folge,dass hier – ohne Subventionen und Dumping – ein WettThomas Jarzombek
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bewerb auf Augenhöhe stattfinden könnte. Das ist das,was unsere Airlines brauchen .Vielen Dank .
Ich schließe die Aussprache .
Tagesordnungspunkt 14 a . Wir kommen zur Abstim
mung über den von der Bundesregierung eingebrachten
Gesetzentwurf zu dem Protokoll zur Änderung des Luft
verkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten
von Amerika und der Europäischen Gemeinschaft und
ihren Mitgliedstaaten . Der Ausschuss für Verkehr und
digitale Infrastruktur empfiehlt in seiner Beschlussemp
fehlung auf Drucksache 18/6161, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 18/5271 anzunehmen .
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, sich von ihren Plätzen zu erheben . – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzent
wurf mit den Stimmen der CDU/CSUFraktion und der
SPDFraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke
und die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
angenommen .
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent
schließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksa
che 18/6194 . Wer stimmt für den Entschließungsantrag
der Fraktion Die Linke? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Der Entschließungsantrag ist mit den
Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ab
gelehnt .
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 14 b . Abstim
mung über den von der Bundesregierung eingebrachten
Gesetzentwurf zu dem Luftverkehrsabkommen zwischen
den Vereinigten Staaten von Amerika, der Europäischen
Union, ihren Mitgliedstaaten und Island und Norwegen
und zu dem Zusatzabkommen betreffend die Anwendung
des Luftverkehrsabkommens . Der Ausschuss für Verkehr
und digitale Infrastruktur empfiehlt in seiner Beschluss
empfehlung auf Drucksache 18/6072 , den Gesetz
entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/5580
anzunehmen . Ich bitte diejenigen, die diesem Gesetz
entwurf zustimmen wollen, sich von ihren Plätzen zu
erheben . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der CDU/
CSUFraktion und der SPDFraktion gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen angenommen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Bri
gitte Pothmer, Kerstin Andreae, Markus Kurth,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND
NIS 90/DIE GRÜNEN
Arbeitslosenversicherung gerechter gestalten
und Zugänge verbessern
Drucksache 18/5386
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . Gibt es dagegen
Widerspruch? – Das ist nicht der Fall . Dann ist das so
beschlossen .
Ich bitte jetzt alle Kolleginnen und Kollegen, die die
sen Punkt nicht mehr mitberaten wollen, uns friedlich
und zügig zu verlassen, und die anderen, sich entspannt
hinzusetzen .
Ich gebe das Wort als erster Rednerin der Abgeordne
ten Brigitte Pothmer, Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können es alle beobachten: Die Arbeitswelt ändert sich .Teilzeitbeschäftigung, Befristungen, Projektarbeit undSelbstständigkeit nehmen zu und sind schon für vieleMenschen in dieser Gesellschaft Wirklichkeit . Das istalso kein Zukunftsszenario, das wir unter dem Label„Arbeit 4 .0“ diskutieren sollten, sondern das ist Realität .Was sich aber nicht verändert hat, sind die Regelungen in der Arbeitslosenversicherung . Diese Versicherungorientiert sich immer noch an dem alten Leitbild desNormalarbeitsverhältnisses . Das führt dazu, dass insbesondere flexibel Beschäftigte, Projektarbeiterinnen undProjektarbeiter, diejenigen, die prekär beschäftigt sind,zwar in diese Versicherung einzahlen, aber im Falle derArbeitslosigkeit keinen Cent herausbekommen .Inzwischen landet etwa ein Viertel derjenigen, die indie Arbeitslosenversicherung einzahlen, bei Arbeitslosigkeit unmittelbar in Hartz IV . Das ist eine große Gerechtigkeitslücke, die sehr schnell geschlossen werden muss .
Aber, meine Damen und Herren, wenn sich das so weiterentwickelt, dann delegitimiert sich damit die Arbeitslosenversicherung selbst . An diesem Delegitimierungsprozess hat die Sonderregelung, die die Große Koalitionbeschlossen hat, nichts, aber auch gar nichts geändert .Mit dieser Sonderregelung erreichen Sie 0,6 Prozent derGruppe, die Sie selber definiert haben. Ursprünglich sollten das Künstlerinnen und Künstler und Kulturschaffende sein .Ich übertreibe also überhaupt nicht – das ist auch nichtmeine Art –, wenn ich sage, dass diese bürokratische Regelung wirkungslos ist .
Zunehmend wirkungslos ist übrigens auch die freiwillige Weiterversicherung der Selbstständigen . Wir habenunter RotGrün diese Möglichkeit eröffnet . Sie hat sichzu der Zeit einer großen Beliebtheit erfreut . Inzwischenjedoch gehen die Versichertenzahlen immer weiter zurück; denn diese Versicherung ist so teuer geworden,dass sich kleinere Selbstständige und insbesondere Soloselbstständige sie nicht leisten können .Thomas Jarzombek
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Die Arbeitsministerin hat den Dialogprozess „Arbeit4 .0“ in Gang gesetzt .
Ich bin fern davon, das zu diskreditieren; darum geht eshier gar nicht . Aber ich wünsche mir, dass sie nicht nurFragen stellt, sondern zumindest dort, wo die Veränderung der Arbeit nicht nur sichtbar, sondern auch in Problemen manifest ist, Antworten gibt; denn daran wird sieam Ende gemessen .
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der GroKo, ichmache Ihnen jetzt ein Angebot, das Sie nicht ablehnenkönnen . Ich stelle Ihnen unsere Vorschläge vor, und Siekönnen sie dann in Ihren eigenen Gesetzentwurf übernehmen, ohne dass ich Ihnen Plagiatsvorwürfe mache; dakönnen Sie ganz sicher sein .
Also, lassen Sie uns Folgendes machen:Erstens . Wir schaffen ein klares und unbürokratischesSystem, das kurzfristig Beschäftigte wirklich absichert .Wer in der bekannten Rahmenfrist vier Monate arbeitet,bekommt, wenn er arbeitslos wird, zwei Monate Arbeitslosengeld . Bei sechs Monaten sind es drei Monate . DasVerhältnis zwei zu eins bleibt bestehen .Zweitens . Wir machen die Arbeitslosenversicherungfür Selbstständige wieder erschwinglich und öffnen sieauch für diejenigen, die sich zum Beispiel nach einemStudium selbstständig machen wollen .Drittens . Wir beseitigen die bestehenden Ungerechtigkeiten . Sie werden es mir nicht glauben, aber wer 20Jahre Vollzeit gearbeitet hat, entsprechend eingezahlt hat,dann arbeitslos wird und sich nur noch halbtags beschäftigen lassen möchte, weil sich seine Familienverhältnisseverändern, weil ein Kind kommt, bekommt Arbeitslosengeld nur noch mit Blick auf die zukünftige Halbtagsbeschäftigung . Umgekehrt gilt das nicht . Das erklären Sieeinmal Ihren Wählerinnen und Wählern! Diese Regelungmuss weg .
Frau Kollegin .
Ich komme zum Schluss .
Dazu hätten Sie leider schon vor längerer Zeit kom
men müssen . Wir hatten gedacht, dass Sie nur kurz die
Punkte sagen .
Die Zeit war schon abgelaufen . Aber dann sind Sie so
lebendig in Fahrt geraten .
Herr Präsident, dann können Sie mich doch nicht
ernsthaft unterbrechen .
Ich habe nur noch einen Punkt . Viertens . Wir öffnen
die Arbeitslosenversicherung auch für Menschen in be
rufsbegleitender Qualifizierung.
Wenn wir alle vier Punkte durchsetzen, dann können
wir der Veränderung der Arbeitswelt etwas beruhigter
entgegensehen .
Ich danke Ihnen .
Nächster Redner ist der Abgeordnete Albert Weiler,
CDU/CSUFraktion .
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damenund Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! FrauPothmer, es wird nicht besser, wenn man so schreit . Es istdann sehr anstrengend, zuzuhören . Ich versuche einmal,ein bisschen leiser zu reden . Mir geht das Wort „Plagiat“nicht mehr aus dem Kopf . Sie haben ein Plagiat von sichselbst gemacht; das muss man erst einmal schaffen . Ichkenne Ihre Rede aus dem Jahr 2010 zum gleichen Tagesordnungspunkt bzw . zum gleichen Antrag . Diese habenSie eins zu eins aufgegriffen . Aber Ihre Rede enthielt einpaar Fehler . Das möchte ich jetzt aufarbeiten .Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion derGrünen, es ist grundsätzlich lobenswert – ich muss aucheinmal loben –,
dass Sie sich für Deutschlands Selbstständige starkmachen wollen . Sie machen es einem aber sehr schwer, sichIhrem sicherlich gut gemeinten Antrag zu nähern, dadort schon im dritten Satz behauptet wird, dass die Zahlder Teilzeitbeschäftigungsformen sowie der befristetenund unsicheren Beschäftigungsformen zunimmt . Das istschlichtweg falsch .
Fehlern kann ich nicht bewusst meine Zustimmung geben .Richtig ist: Es gibt immer mehr normale Arbeitsverhältnisse .
Brigitte Pothmer
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Seit 2010 gab es eine Zunahme um 1,5 Millionen reguläre Arbeitsverhältnisse . Dagegen sind die Zahlen für befristete und geringfügige Beschäftigung sowie Zeitarbeitgesunken, und das wird von unserem Statistischen Bundesamt bestätigt .Sie haben den Antrag von 2010, der die aktuellen Verhältnisse nicht widerspiegelt, wohl blind kopiert .
Auf unserem Arbeitsmarkt hat sich dank der CDUgeführten Bundesregierung aber einiges getan . Es würde Sieehren, wenn Sie das ganz einfach eingestehen würden .Deshalb müssen Sie ja nicht gleich in die CDU eintreten,obwohl ich das sehr begrüßen würde .
Sie wollen die Arbeitslosenversicherung gerechtergestalten, und das halte ich prinzipiell für lobenswert .Aber Gerechtigkeit muss für alle Versicherten gelten .Mit Blick auf Ihre Ideen in Bezug auf die Besserstellungvon Selbstständigen bei der Arbeitslosenversicherung seiFolgendes gesagt:Die Arbeitslosenversicherung in Deutschland ist Teilder Sozialversicherung und hauptsächlich als umfassende Pflichtversicherung für alle abhängig Beschäftigtenorganisiert .
Sie wird anteilig finanziert durch die Beiträge der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber .Nun wurde Selbstständigen die Möglichkeit gegeben,sich freiwillig zu versichern . Das meine ich mit „gut gemeint“ . Allerdings trägt hier kein Arbeitgeber einen Teilmit, weil es für Selbstständige keinen Arbeitgeber gibt .Selbstständige sind, wie das Wort sagt, für sich selbstverantwortlich . Deshalb ist der Beitrag für den Einzelnennatürlich auch höher .Richtig ist, dass sich die Zahl der Selbstständigen inder freiwilligen Arbeitslosenversicherung reduziert hat .Sie meinen, dass das an den gestiegenen Beiträgen zurfreiwilligen Arbeitslosenversicherung liegt . Aber damit,liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, machen Sie es sich ein bisschen zu einfach .Erstens . Die eingangs beschriebenen sehr gutenArbeitsmarktzahlen seit 2010 hatten eine geringere Anzahl von Gründungen aus der Arbeitslosigkeit zur Folge,wie der DIHKGründerreport 2014 verdeutlich hat .Zweitens . Ebenso sind die vielen osteuropäischenArbeitskräfte inzwischen nicht mehr in einer EinMannFirma, sondern haben die Freizügigkeit erhalten und eineabhängige Beschäftigung aufgenommen .Unterschwellig suggeriert der Antrag, man wolle dieGründungskultur in unserem Land voranbringen . Sieschreiben in der Begründung Ihres Antrags, dass wir eineKultur brauchen, „die Gründungen befördert und Lustauf Selbstständigkeit nicht im Keim erstickt“ .
Sehr gut! An dieser Stelle noch mal mein Angebot: WennSie es wünschen, treten Sie der CDU bei! Ich werde eingutes Wort für Sie einlegen .
Wir haben eine solche Kultur in unserem Land geschaffen .Führende amerikanische Investoren sehen die deutsche Förderpolitik für Gründer als eine der besten unseres Kontinents . Allein das Existenzgründungsportal desBundeswirtschaftsministeriums zeigt zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten auf, zeigt, wie Gründer massivunterstützt werden .Dazu ein paar Beispiele: Gründungscoachings, Beratungen und Weiterbildungen, Gründungszuschüsse,günstige Gründungskredite, Bürgschaften und Garantienund, und, und . Uns geht es sowohl um den Malermeisterals auch um den EDVSpezialisten als Firmengründer .Wenn man mal alles zusammenzählt, sprechen wir vonüber 2 000 Förderprogrammen für Gründer und Selbstständige . Wir denken Gründungen nicht vom Ende, sondern vom Anfang her .Nichtsdestotrotz finden sich brauchbare Ansätze inIhrem Antrag . Dennoch begründen Sie diesen mit teilsfalschen Annahmen, und somit können wir heute leidernicht zustimmen .Vielen Dank .
Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Jutta Krell
mann, Fraktion Die Linke .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Die Reform der Arbeitslosenversicherung istzwingend notwendig; das sagen wir auch als Linke .
Danke an die Grünen, dass sie diesen Punkt auf die Tagesordnung gebracht haben . Über den Vorschlag der Regierung hätten wir gar nicht reden dürfen .
Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren komplett geändert, in vielen Punkten, aber die Regierung undHerr Weiler tun so, als sei nichts passiert .Albert Weiler
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Die jetzige Arbeitslosenversicherung trägt den Risiken der heutigen Arbeitswelt kaum Rechnung . Allerdings, liebe Grüne, hätte ich mir gewünscht, dass Sieauch ein Wort dazu verlieren, dass weder prekäre Beschäftigungsverhältnisse noch die Lücke in der Arbeitslosenversicherung einfach so vom Himmel gefallen sind .Sie sind das Ergebnis falscher Politik und falscher politischer Entscheidungen – und das leider mit Ihrem Zutun .Wir müssen ehrlich sagen: Es sind maßgebliche Folgender HartzGesetze, die einerseits die Beschäftigung unsicherer gemacht und andererseits viele Löcher in dieArbeitslosenversicherung gerissen haben . Deshalb sindfür uns Linke zwei Dinge absolut wichtig: Zum einenmuss die Arbeitslosenversicherung reformiert und derZugang zu ihr verbessert werden . Zum anderen muss dieArbeit selbst wieder sicherer gemacht werden .
Da dies noch nicht passiert ist, ist die heutige Forderung der Grünen, kurzzeitig Beschäftigten und Selbstständigen den Zugang zur Arbeitslosenversicherung zuerleichtern, doppelt wichtig . Oft sind genau diese Beschäftigungsgruppen nicht durch Arbeitslosengeld Iabgesichert . Sie rutschen bei Arbeitslosigkeit direkt inHartz IV . Bei den Selbstständigen sind wir allerdingsder Meinung, dass sich die zu zahlenden Beiträge zurArbeitslosenversicherung an den erzielten Einkommenorientieren sollten . Was für alle anderen Beschäftigungsgruppen gilt, sollte auch für Selbstständige gelten . Dasheißt: Wer wenig verdient, zahlt wenig, und wer viel verdient, zahlt auch viel .
Ein weiterer Punkt ist die Weiterbildung . Die Arbeitslosenversicherung in eine Arbeitslosen und Weiterbildungsversicherung umzubauen, finden wir einfach zupauschal . Ich frage mich, warum die Grünen nicht zunächst im bestehenden System einen Rechtsanspruchauf Weiterbildung fordern, damit endlich an dieser Stelleauch etwas passiert. Wir als Linke finden diesen Punktabsolut wichtig . Es wäre doch ein naheliegender Schritt,bevor größere Vorhaben auf den Weg gebracht werden .Aus unserer Sicht muss die Zeit der Qualifizierung dringend finanziell besser abgesichert werden.
Viele Erwerbslose können es sich schlichtweg nichtleisten, über längere Zeit eine Weiterbildung zu absolvieren . Das Arbeitslosengeld ist zu niedrig, um gleichzeitigauch noch die Familie zu ernähren . Viele sind gezwungen, zusätzlich Arbeiten für Niedrigqualifizierte anzunehmen . Oft hängen sie so im Niedriglohnbereich festund kehren schnell in die Arbeitslosigkeit zurück . Frühergab es bei der Teilnahme an Bildungsmaßnahmen Unterhaltsgeld in Höhe von 73 Prozent des ehemaligen Nettoeinkommens . Die Weiterbildungsmaßnahme galt als Anwartschaftszeit für Arbeitslosengeld, und Auszubildendewurden nach der Ausbildung als Fachkräfte eingestuft .Das war doch damals alles richtig so gewesen .
Eine gute Qualifizierung bringt zwar nicht automatischeinen guten Job, sie erhöht aber deutlich die Chancen aufeinen besseren Job .Ich fasse zusammen: Liebe Grüne, Ihr Antrag geht ausunserer Sicht in die absolut richtige Richtung . Von daherwünsche ich mir, dass es uns gelingt, gemeinsam hart daran zu arbeiten, dass sich endlich die Bedingungen fürdie Menschen in der Arbeitslosigkeit verbessern .Vielen Dank .
Nächster Redner ist der Abgeordnete Markus Paschke,
SPDFraktion .
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren aufder Tribüne!
– Und am Fernsehen . – Es gibt in unserem Land vielfältige prekäre und/oder flexible Beschäftigungsformen:Leiharbeit, Befristung, Soloselbstständigkeit, um nur einige zu nennen . Diese Vielfalt spiegelt sich jedoch nichtin den entsprechenden Zugängen zur Arbeitslosenversicherung wider .
Dabei sind es gerade diese Menschen, die diese Absicherung brauchen .
Meine Haltung an dieser Stelle ist ganz klar: Ja, wirmüssen die Zugänge erleichtern und den heutigen flexiblen Verhältnissen anpassen .Dringenden Handlungsbedarf sehe ich insbesonderebeim Thema Rahmenfristen . Hier ist eine Verlängerungauf drei Jahre dringend notwendig . Aber auch über dieFrage, wann erstmals Ansprüche erworben werden, müssen wir reden. Ich finde, es ist doch frustrierend, wennman elf Monate gearbeitet hat, häufig in wechselndenArbeitsverhältnissen, und dann wieder im SGB II landet .Mir fehlt an dieser Stelle, muss ich gestehen, auch dasVerständnis für das Zögern unseres Koalitionspartners .Statt Trippelschritte brauchen wir jetzt endlich den großen Sprung .
Jutta Krellmann
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Dafür werbe ich heute noch mal aktiv, natürlich insbesondere bei unserem Lebensabschnittsbegleiter, dempolitischen .
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zur freiwilligenArbeitslosenversicherung für Selbstständige sagen . DerSchritt in die Selbstständigkeit ist ein mutiger Schritt,mutig deshalb, weil auch das Risiko des Scheiterns besteht . Ich sage: Wer das Risiko auf sich nimmt, sollte dieSicherheit haben können, dass ein Scheitern nicht zurGefährdung seiner gesamten Existenz führt .
Wenn ein Selbstständiger freiwillig in die Arbeitslosenversicherung einzahlt, dann sollte sich die Höhe desArbeitslosengeldes zukünftig an der Höhe der gezahltenBeiträge bemessen und nicht wie bisher an den Qualifikationsstufen ausgerichtet werden. Der Vorschlag istnicht ganz neu, übrigens ebenso wie die Zielsetzung, dieArbeitslosenversicherung in eine Arbeitsversicherungumzubauen, in der Qualifizierung und Weiterbildung biszum Ende des Arbeitslebens inklusiv sind .
[SPD])
Wenn ich einen Wunsch frei hätte – Brigitte, er richtetsich diesmal nicht an dich –, würde ich mir wünschen,dass der Knoten in der Koalition endlich platzt
und wir da endlich eine gerechtere Lösung hinbekommen .
Wir werden auf jeden Fall für eine moderne und gerechte Arbeitsversicherung streiten .Danke schön .
Dieser Wunsch war zwar außerhalb der Redezeit .
Aber er wird trotzdem im Protokoll erfasst; das ist ja klar .
Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten
Dr . Astrid Freudenstein, CDU/CSUFraktion, das Wort .
Vielen Dank, Herr Präsident . – Meine Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie wollen die Arbeitslosenversicherung gerechtermachen, schreiben Sie . Ich nehme Ihnen dieses Ziel auchab . Das Problem ist aber, dass Sie mit Ihren Vorschlägendie Beitragszahler, also die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber, belasten . Und das wollen wir nicht, und das wollenwir gerade jetzt nicht, wo wir am Arbeitsmarkt doch vorgroßen Herausforderungen stehen .Sie selbst wissen doch gut – Sie waren ja auch einmal in Regierungsverantwortung –, dass bei Sozialversicherungen nicht nur das Gerechtigkeitsempfinden desEinzelnen zählt, sondern die Stabilität des Systems insgesamt mindestens genauso wichtig ist .
Nicht umsonst haben Sie selbst damals die Rahmenfristauf zwei Jahre gesenkt und die Anwartschaftszeit beizwölf Monaten belassen . Das hat Früchte getragen . Seitmittlerweile fast fünf Jahren ist der Beitragssatz stabilniedrig . So können Millionen deutscher Arbeitnehmertrotz niedriger Beiträge auf die Arbeitslosenversicherungsetzen, falls sie ihre Arbeitsstelle verlieren .Sie haben gesagt, dass Übertreibung nicht Ihre Art ist,aber ein bisschen dick aufgetragen haben Sie schon . Esist ja nicht so, dass sich der Arbeitsmarkt in den vergangenen zehn Jahren so radikal verändert hätte, wie Sie esdargestellt haben .
Und von einer Delegitimierung der Arbeitslosenversicherung kann nicht die Rede sein . Das beweisen im Übrigen auch die Zahlen . Der Anteil der Empfänger vonArbeitslosengeld I an der Gesamtzahl der Arbeitslosenist seit 2011 sogar gestiegen . Die Flexibilisierung derArbeitsverhältnisse, die es zweifelsohne gibt, verhindertnicht, dass man innerhalb von 24 Monaten 12 MonaMarkus Paschke
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te Anwartschaft erwerben kann . Das ist auch möglich,wenn man in Teilzeit arbeitet oder wenn man befristetbeschäftigt ist .Es gibt also schlichtweg keinen zwingenden Grund,die Anwartschaftszeit auf vier Monate zu senken . Es gibtim Gegenteil einige gute Gründe, die dagegen sprechen .Zwei will ich Ihnen nennen .Erstens . Ihre Pläne würden allein für das Arbeitslosengeld pro Jahr mehr als 1 Milliarde Euro verschlingen .Das würde vor allem die Beitragszahler belasten . Arbeitnehmer hätten weniger Netto vom Brutto . Die Lohnnebenkosten würden steigen und damit würde vermutlichdie Nachfrage nach Arbeitskräften abnehmen . Das wäreein fataler Effekt .Zweitens . Die Senkung der Anwartschaftszeit auf vierMonate würde die Möglichkeit eines ständigen Wechselsvon Kurzzeitbeschäftigung und ALGIBezug eröffnen .Es ist natürlich verlockend, wenn der Durchschnittsverdiener nach vier Monaten Arbeit und insgesamt rund300 Euro Beitrag in den folgenden zwei Monaten zusammen mehr als 3 500 Euro ALG I bekommt . So, meineDamen und Herren, kann eine Sozialversicherung sichernicht funktionieren .
Schauen Sie doch nach Frankreich! Dort gibt es dieniedrige Anwartschaftszeit von vier Monaten, und zwarnur dort in der EU . Die Arbeitslosenversicherung häuftdort Jahr für Jahr Milliardendefizite an und hat einendoppelt so hohen Beitragssatz wie bei uns .
Da wundert es uns nicht, dass die französischen Politiker die deutschen Reformen durchaus als Vorbild für ihreArbeitslosenversicherung sehen . Warum sollten wir alsoeinen Schritt zurückgehen?Die momentane Regelung liefert Anreize, um dauerhafte Beschäftigung zu erhöhen und den Missbrauch aufKosten der Beitragszahler so niedrig wie möglich zu halten . Die bestehenden Sonderreglungen, die Sie nur ganzkurz erwähnen, machen durchaus dort Ausnahmen, wowir sie brauchen, etwa im Kulturbereich .
Eine Sonderregelung für überwiegend kurzzeitig Beschäftigte soll dort speziellen Erwerbsbiografien Rechnung tragen, etwa bei Schauspielern, die immer wiedernur kurze Engagements haben . Sie haben einen Anspruchauf ALG I nach sechs statt der üblichen zwölf MonateAnwartschaftszeit . Wir bleiben also dabei: Wir wollenAusnahmen dort, wo es strukturelle Nachteile auszugleichen gilt, wollen aber nicht die arbeitsmarktpolitischenReformen, an denen Sie selbst mitgewirkt haben, generell zurückdrehen . Unser Arbeitsmarkt und unsere Sozialversicherungen stehen derzeit gut da . Das wollen wirnicht aufs Spiel setzen .Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit .
Als letztem Redner in dieser Aussprache erteile ich das
Wort dem Abgeordneten Ralf Kapschack, SPDFraktion .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich möchte amEnde der Debatte noch einen Punkt einbringen, der angetippt, aber noch nicht richtig beleuchtet worden ist . Dieallermeisten, die im Tatort, bei Rosamunde Pilcher oderder aktuellen Fortsetzung der Serie Weißensee
vor oder hinter der Kamera agieren, haben eines gemeinsam: Sie sind kurzfristig beschäftigt . Sie haben Problemebeim Zugang zu Leistungen der Arbeitslosenversicherung .Zusammen mit meinem Kollegen Burkhard Blienerthabe ich vor ein paar Wochen mit Vertretern der Filmund Fernsehbranche gesprochen . Es waren Schauspielerinnen und Schauspieler, Kameraleute, Regisseure undMaskenbildnerinnen dabei . Die allermeisten von ihnenwerden für ein konkretes Projekt engagiert: für einenFilm . Wenn der Film abgedreht ist, sind sie beschäftigungslos, oft über viele Monate . Die meisten haben Beiträge in die Arbeitslosenversicherung gezahlt . Trotzdemrutschen sie direkt auf Hartz IV. Das finden viele von ihnen ungerecht, und ich kann das gut verstehen .
Die Engagements dauern zwischen fünf Tagen und dreieinhalb Monaten . Ganz oft wird in dieser Zeit nonstopgearbeitet . Viele Beschäftigte erreichen in der zweijährigen Rahmenfrist eine Anwartschaft von fünf bis achtMonaten – zu viel für die geltende Regelung, zu wenigfür den normalen Zugang zum Arbeitslosengeld . Mitihrem Jahresverdienst müssen sie die Durststrecke zwischen den Engagements überbrücken .Nicht nur für diese Beschäftigten, aber vor allem fürsie, ist die Sonderregelung für den Zugang zum Arbeitslosengeld I eingeführt worden als soziale Absicherungkurzfristiger Beschäftigung . Die geltende Regelung erreicht allerdings viel zu wenige, und deshalb müssen wiretwas tun . Da sind wir uns einig .
Allein die Ausweitung der Rahmenfrist auf drei Jahrewird das Problem aber nicht lösen .
Dr. Astrid Freudenstein
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Das ist jedenfalls die Einschätzung der Betroffenen, undich finde sie auch plausibel.Ich finde, wir müssen auch über die Frage reden, obdie Beschäftigungszeiten und die Höhe des Arbeitsentgelts in der bisherigen Form Ausschlusskriterien seinkönnen . Man kann die Position vertreten, dass entsprechende Sonderregelungen nicht vertretbar sind, weil siebestimmte Gruppen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern begünstigen, die damit verbundenen Kostenam Ende aber von allen Versicherten getragen werdenmüssen. Ich finde, solche Sonderregelungen sind vertretbar und notwendig, bis wir eine grundsätzlich andereRegelung, zum Beispiel im Rahmen einer Arbeitsversicherung, haben . Es tut mir leid – bei aller Sympathie fürIhre Vorschläge –: Das wird noch ein bisschen dauern .
Ja, solche Sonderregelungen sind vertretbar; denn esliegt in der Natur und in der Produktionsweise zum Beispiel der Film, Fernseh und Medienbranche, dass dieBeschäftigungsverhältnisse dort so sind, wie sie sind . DieBeschäftigten haben darauf wenig Einfluss.Wenn ich das richtig sehe, soll die geltende Regelungfür kurzfristig Beschäftigte noch einmal verlängert werden .
Ich hätte mir gewünscht, wir wären in der Koalition weiter . Aber bis zum Beweis des Gegenteils gebe ich dieHoffnung nicht auf, dass wir bis zum Ende der Legislaturperiode eine Regelung hinbekommen,
[SPD])
Ich schließe die Aussprache .Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 18/5386 an den Ausschuss für Arbeit undSoziales vorgeschlagen . Sind Sie damit einverstanden? –Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung so beschlossen .Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demÜbereinkommen vom 29. Juni 2015 zur Grün-dung der Asiatischen Infrastruktur-Investi-tionsbankDrucksache 18/6163Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GONach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .Ich bitte, die notwendigen Umgruppierungen in denFraktionen zügig vorzunehmen . – Liebe Kollegen vonden Grünen, wir würden gern fortfahren .Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Michael Meister .
Dr. Michael Meister, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir haben im März in der Bundesregierung entschieden, der Asiatischen InfrastrukturInvestitionsbank beizutreten . Ich glaube, das ist eine richtige Entscheidung .Wir bitten Sie jetzt, dem Entwurf eines Gesetzes zu demÜbereinkommen zur Gründung dieser Bank zuzustimmen .Die Asiatische InfrastrukturInvestitionsbank wirdvon insgesamt 57 Ländern getragen, 17 davon aus Europa . Wir werden unter den nichtasiatischen Ländern dergrößte Anteilseigner sein . Ich glaube, es ist richtig, dieChancen, die mit diesem Projekt verbunden sind, zu nutzen und Risiken, die sich ergeben können, abzuwenden .Was sind die Chancen? Wir haben die Chance, aneiner neuen regionalen, aber auf Weltniveau agierendenBank beteiligt zu sein . Diese Bank wird Bedeutung fürdie Entwicklung von Infrastrukturprojekten in Asien insgesamt haben . Sie wird zwar in großem Maße von derVolksrepublik China geführt; aber sie ist für die gesamteRegion von entscheidender Bedeutung . Man muss sicheinmal klarmachen, welches Investitionsvolumen dortin den nächsten fünf Jahren zu heben ist . Wir sprechendabei von bis zu 8 Billionen USDollar . Es geht an dieser Stelle aber nicht um Geld und Banking, sondern umdie Frage, ob wir die entsprechende infrastrukturellenGrundlagen schaffen, um die Armut in asiatischen Staaten zu bekämpfen .
Ich denke hier an Kambodscha und an Myanmar . Wirwollen einen Beitrag leisten, um Armut zu bekämpfen,allerdings nicht, indem wir Geld geben, sondern indemwir die entsprechende Infrastruktur schaffen .Ralf Kapschack
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Bei den Risiken geht es um die Frage, welche Umwelt und Sozialstandards wir einbinden . Wenn wiruns heraushalten, werden die Standards von anderendefiniert. Wir werben dafür, dass diese Bank bei ihrenProjekten, aber auch innerhalb der Regularien der Bankhöchste Umwelt- und Sozialstandards pflegt. Dafür sindwir in den Vorverhandlungen eingetreten; das konnten wir durchsetzen . Deshalb glauben wir, dass wir denrichtigen Weg gehen . Wir wollen höchste Umwelt undSozialstandards, um die Ärmsten dieser Welt zu fördern .Dafür werben wir um Unterstützung .
Ich habe vergangenen Montag erleben können, dassdie siebte Verhandlungsrunde zur Gründung dieser Bankin Frankfurt stattgefunden hat . Ich glaube, es ist Ausweisder Hochachtung, die man uns entgegenbringt, dass diese Verhandlungsrunde nicht in Asien, sondern hier beiuns in Deutschland stattgefunden hat . Ich muss sagen:Ich war beeindruckt, in welch hoher Geschwindigkeitein so hochkomplexes Projekt fundiert und organisatorisch sauber vorangebracht wird . Ich war auch beeindruckt von der Anerkennung, die uns als BundesrepublikDeutschland in diesem Prozess von den anderen Teilnehmerstaaten zuteilwird . Deshalb werbe ich dafür, dass wiruns nicht nur an der Bank beteiligen, sondern auch innerhalb der Bank Verantwortung übernehmen .Die Bank soll zum 1 . Januar 2016 gegründet werden .Wenn man sich engagieren will, wenn man dabei seinwill, dann wäre es ein gutes Zeichen, wenn wir die Ratifikation vor dem 1 . Januar 2016 durchgeführt hätten; dennals Nachläufer wird man nicht ernst genommen . Deshalbwerbe ich um Zustimmung vor dem 1 . Januar 2016 undbitte Sie um die entsprechende Unterstützung .
Wir werden 4,5 Prozent der Anteile der Bank zeichnen . Das sind bei einem Gesamtkapital von 100 Milliarden USDollar, das in Aussicht gestellt worden ist,4,5 Milliarden USDollar . Wir werden 900 MillionenUSDollar davon als Bareinlage in die Bank einzahlenund 3,6 Milliarden USDollar als Gewährleistung zurVerfügung stellen . Wir schaffen ab dem Haushalt 2016die haushalterischen Voraussetzungen, um diese Einlagetätigen zu können . Sie sind also an zwei Stellen gefordert: zum einen, das Gesetz zu dem Übereinkommen, daswir heute auf der Tagesordnung haben, zu beschließenund zum anderen, im Rahmen der Haushaltsberatungendie entsprechenden Mittel bereitzustellen .Wir senden das deutliche Signal aus, dass wir unsere Verantwortung für die Menschen in der Welt wahrnehmen . So können wir vielleicht die Grundlage dafürschaffen, dass sich die Menschen für ein Leben in ihremHeimatland entscheiden und sich nicht zu einem anderenOrt aufmachen und uns damit neue Probleme schaffen .Wenn wir dort, wo die Menschen ihre Heimat haben,einen Beitrag zur Lösung der Probleme liefern, dann tunwir etwas für uns und für andere . In diesem Sinne werbeich um Zustimmung .Herzlichen Dank .
Der Kollege Dr . Axel Troost hat für die Fraktion Die
Linke das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der frühere Chefökonom der Weltbank Joseph Stiglitz
schrieb vor einigen Monaten: Unsere Welt krankt an
einem – ich zitiere – „Finanzsystem, in dem Marktma
nipulation, Spekulation und InsiderHandel zum Alltag
gehören, das aber bei seiner Hauptaufgabe versagt: der
Verteilung von Ersparnissen und Investitionen auf globa
ler Ebene“ . – Dem ist zuzustimmen .
Derzeit mangelt es weder an Ersparnissen noch an
Investitionsmöglichkeiten . Insbesondere in den Entwi
cklungs und Schwellenländern gibt es einen enormen
Bedarf an Infrastruktur . Doch weder die Finanzmärkte
noch die bestehenden Abkommen und Institutionen sind
willens oder in der Lage, die dazugehörige Finanzierung
zu stemmen . In diese Lücke soll nun die 100 Milliarden
Dollar schwere Asiatische InfrastrukturInvestitionsbank
springen . Zugleich ist die Gründung dieser Bank eine
Antwort auf das Versagen, internationale Organisationen
wie Weltbank, Asiatische Entwicklungsbank oder auch
IWF entsprechend zu reformieren . Aber das ist insgesamt
eine positive Entwicklung . Bei den jetzt zu fördernden
Infrastrukturprojekten wird es um Straßenbau gehen, um
Energieversorgung, Hafenbau und den Bau von Städten
für Millionen von Menschen und durchaus auch um den
Aufbau einer grünen Wirtschaft .
Wie wir gehört haben, geht zwar alles sehr schnell;
aber es gibt noch viele offene Fragen . Ungeklärt ist etwa,
mit welchen Sozial und Umweltrichtlinien die AIIB
dafür sorgen wird, dass die geplanten großen Infrastruk
turprojekte keine Massenumsiedlungen und massiven
ökologischen Schäden anrichten . Wir werden die Prak
tiken und Standards der AIIB noch im Detail diskutie
ren müssen . Im Augenblick ist anders als bei anderen
Entwicklungsbanken bisher nicht festgelegt, dass zum
Beispiel die Finanzierung von Atomkraftwerken und die
Finanzierung von Kohleprojekten ausgeschlossen sind;
das muss noch angegangen werden . Selbst Vorhaben in
Naturschutzgebieten scheinen nicht ausgeschlossen zu
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Schnelligkeit ist auf der einen Seite gut; aber auf der anderenSeite müssen eben auch Standards eingehalten werden .Ich will hier kein plumpes ChinaBashing betreiben;aber es ist natürlich völlig klar, dass sich bei einer Bank,bei der China mit weitem Abstand der größte Kapitalgeber ist, die chinesische Kultur in der Arbeitsweise niederschlagen wird . Der Umgang der chinesischen Regierungmit Minderheiten und kritischen Stimmen ist nicht so,dass man davon ausgehen kann, dass es Bürgerbeteiligung und ausreichende Umweltprüfungen geben wird .Insofern glaube ich, dass man bei allen Chancen – undes ist sicherlich sinnvoll, in dieser Region eine solcheBank zu gründen – eben auch schauen muss, dass die Sozial und Umweltstandards in die Bedingungen der Bankaufgenommen werden; sonst werden wir hier jeweils dieParl. Staatssekretär Dr. Michael Meister
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einzelnen Skandalprojekte diskutieren müssen . Von densozialen Bewegungen werden wir dann hören, was allesnicht vernünftig läuft .Insofern sind wir ein bisschen überrascht – wir habenvon der Eile gehört –, dass wir heute die erste Lesungdieses Gesetzentwurfs haben und ihn bereits in der übernächsten Sitzungswoche – ursprünglich war schon dienächste Sitzungswoche geplant; wir haben das um eineSitzungswoche verschoben – abschließend beraten sollen . Wir sind gespannt, welche Maßnahmen ergriffenwerden, um diesen Terminplan halten zu können . Unsgeht es nicht nur um Schnelligkeit . Vielmehr müssenwir sicherstellen, dass in die Satzung dieser Bank aufgenommen wird, was wir an Standards weltweit festgelegthaben .Danke schön .
Da Wort hat der Kollege Manfred Zöllmer für die
SPDFraktion .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn wir uns heute in erster Lesung mit dem Entwurfeines Gesetzes zur Gründung der Asiatischen InfrastrukturInvestitionsbank, AIIB, beschäftigen, macht es einengewissen Sinn, einmal zurückzuschauen auf die Geschichte und die Funktion supranationaler Förder undInvestitionsbanken und auf globale Zusammenhänge .Schon während des Zweiten Weltkriegs arbeiteten dieAlliierten an einer Neuorganisation der institutionellenStrukturen für die Zeit nach dem Krieg . Sie beschlossendie Gründung der Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der Weltbank, und des IWF – dassind die BrettonWoodsInstitutionen – bereits 1944 .Die Weltbank hat dann 1946 die Arbeit aufgenommen,ursprünglich mit dem Schwerpunkt auf der finanziellenFörderung des Wiederaufbaus westeuropäischer Staatennach dem Zweiten Weltkrieg . Immerhin war Frankreich1947 das erste Land, das einen Kredit bekam . Der IWFhingegen hatte eine andere Aufgabe . Er sollte das internationale Währungssystem sichern und die Stabilität gewährleisten .Im Laufe der Zeit und mit der Besserung der Lage inWesteuropa hat sich der Fokus der Weltbank verschobenhin in Richtung Entwicklungsförderung und Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern . Aktivitäten einerinternationalen Investitionsbank verfolgen immer zweiZiele: wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum ineiner Region und damit einhergehend Befriedung undStabilisierung .Heute ist die Weltbank die wichtigste Organisationmultilateraler Entwicklungshilfe . Ich will mich an demWeltbankBashing nicht beteiligen . Ich glaube, sie trägtin großem Maße zur Lösung globaler Probleme bei .
Schaut man sich die Struktur der Weltbank an, stellt manfest: Es gibt den Gouverneursrat, das Exekutivkomiteeund den Präsidenten der Weltbank, und in der Tat habendie USA und die Industrieländer einen beherrschendenEinfluss in dieser Organisation.Neben der Weltbank existieren noch einige regionale Entwicklungsbanken . Ich will hier nur die Asiatische Entwicklungsbank nennen, die Asian DevelopmentBank, gegründet 1966 . In dieser Bank haben Japan unddie USA einen sehr großen Einfluss.Nun wird diese Asiatische InfrastrukturInvestitionsbank gegründet . Das hat sehr viel damit zu tun, dass dievon mir angesprochenen Stimmenverhältnisse bei denbestehenden Institutionen China nicht unbedingt gefallenund die Amerikaner – das muss man auch sagen – eigentlich nicht willens oder politisch nicht fähig sind, die Reformen, die sowohl im IWF als auch in der Weltbank notwendig wären, durchzuführen . Deshalb ist es, glaube ich,nachvollziehbar, dass China nun unabhängig vom Einfluss der USA werden will. China ist immerhin auf demWeg, eine der stärksten Wirtschaftsmächte der Welt zuwerden . Ich denke, unter geopolitischen Gesichtspunktenkann man ein gewisses Verständnis für diesen strategischen Ansatz haben .Ich glaube, es ist richtig, dass sich Deutschland andieser neuen internationalen Investitionsbank beteiligenwird .
Der Herr Staatssekretär hat bereits deutlich gemacht,welche Vorteile es hat, wenn wir uns beteiligen . Wir haben viel Knowhow wirtschaftlicher Art, und wir sind einstarker Player, gerade auch im Bereich von Infrastrukturprojekten . Den BER lasse ich einmal außen vor; das istnicht unbedingt ein Vorzeigeprojekt .
– Ja, das wäre vielleicht noch eine Variante . Das müssenwir einmal sehen . – Wir werden dann in der Lage sein,entsprechend Einfluss zu nehmen und dafür zu sorgen,dass die AIIB in der Tat das Ziel verfolgt, eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung über die Finanzierungvon Infrastruktur in Asien zu fördern . Dabei müssen wirWert darauf legen, dass es eine ganz enge Zusammenarbeit mit den bestehenden bilateralen und multilateralenEntwicklungs und Finanzinstitutionen gibt . Der Schwerpunkt sollte auf der Förderung entwicklungsorientierteröffentlicher und privater Infrastrukturinvestitionen insbesondere in Ländern liegen, die noch entwickelt werden müssen, in Ländern mit hoher Armut . Wenn diesesZiel erreicht wird, steht die deutsche Beteiligung in derKontinuität eines erfolgreichen Engagements in internationalen Entwicklungs und Finanzinstitutionen . Auf deranderen Seite macht es, denke ich, viel Sinn, China indie Architektur der internationalen Finanzmärkte einzubinden; denn China ist ein Global Player .Dr. Axel Troost
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Das Gesamtkapital der AIIB – wir haben es gehört –wird 100 Milliarden USDollar betragen . Deutschlandwird einen Kapitalanteil von 4,5 Milliarden USDollarübernehmen und einen Stimmenanteil von 4,1 Prozent .Da die AIIB ihre Geschäftstätigkeit im Januar 2016 aufnehmen will, macht es Sinn, Kollege Troost, hier imBundestag zügig eine Entscheidung zu treffen, damitDeutschland von Anfang an dabei ist .Warum ist das wichtig? Wir haben eben gehört, dasses eine Diskussion über Umwelt und Sozialstandardsgibt, darüber, ob sie bei der Umsetzung von Projektentatsächlich eingehalten werden . Da gibt es noch Zweifel;das muss man sehr deutlich sagen . Es bleibt eine Reihevon offenen Fragen . Es bleibt offen, ob ein Verbot vonKinderarbeit oder der Handel mit radioaktivem Materialunter die Geschäftsgrundsätze fallen .
Wir sollten dafür sorgen, dass das der Fall ist . Deutschland sollte sich nachdrücklich für die Verankerung umfassender sozialer und ökologischer Standards bei Infrastrukturprojekten einsetzen .
Darüber hinaus ist es wichtig, den Kampf gegen dieKorruption im Auge zu behalten und für transparentesGeschäftsgebaren zu sorgen . Das sind wichtige Aktionsfelder .Wir werden uns jetzt intensiv mit dem Gesetzentwurfbeschäftigen . Ich glaube, die Beteiligung Deutschlandsist gut und richtig, wenn es uns gelingt, unseren Einflusszu nutzen, um die Weichen für eine nachhaltige sozialeund ökologische Entwicklung der Zielregionen zu stellen .Vielen Dank .
Der Kollege Uwe Kekeritz hat für die Fraktion Bünd
nis 90/Die Grünen das Wort .
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Wir haben jetzt einen schönen geschichtlichen Rückblick bekommen . Recht herzlichen Dank, Herr Zöllmer!Aber Sie hätten vielleicht auch etwas zur Entstehungsgeschichte dieser asiatischen Bank beitragen können . Es istdoch nicht zu leugnen, dass die Ursache für ihre Entstehung eigentlich in der maßlosen Arroganz der USA liegt,die sich jahrelang geweigert haben, den Ländern des Südens eine faire Beteiligung an den Mitbestimmungsrechten der Weltbank und des IWF einzuräumen . Folge sinddie Gründungen der BRICSBank und natürlich auch derAsiatischen InfrastrukturInvestitionsbank . Nicht, dasswir da dringend Kapital brauchen, von wegen . Nein, dasist eine Reaktion und auch eine Kampfansage .Nun stellt sich die Frage, ob wir Mitglied werden odernicht . Ein Argument lautet: Wir müssen Mitglied werden,um positiven Einfluss auszuüben. – Das Argument ist perse sehr gut . Wir müssen aber genau prüfen, ob Deutschland eine solche Rolle tatsächlich wahrnehmen kann beieiner Beteiligung von 4,5 Prozent gegenüber einer Beteiligung Chinas von mehr als 30 Prozent . Zudem ist dieFrage zu stellen, ob die Deutschen eigentlich immer dieGuten sind; aber das lassen wir einmal beiseite . Auchüber das Argument, Konkurrenz fördere das Geschäft,müssen wir einmal nachdenken . Es gibt 19 multilateraleinternationale Finanzinstitute . Deshalb kann ich nicht sehen, dass es dafür großen Bedarf gibt .Es sind Fragen zu klären . Erstens: Welche Standardswerden bei der Vergabe von Krediten angewendet? Wirhaben gerade vom Staatssekretär gehört, dass es diehöchsten Standards sind . Wie kommen Sie eigentlich zudieser Feststellung? Von diesen Standards möchte ichschon einmal in Schriftform lesen . Was ich weiß, ist, dassdie Chinesen im Wesentlichen die Standards der Weltbank abgeschrieben haben . In einem Bereich sind siebesser, nämlich was die Behandlung der Regenwälderangeht. In anderen Bereichen sind sie definitiv schlechter – das wurde bereits genannt –, zum Beispiel bei derFörderung von Kohlekraftwerken und Atomkraftwerken .Zweitens: Wie werden die Standards aktualisiert, verändert, weiterentwickelt? Drittens: Welche Evaluationsmechanismen werden eingesetzt? Viertens: Gibt es Beschwerdeverfahren?Fünftens . Wir wissen ganz genau, dass es Transparenzohne die Einbindung der Zivilgesellschaft nicht gibt . Wieschaut es mit der Transparenz aus? Wie schaut es mit derEinbindung der Zivilgesellschaft aus? Ich kann Ihnensagen: Das schaut ganz miserabel aus . Die Einbindungder Zivilgesellschaft ist aber notwendig, damit aus dieser Bank eine demokratische Einrichtung werden kann,die die Standards ökologischer und sozialer Art erfüllenkann .
Wie ist die Bank strukturell organisiert? Wie laufen Entscheidungsprozesse ab? Das ist alles völlig unklar . Wirmüssen uns doch darüber im Klaren sein: Wir haftennicht nur für 4,5 Milliarden Dollar, sondern wir tragengerade in Zeiten von SDGs und Klimakonferenz einegroße politische Verantwortung . Wie wird sichergestellt,dass die asiatische Bank nach diesen Prinzipien ausgerichtet wird?Herr Zöllmer, Sie haben die schlechten Erfahrungenhinsichtlich der Weltbankprojekte angesprochen – daskann ich nur bestätigen –: Zwangsumsiedlungen beiStaudammprojekten, Missachtung der Rechte indigenerVölker, Transportkorridore in den Regenwäldern usw .Das ist nur eine kleine Auswahl üblicher Verfehlungender Weltbank .Stutzig macht mich auch, dass das Finanzministeriumdie Federführung für diesen Bereich erhält . Will sich dasFinanzministerium tatsächlich um die Strukturen in Malawi kümmern? Warum nicht das BMZ? Damit kommenwir weiter, aber zielgenau weg von der Kohärenz, die wirManfred Zöllmer
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alle immer als sehr wichtig ansehen . Wir brauchen mehrund nicht weniger Kohärenz .
Es droht, dass Deutschland demnächst wieder den Bauvon Atomkraftwerken und Kohlekraftwerken mitfinanziert . Damit steht natürlich auch unsere Glaubwürdigkeitauf dem Prüfstand . Das kann nicht sein . Das muss – wieauch die anderen Fragen, die ich aufgezählt habe – vordem Beitritt geregelt werden
Herr Kollege .
Ich bin sofort fertig . – Eines, Herr Staatssekretär, geht
gar nicht, würde die Kanzlerin sagen, nämlich dass sich
das Parlament vom Finanzministerium unter Zeitdruck
setzen lässt . Nein, wir sollten wirklich einmal die offe
nen Fragen, die ich hier skizzenhaft dargestellt habe, klä
ren . Die Mitgliedschaft in einer solchen Bank kann kein
Selbstzweck sein . Wir müssen globale Ziele verfolgen,
und es ist bei weitem noch nicht geklärt, wie .
Danke schön .
Für die CDU/CSUFraktion hat der Kollege
Dr . Philipp Murmann das Wort .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Wir als CDU/CSUFraktionunterstützen die Gründung der Asiatischen InfrastrukturInvestitionsbank, auch wenn einige von uns am Anfangsicherlich gefragt haben: Brauchen wir noch eine Entwicklungsbank? Aber es wurde ja schon von verschiedenen Seiten dargelegt, dass es viele Vorteile hat . Ichdenke, im Wesentlichen sprechen drei Gründe dafür, hiermitzumachen .Erstens . Die Ausrichtung einmal in Richtung Infrastruktur, aber auch in Richtung Investitionen ist für eineBank sehr interessant .Zweitens spielen Entwicklungsbanken eine positiveRolle in all den Ländern, in denen sie tätig sind . Ich hatteselber einmal das Glück, drei Jahre in Asien zu leben .Die Asian Development Bank hat sicherlich viele Projekte angeschoben, die es in vielen Ländern heute sonstnicht gäbe . Insofern, denke ich, kann auch diese Bankeine Bereicherung darstellen .Der dritte Grund aus meiner Sicht ist, dass Wettbewerb natürlich das Geschäft belebt . Das heißt, wenn sichmehrere Banken um Projekte kümmern und überlegen,wie sie innovativ vorangehen können, ist das sicherlichgut .Es wurde schon gesagt: Es ist wichtig, effizienteStrukturen und natürlich wenig Bürokratie bei diesenProjekten zu haben, aber gleichzeitig zielgenau und miteiner hohen Dynamik zu arbeiten . Herr Kekeritz, jederStandard, den wir noch verbessern können, der vielleichtniedriger wäre, wenn wir nicht dabei wären, ist natürlichein Gewinn und Erfolg . Auch deswegen, denke ich, lohntes sich, dabei zu sein .
Als Gründungsmitglied haben wir ganz besondereChancen . Sicherlich besteht jetzt etwas Zeitdruck . Aberich denke, es ist nicht zu schwierig, sich in einigen Stunden und mithilfe einiger Gespräche in das Thema einzuarbeiten . Als Gründungsmitglied haben wir die Möglichkeit, besser Einfluss zu nehmen. Die Bank hat ja eineinteressante Struktur . Es wurde schon gesagt, dass Chinadas größte Mitglied und der Treiber dieser Bank ist . Aberzu immerhin 20 Prozent sind auch Europäer dabei . Wirsind mit 4,5 Prozent das größte europäische Mitglied .Aber auch Italien, Frankreich und Großbritannien sindmit relativ großen Portionen dabei . Die anderen Spieler,Russland und Indien, sind natürlich geopolitisch für unsinteressant . Die USA sind bisher nicht dabei . Ich habeaber in den Gesprächen gehört, dass die Amerikaner darüber nachdenken, mit einzusteigen . Es ist für sie sicherlich ungewohnt, eine kleinere Rolle zu haben; aber auchda lohnen sich weitere Gespräche .Die Gesamtstruktur ist sowohl politisch als auch ökonomisch für uns interessant . Politisch ist sie interessant,um, wie schon gesagt, Standards durchzusetzen . Ich denke, dass Sozialstandards eine ganz besondere Rolle spielen . Ökonomisch ist sie interessant, weil sich für die KfWMöglichkeiten bieten, eine Kofinanzierung anzubieten.Deutsche Kreditinstitute haben dadurch die Möglichkeit, dort Projekte zu finanzieren. Natürlich haben auchdeutsche Unternehmen die Möglichkeit, Technologie mitvoranzutreiben, Knowhow mit einzubringen und vieleDinge mehr . Auch dafür, denke ich, lohnt es sich, da mitzumachen .Herr Zöllmer hat zu Recht die Weltbank erwähnt .Auch ich habe mir das, was 1944 geschah, noch einmalangeschaut .
– Nein, nicht nur Wikipedia; es gibt auch noch andereQuellen . Aber da kann man sicherlich auch nachsehen . –Auch unsere Region würde heute sicherlich anders aussehen, wenn es diese Institution damals nicht gegebenhätte . Man muss sagen: Infrastruktur ist eben die Basisfür die weitere Entwicklung gerade der Schwellenländer .Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Verkehrsinfrastruktur,aber auch ITInfrastruktur und Energie, das alles sindUwe Kekeritz
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wichtige Elemente, die man in diesen Ländern voranbringen muss, um den Menschen dort ein besseres Lebenzu ermöglichen . Dafür lohnt es sich auf jeden Fall, damitzumachen .Ich denke, auch für die Asian Development Bank,die – so jedenfalls war meine Erfahrung in den Jahren –eher als ein bisschen langsam und bürokratisch galt, istdas vielleicht ein kleiner Schub, ohne den Damen undHerren dort zu nahe zu treten . Insofern denke ich nachwie vor, es ist gut, dass wir in der Region eine weitere Bank haben . Ich denke, die AIIB – die Abkürzung istvielleicht noch nicht ganz so elegant; daran muss mannoch arbeiten –
ist eine große Chance . Ich würde mich freuen, wennmöglichst viele von Ihnen dem Gesetzentwurf zustimmen und wir dann gemeinsam mit den anderen Länderndiese Region voranbringen .Vielen herzlichen Dank .
Ich schließe die Aussprache .
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent
wurfs auf Drucksache 18/6163 an die in der Tagesord
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall .
Dann ist die Überweisung so beschlossen .
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin
Kunert, Inge Höger, Andrej Hunko, weiterer Ab
geordneter und der Fraktion DIE LINKE
Den deutschen Vorsitz in der Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa im
Jahr 2016 für Frieden und Abrüstung nutzen
Drucksache 18/5108
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marie
luise Beck , Agnieszka Brugger, Anna
lena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Den deutschen OSZE-Vorsitz 2016 zur Stär-
kung der OSZE nutzen
Drucksache 18/6199
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei
nen Widerspruch . Dann ist es so beschlossen .
Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege
Andrej Hunko für die Fraktion Die Linke .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sind durch die Ereignisse der letzten Jahre in der Ukraine bedroht . Die Sicherheit ist bedroht durch Manöver, durch den Konfliktin Donbass, auf der Krim, durch weitere Aufrüstung sowohl auf russischer Seite als auch in den NATOStaaten .Auch die Ankündigung, die Atomwaffen in Deutschland,in Büchel, neu aufzurüsten, ist ein Teil dieser Bedrohungder Sicherheit .
Zusammenarbeit ist durch Sanktionen und Gegensanktionen zum Nachteil aller Beteiligten bedroht . Was wirbeabsichtigen, auch mit dieser Debatte und dem Antrag,den wir eingebracht haben, ist, einen Ausweg aus dieserPolitik zu finden.Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeitin Europa ist der wichtigste institutionelle Rahmen, indem aus unserer Sicht ein Ausweg gefunden werdenkann, in dem eine Entspannung eingeleitet werden kann .Deutschland hat, auch als Folge des KSZEProzesses,der vor 40 Jahren in Helsinki begonnen wurde, durch dieWiedervereinigung und auch in der Zeit danach am meisten profitiert. Nächstes Jahr wird Deutschland den Vorsitz der OSZE übernehmen . Ich glaube, der Bundestagsollte sich damit befassen, welche Vorschläge möglichsind, um die OSZE wieder zu stärken und in RichtungDeeskalation und Frieden wirken zu lassen .
Die Linke hat einen Antrag mit sehr umfangreichenVorschlägen eingebracht . Es werden vielleicht nicht alleumsetzbar sein; aber ich glaube, es ist wichtig, dass wirdiese Vorschläge machen . Ich will nur drei davon herausgreifen .Als Erstes sollten die Verhandlungen über eine konventionelle Abrüstung wieder aufgenommen werden . Esgeht hier um den KSEIIProzess .Ein zweiter Vorschlag ist die Absenkung der Schwellenwerte für die Beobachtung von ungewöhnlichen militärischen Aktivitäten und Quotenerhöhungen für Gebietsinspektionen und Überprüfungsmöglichkeiten vonmilitärischen Standorten zur Langzeitbeobachtung . Dassind technische Dinge, die möglich sind, wenn der politische Wille dafür vorhanden ist .Unser dritter Vorschlag ist, das OSZE-Konfliktverhü-tungszentrum zu erweitern . Dazu gehören das Recht aufungehinderte Informationsbeschaffung und ein Initiativund Durchführungsrecht für Dringlichkeitsmaßnahmenzum Einsatz von zivilen Krisenpräventionsmitteln .Wir glauben, dass es sehr wichtig ist, dass Deutschland den Vorsitz im nächsten Jahr nutzt, um InitiativenDr. Philipp Murmann
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zu starten, damit die OSZE aus der Defensive herauskommt; denn wir müssen uns natürlich daran erinnern,dass die aktuelle Konfliktsituation in der Ukraine aucheine Folge der Schwäche der OSZE in der Vergangenheit ist und dass die Hoffnungen, die es 1990 gab, auchmit dem Pariser Prozess nicht erfüllt wurden . Dieser Prozess – das muss man auch erwähnen – wurde vor allenDingen von den USA blockiert .Ich will mit einem Zitat des ehemaligen EUKommissars Günter Verheugen schließen, der am Montag imSpiegel gesagt hat – ich zitiere –:Die Lehre aus der Entspannungspolitik und demKSZEProzess– also dem Vorläufer der OSZE –der Siebzigerjahre ist, dass Frieden nur möglich ist,wenn keiner den anderen dominieren will und keinerimperiale Ansprüche erhebt . Das gilt für Russland,das gilt für die USA . Und auch die EU sollte größtmöglichen Abstand zu solchen Gelüsten wahren .Frieden in Europa ist nur mit Russland möglich, unddie OSZE ist der institutionelle Rahmen, in dem er organisiert werden kann, wenn der politische Wille dafürda ist .Vielen Dank .
Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Jürgen
Klimke .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! 40 Jahre ist es mittlerweileher, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa durch die Schlussakte von Helsinki 1975zunächst als Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, KSZE, entstand . Nach dem Ende desKalten Krieges 1995 konstituierte sich dann die OSZE,die heute aus 57 Teilnehmerstaaten besteht .Obwohl nach dem Kalten Krieg die Frage im Raumstand, ob wir die OSZE noch brauchen, wurde sie nichtabgeschafft, gewann sogar neue Funktionen hinzu, wiezum Beispiel die Wahlbeobachtungen und den Schutzder Menschenrechte . Heute sind wir froh, dass wir dieOSZE haben und dass es einen regionalen multilateralenRahmen gibt, in dem die Sicherheitslage unter Einbeziehung aller Beteiligten diskutiert werden kann . Wir sindauch froh, dass wir zum Beispiel Beobachter in Konfliktgebiete entsenden und die Legitimität von Wahlen vorOrt überprüfen können .Die Stärke der OSZE ist ihre Akzeptanz in den Mitgliedstaaten . Deshalb halte ich zum Beispiel gar nichtsdavon, Russland aus Institutionen der OSZE auszuschließen . Das hieße, diese Organisation falsch zu verstehen .Der Ansatz der OSZE ist kooperativ und multilateral .Das bedeutet aber auch, dass sich die Mitglieder der Kritik stellen müssen, und es ist ja nicht so, dass diese Kritiknicht geäußert wird und sich nicht in den Beschlüssen,zum Beispiel denen der Parlamentarischen Versammlungder OSZE, wiederfindet. Das Problem ist ein anderes. Esliegt plötzlich ein ungeheurer Erwartungsdruck auf derOSZE. Sie soll den Konflikt in der Ukraine und andereSicherheitsfragen quasi im Alleingang lösen, soll Vertrauen schaffen, Frieden wiederherstellen und den Waffenstillstand überwachen .Meine Damen und Herren, wir dürfen die OSZE nichtmit überzogenen Erwartungen überfrachten, auch nicht,wenn wir 2016 den Vorsitz haben . Die OSZE ist starkals Vertrauensbildner, als Moderator, als Überwachervon Fortschritten . Sie ist jedoch gegen Unwillige nichtzur Einigung zu zwingen . Auch Deutschland wird denOSZEVorsitz nicht dafür nutzen können . Gleichwohl erhoffen wir Impulse vom deutschen OSZEVorsitz, auchin der Frage der UkraineKrise . Deutschland hat hier dieMöglichkeit, sein politisches Kapital einzubringen: dasVertrauen, das wir auf beiden Seiten genießen .Ich habe persönlich noch andere Erwartungen an denOSZEVorsitz . Ziel muss es sein, die Organisation nochfitter für die Zukunft zu machen; denn wir stehen – ichsagte es eben – vor großen Herausforderungen . Schließlich wurde die OSZE im Kalten Krieg gegründet, als manes ausschließlich mit staatlichen Akteuren zu tun hatte .Die heutigen Konflikte sind unübersichtlicher. Wir habenSeparatisten, Freischärler prägen die Situation . Das Handeln in Konflikten lässt sich nur noch schwer einzelnenAkteuren zuordnen .Die neuen Aufgaben der OSZE in Bezug auf Beobachtungsmissionen, aber auch auf die Stärkung derMenschenrechte und die Wahlbeobachtungen machenReformen notwendig . Zudem müssen wir die Ziele präzisieren, will man die neuerliche Spaltung Europas überwinden oder primär die demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung fördern . Fakt ist, dass die OSZE fürdie gestiegenen Anforderungen eine bessere finanzielleAusstattung benötigt, dass die Strukturen an die unübersichtliche Lage angepasst werden müssen .Als stellvertretender Leiter der deutschen Delegationin der Parlamentarischen Versammlung der OSZE wünsche ich mir im Übrigen auch, dass dieser Arm der Parlamentarischen Versammlung gestärkt wird .
Die Beschlüsse der Parlamentarischen Versammlungmüssen für das Handeln der OSZEMitglieder eine nochgrößere Bedeutung bekommen .Meine Damen und Herren, ich finde es richtig, dasssich die Oppositionsparteien mit Initiativen für den deutschen Vorsitz beschäftigen . Das hat bei allen inhaltlichenDifferenzen auch einen positiven Grund, der anzumerkenist: dass alle Fraktionen hier der OSZE eine wichtige Bedeutung für die Zukunft zumessen . Das eint uns auch alsBundestag .
Andrej Hunko
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Es ist kein Geheimnis, dass zum deutschen OSZEVorsitz auch ein Antrag der Koalitionsfraktionen kommenwird, den wir hier in Kürze beraten werden .Lassen Sie uns deswegen gemeinsam daran arbeiten,gemeinsam daran wirken, dass die OSZE ihre vielfältigen Aufgaben nachhaltig erfüllen kann! Stärken wirdie OSZE durch den deutschen Vorsitz! Stärken wir derOSZE auch durch den Deutschen Bundestag den Rücken; denn wir brauchen diese Organisation dringenderdenn je!Danke sehr .
Nächste Rednerin ist die Kollegin Agnieszka Bruggerfür BÜNDNIS 90/Die Grünen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa isteine großartige und einzigartige Institution . Sie hat in derVergangenheit Unglaubliches geleistet und auch Unmögliches möglich gemacht . Seit ihrer Geburtsstunde mit derUnterzeichnung der Schlussakte von Helsinki 1975 ist esnicht nur gelungen, die Beziehungen zwischen Ost undWest zu verbessern, die Kriegsgefahr zu vermindern unddie Abrüstungsschritte der nächsten Jahre überhaupt erstmöglich zu machen, sondern sie hat auch mit ihren zahlreichen Instrumenten in den darauffolgenden Jahrzehnten in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte, zivile Krisenprävention, Wahlbeobachtung Unverzichtbaresauf den Weg gebracht .Die OSZE war ihrer Zeit weit voraus und dachte Sicherheit nicht nur als Sicherheit von Staaten, sondern alsSicherheit von Menschen, was für uns heute selbstverständlich ist . Dieser multinationale Sicherheitsbegriff,der die politischmilitärische Dimension, wirtschaftlicheund ökologische Perspektiven vereint und mit den Menschenrechten verbindet, ist heute angesichts vieler Krisenaktueller denn je .Umso verwunderlicher ist es, dass in der Debatte umdie neue deutsche Verantwortung in der Außen und Sicherheitspolitik so viel über die NATO und die EU undschon viel zu wenig über die Vereinten Nationen gesprochen wird, aber über die OSZE geschwiegen wird .Die OSZE gehört in den Mittelpunkt dieser Debatte . Derdeutsche Vorsitz nächstes Jahr bietet die Gelegenheit, dasin die Tat umzusetzen . Gleichzeitig liegen große Herausforderungen vor der OSZE, aber auch für Deutschlandals vorsitzenden Staat . Nun gilt es, diese Herausforderungen tatkräftig mit neuen Ideen anzugehen .Meine Damen und Herren, die OSZE ist in der Krise, weil eine Organisation immer nur so gut und so starkist, wie ihre Mitgliedstaaten das wollen und wie gut undstark sie sich selber einbringen . Es gibt leider viel zu viele Mitgliedstaaten, die nicht genug tun, und es gibt einige, die die OSZE boykottieren oder auch torpedieren . Ichmöchte jetzt gar nicht über Russland und die UkraineKrise sprechen, sondern ein anderes Beispiel herausgreifen . Aserbaidschan will die OSZE im Bereich Menschenrechte und Wahlbeobachtung zur Marionette der dortigenRegierung machen. Ich finde es gut und richtig, dass dieOSZE zu so etwas klar Nein sagt .
Für den deutschen Vorsitz gibt es aus meiner Sichtzwei zentrale Handlungsfelder . Das erste liegt im BereichAbrüstung und Rüstungskontrolle . Die OSZE hat die unheimlich wichtige Aufgabe, angesichts der verschlechterten Sicherheitslage in Europa, dem gegenseitigenAufrüsten auf beiden Seiten und dem verbalen Machtgehabe, in dem auf einmal schlimmerweise Nuklearwaffenwieder eine Rolle spielen, Vertrauen und Transparenz zuschaffen . Dazu gehören die Modernisierung des WienerDokuments und die Stärkung der gemeinen Überwachungsflüge unter dem Open-Skies-Vertrag. Dazu gehörtaber vor allem auch mehr ehrlicher Austausch über Manöver und Übungen . Denn die wahre Gefahr aktuell istdoch nicht, wie es manchmal diskutiert wird, dass Russland einen NATOMitgliedstaat angreift, sondern vielwahrscheinlicher ist, dass bei den zahlreichen Übungenund Manövern vielleicht einmal etwas unbeabsichtigtpassieren könnte .Abrüstung und Rüstungskontrolle sind keine Schönwetterthemen . Sie sind gerade in solchen schwierigenZeiten wichtiger und relevanter denn je .
Die zweite Herausforderung sehen wir in der Ukraine . Die OSZE hat die unheimlich wichtige und extremschwierige Aufgabe, die Umsetzung des Minsker Abkommens und den Waffenstillstand zu überwachen . Siekann diese Aufgabe mit ihren zwei Missionen nicht erfüllen . Das liegt daran, dass den Beobachterinnen undBeobachtern immer wieder der Zutritt zu den entscheidenden Gebieten in der Ostukraine versagt wird . Das istuntragbar . Gleichzeitig setzen sich die Beobachterinnenund Beobachter dieser Mission einem großen Risiko aus .Es ist auch schon zu einigen Entführungen gekommen .Der Generalsekretär der OSZE, aber auch eine Expertengruppe haben hierzu Vorschläge vorgelegt, wie mandie Handlungsfähigkeit solcher Missionen stärken undden Schutz der Menschen verbessern kann, die dieseAufgabe übernehmen . Diese gilt es jetzt unideologischzu diskutieren, aber auch sehr sorgsam zu prüfen, wennes beispielsweise um die Frage von robusteren Schutzkomponenten geht. Aber wir haben die Pflicht, dafür zusorgen, die Menschen, die diesen Auftrag übernehmen,so zu befähigen, dass sie ihn erfüllen können, und sie gutzu schützen .
Meine Damen und Herren, die Aufgaben sind nichteinfach, aber es lohnt sich, sie anzupacken . Herr KollegeKlimke, ich freue mich und sehe es ganz genauso wieSie . Ich glaube, wir haben eine große Einigkeit von dereinen bis zur anderen Seite des Hauses . Vielleicht können wir diese Debatte als Auftakt nutzen und aus den dreiJürgen Klimke
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Anträgen, die dann auf dem Tisch liegen, einen gemeinsamen Antrag machen, um so der Bundesregierung denRücken zu stärken, damit sie mit dem deutschen Vorsitzdie OSZE stärken kann .
Die Kollegin Doris Barnett spricht jetzt für die SPD .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eswurde schon gesagt: Als sich vor 40 Jahren nach zweijähriger Verhandlungsphase in Helsinki die Staatschefsvon damals 35 Ländern zur feierlichen Verabschiedungder KSZESchlussakte trafen, taten sie das in dem Willen, im Interesse ihrer Völker die Beziehungen zu ihrenNachbarstaaten zu verbessern und in dem damals nochgeteilten Europa nicht mehr die Muskeln spielen zu lassen, sondern zum Frieden, zur Sicherheit und Gerechtigkeit, zur Zusammenarbeit und damit zur Annäherungzwischen ihnen und zu den anderen Staaten der Welt beizutragen .In der Geschichte unseres Kontinents gab es immerwieder Zeitfenster, die sich öffneten für zum Teil radikaleÄnderungen in der Politik . 1973 bis 1975 war so eines .1989/1990 war wieder so eines . Es ist zu hoffen und zuwünschen, dass sich 2015/2016 wieder ein solches Zeitfenster öffnet, was man allerdings erst im Nachhineinwissen kann . Die Abkommen Minsk I und II sind möglicherweise Ausgangspunkte eines politischen Veränderungsprozesses .Die OSZE wird als wichtiges politisches Instrumentdann wahrgenommen, wenn Krisen ausgebrochen sind,es also eigentlich schon zu spät ist, wenn eben die ganzenMechanismen, die sowohl in der KSZESchlussakte alsauch in der Charta von Paris verabredet wurden, nicht gegriffen haben . So auch jetzt wieder, als bis zum Ausbruchder UkraineKrise die OSZE kaum in Erscheinung trat .Dass ich nicht falsch verstanden werde: Natürlich arbeitet die OSZE ständig, um ihre Ziele durchzusetzen . Zuden wichtigsten gehören vor allem die Konfliktverhütungund damit die Schaffung von Sicherheit, aber auch, wennes zum Konflikt gekommen ist, so einzugreifen, dass derKonflikt beigelegt und befriedet wird. Dabei stehen dannder Schutz der Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit ganz vorne an, weil ebendiese den Kern unseres gemeinsamen Wertesystems ausmachen: Freiheit in Sicherheit .Das ist ein Bohren dicker Bretter . Dafür hat die Organisation drei unabhängige Organisationen, die die Verpflichtungen der KSZE-Vereinbarungen überwachen. Daist das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte – vielen auch unter der Abkürzung ODIHRbekannt –, das unter anderem durch seine Wahlbeobachtungsmissionen für Aufmerksamkeit sorgt, so auch jetztwieder im Zusammenhang mit den anstehenden Wahlenin Aserbaidschan . ODIHR wird die Wahlen nicht beobachten können, weil es nicht nach seinen allgemeinenStandards, die es zum Beispiel selbst in Belarus problemlos anwendet, in Aserbaidschan arbeiten kann . Es istschade, dass sich hier die Abgeordneten der Parlamentarischen Versammlungen des Europarates und der OSZEauseinanderdividieren lassen .
Während die PV des Europarates zu den Wahlen geht,wird sich die OSZE PV – ebenso wie ODIHR – nicht aneiner durch die Vorgaben von Aserbaidschan massiv beschränkten Wahlbeobachtung beteiligen .Neben ODIHR gibt es die Hohe Kommissarin für nationale Minderheiten, die eigentlich immer in Konflikten – siehe Ukraine – für die Fragen der Minderheiteneingebunden werden sollte . 1990/1991, als die Sowjetunion zerfiel, fanden sich praktisch über Nacht Millionen von Russen in neuen Staaten wieder, deren Bürgersie werden konnten – oder auch nicht . Zwar gibt es inden ganzen Dokumenten Verpflichtungen zum Umgangmit den Minderheiten, aber deren Einhaltung kann auchdie Hohe Kommissarin nicht gewährleisten . Genau hierliegen dann die Wurzeln neuer Konflikte. Ein menschenwürdiger Umgang mit ihren Minderheiten würde auchheute helfen, dass viele Bürger europäischer Staaten inihrer Heimat blieben, statt als sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge zu versuchen, sich anderenorts ein neues Leben aufzubauen .Als dritte Institution arbeitet die OSZEBeauftragtefür Medienfreiheit daran, dass nicht nur staatstragendeMedien zu Wort kommen, sondern auch Kritik geäußertwerden darf . Aber leider ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Regierungspolitik, wie wir sie hier alsselbstverständlich empfinden, in vielen der 57 OSZE-Staaten Grund genug, Menschen oft jahrelang hinterGitter zu bringen, und das mit sehr fadenscheiniger Begründung .Im 40 . Jahr seit der Unterzeichnung der Schlussaktekann man deshalb auch schon einmal kritisch fragen, obdie Organisation das gebracht hat, was man sich bei ihrerGründung erhoffte .Wenn Deutschland im kommenden Jahr den Vorsitzder OSZE übernimmt, dann liegt nicht nur jede Mengeungelöster Probleme auf dem Tisch . Mit dem deutschenVorsitz verbinden sich auch viele Hoffnungen . Aber dieBundesregierung ist gut vorbereitet und hat bereits indiesem Jahr sehr eng mit dem serbischen OSZEVorsitzzusammengearbeitet . Schließlich hat Deutschland mitder Anwendung des NormandieFormats innerhalb derOSZE bewiesen, dass Konfliktmanagement möglich ist.Morgen werden die vier Staats und Regierungschefs erneut zusammenkommen, um die Umsetzung des Minsker Abkommens voranzutreiben . Aber es gibt die Machtdes Faktischen . Sie überschreibt jedes Mal die Vertragstexte . Hieran etwas zu ändern, wird eine große Herausforderung an den deutschen Vorsitz sein . Da erwarte icheigentlich, dass auch wir Abgeordnete, die wir Delegierteder OSZE PV sind, unseren Teil dazu beitragen; denn inAgnieszka Brugger
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der Zwischenzeit konnten wir – auch durch meinen Einsatz – in Sachen parlamentarische Diplomatie achtbareFortschritte und Erfolge erreichen .Die Erwartungen und auch die Forderungen der Opposition an den deutschen OSZEVorsitz sind erheblich .Natürlich geht es in allererster Linie ums Geld . Aber dasind wir uns einig: Der Haushalt der OSZE – ohne PV –ist mit rund 141 Millionen Euro unterfinanziert. Das erkennt man auch, wenn man sich die Aufgabenstellung,die Anforderungen für die etwas über 300 Mitarbeiteranschaut .Allein die Special Monitoring Missions verschlingen die Hälfte des Geldes . Von diesen erwarten mancheOSZEMitglieder, dass sie angesichts mancher autoritären Regierungen in den Reihen der OSZE auf RegimeChange drängen, also auf die Ablösung dieser Regierungen, weil diese für sie der „Feind“ sind . Dabei soll dieOSZE Konflikte doch ausdrücklich durch Vertrauensbildung, durch Verhandlungen entschärfen . Auch das wirdfür uns eine große Herausforderung werden .Dass die Opposition zur Finanzierung der OSZE einfach die NATOGelder umlenken will, zeigt mir nur einmal mehr das Unverständnis und auch den Unwillen derLinken in Bezug auf das Atlantische Bündnis .Dass wir die OSZE stärken wollen, insbesondere beider Durchsetzung der vereinbarten grundlegenden Prinzipien, ist auch richtig und bleibt ein Daueranliegen fürjeden Vorsitz . Denn bei 57 Mitgliedstaaten unterschiedlicher politischer Herkunft und Prägung wird es sowohl darauf ankommen, die Latte nach oben zu verschieben, alsauch darauf, gleichzeitig alle an Bord zu halten . Wir erleben doch gerade, wie OSZEFeldmissionen geschlossenwerden müssen, weil man im Land keine Kritik duldet,oder dass auch Beziehungen zum Europaparlament gekappt werden, weil die Ansichten zu Menschenrechten,Meinungs und Pressefreiheit zu weit auseinandergehen .Dadurch, dass alle OSZEStaaten einen gleichberechtigten Status haben, dass Entscheidungen im Konsensgefällt werden und politischer Natur sind, allerdingsrechtlich nicht bindend, hat man gegenüber den Staaten,die die eingegangenen Prinzipien nicht einhalten, nur einmoralisches Schwert in der Hand . Die Kunst wird sein –da hat sich der Außenminister ja schon als klug Handelnder erwiesen –, dennoch mit Verhandlungen, neuenFormaten und auch mithilfe von uns Abgeordneten Konflikte zu überwinden. Ich gebe zu: All diese Schritte werden nicht mit Siebenmeilenstiefeln gegangen; aber wennsie Gewalt verhindern, wenn Menschenleben verschontwerden, ist mir die Schuhgröße egal .
Frau Kollegin Barnett, denken Sie an die vereinbarte
Redezeit .
Das ist mein letzter Satz .
Dass sich die höchste politische Ebene für die Stär
kung der OSZE einsetzt, ist für mich eine Selbstverständ
lichkeit . Die Prinzipien und Werte der OSZE zu achten,
ist für jedermann das Gebot der Stunde .
Vielen Dank .
Abschließender Redner zu diesem Tagesordnungs
punkt und auch abschließender Redner an diesem Debat
tentag ist der Kollege Dr . HansPeter Uhl für die CDU/
CSU .
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen undKollegen!Deutschland ist bereit, sich außenpolitisch stärkerzu engagieren .An diesem Anspruch muss sich die deutsche Außenpolitik gerade in Zeiten von Krisen und Ausnahmesituationen immer wieder messen lassen . Die Übernahme desOSZEVorsitzes im nächsten Jahr führt mit dazu, dassdiesem Satz auch Taten folgen können .In Zeiten außenpolitischer Anspannung und andauernder militärischer Auseinandersetzungen kommt derOSZE – da sind wir uns alle einig – eine ganz besondere Rolle zu . Als politische Organisation vereint sie alleeuropäischen Staaten, alle Nachfolgestaaten der Sowjetunion und auch die USA und Kanada . Gleichzeitig fußtihr Konzept auf einem Sicherheitsbegriff, der sehr breitangelegt ist . Zu den politischmilitärischen Aspektenkommen die wirtschaftliche Zusammenarbeit und derKorb 3: Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie . Das macht die OSZE zu einem ganz wertvollen Dialogforum . Vor allem bietet sie eines der wenigen institutionellen Formate, die wir dringend brauchen, in denenwir strukturierte Gespräche mit Moskau, mit Russlandführen können .Doch gerade die Russische Föderation – das kam in derRede der Linken etwas zu kurz – mit ihren ambivalentenInteressen ist in der Vergangenheit gezielt immer wiederals Störer aufgetreten . Einerseits wird von Ihrer Seiteoffiziell eine Aufwertung der OSZE befürwortet, andererseits sind nicht alle Dimensionen des OSZESicherheitsbegriffes attraktiv für die gegenwärtige russischeFührung . Gerade in Sachen der Rechtsstaatlichkeit undder Demokratie hat Russland in letzter Zeit ja nun wirklich keine großen Fortschritte gemacht – um es etwasvorsichtig auszudrücken .Der Vorsitz bietet Deutschland nun eine Chance, dieReformierung der OSZE voranzutreiben . VorhandeneInstrumente sind an die neue geopolitische Lage in Europa anzupassen . Die Europäische Union steht für Freiheitund Demokratie . Gerade deswegen sind wir aufgerufen, diesen „Dritten Korb“, die Menschenrechte und dieRechtsstaatlichkeit, im Dialog aufzuwerten . Instrumente,die europäische Grenzen sichern und auch robuste Maßnahmen einschließen, sind zu entwickeln . ProblematischDoris Barnett
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 127 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 1 . Oktober 2015 12415
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dabei ist, dass dies alles immer nur einstimmig erfolgenkann, also auch mit der Stimme Russlands erfolgen muss .Im Hinblick auf die aktuelle Lage in der Ukraine giltes, die beiden OSZEBeobachtermissionen nicht ausdem Auge zu verlieren . Die Umsetzung der MinskIIVereinbarungen muss wirkungsvoll überwacht werden .Hier geht es darum, dafür zu sorgen, dass diese Beobachtermissionen nicht an einem russischen Veto scheitern .Einerseits unterstützt Russland diese Missionen, andererseits tut es alles, um technische Aufklärungsmittel fürdiese Missionen zu verhindern, sodass keine wirklichenErkenntnisse gewonnen werden können . Das ist die Strategie, die durchaus erkennbar ist – die hätten Sie vielleicht auch einmal erwähnen können –, nämlich einerseits Zusammenarbeit zu suggerieren, andererseits aberdie Kooperation zu verweigern .Ich hoffe, dass das Treffen der Präsidenten Russlandsund der Vereinigten Staaten zu einer Annäherung führenkann und dass wir im Lichte dieser Annäherung auch imkommenden Jahr zu Erfolgen kommen können . Die unnötigen Spitzen im Antrag der Linken gegen die USAund vor allem gegen den notorischen Feind der Linken,die NATO, werden es nicht möglich machen, einen gemeinsamen Antrag mit den Linken zu diesem Thema zuformulieren . Im Gegenteil: Ich bin vollkommen einverstanden, auch mit der Kollegin Barnett, dass es nur miteiner starken NATO gelingt, in der OSZE Erfolge zu erzielen . Das eine gehört zum anderen, und beides ist untrennbar miteinander verbunden . Aus einer Position derSchwäche werden wir in Moskau nichts erreichen .
Der Antrag der Grünen spricht zu Recht von einer Zeitwachsender Unsicherheit in Europa . Das ist sicher richtig . Ich hoffe aber, dass sich bis zum Beginn des deutschen OSZEVorsitzes die Zustände noch etwas verbessert haben . Ich wünsche mir jedenfalls – wir Deutschewollen dazu beitragen –, im kommenden Jahr sagen zukönnen: Deutschland hat das Glück, in einer Zeit neuenVertrauens neue Verantwortung übernehmen zu können .Vielen Dank .
Vielen Dank ebenso . – Damit schließe ich die Aus
sprache .
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 18/5108 und 18/6199 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen .
Ich gehe davon aus, dass Sie alle damit einverstanden
sind und sich kein Widerspruch erhebt . – Dann sind diese
Überweisungen so beschlossen .
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages
ordnung .
Ich wünsche Ihnen noch einen erholsamen Abend, da
mit Sie morgen wieder ausgeruht hier im Plenum sein
können .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun
destages auf morgen, Freitag, den 2 . Oktober 2015,
9 .00 Uhr, ein .
Die Sitzung ist damit geschlossen .