Protokoll:
17159

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 159

  • date_rangeDatum: 10. Februar 2012

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:21 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/159 (Drucksachen 17/1599, 17/4487) . . . . . . . Inhaltsverzeichnis Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Spatz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab- geordneten Sigmar Gabriel, Ute Vogt, Heinz-Joachim Barchmann, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD: Rückholung der Atommüllfässer aus der Asse II beschleunigen (Drucksachen 17/8351, 17/8588) . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Stefan Birkner, Minister 19028 C 19029 D 19030 D 19032 B 19033 C 19035 A 19036 B 19037 A 19037 D 19041 D 19042 A 19042 B 19043 C 19045 A Deutscher B Stenografisch 159. Sitz Berlin, Freitag, den 1 I n h a l Absetzung des Tagesordnungspunktes 22 . . . Tagesordnungspunkt 20: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Globalisierung gestalten – Partnerschaften ausbauen – Verantwortung teilen (Drucksache 17/8600) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) . . . . . . Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . T a b 19021 A 19021 A 19021 B 19023 A 19024 B 19025 D 19026 B Edelgard Bulmahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . 19039 B 19040 C undestag er Bericht ung 0. Februar 2012 t : agesordnungspunkt 21: ) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Dorothea Steiner, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rückho- lung des Atommülls aus der Asse be- schleunigen (Drucksache 17/8497) . . . . . . . . . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab- geordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans- Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Beteiligung der Energie- konzerne an den Kosten für das Atom- mülllager Asse 19041 D (Niedersachsen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . 19046 A 19047 C II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sigmar Gabriel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . ordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Abzug deutscher Poli- zisten aus Afghanistan (Drucksachen 17/4879, 17/8443) . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) 19048 D 19050 A 19052 A 19053 A 19065 B 19065 B 19066 B Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Paul (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Günter Gloser, Dietmar Nietan, Klaus Brandner, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Für einen Neubeginn der deutschen und europäischen Mittelmeerpolitik (Drucksachen 17/5487, 17/6421) . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Niema Movassat, Heike Hänsel, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Selbstständige Entwick- lung fördern – Faire Handelsbeziehun- gen zu Ägypten, Jordanien, Marokko und Tunesien aufbauen (Drucksache 17/8582) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Günter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Hörster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: a) Große Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Deutsche Polizeiarbeit in Afghanistan (Drucksachen 17/1069, 17/2878) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu dem Antrag der Abge- J W G N A L A Z – – (T D A Z – – (T W A A 19054 A 19054 D 19056 C 19057 C 19058 D 19058 D 19059 A 19060 B 19061 D 19063 A 19064 A 19065 A immy Schulz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ünter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung: Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Für einen Neubeginn der deut- schen und europäischen Mittelmeerpolitik Antrag: Selbstständige Entwicklung för- dern – Faire Handelsbeziehungen zu Ägypten, Jordanien, Marokko und Tune- sien aufbauen agesordnungspunkt 23 a und b) r. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . nlage 3 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung: Große Anfrage: Deutsche Polizeiarbeit in Afghanistan Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Abzug deutscher Polizisten aus Afghanistan agesordnungspunkt 24 a und b) olfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 4 mtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19068 A 19069 C 19071 B 19071 D 19073 A 19073 D 19075 A 19075 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 19021 (A) ) )(B) 159. Sitz Berlin, Freitag, den 1 Beginn: 10.4
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 19073 (A) ) )(B) DIE GRÜNEN Anlagen weise noch weit von einem friedlichen Ausgang Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Die Transforma- tionsprozesse in Nordafrika sind, wie die jüngsten Aus- schreitungen in Ägypten mit über 70 Toten zeigen, teil- Krischer, Oliver BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.02.2012 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ 10.02.2012 Anlage 1 Liste der entschuldigte A Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 10.02.2012 Becker, Dirk SPD 10.02.2012 Bender, Birgitt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.02.2012 Breil, Klaus FDP 10.02.2012 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 10.02.2012 Burchardt, Ulla SPD 10.02.2012 Burkert, Martin SPD 10.02.2012 Dreibus, Werner DIE LINKE 10.02.2012 Friedhoff, Paul K. FDP 10.02.2012 Dr. Geisen, Edmund Peter FDP 10.02.2012 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 10.02.2012 Glos, Michael CDU/CSU 10.02.2012 Günther (Plauen), Joachim FDP 10.02.2012 Gutting, Olav CDU/CSU 10.02.2012 Hempelmann, Rolf SPD 10.02.2012 Dr. Höll, Barbara DIE LINKE 10.02.2012 Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 10.02.2012 Kipping, Katja DIE LINKE 10.02.2012 Körper, Fritz Rudolf SPD 10.02.2012 Kramme, Anette SPD 10.02.2012 Krellmann, Jutta DIE LINKE 10.02.2012 Kretschmer, Michael CDU/CSU 10.02.2012 K L D L M M D P P P R S S T Z A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten nlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Für einen Neubeginn der deutschen und europäischen Mittelmeerpolitik – Antrag: Selbständige Entwicklung fördern – Faire Handelsbeziehungen zu Ägypten, Jor- danien, Marokko und Tunesien aufbauen (Tagesordnungspunkt 23 a und b) uhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.02.2012 ange, Ulrich CDU/CSU 10.02.2012 r. Lehmer, Max CDU/CSU 10.02.2012 uksic, Oliver FDP 10.02.2012 enzner, Dorothée DIE LINKE 10.02.2012 ücke, Jan FDP 10.02.2012 r. Neumann (Lausitz), Martin FDP 10.02.2012 aula, Heinz SPD 10.02.2012 loetz, Yvonne DIE LINKE 10.02.2012 oß, Joachim SPD 10.02.2012 emmers, Ingrid DIE LINKE 10.02.2012 chmidt (Eisleben), Silvia SPD 10.02.2012 teinbach, Erika CDU/CSU 10.02.2012 ressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.02.2012 apf, Uta SPD 10.02.2012 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 19074 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 (A) ) )(B) entfernt. Noch sind keine neuen Strategien für den Mit- telmeerraum gefragt, sondern konkrete Ad-hoc-Maßnah- men, die die Transformationsprozesse begleiten und in demokratische, rechtsstaatliche Bahnen lenken helfen. Deshalb hat die Bundesregierung die Transformations- partnerschaften mit Tunesien und Ägypten ins Leben gerufen. Deshalb hat auch die EU ihre Nachbarschafts- politik überarbeitet und an die Erfordernisse der Trans- formationsländer angepasst. Mit diesen Maßnahmen und Programmen haben wir einen Neubeginn der deutschen und europäischen Mit- telmeerpolitik in Gang gesetzt. Dabei haben die Bundes- regierung und die EU strategische Weitsicht bewiesen. Denn wenn es uns gelingt, Einfluss auf den Verlauf der Transformationsprozesse auszuüben und den Aufbau de- mokratischer Staaten in Nordafrika zu unterstützen, ist das die beste Basis für eine EU-weite langfristig erfolg- reiche Mittelmeerpolitik. Hierzu sind wir mit der gegenwärtigen deutschen Mittelmeerpolitik auf dem besten Weg. Im Rahmen von Transformationspartnerschaften mit Tunesien und Ägyp- ten fördern wir effizient den demokratischen und rechts- staatlichen Wandel in der Region. Was unsere Kooperation mit Tunesien, dem Land, von dem die Umwälzungen in der arabischen Welt aus- gingen, angeht, so hat Deutschland bereits Anfang 2011 Unterstützung angeboten. Darauf aufbauend vereinbar- ten beide Seiten dann, diese Zusammenarbeit in einem „Transformationsdialog“ zu verstetigen. Darüber hinaus beinhaltet eine gemeinsame Absichtserklärung über die Transformationszusammenarbeit vom September letz- ten Jahres umfassende Kooperationsansätze für die kom- menden zwei Jahre. Auch die Unterstützung für Ägypten ist im Rahmen der Kooperationspartnerschaft erfolgreich angelaufen. Die Bedeutung der Transformationspartnerschaft für den weiteren Ausbau der deutsch-ägyptischen Beziehungen betonten der deutsche und der ägyptische Außenminister in der Berliner Erklärung vom August 2011. Bleibt zu hoffen, dass die mehr als unerfreulichen Ereignisse im Zusammenhang mit den deutschen politischen Stiftun- gen in Ägypten diesen Prozess nicht nachhaltig beschä- digen. Die Schwerpunkte beider Transformationspartner- schaften für 2012 und 2013 sind: die Stabilisierung des Demokratisierungsprozesses, die Stärkung der Zivilge- sellschaft, die Förderung von Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit, die Unterstützung guter Regierungs- führung, wirtschaftliche und soziale Stabilisierung und Kooperation im Bildungs- und Wissenschaftsbereich. Insgesamt wird die Bundesregierung 2012 und 2013 zusätzliche Mittel in Höhe von 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen. 60 Prozent der Mittel sollen den poli- tischen und wirtschaftlichen Wandel unterstützen, 40 Prozent den Bildungs- und Wissenschaftsbereich. Auch die gegenwärtige europäische Mittelmeerpolitik ist so angelegt, dass sie den Anforderungen der Transfor- mationsländer gerecht wird. s ro d L n d z e ru c 3 m d M c re b s s m b im u M s g E s e w s C m d z ih te u lä h s fi 2 h fr g s s g U s s e W (C (D So hat die europäische Kommission bereits sehr chnell nach Beginn der arabischen Revolution ihre Eu- päische Nachbarschaftspolitik neu auf die Bedürfnisse er Transformationsländer ausgerichtet und diese im ichte der fortschreitenden Umwälzungsprozesse konti- uierlich weiterentwickelt. Erst letzten September hat ie EU erneut vier weitere Programme zur Unterstüt- ung der Transformationsländer beschlossen, nämlich: in Unterstützungsprogramm zur nachhaltigen Förde- ng demokratischer Transformation und wirtschaftli- her Entwicklung mit einem Gesamtumfang von 50 Millionen Euro, Maßnahmen zur Förderung der är- eren Gebiete Tunesiens, Maßnahmen zur Förderung er Zivilgesellschaft sowie ein erweitertes „Erasmus undus Programm“ zur Förderung des wissenschaftli- hen Austausches. Damit will die EU stärker Demokratie, Menschen- chte und Rechtstaatlichkeit fördern, die Zusammenar- eit mit der Zivilgesellschaft in den Mittelpunkt rücken, owie Hilfsgelder aufstocken und deren Vergabe ver- tärkt an die Einhaltung demokratischer Werte und Nor- en binden. Ferner wird sich die EU auch für die sensi- len Themen wie Mobilität und Handelserleichterungen Interesse der Transformationsländer öffnen. Hierzu wird die EU Verhandlungen über vertiefte und mfassende Freihandelszonen mit Ägypten, Tunesien, arokko und Jordanien führen. Diese Freihandelszonen ind für uns von zentraler Bedeutung, wenn es darum eht, die Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche ntwicklung der Region zu schaffen. Als Fernziel sollen ie die Errichtung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums rmöglichen, der Nordafrika eng mit der EU verbinden ird. Genau in dieser engeren wirtschaftlichen Verbindung ehen wir im Gegensatz zur Fraktion Die Linke eine hance, die Zukunft diesseits und jenseits des Mittel- eers gemeinsam zu gestalten. Es geht der EU entgegen er Meinung der Linken nicht darum, die Reformpro- esse in Ägypten, Tunesien, Marokko und Jordanien für re wirtschaftlichen Interessen auszunutzen. Im Gegen- il! Die Bereitschaft der EU zur Vertiefung der Handels- nd Investitionsbeziehungen mit den Transformations- ndern zeugt von dem Bestreben, die Wirtschaftsbezie- ungen zum beiderseitigen Nutzen und auf partner- chaftlicher Ebene zu vertiefen. Diese richtungweisenden europäischen Initiativen, xiert in den Ratsschlussfolgerungen vom Dezember 011, zeugen von der Bereitschaft, über konkrete Ad- oc-Maßnahmen hinaus den Grundstein für eine lang- istige, nachhaltige EU-Mittelmeerpartnerschaft zu le- en. Diese erfolgreiche Bilanz der deutschen und europäi- chen Mittelmeerpolitik der letzten Monate zeigt: Wir ind auf dem richtigen Weg. Uns allen kann nur daran elegen sein, den arabischen Ländern, die sich jetzt im mbruch befinden, vernünftige und nachhaltige Unter- tützungsmaßnahmen anzubieten, die ihren Bedürfnis- en gerecht werden. Nur so schaffen wir die Basis für ine zukünftige Mittelmeerpolitik, die auf gemeinsamen erten und Idealen fußt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 19075 (A) ) )(B) Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Große Anfrage: Deutsche Polizeiarbeit in Afghanistan – Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Abzug deutscher Polizisten aus Afghanistan (Tagesordnungspunkt 24 a und b) Wolfgang Gunkel (SPD): Der Polizeiaufbau in Afghanistan ist nicht zum ersten Mal Thema im Deut- schen Bundestag, und auch durch mehrere Reisen in die Region konnte ich mir bereits ein Bild von der Entwick- lung und Lage vor Ort machen. Dass der Aufbau der Si- cherheitskräfte als Schlüssel für eine dauerhafte Stabili- sierung des Landes angesehen wird, ist richtig. Solche Sicherheitskräfte müssen loyal zu einer afghanischen Zentralregierung stehen und in der Lage sein, das Ge- waltmonopol des afghanischen Staatswesens zu garan- tieren. Doch genau da liegt das Problem. Und der Antrag der Fraktion Die Linke, den wir hier debattieren, enthält in seiner Bestandsaufnahme und Analyse einige richtige Punkte. So stimmt es, dass die afghanische Polizei zum größten Teil eine Bürgerkriegstruppe im Kampf gegen die Aufständischen ist. Richtig ist auch, dass Korruption und militärische Ansätze in der Polizeiausbildung das Bild der bisherigen Aufbauarbeit prägen. Auch dass Polizisten vielerorts mehr oder weniger als „Kanonen- futter“ im Bürgerkrieg eingesetzt werden, ist zutreffend. Dies zeigt sich auch darin, dass bislang in Afghanistan doppelt so viele Polizeikräfte getötet wurden wie afgha- nische und ISAF-Soldaten zusammen. Auch stimmt es, dass die Polizei in der afghanischen Bevölkerung einen extrem schlechten Ruf genießt und mehr als Teil des Si- cherheitsproblems denn als dessen Lösung wahrgenom- men wird. Doch wie soll es auch anders kommen, wenn soge- nannte Polizisten in gerade einmal sechs Wochen ein- satzbereit gemacht werden oder US-Streitkräfte afghani- sche „Polizisten“ sogar innerhalb einer Woche durch private Sicherheitsfirmen ausbilden lassen? Wie soll es anders kommen, wenn 70 bis 85 Prozent der rekrutierten Männer Analphabeten sind (siehe Antwort zu Frage 83, Bundestagsdrucksache 17/2878)? Wie soll es anders kommen, wenn es aufgrund der fehlenden Zusammenar- beit von Polizei, Verwaltung und Justiz fraglich ist, wem die „Polizisten“ ihre Loyalität schulden, ob den westli- chen Streitkräften, lokalen Stammesfürsten, der Zentral- regierung in Kabul oder erst einmal nur ihren ureigenen persönlichen Interessen? Es konnte und kann auch nicht anders kommen, wenn es beim Aufbau eines zivilen Polizeiapparates in erster Linie darum geht, diejenigen Männer, die bereit sind, mit den Streitkräften gegen die Taliban zu kämpfen, unter Waffen zu stellen und unter dem Gesamtbegriff „Polizei“ zusammenzufassen. Hier- bei handelt es sich nicht um „Polizeiausbildung“, son- d te d g A s P R ta K g d e s 7 d g A p d n w a D d s w s k z d A a u z Z e A g b D h c m S z (C (D ern um eine Schnellschulung paramilitärischer Einhei- n. Ein solcher „Polizeiaufbau“ macht keinen Sinn, und afür sollten und dürfen keine deutschen Polizisten ein- esetzt werden. Ungeachtet dessen muss die Polizeiausbildung in fghanistan differenzierter betrachtet werden. Denn es ind auch einige richtige Ansätze für den Aufbau einer olizei in Afghanistan zu finden. So beispielsweise im ahmen der Europäischen Polizeimission in Afghanis- n (EUPOL AFG) – etwa an der Polizeiakademie in abul – durch die der afghanischen Regierung gut aus- ebildete Polizeioffiziere bereitgestellt werden. Aller- ings ist EUPOL hoffnungslos unterfinanziert, weshalb s noch Jahre für einen Polizeiaufbau bräuchte, der die- en Namen auch verdient. Denn während 2010 etwa 00 Millionen Euro allein in den Militäreinsatz der Bun- eswehr geflossen sind, liegt das EUPOL-Budget für anz Afghanistan weit unter dieser Summe. Wenn wir parallel zur Forderung, die Bundeswehr aus fghanistan abzuziehen, die Bedeutung ziviler Aufbau- rojekte hervorheben und hier größere Anstrengungen er westlichen Welt verlangen, so gehört zum Aufbau ei- er Zivilgesellschaft neben einer funktionierenden Ver- altung und einem Justizwesen, frei von Korruption, uch eine gut ausgebildete und funktionierende Polizei. ass Afghanistan hier noch ganz am Anfang steht und ie Erfolgsaussichten, so wie sich die Lage jetzt dar- tellt, sehr gering sind, habe ich betont. Nur wäre es sehr ohl ein Fehler, die kleinen Ansätze, wie sie zum Bei- piel in EUPOL zu finden sind, auch noch durch den ompletten Abzug aller Polizeiexperten und Ausbilder u zerstören. EUPOL birgt durchaus Chancen und ver- ient größere Unterstützung. Deshalb können wir einen ntrag nicht unterstützen, der die Bundesregierung unter nderem auffordert, „EUPOL Afghanistan einzustellen“ nd alle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten unver- üglich abzuziehen. Denn eine zukünftige afghanische ivilgesellschaft, so ihr Aufbau denn gelingt, braucht ine Polizei, die den Namen „Polizei“ auch verdient. nlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit- eteilt, dass sie die Anträge Dienstwagenprivileg ab- auen und Besteuerung CO2-effizient ausrichten auf rucksache 17/2140 sowie ELENA – Meldepflicht auf- eben und Daten der Beschäftigten löschen auf Drucksa- he 17/5527 zurückzieht. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben itgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 atz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung u der nachstehenden Vorlage absieht: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie – Bericht gem. § 56a GO-BT des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Technikfolgenabschätzung (TA) Innovationsreport 19076 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 (A) (C) )(B) Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft im Hinblick auf die EU-Beihilfepolitik – am Beispiel der Nanoelektronik – Drucksache 17/4982 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahreswirtschaftsbericht 2012 der Bundesregierung – Drucksachen 17/8359 – Ausschuss für Gesundheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Situation der Versorgung der Bevölkerung mit Gewebe und Gewebe- zubereitungen – Drucksache 17/2751, 17/2971 Nr. 1.17 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht des Bewertungsausschusses über die Entwick- lung der Vergütungs- und Leistungsstruktur in der ver- tragsärztlichen Versorgung für das 1. bis 4. Quartal 2009 und Stellungnahme der Bundesregierung – Drucksache 17/4000, 17/4499 Nr. 1.2 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions- dokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Be- Haushaltsausschuss Drucksache 17/8227 Nr. A.25 Ratsdokument 17231/11 Drucksache 17/8426 Nr. A.17 Ratsdokument SN4747/11 Drucksache 17/8426 Nr. A.18 Ratsdokument 17230/11 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 17/8515 Nr. A.36 Ratsdokument 18960/11 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 17/8426 Nr. A.36 Ratsdokument 18310/11 Verteidigungsausschuss Drucksache 17/8227 Nr. A.36 Ratsdokument 16702/11 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/8227 Nr. A.39 Ratsdokument 16582/11 Drucksache 17/8426 Nr. A.42 Ratsdokument 17844/11 ratung abgesehen hat. Petitionsausschuss Drucksache 17/7423 Nr. A.1 EP P7_TA-PROV(2011)0382 (D Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 17/8227 Nr. A.47 Ratsdokument 16945/11 159. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 20 Gestaltung der Globalisierung TOP 21 Rückholung der Atommüllfässer aus dem Lager Asse TOP 23 Deutsche und europäische Mittelmeerpolitik TOP 24 Deutsche Polizeiarbeit in Afghanistan Anlagen
Gesamtes Protokol
Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715900000

Schönen Freitagmorgen zusammen! Liebe Kollegin-

nen und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet.

Interfraktionell ist vereinbart worden, den Tagesord-
nungspunkt 22 abzusetzen. Sind Sie damit einverstan-
den? – Sie widersprechen nicht. Dann ist das so be-
schlossen.

So rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Globalisierung gestalten – Partnerschaften
ausbauen – Verantwortung teilen

– Drucksache 17/8600 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

s

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B
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w
d
a
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n

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien

Dazu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die
Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Sie
widersprechen nicht. Dann haben wir das so beschlos-
sen.

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in unserer
Debatte ist – so ist mir das gerade gesagt worden – unser
Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle.

(C (D ung 0. Februar 2012 5 Uhr Herr Bundesminister, ich gebe Ihnen das Wort. Bitte chön, Kollege Dr. Westerwelle. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Ausärtigen: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her n! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich unächst beim Deutschen Bundestag dafür bedanken, ass wir seit einiger Zeit und aus Anlass des Konzeptes, as die Bundesregierung am Mittwoch im Kabinett verbschiedet hat, eine Debatte von eher grundsätzlicher edeutung und Ausrichtung führen. Ich möchte mich bei llen Fraktionen bedanken; denn dieser Gedanke ist bei llen Fraktionen gewachsen. Ich möchte auch zum Ausruck bringen, dass ich diese Debatte für notwendig alte; denn bei allem, was wir in Deutschland diskutien, bei allen wichtigen innenpolitischen Debatten, die ir zu führen haben, bei allen europäischen Problemen, ie wir derzeit lösen müssen – wir tragen eine große Verntwortung –, dürfen wir den Blick auf die Welt nicht erlieren. Wir dürfen nicht ignorieren, dass sich die Welt in eiem rasanten Tempo verändert, dass sich die Gewichte in der Welt verschieben, dass neue Kraftzentren gewachsen sind und neue Gestaltungsmächte auf die politische Bühne kommen, die nicht nur wirtschaftlichen Erfolg haben, sondern auch politischen Einfluss. Das ist ganz augenscheinlich eine große Veränderung. Wir leben in einer Zeit der Veränderung. Das, was als Wort Globalisierung in den letzten 15 Jahren in aller Munde war, ist in Wahrheit weit mehr als ein wirtschaftlicher Prozess. Die Globalisierung ist eine Vernetzung der Welt. Die Globalisierung vernetzt nicht nur Wirtschaften und bringt nicht nur Handelspartner zueinander, sondern es werden auch Werte globalisiert, es werden Lebensstile globalisiert. Es ist eine große Chance für uns, eine werteorientierte und interessengeleitete Außenpolitik zu formulieren und auch umzusetzen. Wir betrachten die Globalisierung als eine Chance, als eine Chance nicht nur für wirtschaftlichen Erfolg, sondern Bundesminister Dr. Guido Westerwelle )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





(A) )

ausdrücklich auch als eine Chance für unsere freiheitli-
chen Werte. Für diese treten wir weltweit ein.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, viele sind aufmerksam ge-
worden auf die Debatte in den Vereinigten Staaten von
Amerika, als die amerikanische Außenministerin erklärt
hat, es sei notwendig, den asiatisch-pazifischen Raum
stärker zu beachten und die amerikanische Außenpolitik
stärker auf den asiatisch-pazifischen Raum zu konzen-
trieren. In Wahrheit vollzieht sich hier nur eine reale Ent-
wicklung nach. Wir leben in einer Welt mit 7 Milliarden
Menschen, und wir spüren, auch wenn wir im Westen
immer noch glauben, den Taktstock fest in den Händen
zu halten, dass in Wahrheit immer mehr Gestaltungs-
mächte ebenfalls nach diesem Taktstock greifen.

Was sind die drei Merkmale dieser Gestaltungs-
mächte, von denen ich hier spreche?

Erstens. Es ist eine atemberaubende wirtschaftliche
Erfolgsgeschichte, die diese Gestaltungsmächte vorwei-
sen können.

Zweitens. Aus dem großen wirtschaftlichen Erfolg
dieser Mächte resultiert auch der Anspruch auf mehr
politische Mitwirkung und mehr politischen Einfluss.

Drittens. Diese neuen Gestaltungsmächte wollen min-
destens regional Ordnungskräfte sein, das heißt sich
auch als Ordnungsmächte, mindestens regional, verste-
hen.

Es ist deshalb notwendig, dass wir jetzt rechtzeitig
mit diesen neuen Gestaltungsmächten das Gespräch su-
chen, uns auch politisch auseinandersetzen, verstehen,
dass es mehr ist als China, Indien, Brasilien, Russland
oder Südafrika, also mehr ist als die BRICS-Staaten,
dass längst eine lange Reihe von weiteren Staaten sich in
der zweiten Reihe auf den Weg gemacht hat. Beispiel-
haft sind in dem Konzept, das wir in dieser Woche schon
vorgestellt haben, einige Staaten genannt, etwa Kolum-
bien, Vietnam, Indonesien. Es wären noch viele mehr zu
nennen. Aber es ist nicht möglich, eine abschließende
Liste der neuen Gestaltungsmächte vorzulegen. Allein in
den letzten zehn Jahren konnten wir beobachten, wie
schnell sich die Dinge verändern. Plötzlich sind Länder
in der ersten Liga der Weltpolitik dabei, bei denen man
das vor kurzem noch nicht für möglich gehalten hat. Die
Umbrüche insbesondere in der südlichen Nachbarschaft
Europas belegen dies eindeutig.

Ich will für die Bundesregierung klar sagen: Wir wol-
len die alten Freundschaften ausbauen und vertiefen,
aber wir wollen gleichzeitig auch neue Partnerschaften,
neue strategische Partnerschaften mit diesen neuen Ge-
staltungsmächten rechtzeitig eingehen und aufbauen.
Das ist unsere Ausgangsposition, das ist der Kern unse-
res Programms.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, einen Widerspruch daraus heraus-
zulesen, wie es in den politischen Diskussionen gelegent-
lich getan wird, nämlich zu meinen, die Hinwendung zu
neuen Gestaltungsmächten gehe einher mit der Abwen-
dung von alten Partnerschaften, das ist definitiv falsch.

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(C (D ür uns bleiben Europa und die Europäische Union das undament deutscher Außenpolitik. Für uns bleibt die ansatlantische Partnerschaft das Fundament deutscher ußenpolitik. Das heißt, die alten Freundschaften werden icht dadurch infrage gestellt, dass man neue strategische artnerschaften eingeht. So wie die neue Ostpolitik die estintegration nicht infrage gestellt hat, so stellt das inwenden zu neuen strategischen Partnern, zu neuen estaltungsmächten alte Partnerschaften nicht infrage. ir wissen, was wir am Westen haben. Für uns war der esten immer mehr als eine geografische Größe. Für uns ar der Westen immer auch eine Wertegemeinschaft; so erstehen wir ihn. Die Vernetzung der Welt findet in vielen Bereichen tatt. Deswegen ist es wichtig, dass wir verstehen, dass ir, vom Umweltschutz bis hin zur Bekämpfung des ungers in der Welt und zur präventiven Diplomatie, lso zur Konfliktvermeidung, alle Partner brauchen. erzstück unserer Politik sind dabei die Vereinten Natioen. Aber ich sage hier auch klar: Die Vereinten Natioen werden nur dann auch in Zukunft eine entscheidende olle in der Weltinnenpolitik spielen, wenn sie sich den euen Entwicklungen in unserer Zeit anpassen. So wie ie Gewichte in den Vereinten Nationen derzeit verteilt ind, spiegeln sie das Ergebnis einer Weltordnung nach em Ende des Zweiten Weltkriegs wider. Es ist aus unserer Sicht nicht das erste Ziel, dass eutschland als einer der größten Beitragszahler mit eiem ständigen Sitz im Sicherheitsrat vertreten ist. Ja, das ollen wir, aber das ist nicht das Eigentliche, worum es eht, sondern es geht darum, dass die Gewichte der Welt ich auch entsprechend widerspiegeln müssen. Dass Lainamerika überhaupt nicht ständig im Sicherheitsrat er Vereinten Nationen vertreten ist, dass der gesamte siatische Raum im Sicherheitsrat der Vereinten Natioen so unterrepräsentiert ist, dass Afrika überhaupt nicht tändig im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vertren ist, das ist aus unserer Sicht falsch. Wir sind der berzeugung: Das spiegelt die Verhältnisse der Verganenheit wider, aber nicht die Gegenwart und erst recht icht die Zukunft. Deswegen liegt es im Interesse der ereinten Nationen, dass wir alle gemeinsam die Reform er Vereinten Nationen voranbringen und vorantreiben. Dabei wissen wir natürlich, dass es in vielen Bereihen Unzulänglichkeiten und unterschiedliche Auffasungen gibt. Ich sage dies auch vor dem Hintergrund der ktuellen Debatten. Es gibt schon viele Bereiche, wo wir ternational zusammenarbeiten; dort erkennt man, dass s Lichtblicke gibt. Aber es ist zum Beispiel nicht ausichend, wenn man die Entscheidung des Sicherheitsts der Vereinten Nationen vom vergangenen Samstag usschließlich auf das doppelte Veto von Russland und hina reduziert. Sosehr wir kritisieren, dass es diese beien Vetos von Russland und China gegeben hat, so sehr ollten wir, wenn wir uns außenpolitisch wirklich ernstaft damit auseinandersetzen, anerkennen, dass alle aneren 13 Länder bei der Syrien-Resolution mit Ja getimmt haben, darunter Länder wie Indien, Pakistan und Bundesminister Dr. Guido Westerwelle )


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





(A) )

Südafrika. Das zeigt, dass sehr wohl auch positive Ent-
wicklungen zu verzeichnen sind.

Ich betrachte es als eine positive Entwicklung, dass
im Hinblick auf Syrien, aber auch im Hinblick auf an-
dere Konflikte, die wir im Nahen und Mittleren Osten
derzeit verzeichnen müssen und auch bewältigen wollen,
die Arabische Liga eine zunehmende Rolle spielt. Es ist
bemerkenswert, dass die Arabische Liga sich in den letz-
ten zwölf Monaten stärker als politische Einheit versteht
und stärker politischen Einfluss nimmt. Wir werden als
deutsche Bundesregierung darauf reagieren. Ich beab-
sichtige, unsere diplomatischen Beziehungen zur Arabi-
schen Liga formell aufzuwerten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Denn wir erkennen, dass es neue regionale Kräfte gibt,
mit denen wir bestens kooperieren können.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715900100

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischen-

frage der Kollegin Wieczorek-Zeul?

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:

Bitte sehr.


Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD):
Rede ID: ID1715900200

Eine Zwischenbemerkung: Sie haben das Veto von

Russland und China im UN-Sicherheitsrat erwähnt und
zu Recht kritisiert. Gerade weil Sie sagen, die UN sind
besonders wichtig, möchte ich Sie auffordern, dazu bei-
zutragen, dass Deutschland, die Europäische Union und
die Arabische Liga vor die UN-Generalversammlung ge-
hen, um dort eine Verurteilung Syriens wegen der anhal-
tenden Gewalt gegenüber der eigenen Bevölkerung zu
bewirken. Das ist der nächste Schritt, der schneller mög-
lich ist als die Einrichtung einer Kontaktgruppe. Deshalb
fordere ich Sie nachdrücklich dazu auf, vor die UN-Ge-
neralversammlung zu gehen, um dort ein Votum gegen
Syrien zu erreichen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:

Frau Kollegin, ich habe vorgestern ein langes Ge-
spräch mit dem russischen Außenminister Sergej
Lawrow nach seinem Besuch in Damaskus geführt. Ich
habe gestern ein intensives und auch operatives Ge-
spräch mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga,
Nabil al-Arabi, geführt. Ich muss Ihnen sagen: Ich hielte
es für klüger, wenn wir das, was wir tun, nicht nur unter
nationalen Gesichtspunkten diskutieren, sondern auch
engstens abstimmen, und zwar nicht nur mit den
13 Staaten, die im Sicherheitsrat mit Ja gestimmt haben,
sondern ausdrücklich auch mit der Arabischen Liga und
übrigens auch mit der Türkei. In diese Richtung arbeiten
wir. Ich glaube, entscheidend ist, dass wir das gemein-
sam tun und gemeinsam in dieser Richtung weiterarbei-
ten.

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(C (D Es sind mehrere konkrete Dinge verabredet worden, nd mehrere konkrete Dinge werden derzeit diskutiert. h begrüße den Vorschlag einer gemeinsamen Beobachrmission der Arabischen Liga und der Vereinten Natioen. Ich halte das für wichtig. Ich begrüße auch den Vorchlag der Arabischen Liga in Bezug auf die Einsetzung ines eigenen Sondergesandten der Vereinten Nationen. h halte es für unbedingt notwendig, dass wir eine Konktgruppe der Freunde eines demokratischen Syriens ründen. Ich halte es für unbedingt erforderlich, dass wir Europa auch den politischen Druck auf das Assad-Re ime erhöhen, indem wir die Sanktionen verschärfen. uch kann ich ausdrücklich nicht ausschließen, dass wir emeinsam zu dem Ergebnis kommen, dass es klug ist, ie Vereinten Nationen erneut damit zu befassen, sei es Sicherheitsrat, sei es in der Vollversammlung der ereinten Nationen. (Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Und zwar schnell!)


eides wird derzeit nicht ausgeschlossen; beides wird
erzeit auch mit den Partnern erörtert und diskutiert.

Da Sie ungeduldig mit den Händen gestikulieren – –


(Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Ja, die Menschen werden ja getötet!)


Ich bitte Sie, hinsichtlich des Schicksals der Menschen
Syrien hat hier jeder dieselbe Betroffenheit wie Sie.


(Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Natürlich!)


h glaube, davon kann man fest ausgehen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


as gilt für jeden, Frau Kollegin, für absolut jeden. Der
nterschied ist, dass wir handeln und wirklich etwas
erändern wollen.


(Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Das ist kein Unterschied!)


eswegen ist es in meinen Augen ganz dringend not-
endig, Frau Kollegin – es geht nicht darum, dass ich
ier als deutscher Außenminister etwas auf nationaler
bene ankündige –, dass wir zunächst einmal akzeptie-
n, dass die Arabische Liga hierbei eine ganz zentrale
olle spielt. In meinen Augen spielt die Arabische Liga
ine Schlüsselrolle bei der Lösung des Konfliktes. Des-
egen möchte ich auch, dass Initiativen von der Arabi-

chen Liga ausgehen und mit der Arabischen Liga be-
prochen werden. Das verstehe ich unter kooperativer
ußenpolitik, Frau Kollegin.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Nachdem wir einen Ausflug zu einem ganz ernsten
nd wichtigen Problem gemacht haben, will ich noch
ine Schlussbemerkung zu dem machen, was uns als
ntwort bevorsteht. Als Antwort ist nicht ausreichend,
eue Partnerschaften anzustreben und zu finden, uns mit
en aufstrebenden Gestaltungsmächten zusammenzutun
nd engstens mit ihnen abzustimmen. Notwendig ist
usdrücklich auch die Erkenntnis, dass wir uns in
uropa gegenseitig brauchen. Ich glaube, die Antwort





Bundesminister Dr. Guido Westerwelle


(A) )


)(B)

auf die Umbrüche in der Welt ist eine stärkere Integra-
tion Europas. Deutschland ist in der Welt viel kleiner, als
Deutschland in Europa ist. In Europa ist Deutschland re-
lativ groß; in der Welt ist Deutschland relativ klein. Wir
haben heute Morgen in den Fraktionen über die Fragen
beraten, was das finanziell bedeutet, welche Fiskalpa-
kete verabredet werden müssen. Ich rate uns aber dazu,
auch die politische Debatte über die nächsten Integra-
tionsschritte in Europa in einen Zusammenhang mit den
neuen Veränderungen in der Welt zu stellen.

Ich bin der festen Überzeugung, liebe Kolleginnen
und Kollegen, dass es unbedingt erforderlich ist, uns in
Europa zu versichern, dass niemand zurückbleibt, ein
Angebot an alle europäischen Partner zu machen, auch
an diejenigen, die derzeit noch zögern, die im Dezember
noch nicht mitgestimmt haben, die derzeit noch an ande-
ren Stellen arbeiten, dass wir zusammenbleiben.

Ich denke, dass es als Antwort auf die Veränderungen
in der Welt auch an der Zeit ist, in Deutschland für
Europa zu werben. Ich bin aber auch dafür, dass wir in
Europa für Deutschland werben. Wir befinden uns in ei-
ner wirklichen Prägephase, was Europa angeht – in einer
Prägephase, in der sich für viele Jahre nicht nur entschei-
den wird, wie das Bild Europas in Deutschland und das
Bild Deutschlands in Europa sein wird, sondern auch,
wie das Bild Europas in der Welt sein wird. Deswegen
werbe ich dafür, dass wir uns in Europa kooperativ ver-
abreden, dass wir gemeinsam vorgehen und dass wir ge-
meinsam daran arbeiten, dass wir kein deutsches Europa
bekommen, sondern ein europäisches Deutschland blei-
ben. Das sollte in meinen Augen auch Teil unserer Über-
legungen sein.

Wir müssen aufpassen, dass wir es mit unserem eige-
nen Auftritt in Europa nicht überziehen, sondern es ist
klug und sinnvoll, immer zu verstehen: Wir sind Teil
Europas, Teil der Europäischen Union – nicht nur wegen
der Geschichte, sondern ausdrücklich auch, weil wir in
Zeiten der Globalisierung nur so die Zukunft gemeinsam
meistern können.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715900300

Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Der nächste

Redner in unserer Aussprache ist unser Kollege Gernot
Erler für die Fraktion der Sozialdemokraten. Bitte schön,
Kollege Erler.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1715900400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

muss etwas Wichtiges in der deutschen Außenpolitik
passiert sein,


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


wenn am Mittwoch dieser Woche das Bundeskabinett
eine reich bebilderte Broschüre von 64 Seiten als Kon-

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(C (D ept der Bundesregierung beschließt, das in der Hausgerauchsversion für Abgeordnete – DIN A4 ohne Bilder – uch schon circa 30 Seiten umfasst, dieses dann einen ag später im prall gefüllten Weltsaal des Auswärtigen mtes mit großem Tamtam der Öffentlichkeit vorgestellt ird und sich heute im Bundestag – man beachte die eihenfolge – eine Unterrichtung durch die Bundesgierung und eine anderthalbstündige Debatte anschlie en. (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Am Mittwoch hat die Unterrichtung stattgefunden!)


Inzwischen wissen wir, dass diese Arbeit 18 Monate
edauert hat und dass alle 14 Bundesministerien an ihr
eteiligt waren. Unter diesen Umständen kommt einem
er Titel „Globalisierung gestalten – Partnerschaften
usbauen – Verantwortung teilen“ schon fast bescheiden
or. Da greift man lieber zu dem idiomatisch innovati-
en Titel „Gestaltungsmächtekonzept“. Das macht neu-
ierig, das verführt zum Lesen.

Je mehr man allerdings liest, desto mehr stößt man
uf einige Auffälligkeiten dieses Konzepts der Bundes-
gierung. Schon die erste Kapitelüberschrift lautet:

Neue Gestaltungsmächte als Partner“. Zu gern wüsste
an natürlich, welche Länder das namentlich sind. Man

rwartet, dass sie alsbald aufgezählt werden. Aber Fehl-
nzeige. Weder auf den 68 Seiten noch auf den knapp
0 Seiten – je nach Version – erfährt man, was es denn
r Länder sind, mit denen so viel gemacht werden soll.

Am weitesten haben Sie sich, Herr Außenminister,
och bei der Vorstellungsrede im Weltsaal vorgewagt
nd dies heute zum Teil wiederholt. Sie haben zum
chluss Ihrer Rede gesagt, es seien nicht nur die BRICS-
taaten, also Brasilien, Russland, Indien, China und
üdafrika. Sie sind dann fortgefahren – ich zitiere –:

Eine Vielzahl anderer Länder hat sich auf den glei-
chen Weg gemacht, ob Mexiko, Indonesien, Viet-
nam, Kolumbien oder viele andere mehr.

as Gestaltungsmächtekonzept ist also eine Strategie für
eun genannte Länder oder „viele andere mehr“. Das
interlässt einen ein bisschen ratlos,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Das ist aber eher Ihr Problem!)


bwohl man ahnt, dass diese Vagheit etwas mit geopoli-
scher Höflichkeit zu tun haben könnte. Warum sollte
an ein Land, das sich selbst als Gestaltungsmacht ein-

rdnet, durch eine allzu geizige Aufzählung womöglich
or den Kopf stoßen?

Es ist nun leider so, dass diese Vagheit nicht nur an
ieser Stelle besteht, sondern in dem ganzen Konzept zu
nden ist. Hier wird buchstäblich über alles gesprochen:
ternationale Zusammenarbeit und Global Governance,
ultur, Bildung, Wissenschaft, Frieden, Sicherheit,
enschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Finanzen, Res-

ourcen, Ernährung, Energie, Arbeit, Soziales, Gesund-
eit, Entwicklung und Nachhaltigkeit.





Dr. h. c. Gernot Erler


(A) )


)(B)

Jedes Mal lesen wir einige unstrittige Sätze über
Ziele, die wir uns insgesamt in diesen Arbeitsbereichen
vorgenommen haben. Dann kommt wie ein ceterum cen-
seo, dass wir diese Ziele im Dialog mit den neuen Ge-
staltungsmächten ein Stückchen weiterbringen wollen.
Diese Methode führt zu einem Produkt des unangreifba-
ren guten Willens und der jeden Widerspruch entmuti-
genden Schlichtheit. Ich widerspreche deswegen auch
keinem einzigen Satz dieses Konzepts, stelle aber doch
die Frage, ob es überhaupt eines ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Antwort auf diese Frage findet sich auf Seite 26
der Version ohne Bilder. Ich zitiere:

Die Bundesregierung ist dem Ziel verpflichtet, die
einzelnen Fachpolitiken zielgerichtet zu einem
übergreifenden und umfassenden Globalisierungs-
konzept für die Zusammenarbeit mit den neuen Ge-
staltungsmächten zu verzahnen.

„Ist dem Ziel verpflichtet“ heißt doch wohl: Da kommt
erst noch die Arbeit; sie muss erst noch geleistet werden.
Das ist wieder ein Satz, dem man nur zustimmen kann.
Es gibt also dieses Gestaltungsmächtekonzept noch gar
nicht, sondern eher eine Art Materialsammlung, aus der
man künftig ein Konzept machen könnte.

Dann fragt man sich aber, warum es dann diesen enor-
men Aufwand gibt. Hier stößt man auf eine ziemlich per-
sönliche Motivationskette von Außenminister Westerwelle,
wenn man noch einmal in seine Vorstellungsrede für das
Gestaltungsmächtekonzept schaut. Gleich am Anfang
finden wir da ein Bekenntnis zu Deutschlands Partner-
schaften in Europa und über den Atlantik. Das haben Sie
eben auch noch einmal betont. Dann jedoch kommt ein
lautes Aber. Das lautet so:

Aber die Welt befindet sich auch im Wandel: Es
entstehen neue Kraftzentren in der Welt, in Asien,
in Lateinamerika und anderswo.

Der Topos „Neue Kraftzentren“ kommt uns bekannt
vor. Wir erinnern uns: Er stammt aus einer mit harten
Bandagen geführten Kontroverse über Grundausrichtun-
gen und Prinzipien der deutschen Außenpolitik, die ih-
ren Ausgangspunkt in der Entscheidung des Sicherheits-
rates der Vereinten Nationen in der Nacht vom 17. auf
den 18. März letzten Jahres hatte, wo Deutschland be-
kanntlich eben nicht mit Frankreich und den Vereinigten
Staaten, sondern gemeinsam mit Russland und China ge-
stimmt hat.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gestaltungsmächte! – Dr. Rainer Stinner [FDP]: Was Ihr Fraktionsvorsitzender ausdrücklich begrüßt hat, Herr Erler! Hier!)


In diese Debatte hat dann hinterher Altbundeskanzler
Helmut Kohl mit mahnenden Worten eingegriffen. Er
hat davor gewarnt, sich von den wichtigsten Partnern
Frankreich und den Vereinigten Staaten abzuwenden.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Was sagt Herr Steinmeier dazu?)


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(C (D Damals haben Sie, Herr Außenminister, proaktiv geengehalten. Ich zitiere aus Zeit Online vom 25. August 011: Es sei nicht nur entscheidend, „alte Partnerschaften“ zu pflegen, sondern auch „die neuen Kraftzentren der Welt ernst zu nehmen und neue strategische Partnerschaften aufzubauen“. as haben Sie eben noch einmal wiederholt. Das war daals Ihre Legitimation. Das war Ihre Antwort auf die orgen und die Kritik vom Altbundeskanzler und anden. Jetzt taucht dieses Thema wieder auf. Die neuen raftzentren der Welt sind unbegreiflicherweise immer och – ich habe das zitiert – das große Aber zu unseren istorisch gewachsenen, nicht aufgebbaren Partnerschafn. Ich sage Ihnen: Daraus kann nichts Gutes entstehen. Ich sage Ihnen aber auch: Kompliment, dass Sie das anze Bundeskabinett in dieses Konzept mit eingespannt aben. Mit uns wird Ihnen das nicht gelingen. Wir diskueren gerne mit Ihnen über eine Welt im Wandel, in der s unbestritten Länder und Regionen gibt, deren Bedeung zunimmt. (Patrick Döring [FDP]: Was wollen die Sozialdemokraten? Das bleibt völlig im Dunkeln!)


s gibt aber auch Länder und Regionen, die an Bedeu-
ng verlieren.


(Patrick Döring [FDP]: Was wollen Sie denn?)


ir diskutieren aber nicht auf so einer unverbindlichen,
eradezu beliebigen und von der Entstehungsgeschichte
eologisch infizierten Grundlage.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715900500

Vielen Dank, Kollege Gernot Erler. – Nächster Red-

er in unserer Aussprache ist für die Fraktion der CDU/
SU unser Kollege Philipp Mißfelder. Bitte schön, Kol-
ge Philipp Mißfelder.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1715900600

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

nd Kollegen! Meine Damen und Herren! Geschätzter
ollege Erler, in erster Linie wollte ich eigentlich zur
ache reden, aber ich kann es mir und Ihnen nicht erspa-
n, etwas zu Ihren Ausführungen zu sagen. Wenn Sie

ich anschauen, wie die Besuche ausländischer Gäste in
erlin momentan verlaufen, die nicht immer unproble-
atisch sind, wenn Sie die Taktfrequenz sehen, mit der

uropäische Partner Hilfe und Orientierung suchend
ach Deutschland kommen,


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Das ist kein Tourismusministerium!)


ie Bundeskanzlerin und den Außenminister um Rat bit-
n, wenn Sie sehen, wie die Diskussionen bei nahezu al-
n wichtigen internationalen Konferenzen ablaufen, ob

uf der UNO-Woche in New York, ob in Davos in der





Philipp Mißfelder


(A) )


)(B)

Schweiz oder zuletzt auf der Münchener Sicherheitskon-
ferenz, dann werden Sie feststellen, dass sich momentan
alles um Deutschland dreht.


(Thomas Oppermann [SPD]: Und es wird wieder deutsch gesprochen?)


Deshalb hat Minister Westerwelle zu Recht gesagt:
Wir müssen mit dieser Verantwortung auch verantwor-
tungsbewusst umgehen und an dieser Stelle Orientierung
bieten. Deshalb fand ich Ihren Beitrag heute – ich hoffe,
Sie wissen, dass ich Ihre Beiträge sonst schätze – unpas-
send und falsch. Sie sind auf das Thema Globalisierung,
wie Sie sich das vorstellen, inhaltlich nicht eingegangen.
Ihre Kritik, welcher Motivation sie auch entstammen
mag, war einfach falsch. Wie denn anders als im Dialog
mit den neuen sich herausbildenden Kraftzentren soll
diese Globalisierung gestaltet werden? Herr Erler, diese
Frage haben Sie auch nicht beantwortet. Ich finde das
Konzept, wie es Minister Westerwelle auf den Weg ge-
bracht hat, ambitioniert und auch richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich glaube, die Alternative zum Dialog mit den neuen
Kraftzentren wäre Konfrontation. So habe ich Ihre
Schriften und Ihre Beiträge jedoch noch nie verstanden,
auch jetzt nicht, selbst wenn ich mir gewünscht habe, an
dieser Stelle von Ihnen etwas dazu zu hören. Insofern
weise ich das zurück und kann nur sagen, dass wir das
ambitionierte Konzept unterstützen. Hier möchte ich den
Häusern, die sich daran beteiligt haben, herzlich danken
und vor allem den Beamten, die sehr viel Herzblut,
Engagement und zähes Ringen investiert haben. Das war
nicht immer ganz einfach.

Einen Punkt möchte ich herausgreifen, Herr Minister.
Die zukünftige Zusammenarbeit zwischen dem Auswär-
tigen Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftli-
che Zusammenarbeit und Entwicklung wird ein histori-
scher Quantensprung sein; ich möchte sogar sagen, eine
historische Befreiung. Herzlichen Dank an Ihre Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter, die sich durchgesetzt haben
und damit für die Bundesregierung in Zukunft einen
ganz neuen Schwerpunkt herausbilden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715900700

Herr Kollege Mißfelder, gestatten Sie eine Zwischen-

frage unseres Kollegen Raabe?


Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1715900800

Ja, er ist Experte für dieses Thema.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715900900

Bitte schön.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1715901000

Sehr geehrter Herr Kollege Mißfelder, Sie sprachen

das Entwicklungsministerium an. In dem Konzept gibt
es einige Stellen, in denen sich dazu bekannt wird, Ent-

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(C (D icklungsziele erreichen und Verantwortung partnerchaftlich übernehmen zu wollen. Hierzu möchte ich zunächst kurz anmerken, dass eutschland seine internationalen Verpflichtungen verhlt und seine Versprechen nicht eingelöst hat, nämlich ie Mittel für Entwicklungszusammenarbeit gemäß des ogenannten ODA-Stufenplans zu steigern. Obwohl ehr als 370 Abgeordnete des Hauses einen Aufwuchs on über 1 Milliarde Euro gefordert haben, wurde nur in ganz kläglicher Betrag zustande gebracht. In Ihrem Konzept nimmt die Passage zur Rechtsstaatchkeit und guten Regierungsführung einen großen aum ein. Hierzu möchte ich von Ihnen wissen: Wenn Sie echtsstaatlichkeit und gute Regierungsführung einforern, dann ist es gut, mit gutem Beispiel voranzugehen. enn Sie, Herr Mißfelder, in einem Entwicklungsland, in em Tourismus eine große Rolle spielt, beobachten würen, dass ein Wirtschaftsunternehmen, das im Tourismusereich intensiv tätig ist, einer Partei eine große Spende vielleicht in Höhe von 1 Million Euro – macht, (Patrick Döring [FDP]: Abartig, Herr Kollege! Abartig!)


nd Sie weiterhin beobachten, dass danach ein Gesetz
rlassen wird, das der entsprechenden Branche hilft,
ber 1 Milliarde Euro einzusparen, wäre das dann für Sie
orruption und schlechte Regierungsführung?

Zweite Frage. Sie haben ja gerade die Beamten ge-
bt: Wenn in einem Entwicklungsland eine Regierung

ie Beamtenstellen nur mit Parteifreunden besetzt und
icht nach Fachlichkeit und Eignung,


(Patrick Döring [FDP]: Sie müssen sich in Behandlung begeben!)


äre das für Sie schlechte Regierungsführung? Wäre
ann – jetzt konkret auf diese Regierung bezogen – nicht
as, was die FDP mit der Senkung der Mehrwertsteuer
r Hoteliers gemacht hat, genauso zu bewerten?


(Patrick Döring [FDP]: Unfassbar!)


Hinblick auf das, was Minister Niebel in seinem
aus betreibt,


(Zurufe von der Regierungsbank)


ass er nämlich neue Stellen schafft, den Apparat auf-
läht, eine neue Abteilung bildet – die der Personalrat als
ahlkampfabteilung bezeichnet –, um für die nächste
ahl Steuermittel und Personal zweckzuentfremden,


(Patrick Döring [FDP]: Einer im Saal muss der Dümmste sein!)


age ich Sie: Stimmen Sie mir zu, dass das von Ihnen
elobte Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
nd Entwicklung mittlerweile zu einem Ministerium für
etternwirtschaft und Abwicklung verkommen ist?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Patrick Döring [FDP]: Das ist die neue SPD! Großartig!)







(A) )


)(B)


Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1715901100

Ich danke Ihnen für diese Fragen, weil sie Ihre Nicht-

regierungsfähigkeit zeigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das muss man so sagen. Ich weiß nicht, wie man in so
kurzer Zeit in der Opposition so schnell die Regierungs-
fähigkeit verlieren kann. Ich hoffe, dass es in Ihrer Frak-
tion noch andere Leute gibt, die im Blick haben, was
beim strukturellen Umbau eines Ministeriums notwen-
dig ist.

Nehmen Sie einmal eine Nachhilfestunde bei Franz
Müntefering. Er hat 2005 in der Großen Koalition seinen
Personalapparat neu strukturiert, um den Anforderungen
der Großen Koalition gerecht werden zu können. Das
wäre der Erörterung an einer anderen Stelle sicherlich
noch einmal wert; es zeigt aber vor allem, dass die Inte-
ressen der Hausleitung nicht außer Acht gelassen werden
können, wenn politische Programme durchgesetzt wer-
den. Das haben Sie so gemacht, und das haben Vorgän-
gerregierungen so gemacht,


(Patrick Döring [FDP], an den Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD] gewandt: Da braucht man gar nicht den Kopf zu schütteln!)


und das werden Sie, wenn Sie irgendwann einmal wie-
der Regierungsverantwortung tragen sollten, ebenso ma-
chen. Wir sind beide jung genug, dass wir das vielleicht
erleben werden. Dann werde ich Sie daran erinnern.

Ansonsten muss ich zum Thema „Schlechte Regie-
rungsführung“ sagen: Ich stimme Ihnen nicht zu und
halte Ihre Einlassung für falsch.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich hoffe, dass ich damit Ihre Frage zur Zufriedenheit
beantwortet habe.

Jetzt zum Thema: Wir wollen die Globalisierung ge-
stalten. Wenn ich kurz das bilanzieren darf, was diese
Bundesregierung und wir als die sie tragenden Fraktio-
nen bisher als unsere Schwerpunkte herausgebildet ha-
ben, dann muss man sagen, dass wir uns den Herausfor-
derungen der Globalisierung sehr konkret stellen. Das
gilt zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit Ländern,
die auf der Weltbühne neu auftrumpfen, nämlich China,
Indien, Südafrika oder Brasilien.

Alleine dieser kleine Überblick zeigt, wie schwierig
das Spannungsfeld zwischen unserer wertegebundenen
und gleichzeitig interessengeleiteten Außenpolitik an
manchen Stellen sein kann. Denken Sie in dem Zusam-
menhang beispielsweise an China und die Menschen-
rechtsverletzungen. Gleichzeitig muss man die großen
historischen wirtschaftlichen Herausforderungen beden-
ken, die die neuen Emerging Markets uns bieten. Diese
dürfen wir als Exportnation natürlich nicht außer Acht
lassen.

Gleichzeitig müssen wir in diesen Regionen mit dem
Export unserer politischen Ideen wirken. Minister
Westerwelle hat zu Recht gesagt: Die Welt wartet doch
gar nicht darauf, dass wir sie belehren und ihr erklären,
was wir für den besten Weg halten; vielmehr müssen wir

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(C (D us unserer wirtschaftlichen Stärke heraus unsere politiche Konzeption so glaubwürdig vertreten, dass sie als as attraktivste Lebensmodell der Welt erscheint und dait nachahmenswert wird. m dieses Engagement geht es im Kern. Wenn wir in en besagten Regionen oberlehrerhaft auftreten, werden ir nichts erreichen. Wir schöpfen aus der Zeit von 1989, als die Zeitenende in Deutschland unser Leben nachhaltig beeinflusst at. In sehr kurzer Zeit mussten wir verantwortungsbeusst einen sehr schweren Transformationsprozess ewältigen, und zwar sowohl wirtschaftlicher als auch olitischer Natur. Deshalb sind wir gefragter Gesprächsartner, wenn es darum geht, jetzt denjenigen behilflich u sein, die selber die Chancen ihres Landes identifizien, die Konflikte in ihrem Land sehen, die wirtschaftli hen Herausforderungen im Blick haben und verantworngsbewusst versuchen, ihr Land in eine neue, bessere ukunft zu führen. Wir leben in einer Zeit, die nicht sicherer geworden t, trotz des Endes des Kalten Krieges und den damit unehmenden partnerschaftlichen Verbindungen beipielsweise mit Russland, auf der Basis unserer stabilen ansatlantischen Partnerschaft, die wir fortsetzen und tensivieren wollen. Die Welt vor unserer Haustür ist ach wie vor unsicher. Denken Sie an die Verbrechen on Srebrenica im Jahr 1995, an die zuletzt aufgekomenen Fragen um Libyen, an den Irak-Krieg, an die akellen Fragen um Syrien und – das will ich besonders ervorheben – an die Großkonflikte in Afrika, etwa im ongo oder in Somalia, die das Chaos fest im Griff hat nd die wir deshalb nicht bei den Fragen, die uns wichtig ind, vernachlässigen dürfen. Deshalb möchte ich ausrücklich das Streben unserer Regierung unterstützen, ass Afrika eine eigene Repräsentanz in den ständigen remien der Vereinten Nationen bekommt. Anders wird ine internationale Einbindung nicht möglich sein. Desalb unterstütze ich unsere Regierung ausdrücklich. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wie gelingt s uns, Asien nicht nur in eine wirtschaftliche Kooperaon, sondern auch in Sicherheitsstrukturen und in politiche Transformation einzubinden? Dort sind unsere Akvitäten, die Aktivitäten vieler einzelner Parlamentarier, ehr weit gediehen. Wenn man sich anschaut, mit welher Expertise dieses Haus dazu beiträgt, dass der Aususch mit zentralasiatischen Ländern, aber auch mit den roßmächten in Asien gelingt, dann muss man sagen: as ist wirklich bemerkenswert. Vergleichen Sie das inmal mit anderen Parlamenten. Das ist etwas, wo wir uf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen könen, wo wir ein sehr gefragter Gesprächspartner sind, enn es darum geht, zu zeigen, wie wir – ich habe es orhin schon erwähnt – unsere Herausforderungen nach 989 gemeistert haben und wie wir momentan unserer hrenden Rolle in Europa gerecht werden. Philipp Mißfelder )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )

Ich setze beispielsweise auch im Zusammenhang mit
China eindeutig in erster Linie auf Dialog statt auf Kon-
frontation. Ich glaube, dieses Alleinstellungsmerkmal
sollte ganz Europa im Blick haben. Dort mit dem erho-
benen Zeigefinger aufzutreten, wird wenig bringen. Ich
glaube, die Strahlkraft unseres Modells muss so groß
und so positiv sein und der Erfolg muss einfach so über-
zeugend sein, dass sich der Reformprozess, der sich in
den vergangenen Jahrzehnten in China entwickelt hat,
weiter stabilisiert. Es geht darum, diesen Prozess zu un-
terstützen, damit auf lange Sicht tatsächlich weitere not-
wendige Reformen eingeleitet werden.

Dahin gehend hat sich unsere politische Arbeit schon
massiv verändert, meine Damen und Herren. Es ist nicht
mehr so, dass in erster Linie der Austausch von Depe-
schen eine große Rolle spielt. Vielmehr spielt eine multi-
mediale Dauerpräsenz eine große Rolle. Das, was sich
heute aus einzelnen Unterausschüssen des Deutschen
Bundestages über Facebook und Twitter verbreitet, kann
für die außenpolitische Darstellung relevant sein. Des-
halb hat das Gewicht des außenpolitischen Diskurses
hier im Parlament eine neue Stufe erreicht; das müssen
wir sehr ernst nehmen.

Dieser Entwicklung wird die Bundesregierung dan-
kenswerterweise gerecht. Ich kann mich nicht erinnern
– auch nicht in Bezug auf die Vorgängerregierung, an
der meine Partei beteiligt war –, dass uns das Auswärtige
Amt und die Bundesregierung so umfassend über jeden
einzelnen Schritt informiert haben, der gegangen wird.
Das gilt auch für das vorliegende Konzept. Deshalb geht
mein herzlicher Dank an Sie, Herr Minister,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


dass Sie sich nicht nur die Mühe gemacht und die Zeit
genommen haben, sich mit uns darüber auszutauschen,
sondern auch viele Anregungen unsererseits aufgenom-
men haben.

Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, glauben, dass
wir mit dem vorliegenden Konzept unserer Verantwor-
tung gerecht werden. Wir glauben, dass wir gerade in Zei-
ten der Sparsamkeit, in denen wir jeden Euro, den wir
ausgeben wollen, hinterfragen und gegenüber den Bürge-
rinnen und Bürgern rechtfertigen müssen, gezielt auf ef-
fizientere und schlankere Strukturen setzen sollten. Des-
halb haben wir Doppelstrukturen infrage gestellt und
damit einen Beitrag zu einer effizienten und innovativen
Außenpolitik geleistet.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715901200

Vielen Dank, Kollege Philipp Mißfelder. – Nächster

Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion Die
Linke unser Kollege Wolfgang Gehrcke. Bitte schön,
Kollege Wolfgang Gehrcke.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Danke sehr, Herr Präsident. – Verehrte Kolleginnen nd Kollegen! Der Außenminister hat eine außenpolitiche Grundsatzdebatte angekündigt. Ich finde, sie ist chon lange überfällig. Ich will sie führen, die Fraktion ie Linke auch; also müssen wir sie führen. Anders als der Kollege Erler stoße ich mich nicht an inzelnen Sätzen des Konzeptes. Die interessieren mich icht, das Ambiente finde ich nebensächlich. Ich bin der uffassung, dass das ganze Wesen des Konzeptes falsch t und in die falsche Richtung geht. eswegen muss man das Wesen des Konzeptes angrein. Es geht um die inhaltlichen Differenzen und nicht arum, wie Sie das Konzept vorgestellt haben. Ich habe den Eindruck, dass Ihr Konzept dem Wesen ach kein Gestaltungskonzept, sondern ein Zerstörungsonzept ist. (Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Wie kommen Sie denn darauf?)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715901300

(Beifall bei der LINKEN)


as nehme ich sehr ernst. Ich bin der Meinung: Wer
eute auf solche Art und Weise mit anderen europäi-
chen Ländern, zum Beispiel Griechenland, umgeht, wer
iktiert, dass Löhne und Renten sinken sollen, wer dik-
ert, welches Steuersystem in den jeweiligen europäi-
chen Ländern durchgesetzt werden soll,


(Patrick Döring [FDP]: Ein Zerrbild der Realität!)


er den Sparkommissar schicken will, der zerstört die
trahlkraft von Europa und die europäische Idee. Das ist
eine Gestaltung, das ist Zerstörung.


(Beifall bei der LINKEN)


err Westerwelle, Sie werden es schwer haben, neue
trategische Partner in der Welt zu finden, wenn Sie alte
artner so schlecht behandeln. Wie die Bundesregierung
Europa derzeit vorgeht, das ist Zerstörung pur.

In Ihrem Konzept wird deutlich – darin scheiden sich
ie Geister, das gebe ich zu; ich sage: mit uns nicht! –,
ass Ihre außenpolitische Philosophie die des freien
elthandels ist. Dem wird alles untergeordnet, auch in

em vorliegenden politischen Konzept. Ich werfe Ihnen
as gar nicht vor. Aber man darf es doch wohl sagen.
re Werte sind die Werte einer weltweiten, kapitalisti-

chen Gesellschaft: Bereicherung, Konkurrenz, Aneig-
ung fremder Arbeit. Um es zugespitzt zu formulieren:
re wichtigste Gestaltungskraft ist die Macht und die
raft des Geldes. Das durchzieht Ihr ganzes Konzept.

Die Globalisierungskritiker und auch wir wollen den
ozialen Ausgleich, wir wollen Solidarität statt Konkur-
nz, Gerechtigkeit statt Vorteilsnahme.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Und Sozialismus!)


Und Sozialismus.


(Beifall bei der LINKEN)






Wolfgang Gehrcke


(A) )


)(B)

Danke sehr, Herr Kollege Mißfelder, wie konnte ich das
vergessen. Das ist das Wesen des Sozialismus.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Darauf wartet die ganze Welt!)


Um es deutlich zu sagen: Unsere Wege gehen völlig
auseinander. Das, was Sie vorgelegt haben, ist nicht
Ausdruck neuen Denkens – das war ein Begriff, der die
Außenpolitik früher einmal geprägt hat –, sondern es ist
im Kern altes Denken. Sie beschäftigen sich in Ihrem
Konzept nicht mit der Frage, wie das Überleben der
Menschen zu sichern ist:


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Alter Wein in alten Schläuchen!)


Stopp der Rüstungsspirale, Abrüstung, Stopp der Um-
weltzerstörung, Kampf gegen Armut und Hunger und
vor allen Dingen – das muss in ein solches Konzept hi-
nein – konsequentes Nein zu allen Kriegen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ohne eine Antwort auf die großen Fragen der Mensch-
heit ist jedes Konzept ein Konzept von gestern.

Sie hätten schon bei Herrn Gorbatschow nachlesen
können, was neues Denken ist; was immer man von
Gorbatschow hält.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Das aus Ihrem Munde! Das war doch kein Freund von Ihnen! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Er hat den Sozialismus in der Sowjetunion beendet! Den können Sie doch nicht gut finden! – Heiterkeit)


Sie müssen gründlicher darüber nachdenken, auf wel-
che Art und Weise Sie Deutschland präsentieren. Ihr
Kollege, der Verteidigungsminister, hat auf der Münch-
ner Konferenz einen weltweiten Führungsanspruch für
Deutschland reklamiert. Auch beim Kollegen Mißfelder
konnte man eben hören: Wir sind wieder wer, wir be-
stimmen, wir müssen mit der gewachsenen Verantwor-
tung umgehen.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Ja!)


Thomas de Maizière hat in München gesagt, Deutsch-
land sei in der Lage, zu kämpfen und zu führen. Ich
finde, das ist ein markanter Satz, der meinen Eindruck
verstärkt. Ich sage in aller Deutlichkeit: Deutsche Groß-
machtallüren und deutsche Großmachtpolitik waren we-
der für die Welt noch für unser Land noch für Europa ir-
gendwann gut.


(Beifall bei der LINKEN)


In Europa und in der Welt werden viele Sprachen ge-
sprochen. Ich möchte, dass das so bleibt. Wir leben den
Gedanken einer vielfältigen Welt mit unterschiedlichsten
Akteuren. Eine Welt, in der nur Deutsch gesprochen
wird, ist schändlich, eine solche Welt lehnen wir ab. Das
wäre eine einfältige Welt, das wollen wir doch nicht
ernsthaft anstreben. Vielmehr geht es darum, für Partner-
schaft und Gleichberechtigung zu sorgen.

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(C (D Ich denke, wenn man Globalisierung gestalten will, uss man auch einmal darüber nachdenken, wie man erhindern kann, dass auf pflanzliche und menschliche ene Patente erhoben werden, wie man verhindern ann, dass Nahrungsmittel zu Spekulationsobjekten weren, wie man weltweit Bodenreform befördern kann, ie man die Privatisierung von Wasser und anderen Geeinschaftsgütern verhindern kann. Das sind heute glo ale Aufgaben. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Da haben Sie recht!)


Sie sprechen in Ihrem Konzept an – ich sage das, um
ir zu bleiben –, welche Staaten vor allen Dingen Ihre
estaltungspartner sein sollen. Allerdings nehmen Sie
a eine andere Gewichtung als ich vor. Ich habe mich
estern mit Studierenden, die in Chile protestieren, ge-
offen. Diese jungen Frauen sind für mich die Gestal-
ngspartner in einer neuen Welt wie auch die Indios in
olivien, die Wanderarbeiter in China, die Jugendlichen
uf dem Tahrir-Platz, die Frauen in Afrika, die sich zu
roduktionsgenossenschaften zusammenschließen und
ich will das noch einmal wiederholen – die Streiken-

en in Griechenland, Spanien und Frankreich.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Haben Sie auch jemanden in Nordkorea und in Kuba dabei?)


Gestaltungspartner in dieser Welt sind die Kräfte, die
ie Welt tatsächlich verändern. Wenn Sie schauen, wer
den letzten Monaten und Jahren die Welt wirklich ver-

ndert hat, stellen Sie fest, dass das am wenigsten Staa-
n waren, sondern solche Kräfte. Mit ihnen müssen wir
ooperieren, mit ihnen müssen wir eine neue Form der
usammenarbeit finden.

Deswegen sage ich: Ihr Aufschlag ist gut. Eine
charfe Debatte ist notwendig. Sie aufzurufen, sich vom
eg des Geldes abzuwenden, ist verschwendete Kraft.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Kehret um und tuet Buße!)


h möchte, dass wir einen Grundsatzstreit über das We-
en des Konzeptes führen. Ich möchte nicht, dass es so
leibt, wie es vorgestellt wurde.

Schönen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715901400

Vielen Dank, Kollege Gehrcke. – Nächster Redner in

nserer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/Die
rünen unser Kollege Dr. Frithjof Schmidt. Bitte schön,
ollege Dr. Schmidt.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

chwarz-gelbe Koalitionsvertrag bezieht keine Position
u der Frage, wie die deutsche Außenpolitik auf den
ufstieg neuer Akteure reagieren soll. Das war eine
eerstelle in Ihrer Politik. Es hat jetzt zwei Jahre gedau-





Dr. Frithjof Schmidt


(A) )


)(B)

ert, bis Sie Ihre politischen Hausaufgaben gemacht ha-
ben. Aber immerhin, Sie haben jetzt etwas vorgelegt.

Sie listen viele Grundsätze und Ziele auf, die wir tei-
len. Doch eines ist auffällig: Das Wort Gerechtigkeit
kommt in diesem Konzept nicht ein Mal vor.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


Das kann bei einem FDP-Minister kein Versehen sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wer über die Gestaltung der Globalisierung redet und
dabei internationale Gerechtigkeit außen vor lässt, der
hat die Größe der Aufgabe nicht wirklich verstanden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es geht dabei um einen gerechten globalen Interessen-
ausgleich. Dazu gehört auch politische Selbstverpflich-
tung.

Ganz deutlich wird das beim Thema Klima. Sie be-
kennen sich zur Reduzierung der globalen Emissionen
von Klimagas bis 2050 um mindestens 50 Prozent. Nur,
Sie verschweigen, dass, um dieses Ziel zu erreichen, die
Industriestaaten ihre Emissionen um mindestens 80 Pro-
zent reduzieren müssen. Ihr Konzept enthält kein Wort
zur deutschen Selbstverpflichtung. Sie werden keine Er-
folge im Dialog haben, wenn Sie vor den notwendigen
Selbstverpflichtungen zurückschrecken. Genau das tun
Sie aber.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich hätte mir gewünscht, heute zu hören, welche Län-
der Sie zu den neuen Gestaltungsmächten zählen wollen
und welche nicht.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Das hätte ich auch gerne gewusst!)


Sie wollen das offenlassen. Der Grund liegt auf der
Hand. Sie würden damit vielen Ländern de facto die Ge-
staltungsfähigkeit absprechen und sie regierungsoffi-
ziell in die zweite Klasse der internationalen Politik ein-
ordnen. Das zeigt, dass dieser Begriff ein diplomatischer
Fehlgriff ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben in den vergangenen Jahren einen deutli-
chen Machtzuwachs der G 20 erlebt. Die G 20 stehen of-
fensichtlich zunehmend in Konkurrenz zu den Vereinten
Nationen; denn circa 170 Länder sind eben nicht Mit-
glied der G 20 und dabei dann außen vor. Wir hätten
Vorschläge erwartet, wie Sie die G 20 in die Vereinten
Nationen einbinden wollen. Doch darüber ist in diesem
Konzept nichts zu lesen.

Ähnliches gilt für zentrale Politikfelder, zum Beispiel
für die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Sie sehen in ei-
ner Politik der konsequenten Marktöffnung eine Lösung
für fast alle Probleme. Dass in diesem Zusammenhang
aber auch Umwelt- und Sozialstandards eine zentrale
Rolle einnehmen müssen, verfällt bei Ihnen zu einer
Randnotiz. Dabei ist das aber das zentrale Problem, ge-

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(C (D de auch im internationalen Wettbewerb. So richtig es t, dass es guter Beziehungen zu den aufstrebenden ächten in allen Weltregionen bedarf, so falsch ist es, ußenpolitik auf Außenwirtschaftspolitik zu reduzieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Leider bekommt man bei diesem Konzept schnell den
indruck, Außenpolitik ist bei Ihnen vor allem die Vor-
ut für deutsche Wirtschaftsinteressen; denn konkrete
orschläge für eine Bindung der Außenwirtschaftsförde-
ng an Menschenrechtskriterien sucht man vergebens.

Wer über einen neuen Dialog redet, der muss auch zu
einen internationalen Verpflichtungen stehen. Es ist un-
laubwürdig, in einem solchen Konzept kein Wort da-
ber zu verlieren, dass Deutschland seiner internationa-
n Verpflichtung zur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels
ei der Hunger- und Armutsbekämpfung ebenso wenig
achkommt wie bei der Bereitstellung der Mittel für die
npassung an den internationalen Klimawandel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


uch wenn Sie es immer wieder ignorieren: Das sind
entrale Fragen der Globalisierung.

Sie haben den europäischen Stufenplan zur Entwick-
ngsfinanzierung politisch aufgekündigt. Das war und
t ein Affront gegen zentrale Vereinbarungen der UNO
nd der Europäischen Union. Wer global gestalten will,
uss wenigstens seine internationalen Verpflichtungen

rfüllen. So aber präsentieren Sie uns hier ein Konzept
on 67 Seiten mit vielen leeren Versprechungen und we-
ig Substanz.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715901500

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Schmidt – Nächster

edner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der
DP unser Kollege Dr. Rainer Stinner. Bitte schön, Kol-
ge Dr. Stinner.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1715901600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

urz zwei Sätze zu den Einlassungen der Kollegen der
PD; denn sie haben sich ein weiteres Mal von ernsthaf-
n Diskussionen verabschiedet.

Herr Erler, Sie können doch die Libyen-Entscheidung
icht in den Mittelpunkt Ihrer Argumentation stellen.
ir kommen gerne darauf zurück und halten Ihnen in

iesem Zusammenhang vor, dass Ihr Fraktionsvorsitzen-
er an dem Abend der Entscheidung die Entscheidung
usdrücklich begrüßt hat.

Herr Raabe, wir können uns nur wünschen, dass Ihre
inlassungen in dieser wichtigen außenpolitischen De-





Dr. Rainer Stinner


(A) )


)(B)

batte im deutschen Fernsehen Tag und Nacht in einer
Endlosschleife gezeigt werden, um zu dokumentieren,
was die SPD auf der Pfanne hat. Sie sind nicht satisfak-
tionsfähig.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


– Herr Mützenich, Sie kommen nach mir. Sie können das
noch richtigstellen.

Da ist mir Herr Gehrcke noch lieber. Er hat wenigs-
tens eine Meinung und sagt sie auch. Die ist zwar völlig
falsch; denn er hat ein völlig anderes Weltbild als wir. Er
kann aber seine Meinung wenigstens erklären. Herr
Gehrcke, da sind Sie mir zehnmal lieber als die Kamera-
den, die nichts zu sagen haben. Gleichwohl ist Ihre An-
sicht konsequent falsch.


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Das ist eine schlichte Argumentation!)


Das Konzept der Bundesregierung geht von einem
Weltbild aus, das vor einigen Jahren nicht unumstritten
war. Es geht nämlich von einer multipolaren Welt aus,
nicht davon, dass wir in Zukunft einen Hegemon haben.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Das wissen wir aber schon länger!)


Es geht auch nicht von einer G-2-Welt mit Amerika und
China aus, sondern von einer multipolaren Welt. In die-
ser multipolaren Welt wollen wir unseren Platz finden.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Haben wir schon!)


Es ist sehr wichtig, zu bestätigen, was auch in dem Kon-
zept steht: Diesen Platz finden wir nur im Rahmen Euro-
pas. Das ist eine ganz wichtige Determinante, die in die-
sem Konzept nochmals vorgestellt wird.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Im Prinzip haben wir jetzt eigentlich „nur“ zwei Auf-
gaben: Erstens müssen wir versuchen, mit der sich än-
dernden Welt fertigzuwerden. Zweitens müssen wir defi-
nieren, wie Deutschland seinen Platz darin findet.

Zum ersten Punkt: Die Welt ändert sich. Das brauche
ich hier nicht im Detail zu erläutern. Ich habe das Ge-
fühl, dass wir vor einem großen Lernprozess stehen. Wir
– Deutsche, Europäer, der Westen, Gesellschaft und
Politik – müssen lernen, mit der neuen Welt umzugehen.
Wir müssen lernen, dass die bisherige Annahme bzw.
der Gedanke, dass sich die Welt in einer gewissen
Zwangsläufigkeit zu europäischen Werten, zu europäi-
schen Systemen hin entwickeln wird, falsch ist. Wir
müssen lernen, in Zukunft mit Systemen zu leben, die
eine eigene Legitimität entwickeln und diese aus der
Sicht der Bevölkerung auch haben, die aber anders ti-
cken als wir und zum Beispiel nicht von dem Modell ei-
nes laizistischen Staates ausgehen. Das müssen wir ler-
nen. Ich glaube, dieser Lernprozess hat erst begonnen.

In dem Konzept steht völlig zu Recht: Wir erwarten
und befördern, dass auch andere Verantwortung über-
nehmen. Dann müssen wir aber auch akzeptieren, dass
sie diese Verantwortung vielleicht in einer Weise über-

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(C (D ehmen, die uns nicht hundertprozentig recht ist. Auch as ist ein Lernprozess, den wir entsprechend vollziehen üssen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Darauf komme ich noch zurück!)


Zum Thema Globale Governance. Ich habe die Frage
er deutschen Beteiligung am UN-Sicherheitsrat immer
anz locker gesehen. Historisch zeigt sich: Wenn in einer
rganisation die Kluft zwischen dem Beitrag, den sie

um Weltgeschehen liefern muss, und dem, was sie zu
agen hat, auf Dauer nicht geschlossen wird, dann wird
ie Organisation als solche delegitimiert und verliert ihre
chlagkraft. Von daher ist völlig richtig, was hier ange-
prochen worden ist: Wir müssen dafür sorgen, globale
overnance den heutigen Bedingungen anzupassen.

Die zweite Frage lautet: Wie kann sich Deutschland
ositionieren? Hier ist von Herrn Gehrcke angesprochen
orden – das war völlig unsäglich –, wir hätten Groß-
annssucht. Nein, das stimmt nicht. Auch Sie merken,
enn Sie in Israel, in Ägypten, im Iran, in Pakistan oder
o auch immer sind, dass viele auf der Welt uns als ein
ichtiges Land wahrnehmen und von uns erwarten, dass
ir uns wie ein großes, wichtiges Land in Europa beneh-
en. Das ist ein Lernprozess, den wir in Deutschland

ollziehen müssen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ja! Richtig!)


er deutsche Ohnemichel ist ja nicht grundlos ein Sym-
ol deutschen Selbstverständnisses. Dieses müssen wir
emeinsam, Gesellschaft und Politik, in den nächsten
ahren deutlich verändern.

Herr Gehrcke, wir haben in vielen Teilen der Welt
das wissen Sie genauso wie ich; denn Sie reisen ähn-
ch viel herum – zum Glück das Image eines ehrlichen
aklers. Das ist ein Pfund, mit dem wir als Deutsche

urchaus unseren Einfluss in der Europäischen Union
inbringen.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das gerade will ich nicht verspielen!)


ieses Konzept ist deshalb darauf angelegt, die deut-
chen Instrumente auf breiter Basis einzuführen. Ich will
ur zwei nennen.

Das eine ist die Auswärtige Kultur- und Bildungspoli-
k, die wir als FDP-Fraktion und als Koalition für ganz
ichtig halten. Das hat dazu geführt, dass der Etat für
ie AKBP, für die Auswärtige Kultur- und Bildungspoli-
k, im Haushalt 2012 so hoch ist wie noch nie zuvor in
ieser schönen Bundesrepublik Deutschland. Das ist
usdruck eines bewussten politischen Entscheidungs-
rozesses dieser Koalition, den wir ausdrücklich begrü-
en.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es wurde dann oft gesagt, zum Beispiel von Herrn
ehrcke und von Herrn Schmidt, wir würden uns nur auf
ie Wirtschaft konzentrieren. Herr Schmidt, im Zusam-
enhang mit der deutschen Handlungsfähigkeit, den
andlungsmöglichkeiten und dem Handlungswillen





Dr. Rainer Stinner


(A) )


)(B)

kann man über vieles reden, aber wir wissen doch – auch
Sie, Herr Schmidt, wissen das –, dass die Handlungsfä-
higkeit auf internationaler Ebene in einem ganz großen
Maße von der wirtschaftlichen Potenz eines Landes ab-
hängig ist. Das mag man lieben oder hassen – Herr
Gehrcke findet das wahrscheinlich furchtbar –, aber es
ist doch Tatsache, dass wir deshalb wahrgenommen wer-
den, dass unser Wort deshalb gehört wird, weil wir eine
gesunde wirtschaftliche Basis haben. Somit wird dieses
Thema zu Recht in diesem Konzept angesprochen.

Trotz all des Streites im Deutschen Bundestag finde
ich es gut, dass es hier – vielleicht mit Ausnahme der
Linken, die ein anderes Weltbild haben – hinsichtlich der
großen Linien nach wie vor einen außenpolitischen Kon-
sens gibt. Da gehe ich über manche Nickligkeiten der
Opposition hinweg, die ich innenpolitisch verstehe, au-
ßenpolitisch aber nicht. Wir glauben, dass die Bundes-
regierung einen wichtigen Aufschlag gemacht hat. Wir
alle wissen – der Außenminister weiß das, und wir wis-
sen das –, dass das natürlich nicht das Ende des Prozes-
ses ist, sondern dass das der Beginn eines Diskussions-
prozesses, den wir in Deutschland dringend brauchen,
ist. Wir, die FDP, werden die Bundesregierung dabei
nach vollen Kräften unterstützen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715901700

Vielen Dank, Kollege Dr. Stinner. – Nächster Redner

für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege
Dr. Rolf Mützenich. Bitte schön, Kollege Dr. Mützenich.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1715901800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Bundesaußenminister, ich glaube, das, was Sie auf-
geschrieben haben, stellt teilweise eigentlich eine Bin-
senweisheit dar. Für die Erkenntnis, dass neue Länder,
dass neue Gestaltungsmächte auch einen Gestaltungsan-
spruch haben, ist kein umfangreiches Papier notwendig;


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Wohl wahr!)


denn im Grunde genommen ist dies der Kern der Ge-
schichte internationaler Politik.

Ich hätte als Anstoß für eine grundsätzliche Debatte
über Außenpolitik viel interessanter gefunden, zu lesen,
was Sie in den kommenden wenigen Monaten überhaupt
noch erreichen wollen, was den Kern der deutschen Au-
ßen- und Sicherheitspolitik da ausmachen soll. Dazu fin-
det man in diesem Konzept nichts.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Das ist leider so!)


Eine weitere interessante Frage wäre: Bei der Bewäl-
tigung welcher Probleme werden Ihnen die neuen Ge-
staltungsmächte – gesetzt den Fall, dass Sie auf diesem
Konzept beharren – behilflich sein? Bei denen, vor de-
nen wir stehen, bei denen, vor denen Europa steht, oder
bei denen, vor denen sozusagen die internationale Politik
steht? Auf diese Fragen gehen Sie überhaupt nicht ein.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meiner Meinung nach müssen wir insbesondere auf
lgende Punkte hinweisen:

Erstens. Wir nähern uns in Europa wieder einem
euen Sicherheitsdilemma; das haben wir alle, die wir in
ünchen auf der Sicherheitskonferenz waren, auch

tmosphärisch gespürt. Eine neue Eiszeit beginnt, wenn
ns ein russischer Außenminister nicht nur die Syrien-
rage, sondern insbesondere auch das Problem der Ra-
etenabwehr, das möglicherweise eine neue Grenzzie-
ung in Europa zur Folge hat, vor Augen führt. Ich frage
ich: Wo ist da die deutsche Außen- und Sicherheits-

olitik? Wollen Sie uns wirklich sagen, dass uns neue
estaltungsmächte in der Welt bei der Lösung dieses Si-

herheitsdilemmas helfen werden? Nein, dafür braucht
s Tatkraft, und zwar in Kooperation mit den alten Part-
ern. Wir müssen den USA, insbesondere den Senatoren

Kongress, deutlich machen, um was es letztlich geht,
ass wir nämlich vertragsbasiert versuchen wollen, das
hema Raketenabwehr wieder einzufangen. Darüber
äre es in der Tat notwendig gewesen eine außenpoliti-

che Debatte zu führen, statt wolkig von Gestaltungs-
ächten, die irgendwo am Horizont auftauchen, zu spre-

hen.

Zweiter Punkt. Von einem Sicherheitsdilemma ist
uch eine andere Weltregion betroffen. Wir wissen, dass

pazifischen Raum ein Sicherheitsdilemma entsteht,
eil es dort Fehlwahrnehmungen gibt. Die USA behaup-
n, sie seien eine pazifische Macht, und China rüstet
aritim auf. Beide Staaten handeln aufgrund unter-

chiedlicher Erwägungen. Die Chinesen etwa sagen: Wir
üssen diese Wege aufgrund der Situation, in der wir

ns befinden, und aus nationalem Interesse beschrei-
n. – Deutschlands Beitrag als Mitglied der NATO

ollte angesichts dessen darin bestehen, endlich die De-
atte darüber, ob wir eine globale NATO brauchen, zu
eenden. Doch selbst die Bundeskanzlerin spricht immer
ieder von der globalen NATO. Indem wir dieses
hema, das in China ganz anders wahrgenommen wird,
nsprechen, befördern wir allerdings eher ein Sicher-
eitsdilemma, als dass wir zu seiner Lösung beitragen.
olche außenpolitischen Debatten brauchen wir also.

Eine dritte Frage lautet: Glauben Sie wirklich, dass
ns neue Gestaltungsmächte dabei unterstützen, die Nor-
en und Regeln des Völkerrechts besser zu verankern

der unsere Partner davon zu überzeugen, das Völker-
cht besser zu beachten? Den Mut, eine Debatte darüber

u führen, müssen Sie gegenüber den jetzigen, den alten
artnern aufbringen. Die Frage des Völkerrechts, auch
er Einsatz von Drohnen, betrifft nicht die Gestaltungs-
ächte; sie betrifft die alten Partner. Das in der Außen-

olitik anzusprechen, dazu gehört nach meinem Dafür-
alten Mut; aber was das betrifft, ist in diesem Konzept
berhaupt nichts zu finden.

Viertens. Ich sagte, es werden keine großen, neuen
ntworten gegeben; deshalb verweise ich auf alte Kon-

epte. Der Ansatz von Frank-Walter Steinmeier, die Be-
rbeitung des Wasserkonflikts in Zentralasien als ge-
einsame europäische Herausforderung in die Debatte





Dr. Rolf Mützenich


(A) )


)(B)

einfließen zu lassen, war richtig. Auch in Zukunft wird
die Wasserfrage – auch Sie haben sie ja angesprochen –
wahrscheinlich eine große Herausforderung sein. Vor
diesem Hintergrund wäre es besser gewesen, heute der
Frage nachzugehen: „War das Konzept von Frank-
Walter Steinmeier richtig, und sind wir da vorangekom-
men?“, statt von sogenannten Gestaltungsmächten zu
sprechen und damit neue Schauplätze zu betreten.


(Beifall bei der SPD)


Fünfte Frage: Werden Sie gemeinsam mit neuen Ge-
staltungsmächten die Herausforderungen im Bereich der
Rüstungsexporte bewältigen: ja oder nein? Nein, ich
glaube nicht. Sie führen die Gestaltungsmächte ja gerade
deswegen an, um Rüstungsexporte zu legitimieren.
Saudi-Arabien ist für Sie eine Gestaltungsmacht. Die
Lieferung von Panzern nach Saudi-Arabien wurde damit
begründet, dass am Persischen Golf eine Gestaltungs-
macht entsteht und dies möglicherweise in Konflikte
ausartet. Also: Wollen Sie wirklich sagen, dass uns Ge-
staltungsmächte bei der Lösung dieses Problems und
beim Umgang mit solchen falschen Entscheidungen hel-
fen werden? Ich sage Ihnen: Nein.

Das, was Sie aufgeschrieben haben, führt also in die
Irre. Es verlagert Ihre Verantwortung auf ein anderes
Feld. Dazu kann man zwar ein paar schöne Sätze formu-
lieren; aber hier muss es um konkretes Handeln gehen.
Sie führen mit uns aber keine Debatte über konkretes
Handeln. Dieser notwendigen Diskussion würde ich
mich gerne stellen. Dazu haben Sie in Ihren zwölf Minu-
ten Redezeit am Anfang dieser Debatte aber überhaupt
nichts gesagt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Bundesaußenminister, ich will zum Schluss auf
einen weiteren Aspekt eingehen. Ich glaube, dass dieses
Papier bei unseren alten Partnern möglicherweise – ich
will nicht sagen: verheerend – falsch ankommt. Das
wäre fatal und nicht hilfreich. Ich glaube, man bläst die
Backen wieder einmal etwas zu stark auf. Wenn ein
deutscher Außenminister gewissermaßen sagt: „Ich al-
leine werde darüber bestimmen, welche Staaten Gestal-
tungsmächte sind und welche nicht und mit wem sich
Deutschland zusammentut und mit wem nicht“, halte ich
das für ein großes Problem. Dies gilt insbesondere ange-
sichts der Debatte auf europäischer Ebene, in der
Deutschland nicht mehr das Bild abgibt, das es sich
wirklich schwer erarbeitet hat, insbesondere während
des Kalten Krieges, aber auch während der Zeit der Ent-
spannungspolitik. Damals hat sozusagen ein anderes
Deutschland das Bild abgegeben.

Ich glaube, dass diese schön bebilderte Broschüre, die
Sie uns vorgelegt haben, möglicherweise zu einer ganz
anderen Wahrnehmung führt als zu der, die Sie beabsich-
tigt hatten. Das Papier ist wie Ihre Außenpolitik: etwas
dick aufgetragen, dennoch an vielen Stellen vage und
immer wieder sprunghaft. Das ist keine Grundlage für
eine bessere Außenpolitik, die wir dringend brauchen.
Deswegen glaube ich, dass weitere Debatten über die

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(C (D onkreten Herausforderungen deutscher Außenund Siherheitspolitik notwendig sind. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715901900

Vielen Dank, Kollege Dr. Mützenich. – Nächster Red-

er für die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege
uprecht Polenz. Bitte schön, Kollege Polenz.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1715902000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

err Mützenich, es geht nicht in erster Linie um Ant-
orten auf aktuelle Krisen oder Fragen, die wir dauernd
Auswärtigen Ausschuss und anderswo diskutieren; es

eht um unsere Rolle in der Welt und darum, welche
erantwortung wir haben; es geht um die strategische
rientierung der deutschen Außenpolitik in der multi-
olaren Welt des 21. Jahrhunderts, in der 1,3 Milliarden
hinesen und 1,2 Milliarden Inder leben und in der Bra-

ilien, Südafrika, Mexiko, die USA und, wie wir durch
as Veto im Sicherheitsrat gemerkt haben, natürlich auch
ussland, das sich immer noch als Großmacht fühlt, eine
ichtige Rolle spielen. Diese Welt ist unübersichtlicher

ls die geteilte, bipolare Welt des Kalten Krieges. Ange-
ichts dessen ist es schon richtig, dass die Bundesregie-
ng den Kompass justiert. Ich möchte Außenminister
esterwelle sehr dafür danken, dass wir diese Debatte

ber die strategische Orientierung der deutschen Außen-
olitik auf der Grundlage eines breit angelegten Posi-
onspapiers der Bundesregierung führen können.

Ich finde, es ist ein Verdienst dieses Papiers, dass mit
em irreführenden Begriff des Schwellenlandes aufge-
umt wird. Es ist falsch, Länder wie China, Indien, Bra-

ilien oder Mexiko als Schwellenländer zu bezeichnen
nd so zu tun, als ob sie knapp über dem Niveau eines
ntwicklungslandes wären. Das Positionspapier der
undesregierung nimmt das regionale und internationale
estaltungspotenzial und vor allen Dingen den Gestal-
ngsanspruch dieser Länder in den Blick und versucht,
chlussfolgerungen für die deutsche Außenpolitik zu
iehen. Das ist ein Verdienst dieses Papiers.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wie verhindern wir Blockademacht? Wie fördern wir
erantwortliche Mitgestaltung? Wo liegen die Möglich-
eiten einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit, und
o liegen die Grenzen? Dazu verhält sich das Papier. In-

ofern ist ein Teil der Kritik ein bisschen preiswert, weil
ohlfeil. Dem einen fehlt etwas, dem anderen ist an ei-
er Stelle etwas zu viel. Das war keine besonders faire
ritik, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD.


(Erich G. Fritz [CDU/CSU]: War auch nicht beabsichtigt!)






Ruprecht Polenz


(A) )


)(B)

Die Bundesregierung formuliert als anspruchsvolles
Ziel:

Die Bundesregierung will mit Partnern zusammen-
arbeiten, um die globalisierte, interdependente und
multipolare Welt durch eine regelbasierte sowie
multilateral und global ausgerichtete Ordnungspoli-
tik über legitime und effektive internationale Insti-
tutionen zu prägen.

Das klingt nicht nur anspruchsvoll, das ist anspruchsvoll.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: So, dass das keiner versteht!)


Man kann es auf folgende Kurzformel – das steht auch
im Konzept – bringen: Es geht um eine faire Globalisie-
rung. Wenn Sie John Rawls gelesen haben, dann wissen
Sie, dass Gerechtigkeit als Fairness eine philosophische
Grundhaltung ist, und das steht in diesem Papier.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eijeijei!)


Allein wären wir sicher hoffnungslos überfordert, die-
ses Ziel zu erreichen. Deshalb wird in diesem Papier
richtigerweise die Frage gestellt, wie Deutschland in die-
ser veränderten Welt seine Interessen am besten durch-
setzen kann und wie wir unseren Werten Geltung ver-
schaffen können. Dazu gibt es einen Schlüsselsatz in
diesem Konzept: „Deutschland wirkt mit und durch
Europa.“ Über die Europäische Union hebeln wir unser
politisches Gewicht. Das ist wie in der Physik. Die Euro-
päische Union ist ein politischer Kraftwandler, übrigens
nicht nur für Deutschland, sondern für alle 27 EU-Mit-
glieder. Wir alle verstärken unsere politische Kraft. Vo-
raussetzung ist allerdings, dass alle ihre Hebel gleichge-
richtet ansetzen, etwa wie beim Rudern; denn sonst dreht
man sich im Kreis, kommt nicht vom Fleck und wirkt
auch noch relativ komisch dabei.


(Ulrich Kelber [SPD]: Aber beim Rudern schaut man zurück!)


Aber man kommt vorwärts.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dass das politische Gewicht Deutschlands ganz we-
sentlich von diesem Wirken in der und durch die Euro-
päische Union abhängt, zeigt ein Vergleich mit Japan.
Japan ist vom Potenzial her durchaus mit Deutschland
vergleichbar, verfügt aber international über weitaus we-
niger Mitgestaltungsmöglichkeiten als wir, die wir in der
Europäischen Union verankert sind.

Das entspricht im Übrigen auch unserer Wahrneh-
mung von außen. Als Mitglieder des Auswärtigen Aus-
schusses haben wir viele Delegationen als Gesprächs-
partner zu Gast, die Berlin besuchen. Ganz oft fällt dabei
der Satz: „Ihr seid das stärkste Land in der EU“, und
dann werden Erwartungen und Wünsche formuliert. Das
Konzeptionspapier beinhaltet also keine abgehobene
Theorie, auch wenn es natürlich generalisierende Formu-
lierungen beinhalten muss, sondern es ist außerordentlich
praktisch und relevant. Denken Sie beispielsweise an un-
sere Diskussionen über die Staatsschuldenkrise. Wir dür-
fen eben nicht in erster Linie fragen: „Was kostet uns

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(C (D uropa?“, sondern: „Was ist uns Europa wert?“. Hier haen wir dann auch entsprechende Erwartungen. An die Adresse derjenigen, Herr Mützenich und Herr ehrcke, die hier Dominanzstreben kritisiert haben, sage h: Was erwarten denn die anderen von uns? Ich erinere an die Rede des polnischen Außenministers adoslaw Sikorski, der hier in Berlin gesagt hat: Sie damit meinte er Deutschland – sind Europas unverzichtbare Nation geworden. Sie dürfen bei der Führung nicht versagen. Nicht dominieren, sondern bei Reformen führen. enn wir dieser Bitte nicht entsprechen, werden wir unerer Verantwortung nicht gerecht. ie Bundeskanzlerin, der Finanzminister und der Auenminister zeigen jeden Tag – gerade jetzt, in dieser chwierigen Phase der europäischen Geschichte –, dass ie mit einer klugen Einbindung anderer und gemeinsam it Frankreich diesem Führungsanspruch, den andere an ns haben, gerecht werden. Das Risiko dieser Krise für Europa und die Europäiche Union als politisches Projekt dürfen wir nicht unterchätzen. Manchmal hat man den Eindruck und glaubt, twas Stagnation und ein paar Rückschritte bei der Interation seien nicht so schlimm. Europa ist aber keine Inel. Andere Akteure in der multipolaren Welt werden andeln, ohne auf Europa zu warten. Europa hat in dieer multipolaren Welt nur die Wahl, entweder als Mitpieler zu agieren oder Spielfeld zu sein, das sich die nderen untereinander aufteilen. Ein wachsender chineischer Einfluss auf einzelne EU-Mitglieder im Zuge der tzigen Staatsschuldenkrise kann beispielsweise dazu hren, dass damit die Forderung verbunden wird, bei enschenrechtsverletzungen demnächst ein Auge zuzu rücken, und Russland ist ja immer dabei, die Energieolitik auch als politischen Einflusshebel zu nutzen, um ie Europäische Union ein Stück auseinanderzutreiben. (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Aber das befördern wir doch mit dem Papier!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich darf noch einmal den polnischen Außenminister
itieren. Er hat in seiner Rede gesagt:

Wenn wir unsere jetzige Malaise überwinden, dann
haben wir die nötigen Fähigkeiten und die Kraft,
um die uns die Welt beneidet. Wir haben nicht nur
die größte Wirtschaftsmacht, Europa steht wie
keine andere Region dieser Welt für Frieden, De-
mokratie und Menschenrechte. Für unsere Nach-
barn im Osten und Süden sind wir eine Inspiration.

as sagt ein Pole, der die Europäische Union natürlich
och nicht als selbstverständlich wahrnimmt und des-
alb vielleicht auch den Wert etwas mehr schätzt als der
ine oder andere von uns.

Never again, never alone: Mit diesem alten außen-
olitischen Grundsatz sind wir gut gefahren. In dem
onzept der deutschen Bundesregierung heißt es: „In
er globalisierten Welt wirkt Deutschland mit und durch





Ruprecht Polenz


(A) )


)(B)

Europa.“ Das ist der gleiche Inhalt, nur anders formu-
liert.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715902100

Vielen Dank, Kollege Ruprecht Polenz. – Nächster

Redner für die Fraktion Die Linke ist unser Kollege Jan
van Aken. Bitte schön, Kollege Jan van Aken.


(Beifall bei der LINKEN)



Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715902200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

Westerwelle, ich muss ehrlich sagen: Ich habe das neue
außenpolitische Konzept mit Spannung und natürlich ei-
ner gewissen Skepsis erwartet. Jetzt lese ich das Papier
und stelle fest, dass die Skepsis leider berechtigt war. Ich
möchte das an fünf Punkten zeigen. Das sind die Punkte
Frieden, Nahrungsmittelsicherheit, Menschenrechte, gute
Arbeitsbedingungen und Abrüstung.

Fangen wir mit dem Frieden an. Da schreiben Sie
zum Beispiel, dass die neuen Gestaltungsmächte einen
wichtigen Beitrag zur Vorbeugung von Konflikten leis-
ten können. Das ist natürlich richtig. Aber welches kon-
krete Beispiel nennen Sie dafür in dieser Hochglanzbro-
schüre? Die militärische Zusammenarbeit zwischen
Deutschland und Südafrika. Warum, Herr Westerwelle,
fällt Ihnen beim Thema Konfliktlösung immer nur die
Bundeswehr ein?


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde, ein Außenminister, dem beim Thema Konflikt
immer nur Militär einfällt, der hat seinen Job komplett
verfehlt.

Zweiter Punkt: die Nahrungsmittelsicherheit. In dem
Papier ist sehr viel von Hungerbekämpfung die Rede.
All das ist wunderbar. Aber an einer anderen Stelle for-
dern Sie den ungehinderten Zugang zu Ackerland für
sich und die Gestaltungsmächte. Heißt das: einen unge-
hinderten Zugang zu landwirtschaftlicher Nutzfläche
auch in allen anderen Ländern, also weltweit? Heißt das
denn: Nahrungsmittelsicherheit nur für die Starken und
Reichen? So werden Sie den Hunger in der Welt nicht
bekämpfen, Herr Westerwelle.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dritter Punkt: die Menschenrechte. An dem gleichen
Tag, an dem Sie das hier veröffentlichten – darin steht
gefühlte 500-mal das Wort Menschenrechte –, empfin-
gen Sie hier in Berlin den kasachischen Präsidenten
Nasarbajew und schlossen mit ihm einen Rohstoffver-
trag ab.


(Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Ja, genau!)


Falls Sie es vergessen haben, Herr Westerwelle:
Nasarbajew ist der Mann, der gerade mit 80 Prozent der
Stimmen in Kasachstan gewählt worden ist, und alle

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(C (D ahlbeobachter gehen davon aus: Die Wahl war gelscht. Nasarbajew, das ist genau der Mann, der im ezember einen Streik von Ölarbeitern blutig zusamengeschossen hat. Aber Nasarbajew ist eben auch der ann, in dessen Land es Öl, Gold und viele andere Roh toffe gibt. Deswegen gab es hier für ihn einen Fototerin mit der Kanzlerin und einen Fototermin im Schloss ellevue, damit er weiter exklusiv an Deutschland liert. Das sind die traurigen Realitäten eines Konzepts, as aus sehr vielen schönen Worten, aber wenig Subtanz besteht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Vierter Punkt: gute Arbeitsbedingungen. In dem Pa-
ier wird von dem Ziel gesprochen, weltweit menschen-
ürdige Arbeitsbedingungen zu gestalten. Das ist ein

ehr schönes Ziel. Ich habe Ihnen eine Tafel Schokolade
itgebracht, ein nachträgliches Geschenk zu Ihrem run-

en Geburtstag. Das hier ist eine fair gehandelte Bio-
chokolade.


(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Die haben Sie hoffentlich nicht seit meinem Geburtstag in der Tasche!)


Nein, sie ist relativ frisch, die habe ich nicht seit De-
ember in der Tasche. Aber ich habe Ihren Geburtstag

Kopf, weil auch ich im letzten Jahr 50 Jahre alt ge-
orden bin.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Das sieht man Ihnen gar nicht an!)


a haben wir etwas gemeinsam. – Wissen Sie eigentlich,
enn Sie über menschenwürdige Arbeitsbedingungen
den, wie viel ein Kakaobauer in Ghana verdient, wenn

r nicht vom fairen Handel profitiert?


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Erst einmal her mit der Schokolade!)


inen halben Euro am Tag. Wissen Sie eigentlich, dass
der Elfenbeinküste 2 Millionen Kinder in der Kakao-

rnte arbeiten? Diese Kinder helfen nicht ihren Eltern
inmal bei der Ernte, sondern das ist verbotene Kinder-
rbeit. Wissen Sie, dass es in Westafrika und vielen Län-
ern noch Sklavenarbeit in der Kakaoernte gibt?

Um das zu ändern, um hier menschenwürdige Bedin-
ungen zu schaffen, brauchen Sie keine Hochglanzbro-
chüre. Dafür brauchen Sie auch nicht auf die UNO, die

O oder andere Regierungen zu warten. Das könnten
ie ganz einfach mit einem Gesetz in Deutschland re-
eln, indem Sie einen Herkunftsnachweis für den Kakao
erlangen. Wenn auf der Rückseite einer Tafel Schoko-
de immer stehen müsste, aus welcher Provinz, aus wel-

hem Land der Kakao kommt, dann wird kein einziger
eutscher Produzent mehr Kakao aus Kinder- oder Skla-
enarbeit kaufen. Deswegen haben Sie die Verantwor-
ng hier in Deutschland, für menschenwürdige Bedin-

ungen anderswo auf der Welt zu sorgen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)






Jan van Aken


(A) )


)(B)

Wenn ich also all die politisch korrekten und hohlen
Phrasen aus diesem Papier herausstreiche, dann bleibt
von Ihrem außenpolitischen Konzept sehr wenig übrig.
Es bleibt vielleicht ein Konzept für eine knallharte Au-
ßen- und Wirtschaftspolitik übrig. Das, Herr Westerwelle,
finde ich ein Armutszeugnis.


(Beifall bei der LINKEN)


Fünfter und letzter Punkt: die Abrüstung. Im Übrigen
bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen
mehr exportieren sollte; denn eines muss man bedenken:
Jede einzelne Waffe, die Sie an ein anderes Land verkau-
fen, rüstet dieses Land auf und nicht ab. Ich finde es sehr
bemerkenswert, dass auf diesen ganzen 68 Seiten nicht
ein einziges Mal das Wort Abrüstung vorkommt. Das
muss man erst einmal schaffen. Bei einem außenpoliti-
schen Konzept nicht über Abrüstung zu reden, muss man
erst mal schaffen. Das ist natürlich konsequent, wenn
man nur an Wirtschaftspolitik denkt. Das ist aber auch
grundfalsch.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Der Minister redet über Abrüstungspolitik! Sie hätten in München zuhören sollen!)


Trotzdem wünsche ich Ihnen guten Appetit beim Ver-
zehr der fair gehandelten Schokolade!


(Abg. Jan van Aken [DIE LINKE] überreicht Außenminister Dr. Guido Westerwelle eine Tafel Schokolade – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ist das Zartbitter oder was? – Gegenruf des Abg. Jan van Aken [DIE LINKE]: 85 Prozent Kakao! – Beifall bei der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715902300

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin in

unserer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen unsere Kollegin Kerstin Müller. Bitte schön,
Frau Kollegin Müller.

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Westerwelle, eine Tafel Schokolade habe ich zwar
nicht anzubieten, aber auch ich bin der Meinung, dass
das Konzept, das Sie am Mittwoch mit viel Tamtam und
Öffentlichkeit vorgestellt haben, nicht viel Neues ent-
hält; es bezieht sich vielmehr auf etwas, das schon lange
bekannt ist, nämlich dass sich die Kraftzentren der inter-
nationalen Politik verschieben, weg vom starren Blick
auf Europa und die USA hin zu Ländern, die man ge-
meinhin – Herr Polenz hat es angesprochen – als Ent-
wicklungs- und Schwellenländer bezeichnete, die aber
inzwischen schon längst die Schwelle machtpolitischer
Irrelevanz überschritten haben, zum Beispiel weil sie
ökonomisch gewachsen sind wie Südafrika oder Brasi-
lien – davon sprechen Sie überwiegend – oder weil sie
regionale Hegemonialmacht anstreben wie der Iran.

Ja, es ist richtig: Die Welt hat sich verändert, hin zu
einer multipolaren Welt. Viele Länder wollen heute die

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(C (D lobale Ordnung mitgestalten. Deshalb ist auch richtig: uf diese Veränderungen brauchen wir eine Antwort. elche Rolle will und soll Deutschland dabei einnehen? Ihren Versuch, die Außenpolitik der Bundesregierung ohärenter als bisher zu gestalten, kann man durchaus onorieren. Man könnte sagen: Mit der Vorlage des onzeptes wird zumindest auf dem Papier der Versuch nternommen, den realen Einflussverlust des Außeninisters aufzuhalten. Denn noch nie wurde von einem ußenminister so viel Papier produziert – Lateinameriakonzept, Afrikakonzept und jetzt das Globalisierungsonzept –, aber in der Realität so wenig Einfluss in der eltpolitik ausgeübt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich kann Ihnen auch jetzt das Beispiel Libyen nicht
rsparen. Damit hat die Bundesregierung Deutschland
s weltpolitische Abseits katapultiert. Das wird bei der
NO und der EU immer noch so gesehen, und das hat

uch Nachwirkungen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Leider bleibt der Versuch einer neuen Strategieent-
icklung, von der Sie gesprochen haben, Herr Polenz,

chon im Ansatz stecken. Denn auf 67 Seiten wird leider
it vielen Worten wenig gesagt: Frieden, Menschen-
chte, Wirtschaft, Ressourcen, Soziales und Nachhaltig-

eit – alles kommt irgendwie vor. Aber wo setzen Sie
re Prioritäten, Herr Westerwelle? Das geht aus dem

apier nicht hervor. So bleibt das Ganze ein Versuch,
re „wurschtelig wirkende“ Außenpolitik, wie es in der

resse hieß, schick zu verpacken. Inszenierung allein
acht aber noch keine Außenpolitik und keinen Außen-
inister. Man muss vielmehr klare Prioritäten setzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wo Ihre eigentliche Priorität liegt, wurde bei der Vor-
tellung klarer: „Wandel durch Handel“ ist – das haben
ie mehrfach betont – Ihr neues und man sollte vielleicht
uch sagen altes Credo. Damit wird klar: Ihre eigentliche
riorität ist die deutsche Wirtschaft. Es geht darum, ei-
en politischen Rahmen zu schaffen, um Türen für neue
ärkte zu öffnen.

Gestaltungsmächte sind – das haben Sie noch einmal
esagt – für Sie in erster Linie Länder mit hohen Wachs-
msraten und seltenen Rohstoffen. Aber was das im Hin-

lick auf die Gestaltungsmächte heißt, bleibt unklar. Wol-
n Sie wirklich behaupten, dass Handel automatisch
ehr Demokratie und Freiheit bringt, zum Beispiel in
hina oder Russland? Ist denn jeder, der wirtschaftlich

tark ist, in Zukunft automatisch Ihr Partner, und für was
igentlich? In der Syrien-Frage zum Beispiel sind die Ge-
taltungsmächte China und Russland keine Partner. Sie
tehen auf der anderen Seite und haben in dieser Frage
ine völlig andere Position. Unklar ist auch – meine Vor-
dner haben es schon angesprochen –: Ist diese Zusam-
enarbeit an irgendwelche Kriterien, zum Beispiel an





Kerstin Müller (Köln)



(A) )


)(B)

menschenrechtliche Standards oder Umwelt- und Sozial-
standards, gebunden?

Aber wie Sie selbst gesagt haben: Es kommt auf den
Praxistest an.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715902400

Frau Kollegin, es gibt den Wunsch nach einer Zwi-

schenfrage aus der Fraktion der FDP. Unser Kollege
Spatz will Sie etwas fragen. Gestatten Sie das?

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Ja. Wie könnte ich das einem Kollegen verwehren?


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715902500

Bitte schön.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Genau zuhören, Frau Müller!)



Joachim Spatz (FDP):
Rede ID: ID1715902600

Frau Kollegin Müller, könnten Sie uns wenigstens zu-

gestehen, dass die Maxime „Wandel durch Handel“ bzw.
„Wandel durch Annäherung“, also der Prozess, mit den-
jenigen zu sprechen, die unsere Ideale vielleicht noch
nicht teilen, mindestens zur Überwindung der Spaltung
Europas einen wichtigen Beitrag geleistet hat und viel-
leicht auch als Rezept für die Welt taugt?

Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Herr Spatz, ich glaube nicht, dass dies als Rezept für
die Welt taugt. Sie berufen sich hier auf die Ostpolitik
Brandts.


(Zuruf von der FDP: Brandts und Scheels!)


Ich finde, diese Schuhe sind wirklich viel zu groß.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Schauen Sie sich das an. Russland ist ein Beispiel dafür.
Keiner hier kann sagen wollen, dass es durch eine Öff-
nung der Märkte, durch zum Teil Manchesterkapitalis-
mus und kapitalistische Verhältnisse in Russland mehr
Demokratie gibt. Im Gegenteil: Beides prallt völlig auf-
einander. Auch in China stehen wir vor dieser Situation.
China ist ein wichtiger Partner, aber wir sehen, dass
Menschenrechte und Demokratie dort zum Teil mit Fü-
ßen getreten werden. Daher glaube ich, dass diese These
nicht stimmt. Es braucht zusätzliche Anstrengungen, und
es muss klar definiert werden, was wir für eine Art der
Handelspolitik wollen. Wollen wir sie an Umwelt- und
Sozialstandards binden? Wollen wir sie an Menschen-
rechtskriterien binden? Dazu steht in dem Papier nichts.
Hier spricht Ihre reale Politik Bände.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Praxistest ist entscheidend: The proof of the pud-
ding is in the eating. Ich kann es Ihnen nicht ersparen,
die Inszenierung zu kritisieren: Sie stellen das Konzept

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(C (D or, nachdem vor ein paar Tagen im wenige Kilometer ntfernten Bundeskanzleramt ein Rohstoffabkommen it Kasachstan abgeschlossen wurde. Daran können wir rkennen, was das Konzept konkret bedeutet. Wir vertehen uns gut mit der neuen Gestaltungsmacht Kasachtan. Auf meine Frage gestern haben Sie geantwortet, asachstan sei auch eine Gestaltungsmacht; ganz gleich, b ihr Präsident Nasarbajew auf demonstrierende Ölareiter schießen lässt oder bei den letzten Wahlen von der SZE das Siegel des Antidemokraten erhalten hat. Der raxistest zeigt: Hier fehlt der Bundesregierung der polische Kompass; denn Kompass müssen meiner Meiung nach ganz klar die Menschenrechte sein. Sie müsen die Leitlinie der deutschen Außenpolitik sein und lar Priorität haben. Das ist bei Ihnen nicht der Fall. Auch die Außenwirtschaftspolitik muss eine klare indung an Menschenrechtskriterien haben. Hier pas iert nichts, was wie ein Dialog mit der Industrie zum hema Menschenrechte aussehen könnte. Nichts pasiert in der Frage, wie industrielle Entscheidungen an ozialund Umweltstandards gebunden werden können. err Heraeus gibt freimütig zu, dass das Thema Men chenrechte der Industrie immer Schwierigkeiten macht. Was passiert, wenn der Kompass fehlt, zeigt sich uch, wenn Deutschland trotz der schwierigen Menchenrechtslage Panzer nach Saudi-Arabien liefert. enn die Wirtschaft vor den Menschenrechten steht, ann gehen Rüstungsmärkte vor. Ich sage Ihnen: So verommt jeder Menschenrechtsdialog zu einer reinen Feienblattpolitik. Wir sind der Meinung, die außenpolitischen Prioritän müssen ganz andere sein. Wir wollen die UN stärken nd keine Parallelstrukturen wie die G 20. Für uns müsen die Menschenrechte Leitlinie jeder Außenpolitik ein, und wir wollen eine verantwortungsvolle Ressourenund Handelspolitik, die nur dann gerecht und nachaltig ist, wenn sie an die Menschenrechte und den echtsstaat gebunden ist und Korruption bekämpft. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


(Zuruf von der FDP)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715902700

Vielen Dank, Frau Kollegin Kerstin Müller. – Nächs-

r Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kol-
ge Dr. Christian Ruck. Bitte schön, Kollege Dr. Ruck.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1715902800

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten

amen und Herren! Ich bin sehr froh über die Gelegen-
eit zu dieser Debatte. Herr Westerwelle, ich fand es gut,
ass Sie eingangs gesagt haben, dass wir trotz der Euro-
rise und trotz unserer anderen heimischen Krisen den
lick auf die Welt nicht vergessen dürfen. Das ist völlig
chtig, sage ich als Entwicklungspolitiker. Ab und zu





Dr. Christian Ruck


(A) )


)(B)

sind wir als Entwicklungspolitiker mit den Außenpoliti-
kern in einem fruchtbaren und heftigen Dialog, daher
finde ich es ein bisschen schade, dass viele Redner der
Opposition die Gelegenheit haben verstreichen lassen, in
der Sache zu diskutieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach!)


– Frau Müller, Sie habe ich nicht gemeint.

Es ist doch vollkommen klar, dass es sich bei dem,
was Herr Westerwelle in dieser Woche vorgestellt hat,
um ein Gerüst handelt, das man noch ausfüllen und aus-
arbeiten muss.


(Edelgard Bulmahn [SPD]: Dafür haben Sie zwei Jahre Zeit gehabt!)


Alles andere ist eine völlige Illusion. Ich glaube, hier ha-
ben Verschwörungstheorien keinen Platz.

Für uns Entwicklungspolitiker ist der Umgang mit
den Gestaltungsländern oder Schwellenländern, wie sie
früher genannt wurden, von ausschlaggebender Bedeu-
tung; denn aus der Sicht der Entwicklungspolitiker hat
sich die Welt durch die Globalisierung fundamental ver-
ändert. Die klassische Einteilung in Industrieländer und
Entwicklungsländer stimmt nicht mehr. Auch das, was
früher weit weg von uns war, am Hindukusch oder im
Innern Afrikas, ist plötzlich ganz nah, auch für unsere
Bevölkerung, für unseren Wohlstand und für unsere Si-
cherheit.

Die großen Herausforderungen zeichnen sich ab. Das
ist die Klima- und Energiefrage. Das ist die Frage der
Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen. Das ist
die demografische Entwicklung mit all den Konsequen-
zen für die Ernährungslage und für die Wasserversor-
gung. Das ist aber auch die Frage von politischen
Umbrüchen, Instabilitäten, ökonomischen Ungleichge-
wichten und daraus folgender politischer Radikalisie-
rung.

Das alles zwingt uns in unserem ureigenen Interesse
zu einer Entwicklungspolitik, die gleichzeitig hoch flexi-
bel, konsequent und langfristig angelegt sowie – das ist
gerade der Punkt dieses Konzepts – kohärent ist, das
heißt, dass alle Bereiche des Außenhandels erfasst wer-
den, dass sie international abgestimmt sind, vor allem
unter denen, die die gleichen Sicherheitsinteressen ha-
ben wie wir.

Das bedeutet zum Beispiel auch, dass sich die Ent-
wicklungspolitik in Zeiten der Globalisierung längst
nicht mehr nur als Straßen- und Brunnenbauer versteht,
sondern sie versteht sich als eine Politik, die mithilft, dass
die Welt tragfähige Strukturen entwickelt, mit denen sie
die Herausforderungen, die ich genannt habe, in Zukunft
meistern kann. Damit sind die Entwicklungspolitiker na-
türlich auch von der Kohärenz mit der Gesamtpolitik ab-
hängig. Wir begrüßen es, dass ein solches kohärentes
Grundgerüst von der Bundesregierung vorgelegt worden
ist, in dem es vor allem um diese Gestaltungsmächte geht;
denn auf Schritt und Tritt merken wir, dass diese Gestal-
tungsmächte Schlüsselakteure für die globale Entwick-

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(C (D ng und für die Lösung der Zukunftsprobleme sind. Dar gibt es viele Beispiele. Ich nenne nur drei: Erstes Stichwort: Klimawandel. Ohne einen substaniellen Beitrag von Ländern wie China, Brasilien, Indien der auch Saudi-Arabien können wir das 2-Grad-Ziel uch dann nicht mehr erreichen, wenn wir in Europa alle missionen einstellen; das ist völlig unmöglich. enn zum Beispiel die Rio-Konferenz irgendeinen Fortchritt bringen soll, dann müssen wir gerade mit diesen estaltungsmächten zusammenarbeiten und ihnen natürch auch etwas bieten im Sinne von entwicklungspoliticher Zusammenarbeit. (Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Selbstverpflichtung!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


as ist nicht immer unumstritten gewesen. Das tun wir
tzt.

Zweites Stichwort: Instabilität. Natürlich bewundern
lle die Fortschritte der Brasilianer, Chinesen und Inder
Dimensionen wie Bruttosozialprodukt und Fähigkei-
n in technologischer Hinsicht. Die Wahrheit ist aber

uch, dass zwei Drittel der Armen in diesen Ländern le-
en, dass diese Länder nach wie vor von großen politi-
chen Instabilitäten bedroht sein können und dass es in
nserem Interesse ist, auch mit unserer Entwicklungs-
olitik, zumindest mit Beratungsleistungen, dem entge-
enzuwirken.

Drittes Stichwort: Rohstoffe. Was sich in weiten Tei-
n der Welt, gerade in Afrika, in Sachen Rohstoffaus-
eutung abspielt, ist schlichtweg ein Desaster. Wenn wir
as in bessere Bahnen leiten wollen, dann müssen wir
ns vor allem mit den Gestaltungsmächten, die da be-
onders beteiligt sind, vor allem mit China, irgendwie
uf einen Code of Conduct, auf einen Ehrenkodex, ver-
tändigen. Verständigen müssen wir uns nicht nur unter
ns – das ist ebenfalls nötig –, sondern auch mit diesen
ändern und vor allem mit China; denn ohne eine solche
bsprache ist eine vernünftige Entwicklung in ärmeren,

ber rohstoffreichen Ländern nicht möglich. Wir brau-
hen deswegen diese Zusammenarbeit mit China und
it anderen Ländern, und wir brauchen sie auch in Ge-

talt von Dreieckskooperationen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Diese Beispiele, glaube ich, zeigen, wie man die
rundgedanken des von Herrn Westerwelle vorgestell-
n Konzepts mit Leben und auch mit Details erfüllen
ann.

Aber wir müssen in vielen Punkten natürlich auch
och bei uns selbst weiter voranschreiten. Dazu nenne
h ebenfalls drei Punkte:

Erstens. Wir müssen auf dem Weg weiter voran-
chreiten, die eigenen Kräfte zu bündeln, zum Beispiel
urch schlagkräftige Durchführungsorganisationen – da-
ei sind wir –,


(Zuruf von der LINKEN: Vetternwirtschaft!)






Dr. Christian Ruck


(A) )


)(B)

zum Beispiel durch Ressortabstimmung. Dabei ist es
wichtig, auf die wertvolle Arbeit der Kirchen und Stif-
tungen auf diesem Gebiet hinzuweisen.

Zweitens. Wir müssen die internationalen Organisa-
tionen so gestalten, dass sie effizienter und effektiver ar-
beiten können, und zwar nicht nur die UNO – das wurde
schon angesprochen –, sondern auch die vielen anderen
Organisationen, die immer wichtiger werden, vor allem
die regionalen Organisationen wie die Arabische Liga
oder die Afrikanische Union.

Drittens. Wir müssen – es wurde von einer Präge-
phase in Europa gesprochen – für einen schlüssigeren
und kompakteren Außenauftritt der EU und der westli-
chen Wertegemeinschaft sorgen. Denn wir als Deutsche
sind allein nicht in der Lage, die Welt grundsätzlich zu
ändern. Aus diesem Grunde begrüßen wir das vorlie-
gende Konzept der Bundesregierung, das strategische
Ziele richtig definiert. Wir alle sind aufgefordert, diese
Ziele umzusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715902900

Vielen Dank, Kollege Dr. Christian Ruck. – Nächste

Rednerin in unserer Debatte ist für die Fraktion der So-
zialdemokraten unsere Kollegin Edelgard Bulmahn.
Bitte schön, Frau Kollegin Bulmahn.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1715903000

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-

nen und Kollegen! Bei der Vorstellung des Konzepts der
Bundesregierung zur Zusammenarbeit mit den soge-
nannten neuen Gestaltungsmächten haben Sie, Herr
Bundesaußenminister, immer wieder betont, dass die
neuen globalen Fragen nur im Zusammenspiel mit mehr
und neuen Partnern zu beantworten sind. Das ist richtig;
keine Frage. Dass die Welt aber multipolar und nicht
mehr bipolar ist, ist keine neue Erkenntnis. Diese Ent-
wicklung gibt es seit 20 Jahren. Die Frage, die sich da-
raus ableitet, ist: Was bedeutet es für die deutsche Au-
ßenpolitik, dass wir heute in einer multipolaren Welt
leben? Auf diese Frage, Herr Außenminister, geben Sie
keine Antwort. Eine strategische Orientierung der deut-
schen Außenpolitik bietet dieses Papier gerade nicht.

Welche außenpolitischen Ziele verfolgt die Bundesre-
gierung? Welche Interessen hat sie? Welche Leitlinien
für außenpolitisches Handeln formulieren Sie? Welche
Strategie leiten Sie daraus ab? Wo setzen Sie Schwer-
punkte? Das sind Fragen, auf die ich in diesem Papier
eine Antwort erwartet hätte. Herr Ruck, wenn Sie sagen,
dass das, was hier vorgelegt wurde, ein Gerüst sei, dann
finde ich das nach zwei Jahren zu wenig. Zwei Jahre
hatte diese Bundesregierung Zeit, ein außenpolitisches
Konzept vorzulegen. Das wäre gut gewesen, denn dann
hätten wir über die Inhalte, Zielsetzungen, Strategien,
Schwerpunkte miteinander diskutieren können. Das ist
auch notwendig. Aber über ein Gerüst kann man nicht
diskutieren.

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(C (D (Beifall bei der SPD – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Gerüste werden abgebaut!)


In dem Konzept wird angerissen, dass – auch dem
timme ich ausdrücklich zu – Außenpolitik heute mehr
t, als es die traditionelle Außenpolitik war, mehr als
iplomatie. Heute spielen Klimaschutz, der verantwort-
che Umgang mit natürlichen Ressourcen, die weltweite
icherung der Nahrungsmittelversorgung, die Globali-
ierung der Wirtschaft, die Verletzung von Menschen-
chten oder auch die Bedrohung durch den internationa-
n Terrorismus eine wichtige Rolle. All das sind
erausforderungen, die sich der klassischen Machtpoli-
k und damit den traditionellen Formen der Außenpoli-
k entziehen. Dem werden wir wohl alle zustimmen.
ber wenn man feststellt, dass diese Beschreibung rich-
g ist, dass Außenpolitik heute viele Dimensionen hat,
ass sie eine Querschnittsaufgabe geworden ist und dass
ich mit ihr heute immer auch Fragen der Friedens- und
icherheitspolitik, der Menschenrechte, der Umwelt-
nd Klimaschutzpolitik, der Zusammenarbeit in Bil-
ung, Wissenschaft und Forschung, der Wirtschaftspoli-
k und vieler anderer Felder verbinden, dann bedeutet
as eben auch, dass man Außenpolitik so konzipieren
uss, dass die Verbindung dieser Dimensionen klar be-

annt und verstanden wird.

Das bedeutet dann auch, liebe Kolleginnen und Kolle-
en, zu respektieren, dass sich in dieser neuen multipola-
n Welt neue regionale Strukturen entwickeln, die sich
den klassischen Formaten der internationalen Zusam-
enarbeit bisher nicht ausreichend abbilden. Auch diese
ahrnehmung habe ich in dem Konzept der Bundesre-

ierung vermisst.

Ich hatte gehofft, dass wir in der Rede des Bundes-
ußenministers hierzu etwas Genaueres erfahren, welche
onkreten Auswirkungen diese Entwicklungen auf die
eutsche Außenpolitik haben. Aber auch hierzu habe ich
icht viel Neues gehört. Was bedeutet zum Beispiel
iese Herausbildung neuer regionaler Strukturen in
sien, Afrika und Südamerika für die deutsche Politik?

Herr Außenminister Westerwelle, Sie haben zwar an-
esprochen, dass diese neuen regionalen Strukturen exis-
eren, aber welche Schlussfolgerungen ziehen Sie denn
araus? Welche Konsequenzen hat das für die weitere
ntwicklung der VN? Wie soll ein neuer Sicherheitsrat
ussehen? Wie soll er zusammengesetzt sein? Das sind
och Fragen, auf die wir Antworten geben müssen. Dazu
üssen wir Vorschläge machen, über die wir dann natür-
ch auch mit unseren Partnern verhandeln müssen. Ei-
ene Vorstellungen muss man aber schon haben, erst
ann kann man sie miteinander erörtern.

Welche Rolle sollen zukünftig regionale Sicherheits-
nd Wirtschaftsbündnisse in der deutschen Außenpolitik
aben? Ich nenne zum Beispiel die Afrikanische Union,
ie Arabische Liga und ASEAN. All diese neuen regio-
alen Strukturen spielen inzwischen in der internationa-
n Politik eine wichtige Rolle, und zwar in vielen Di-
ensionen. Wie spiegelt sich das in der deutschen
ußenpolitik wider? Welche Schlussfolgerungen ziehen
ir daraus? Was bedeutet das – das wurde von einigen

ngesprochen – zum Beispiel für die Armutsbekämp-





Edelgard Bulmahn


(A) )


)(B)

fung? Wenn wir konkrete politische Zielsetzungen in der
Armutsbekämpfung oder in der Klimapolitik verfolgen,
mit welchen Strategien geht das dann einher? Welche
Rolle spielen dabei die regionalen Strukturen?

Das alles wird in diesem Konzept nicht angesprochen.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss ich leider
einfach feststellen, dass das Papier, über das wir hier dis-
kutieren, eben kein strategisches Konzept ist. Es ist nur
eine Aneinanderreihung von Handlungsfeldern. Genau
das löst auch die Kritik aus. Eine positiv verstandene,
konkrete Beschreibung deutscher Interessen und Zielset-
zungen findet nicht statt. Genauso wenig gibt es eine kri-
tische Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln.
Man gewinnt den Eindruck, dass sehr viel Zeit darauf ver-
wendet worden ist, die bisherige schwarz-gelbe Außen-
politik in ein positives Licht zu rücken – auch das ist Ih-
nen jedoch nicht so richtig gelungen –, während die
Herausforderung, tatsächlich eine Strategie zu beschrei-
ben, nicht aufgegriffen worden ist.

Ich will einen letzten Aspekt nennen. Sie haben in Ih-
rem Konzept die Zusammenarbeit mit neuen Gestal-
tungsmächten im Bereich der Krisenprävention, der Kon-
fliktlösung und der Friedenskonsolidierung vor allem in
deren Rolle als Truppensteller für Friedensmissionen der
Vereinten Nationen gesehen. Dazu sage ich: Deren Rolle
darauf zu beschränken, ist wirklich fahrlässig und bei
weitem nicht ausreichend.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Bangladesch und Jordanien stellen derzeit jeweils
mehr als 2 000 Polizeikräfte für UN-Missionen zur Ver-
fügung, Deutschland gerade einmal 18. Das heißt, dass
Deutschland noch nicht einmal bei dem, was Sie als
Aufgabe beschreiben, annähernd seiner Verantwortung
gerecht wird. Das, Herr Außenminister, ist eben keine
Grundlage für eine zukunftsfähige Außenpolitik im
21. Jahrhundert.

Es erstaunt mich schon, dass die Bundesregierung in
ihrem Konzept zu diesem wichtigen Themenfeld nicht
mehr sagt. Nur zu behaupten, dass zivile Krisen- und
Konfliktprävention ein Schwerpunkt der Außenpolitik
sein soll, reicht nicht. Die konkreten Vorschläge – das
muss ich leider einfach einmal feststellen – kommen
nicht von der Regierung, sie kommen aus dem zuständi-
gen Unterausschuss im Deutschen Bundestag, und zwar
fraktionsübergreifend. Ich finde das auch gut. Von der
Bundesregierung ist da leider nichts gekommen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die werden berücksichtigt!)


Da finde ich nur eine leere Stelle.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715903100

Sie denken an Ihre Redezeit?


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1715903200

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist notwendig

und wichtig, dass wir uns mit der außenpolitischen Stra-

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(C (D gie Deutschlands in einer multipolaren Welt auseinanersetzen. Aber am Ende der heutigen Debatte möchte h sagen: Das sollten wir im Parlament tun. Hoffentlich ört die Bundesregierung dann auch auf das Parlament. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715903300

Vielen Dank, Frau Kollegin Bulmahn. – Letzter Red-

er in unserer Aussprache ist für die Fraktion der CDU/
SU unser Kollege Karl-Georg Wellmann. Bitte schön,
ollege Wellmann.


Karl-Georg Wellmann (CDU):
Rede ID: ID1715903400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau

ulmahn, Ihre Rede war bezeichnend: Sie haben kein
onzept, und Sie haben wie Herr Erler nur Fragen ge-

tellt. Aber Sie haben keine Antwort auf die Globalisie-
ngsprobleme in dieser Welt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


nders Herr Gehrcke: Er hat auf Basis seines festen
eltbildes und im Geiste des proletarischen Internatio-

alismus eine Antwort gegeben – vorgestrig, aber im-
erhin.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Es war eine Alternative!)


Das wäre eine Alternative, über die wir diskutieren
önnten.

Wir begrüßen das neue Konzept. Es ist gut, dass es
icht nur unsere Werteordnung, sondern vor allem auch
nsere Interessen benennt. Es gibt ein Spannungsfeld
wischen Werten und Interessen. Dieses Spannungsfeld
uss aufgelöst werden. Wir müssen allerdings in der
raxis kohärent agieren und dürfen hinsichtlich der
enschenrechtslage schwierige Länder nicht unter-

chiedlich – abhängig von unseren Handelsinteressen –
ehandeln. Wir können Länder, mit denen uns keine
andelsinteressen verbinden, nicht mit einer Bestra-
ngsrhetorik und mit Sanktionen belegen, während wir

ies bei anderen Ländern nicht tun. Das würde uns un-
laubwürdig und unberechenbar machen. Unsere Inte-
ssen – lassen Sie mich das noch einmal betonen – sind

atürlich auch Handelsinteressen und betreffen auch
andelswege. Deshalb sind wir am Horn von Afrika.

Wir wollen die Partner von unseren Werten überzeu-
en. So steht es im Konzept. Wir sollten unseren Part-
erländern deutlich machen, dass es auch ganz handfeste
ründe dafür gibt, diese Werte zu beachten; denn ohne
echtssicherheit und mit Behördenwillkür und Korrup-
on würde die Entwicklung des so notwendigen freien
nternehmertums in diesen Ländern – ich denke an
ussland – erstickt. Der Fall Chodorkowski ist nicht nur
eshalb so bemerkenswert, weil hier rechtsstaatliche
rundsätze verletzt werden. Er ist auch deshalb bemer-
enswert, weil er für Russland selbstschädigend ist;
enn potenzielle Investoren werden von Russland abge-
alten. Der Mittelständler aus Deutschland oder der EU,





Karl-Georg Wellmann


(A) )


)(B)

der sich fragt: „Soll ich in Russland mehrere Millionen
Euro investieren?“, sagt sich: Auch ich gerate vielleicht
eines Tages in die Mühlen dieser Willkürjustiz. – Des-
halb geht er nicht nach Russland, und deshalb ist es für
Russland selbstschädigend, so zu handeln. Diesen Dia-
log müssen wir mit unseren Partnern führen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Herr Außenminister, ich darf bei dieser Gelegenheit
darauf hinweisen, dass das Konzept richtigerweise die
Bedeutung des Austausches mit den Zivilgesellschaften
und die Förderung von Stipendien und Besuchsprogram-
men erwähnt. Da haben wir im Bereich der Visapolitik
noch ein gutes Stück zu tun.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau! In der Tat!)


Wir haben gemeinsam noch einen langen Weg vor uns,
bevor wir zu einer echten Willkommenskultur, die wir
aus Eigeninteresse bitter nötig haben, kommen.

Der Machtverlust des Westens ist erkennbar. Der Au-
ßenminister hat es schon gesagt: Als Einzelstaaten haben
wir in der globalisierten Welt kaum noch Einfluss und
spielen eine untergeordnete Rolle. – Das neue Konzept
will eine Antwort darauf geben. Das setzt natürlich eine
weitere europäische Integration voraus. Das braucht aber
nach meiner Auffassung noch mehr. Damit meine ich die
Beziehungen zu Russland. Die Bedeutung Russlands ist
uns allen bewusst. Sicherheit kann nicht gegen, sondern
nur mit Russland erreicht werden. Das gilt für Drogen-
bekämpfung, Terrorbekämpfung, für die Frage der Ver-
kehrswege und vieles mehr. Es ist evident, welche Be-
deutung die Rohstoffbasis Russland für die westlichen
Industrienationen hat.

Ich freue mich, Herr Außenminister, dass Sie an die-
ser Stelle gestern und auch heute sehr klargestellt haben,
welche Bedeutung Russland für uns hat. Wenn man das
Papier genau liest, wird man erkennen, dass die G-8-
Länder nicht von diesem Papier erfasst werden. Russ-
land gehört aber zu den G 8. Dieser Sachverhalt sollte
bei einer zukünftigen Fortschreibung des Konzepts be-
rücksichtigt werden.

Nach der Präsidentenwahl in Russland – ich glaube,
niemand erwartet eine Überraschung – sollten wir versu-
chen, mit Russland in einen neuen strategischen Dialog
zu treten und Russland und die EU enger zu verzahnen.
Ich denke dabei an eine echte Energiepartnerschaft.
Meine ganz persönliche Meinung ist, dass wir im Rah-
men einer solchen Partnerschaft nicht primär die Rolle
des politischen Oberlehrers spielen, sondern in der Tat
mehr auf den Außenminister hören sollten, der die alte
Erfahrung vom „Wandel durch Handel“ angeführt hat.

Lassen Sie mich zum Schluss, bevor hier die Atom-
müllfässer rollen, noch etwas zu Amerika sagen. Ame-
rika und wir haben eine echte Wertepartnerschaft. Eu-
ropa bzw. Westeuropa, Amerika und einige andere
Länder repräsentieren das, was wir als Westen bezeich-

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(C (D en. Nach 1945 hätte es ohne Amerika den europäischen esten vermutlich nicht mehr gegeben. Nun ist viel die ede von einer pazifischen Orientierung Amerikas. Der erteidigungsminister – der Staatssekretär ist nicht mehr a – hat in München etwas Kluges gesagt, nämlich: Lasen Sie uns nicht auf die angebliche pazifische Orientieng fixieren; denn es gibt mit Amerika hier bei uns och viel Gemeinsames zu tun. – Ich finde, die globale trategie des Konzeptes ist richtig. Es muss aber völlig nstreitig sein, dass die transatlantischen Beziehungen mer eine unverzichtbare Grundlage unserer deutschen ußenpolitik bleiben. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank, Kollege Karl-Georg Wellmann. – Liebe olleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf rucksache 17/8600 an die in der Tagesordnung aufgehrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit ein erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung o beschlossen. Wir kommen nun zum Entschließungsantrag der raktion Die Linke. Interfraktionell ist vereinbart, über en Entschließungsantrag auf Wunsch der einbringenen Fraktion abweichend von der Geschäftsordnung sort abzustimmen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich ehe, das ist mit der erforderlichen Mehrheit der Fall. ann verfahren wir so. Wir kommen also jetzt zur Abstimmung über den ntschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Druckache 17/8624. Wer stimmt dafür? – Das ist die Fraktion ie Linke. Gegenprobe! – Das ist die Koalition. Enthalngen? – Das ist die Fraktion der Sozialdemokraten und es Bündnisses 90/Die Grünen. Der Entschließungsanag ist abgelehnt. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Aber nur knapp!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715903500

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Tages-
rdnungspunkt 21 a bis c auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Dorothea Steiner, Hans-Josef Fell,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Rückholung des Atommülls aus der Asse be-
schleunigen

– Drucksache 17/8497 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl,
Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abgeord-





Vizepräsident Eduard Oswald


(A) )


)(B)

neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Beteiligung der Energiekonzerne an den Kos-
ten für das Atommülllager Asse

– Drucksachen 17/1599, 17/4487 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth
Ute Vogt
Angelika Brunkhorst
Dorothée Menzner
Sylvia Kotting-Uhl

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Sigmar Gabriel, Ute
Vogt, Heinz-Joachim Barchmann, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der SPD

Rückholung der Atommüllfässer aus der Asse II
beschleunigen

– Drucksachen 17/8351, 17/8588 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth
Ute Vogt
Angelika Brunkhorst
Dorothée Menzner
Sylvia Kotting-Uhl

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Erste Rednerin in unserer Aussprache ist für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin Frau Sylvia
Kotting-Uhl. Bitte schön, Frau Kollegin Kotting-Uhl,
Sie haben das Wort.


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715903600

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Wir reden

heute über die Entsorgungskatastrophe Asse. Ich will
nicht noch einmal die Gesamtgeschichte der Asse refe-
rieren, obwohl sie ein gutes Lehrbeispiel dafür ist, was
man mit mangelnder Sorgfalt und Transparenz bei der
Auswahl eines Standortes für die Endlagerung von
Atommüll anrichten kann.

Im Jahr 2007 habe ich hier zum ersten Mal gefordert,
den Atommüll aus der Asse zurückzuholen. Die Zustim-
mung im Haus war gering. Ein Jahr später wurden die
kontaminierten Laugen bekannt. Nach dem Optionen-
vergleich des inzwischen zuständigen Bundesamtes für
Strahlenschutz war klar, dass um der Langzeitsicherheit
willen der Müll aus der Asse raus muss. Wer sich mit der
Asse beschäftigt hat und weiß, auf welch fahrlässige
Weise welche Mengen von Atommüll dort eingelagert
wurden, dem ist klar, dass die Rückholung nicht einfach
wird. Dass man vor einer solchen Aufgabe auch ver-
zagen kann, ist für mich nachvollziehbar. Ich bin den
Verantwortlichen im Bundesamt für Strahlenschutz, im

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(C (D iedersächsischen und im Bundesumweltministerium usdrücklich dankbar, dass sie sich nach dem Hilferuf us dem BfS und dem anschließenden Workshop der achleute noch einmal klar zur Rückholung des Atomülls bekannt haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU])


Nichts anderes wäre den zukünftigen Generationen
nd um die Asse zumutbar. Die Lage erfordert ein klar

rkennbares gemeinsames Vorgehen der drei verantwort-
chen Häuser BfS, NMU und BMU. Störfeuer im Sinn
on besorgten Nachfragen kann hilfreich sein; Störfeuer
it dem Ziel der Verzögerung oder Diskreditierung han-

elnder Personen kann sich in dieser Situation niemand
isten.

Was ist zu tun? Wir brauchen Beschleunigung in der
sse, Beschleunigung bei einem Verfahren, das sowohl
em Bergrecht wie dem Atomrecht genügen muss und
as in diesem Szenario ohne Lehrbeispiele ist – Neuland.
s geht darum, ein sich potenzierendes Regelwerk auszu-
ünnen, ohne die Grundschutzstandards zu gefährden –
eder die Sicherheit der dort arbeitenden Bergleute noch
ie Langzeitsicherheit. Braucht es beispielsweise in ei-
em Salzbergwerk wirklich einen Hochglanzklinikbo-
en, um jedes beim anstehenden Öffnen einer Kammer
ventuell auslaufende Tröpfchen rückstandslos aufwi-
chen zu können?

Man kann Sicherheit, die in einem solchen Fall jahr-
ehntelanger Vernachlässigung niemals zu 100 Prozent
rreichbar ist, natürlich ohne Ende zu erhöhen versu-
hen. Der Preis ist allerdings irgendwann die Aufgabe
es höchsten Schutzziels: der Langzeitsicherheit. Der
rognostizierte Zeitraum für das Erreichen dieses höchs-
n Schutzziels, allein machbar durch die Rückholung
er 126 000 mehr oder weniger aufgelösten Fässer, um-
sst zwei bis fünf Jahrzehnte. Das ist lang, aber nicht

nmöglich.

Die Stabilität der Grube, die lange als großes Risiko
alt, ist nach Einschätzung offenbar aller Fachleute nicht
ehr das Problem. Ein spontanes Zusammenbrechen ist

chon gar nicht zu befürchten. Die Stabilität des Berg-
erks wird durch die seit Jahren durchgeführten Notfall-
aßnahmen ständig erhöht. Das eigentliche Damokles-

chwert, das seit Jahrzehnten über der Asse schwebt und
uch weiterhin dort schweben wird, ist die spontane Zu-
ahme des Wasserzutritts. Da man nicht weiß, woher die
eit vielen Jahren gleichbleibenden täglichen 12 Kubik-
eter Wasser kommen, kann es keine Prognose geben,

b und wann sich das ändert – vielleicht morgen, viel-
icht nie.

Auch für diesen Fall werden seit der Zuständigkeit
es BfS Notfallmaßnahmen ausgeführt, die die mit
tommüll gefüllten Kammern so gut wie möglich si-

hern. Diese Notfallmaßnahmen wurden von Anfang an
ls Gefahrenabwehr betrachtet und entsprechend gesetz-
ch behandelt. Um der Lage in der Asse gerecht zu wer-
en, müssen jetzt auch die Vorbereitungen zur Rück-
olung als Gefahrenabwehr betrachtet werden. Ja, auch





Sylvia Kotting-Uhl


(A) )


)(B)

die Rückholung ist Gefahrenabwehr, nicht nur Stabilisie-
rungsmaßnahmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


In der Asse ist der Eintritt der Gefahr im Grundsatz
längst realisiert. Die Situation dort bedeutet eine perma-
nente Störung des Rechtszustands.

Darüber hinaus braucht der Sonderfall Asse ein eige-
nes Regelwerk. Ein solches Regelwerk darf die Grund-
schutzstandards des Atomrechts nicht unterlaufen und
das lange unterdrückte Recht der Öffentlichkeit auf Be-
teiligung nicht beschneiden. Wenn aber selbst die Be-
gleitgruppe Asse, die die betroffene Öffentlichkeit ver-
tritt, eine Lex Asse zur Beschleunigung des Verfahrens
fordert, dann ist genau diese Begleitgruppe der richtige
Partner, um eine hinreichende Öffentlichkeitsbeteiligung
in einem beschleunigten Verfahren zu entwickeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag der
SPD, der eine dezidierte Änderung des Atomgesetzes
vorschlägt, wurde im Umweltausschuss von der Mehr-
heit abgelehnt. Wir müssen vielleicht wirklich noch
nicht beschließen, mit welchen Worten wir die Lex Asse
im Atomgesetz verankern wollen, auch wenn der Vor-
schlag der SPD klug war, wovon ich mich inzwischen
überzeugen konnte.

Heute steht der Antrag von uns Grünen zur Beratung
an. Wir fordern, der Rückholung des Atommülls durch
eine Änderung des Atomgesetzes eine höhere Priorität
beizumessen und bis zur Gültigkeit dieser Änderung alle
Maßnahmen zur Rückholung nach Gefahrenabwehr ge-
mäß Atomrecht vorzunehmen. Wir müssen uns auch
nicht auf den Wortlaut dieses Antrags einigen. Aber ich
appelliere an Sie alle, dass wir uns auf dieser Grundlage
fraktionsübergreifend verständigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es wäre die angemessene Art, mit einem falsch ausge-
wählten und fatal gescheiterten Endlager umzugehen.

Sie alle wissen: Derzeit wird ein Endlagersuchgesetz
erarbeitet. Wir wollen eine vergleichende Endlagersuche
mit dem Ziel auf den Weg bringen, den bestgeeigneten
Standort in Deutschland für die Endlagerung hochradio-
aktiven Mülls für die nächste Million Jahre zu finden.
Das ist eine Aufgabe, die, wenn sie tragfähig sein und
Regierungswechsel überstehen soll, nur im Konsens ge-
löst werden kann, weshalb man bei der Entwicklung des
Gesetzes auf alle Besorgnisse achten muss.

Lassen Sie uns mit der Erarbeitung der Lex Asse ein
Zeichen setzen, dass wir zum Konsens in Endlagerfra-
gen fähig sind. Es wäre ein Vertrauen schaffendes Zei-
chen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


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(C (D Vielen Dank, Frau Kollegin Sylvia Kotting-Uhl. – ächste Rednerin für die Fraktion der CDU/CSU ist unere Kollegin Frau Dr. Maria Flachsbarth. Bitte schön, rau Kollegin. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ußerordentlich problematische Lage im Endlager Asse ird heute von niemandem mehr infrage gestellt. In den 0erund 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts sind 26 000 Fässer mit schwachund mittelradioaktivem üll in das ehemalige Salzbergwerk eingelagert worden, hne dass heute sicher bekannt wäre, welche Nuklide in elchen Mengen verbracht wurden. Zum Teil geschah as mit der sogenannten Versturztechnik, die dazu gehrt hat, dass die Fässer beschädigt wurden und sich den Inhalt mit Salzgrus vermischt hat. Aus heutiger Sicht t das jenseits jeglichen angemessenen Umgangs mit tomaren Abfällen. Zur damaligen Zeit war es ein chritt in die richtige Richtung; denn damals war es der tand des Verfahrens, atomare Abfälle im Meer zu verenken. Über viele Jahre hinweg haben verschiedene Bundesnd Landesregierungen die Problematik in der Asse icht wahrhaben wollen. Das hat das Vertrauen der Menchen vor Ort in Politik und Wissenschaft in hohem aße gestört. Politische Schuldzuweisungen sind desalb nicht angebracht. Der sachliche Ton in der Sitzung es Umweltausschusses am vergangenen Mittwoch war ehr wohltuend. Ich erhoffe mir diesen Ton auch für die eutige Debatte. In der vergangenen Legislaturperiode hat der Bundesg die Verantwortung für die Asse auf das BfS bzw. dait auch auf das BMU übertragen. Eine Asse-Begleit ruppe und ein Koordinationskreis sind eingerichtet orden. Das BMU hat die Sanierung der Asse ganz oben uf die politische Agenda gesetzt. Die Staatssekretärin t regelmäßig vor Ort, um mit der betroffenen Bevölkeng einen vernünftigen Weg zu suchen. 2009 hat das BfS die Ergebnisse des sogenannten Oponenvergleichs Asse vorgelegt, der gezeigt hat, dass ie einzige Möglichkeit des Nachweises der Langzeiticherheit tatsächlich die Rückholung der Abfälle ist. in Gutachten von DMT und TÜV Nord hat damals beagt, dass die reine Rückholung acht Jahre dauern würde nd man mit dem Ganzen bis zum Jahre 2020 oder 2025 rtig sei. Dann hat ein Sachstandsbericht der zuständi en Abteilung des BfS aufgeschreckt, der angesichts der bergrechtlicher und atomrechtlicher Hinsicht probleatischen Situation Zweifel an der Realisierbarkeit der lanungen ausgedrückt hat. Deshalb gab es im Januar den Workshop, den Frau ollegin Kotting-Uhl eben schon angesprochen hat. Da aben 100 Expertinnen und Experten darüber gesprohen. Den Bericht, den das BfS dann erstellt hat, hat die ntsorgungskommission hinsichtlich der Möglichkeiten er Beschleunigung der Realisierung der Rückholung Dr. Maria Flachsbarth )

Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715903700

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Maria Flachsbarth (CDU):
Rede ID: ID1715903800




(A) )

ohne Abstriche bei der Sicherheit sowie der Beschleuni-
gung der Realisierung der Planung bzw. Durchführung
von Notfall- und Vorsorgemaßnahmen bewertet. BfS
und BMU haben dies am vergangenen Mittwoch im Um-
weltausschuss umfangreich vorgetragen. Diese Ergeb-
nisse – so bin ich überzeugt – bieten nun ein realistische-
res Bild für dieses weltweit beispiellose Vorhaben, ein
Endlager zu räumen.

Die gute Nachricht ist: Das Bergwerk ist nicht akut
einsturzgefährdet. Aber es besteht jederzeit das Risiko
eines unkontrollierten Laugeneinbruchs. Die Zeitdauer
der Rückholung war viel zu optimistisch geschätzt: Es
wird mehrere Jahrzehnte dauern, vermutlich 35 bis
40 Jahre. Weil es noch so lange dauert, ist es jetzt not-
wendig, die Notfall- und Vorsorgemaßnahmen zu forcie-
ren. Nach Einschätzung der ESK und des BfS stehen die
Notfallmaßnahmen erst ab 2016, die Vorsorgemaßnah-
men erst ab 2019 vollständig zur Verfügung. Das muss
aber jetzt forciert werden.

Außerdem muss das Bergwerk, bei dem man eigent-
lich vorhatte, es bis zum Jahr 2015 aufzugeben, umfang-
reich saniert und modernisiert werden: Die Schächte
müssen modernisiert und saniert werden. Es muss ein
neuer Schacht gebaut werden, um die Rückholung über-
haupt zu ermöglichen. Es muss neue Infrastrukturräume
geben; alte müssen aufgegeben werden, weil der Berg
dort drückt bzw. weil sie verfüllt werden müssen; denn
die Stabilisierung des Berges steht im Vordergrund.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der technische Ab-
lauf der Sanierung gliedert sich in drei, eigentlich in fünf
Schritte: die Bergung der Abfälle, der Transport der Ab-
fälle, die Pufferlagerung und Konditionierung, später die
Zwischenlagerung, anschließend die Endlagerung. Es
handelt sich also tatsächlich um ein riesiges Projekt; ich
glaube, das steht außer Frage.

Die ESK führt aus, dass es bislang für keinen dieser
Schritte eine antragsfähige Planung gebe. Die Planung
ist im Moment die vordringliche Aufgabe des BfS. Doch
zunächst ist eine Faktenerhebung notwendig, das heißt
das Anbohren von ausgewählten Einlagerungskammern
sowie deren Öffnung und testweise Bergung, einfach um
zu wissen, womit man eigentlich umgeht.

Den Gesprächen, die wir als Ausschuss bei unserem
Besuch im September in der Asse, aber auch am vergan-
ge
Angelika Brunkhorst (FDP):
Rede ID: ID1715903900
Die Men-
schen sind ungeduldig. Sie wollen, dass endlich etwas
passiert, sie wollen, dass es endlich Fortschritte gibt, und
sie haben Sorge, dass das Verfahren verzögert werden
könnte. Das BfS konnte diese Bedenken ausweislich des
Berichtes der ESK aber nicht bestätigen. Auch Präsident
König hat am Mittwoch im Umweltausschuss bestätigt,
dass die Genehmigung, gemessen am Umfang des Pro-
jektes, auch durch das niedersächsische Umweltministe-
rium zügig erfolgt sei.

Dennoch begrüße ich für meine Fraktion ausdrück-
lich, dass auf Initiative des BMU ab sofort zu einer re-
gelmäßigen Gesprächsrunde eingeladen werden soll, der

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(C (D er Landrat des Landkreises Wolfenbüttel, die beiden taatssekretärinnen aus BMU und NMU sowie der Präident des BfS angehören sollen, um Reibungsverluste wischen den beteiligten Institutionen zu vermeiden und ragmatische Entscheidungen auf dem kurzen Diensteg treffen zu können. Ich freue mich sehr, dass der eue niedersächsische Umweltminister Birkner die Saierung der Asse ganz oben auf seine politische Agenda esetzt hat und auch heute bei dieser Debatte das Wort rgreifen wird. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bei allem Wunsch nach Beschleunigung gibt es den
onsens unter allen Beteiligten, dass es auf gar keinen
all Abstriche bei der Sicherheit geben darf, weder für
ie Anwohner noch für die Mitarbeiter noch für die Um-
elt. Dieses darf selbstverständlich auch nicht im Rah-
en der Gefahrenabwehr stattfinden. Wir haben im Aus-

chuss gehört: Auch wenn man das ganze Verfahren im
ahmen der Gefahrenabwehr betreiben würde, wäre
aglich, ob es dadurch tatsächlich zu einer wesentlichen
eschleunigung kommen könnte.

Das BfS hat uns immer wieder mitgeteilt, dass es zur
aktenerhebung nötig ist, dass die Kammern geöffnet
erden. Das große Risiko ist, dass es gerade in diesem
eitraum, in dem die Kammern geöffnet worden sind, zu
inem unkontrollierbaren Wassereinbruch kommen
önnte. Was soll dann geschehen? Wie soll man mit die-
em Risiko umgehen? Ehrlich gesagt: Auf diese Fragen
abe auch ich keine Antwort. Ich will damit nur deutlich
achen, dass es nicht etwa so lange dauert, Lösungen zu
nden, weil man etwas verzögern will, sondern weil die
robleme tatsächlich riesengroß sind. Der vorliegende
SK-Bericht spricht diese Fragen mit schonungsloser
ffenheit an. Das ist ein richtiger Schritt in die richtige
ichtung.

Die ESK rät zudem ganz konkret, für die Beschleuni-
ung des Verfahrens seien die Einrichtung einer leis-
ngsstärkeren Elektroversorgung, die Vereinfachung im
eschaffungswesen durch Verzicht auf umfangreiche
usschreibungen und zusätzliches Personal erforderlich.
h bitte insbesondere unsere Haushälter, diese Bitte
ohlwollend zu prüfen. Ob allerdings die Änderung von
57 b des Atomgesetzes, der in der letzten Legislatur-
eriode unter der Federführung des damaligen Umwelt-
inisters Sigmar Gabriel in das Atomgesetz eingefügt
urde, wirklich hilft, ist aus meiner Sicht vor dem Hin-
rgrund der nicht anzutastenden Sicherheitsstandards

umindest fraglich.

Zum Schluss möchte ich noch auf den zweiten Antrag
er Grünen eingehen, in dem gefordert wird, die Ener-
iekonzerne an der Sanierung der Asse zu beteiligen.
as ist längst umgesetzt. Das stand auch im Koalitions-
ertrag zwischen CDU, CSU und FDP. In der Begrün-
ung des Kernbrennstoffsteuergesetzes ist explizit nach-
ulesen, dass die Einkünfte aus dieser Steuer auch für
ie Stilllegung verwendet werden sollen.

Ich habe den Eindruck, dass sich alle Beteiligten der
esigen Dimension dieses Projektes bewusst sind und





Dr. Maria Flachsbarth


(A) )


)(B)

die Problematik lösen wollen, und zwar durch Rückho-
lung der Abfälle aus der Asse. Ich sage klar: Endlich!
Gut, dass wir so weit sind. Die Menschen in der Region
haben einen Anspruch darauf, dass man ihre Sorgen
ernst nimmt und so zügig wie nur eben möglich unter
Berücksichtigung der Sicherheitsstandards angemessen
handelt.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715904000

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Flachsbarth. – Nächs-

ter Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist un-
ser Kollege Dr. Matthias Miersch. Bitte schön, Kollege
Dr. Miersch.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Matthias Miersch (SPD):
Rede ID: ID1715904100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Kollegin Flachsbarth, die Fakten, die Sie hier vor-
getragen haben, kennen wir alle, sowohl wir hier als
auch die Menschen, die von der Asse unmittelbar be-
troffen sind. Die entscheidende Frage ist doch: Wie ver-
hindern wir die Tatenlosigkeit und die organisierte
Unverantwortlichkeit, die wir die letzten zwei Jahre be-
obachten konnten?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


SPD und Grüne haben Ihnen in ihren Anträgen Vor-
schläge unterbreitet. In den letzten Wochen haben wir
aber in keiner Weise feststellen können, dass man sich
dezidiert mit diesen Vorschlägen auseinandersetzt. Es ist
symptomatisch, dass der Bundesumweltminister auf ei-
ner hinteren Bank Platz genommen hat und dieser De-
batte nur indirekt folgt. Er hat es auch in den vergange-
nen Sitzungen des Umweltausschusses nicht für nötig
gehalten, sich bei diesem Thema in irgendeiner Form
einzubringen. Ja, er hat es in den Jahren seiner Amtszeit
nicht einmal für nötig gehalten, sich die Situation vor
Ort anzuschauen. Wenn er einmal in den Schacht einge-
fahren wäre, hätte er vielleicht eine andere Motivation,
dieser Debatte zu folgen.


(Beifall bei der SPD)


Ich glaube, den Menschen ist mit salbungsvollen
Worten von uns nicht geholfen. Die Leute vor Ort ver-
langen von uns, dass wir ein Instrumentarium bereitstel-
len, das diesen Herausforderungen, die sicherlich einma-
lig sind, gerecht wird. Lieber Herr Birkner, ich finde,
dass das, was Sie angekündigt haben, in die richtige
Richtung geht. Sie verlassen damit den unseligen Pfad
Ihres Vorgängers, Heinrich Sander, der durch Tatenlosig-
keit geglänzt und das Thema Asse immer beiseitege-
schoben hat. Sie haben unsere Unterstützung, wenn Sie
es ernst meinen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Bei unzähligen Besuchen vor Ort, aber auch in den ebatten im Umweltausschuss wurde deutlich, was wir rauchen: ein klares Bekenntnis der Hausspitzen des undesumweltministeriums und des niedersächsischen mweltministeriums. Man darf die Beamten nicht im egen stehen lassen und ihnen – voller Sorge – Genehigungsverfahren auferlegen und sie Tausende von Sein schreiben lassen. Es kann nicht sein, dass monateng darüber philosophiert wird, welche Fliesen an einer ohrstelle angebracht werden müssen, mit der man fest tellen will, in welchem Zustand die Fässer sind. Diese eispiele sind mehrere Monate alt, aber es gibt bei die er Bundesregierung null Bewegung, um endlich den geetzlichen Rahmen anzupassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Meierhofer, ich glaube, wir kommen so nicht
eiter. Sie sagen, dass das, was wir hier vorlegen, nicht
eiterführt, aber dabei bleiben Sie stehen; Sie unterbrei-
n keinen einzigen Gegenvorschlag. Sie unterbreiten
einen einzigen Kompromissvorschlag. Sie machen Fol-
endes – das ist der Hauptvorwurf, den ich auch dem
undesumweltminister mache –: In der ersten Sitzung
es Umweltausschusses in diesem Jahr ließen Sie Abtei-
ngsleiter Hennenhöfer, den Cheflobbyisten der Atom-
dustrie a. D., eine Hasstirade auf das Bundesamt für
trahlenschutz halten. Das ist kein Weg, um eine Lösung
r die Asse zu finden. Das ist kein Weg der Verantwor-
ngsübernahme.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen brauchen wir tatsächlich so etwas wie eine
askforce. Die Hausspitzen müssen Verantwortung über-
ehmen.


(Dr. Michael Paul [CDU/CSU]: Organisierte Unverantwortlichkeit!)


Genau die haben wir, Herr Paul. Diese organisierte Un-
erantwortlichkeit könnten Sie heute beenden, wenn Sie
nserem Antrag zustimmen würden.


(Beifall bei der SPD)


as wir brauchen, ist Verantwortungsübernahme und
ein Herumlavieren und kein Abschieben von Verant-
ortlichkeiten.


(Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Das passiert doch gar nicht!)


Wir sehen, dass das bisherige Genehmigungsrecht
icht den Beschleunigungseffekt hat, den wir brauchen.
uf Gefahrenabwehr kann man bestimmt einiges stüt-

en, liebe Kollegin Flachsbarth, aber das reicht nicht.
eswegen schlagen wir vor, § 57 b des Atomgesetzes zu
erändern. Wenn Sie eine Alternative haben, bringen Sie
ie ein! Frau Staatssekretärin Reiche hat vor zweieinhalb
ochen im Umweltausschuss gesagt, dass uns in dieser
oche ein dezidierter Gesetzentwurf der Bundesregie-
ng vorgelegt wird. Was haben wir? Nichts. Wir haben

ichts! Das wird der Situation in der Asse nicht gerecht.
sofern: Bitte überlegen Sie noch einmal, ob Sie unsere





Dr. Matthias Miersch


(A) )


)(B)

Anträge hier einfach abbürsten oder endlich in die Pötte
kommen wollen. Die Leute in bzw. an der Asse haben es
verdient.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1715904200

Vielen Dank, Kollege Dr. Matthias Miersch. – Nächs-

ter Redner in unserer Aussprache ist der Minister für
Umwelt des Landes Niedersachsen, Dr. Stefan Birkner.
Bitte schön, Herr Minister Dr. Stefan Birkner.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1715904300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Als niedersächsischer Minister für Umwelt, Energie
und Klimaschutz freue ich mich darüber, hier heute zu
diesem Thema sprechen zu können.

Die sichere Stilllegung der Schachtanlage Asse II ist
aus niedersächsischer Sicht eine der größten Herausfor-
derungen in der Umweltpolitik. Dabei geht es darum, die
Folgen von Fehlern und Versäumnissen der Vergangen-
heit zu beheben und daraus die notwendigen Lehren zu
ziehen. Die sichere Stilllegung – ein technisch einmali-
ges und komplexes Projekt – kann nur gelingen, wenn
alle Beteiligten an einem Strang ziehen, und zwar in die-
selbe Richtung. Die notwendige Akzeptanz bei den
Menschen in der Region wird nur durch Aufrichtigkeit,
echte Beteiligungsmöglichkeiten und Transparenz er-
reicht werden können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Auftrag des Atomgesetzes ist eindeutig: Die Asse
ist unverzüglich stillzulegen. Der für die Stilllegung von
Endlagern zuständige Bund war und ist folglich zum un-
verzüglichen Handeln aufgefordert.

Das Bundesamt für Strahlenschutz – wir haben es
heute schon gehört – hatte vor zwei Jahren als Ergebnis
des sogenannten Optionenvergleichs erklärt, dass die
Rückholung der radioaktiven Abfälle gegenüber einer
Umlagerung oder Vollverfüllung als anderer Variante als
die langfristig sicherste Option für die Stilllegung der
Schachtanlage Asse II gilt. Es hatte aber zugleich betont,
dass die Durchführbarkeit der Rückholung aufgrund von
Unwägbarkeiten zunächst im Rahmen einer sogenannten
Faktenerhebung geprüft werden müsse.

Um die grundlegende Haltung Niedersachsens vor
diesem Hohen Haus zum Ausdruck zu bringen: Die Lan-
desregierung verfolgt das Ziel der Rückholung aller Ab-
fälle aus der Asse.


(Beifall im ganzen Hause)


Ob und inwieweit dies tatsächlich möglich ist, muss
schnellstmöglich geklärt werden. Dabei wird es neben
den technischen Fragestellungen insbesondere darauf

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(C (D nkommen, dass die Rückholung für die Bevölkerung ie auch für die Beschäftigten aus radiologischen und nderen sicherheitsrelevanten Gründen vertretbar ist. ie Niedersächsische Landesregierung wird auch weirhin alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten utzen, um die Rückholung voranzubringen und die Kläng offener Fragen zu beschleunigen. Wir werden weirhin in fachlich fundierter Abstimmung mit den zu tändigen Bundesbehörden konstruktiv und zielorientiert usammenarbeiten. Mit dem Betreiberwechsel der Asse hin zum Bundesmt für Strahlenschutz im Jahre 2009 wurde zugleich der ier schon erwähnte sogenannte Asse-Paragraf in das tomgesetz eingebracht. Seitdem steht die Asse nicht ehr unter Bergrecht, sondern unter Atomrecht und ird somit wie eine kerntechnische Anlage behandelt, lso wie ein Kernkraftwerk. Dies war damals die geeinsam getragene Konsequenz aus den festgestellten issständen in der Anlage. In den letzten beiden Jahren hat mein Haus, also das iedersächsische Umweltministerium, als zuständige ehörde verschiedene Genehmigungen nach Atomund trahlenschutzrecht aufgrund dieser neuen Grundlage r die Asse erteilt. Besonders hinweisen möchte ich da ei auf die Genehmigung für den ersten und wesentlihen Schritt der sogenannten Faktenerhebung. Das hierei anstehende Anbohren von mit radioaktiven Abfällen efüllten Kammern, die auch Kernbrennstoffe enthalten önnen, ist zweifelsohne technisch sehr komplex und aher genehmigungsrechtlich anspruchsvoll. Trotzdem t es uns gelungen, die Genehmigung in einer Rekordeit von weniger als einem halben Jahr – was für ein tomrechtliches Verfahren sehr schnell ist – zu erteilen. abei haben wir immer im Auge gehabt, dass in der sse kein neues Endlager gebaut wird, sondern dass es ich um eine bestehende Anlage handelt, die unter ganz nderen Rahmenbedingungen entstanden ist. Aus rechtcher Sicht sind damit seit der Erteilung der Genehmiung im April 2011 alle Voraussetzungen für das Anbohn der ersten Kammer gegeben. Nichtsdestotrotz bin ich der Überzeugung, dass eine eschleunigung der Abläufe im Stilllegungsverfahren ezüglich der Asse dringend geboten und auch möglich t. Die Rückholung wird nicht gelingen, wenn das biserige Tempo beibehalten wird, umal die Standfestigkeit des Grubengebäudes und sbesondere die hier bereits genannte Gefahr eines un ontrollierten Laugenzuflusses zeitlich begrenzende aktoren sind. Aus diesem Grund müssen wir alle Bechleunigungsmöglichkeiten konsequent nutzen. Bezüglich der Faktenerhebung ist die Arbeit bei uns unächst einmal getan. Wir haben, wie bereits gesagt, ie genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen geschafn. Alles Weitere liegt nun beim Betreiber der Asse, obei wir aus niedersächsischer Sicht deutlich machen wir verstehen uns selbstverständlich als Anwalt der enschen in der Region –, dass wir nun endlich Taten Minister Dr. Stefan Birkner )


(Beifall bei der FDP)





(A) )

sehen wollen, dass es mit der Faktenerhebung vorange-
hen muss.

Es gibt neben den Genehmigungsverfahren, die mög-
lichst zu beschleunigen sind, weitere Aspekte, bei denen
eine Beschleunigung möglich ist. Wir haben als Nieder-
sächsische Landesregierung ein spezielles „Asse-Ge-
setz“ vorgeschlagen, um auch in materiell-rechtlicher
Hinsicht Beschleunigungen zu bewirken. Im Atomge-
setz sollte zum Beispiel klargestellt werden, dass die
Rückholung der Fässer von der atomrechtlichen Plan-
feststellungspflicht ausgenommen wird. Damit würde
sichergestellt, dass das notwendige Abteufen eines
Schachtes und die Einrichtung von Infrastrukturberei-
chen bergrechtlich genehmigt werden können und nicht
ein atomrechtliches Planfeststellungsverfahren durchlau-
fen müssen. Außerdem müssen wir Voraussetzungen
schaffen, dass bereits vor Genehmigungserteilung mit
der Ausführung der genehmigungsbedürftigen Maßnah-
men begonnen werden kann, wenn mit einer Entschei-
dung zugunsten des Antragstellers zu rechnen ist. Damit
würden wir eine Parallelisierung von Genehmigungsver-
fahren und Ausführung erreichen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Auch die Ausschreibungsbedürftigkeit und die Aus-
schreibungsfristen müssen unter dem Gesichtspunkt der
Beschleunigung hinterfragt werden. Schließlich ist zu
klären, ob und inwieweit es unter Wahrung des Schutzes
der Bevölkerung und der Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter über und unter Tage – das ist selbstverständlich – ver-
tretbar ist, auf Anforderungen des Atomrechts, die für
Kernkraftwerke gelten, aber in der Asse möglicherweise
nicht notwendig sind, zu verzichten.

Es ist erforderlich, dass die Politik hier Verantwor-
tung übernimmt und diese nicht auf die Verwaltung ver-
lagert. Deshalb wollen wir erreichen, dass eine entspre-
chende gesetzliche Änderung vorgenommen wird.

Ich danke Herrn Bundesminister Dr. Röttgen aus-
drücklich dafür, dass er unsere Anregung aufgenommen
hat, eine Lenkungsgruppe auf Leitungsebene einzurich-
ten, was konkret zu einer Beschleunigung führen kann,
indem Abstimmungsprobleme gelöst werden und im
Hause deutlich gemacht wird, dass dieses Thema hohe
Priorität hat und man hier vorankommen muss.

Lassen Sie mich noch kurz etwas zu der Forderung
sagen, in der Asse nach Gefahrenabwehrrecht vorzuge-
hen. Wir glauben nicht, dass so eine entscheidende Be-
schleunigung erreicht werden kann; denn auch im Ge-
fahrenabwehrrecht müssen die materiell-rechtlichen
Voraussetzungen eingehalten werden. Auch hier sind die
entsprechenden Unterlagen vorzulegen und die entspre-
chenden Gutachten und Prüfungen vorzunehmen. Des-
halb denken wir, dass dies nicht der richtige Weg ist, um
Beschleunigung zu erreichen.

Die Landesregierung vertritt die Interessen der Men-
schen in der Region. Wir wollen, dass die Abfälle aus
der Asse herauskommen. Wir werden alles daransetzen,
schnellstmöglich Klarheit darüber zu erlangen, ob und
inwieweit dies tatsächlich möglich ist. Wir erwarten aber

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(C (D uch, dass auch alle anderen Beteiligten alles daranseten, diese Klärung herbeizuführen und alle Beschleuniungspotenziale konsequent zu nutzen. Bei allen Schritten, die wir gehen, ist es unabdingbar, in Höchstmaß an Transparenz und Beteiligung sicherustellen. Nur so kann vor Ort das notwendige Vertrauen Politik und Verwaltung wiederhergestellt werden. ierbei kommt der Asse-II-Begleitgruppe unter der Leing des Landrates Herrn Röhmann große Bedeutung zu, erade wenn es um die Abwägung zwischen Beschleuniung und öffentlicher Beteiligung geht. Von diesem Proess können wir, wie ich meine, auch für das Endlageruchgesetz lernen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715904400

Das Wort hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter für

ie Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715904500

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsi-

entin! Ich habe das Geschenk, das ich im Umweltaus-
chuss dabei hatte, auch jetzt mitgebracht. Dieses Ge-
chenk haben uns Bürgerinitiativen im September
tzten Jahres, als wir bei der Asse waren, gegeben. Es
andelt sich um Asse-Wasser; dies ist natürlich nur sym-
olisch. Ich lese Ihnen einmal vor, was auf der Wasser-
asche steht: Strahlendes Wasser aus der Region für die
egion. Nach Flutung des Atommülllagers Asse II bald
uch in Ihren Gewässern. Inhalt: Radioaktivität aus
ernkraftwerksanlagen von Eon, RWE, EnBW und
attenfall 67 Prozent, aus Kernforschung 23 Prozent,
us kerntechnischer Industrie 8 Prozent, sonstiger Strah-
ngsmüll 2 Prozent.


(Zuruf von der FDP: Stellen Sie es schnell weg!)


ies zeigt, welche Probleme die Menschen vor Ort ha-
en und welche Ängste sie plagen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In der Asse lagern 126 000 Fässer Atommüll, davon
293 Fässer mittelradioaktiver Müll – er stammt größ-
nteils aus der Wiederaufarbeitung in Karlsruhe – mit
sgesamt 28 Kilo Plutonium, 102 Tonnen Uran, 87 Ton-

en Thorium und circa 500 Kilo Arsen, nicht zu verges-
en die Leichenteile der zwei Mitarbeiter, die damals bei
em Unfall in Gundremmingen gestorben sind. Hinzu
ommen 14 000 undeklarierte Fässer. Der Müll stammt
um Teil aus illegaler Einlagerung durch die AKW-Be-
eiber.

Was heißt das für uns? Natürlich müssen wir handeln;
as haben wir gehört. Aber ich sage es noch einmal:





Eva Bulling-Schröter


(A) )



(B)

Atomkraft ist nicht beherrschbar. Dieser Müll wird kom-
menden Generationen vor die Füße fallen, und natürlich
haben sie auch die Kosten zu tragen.

Spätestens seit 1993, also seit fast 20 Jahren, ist be-
kannt, dass es in der Asse zu Gebirgsbewegungen und
Laugenzuflüssen kommt. Ich wiederhole: seit fast
20 Jahren! Erst 2008 wurde dem Helmholtz-Zentrum die
Zuständigkeit entzogen, und es wurde durch das BfS er-
setzt. Jetzt findet ein Optionenvergleich statt: Vollverfül-
lung und alle Fässer in der Asse belassen oder Rückho-
lung. Die Mehrheit ist für eine Rückholung. Die
Menschen vor Ort wünschen sich eine Rückholung; sie
sehen keine andere Chance. Sie sagen uns aber auch
– am Montag waren die Bürgerinitiativen hier in Berlin –,
dass sie zurzeit den Eindruck haben, dass die Arbeiten
zur Grubensicherung und zur Vorbereitung auf Notfall-
maßnahmen – dass das Ganze also geflutet wird – Priori-
tät haben. Es ist Ihre Aufgabe, ihnen zu sagen: Nein,
dem ist nicht so. – Wenn man sich den Bundeshaushalt
anschaut, dann stellt man fest, dass der größte Teil der
Mittel für die Notfallvorsorge und nicht für die Vorberei-
tung auf die Rückholung zur Verfügung gestellt wird.
Daran müssen Sie natürlich etwas ändern, wenn Sie Ver-
trauen schaffen wollen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir brauchen hier eine Chefsache, die da heißt: Mis-
sion Rückholung und Vertrauen schaffen. Wir brauchen
eine Chefsache von Umweltminister Röttgen, aber auch
von Frau Merkel.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Chef spricht gerade!)


– Der Chef spricht gerade. Er hört nicht zu.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das macht er immer demonstrativ, wenn die Opposition spricht! Er hatte keine Kinderstube! – Frank Schwabe [SPD]: Der Chef ist desinteressiert!)


Die Menschen vor Ort haben das Gefühl, dass es zu
Verzögerungen kommt. Man glaubt, dass diese Verzöge-
rungen entstehen, weil es kein konkretes Konzept für die
Rückholung gibt. Sie sagen uns, Mitarbeiter in den zu-
ständigen Ministerien nutzten den Dienstweg bei Anfra-
gen und Genehmigungsverfahren in der ganzen zeitli-
chen Länge aus, weil sich keiner aus dem Fenster lehnen
will. Hinzu kommt, dass die Landessammelstelle in Nie-
dersachsen das Wasser aus der Asse nicht mehr an-
nimmt, wie wir am Mittwoch im Umweltausschuss ge-
hört haben. So viel zum Thema Verantwortung.

Es gibt also viele verschiedene Aspekte. Wir brau-
chen ein Asse-Begleitgesetz; den entsprechenden Anträ-
gen werden wir zustimmen. Wir brauchen eine Lex
Asse. Die Asse ist ein Sonderfall. Hier müssen wir neu
lernen. Wir sind der Meinung, dass dieses Thema atom-
rechtlich behandelt werden sollte.

Es gibt viele Forderungen kluger Menschen vor Ort.
So hat zum Beispiel die Asse-Begleitgruppe deutlich ge-
macht: Dieses Thema muss ganz oben auf die Tagesord-
nung. Die Schutzziele im Hinblick auf Bevölkerung und

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(C (D itarbeiter dürfen nicht abgesenkt werden. Wir brauhen eine Personalaufstockung, weil Strahlung vorhanen ist und die Menschen nicht so lange in der Asse bleien dürfen. Eine Aufstockung kostet natürlich Geld. arüber hinaus muss es sich um vernünftige Arbeitslätze handeln. Es dürfen keine Leiharbeiter eingesetzt erden. Natürlich brauchen wir auch ein Projektmaagement. Das ist in den Amtsstuben vielleicht noch icht ganz durchgedrungen; aber ich denke, hier kann an von der Industrie lernen. Außerdem brauchen wir echtssicherheit für die Mitarbeiter, wenn es um die utzung von Ermessensspielräumen geht; hier ist die Siation nicht ganz klar. Ich sage Ihnen, was die Bürgerinitiativen fordern. Beusste Verzögerungen bei der Rückholung sollen zum trafrechtlich relevanten Tatbestand der Unterlassung erlärt werden. Den Bürgerinitiativen ist es also wirklich ehr ernst. Sie fordern auch, unverzüglich Bergtechnik nzuschaffen. Gibt es ein Problem mit der Ausschreiung, wird es, wie ich denke, einige Möglichkeiten geen, es zu lösen. Ich denke, vor uns liegen große Aufgaben. In der sse lagern 100 000 Kubikmeter eingelagerter Stoffe. ir wissen nicht, in welchem Zustand sie sich befinden. h nenne Ihnen zum Vergleich eine Zahl: Wenn alle KW abgeschaltet sind, werden es – und zwar die gan en Fässer, der ganze Atommüll, der ganze Schrott – 80 000 Kubikmeter sein. Große Aufgaben kommen auf uns zu. Die Menschen or Ort erwarten, dass wir sie lösen. Diese Erwartung ollten wir alle erfüllen. Dabei sind in erster Linie Sie on der Koalition gefragt – Chefsache. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715904600

Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin

rsula Heinen-Esser.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Urs
Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1715904700

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

gen! Lassen Sie mich eines vorausschicken, weil es ein
tück weit Irritationen und Diskussionen gegeben hat,
uch nach dem Vermerk des Bundesamts für Strahlen-
chutz: Für uns – das ist die Haltung des Bundesumwelt-
inisters – hat die Rückholung der radioaktiven Abfälle

us der Asse oberste Priorität. Wir haben uns dazu mehr-
ch positioniert. Ich sage das hier noch einmal klipp

nd klar im Deutschen Bundestag.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ber so einfach, wie sich das anhört, ist die Sache eben
icht. Die Wege, wie wir das bewerkstelligen können,
üssen sehr sorgfältig ausgelotet werden. Ich glaube,

ber eines sind wir uns hier auch einig, nämlich dass es
)





Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser


(A) )


)(B)

keinerlei Abstriche an den materiellen Anforderungen
des Strahlenschutzes und der Arbeitssicherheit geben
darf. Das haben alle Rednerinnen und Redner vor mir
deutlich gesagt.

Vorrangig geht es jetzt um drei Dinge. Es geht zum
Ersten darum, die Grube selbst zu sichern, damit wir
zum Zweiten die Faktenerhebung weiter durchführen
und sehen können, was sich tatsächlich hinter den Kam-
mern – wir haben zwei Kammern ausgewählt – verbirgt,
und es geht zum Dritten darum, die Rückholung vor-
zubereiten. Dazu gehört – ich komme gleich darauf zu
sprechen –, beispielsweise den Schacht 5 zu bauen oder
ein Zwischenlager zu planen, was heute Nachmittag in
der Asse-Begleitgruppe besprochen wird. Erst dann kann
endgültig gesagt werden, wie wir das alles managen wer-
den.

Die Stabilitätsprobleme des alten Grubengebäudes,
eingeschränkte Betriebsmöglichkeiten, die Vielzahl der
technischen Herausforderungen und die ständige Gefahr
– Frau Kotting-Uhl und Maria Flachsbarth hatten schon
darauf hingewiesen – eines unbeherrschbaren Laugenzu-
tritts sind wesentliche Gründe für die aktuellen Verzöge-
rungen, die wir zu benennen haben.

Im Augenblick ist es nicht so, dass uns die rechtliche
Situation behindert hätte. Wir haben in einem relativ zü-
gigen Verfahren unter Beteiligung des Bundesamtes für
Strahlenschutz und des Landes Niedersachsen die Ge-
nehmigung für den ersten Schritt erreicht, die Fakten-
erhebung. Es sind aber Auflagen erteilt worden – die
eine oder andere ist schon aufgezählt worden –, die im
praktischen Prozess sehr schwer zu erfüllen sind. Weil
sie so schwer zu erfüllen sind, bedeutet das in der Tat,
dass wir für die weiteren Schritte der Faktenerhebung,
aber auch für die Rückholung darauf hinwirken müssen,
dass wir noch andere Instrumente, rechtliche Instru-
mente, an die Hand bekommen, mit denen wir diese Pro-
bleme lösen können.

Vielleicht ist es eine Lösung, die Rückholung nicht an
eine Planfeststellung zu binden. Einen solchen Passus
können wir in das Atomgesetz einfügen, um ein schnel-
leres Verfahren zu gewährleisten. Das ist ein Vorschlag,
den wir unterbreiten werden. Ich gebe dabei aber zwei
Dinge zu bedenken und komme damit zu einem Vor-
schlag, den die Grünen in ihrem Antrag formuliert ha-
ben. Es handelt sich um die Öffentlichkeitsbeteiligung.
Wir sind uns, glaube ich, alle darüber einig, dass wir
exzellente Erfahrungen mit der Asse-Begleitgruppe ge-
macht haben und dass wir die Öffentlichkeit auch weiter
so intensiv bei allen Schritten beteiligen wollen, wie wir
es bisher getan haben. Der zweite Punkt, der eine Rolle
spielt, ist – das habe ich vorhin schon gesagt –, dass es
nicht zu einer Absenkung der Standards kommen darf.
Das klingt ein bisschen, wenn ich es salopp ausdrücken
darf, wie die Quadratur des Kreises. Wir werden auch
noch sehr viel Arbeit darauf verwenden müssen, dies
rechtlich so zu fassen, dass alles abgewickelt werden
kann.

Wir wollen mit dem niedersächsischen Umweltminis-
terium und mit dem Bundesamt für Strahlenschutz sowie
– das sage ich explizit – mit allen Fraktionen bespre-

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(C (D hen, wie wir das Problem rechtlich lösen können. Das abe ich auch im Ausschuss angekündigt. Sie haben uns Ihren Anträgen schon Hinweise gegeben. Dabei öchte ich Folgendes zu der Forderung zu bedenken ge en, die in Ihrem Antrag, Frau Kotting-Uhl, steht, nämch alle Arbeiten und Maßnahmen zur Rückholung urch Gefahrenabwehr gemäß dem Atomrecht vorzuehmen: Das kann man machen; aber wir müssen natürch sehen, dass dann ein Mitspieler außen vor wäre, ämlich das niedersächsische Umweltministerium, das ir hier gerne mit im Boot hätten, weil es als oberste ufsichtsbehörde über viel mehr praktische Expertise erfügt als wir und eher sagen kann, ob der eingeschlaene Weg richtig ist oder nicht. Ein weiterer Punkt bei er Gefahrenabwehr – das wissen wir alle; ich habe es orhin schon gesagt – ist die öffentliche Beteiligung. as alles kann man natürlich über ein Sondergesetz Asse geln, und das werden wir auch tun. Darüber hinaus müssen wir die Planungen für die ückholung schnell vorantreiben; da haben Sie recht. ir stehen kurz vor dem ersten Schritt der Faktenerhe ung, nämlich der Anbohrung der Kammern. Wir brauhen aber auch die Schritte zwei und drei. Das heißt, wir üssen die Kammern öffnen und exemplarisch Abfall erausholen, um festlegen zu können, mit welchem Verhren wir die Rückholung bewerkstelligen. Das sind im brigen Schritte, für die nach Aussage des Bundesamtes r Strahlenschutz – das kann man hier offen sagen –, as jetzige Rechtsregime nicht ausreicht. Wir brauchen r diese beiden Schritte vermutlich eine entsprechende nderung der Gesetze, die wir jetzt erarbeiten werden. So viel vielleicht noch kurz zur Technik: Die Rückolung der Abfälle unter alleiniger Nutzung der vorhanenen Bergwerksanlagen ist schlicht nicht möglich. Der chacht ist über 100 Jahre alt; wir benötigen einen neuen chacht. Diesen Schacht – das ist eine Überlegung – önnten wir nach Bergrecht bauen; wir könnten damit umindest auf der Grundlage des Bergrechts beginnen. is zur Rückholung dauert es ohnehin noch eine gewisse eit. Ich glaube, das ist ein Vorschlag, Herr Dr. Birkner, er aus Niedersachsen gekommen ist. Wenn wir uns dauf einigen können, dann glaube ich, dass wir einen roßen Schritt weiterkommen. Als zuständiger Abgeordneter weiß Herr Gabriel, ass die eigentliche Herausforderung noch vor ihm steht, ämlich der Bau eines großen Zwischenlagers in der Reion, das mehrere Fußballfelder groß sein wird. Wir rauchen dort eine große Konditionierungsanlage, weil ir unter Tage nicht in der Lage sind, den Abfall zu konitionieren; wir wissen auch nicht, in welchem Zustand r ist und ob er überhaupt noch in den Fässern ist. Wir ind zurzeit dabei, dieses Zwischenlager zu planen. enn ich richtig informiert bin, werden heute Nachmitg die ersten Vorstellungen veröffentlicht und in der sse-Begleitgruppe diskutiert. Darüber hinaus benötigen wir – auch das dürfen wir icht unterschätzen – Stabilisierungsmaßnahmen. Wir önnen keinen Mitarbeiter hinunterschicken, um Abfälle erauszuholen, ohne Stabilisierungsmaßnahmen, Vororgemaßnahmen und Notfallmaßnahmen getroffen zu Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser )





(A) )

haben. Ich bitte alle darum, für diese Maßnahmen zu
werben, um eine gute und sichere Rückholung vorzube-
reiten.

In diesem Sinne lade ich Sie zu weiteren Diskussio-
nen ein. In der nächsten Sitzungswoche werden wir die
Gesetzesvorschläge mit Ihnen besprechen. Heute Nach-
mittag werden wir in der Begleitgruppe Asse über Geset-
zesvorschläge diskutieren. Ich hoffe, dass wir die Asse
nicht zum Gegenstand einer parteipolitischen Auseinan-
dersetzung machen, sondern alle gemeinsam daran ar-
beiten, dieses Problem, das wir sonst nirgendwo in
Deutschland haben, zu lösen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715904800

Das Wort hat der Kollege Sigmar Gabriel für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Sigmar Gabriel (SPD):
Rede ID: ID1715904900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau

Kollegin Heinen-Esser, machen Sie sich keine Sorgen,
was meine Fähigkeiten angeht, solche Zwischenlager zu
genehmigen. Ich habe das bislang einzige Endlager in
Deutschland im eigenen Wahlkreis genehmigt. Eine He-
rausforderung wird es übrigens sein, den Menschen zu
erklären, dass nach der Zwischenlagerung die Wahr-
scheinlichkeit relativ hoch ist, dass schwach- und mittel-
radioaktiver Abfall in Richtung Konrad transportiert
wird. Ich sage das seit Monaten, auch im Wahlkampf.
Machen Sie sich also um meine Fähigkeiten keine Sor-
gen.

Ich habe mir bis zur heutigen Debatte zugegebener-
maßen eher ein bisschen Sorgen darüber gemacht, ob ei-
gentlich die notwendige politische Führung für die Be-
wältigung des Problems vorhanden ist. Ich glaube aber,
dass die Debatte der letzten Wochen und auch die heu-
tige Debatte optimistisch stimmen können; denn das,
was wir in den letzten zwei Jahren erleben mussten,
scheint sich jetzt ein bisschen aufzulösen. Herr Birkner,
zwei Jahre lang geschah in Niedersachsen das Gegenteil
dessen, was Sie jetzt tun. Zwei Jahre lang hat Ihr Amts-
vorgänger alles getan, um die Rückholung zu verhin-
dern. Er hat auch öffentlich erklärt, dass er die Rückho-
lung für falsch hält. So hat er sich auch verhalten.
Entsprechend sind die Genehmigungsverfahren in Nie-
dersachsen betrieben worden. Ich bin froh darüber, dass
Sie direkt nach Ihrem Amtsantritt eine 180-Grad-Wende
vollzogen haben. Das war auch dringend erforderlich.
Aber zwei Jahre lang ist Niedersachsen der große Brem-
ser bei der Rückholung gewesen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mein Eindruck ist, dass der öffentliche Druck in den
letzten Wochen dazu geführt hat, dass auch im Hause
von Herrn Röttgen klar ist, dass nicht Herr Hennenhöfer
die Politik bestimmt.

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(C (D (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der darf nicht mal mehr ins Plenum!)


ie vorletzte Umweltausschusssitzung verlief nicht ganz
o freundlich; ich glaube, Frau Flachsbarth hat das so
usgedrückt. Es ist natürlich auch klar, dass sich jemand,
er in seiner ganzen beruflichen Existenz damit zu tun
atte, das Abkippen von Atommüll in der Asse zu recht-
rtigen, schwer damit tut, am Ende dafür zu sorgen,

ass das Zeug wieder rausgeholt wird – obwohl das, ehr-
ch gesagt, eine gelungene Form des Täter-Opfer-Aus-
leichs ist.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulrich Kelber [SPD]: Resozialisierung!)


Dass Sie jetzt tun, was in der Region seit über einem
ahr gefordert wird, begrüße ich ausdrücklich. Seit über
inem Jahr sagen wir in der Region: Sie müssen eine
askforce einsetzen, mindestens auf Staatssekretär-
bene, wenn nötig auf Ministerebene. Das ist jetzt end-
ch passiert. Sie nennen das Lenkungsgruppe; es ist
gal, wie man das nennt.

Bei der Asse passiert nämlich Folgendes – und das ist
anz menschlich –: Keine der Lösungen, die wir debat-
eren – da hat Frau Heinen-Esser völlig recht –, ist risi-
olos. Nichts, was wir da in Gang setzen, beinhaltet kein
isiko. Daher besteht natürlich die Gefahr, dass, wenn
ie Öffentlichkeit einmal nicht so genau hinschaut, die
eteiligten versuchen, die Risiken hin- und herzuschie-
en. Genau das ist in den letzten zwei Jahren passiert.

Die Menschen in der Region sind entsetzt und zornig,
icht nur über das, was die Atomwirtschaft dort gemacht
at, sondern auch über das Zuschauen des Staates; denn
r hat 40 Jahre lang nichts gemacht. Das hat dazu ge-
hrt, dass die Menschen dieser Region in dieser Frage

ehr geringes Vertrauen in staatliches Handeln haben. In
en letzten Jahren der Großen Koalition haben wir viel
afür getan, wieder Vertrauen aufzubauen, indem wir die
sse dem Atomrecht unterworfen haben, indem das
chutzniveau an den Strahlenschutz im Atomrecht ange-
asst wurde, indem Transparenz und Öffentlichkeitsbe-
iligung hergestellt wurden. Dann ist das Engagement

wei Jahre lang abgesackt, ausdrücklich nicht wegen
angelnden Engagements von Ihnen, Frau Heinen-
sser. Es ist in der Region bekannt, dass Sie sich küm-
ern. Aber bei den zu lösenden Problemen hat immer

iner auf den anderen gezeigt: der Bund und das BfS auf
as Land Niedersachsen und Niedersachsen auf das BfS.
o ging das hin und her.

Ich muss Ihnen offen sagen: Wenn Sie Jurist sind,
önnte es sein, dass Sie eine Begründung dafür finden,
arum es innerhalb von zwei Jahren nicht möglich war,
0 oder 30 Container mit kontaminierter Lauge aus der
sse zu holen. Das kann nur ein Jurist erklären.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Solche Äußerungen sind nicht hilfreich, Herr Kollege!)






Sigmar Gabriel


(A) )


)(B)

Jeder mit normalem Menschenverstand sagt: Wenn Ihr
vorhabt, 126 000 Fässer radioaktiven Müll aus dem
Bergwerk zu holen, und noch nicht einmal in der Lage
seid, ein paar Container kontaminiertes Laugenwasser
herauszubringen, dann hört doch mit dieser öffentlichen
Debatte über den radioaktiven Müll auf. Dieser Eindruck
ist dort entstanden.

Dieses Schwarze-Peter-Spiel kann man nur durch
eine einzige Maßnahme beenden: indem man politische
Verantwortung für Entscheidungen übernimmt, weil die
Beamtinnen und Beamten das von sich heraus nur be-
grenzt tun werden. Sie brauchen eine politische Führung.
Deswegen ist dieser Lenkungsausschuss bzw. diese
Taskforce genau das Richtige. Dort muss entschieden
werden, und im Zweifel muss abgestuft entschieden
werden. Deswegen schlage ich vor: Lassen Sie uns doch
nicht über die Frage reden, was wir brauchen, eine Lex
Asse oder ein Gefahrenabwehrrecht, oder darüber, dass
alles so bleiben soll! Wir sollten uns vielmehr mit der
Frage befassen, welches Problem mit welchem Instru-
ment am besten behoben werden kann.


(Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Dann sind wir doch schon weiter!)


Wenn Sie dem zustimmen, Frau Heinen-Esser, dann
muss ich Ihnen allerdings Folgendes sagen: Das Bundes-
amt für Strahlenschutz hat Ihnen am 4. August 2010
empfohlen, bei der Faktenerhebung, die Herr Birkner
eingeführt hat, nach dem Gefahrenabwehrrecht vorzuge-
hen, damit Sie die Maßnahmen durchführen können und
alle Auflagen erst im Anschluss erfüllen müssen. Das
haben Sie mit Erlass des Bundesumweltministeriums
von Anfang Oktober 2010 abgelehnt. Jetzt hat Ihr beam-
teter Staatssekretär nachgefragt, ob das Bundesamt für
Strahlenschutz immer noch der gleichen Meinung sei.
Überraschenderweise ist das der Fall. Das Bundesamt
hat Ihnen vorgeschlagen, Ihre Ablehnung der Anwen-
dung des Gefahrenabwehrrechts aus dem Jahr 2010 im
Bundesumweltministerium neu zu bewerten. Meine
herzliche Bitte ist: Tun Sie das!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Hier wird der Eindruck erweckt, die Faktenerhebung
sei in vollem Gange. Nein, meine Damen und Herren,
die Faktenerhebung ist nicht in vollem Gange, weil die
Kammern nicht angebohrt werden können. Selbst wenn
wir jetzt alles hinbekommen, wird es vermutlich noch
ein halbes Jahr dauern, bis es losgehen kann. Lassen Sie
uns deshalb lieber nicht zu viele Versprechungen ma-
chen.

Die Haltung, die Sie damals eingenommen haben,
entspringt auch der Angst. Das verstehe ich. Ich habe
den Akten des BMU entnehmen können, dass das eine
gepflegte Übung des Hauses war, nach dem Motto: Lasst
uns jetzt kein Risiko eingehen; wenn wir das Gefahren-
abwehrrecht anwenden und dann etwas passiert, bin ich
als Minister oder bist du als Staatssekretärin dran. – Das
ist doch die Sorge, die dort existiert. Das Problem Asse
wird aber ohne die Übernahme einer solchen Verantwor-

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(C (D ng nicht zu klären sein. Wir werden nicht jedes Risiko usschalten können, bevor wir loslegen. Dann ist der erg in der Tat irgendwann instabil, und wir können die 26 Fässer nicht mehr herausholen. Darauf hat Herr ander immer gesetzt. Er hat darauf gesetzt, dass die age irgendwann so instabil ist, dass wir die Abfälle icht mehr herausholen können. Das wäre dann billiger, llerdings auch deutlich gefährlicher. Ich glaube, dass es jetzt darum gehen muss, zu klären, rstens welche Maßnahmen nach dem Gefahrenabwehrcht des Atomgesetzes möglich sind und zweitens wel he Maßnahmen mit anderen Rechtsformen vorzuschaln sind, die man in das Atomrecht überführen muss, enn es zur Rückholung kommt. Wenn der fünfte chacht abgeteuft und der Atommüll herausgeholt weren soll, dann werden Sie es überführen müssen. (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Das hat er ja gerade gesagt!)


Drittens ist es notwendig – wir sind sofort bereit, da-
ber zu reden; wir haben selbst einen Vorschlag einge-

racht –, § 57 b des Atomgesetzes zu ändern, um zu ei-
er klareren und schnelleren Vollzugsmaßnahme zu
ommen. Wir sind sofort dafür, eine solche Lex Asse zu
achen. Wenn Sie unseren Gesetzesvorschlag nicht aus-
ichend finden, ist das kein Problem. Legen Sie selber

inen vor; dann beraten wir darüber. Bei der Frage der
ormulierung geht es nicht um Parteipolitik, sondern so-
usagen um juristische Sicherheit. Übrigens wird die
sse-Begleitgruppe vor Ort selbst einen Gesetzentwurf
rmulieren. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, sich gründ-

ch damit zu befassen. Wenn er vor Ort klug erarbeitet
orden ist, dann kann man ihn auch übernehmen.

Der Kollege Röttgen ist zwar anwesend, hat aber bis-
ng offensichtlich nicht die Absicht, zu reden. Ich halte
as, ehrlich gesagt, für einen einmaligen Vorgang, dass
er zuständige Minister zu dem Problem nichts sagt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


enn er hier sitzt, um etwas zu lernen, dann ist das aber
uch okay.

Es war schwierig für mich. Ich habe mich zwei Jahre
ng gar nicht zu diesem Thema geäußert, weil man als

hemaliger zuständiger Minister nach dem Komment
es Hauses üblicherweise nicht feststellt, dass der Nach-
lger alles schlechter macht. Ich habe zwei Jahre nichts

azu gesagt. Aber jetzt möchte ich auf etwas hinweisen,
as Sie nachdenklich machen sollte. Sie waren noch nie
der Asse, haben nur ein einziges Mal die Asse-Be-

leitgruppe für eine Stunde besucht und haben sich nie
er Öffentlichkeit gestellt. Die Menschen wollen, dass
an vor Ort ist und ihnen Rede und Antwort steht. Sie

ören seit Jahren solche Sprüche wie „volle Transpa-
nz“ und „Wir ziehen alle an einem Strang“, erleben

ber seit zwei Jahren das Gegenteil. Deswegen kommt
s zu Aussagen wie der des Bürgermeisters der Stadt
olfenbüttel, Thomas Pink, dass das Ganze, was er dort

rlebt habe, eine Riesensauerei sei. Das Verhalten des
undesumweltministers sei – so Herr Pink – „unwürdig“





Sigmar Gabriel


(A) )


)(B)

und dessen abwartende Haltung „völlig inakzeptabel“.
Herr Pink gehört bekanntermaßen nicht der SPD, son-
dern der CDU an. Herr Röttgen, ich sage Ihnen: Gar
keine Frage, das ist ein schwieriges Thema. Das ist aber
das größte nukleare Problem, das wir in diesem Land
und vermutlich weit über Deutschland hinaus haben. Als
zuständiger Minister müssen Sie Führung zeigen und
Verantwortung übernehmen. Das kann niemand anders.
Im Zweifel ist man Minister, um existierende Risiken
einzugehen. Sonst geht die Glaubwürdigkeit vor Ort ver-
loren, die wir in den letzten Jahren erarbeitet haben.

Mein Eindruck ist, dass wir in der heutigen Debatte
ein gutes Stück vorangekommen sind. Herr Röttgen, ich
habe die dringende Bitte, dass Sie sich als Person dieser
Aufgabe annehmen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715905000

Die Kollegin Angelika Brunkhorst hat nun für die

FDP-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Angelika Brunkhorst (FDP):
Rede ID: ID1715905100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wie ist eigentlich die Gefühlslage? Wir sprechen über
normalen Menschenverstand und viel über das, was wir
wissen und nicht wissen. Wie aber ist die Gefühlslage?
Ich denke, alle Beteiligten, die an einer Lösung zur Ber-
gung der Abfälle aus der Asse arbeiten, befinden sich in
einem Fadenkreuz aus Hoffen und Bangen und in einem
Wettlauf mit der Zeit.

Wir haben gerade gehört, dass sich alle Experten in-
zwischen darin einig sind, dass die Rückholung deutlich
länger dauern wird, als bisher angenommen wurde.
Ebenso ist klar festzustellen: Die Bergung kann nur über
eine neu zu bauende Schachtanlage geschehen. In Bezug
auf diesen neuen Schacht sage ich als Sprecherin für Na-
turschutz: Hier hat der Mensch Vorrang, hier hat die Be-
völkerung vor Ort Vorrang. Wenn die Rückholung durch
ein FFH-Gebiet gehen muss, weil es nicht anders geht,
dann muss das Naturschutzrecht in diesem Fall einmal
zurückstehen. Das ist dann so.


(Beifall bei der FDP)


Wir brauchen dringend Möglichkeiten der Beschleu-
nigung; alle Vorredner haben darauf hingewiesen. Es ist
zu überprüfen und sehr schnell zu entscheiden, ob dies
zum Beispiel durch die Konkretisierung bei Vergabever-
fahren, durch eine parallele Bewerkstelligung von Auf-
gaben, wie es teilweise schon geschieht, oder – wie vom
niedersächsischen Umweltminister, Herrn Dr. Birkner,
vorgeschlagen – durch ein Asse-Gesetz geschehen soll.
Herr Dr. Birkner, an dieser Stelle sage ich: Vielen Dank,
dass Sie heute bei uns sind und zu uns gesprochen ha-
ben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D In diesem Arbeitsprozess der Faktenerhebung geneeren die Experten ständig neues Wissen. Gute, aber uch problematische Erkenntnisse kommen zutage, mit enen sich die Politik, die Begleitgruppe, das niederächsische Bergamt, das BfS und die Asse GmbH konontiert sehen. Sie müssen sich damit auseinanderseten, neue Ideen entwickeln und einen konstruktiven ialog führen, den wir vonseiten der FDP-Fraktion unrstützen. Herr Gabriel, Sie kennen wahrscheinlich die Akteure or Ort aus Ihrem Wahlkreis. Der niedersächsische FDPandtagsabgeordnete Björn Försterling setzt sich sehr tark für diese Sache ein. Er ist auch Mitglied der Beleitgruppe. Diesen Beitrag von uns Liberalen möchte h als positiven Aspekt diesem Plenum zur Kenntnis geen. Ich denke, wir alle sind uns einig in dem Wunsch ach Beschleunigung. Es gibt aber auch konkurrierende iele. Eine Beschleunigung darf nicht zulasten der Siherheit gehen. Die Sicherheit der Bevölkerung in der egion und der Mitarbeiter in der Asse wird nach wie or oberste Priorität haben. Es gibt eine Reihe neuer Erkenntnisse. Eine gute achricht ist, dass das Grubengebäude nicht durch einen pontanen Einsturz gefährdet ist. Machen wir uns aber ichts vor: Das Bergwerk Asse ist 100 Jahre alt. Es ist eiterhin in Bewegung. Durch den Gebirgsdruck könnn neue Risse und somit neue Wasserwegsamkeiten ent tehen. Beim Punkt Lösungszutritte bzw. der Wasserzuufe wissen wir bis heute fast nichts über deren genauen rsprung. Bisher wissen wir nur, dass die Lösungszutritte zum Glück – zuhauf nur oberhalb der Einlagerungsammern und nicht in Masse auf der Höhe der eigentlihen Einlagerungssohle, der 750er-Sohle, vorkommen. nsere größte Sorge gilt einem spontanen Wassereinruch. Wir hoffen, dass das nicht eintritt; denn das machte nser Konzept zur Bergung zunichte. Das wäre auch fatal r die Bevölkerung vor Ort; denn die Bevölkerung vor rt weiß – das ist auch klar –, dass nur die Option der ückholung Langzeitsicherheit für die kommenden Geerationen in dieser Region gewährleistet. Jetzt komme ich noch zu den Anträgen. Die SPD will as Atomgesetz ändern. Ich habe aus Herrn Gabriels usführungen schon eine etwas andere Richtung herausehört. ür den Fall, dass die Genehmigung für Stilllegungsaßnahmen nicht rechtzeitig erfolgen kann, wollen Sie, ass das NMU die Maßnahmen sozusagen selbst anorden kann. Ich glaube, das ist ein Misstrauensvotum in ichtung BfS. (Sigmar Gabriel [SPD]: Sie haben das nicht gelesen, Frau Kollegin!)


(Beifall bei der FDP)


(Sigmar Gabriel [SPD]: Nein!)


Doch, ich habe es gelesen.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Dann wüssten Sie, dass es um das BMU geht!)






Angelika Brunkhorst


(A) )


)(B)

Das BfS ist dabei, alles zu tun, die Auflagen abzuarbei-
ten. Es ist auch die Aufgabe des BfS – das BfS hat im
Ausschuss berichtet –, einen konkreten Plan für die
Rückholung vorzulegen.

Für meine Fraktion sichere ich Ihnen zu, dass wir
weiter den intensiven Dialog mit der Bevölkerung vor
Ort führen werden. Sachverstand, Technik, kluge Ent-
scheidungen und letztlich auch Glück werden hoffent-
lich zu einem guten Ende führen. Wir sind trotz der
schwierigen Lage ganz hoffnungsvoll und zuversicht-
lich, dass uns das am Ende gelingen kann.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715905200

Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Ralph

Lenkert das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715905300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen

und Kollegen! Seit 1965 ist die Asse Versuchsbergwerk.
Vor 45 Jahren wurde der erste Atommüll eingelagert,
und seitdem leben die Menschen an der Asse mit der
Angst vor dem strahlenden Müll. Bis 2009 wurden die
Probleme und Gefahren der Asse vertuscht und geleug-
net. Mit dem Betreiberwechsel 2009 wurde das Ausmaß
des verantwortungslosen Vorgehens in der Asse offen
sichtbar. Seitdem wird versucht, eine Umweltkatastro-
phe zu verhindern.

Trotz der Erfolge bei der Stabilisierung des Bergwerks
– nur die Rückholung des Atommülls bannt die Gefahr.
Aber es geht einfach nicht vorwärts in der Asse. Deshalb
debattieren wir heute. Deshalb fand ein Zusammentref-
fen zur Asse-Situation letzten Monat in Braunschweig
statt. Erstmals trafen Geologen, Strahlenforscher, Be-
amte aus verschiedenen Behörden und Ministerien sowie
Mitglieder von Bürgerinitiativen zusammen – mit er-
nüchterndem Ergebnis: Wenn man so weitermacht wie
seit 2009, sind Tests und Vorbereitungen zur Rückholung
des Atommülls frühestens 2025 abgeschlossen, die kom-
plette Rückholung gar erst im Jahr 2040. Gleichzeitig
wurde klar herausgestellt, dass es im Bergwerk jederzeit
einen Wassereinbruch geben kann. Dann ist eine Rück-
holung des Atommülls unmöglich, und dann kann man
eine zukünftige Verstrahlung des Grundwassers der
Braunschweiger Region nur noch verzögern, vielleicht
abschwächen. Massiv wird deshalb derzeit an der Scha-
densbegrenzung für den Fall des Wassereinbruchs gear-
beitet. Das ist richtig. Aber die Linke will, dass die Rück-
holung mit dem gleichen Aufwand vorangetrieben wird.
Der Müll muss raus aus der Asse!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Konkret heißt das: Erstens. Bundestag und Landtag
Niedersachsen beschließen: Der Atommüll muss raus
aus der Asse – ohne Kompromisse.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


er Bundesumweltminister bekennt sich nach dem Lan-
esminister zu diesem Ziel, und zwar hier am Redner-
ult.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ute Vogt [SPD])


Zweitens. Wenn man weiß, wie es in zwei Kammern
ussieht, weiß man immer noch nicht, wie es in den an-
eren elf aussieht. Aber nach zwei Jahren gibt es noch
icht einmal Erkenntnisse zur ersten Kammer. Deshalb
uss man vom schlimmsten anzunehmenden Fall in den
ammern ausgehen. Man muss diesen Fall zur Grund-
ge der Entwicklung von Technik zur Bergung nehmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Drittens. Weder die derzeitige Luftzufuhr noch die
ransportmöglichkeiten reichen für eine zügige Bergung
es Atommülls aus. Es muss deshalb sofort mit dem Pla-
en und anschließenden Bau eines neuen Schachtes, der
iese Probleme löst, begonnen werden.

Viertens. Für den Atommüll wird ein Zwischenlager
Asse-Nähe benötigt. Um späteren Zeitverzug zu ver-
eiden, müssen die Suche und Vorbereitung bereits jetzt

tarten.

Fünftens. Behälter oder Verpackungssysteme, die das
ermutlich undefinierte Gemisch aus verstrahltem Salz,
ontaminierter Salzlauge, alten Behälterresten und dem
igentlichen Atommüll sicher aufnehmen, müssen sofort
ntwickelt bzw. beschafft werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Sechstens. Fülltechnik für das unterirdische Einfüllen
er verstrahlten Masse in die Behälter muss passend zum
erpackungssystem und zu den Behältern entwickelt
erden. Damit muss jetzt begonnen werden, parallel zu

llen anderen Aufgaben.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Siebtens. Es darf keine Aushöhlung von Sicherheits-
tandards geben. Aber bei der Beschaffung und der
uftragsvergabe müssen die Kriterien lauten: beste tech-
ische Lösung von einem zuverlässigen Partner in kür-
ester Zeit. Der Kaufpreis und die Ausschreibungsproze-
uren sind zweitrangig.


(Beifall bei der LINKEN)


Bei allen Punkten fordert die Linke, das Fachwissen
er Bürgerinitiativen in die Entscheidungen einzubezie-
en und maximale Transparenz herzustellen.


(Beifall bei der LINKEN)


as kostet Geld. Aber wenn man bedenkt, dass für die
anierung des Uranbergbaus in Sachsen und Thüringen
ehr als 7 Milliarden Euro notwendig waren, dann kann
an auch abschätzen, dass eine Verseuchung des Grund-
assers um Braunschweig ein Vielfaches an Geld ver-

chlingen würde.


(Johanna Voß [DIE LINKE]: Genau!)






Ralph Lenkert


(A) )


)(B)

86 Prozent des Atommülls der Asse stammen direkt oder
indirekt aus Atomkraftwerken. Deshalb fordert die
Linke, dass die Atomkonzerne mindestens 86 Prozent al-
ler entstehenden Kosten tragen müssen.


(Beifall bei der LINKEN)


Kolleginnen und Kollegen, scheitert die Rückholung
des Atommülls aus der Asse, dann haben wir nicht nur
ein Problem um Braunschweig; dann wird die Suche
nach sicheren Atommülllagern in der Bundesrepublik
unendlich erschwert.

Der Worte sind genug gewechselt. Fangen wir an, das
Asse-Problem zu lösen! Wir stehen als Bundestag in der
Pflicht.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715905400

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die

Kollegin Dorothea Steiner das Wort.


Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715905500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

freue mich, dass alle Fraktionen hier die Rückholung des
radioaktiven Inventars aus der Asse unterstützen. Ich
möchte aber unterstreichen, dass wir nicht an diesem
Punkt angelangt wären, wenn nicht Bürgerinnen und
Bürger in Remlingen im Landkreis Wolfenbüttel und
rund um die Region jahrzehntelang den Skandal in die
Öffentlichkeit gebracht und die Politik unter Druck ge-
setzt hätten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Elemente dieses Skandals sind lange Zeit geleug-
net worden. Denken Sie einmal zurück: Wie lange hat es
gedauert, bis die massiven Laugenzuflüsse öffentlich
diskutiert werden konnten, obwohl es sie schon seit 1988
in großem Umfang gab? Noch 2007/2008 sollte die Lö-
sung der Probleme sein, die Schachtanlage zu verfüllen,
die Sünden der Vergangenheit in Magnesiumchlorid zu
ertränken und die Asse abzuschließen. Es bedurfte eines
parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Nieder-
sachsen und hartnäckiger, langandauernder Bürger-
proteste, um die Bereitschaft zur Rückholung des radio-
aktiven Inventars zu erhöhen. Deshalb zollen wir dem
Bundesumweltministerium Anerkennung für seine Ent-
scheidung und sein Engagement. Aber ich glaube, das
geht nicht so sehr an die Adresse des Umweltministers,
sondern eher an die Adresse der Staatssekretärin.

Diejenigen, die die strahlenschutzrechtlichen Miss-
stände zu verantworten haben, sitzen nach wie vor in
entscheidenden Positionen und können sich als Bremser
betätigen. Herr Birkner, es war das niedersächsische
Umweltministerium unter Ihrem Vorgänger, dem „Ket-
tensägenminister“, das im Verbund mit dem TÜV ein
komplexes System von Auflagen ersonnen hat – 38 an
der Zahl mit 1 000 Seiten Erfüllungsbedingungen –, de-

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(C (D n teilweise Erfüllung allein schon dazu führen musste, ass nach fast zwei Jahren noch nicht einmal eine ammer angebohrt werden konnte, um bei der Fakten rhebung weiterzukommen. Von der Rolle des Landesergamtes in dieser Auseinandersetzung brauchen wir ier gar nicht zu reden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


lso Respekt, Herr Birkner, dass Sie die Position fun-
iert und kompetent geändert haben. Aber ein Birkner
acht noch keinen Sommer.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Die Zustimmung hier im Parlament sollte BMU und
en Betreiber BfS ermutigen, die Faktenerhebung zu be-
chleunigen und die vorbereitenden Maßnahmen zur
ückholung unwiderruflich einzuleiten. Wir sollten
icht auf eine Lex Asse warten, die wir brauchen und
uch nutzen müssen, sondern bereits jetzt im Rahmen
er Gefahrenabwehr auch außerhalb des § 19 des Atom-
esetzes eine Beschleunigung der Maßnahmen errei-
hen. Das geht sehr wohl, obwohl Frau Flachsbarth und
err Birkner das Gegenteil ausgeführt haben. Das ist

uch notwendig, damit wir jetzt weiterkommen, die bei-
en Kammern bis zum Sommer angebohrt werden kön-
en und die Glaubwürdigkeit des ganzen Vorhabens er-
alten bleibt.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715905600

Der Kollege Dr. Michael Paul spricht nun für die

nionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Michael Paul (CDU):
Rede ID: ID1715905700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn

an die Rednerinnen und Redner der Opposition hört,
laubt man, der Blick gehe zurück. Notwendig ist aber,
ass wir nach vorne blicken. Deshalb sage ich direkt zu
eginn meiner Rede: Bei allem, was das Problem Asse
ngeht, gilt: Die Sicherheit der Bevölkerung und der dort
ätigen hat für uns oberste Priorität.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


eshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich zu
eginn meiner Ausführungen bei den Mitarbeiterinnen
nd Mitarbeitern vor Ort und bei denen, die in den zu-
tändigen Behörden täglich mit großem Engagement an
er sicheren Stilllegung der Asse arbeiten, bedanken.

Weil die Sicherheit vorgeht, ist es Ziel, die radioakti-
en Abfälle aus dem Bergwerk zurückzuholen. Denn die
ückholung – das hat der sogenannten Optionenver-
leich des BfS aus dem Jahr 2009 gezeigt – ist die
icherheitstechnisch vorteilhafteste Lösung, was die
angzeitsicherheit angeht. Dieser Weg nach vorne in
ichtung Rückholung stellt uns aber vor große Heraus-
rderungen. Das hat auch der vor wenigen Wochen in





Dr. Michael Paul


(A) )


)(B)

Braunschweig durchgeführte Fachworkshop des BfS
klargemacht. Zwar kann nach derzeitigen Erkenntnissen
davon ausgegangen werden, dass es nicht zu einem
plötzlichen Zusammenbrechen der Grube kommt. Aber
ein unkontrolliertes Eindringen von Salzwasser, also von
Laugen, ist in dem alten Salzbergwerk jederzeit möglich.
Deswegen steht an erster Stelle – das möchte ich hier be-
tonen –, vorsorglich Notfallmaßnahmen vorzubereiten,
damit auch in einem solchen Fall die Beschäftigten vor
Ort und die Bevölkerung geschützt werden. Die unbe-
queme Wahrheit an dieser Stelle ist: Die Verfüllung von
Resthohlräumen in den Einlagerungskammern ist eine
solche Notfall- und Vorsorgemaßnahme. Aber durch
eine solche Verfüllung – das sagt die Entsorgungskom-
mission, die sicherlich unverdächtig ist, ein bestimmtes
Ziel zu verfolgen – kann die mögliche Strahlenbelastung
der Bevölkerung auf ein Zehntel verringert werden. Im
Übrigen ist das keine Abkehr vom Ziel der Rückholung;
denn die Abfälle können auch danach geborgen werden.

Zur Rückholung sind drei große Schritte notwendig.
Erstens müssen die Abfälle aus den Einlagerungskam-
mern geborgen werden. Zweitens müssen sie aus dem
Bergwerk an die Tagesoberfläche gebracht werden. Drit-
tens müssen sie in lagerfähige Behälter verpackt und
zwischengelagert werden. Aber keiner dieser drei
Schritte – darüber dürfen wir uns keine Illusionen ma-
chen – ist unproblematisch.

Für die Beförderung der Abfälle an die Tagesoberflä-
che ist ein weiterer Schacht erforderlich. Nach Aussage
des Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz
– auch er ist, denke ich, unverdächtig in dieser Debatte,
wie die gestrige Sitzung des Umweltausschusses gezeigt
hat –


(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und das von Ihnen!)


kann wegen der komplizierten Geologie der neue
Schacht wahrscheinlich nur in einem Gefrierbohrverfah-
ren errichtet werden. Was das heißt, haben wir in Gorle-
ben gesehen. Da hat die Errichtung ungefähr zehn Jahre
gedauert.

Auch das eigentliche Zurückholen dauert wesentlich
länger, als man es sich wohl vor zwei Jahren vorgestellt
hat. Beim Workshop des BfS wurde eine Dauer von bis
zu 50 Jahren genannt. Grund dafür ist, dass es sich um
ein enormes Volumen handelt. Denn die Abfälle sind
wahrscheinlich in Salz eingewachsen; lagerfähige Be-
hälter gibt es dort nicht. Das Volumen beträgt mindes-
tens 100 000 Kubikmeter. Schätzungen von Gutachtern
des BfS gehen sogar von bis zu 275 000 Kubikmetern
aus. Das entspricht ziemlich genau dem Volumen aller
Abfälle, die beim Rückbau der deutschen Kernkraft-
werke zusammenkommen. Wegen dieses riesigen Volu-
mens wird man auch obertage große Einrichtungen für
Behandlung und Zwischenlagerung brauchen. Hier ge-
hen die Gutachten von einer Größenordnung von bis zu
25 Hektar aus.

Im Übrigen – auch das müssen wir ganz klar sagen –
ist es für die örtliche Bevölkerung auf Dauer sicherlich
unzumutbar, neben einem Zwischenlager für radioaktive
Abfälle zu wohnen. Deshalb hat die Endlagerung der ra-
dioaktiven Abfälle Priorität.

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(C (D Es wurde heute schon angesprochen: Das genehmigte ndlager für leichtund mittelradioaktive Abfälle, chacht Konrad, hat eine genehmigte Abfallmenge von 03 000 Kubikmetern. Davon werden 280 000 Kubiketer für den Abfall aus dem Rückbau der Kernkrafterke gebraucht. Sie sehen also: Die Herausforderungen ind sehr groß. Sie müssen sehr schnell angegangen weren. Denkverbote darf es dabei nicht geben. Realitäten müssen wahrgenommen werden. Das Ökostitut – sicherlich unverdächtig, Dinge zu verharmlo en – prognostiziert, dass die Strahlenbelastung der Areiter während der Rückholung 50bis 1 000-mal höher ein wird als die maximal denkbare Strahlenbelastung ünftiger Generationen. Das gilt selbst für den chlimmsten Fall, dass die Asse unkontrolliert „absäuft“. olche Fakten darf man nicht ignorieren, sondern man uss sie eingehend prüfen. (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind keine Fakten! Das ist eine Vermutung!)


ür eine abschließende Bewertung ist es sicherlich zu
üh. Da gebe ich Ihnen recht, Frau Steiner. Dazu müs-

en wir insbesondere die Faktenerhebung abwarten. Das
fS hat für den Fall, dass es bei der Bergung zu unver-
etbaren Strahlenbelastungen der Beschäftigten kommt,
ls Konsequenz gefordert, die Präferenz für die Rückho-
ng neu zu bewerten. Das ist nachzulesen in der Presse-
itteilung des BfS zum Optionenvergleich vom 15. Ja-

uar 2010.

Bevor ich nun auf die Anträge von SPD und Grünen
Einzelnen zu sprechen komme, gestatten Sie mir,

ass ich auf einen bemerkenswerten Umstand im Zu-
ammenhang mit dem Vorschlag der SPD, das Atomge-
etz zu ändern, hinweise. Beim Workshop des BfS haben
ertreter einer Anwaltskanzlei im Auftrag des Bundes-
mtes für Strahlenschutz einen Vorschlag zur Änderung
es Atomgesetzes vorgelegt, einen Vorschlag, der letzt-
ch auf Kosten des Steuerzahlers erarbeitet wurde. Das
ndet sich auch in den Unterlagen des Fachworkshops.
iesen Vorschlag wiederum findet man nun wortwört-
ch im Antragstext der SPD wieder. Das lässt nur zwei
chlüsse zu: Entweder haben Sie mit Zustimmung der
utoren abgeschrieben –


(Sigmar Gabriel [SPD]: Das ist bei Ihnen üblich, nicht bei uns!)


ann haben Sie ein vom Geld der Steuerzahler finanzier-
s Gutachten des Bundesamtes für Strahlenschutz zu
raktionszwecken verwandt –,


(Ulrich Kelber [SPD]: Gesetzgebung soll ein Fraktionszweck sein?)


der Sie haben ohne Einverständnis der Autoren abge-
chrieben; dann handelt es sich hier schlicht und ergrei-
nd um ein Plagiat.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sigmar Gabriel [SPD]: Da sind Sie ja Experte! – Frank Schwabe [SPD]: Peinlich!)






Dr. Michael Paul


(A) )


)(B)

So oder so, abgeschrieben haben Sie auf jeden Fall. Das
spricht nicht für Ihre juristische Kreativität.

Auch die Rolle der Anwaltskanzlei sollten wir noch
einmal hinterfragen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Wir sind in einem Gesetzgebungsprozess! Mehr haben Sie nicht zu bieten? Setzen Sie sich doch!)


Deren namensgebender Partner war übrigens Staats-
sekretär im ersten rot-grünen Berliner Senat. Diese
Kanzlei berät und vertritt auf der einen Seite den Bund
und das Bundesamt für Strahlenschutz in zahlreichen
atomrechtlichen Verfahren.


(Unruhe bei der SPD)


– Ich weiß gar nicht, worüber Sie sich aufregen. Das
scheint ja wirklich wehgetan zu haben.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Herr Paul, nur das Datum! – Ulrich Kelber [SPD]: Bei einer solchen Rede ist Fremdschämen angesagt!)


Gleichzeitig vertritt sie SPD-regierte Länder gegen den
Bund bei Verfassungsklagen gegen die Laufzeitverlän-
gerung.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Sagen Sie einmal das Datum!)


Schließlich, wie man heute sieht, schreibt sie womöglich
auch Antragstexte für die SPD-Bundestagsfraktion. Das
ist aus meiner Sicht eine sehr eigenwillige Interpretation
anwaltlicher Unabhängigkeit.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715905800

Herr Kollege Paul, gestatten Sie eine Zwischenfrage

oder Zwischenbemerkung des Kollegen Gabriel?


Dr. Michael Paul (CDU):
Rede ID: ID1715905900

Ich glaube, er wird uns heute auch nicht weiterbrin-

gen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Nein, ich möchte weiter ausführen.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es war bisher eine so gute Debatte! Sie machen alles kaputt! – Ulrich Kelber [SPD]: Feigling!)


Zum Schluss möchte ich auf die Anträge von Grünen
und von SPD ganz konkret eingehen.


(Sigmar Gabriel [SPD]: Es ist gut, dass Sie in den Bundestag gewechselt sind und nicht beim BMU sind! Das hilft dem BMU!)


Ein Sondergesetz, eine Lex Asse – das hat die Entsor-
gungskommission am 2. Februar eindeutig gesagt –,
bringt uns nicht weiter; denn es handelt sich im Kern da-
rum, wie das kerntechnische Regelwerk ausgelegt wer-
den soll.

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(C (D Herr Kollege Paul, da Sie die Hilfe des Kollegen abriel zur Verlängerung Ihrer Redezeit nicht angenomen haben, muss ich Sie darauf aufmerksam machen, ass Sie jetzt einen Punkt setzen müssen. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich will zum Schluss agen: Eine Absenkung des Schutzniveaus, die offenichtlich Bestandteil mancher Beschleunigungsvorchläge ist, wird es mit uns jedenfalls nicht geben. Vielen Dank. Das Wort hat die Kollegin Ute Vogt für die SPD-Frak on. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Wir haben in dieser Debatte einen gemeinsaen Erfolg zu feiern. Das ist die Tatsache, dass in die em Haus von keiner Fraktion und keinem Ministerium ehr angezweifelt wird, dass es oberste Priorität hat, den tommüll aus der Asse zu bergen. Das war vor wenigen ochen noch nicht selbstverständlich. Das ist ein Erlg. Ich bedauere, Herr Dr. Paul, dass Sie wieder in ei er kleinkrämerischen Art und Weise versuchen, die Beandlung dieses Themas – eigentlich beschreiten wir erade gemeinsam einen guten Weg – zu einem parteiolitischen Hickhack werden zu lassen. (Sigmar Gabriel [SPD]: Das ist ein Charakterproblem!)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715906000
Dr. Michael Paul (CDU):
Rede ID: ID1715906100

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715906200

(Beifall bei der SPD)

Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1715906300

Das mag ein Charakterproblem sein. Ich greife diesen
wischenruf gerne auf.

Ich denke, es ist gelungen, Bewegung in die Sache zu
ringen – Frau Kollegin Steiner hat es gesagt –, nicht zu-
tzt wegen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort, die an
iesem Thema beharrlichst drangeblieben sind. Aber
uch viele Angehörige der Opposition – zuletzt hat der
arteivorsitzende und Wahlkreisabgeordnete Sigmar
abriel Anfang Januar die Asse besucht – haben den
ruck verstärkt. Auch die anderen Oppositionsfraktio-
en haben mit ihren Initiativen dazu beigetragen, dass es
tzt vorangehen kann. Wir freuen uns, dass sich Ihr
inisterium jetzt auf den Weg macht.

Es ist erfreulich, wenn sich alle bekennen. Es ist er-
utigend, wenn Sie auch die Anregungen der Opposi-
on aufgreifen und wenn jetzt die Taskforce eingesetzt
ird, so wie es von der SPD beantragt wurde. Dass diese
askforce „Lenkungsgruppe“ heißt, tut ihrer Effektivität
offentlich keinen Abbruch.

Das Thema „Rückholung der Abfälle“ ist nicht in we-
igen Jahren beendet, sondern es wird uns 35 bis 40 Jahre
egleiten. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier fraktions-
nd wahrscheinlich auch legislaturperiodenübergreifend





Ute Vogt


(A) )


)(B)

zusammenwirken, vermutlich unter verschiedenen Re-
gierungen.

Bei einer so wichtigen Thematik finde ich es erstaun-
lich, dass es der Minister fertigbringt, sich nachhaltig zu-
rückzuhalten. Es ist ein durchaus gängiges Phänomen,
dass ein Minister unbequeme Themen lieber den Staats-
sekretären überlässt. Am Ende kann man nicht davon
profitieren, dass man sich immer nur mit Wohlfühlthe-
men beschäftigt. Am Ende hat nur derjenige Respekt
und ein solches Führungsamt verdient, der bereit ist, sich
in schwierigen Zeiten der Verantwortung zu stellen. Herr
Minister Röttgen wird dieser Verantwortung nicht ge-
recht. Er zeigt Desinteresse. Es ist für die Menschen in
der betroffenen Region, aber auch für das Parlament be-
schämend, einen solchen Umweltminister zu haben.


(Beifall bei der SPD – Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU] Was ist das für ein Ton?)


In diesen Tagen ist es entscheidend, dass es politi-
schen Rückhalt gibt. Es gab schon jede Menge Runde
Tische zum Thema Asse. Es gibt die Asse-Begleit-
gruppe, die gute Arbeit leistet. Alle Beteiligten haben
sich oft getroffen, aber es ist wenig passiert. Manches
konnte nicht in Gang gesetzt werden, gerade weil der
politische Rückhalt gefehlt hat.

Wir haben erfreut festgestellt, dass sich jedenfalls in
Niedersachsen einiges verändert hat, sodass auch von
dort mit Rückendeckung zu rechnen ist. Ein bemerkens-
wertes Ergebnis des Workshops war, dass uns die Fach-
leute, die dort zusammensaßen, gesagt haben: Das war
das erste Mal seit vielen Monaten, dass wir den Eindruck
hatten, wir haben die politische Rückendeckung, um die
Abfälle aus der Asse herauszuholen, und es wird nicht
mehr auf Zeit gespielt. – Das ist eine neue Situation. Das
bedeutet, dass politische Rückendeckung nicht nur durch
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zweiten Reihe,
sondern auch von höchster Ebene gegeben wird. Das er-
warte ich von einem Umweltministerium.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt geht es darum, das Verfahren zügig voranzubrin-
gen. Es müssen die rechtlichen Bedingungen geschaffen
werden, schneller handeln zu können. Es geht nicht um
die Einrichtung eines Endlagers, sondern um die Ab-
wendung von Gefahren durch ein nicht genehmigungsfä-
higes Endlager, also durch ein Lager, das so überhaupt
nicht hätte existieren dürfen. Maßnahmen auf dem Wege
der Gefahrenabwehr einzuleiten und das Atomgesetz zu
ändern, schließen sich möglicherweise nicht aus, son-
dern es müssen jeweils fallbezogene Ergänzungen vor-
genommen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Sinne der Men-
schen in der betroffenen Region und in Verantwortung
für die Bürgerinnen und Bürger, die rund um die Asse le-
ben, ist es gut, wenn wir Solidarität mit ihnen zeigen. Es
wäre zudem ein Zeichen von Verantwortung, wenn es
gelänge, im weiteren Verfahren einen gemeinsamen An-
trag zu formulieren. Wenn sich dieses Haus im Wesentli-
chen geschlossen positioniert, dann kann man es auch
schaffen, gemeinsam etwas zu Papier zu bringen.

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(C (D Das Vertrauen der betroffenen Region in die Politik t ziemlich erschüttert. Wenn wir gemeinsam etwas auf en Weg brächten, könnte das helfen, dieses Vertrauen enigstens ein Stück weit zurückzugewinnen. Der letzte Redner in dieser Debatte ist der Kollege ranz Obermeier für die Unionsfraktion. Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich ver uche, die Debatte zusammenzufassen: Bei den zentran Punkten gibt es einen breiten Konsens, eine Überein timmung in der Zielsetzung. Ich möchte nun einige Aspekte wiederholen, die beits angesprochen wurden. Selbstverständlich geht es in erster Linie darum, der etroffenen Bevölkerung rund um die Asse das Verauen nicht nur in unsere Handlungsfähigkeit wiederzueben, sondern auch darin, dass für uns der Schutz der enschen, der Mitarbeiter und der Umwelt absolut prio tär ist. In diesem Zusammenhang möchte ich Folgenes anmerken: Der Präsident des BfS hat in der Sitzung es Umweltausschusses in dieser Woche bestätigt, dass er Kontaminationsgehalt der Lauge in der Asse geriner ist, als die Grenzwerte für Trinkwasser es zulassen. (Stefan Rebmann [SPD]: Also homöopathisch!)


(Beifall bei der SPD)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715906400

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Franz Obermeier (CSU):
Rede ID: ID1715906500

enn es darum geht, dass man Fakten benennt und die
inge auf den Punkt bringt, sollte man die betroffene
evölkerung auch über eine solche Tatsache informie-
n.

In diesem Zusammenhang bitte ich zu berücksichti-
en, dass es in den zurückliegenden zwei Jahren keine
ennenswerten Verzögerungen hinsichtlich der Erkun-
ung des Salzstocks gab, zumindest keine, die gesetzge-
erisch verursacht waren.


(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch nicht um die Erkundung des Salzstocks!)


Ich bin Landesumweltminister Dr. Birkner sehr dank-
ar für seine ausgesprochen sachliche Bekundung der
anzen Angelegenheit. Wir müssen uns klar dazu beken-
en, dass Voraussetzung für das weitere gesetzgeberi-
che Tun die Erhebung der Faktenlage ist. Wenn wir die
aktenlage nicht voranstellen, besteht die große Gefahr,
ass wir im Wege eines Asse-Gesetzes in eine falsche
ichtung gehen und uns dann seitens der Bevölkerung
er Vorwurf gemacht wird, dass wir nur auf gesetzgebe-
schem Gebiet schnell handeln.

Ich teile die Auffassung, dass das BfS in diesem Fall
chtig vorgeht, indem es Fakten erhebt und dann auf-
rund seiner wissenschaftlichen Erkundungen Konzepte
ntwickelt, wie wir unter Berücksichtigung der genann-
n Prioritäten an die Rückholung der Fässer aus der





Franz Obermeier


(A) )



(B)

Grube Asse gehen können. Man muss berücksichtigen,
dass es sich hier um eine extrem komplizierte Arbeit
handelt, vor allem im Hinblick darauf, dass das Berg-
werk, in dem dann neue Schächte angelegt werden sol-
len, schon 100 Jahre alt ist. Dafür ist eine umfangreiche
Erkundung des Materials zwingende Voraussetzung.

Ich bin der Staatssekretärin sehr dankbar, dass sie die
Beschleunigungsmöglichkeiten angesprochen hat. Ich
bin dankbar, dass wir in diesem Hause willens sind, die
Beschleunigungsmöglichkeiten zu nutzen, also das
Asse-Gesetz nach einer möglichst raschen Faktenerhe-
bung zu verabschieden. Da ist es die eine Geschichte,
dass Sie die Lenkungsgruppe einsetzen, die Probleme
beim Management des gesamten Prozedere tatsächlich
bereinigen kann, und wir uns Gedanken machen, wie wir
die Beteiligung der Öffentlichkeit vor Ort so gestalten
können, dass die Bürger über das gesamte Vorgehen in-
formiert sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch ein
Wort zur Finanzierung der ganzen Angelegenheit sagen.
Natürlich müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass
diese Angelegenheit sehr teuer wird. Deswegen haben
wir die Brennelementesteuer eingeführt; sie wird ihren
Sinn und Zweck erfüllen. Ich will hier vor der Öffent-
lichkeit sagen, dass das Finanzgericht Baden-Württem-
berg vor wenigen Wochen eine Entscheidung gefällt hat,
mit der die Klage der EnBW zurückgewiesen wurde.
Gemäß der gerichtlichen Entscheidung hat die EnBW
keinen Anspruch auf Rückzahlung der Brennelemente-
steuer. Auch das ist eine vertrauensbildende Maßnahme:
Wir stellen nicht ständig geltende Gesetze infrage, weil
das zu Misstrauen in der Bevölkerung führen würde.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zum Abschluss ein Wort an Sie, Frau Kollegin Vogt.
Sie haben versucht, dem Bundesumweltministerium hin-
sichtlich der Behandlung dieses Falles Vorwürfe zu ma-
chen. Ich habe allerdings genau aufgepasst und festge-
stellt, dass Sie bei den Vorwürfen, genauso wie eine
ganze Reihe Ihrer Vorredner aus der Opposition, im Un-
gefähren geblieben sind. Das bringt uns auch nicht wei-
ter. Sie haben keinen einzigen konkreten Fall benannt, in
dem das Bundesumweltministerium zur Verzögerung der
Erkundung der Asse beigetragen hätte. Noch einmal:
Das bringt uns nicht weiter. Das sollten wir unterlassen,
wenn wir im Konsens beispielsweise ein Asse-Gesetz
verabschieden wollen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie nicht so genau zugehört! Beispiele wurden genannt!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715906600

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/8497 an den Ausschuss für Umwelt, Na-

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(C (D rschutz und Reaktorsicherheit vorgeschlagen. Sind Sie amit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die berweisung so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussmpfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz nd Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Fraktion ündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Beteiligung der nergiekonzerne an den Kosten für das Atommülllager sse“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemphlung auf Drucksache 17/4487, den Antrag der Fraktion ündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1599 abzuhnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – er stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be chlussempfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfrakon und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPDraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündis 90/Die Grünen angenommen. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit u dem Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel Rückholung der Atommüllfässer aus der Asse II bechleunigen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Bechlussempfehlung auf Drucksache 17/8588, den Antrag er Fraktion der SPD auf Drucksache 17/8351 abzulehen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussmpfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und er FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, er Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die rünen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 a und b auf: a)

richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus-
schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Günter
Gloser, Dietmar Nietan, Klaus Brandner, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Für einen Neubeginn der deutschen und euro-
päischen Mittelmeerpolitik

– Drucksachen 17/5487, 17/6421 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Joachim Hörster
Günter Gloser
Marina Schuster
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Müller (Köln)


b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Niema
Movassat, Heike Hänsel, Annette Groth, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Selbstständige Entwicklung fördern – Faire
Handelsbeziehungen zu Ägypten, Jordanien,
Marokko und Tunesien aufbauen

– Drucksache 17/8582 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
)





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Dr. Rainer Stinner für die FDP-Fraktion.


Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1715906700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Morgen jährt sich zum ersten Mal der Tag, an dem Präsi-
dent Mubarak vom ägyptischen Volk vom Throne gesto-
ßen worden ist. Wir erinnern uns alle an die Hoffnungen,
die wir mit diesem Tag verbunden hatten, nicht nur für
Ägypten, sondern für die gesamte Region. Nun sind wir
ein Jahr weiter. Viele unserer Erwartungen sind ent-
täuscht worden. Wir stellen fest: Uns haben, was die
Entwicklung in dieser Region angeht, die Mühen der
Ebene erreicht.

Vieles ist unklar. Eines aber ist klar – damit komme
ich auf das zurück, was wir vor einer Stunde diskutiert
haben –: Es gibt deutliche Signale, auch von liberalen
Kräften. Man sagt: Es ist zwar schön, dass ihr uns unter-
stützt, aber geht nicht davon aus, dass wir euer System
eins zu eins übernehmen werden. Man sagt uns auch: Ihr
müsst davon ausgehen, dass die Religion in unserem
Staatswesen in Zukunft eine größere Rolle spielt, ob
euch das passt oder nicht. – Damit müssen wir hier fer-
tigwerden. Ich sage trotz all der Anstrengungen, die wir
unternehmen müssen, ganz bewusst: Seien wir beschei-
den in dem, was wir erreichen wollen.

In diesem Zusammenhang stelle ich einen gewissen
Widerspruch zu der vorigen Debatte fest. Vorhin ist der
Bundesregierung vorgeworfen worden, sie betreibe
Großmannssucht nach dem Motto: An deutschem Wesen
soll die Welt genesen. Und: Alle sollten sich nach
Deutschland richten.


(Inge Höger [DIE LINKE]: So ist es doch auch!)


Nun werden wir vorwurfsvoll gefragt: Warum habt ihr
dieses oder jenes noch nicht erreicht? Das ist ein gewis-
ser Widerspruch. Meine Damen und Herren von der Op-
position, Sie müssen sich einmal Gedanken machen, in
welche Richtung Sie eigentlich gehen wollen. Wenn Sie
von Deutschland verlangen, tatkräftig zu sein, dann kön-
nen Sie uns auf der anderen Seite nicht vorwerfen, Groß-
mannssucht zu betreiben und wieder mehr in der Welt
sein zu wollen. Das passt irgendwie nicht zusammen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ich hatte im April vorigen Jahres die Freude, eine
Rede zu diesem Thema zu halten. Wir haben schon da-
mals gesagt – das ist heute noch richtig –: Wir müssen
uns fokussieren und die Instrumente, die uns für diese
Region zur Verfügung stehen, in stärkerem Maße anpas-
sen – zum Beispiel bei den Themen Union für das Mit-
telmeer, Barcelona-Prozess und Europäische Nachbar-
schaftspolitik –; denn in diese Bereiche fließen enorme
Geldmengen.

Ich will in Erinnerung rufen, dass zwischen den Jah-
ren 2007 und 2012 allein im Rahmen der Europäischen
Nachbarschaftspolitik 8 Milliarden Euro in diese Region
geflossen sind; das ist nicht wenig Geld. Wir müssen ge-
meinsam eine Antwort auf die Frage finden, ob dieses

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(C (D eld richtig angelegt ist. Ich glaube, nicht nur Deutschnd, sondern vor allen Dingen Europa muss in dieser insicht einfach noch besser werden. Die Union für das Mittelmeer hat zwar einige neue rogramme aufgelegt, aber sie ist nicht schlagkräftig geug. Es wurde die „Euro-Mediterranean Sustainable Uran Strategy“ entwickelt; eine Arbeitsgruppe trifft sich um ersten Mal im März dieses Jahres. Mit dem Projekt OGISMED wird ein Logistikverbund angestrebt. All iese Projekte sind vom Prinzip her gut und richtig, haen aber noch nicht die Schlagkraft erreicht, die wir eientlich brauchen. In der Europäischen Nachbarschaftspolitik haben wir ns entschieden – wie ich finde, zu Recht –, uns auf eiige Länder stärker zu fokussieren, weil wir den Unterchieden gerecht werden müssen. Wir können Marokko, unesien, Ägypten, Libyen usw. zum gegenwärtigen eitpunkt nicht in einen Topf werfen, weil die Situation diesen Ländern sehr unterschiedlich ist. Darauf müs en wir eingehen. Unser Ziel ist die wirtschaftliche Integration. Beipielsweise planen wir mit einigen Ländern, innerhalb on 15 Jahren einen gemeinsamen Wirtschaftsraum aufubauen. Um das zu erreichen, muss nach Fähigkeiten nd Bedarf vorgegangen werden. Wir haben eine sogenannte Transformationspartnerchaft mit Ägypten annonciert. Natürlich müssen wir uch in der heutigen Debatte sehr deutlich sagen, dass as, was in Ägypten gegenwärtig passiert, und zwar soohl auf der Straße als auch in den Gefängnissen als uch bei der Polizei als auch im Justizwesen, was zum eispiel die Konrad-Adenauer-Stiftung angeht, alles anere ist als das, was wir uns unter einer Transformationsartnerschaft vorgestellt haben. Deshalb müssen wir von ier aus sehr deutlich sagen: Liebe Leute in Ägypten, ir wollen euch gerne helfen; aber dafür müsst ihr viel ehr tun, als ihr bisher getan habt. o haben wir uns die Zusammenarbeit jedenfalls nicht orgestellt. Die Europäische Union hat am 14. Dezember des tzten Jahres angekündigt, umfassende Freihandelsabommen mit Tunesien, Ägypten, Marokko und Jordaien abzuschließen. Das ist richtig. Tunesien hat den Stas eines privilegierten Partners. Hier wird also eine anze Reihe von Dingen gemacht. Gerade an diesen Punkten setzt der Antrag der Linken n. Die Linken schreiben in ihrem Antrag, dass man das lles nicht machen sollte, dass man keine Freihandelsabommen schließen sollte; denn sie dienten nur dazu, ass wir, der böse Westen, die armen Leute noch mehr usbeuten. (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Das ist auch so!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


iebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ich kann
nen – das habe ich auch vorhin schon gesagt – eine ge-
isse Konsequenz nicht absprechen. Mit Ihrer Politik





Dr. Rainer Stinner


(A) )


)(B)

verfolgen Sie eine ganz konsequente Strategie der Ver-
elendung in diesen Ländern. Sie sagen: Es ist schlecht,
dass wir unsere Märkte für diese Länder öffnen, weil
Handel schlecht ist. Liebe Kollegen der Linken, das ha-
ben Sie erfolgreich in der DDR praktiziert, und das prak-
tiziert man in Kuba bis zum heutigen Tage.


(Patrick Döring [FDP]: So ist es! Nordkorea! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie sind erfolgreich bei 3 Prozent angekommen!)


Wir können nur sagen: Wir möchten den Leuten in Nord-
afrika nicht zumuten, dass Ihre Rezepte auf ihre Länder
angewendet werden. Wir werden das – das sage ich sehr
deutlich – verhindern.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Uns liegt heute ein Antrag der SPD vor, der viel Rich-
tiges enthält. Ich darf aber bemerken: Dieser Antrag ist
schon ein bisschen älter. Ich glaube, dass es problema-
tisch ist, in der Politik mit Anträgen umzugehen, die ein
gewissermaßen antiquarisches Format haben. Viele der
Forderungen, die Sie im letzten April gestellt haben, sind
realisiert worden. Daher möchte ich Sie ermuntern, sich
in die Debatte einzubringen und an der aktuellen Diskus-
sion teilzunehmen. Wie gesagt, will ich gar nicht bestrei-
ten, dass viele Dinge, die Sie angesprochen haben, völlig
richtig sind. Vieles ist aber auch schon realisiert. Wir
werden auf diesem Entwicklungspfad voranschreiten.
Wir wissen, wie schwer das ist. In Deutschland und in
der Europäischen Union haben wir ein Commitment:
Wir wollen den gesellschaftlichen Prozess, die Entwick-
lung in Richtung Rechtsstaat und die wirtschaftliche
Entwicklung in der Region durch Transformationspart-
nerschaften fördern, weil das im Interesse der Region
und im Interesse unseres eigenen Landes ist.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715906800

Der Kollege Günter Gloser hat nun für die SPD-Frak-

tion das Wort.


Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1715906900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!
In einer Debatte zur Mittelmeerpolitik können die ge-
genwärtig dramatischen Ereignisse in Syrien nicht aus-
geblendet werden. Wir alle sind über das kaltblütige Ver-
halten des syrischen Regimes entsetzt. Doch wir sind
nicht nur darüber entsetzt. Auch das Verhalten Russlands
und Chinas im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist
falsch und unverständlich. Ich appelliere daher nochmals
in Richtung Moskau und Peking: Setzen Sie sich für eine
Konfliktlösung bei den Vereinten Nationen ein und neh-
men Sie Einfluss auf das Assad-Regime – für einen Weg
der Deeskalation.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Von der Bundesregierung fordern wir seitens der PD-Fraktion in diesem Zusammenhang – wir haben daber schon mehrfach diskutiert –: Setzen Sie sich in den itgliedstaaten der Europäischen Union für einen kom letten Stopp der Abschiebungen nach Syrien ein. Das t ein Gebot der Menschlichkeit. Der Antrag, über den wir heute debattieren, ist – das t richtig – bereits zehn Monate alt. Seither ist die arabi che Welt eine andere geworden. Die Region befindet ich gegenwärtig immer noch in einer epochalen Veränerungsphase. Das bedeutet, dass sich vor allem in den öpfen der Menschen eine Revolution vollzogen hat. as mutige Beispiel der Tunesier, aber auch das der gypter haben den Menschen gezeigt, dass sie die acht und das Recht haben, Veränderungen zu fordern nd auch durchzusetzen. Das ist eine wahre Revolution. elbst in den Ländern, in denen es keine Umstürze gab, ersuchen Regierungen, den Menschen durch Reformen ntgegenzukommen. Mit den positiven Veränderungen geht es weiter. Ich öchte einige aufführen: Erstens. In Marokko wurde vom König ein Verfasungsprozess angestoßen, der zu einem ersten Kompenzgewinn des Parlaments führte. Zweitens. Zu begrüßen ist auch die in den letzten Taen festzustellende Annäherung zwischen Algerien und arokko. Auch das war in den letzten Jahren Thema. Drittens. Die angekündigte Bildung einer palästinenischen Einheitsregierung ist ebenfalls ein positives Sinal. Damit wird eine wichtige Vorbedingung für ein Vonkommen im Nahostfriedensprozess erfüllt. Viertens. Die Arabische Liga vertrat in der Verganenheit eher die Interessen der Machthaber als der Beölkerung ihrer Mitgliedstaaten. Auch sie definiert ihre olle derzeit neu und sucht den Anschluss an die Vereinn Nationen, wie das aktuelle Beispiel ihres Vorschlags r eine gemeinsame Beobachtermission mit der UNO in yrien zeigt. Bei aller Schmerzhaftigkeit der aktuellen Entwickng in Syrien: Die Gesamtentwicklung der Region be eutet für uns einen großen Gewinn; denn sie gibt uns rstmals Hoffnung auf eine nachhaltige Sicherheit in unerer südlichen Nachbarschaft, und das angesichts all der inge, Herr Kollege Stinner, die Sie angesprochen haen; manchmal haben wir vielleicht andere Entwicklunen erwartet. Diese Hoffnung ist aber auch eine Verflichtung, das Unsrige zu tun, um den Menschen in ieser Region zu helfen, und zwar beim Aufbau ihrer Intitutionen und ihrer Demokratien, aber auch bei der Löung der drängenden Probleme, bei der wirtschaftlichen ntwicklung, bei der Schaffung sozialer Sicherheit und um Teil auch bei der Verbesserung der Infrastruktur. Was genau kann Europa anbieten? Frank-Walter teinmeier und ich haben im Februar 2011 ein – zugegeen – kurzes Papier vorgelegt, in dem wir die Umrisse ines Marshallplans für die arabische Welt gefordert haen. Das mag in manchen Ohren nach Einmischung Günter Gloser )


(Beifall bei der SPD)





(A) )

klingen. Aber unser Ansatz bedeutet partnerschaftliche
Kooperation auf gleicher Augenhöhe. Dieser Ansatz be-
ruht auf gegenseitigem Vertrauen zwischen Nord und
Süd.

Einiges, was wir im letzten Februar gefordert haben, ist
umgesetzt worden. Ich will gar nicht damit hinter dem
Berg halten, dass einige Dinge in die Transformations-
partnerschaft eingeflossen sind. Aber die historischen Er-
eignisse von 2011 fordern uns nicht zu Einzelmaßnahmen
auf. Wir müssen die europäische Mittelmeerpolitik neu
ausrichten. Dabei müssen wir die eigenständige Ent-
wicklung der jungen Zivilgesellschaften der arabischen
Welt respektieren, aber auch auf Gemeinsamkeiten hin-
arbeiten.

Die Idee vom Mittelmeer als dem Mare Nostrum ist
nicht neu. Bereits die Römer sprachen von „unser
Meer“, aber gewiss mit Vorstellungen und Absichten
verbunden, die anders sind als die, die wir heute haben.
Wir wollen heute die um das Mittelmeer liegenden Staa-
ten als einen gemeinsamen politischen, wirtschaftlichen
und sozialen Raum gestalten. Doch die Flüchtlingskata-
strophen mit ihren vielen Opfern im Mittelmeer zeigen
auf dramatische Weise, dass wir von diesem gemeinsa-
men Raum noch weit entfernt sind. Daran muss Europa
unbedingt etwas ändern. Abschottung allein wird auf
Dauer nicht die Lösung sein können. Wir wollen, ja wir
müssen andere Wege gehen.


(Beifall bei der SPD)


Die von der SPD in diesem Antrag geforderte Bil-
dungsmigration ist sicherlich – dies weiß ich – ein um-
strittener Punkt. Aber ich möchte ihn hier dennoch
ausdrücklich erwähnen. Hier setzt unsere wichtigste Ver-
antwortung an. Wenn wir es wirklich ernst meinen mit
einer neuen Mittelmeerpolitik und mit der Unterstützung
für die Länder, die den Weg der Demokratie, der Verän-
derung und der Rechtsstaatlichkeit gehen, dann müssen
wir eine größere Zahl von gut qualifizierten Menschen
aus diesen Ländern für eine längere Zeit in der Europäi-
sche Union willkommen heißen. Wir müssen sie in unse-
ren Arbeitsmarkt integrieren. Wir müssen sie nach drei
oder fünf Jahren, wenn sie zurückwollen, mit Risikoka-
pital ausstatten, damit sie in ihrer Heimat Arbeitsplätze
schaffen können.

Die Konzepte dafür liegen vor. Wie ich höre, bereitet
auch die Bundesregierung solche Programme vor. Aber
bislang konnten sich die zuständigen Ministerien noch
nicht auf die Einzelheiten einigen. Ich fordere die Bun-
desregierung daher auf, diese administrativen Fragen
schnell zu klären und dem Bundestag zu berichten, wie
sie sich Lösungen für diese drängenden Probleme vor-
stellt.

Wie schon vor einem Jahr fordern wir den Abbau von
Handelshemmnissen, die Errichtung von Freihandelszo-
nen und den weiteren Ausbau der Zusammenarbeit mit
der Region, vor allem in den Bereichen Landwirtschaft
und Fischerei. Das sage ich ganz bewusst mit Blick auf
die Interessen der südlichen Länder. Nicht nur unsere
Güter sollen von einer Freihandelszone profitieren und
in den Süden exportiert werden können; vielmehr sollen

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(C (D uch die im Süden produzierten Güter leichter in den orden exportiert werden können. Ich glaube, da sind och einige Hausaufgaben zu machen. Lassen Sie mich abschließend noch etwas grundsätzcher werden. In der Vergangenheit schien es in der uropäischen Union eine Arbeitsteilung zu geben: eutschland, Polen, Österreich und noch einige andere änder waren für Osteuropa zuständig, Frankreich, aber uch Spanien und Italien für die südliche Nachbarschaft. Durch die arabischen Revolutionen ist diese Arbeitsilung obsolet geworden, nicht nur politisch, sondern uch gesellschaftlich. Wir alle merken dies nicht zuletzt n den zahlreichen Veranstaltungen zum arabischen rühling, zu den Umbrüchen in der arabischen Welt. ieses Interesse und der Mut der Menschen in der Reion sind für uns ein Auftrag. Um ihn zu erfüllen, müsen wir, finde ich, unsere Kräfte bündeln; vor allem müsen wir auf politischer Ebene die Kraft der Europäischen nion nutzen. Ich rege an – Staatsminister Link ist ja anwesend –, tzt einmal ein klares Zeichen im Rahmen der EU und er Arabischen Liga zu setzen; dies ist aufgrund der Vernderung notwendig. Ich finde, ein entsprechendes Trefn – wir haben uns schon zu ganz anderen, weniger be eutsamen Anlässen getroffen – wäre sinnvoll, auch um eutlich zu machen, dass wir die Region stärken. Lassen Sie mich eine zweite Anregung geben. Vielicht wäre es sinnvoll, in Deutschland – in anderen Länern ist dies schon geschehen – eine nationale Forchungsund Beratungsstelle für Mittelmeerpolitik inzurichten, welche die vorliegenden und die neu zu ntwickelnden Konzepte bündelt und der Öffentlichkeit nd der Politik präsentiert. Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Der Voritzende der tunesischen Verfassungsversammlung, r. Ben Jaffar, hat am Mittwoch auf einer gut besuchten onferenz der SPD-Fraktion zum Ausdruck gebracht, as für die Menschen vor Ort von Bedeutung ist. Zitat: Wir brauchen unsere Freunde in Deutschland. Wir haben uns befreien können von unserem Diktator, aber das hat Spuren hinterlassen, mit eurer Unterstützung schaffen wir es. Die Botschaft an die Menschen muss sein: Es gibt Hoffnung! iese Hoffnung sollten wir nicht enttäuschen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715907000

Das Wort hat der Kollege Joachim Hörster für die

nionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Joachim Hörster (CDU):
Rede ID: ID1715907100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor

napp zehn Monaten, am 14. April 2011, haben wir hier
diesem Hohen Hause über den Antrag der SPD-Frak-





Joachim Hörster


(A) )


)(B)

tion diskutiert, der, wenn wir ihn heute lesen, in weiten
Teilen zumindest ergänzungsbedürftig ist, wenn nicht
sogar in die falsche Richtung weist. Ich hatte die Hoff-
nung, dass zum Beispiel im Auswärtigen Ausschuss die
Gelegenheit genutzt wird, diesen Antrag auf Initiative
der SPD zu erneuern und à jour zu bringen.

Wenn wir genau hinhören – wir haben die Reden von
Herrn Stinner und Herrn Gloser gehört; auch in meiner
Rede wird dies deutlich –, stellen wir fest, dass wir hin-
sichtlich des Umgangs mit den Problemen im Mittel-
meerraum politisch nicht sehr weit auseinanderliegen.
Ein Unterschied besteht vermutlich darin, dass die So-
zialdemokraten glauben, es könnte ein allgemeingültiges
Konzept geben, wie wir als Europäer, aber auch als
Deutsche mit den Mittelmeeranrainern umgehen, wäh-
rend wir von der Koalition der Auffassung sind, dass wir
uns Land für Land anschauen und für jedes Land eigene
Konzepte entwickeln müssen.

Ich möchte unterstreichen, was der Bundesaußen-
minister gesagt hat: Es kommt entscheidend darauf an,
welche Art von Hilfen die Mittelmeeranrainer von uns
wollen. Das, was wir jetzt in Ägypten erleben, ist skan-
dalös. Wir gehen viel zu vornehm damit um. Es kann
doch nicht sein, dass wir unsere Hilfe zur Installation der
Demokratie und zur Förderung des Parlamentarismus
anbieten, wir die Vorbereitungen von Wahlen erklären
und vieles andere mehr machen und dass dann die Stif-
tungen, die seit 30 Jahren unbehelligt in Ägypten arbei-
ten, mit rückwirkender Verfügung auf einmal sozusagen
kriminalisiert werden. Dadurch wird einem gewisserma-
ßen der Stuhl vor die Tür gestellt. Dies ist keine Einla-
dung, zusammen etwas zu unternehmen, um die Demo-
kratie in Ägypten zu fördern.

Das ist für mich Anlass, noch einmal darauf hinzu-
weisen, dass wir von Land zu Land unterscheiden soll-
ten. Das einzige Land, bei dem ich die Hoffnung habe,
dass der arabische Frühling zu einem Erfolg der Demo-
kratie wird, ist Tunesien. Alle anderen Länder haben
eine ganze Reihe von kleinen Schritten gemacht, die wir
begrüßen sollten. Wir müssen uns allerdings auch eini-
gen, ob wir, wenn zum Beispiel in Marokko ein bisschen
mehr Parlamentarismus und Demokratie betrieben wird,
lauthals schreien, dass dies nicht genug ist, oder ob wir
sagen: Ihr seid auf dem richtigen Weg, lasst uns zusam-
menarbeiten, um dies zu vertiefen.

Wir müssen auch mit solchen Entwicklungen umge-
hen, wie sie sich zum Beispiel bei den Monarchien in den
arabischen Ländern zeigen. Es muss Aufmerksamkeit er-
wecken, wenn die Mitgliedstaaten des Golfkooperations-
rates darüber nachdenken, Jordanien und Marokko aufzu-
nehmen; denn damit wären im Golfkooperationsrat alle
arabischen Monarchien vereinigt. Dann könnten sie eine
gemeinsame Politik betreiben. Es wäre spannend, zu un-
tersuchen, wie wir uns dazu verhalten würden. Es wäre
gut, wir würden uns dazu verhalten; denn es können auch
andere als revolutionäre Entwicklungen, die zur Förde-
rung der Demokratie beitragen, stattfinden.

Die Situation in Ägypten – ich glaube, das brauchen
wir nicht weiter zu erörtern – ist außerordentlich kri-

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(C (D sch. Ich weiß nicht, ob es – gewissermaßen subkutan – in Agreement zwischen den Moslembrüdern und der rmee gibt. Mir erscheint das, was dort vor sich geht, ehr merkwürdig, auch was den Umgang mit konkurrienden Parteien und konkurrierenden Kandidaten beifft. Wir werden mit großer Aufmerksamkeit verfolgen üssen, was in Ägypten geschieht. Wir müssen auf je en Fall immer bereitstehen, wenn es darum geht, die emokratie zu fördern und zu helfen. Die Situation in Syrien ist schrecklich; die Kollegen loser und Stinner haben das angesprochen. Wir haben eine Möglichkeiten, dort in größerem Umfang einzureifen; im Auswärtigen Ausschuss haben wir intensiv arüber diskutiert. Ich glaube, jetzt müssen wir folgenen Weg beschreiten: Wir müssen Russland in die flicht nehmen – nicht nur unter dem Gesichtspunkt eier UN-Resolution, sondern auch unter dem Gesichtsunkt der Zulassung humanitärer Hilfe –, um in dem chrecklichen Chaos, das zurzeit in Syrien herrscht, tätig erden zu können. Russland muss seinen Verbündeten yrien zwingen, dafür zu sorgen, dass zumindest humaitäre Hilfe durch den Roten Halbmond und das Rote reuz gewährleistet werden kann und die bewaffneten useinandersetzungen so schnell wie möglich einge tellt werden. Ich denke, man muss die Russen, die im icherheitsrat der Vereinten Nationen eine Führungsverntwortung wahrnehmen, beim Portepee fassen und saen: Es ist jetzt eure Pflicht, das auf die Reihe zu bekomen, um den europäischen Standards Genüge zu tun. ie Russen wollen schließlich Teil Europas sein, und uch wir wollen, dass sie es sind. Ich glaube, wenn wir jedes Land für sich betrachten nd mit offenen Augen die Besonderheiten wahrnehen, dann wird es uns gelingen, eine vernünftige Politik u betreiben. Ich glaube nicht, dass wir eine neue Mitteleerpolitik mit festen Programmen, die überall in glei her Form angewendet werden, brauchen. Vielmehr solln wir das tun, was der Bundesaußenminister gesagt at: Land für Land und Kooperationsmöglichkeit für ooperationsmöglichkeit untersuchen und dann geeigete Maßnahmen ergreifen. Das hilft uns weiter. Wir alle wissen: Das größte Problem in den betreffenen Ländern ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Ich laube nicht, dass dieses Problem dadurch gelöst wird, ass man für Visafreiheit sorgt. (Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Natürlich! Auch!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


h glaube, es wird dadurch gelöst, dass man den jungen
euten Beschäftigungsmöglichkeiten gibt, das duale Aus-
ildungssystem exportiert und die mittelständische Wirt-
chaft, sofern sie in den arabischen Ländern vorhanden
t, ermutigt, junge Leute auszubilden und sie als Ar-
eitskräfte zu übernehmen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )


)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715907200

Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin

Sevim Dağdelen das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715907300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Situation in Syrien wurde angesprochen.
Die gegenwärtigen Kriegsdrohungen gegenüber Syrien
und der vorangegangene völkerrechtswidrige Überfall
der NATO auf Libyen zeigen eindrücklich, dass europäi-
sche Mittelmeerpolitik zurzeit nichts weiter ist als Au-
ßenpolitik, die das Recht des Stärkeren durchsetzt.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Mit welch schlimmen Folgen: Mehr als 50 000 Tote im
Libyen-Krieg! Jetzt werden in den Lagern in Libyen so-
genannte Gaddafi-Anhänger zu Tode gefoltert. Erst
Ende Januar dieses Jahres wurde der ehemalige libysche
Botschafter in Paris tot aufgefunden. Es kann einem
schlecht werden, wenn man sich die Ergebnisse dieser
Ihrer humanitären Interventionen ansieht.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb steht die Linke, auch mit Blick auf die Mittel-
meerregion, ohne Wenn und Aber für Verhandlungen
statt Eskalation und – auch über die Mittelmeerregion hi-
naus – für Sicherheitsgarantien statt Förderung von Ge-
waltspiralen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte Sie daran erinnern – weil Sie so tun, als
sei das alles nicht geschehen –, dass Staatspräsidenten
wie Assad vor nicht allzu langer Zeit bei der Gründung
der Mittelmeerunion in Paris – auch Sie haben sie unter-
stützt – noch auf der Ehrentribüne sitzen durften.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Oh ja!)


Unter Rot-Grün wurden Häftlinge mit BKA-Beglei-
tung nach Syrien zum Foltern geflogen. Als einzige Par-
tei hat die Partei Die Linke dies immer wieder verurteilt
und kritisiert. Daran sollten Sie sich erinnern, wenn Sie
jetzt über einen sogenannten Neubeginn sprechen.

Die SPD beruft sich in ihrem Antrag auf die Ziele der
europäischen Sicherheitsstrategie, nach der – ich zitie-
re – „an den Mittelmeergrenzen ein Ring verantwor-
tungsvoll regierter Staaten“ entstehen soll. Sie ver-
schweigen, dass „verantwortungsvoll“ für die EU auch
der libysche Diktator Gaddafi und bis vor kurzem eben
auch Assad gewesen sind, solange der eine Migration
bekämpft hat und der andere bereit war, durch out-
gesourcte Folter auch deutsche Sicherheitsbehörden im
Kampf gegen den sogenannten Terrorismus mit Informa-
tionen zu beliefern.

Im Grunde handelt es sich bei den Forderungen der
Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion um die üb-
lichen Zutaten des EU-Gesamtansatzes, das heißt um
Grenzsicherung, Migrationsbekämpfung, den Abbau von
Handelshemmnissen und die Einrichtung von Freihan-
delszonen. Herr Gloser hat das alles hier heruntergebetet.

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(C (D prich: Es ist die alte falsche Strategie. Sie wollen jemanem eine Medizin verabreichen, die zu einer schlimmen rankheit geführt hat, und jetzt wollen Sie auch noch die osis dieser falschen Medizin weiter erhöhen. (Günter Gloser [SPD]: Sie haben nicht zugehört!)


llein die Linke will den Mittelmeerraum nicht weiter
it Migrationsabwehr und Neoliberalismus beglücken.
ie Menschen rund um das Mittelmeer haben wirklich

twas Besseres verdient als Frontex und andere Abschot-
ngsinstrumente.


(Beifall bei der LINKEN)


Erschreckend ist an Ihrem Antrag auch, dass nicht ein-
al mit einem Wort die Tausenden von Toten an den Mit-
lmeergrenzen als Preis des gegenwärtigen Abschot-
ngsregimes erwähnt werden. Sie strengen sich auch gar

icht an. Es gibt keine ernsthaften Überlegungen in Ihrem
ntrag, wie man Menschenleben durch Lockerungen der
igrations- und Asylpolitik retten könnte.


(Beifall bei der LINKEN)


tattdessen sprechen Sie von Rückübernahmeabkom-
en und Resettlement. Das ist einfach erbärmlich. Der
NHCR hat erst letzte Woche die neuesten Zahlen für
as Jahr 2011 bekanntgegeben. Noch nie war eine so
roße Zahl von Menschen auf dem Weg nach Europa zu
erzeichnen, die entweder noch als vermisst gelten oder
rtrunken sind. Über 1 500 Tote – und Sie sprechen hier
on Resettlement und Rückübernahmeabkommen. Ich
nde, Sie sollten umkehren und Ihre Migrationsabwehr-
olitik ändern. Dass Sie das nicht tun, haben Sie letztens
ewiesen, als Sie sich bei der Abstimmung über den An-
ag der Linken zum Stopp der Abschiebungen nach Sy-
en enthalten haben.

Ich frage Sie, warum ein Weiter-so in Sachen Freihan-
elspolitik der EU und Migrationsbekämpfung gelten
oll. Hier wäre doch die Möglichkeit für einen wirkli-
hen Neubeginn gewesen. Die Linke findet, der wahre
aßstab für einen wirklichen Neubeginn ist die Einlö-

ung des Versprechens von Freiheit, Gleichheit und Soli-
arität auch gegenüber den Menschen im Mittelmeer-
um. Die Linke will diesen Neubeginn. Wir finden – ich

itte Sie, lassen Sie uns das einmal gemeinsam versu-
hen –, dass man hier mit ganz konkreten Schritten be-
innen könnte, nämlich indem man einfach beschließt,
eine Rüstungsexporte in den Mittelmeerraum und keine
bschiebungen von Migranten und Flüchtlingen aus
em Mittelmeerraum zuzulassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Solidarität statt Krieg und Ausbeutung – das sollte
nser Motto sein. Dafür steht jedenfalls die Linke.


(Beifall bei der LINKEN – Patrick Döring [FDP]: Ziemlich allein allerdings!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715907400

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun

ie Kollegin Viola von Cramon-Taubadel.






(A) )


)(B)


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Verehrte Damen und Herren! Jetzt blicken wir also
nach einem Jahr – das haben meine Vorredner schon ge-
macht – auf die Region rund um das südliche Mittelmeer.
Was ist von den überraschenden Aufständen in Tunesien,
Ägypten, Marokko oder auch in Libyen geblieben? In den
meisten Fällen ist der Ausgang – das haben auch Sie, Herr
Stinner, gesagt – komplett unklar. Die Anfangseuphorie
ist vielfach der Ernüchterung gewichen. In Syrien hält die
Gewalt des brutalen Regimes an. Gleichzeitig müssen wir
fragen – das hat wenig mit Großmannssucht zu tun, son-
dern mit Pragmatismus –, ob wir die notwendige Unter-
stützung für eine echte Transformation auf den Weg ge-
bracht haben. Wenn ich in Richtung Bundesregierung
schaue und mir die Panzerlieferungen in Erinnerung rufe,
dann sage ich: Das kann sicherlich nicht die Antwort sein.

Die Hoffnungen richteten sich zunächst auf Ägypten
und Tunesien, wo es erstmals freie Wahlen gab. Doch
nicht nur die Gewalteskalation im Stadion von Port Said
in der letzten Woche zeigt, wie fragil die Situation insbe-
sondere noch in Ägypten ist.

Gestern haben wir über die Stellung der politischen
Stiftungen gesprochen. Herr Hörster hat gesagt, die Si-
tuation sei skandalös. Wir wissen aber auch, dass es
nicht nur die Konrad-Adenauer-Stiftung, sondern auch
die nationalen Stiftungen trifft. Wir müssen natürlich
versuchen, in Zusammenarbeit mit dem Militärrat zu ei-
ner Lösung zu kommen. Diese Eskalation auf diplomati-
scher Ebene weist aber darauf hin, dass der Militärrat
seine Macht nicht teilen, sondern vielmehr verfestigen
möchte.

Wie lassen sich die Prozesse hin zu mehr Rechtsstaat-
lichkeit und Demokratie aus unserer Sicht also beschleu-
nigen? Die Europäische Union hat hierfür im Rahmen
ihrer neuen Nachbarschaftspolitik insgesamt 1,24 Mil-
liarden Euro versprochen. Angesichts der Herausforde-
rung ist das eine angemessene Summe; auch das wurde
bereits erwähnt. Allerdings kommt das Geld viel zu
langsam vor Ort an.

Nur in Tunesien – das ist auch unsere Hoffnung – hat
sich das Engagement der EU sichtbar erhöht. Sie haben
es gesagt: Hier könnte die Hilfe wirken. Das Prinzip ins-
gesamt, das hinter der neuen Nachbarschaftspolitik steht
– „More for more“ –, konnte bisher aber in keinem die-
ser Staaten wirklich neue Impulse geben.

Was muss unserer Meinung nach stattdessen gemacht
werden? Wir sagen: Vor allem die Zivilgesellschaft muss
gefördert werden. Dazu bietet sich eine europäische Stif-
tung für Demokratie an, um den Wandel im südlichen
Mittelmeerraum dynamisch zu unterstützen.

Die Kollegin von der Linken hat es richtig gesagt:


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nicht nur das!)


Bei der Migrationspolitik haben wir uns bisher viel zu
lange und viel zu viele wohlmeindende Phrasen geleis-
tet. – Anstatt weiter Abwehrmaßnahmen zu praktizieren,

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(C (D üssen wir die häufig erwähnten Mobilitätsund Bilungsprogramme endlich auch umsetzen. Herr Hörster, ie Visafreiheit ist hierfür ein wichtiger Baustein. hne einen besseren Zugang für die Menschen nach Eupa wird es keine echte Mobilität geben. Das müssen ir einfach anerkennen. Für uns ist die Zeit des Mauerbaus und des Zäuneiehens vorbei. Leider wurde in Libyen mit deutscher ückendeckung – auch das wurde erwähnt – ein sogeanntes Grenzsicherungssystem installiert und mit Makko und Tunesien zunächst über Rücknahmeabkomen für Flüchtlinge und erst dann über eine weitere nterstützung verhandelt. Das ist leider die Realität. Was allerdings die Freihandelsfragen anbelangt – dait komme ich zum Antrag der Linken –, sprechen Sie iele wichtige Punkte an. Jeder wird den Titel „Faire andelsbeziehungen zu Ägypten, Jordanien, Marokko nd Tunesien aufbauen“ unterschreiben. Wir wollen uns llerdings erweiterten Handelsabkommen mit den südlihen Ländern auf keinen Fall komplett verschließen. Wir ollen einen echten Pakt für Ausbildung und Arbeit und icht die nationalen Grenzen verstärken. Wir wollen ohe Umweltund Sozialnormen in diesen Abkommen erankern und natürlich keine bilateralen Verhandlunen, wie sie derzeit in der EU vorgesehen sind. Ich laube, im Rahmen des Agadir-Abkommens – das war schon einmal angedacht – könnte man nicht nur die andelswege Richtung EU, sondern auch die Handels tröme der Länder untereinander erleichtern. Jetzt komme ich zu dem Aspekt der echten Solidarität egenüber den Freiheitsbewegungen. Diese können wir ur dort beweisen, wo die Staaten mit ihren Produkten ereits heute wettbewerbsfähig sind. Das ist bei sehr vien Produkten im Agrarsektor der Fall. Wir müssen uns ierüber mit unseren Partnern in den südlichen Ländern useinandersetzen, was wir im Moment zum Teil nicht n. ir wissen, dass sie krisengeschüttelt sind. An dieser telle würde ich mir wünschen, dass wir innerhalb der U etwas mehr Mut hätten und uns für einen freieren ugang für marokkanische oder tunesische Produkte insetzen würden. Deshalb plädieren wir für eine Öffung der EU-Agrarmärkte – zur Not auch mit einem ehrheitsentscheid. Vielen Dank. Den Beitrag des Kollegen Dr. Wolfgang Götzer aus er Unionsfraktion nehmen wir zu Protokoll.1)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715907500

Ich schließe die Aussprache.

Anlage 3





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) )


)(B)

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-
trag der Fraktion der SPD mit dem Titel „Für einen
Neubeginn der deutschen und europäischen Mittelmeer-
politik“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 17/6421, den Antrag der
Fraktion der SPD auf Drucksache 17/5487 abzulehnen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der
FDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke gegen die
Stimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen angenommen.

Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke
mit dem Titel „Selbstständige Entwicklung fördern –
Faire Handlungsbeziehungen zu Ägypten, Jordanien,
Marokko und Tunesien aufbauen“. Wer stimmt für den
Antrag auf Drucksache 17/8582? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stim-
men der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der
SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 a und b auf:

a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Ulla Jelpke, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Deutsche Polizeiarbeit in Afghanistan

– Drucksachen 17/1069, 17/2878 –

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan
Korte, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE

Abzug deutscher Polizisten aus Afghanistan

– Drucksachen 17/4879, 17/8443 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Armin Schuster (Weil am Rhein)

Wolfgang Gunkel
Gisela Piltz
Ulla Jelpke
Wolfgang Wieland

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715907600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Je län-

ger wir uns mit dem Polizeiaufbau in Afghanistan befas-
sen, desto mehr müssen wir erkennen: Er dient nicht
dem Schutz der dortigen Bevölkerung, sondern ist eine
Facette des Militäreinsatzes.

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(C (D Viele Polizisten bedeuten nicht viel Sicherheit. Im egenteil: Der UN-Flüchtlingskommissar hält fest – ich itiere –: Die wachsende Zahl bewaffneter Prowie ntiregierungskräfte lässt das Gefühl von Unsicherheit, nspannung und Furcht bei den afghanischen Zivilisten nsteigen. – Auch die Pro-Kräfte schaffen Unsicherheit. eshalb fordern wir, die deutsche Hilfe für den Polizei ufbau endlich zu beenden. Menschenrechtsorganisationen sind sich einig: Die fghanische Polizei ist korrupt und gewalttätig gegen die igene Bevölkerung. Sie misshandelt und foltert Festgeommene. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird alles besser, wenn wir die Ausbildung einstellen? Das ist eine Logik! Unglaublich!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


ie kassiert an Checkpoints Schmiergelder und Wege-
elder. Sie raubt und vergewaltigt und mordet bei Haus-
urchsuchungen. Sie steht im Dienst von Warlords.

Selbst der US-Sondergeneralinspekteur stellt einen
onsens in der afghanischen Bevölkerung darüber fest,
ass die Polizei hochgradig korrupt und eng mit krimi-
ellen Machthabern verzahnt ist.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na so was! Deswegen nehmen wir Reißaus!)


Das kann man nachlesen, Herr Wieland. – Sogar das
chwedische Militär warnt mittlerweile, das Verhalten
er sogenannten Sicherheitskräfte treibe die Bevölke-
ng erst recht in die Arme der Aufständischen. Auch

as zeigt, Herr Wieland: Die NATO-Politik ist auf gan-
er Linie gescheitert.


(Beifall bei der LINKEN – Günter Baumann [CDU/CSU]: So ein Blödsinn! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die deutsche Polizei im NATO-Einsatz!)


Im deutschen Sektor in Nordafghanistan wurde vori-
en Sommer General Abdul Wahid Rahman, übrigens
uch als Baba Jan bekannt, zum Polizeikommandeur er-
annt. Die Frauenrechtsorganisation RAWA in Afgha-
istan kennt ihn – Zitat – als „brutalen Menschenrechts-
erletzer, der an Plünderungen und Morden beteiligt
ar“. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights
atch beschuldigt ihn der Kriegsverbrechen an der Zi-

ilbevölkerung. Die Bundesregierung verwies in der
ntwort auf eine Anfrage von mir auf die Zuständigkeit
er afghanischen Justiz. Das ist wirklich ein schlechter
itz. Schließlich beklagen Menschenrechtsorganisatio-

en und UNO-Instanzen unisono die allgemeine Straf-
sigkeit.

Die Bild-Zeitung hat vor zwei Monaten einen inzwi-
chen ermordeten Polizeichef namens Daud Daud er-
ähnt, der nach Angaben des BND in Afghanistan eben-
lls in Drogengeschäfte verwickelt ist. In der Zeitschrift
ie Bundeswehr lese ich über einen Anführer der soge-





Ulla Jelpke


(A) )


)(B)

nannten Afghanischen Lokalen Polizei – Zitat –: „Wer
nicht spurt, den peitscht er aus.“ Das sei zwar „gewöh-
nungsbedürftig, aber da halten wir uns raus“. So sieht
der angebliche Aufbau der Demokratie bzw. des Rechts-
staats aus. Das können wir wirklich nicht mittragen. Da-
mit muss Schluss sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Diese Verbrechen sind kein Einzelfall, sondern liegen
in der Natur der Sache. Da werden junge Männer nach
acht Wochen Kurzausbildung ohne Abschlussprüfung
mit Uniform und Waffen versehen. 90 Prozent von ihnen
sind im Übrigen Analphabeten und sollen Gesetze
durchsetzen, die sie noch nicht einmal lesen können.
Warum läuft das so? Weil die NATO das genau so haben
will. Sie will keine rechtsstaatliche Kraft aufbauen, son-
dern bloß eine einheimische Truppe zur Intensivierung
des Bürgerkrieges.


(Günter Baumann [CDU/CSU]: So ein Quatsch! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Rote Armee muss wiederkommen! Die NATO kann das nicht!)


Auch die Bundesregierung – Herr Wieland, lesen Sie un-
sere Große Anfrage – schreibt in ihrer Antwort, dass
eine Ausbildung im militärischen Sinne notwendig ist.

Wir sprechen den deutschen Polizisten nicht ihre ehr-
lichen Absichten ab – damit das ganz klar ist –,


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es sind offenbar alles Trottel, die da sind!)


aber ihr Einsatz ist zum Scheitern verurteilt, weil die
NATO nicht auf Demokratie, sondern auf die Stärkung
eines korrupten Regimes setzt.


(Beifall bei der LINKEN)


Es gibt nur einen einzigen Weg aus dieser Situation:
Es muss eine Antikriegspolitik geben. Ziehen Sie nicht
nur die Bundeswehr aus Afghanistan ab, sondern auch
die Polizei! Holen Sie die Polizisten aus Afghanistan zu-
rück! Das ist die einzige Lösung, die es zurzeit gibt.


(Günter Baumann [CDU/CSU]: Das ist überhaupt keine Lösung!)


Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715907700

Das Wort hat der Kollege Armin Schuster für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1715907800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Linke beschäftigt sich im vorliegenden An-
trag mit unseren deutschen Polizeimissionen in Afgha-
nistan; dabei geht es weniger um die NATO.

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(C (D (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Die NATO hat die Oberhand!)


as begrüßen wir insbesondere deshalb, weil Sie, Frau
elpke, noch auf Ihrem Parteitag am 15. und 16. Mai
010 in Rostock festgestellt haben, die Bundesrepublik
eutschland müsse zivile und selbstbestimmte Struktu-
n in Afghanistan unterstützen und beim Aufbau helfen.
enau das ist das Ziel unseres Einsatzes. Aber warum
rdern Sie dann heute genau das Gegenteil von dem,
as Sie auf Parteitagen beschließen, nämlich einen voll-

tändigen Rückzug aller Polizeibeamten? Das passt nicht
usammen, Frau Jelpke.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war der andere Flügel!)


Meine Damen und Herren von den Linken, Ihr Parteitag
atte recht: Der afghanische Staat kann die notwendige
ufbauhilfe nicht aus eigener Kraft schaffen. Deshalb en-
agiert sich die internationale Staatengemeinschaft ge-
au in diesem Sinne in diesem Land. Dabei wurde der
ivile Wiederaufbau immer in den Vordergrund gestellt.

Das von Deutschland verfolgte Konzept für eine zivil
usgerichtete demokratische Polizei ist geradezu bei-
pielhaft für unser Agieren im Kontext dieser Strategie.
eteiligt sind BMI, Auswärtiges Amt und das BMZ. Da-
ei unterstützen die Deutschen übrigens gerade nicht af-
hanische Polizeieinheiten wie die ANCOP, die zugege-
enermaßen eine paramilitärische Ausrichtung verfolgt,
rau Jelpke. Die Begründung, wir würden das unterstüt-
en, geht völlig fehl.

Sie behaupten weiter, unser Einsatz sei zum Scheitern
erurteilt und Rechtsstaatlichkeit sei nicht erreicht wor-
en. Das ist nicht nur grundlegend falsch, sondern es be-
chädigt auch das Ansehen unserer Polizistinnen und
olizisten und deren hervorragende Arbeit in Afghanis-
n.


(Frank Tempel [DIE LINKE]: Das ist doch Quatsch!)


Vor allem unsere bilaterale Mission genießt interna-
onal und bei den Afghanen selbst hohe Wertschätzung.
er Aufwuchs der afghanischen Sicherheitskräfte

chreitet ebenso planmäßig voran wie die Vorbereitun-
en zur Übergabe der Sicherheitsverantwortung in den
istrikten.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Sprechen Sie von Herrn Karzai, oder von wem sprechen Sie?)


eutschland hat bisher rund 46 000 Polizisten ausgebil-
et. Die deutschen Polizeitrainingszentren in Masar-i-
charif, Kunduz, Faizabad und Kabul gelten landesweit
ls vorbildlich und werden gezielt auf die Übergabe in
fghanische Verantwortung ab 2012 vorbereitet. Die Af-
hanen planen sogar, diese Zentren künftig für die ge-
amte Ausbildung im Norden Afghanistans zu nutzen.
er wie Sie hier von einem Misserfolg spricht, stellt die
ealität völlig auf den Kopf.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)






Armin Schuster (Weil am Rhein)



(A) )


)(B)

Sie beklagen in Ihrem Antrag weiter, die Ausbildung
der Polizei stehe unter militärischer Dominanz insbeson-
dere der Amerikaner. Wie ist die Realität? In mehreren
internationalen Gremien werden landesweit vereinheit-
lichte Curricula für die Ausbildung konzipiert, die na-
hezu alle vom deutschen bilateralen Polizeiprojekt ent-
wickelt und vom afghanischen Innenministerium als
Grundlage der Polizeiausbildung in Gesamtafghanistan
festgelegt werden. Auch auf diese Weise kann man übri-
gens rechtsstaatliche Strukturen schaffen.

Dass wir die Arbeit unserer Polizistinnen und Polizis-
ten unter den Schutz der Bundeswehr stellen, ist reine
Fürsorge; es ist aber kein Beleg dafür, dass wir eine pa-
ramilitärische Ausbildung gestalten. Ich empfehle Ihnen
einen Besuch vor Ort. Dann können Sie live miterleben,
dass die Amerikaner zu uns kommen und regelmäßig,
fast täglich, um Nachhilfe bitten, wie wir das machen,
weil sie wissen, dass wir die Besten sind.


(Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ist es! – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Sie wissen doch selber, dass es eine Polizeiausbildung der NATO gibt!)


Ihre Behauptung, Afghanistan würde prioritär para-
militärische Einheiten aufstellen – so kommt dies jeden-
falls in Ihrem Antrag zum Ausdruck –, ist völlig falsch.
Die eher paramilitärisch ausgerichtete ANCOP hat
5 000 Mann, die ANP hingegen hat 130 000 Mann. Das
entspricht also einem Anteil von nicht einmal 5 Prozent.

Schließlich ziehen Sie in Ihrem Antrag den Schluss,
es handele sich um ein Kriegsgebiet, in dem deutsche
Polizisten nichts zu suchen hätten.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das ist auch so!)


Meine Damen und Herren, hier müssen wir es genau
nehmen. Es handelt sich um ein Bürgerkriegsgebiet.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Da war der Verteidigungsminister aber schon weiter in seiner Einschätzung!)


Wenn wir hier nicht tätig werden dürften, dann hätten
wir auch niemals in Kambodscha, Bosnien-Herzego-
wina, im Sudan oder von mir aus auch im Kosovo einen
Einsatz haben dürfen.


(Inge Höger [DIE LINKE]: Hätten wir auch nicht!)


Diese Einsätze waren aber erfolgreich, und wir haben
unsere Ziele erreicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Entscheidend für unseren Einsatz sind die Einstufung
als Bürgerkriegsregion und die konkret zu beurteilende
tatsächliche Sicherheitslage vor Ort. Diese Lage wird
tagtäglich neu eingeschätzt. Unsere Beamten können
deshalb seit Jahren dort erfolgreich trainieren, unterstüt-
zen und beraten, und zwar rechtlich einwandfrei auf der
Grundlage der §§ 8 und 65 BPolG.

Nach der Talibanherrschaft bauen wir ein für afghani-
sche Verhältnisse beachtliches demokratisch orientiertes
Polizeisystem mit auf. Wir sorgen für eine Infrastruktur

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(C (D nd den Bau von Trainingszentren. Wir investieren in ie Ausund Fortbildung der Führungskräfte – hier geln wir übrigens als führend –, in die politische Bildung nd in Alphabetisierungskurse. All dies dient der Profesionalisierung. Daher möchte ich an dieser Stelle unsen Polizistinnen und Polizisten ganz herzlich für diesen arten, aber erfolgreichen Einsatz danken. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren von den Linken, an ihnen
ollten Sie sich ein Beispiel nehmen. Sie kennen die Pro-
leme wie Analphabetentum, zu hohe Fluktuationsraten
der technische Rückständigkeit. Jedoch sehen sie diese
ls Herausforderung und versuchen, jeden Tag einen
leinen Schritt weiterzukommen. Im Gesamtergebnis
eit Jahren bezeichnen wir dies wirklich als einen tollen
rfolg. Jetzt dort abzuziehen, wäre ein völlig falsches
ignal.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Das ist zynisch, was Sie als Erfolg bezeichnen!)


Ich würde sogar gern über das Gegenteil mit Ihnen
iskutieren. Wer Afghanistan stabilisieren will, der muss
sbesondere nach dem Abzug der Soldaten die zivile
ufbauhilfe verstärken.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Jeden Tag sterben dort Menschen!)


Ob beim Aufbau der Polizei, des öffentlichen Diens-
s oder einer Good Governance: Probleme wie Korrup-
on oder instabile politische Systeme haben uns, egal in
elchen Ländern wir geholfen haben, noch nie veran-
sst, Reißaus zu nehmen.

Wie ist die Realität? Ich glaube, dass die internatio-
ale Staatengemeinschaft in der Zukunft an Deutschland
eutlich höhere Bündnisverpflichtungen stellen wird.
orüber, wenn nicht über die zivile und zivilmilitärische
ufbauhilfe, könnten wir uns politisch schneller eini-
en? Ich würde hier gern von einer „German Quick Sta-
ilisation Force“ sprechen, die sich darauf konzentriert,
ach Interventionen dabei zu helfen, Länder aufzubauen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wer diese Vision hat, der denkt nicht an Rückzug. Im
egenteil, er denkt darüber nach, wie man neue Strate-
ien für ein stärkeres künftiges internationales Engage-
ent Deutschlands entwickeln könnte.

Ein letzter Satz: Frau Jelpke, ich hätte nie zu träumen
ewagt, dass ich Ihnen einmal empfehle, auf Parteitags-
eschlüsse der Linken zu hören. In diesem Fall würde
h Ihnen das aber wirklich empfehlen.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Sie haben nicht richtig gelesen! – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie haben falsch gelesen, Herr Kollege!)






Armin Schuster (Weil am Rhein)



(A) )


)(B)

Das wäre eine tolle Sache. Dann hätten wir uns diesen
Antrag erspart, und ich wäre jetzt sicher auf dem Flug zu
meiner Fastnachtsveranstaltung.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715907900

Den Beitrag des Kollegen Wolfgang Gunkel von der

SPD-Fraktion nehmen wir zu Protokoll.1) Das Wort hat
der Kollege Jimmy Schulz für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Jimmy Schulz (FDP):
Rede ID: ID1715908000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße natürlich auch
die Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Tribünen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und an den Sendegeräten!)


– Jawohl, und an den Rundfunkempfangsgeräten.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fast vergessen!)


Ich bin mir nicht ganz sicher, was die Kollegen von
den Linken mit ihrem Antrag bezwecken.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Wir aber! Wir sind uns sicher!)


Scheinbar wollen Sie durch den Abzug der Polizeiaus-
bilder erreichen, dass in Afghanistan der Aufbau ziviler
Sicherheitsstrukturen dauerhaft verhindert und die Si-
cherheit dort grundsätzlich militarisiert wird. Aber auch
die Bundeswehr hätten Sie ja lieber gestern als heute ab-
gezogen. Wer soll Ihrer Meinung nach die Ausbildung
afghanischer Sicherheitskräfte übernehmen? Oder sind
Sie der Meinung, dass das Überleben von Mädchenschu-
len und öffentlichen Musikaufführungen bereits ausrei-
chend abgesichert ist?


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Wir sind der Meinung, dass Sie kaum etwas erreicht haben!)


Ich würde mich sehr freuen, wenn sich der deutsche
Beitrag zur afghanischen Polizeiausbildung eines Tages
auf die Ausstrahlung alter Derrick-Folgen beschränken
könnte.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Alte Leier! Seit Jahren dieselbe Leier!)


Dieser Tag ist aber noch lange nicht gekommen. Bis er
kommt, werden wir unseren Beitrag zur afghanischen
Selbsthilfe etwas konkreter gestalten müssen.

Die afghanische Polizei ist ein zentraler Faktor beim
Aufbau des Rechtsstaats dort. Ja, die afghanische Polizei
ist alles andere als perfekt.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: So nennt man das jetzt: „alles andere als perfekt“!)


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1) Anlage 4

(C (D a, es gibt dort Korruption und Misswirtschaft. Aber die ösung für diese Probleme kann doch nicht sein, dass ir uns zurückziehen und sagen: Schlimm, aber wenigsns haben wir nichts mehr damit zu tun. Deutsche Polizistinnen und Polizisten leisten einen ssenziellen, einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau eies Rechtsstaats, zum Aufbau geordneter Strukturen, zur ngfristigen Stabilisierung des Landes und damit der anzen Region. Die FDP-Fraktion hat seit Jahren geforert, dass die afghanische Regierung zunehmend ihre Eigenverantwortung wahrnehmen und perspektivisch selbst für die Sicherheit im Lande sorgen kann … Der Einsatz bewaffneter Streitkräfte … darf nicht über Gebühr ausgedehnt werden. Von zentraler Bedeutung für die Herstellung stabiler Verhältnisse … ist der Aufbau einer funktionstüchtigen sowie den rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichteten Polizei. o weit der Antrag der FDP-Bundestagsfraktion aus der tzten Legislaturperiode. Dazu stehen wir auch heute och. Wir haben den Abzug der Bundeswehr bereits eingeitet. Vor diesem Hintergrund wollen Sie nun auch noch ie Polizei abziehen? as ist verantwortungslos. Das ist menschenverachtend. t Ihnen eigentlich völlig egal, was dort passiert? Nach inhelliger Expertenmeinung wurde Afghanistan gerade eswegen zur Brutstätte von Instabilität, weil die interationale Gemeinschaft das Land nach dem Abzug der owjets alleingelassen hat. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Richtig!)


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Ja klar!)


ieses Sicherheitsvakuum hat direkt zur Entstehung der
aliban geführt. Und jetzt wollen Sie, dass sich dieser
reislauf des Elends wiederholt?


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Was haben Sie denn bisher verändert? Sagen Sie das doch mal!)


Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Jelpke, war ich dort. Ich
ar in Faizabad, ich war in Kunduz, und ich war auch in
asar-i-Sharif. Ich habe vor Ort mit den Polizistinnen

nd Polizisten gesprochen. Ich habe mich vor Ort selbst
avon überzeugen können, welche Erfolge sie dort fei-
rn und wie gut die Ausbildung dort mittlerweile funk-
oniert. Ich habe vor Ort auch mit einem afghanischen
olmetscher gesprochen, der uns begleitet hat, als wir in
en Dörfern unterwegs waren. Er hat mich explizit auf
olgendes hingewiesen: Wir brauchen in diesem Land
0 Jahre Frieden, eine Generation, die in Frieden auf-
ächst, ohne Waffen,


(Inge Höger [DIE LINKE]: Aber es ist Krieg da!)






Jimmy Schulz


(A) )


)(B)

damit diese junge Generation die Chance hat, für dieses
Land Verantwortung zu übernehmen. – Bei diesem Frie-
den müssen wir ihnen helfen, und das tun wir zum Bei-
spiel mit der Ausbildung einer rechtsstaatlich orientier-
ten Polizei.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Natürlich gibt es Probleme bei der Ausbildung und
beim Aufbau der Polizei – das bestreitet auch niemand –;
aber die Lösung kann doch nicht sein, angesichts dieser
Probleme den Kopf in den Sand zu stecken. Wir müssen
vielmehr die Ausbildung besser gestalten und die Ergeb-
nisse besser kontrollieren. Wir werden natürlich nicht an
den Punkt kommen, an dem sich die Polizei von Afgha-
nistan und die von Deutschland wirklich vergleichen las-
sen – das ist, glaube ich, allen klar –; aber wir werden
nicht den Anspruch aufgeben, die Grundsätze eines
Rechtsstaats dort zu verankern. Das gilt insbesondere für
das staatliche Gewaltmonopol. Die Stabilität Afghanis-
tans und die Sicherheit seiner Bevölkerung werden dann
gesichert sein, wenn zukünftige Generationen von af-
ghanischen Jungen nicht mehr mit der Überzeugung auf-
wachsen, ihre Familien mit der Kalaschnikow in der
Hand verteidigen zu müssen.

Wir sind uns der Sicherheitslage in Afghanistan be-
wusst. Aber Ihre Behauptung, wir würden deutsche Poli-
zisten in einen Krieg schicken, ist einfach nur falsch.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das sagt sogar die GdP!)


Fortschritte sind durchaus messbar. Probleme werden er-
kannt, und in vielen Punkten werden Lösungen gefun-
den. Bis 2009, bis zur Londoner Konferenz, wurde viel
zu oft und ohne Maß und Ziel agiert. Jetzt aber wird mit
einem ordentlichen Konzept gearbeitet. Das zeigt Er-
folge, und wir können mehr Verantwortung übergeben.
Die Zusammenarbeit mit unseren Partnern läuft eben-
falls erheblich besser. Wir verzeichnen heute größere Er-
folge als zu Beginn unseres Engagements. An dieser
Stelle können und dürfen wir nicht umkehren.

Wir müssen uns vielmehr dafür einsetzen, dass deut-
sche Polizistinnen und Polizisten nicht mehr nach
18 verschiedenen Regeln nach Afghanistan geschickt
werden. Ebenso darf ein Auslandseinsatz kein Hindernis
für die Karriere sein. Hier sind die Kollegen in den Län-
dern gefordert, sich dafür einzusetzen, dass den Polizis-
tinnen und Polizisten, die sich für den Einsatz in Afgha-
nistan entscheiden, kein Nachteil entsteht.

Von einem Abzug deutscher Polizisten aus Afghanis-
tan kann heute keine Rede sein. Die Linke will Afgha-
nistan fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Gut, dass
die Mehrheit in diesem Haus mehr Verantwortungsbe-
wusstsein hat!

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Das Wort hat der Kollege Wolfgang Wieland für die raktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dies ist nun die letzte Debatte, bevor die närrischen Tage beinnen. Da haben Sie einen beachtlichen Vorgriff geleist, Frau Kollegin Jelpke, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715908100
Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1715908200

owohl durch Ihre Rede als auch durch Ihren Antrag.
ernunft und Logik wurden da einfach suspendiert.

Sie stellen sich hier allen Ernstes hin und sagen, Kor-
ption ist ein Riesenproblem bei der afghanischen Poli-

ei – da widerspricht Ihnen ja niemand –, und dieses
roblem werde dadurch gelöst, dass wir unsere Ausbil-
er dort abziehen. Sie müssen mir einmal erklären, wo
a die Logik sein soll. Sie sagen, die USA haben ein
her paramilitärisches Bild von der Polizei, das nicht un-
er Bild ist.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Die NATO ist aber führend bei der Polizeiausbildung!)


un erklären Sie einmal, warum das besser werden soll,
enn die Europäer, insbesondere die Deutschen, ihre
olizeiausbildung dort beenden!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


r ganzer Antrag ist schlechter Agitprop; das will ich
nen einmal sagen. Da war sogar der Arbeiterkampf

och vernünftiger. Ihnen wird ja immer vorgehalten,
ass Sie über das Niveau nicht hinausgekommen sind.
ber Sie sind unter diesem Niveau gelandet.


(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Das sitzt!)


Der Anfang dieser Polizeiausbildung war schwierig
is missglückt; das wissen wir alle.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Hört! Hört!)


Ja, er war schwierig bis missglückt.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Was habt ihr für Konsequenzen daraus gezogen?)


an hat das unterschätzt. Aber Sie merken noch nicht
inmal, dass es besser geworden ist, dass es gerade in
tzter Zeit Fortschritte gibt,


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Welche?)


enn die Antwort auf Ihre Große Anfrage ist von 2010.
ie Polizeigewerkschaften, deren Statements Sie noch
icht einmal verstehen, schildern natürlich die Schwie-
gkeiten. Sie sagen aber: Wir als deutsche Polizei wol-
n nicht in den Krieg gehen.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Genau!)


Nein. Sie sagen auch nicht: Wir sind drin und wollen
us. Das sagen nur Sie. Alle deutschen Polizeibeamtin-

en und Polizeibeamten sind dort freiwillig. Sie sind





Wolfgang Wieland


(A) )


)(B)

dort mit Unterstützung ihrer Gewerkschaften und Be-
rufsverbände, und sie haben auch die Unterstützung des
ganzen Hauses – mit Ausnahme der fünf Sektierer, die
hier sitzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ihre Rede ist nachgerade unglaublich. Als ob die
deutsche Polizei der NATO unterstellt und Teil des Mili-
tärs wäre!


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Ist sie! Lesen Sie es nach!)


Wir haben immer um eine klare Trennung zwischen
Polizei und Militär gerungen. Wir haben keine Milizen
bei uns. Wir haben keine paramilitärischen Polizeiein-
heiten, keine Gendarmerie. Das wird so bleiben, weil wir
und auch andere, zum Beispiel die Gewerkschaften, da-
rauf achten und weil es um die schwierige Frage – der
Sie sich nicht stellen – geht:


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Sie stellen sich auch meinen Argumenten nicht!)


Welche Grundbefriedung muss es in den verschiedenen
Regionen Afghanistans geben, damit Polizeiausbildung
dort weiter möglich ist?

Die Kollegen haben es gesagt: Wir werden sie quanti-
tativ sogar noch verstärken müssen. Es wurde aus Feh-
lern schon gelernt, aber es kann noch weiter gelernt
werden. Ihre Argumentation – rauszugehen, weil die
Schwierigkeiten so groß sind – ist die Argumentation ei-
nes Autofahrers, der sagt: Ich sehe so schlecht durch
meine verschmierte Scheibe; da kann ich mir auch gleich
die Augen zubinden. – So argumentieren Sie. Das ist bar
jeder Logik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715908300

Ich gebe das Wort dem Kollegen Günter Baumann

von der Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Günter Baumann (CDU):
Rede ID: ID1715908400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Mit dem an diesem Freitagnachmittag vorlie-
genden Antrag der Linken „Abzug deutscher Polizisten
aus Afghanistan“ beweist die Fraktion Die Linke erneut,
dass sie ein Problem mit unserer demokratischen Grund-
ordnung und mit den internationalen Verpflichtungen,
die wir weltweit eingehen, hat.

Ich möchte ausdrücklich betonen, Frau Jelpke: Ihr
Antrag ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die be-
reit sind, in Auslandsmissionen Hilfe zu leisten, die für
Freiheit und Demokratie stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Das glauben Sie doch selber nicht! – Gegenruf des Abg. – S K z z D u e ru u le d E s p a s u K w u H d w in ri li S P la S b c fu k fa m 2 Z 1 2 fü d ta (C (D Stephan Thomae [FDP]: Wir glauben das alle!)


Ich glaube daran. – Auch mit anderen Anträgen haben
ie uns in der letzten Zeit beschäftigt. Ich denke an die
ennzeichnungspflicht für Angehörige der Bundespoli-

ei – das war eine ähnliche Aktion – und an die Begren-
ung des Einsatzes von Pfefferspray.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


amit zeigen Sie immer wieder, dass Sie Probleme mit
nserer Demokratie haben.

In Afghanistan – das muss man deutlich sagen – geht
s um eine Friedensmission, die Hilfe für die Bevölke-
ng bedeutet, welche seit Jahrzehnten unterdrückt wird

nd diese Hilfe gerne haben möchte. In dieser Mission
isten 47 Länder gemeinsam Hilfe. Das ist also keine
eutsche Aktion, wie Sie das zum Teil immer darstellen.
ine breite Mehrheit dieses Parlamentes hat diese Ein-
ätze beschlossen.


(Inge Höger [DIE LINKE]: Aber die Mehrheit der Bevölkerung ist dagegen!)


Im Jahr 2011 waren rund 770 Beamte von Bundes-
olizei, Bundeskriminalamt, Zoll und Länderpolizeien
n sieben verschiedenen Friedensmissionen der Europäi-
chen Union, an vier Missionen der Vereinten Nationen
nd an drei bilateralen Projekten an den verschiedensten
risenherden dieser Welt beteiligt. Es ist wichtig, dass
ir diese Hilfe leisten.

Es geht darum, demokratische Werte zu vermitteln
nd Freiheit und Sicherheit vor Ort zu fördern, um eine
ilfe für die Menschen unmittelbar in der Region. Dass
iese Hilfe unter oft schwierigen Bedingungen geleistet
ird, ist klar. Das wissen wir. Einige Beispiele, die Sie
diesem Zusammenhang genannt haben, sind durchaus
chtig. Aber das ist natürlich nicht die Mehrzahl. Sicher-
ch gibt es Probleme, deswegen müssen wir auch – Herr
chuster hat es deutlich gesagt – ganz besonders unseren
olizistinnen und Polizisten, die diesen Einsatz im Aus-
nd unter schweren Bedingungen leisten, von dieser
telle aus ganz herzlich danken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deutschland hilft in Afghanistan seit 2002 beim Auf-
au einer Polizei. Eine funktionierende und rechtsstaatli-
he Polizei ist die Grundlage für Demokratie, für einen
nktionierenden Staat.

Die Ausbildung afghanischer Polizeikräfte verläuft
eineswegs so desaströs, wie Sie es darstellen. Es ist ein-
ch eine schwierige Mission, die wir dort durchführen
üssen, um dem Land zu helfen. Bisher – Stand Oktober

011 – gibt es rund 139 000 Polizisten in Afghanistan.
iel ist es, diese Zahl bis Oktober dieses Jahres auf
57 000 zu erhöhen. Dafür hat Deutschland gegenwärtig
00 Polizisten im Land, die dort die Ausbildung durch-
hren. Das ist wichtig für den Staat. Deutschland leistet

amit Entwicklungshilfe beim Staatsaufbau in Afghanis-
n. Das muss man ganz deutlich sagen. Herr Schuster





Günter Baumann


(A) (C)


)(B)


hat bereits auf die Bedeutung hingewiesen; das kann ich
mir sparen.

Das Train-the-Trainer-Programm, mit dem wir afgha-
nische Polizisten zu Trainern ausbilden, damit die Af-
ghanen ihre Polizisten selbst ausbilden können, funktio-
niert sehr gut. Hier erzielen wir eine ganze Reihe von
Erfolgen.

Meine Damen und Herren der Linksfraktion, Schwie-
rigkeiten, die es durchaus gibt, dürfen nicht zu der
Schlussfolgerung führen, dass wir jetzt aufhören und die
Polizeiausbilder abziehen müssen. Das wäre der falsche
Weg. Wir müssen unseren internationalen Verpflichtun-
gen gerecht werden und uns diesen Herausforderungen
stellen. Das tun wir auch.

Es geht langfristig um einen geordneten Übergang,
den Aufbau einer afghanischen Sicherheitsarchitektur im
Land, um die Souveränität des Landes Afghanistan her-
zustellen. Das geht nun einmal nicht ohne Polizei. Des-
wegen leisten wir diesen Beitrag. Konsequenz aus den
Schwierigkeiten kann nicht sein, aufzuhören.

sind eindeutig da. Beratung, Ausbildung, Personalent-
wicklung sind der richtige Weg, um ein Land in die
Selbstständigkeit zu führen. Auch nach der Proklama-
tion der Unabhängigkeit von 2008 ist im Kosovo nach
wie vor Unterstützungsarbeit erforderlich. Das dauert
eben seine Zeit. Dies wird auch der Weg für Afghanistan
sein.

Auch wenn wir 2014 die Sicherheitsverantwortung an
Afghanistan übergeben, werden wir und die internatio-
nale Staatengemeinschaft das Land weiter gemeinsam
unterstützen müssen. Wir werden die afghanische Bevöl-
kerung, Männer, Frauen und Kinder, nicht im Stich las-
sen. Wir werden auch nicht, wie es die Linken in ihrem
Antrag fordern, einfach davonrennen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1715908500

Ich schließe die Aussprache.
Wir leisten auch eine ganze Reihe anderer Hilfen,
zum Beispiel durch Alphabetisierungskurse, Ausbil-
dungseinheiten, die die Wahrung der Menschenrechte
zum Inhalt haben, sowie ein transparentes Lohnüberwei-
sungssystem, um dem Thema Korruption entscheidend
zu begegnen. Alle Maßnahmen bringen Schritt für
Schritt Erfolg, aber sie reichen bei weitem noch nicht
aus. Ein Rückzug wäre jetzt der absolut falsche Weg.
Mit Blick auf die Geschichte dieses Landes – 30 Jahre
Unterdrückung, 30 Jahre Bürgerkrieg – wird deutlich,
dass wir weitermachen müssen, damit die positiven Ent-
wicklungen fortgesetzt werden.

Der Polizeieinsatz verlangt Engagement und Geduld;
der Erfolg stellt sich nicht von heute auf morgen ein. Die
Beispiele aus anderen Ländern dieser Welt, die Herr
Schuster bereits angeführt hat, zeigen ja, dass es funktio-
niert. Ich denke zum Beispiel an die EULEX-Mission im
Kosovo. Dort haben wir jahrelang gearbeitet und müssen
auch heute noch Aufgaben erfüllen. Aber die Erfolge

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Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp-
hlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion
ie Linke mit dem Titel „Abzug deutscher Polizisten aus
fghanistan“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be-

chlussempfehlung auf Drucksache 17/8443, den Antrag
er Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4879 abzuleh-
en. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
mpfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktionen,
er SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion und der Fraktion
ündnis 90/Die Grünen bei Ablehnung der Fraktion Die
inke angenommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
chluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Montag, den 27. Februar 2012, 15 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.