Gesamtes Protokol
Schönen Freitagmorgen zusammen! Liebe Kollegin-nen und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet.Interfraktionell ist vereinbart worden, den Tagesord-nungspunkt 22 abzusetzen. Sind Sie damit einverstan-den? – Sie widersprechen nicht. Dann ist das so be-schlossen.So rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt 20 auf:Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungGlobalisierung gestalten – Partnerschaftenausbauen – Verantwortung teilen– Drucksache 17/8600 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
InnenausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Arbeit und SozialesVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für GesundheitswrezddaBaadhrewdavnAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für Kultur und MedienDazu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion DieLinke vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Siewidersprechen nicht. Dann haben wir das so beschlos-sen.Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in unsererDebatte ist – so ist mir das gerade gesagt worden – unserBundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle.
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19022 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012
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ausdrücklich auch als eine Chance für unsere freiheitli-chen Werte. Für diese treten wir weltweit ein.
Meine Damen und Herren, viele sind aufmerksam ge-worden auf die Debatte in den Vereinigten Staaten vonAmerika, als die amerikanische Außenministerin erklärthat, es sei notwendig, den asiatisch-pazifischen Raumstärker zu beachten und die amerikanische Außenpolitikstärker auf den asiatisch-pazifischen Raum zu konzen-trieren. In Wahrheit vollzieht sich hier nur eine reale Ent-wicklung nach. Wir leben in einer Welt mit 7 MilliardenMenschen, und wir spüren, auch wenn wir im Westenimmer noch glauben, den Taktstock fest in den Händenzu halten, dass in Wahrheit immer mehr Gestaltungs-mächte ebenfalls nach diesem Taktstock greifen.Was sind die drei Merkmale dieser Gestaltungs-mächte, von denen ich hier spreche?Erstens. Es ist eine atemberaubende wirtschaftlicheErfolgsgeschichte, die diese Gestaltungsmächte vorwei-sen können.Zweitens. Aus dem großen wirtschaftlichen Erfolgdieser Mächte resultiert auch der Anspruch auf mehrpolitische Mitwirkung und mehr politischen Einfluss.Drittens. Diese neuen Gestaltungsmächte wollen min-destens regional Ordnungskräfte sein, das heißt sichauch als Ordnungsmächte, mindestens regional, verste-hen.Es ist deshalb notwendig, dass wir jetzt rechtzeitigmit diesen neuen Gestaltungsmächten das Gespräch su-chen, uns auch politisch auseinandersetzen, verstehen,dass es mehr ist als China, Indien, Brasilien, Russlandoder Südafrika, also mehr ist als die BRICS-Staaten,dass längst eine lange Reihe von weiteren Staaten sich inder zweiten Reihe auf den Weg gemacht hat. Beispiel-haft sind in dem Konzept, das wir in dieser Woche schonvorgestellt haben, einige Staaten genannt, etwa Kolum-bien, Vietnam, Indonesien. Es wären noch viele mehr zunennen. Aber es ist nicht möglich, eine abschließendeListe der neuen Gestaltungsmächte vorzulegen. Allein inden letzten zehn Jahren konnten wir beobachten, wieschnell sich die Dinge verändern. Plötzlich sind Länderin der ersten Liga der Weltpolitik dabei, bei denen mandas vor kurzem noch nicht für möglich gehalten hat. DieUmbrüche insbesondere in der südlichen NachbarschaftEuropas belegen dies eindeutig.Ich will für die Bundesregierung klar sagen: Wir wol-len die alten Freundschaften ausbauen und vertiefen,aber wir wollen gleichzeitig auch neue Partnerschaften,neue strategische Partnerschaften mit diesen neuen Ge-staltungsmächten rechtzeitig eingehen und aufbauen.Das ist unsere Ausgangsposition, das ist der Kern unse-res Programms.Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolle-ginnen und Kollegen, einen Widerspruch daraus heraus-zulesen, wie es in den politischen Diskussionen gelegent-lich getan wird, nämlich zu meinen, die Hinwendung zuneuen Gestaltungsmächten gehe einher mit der Abwen-dung von alten Partnerschaften, das ist definitiv falsch.FFtrAnPWHGWWwvswHaHnnRndsdDnwgstedansteÜgnVdcsainereraaCdshds
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Südafrika. Das zeigt, dass sehr wohl auch positive Ent-wicklungen zu verzeichnen sind.Ich betrachte es als eine positive Entwicklung, dassim Hinblick auf Syrien, aber auch im Hinblick auf an-dere Konflikte, die wir im Nahen und Mittleren Ostenderzeit verzeichnen müssen und auch bewältigen wollen,die Arabische Liga eine zunehmende Rolle spielt. Es istbemerkenswert, dass die Arabische Liga sich in den letz-ten zwölf Monaten stärker als politische Einheit verstehtund stärker politischen Einfluss nimmt. Wir werden alsdeutsche Bundesregierung darauf reagieren. Ich beab-sichtige, unsere diplomatischen Beziehungen zur Arabi-schen Liga formell aufzuwerten.
Denn wir erkennen, dass es neue regionale Kräfte gibt,mit denen wir bestens kooperieren können.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Wieczorek-Zeul?
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:
Bitte sehr.
Eine Zwischenbemerkung: Sie haben das Veto vonRussland und China im UN-Sicherheitsrat erwähnt undzu Recht kritisiert. Gerade weil Sie sagen, die UN sindbesonders wichtig, möchte ich Sie auffordern, dazu bei-zutragen, dass Deutschland, die Europäische Union unddie Arabische Liga vor die UN-Generalversammlung ge-hen, um dort eine Verurteilung Syriens wegen der anhal-tenden Gewalt gegenüber der eigenen Bevölkerung zubewirken. Das ist der nächste Schritt, der schneller mög-lich ist als die Einrichtung einer Kontaktgruppe. Deshalbfordere ich Sie nachdrücklich dazu auf, vor die UN-Ge-neralversammlung zu gehen, um dort ein Votum gegenSyrien zu erreichen.
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-wärtigen:Frau Kollegin, ich habe vorgestern ein langes Ge-spräch mit dem russischen Außenminister SergejLawrow nach seinem Besuch in Damaskus geführt. Ichhabe gestern ein intensives und auch operatives Ge-spräch mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga,Nabil al-Arabi, geführt. Ich muss Ihnen sagen: Ich hieltees für klüger, wenn wir das, was wir tun, nicht nur unternationalen Gesichtspunkten diskutieren, sondern auchengstens abstimmen, und zwar nicht nur mit den13 Staaten, die im Sicherheitsrat mit Ja gestimmt haben,sondern ausdrücklich auch mit der Arabischen Liga undübrigens auch mit der Türkei. In diese Richtung arbeitenwir. Ich glaube, entscheidend ist, dass wir das gemein-sam tun und gemeinsam in dieser Richtung weiterarbei-ten.uIctenseIctagingAgdimVBd–inIcDUvDwhEreRewssAueAnduaE
eides wird derzeit nicht ausgeschlossen; beides wirderzeit auch mit den Partnern erörtert und diskutiert.Da Sie ungeduldig mit den Händen gestikulieren – –
Ich bitte Sie, hinsichtlich des Schicksals der Menschen Syrien hat hier jeder dieselbe Betroffenheit wie Sie.
h glaube, davon kann man fest ausgehen.
as gilt für jeden, Frau Kollegin, für absolut jeden. Dernterschied ist, dass wir handeln und wirklich etwaserändern wollen.
eswegen ist es in meinen Augen ganz dringend not-endig, Frau Kollegin – es geht nicht darum, dass ichier als deutscher Außenminister etwas auf nationalerbene ankündige –, dass wir zunächst einmal akzeptie-n, dass die Arabische Liga hierbei eine ganz zentraleolle spielt. In meinen Augen spielt die Arabische Ligaine Schlüsselrolle bei der Lösung des Konfliktes. Des-egen möchte ich auch, dass Initiativen von der Arabi-chen Liga ausgehen und mit der Arabischen Liga be-prochen werden. Das verstehe ich unter kooperativerußenpolitik, Frau Kollegin.
Nachdem wir einen Ausflug zu einem ganz ernstennd wichtigen Problem gemacht haben, will ich nochine Schlussbemerkung zu dem machen, was uns alsntwort bevorsteht. Als Antwort ist nicht ausreichend,eue Partnerschaften anzustreben und zu finden, uns miten aufstrebenden Gestaltungsmächten zusammenzutunnd engstens mit ihnen abzustimmen. Notwendig istusdrücklich auch die Erkenntnis, dass wir uns inuropa gegenseitig brauchen. Ich glaube, die Antwort
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Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
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auf die Umbrüche in der Welt ist eine stärkere Integra-tion Europas. Deutschland ist in der Welt viel kleiner, alsDeutschland in Europa ist. In Europa ist Deutschland re-lativ groß; in der Welt ist Deutschland relativ klein. Wirhaben heute Morgen in den Fraktionen über die Fragenberaten, was das finanziell bedeutet, welche Fiskalpa-kete verabredet werden müssen. Ich rate uns aber dazu,auch die politische Debatte über die nächsten Integra-tionsschritte in Europa in einen Zusammenhang mit denneuen Veränderungen in der Welt zu stellen.Ich bin der festen Überzeugung, liebe Kolleginnenund Kollegen, dass es unbedingt erforderlich ist, uns inEuropa zu versichern, dass niemand zurückbleibt, einAngebot an alle europäischen Partner zu machen, auchan diejenigen, die derzeit noch zögern, die im Dezembernoch nicht mitgestimmt haben, die derzeit noch an ande-ren Stellen arbeiten, dass wir zusammenbleiben.Ich denke, dass es als Antwort auf die Veränderungenin der Welt auch an der Zeit ist, in Deutschland fürEuropa zu werben. Ich bin aber auch dafür, dass wir inEuropa für Deutschland werben. Wir befinden uns in ei-ner wirklichen Prägephase, was Europa angeht – in einerPrägephase, in der sich für viele Jahre nicht nur entschei-den wird, wie das Bild Europas in Deutschland und dasBild Deutschlands in Europa sein wird, sondern auch,wie das Bild Europas in der Welt sein wird. Deswegenwerbe ich dafür, dass wir uns in Europa kooperativ ver-abreden, dass wir gemeinsam vorgehen und dass wir ge-meinsam daran arbeiten, dass wir kein deutsches Europabekommen, sondern ein europäisches Deutschland blei-ben. Das sollte in meinen Augen auch Teil unserer Über-legungen sein.Wir müssen aufpassen, dass wir es mit unserem eige-nen Auftritt in Europa nicht überziehen, sondern es istklug und sinnvoll, immer zu verstehen: Wir sind TeilEuropas, Teil der Europäischen Union – nicht nur wegender Geschichte, sondern ausdrücklich auch, weil wir inZeiten der Globalisierung nur so die Zukunft gemeinsammeistern können.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Der nächste
Redner in unserer Aussprache ist unser Kollege Gernot
Erler für die Fraktion der Sozialdemokraten. Bitte schön,
Kollege Erler.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esmuss etwas Wichtiges in der deutschen Außenpolitikpassiert sein,
wenn am Mittwoch dieser Woche das Bundeskabinetteine reich bebilderte Broschüre von 64 Seiten als Kon-zbaTAwRreßgbdavvgare„mea3fünuSSSDnhotimovdfiinKMsh
Inzwischen wissen wir, dass diese Arbeit 18 Monateedauert hat und dass alle 14 Bundesministerien an ihreteiligt waren. Unter diesen Umständen kommt einemer Titel „Globalisierung gestalten – Partnerschaftenusbauen – Verantwortung teilen“ schon fast bescheidenor. Da greift man lieber zu dem idiomatisch innovati-en Titel „Gestaltungsmächtekonzept“. Das macht neu-ierig, das verführt zum Lesen.Je mehr man allerdings liest, desto mehr stößt manuf einige Auffälligkeiten dieses Konzepts der Bundes-gierung. Schon die erste Kapitelüberschrift lautet:Neue Gestaltungsmächte als Partner“. Zu gern wüsstean natürlich, welche Länder das namentlich sind. Manrwartet, dass sie alsbald aufgezählt werden. Aber Fehl-nzeige. Weder auf den 68 Seiten noch auf den knapp0 Seiten – je nach Version – erfährt man, was es dennr Länder sind, mit denen so viel gemacht werden soll.Am weitesten haben Sie sich, Herr Außenminister,och bei der Vorstellungsrede im Weltsaal vorgewagtnd dies heute zum Teil wiederholt. Sie haben zumchluss Ihrer Rede gesagt, es seien nicht nur die BRICS-taaten, also Brasilien, Russland, Indien, China undüdafrika. Sie sind dann fortgefahren – ich zitiere –:Eine Vielzahl anderer Länder hat sich auf den glei-chen Weg gemacht, ob Mexiko, Indonesien, Viet-nam, Kolumbien oder viele andere mehr.as Gestaltungsmächtekonzept ist also eine Strategie füreun genannte Länder oder „viele andere mehr“. Dasinterlässt einen ein bisschen ratlos,
bwohl man ahnt, dass diese Vagheit etwas mit geopoli-scher Höflichkeit zu tun haben könnte. Warum solltean ein Land, das sich selbst als Gestaltungsmacht ein-rdnet, durch eine allzu geizige Aufzählung womöglichor den Kopf stoßen?Es ist nun leider so, dass diese Vagheit nicht nur anieser Stelle besteht, sondern in dem ganzen Konzept zunden ist. Hier wird buchstäblich über alles gesprochen:ternationale Zusammenarbeit und Global Governance,ultur, Bildung, Wissenschaft, Frieden, Sicherheit,enschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Finanzen, Res-ourcen, Ernährung, Energie, Arbeit, Soziales, Gesund-eit, Entwicklung und Nachhaltigkeit.
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Dr. h. c. Gernot Erler
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Jedes Mal lesen wir einige unstrittige Sätze überZiele, die wir uns insgesamt in diesen Arbeitsbereichenvorgenommen haben. Dann kommt wie ein ceterum cen-seo, dass wir diese Ziele im Dialog mit den neuen Ge-staltungsmächten ein Stückchen weiterbringen wollen.Diese Methode führt zu einem Produkt des unangreifba-ren guten Willens und der jeden Widerspruch entmuti-genden Schlichtheit. Ich widerspreche deswegen auchkeinem einzigen Satz dieses Konzepts, stelle aber dochdie Frage, ob es überhaupt eines ist.
Die Antwort auf diese Frage findet sich auf Seite 26der Version ohne Bilder. Ich zitiere:Die Bundesregierung ist dem Ziel verpflichtet, dieeinzelnen Fachpolitiken zielgerichtet zu einemübergreifenden und umfassenden Globalisierungs-konzept für die Zusammenarbeit mit den neuen Ge-staltungsmächten zu verzahnen.„Ist dem Ziel verpflichtet“ heißt doch wohl: Da kommterst noch die Arbeit; sie muss erst noch geleistet werden.Das ist wieder ein Satz, dem man nur zustimmen kann.Es gibt also dieses Gestaltungsmächtekonzept noch garnicht, sondern eher eine Art Materialsammlung, aus derman künftig ein Konzept machen könnte.Dann fragt man sich aber, warum es dann diesen enor-men Aufwand gibt. Hier stößt man auf eine ziemlich per-sönliche Motivationskette von Außenminister Westerwelle,wenn man noch einmal in seine Vorstellungsrede für dasGestaltungsmächtekonzept schaut. Gleich am Anfangfinden wir da ein Bekenntnis zu Deutschlands Partner-schaften in Europa und über den Atlantik. Das haben Sieeben auch noch einmal betont. Dann jedoch kommt einlautes Aber. Das lautet so:Aber die Welt befindet sich auch im Wandel: Esentstehen neue Kraftzentren in der Welt, in Asien,in Lateinamerika und anderswo.Der Topos „Neue Kraftzentren“ kommt uns bekanntvor. Wir erinnern uns: Er stammt aus einer mit hartenBandagen geführten Kontroverse über Grundausrichtun-gen und Prinzipien der deutschen Außenpolitik, die ih-ren Ausgangspunkt in der Entscheidung des Sicherheits-rates der Vereinten Nationen in der Nacht vom 17. aufden 18. März letzten Jahres hatte, wo Deutschland be-kanntlich eben nicht mit Frankreich und den VereinigtenStaaten, sondern gemeinsam mit Russland und China ge-stimmt hat.
In diese Debatte hat dann hinterher AltbundeskanzlerHelmut Kohl mit mahnenden Worten eingegriffen. Erhat davor gewarnt, sich von den wichtigsten PartnernFrankreich und den Vereinigten Staaten abzuwenden.
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s gibt aber auch Länder und Regionen, die an Bedeu-ng verlieren.
ir diskutieren aber nicht auf so einer unverbindlichen,eradezu beliebigen und von der Entstehungsgeschichteeologisch infizierten Grundlage.
Vielen Dank, Kollege Gernot Erler. – Nächster Red-
er in unserer Aussprache ist für die Fraktion der CDU/
SU unser Kollege Philipp Mißfelder. Bitte schön, Kol-
ge Philipp Mißfelder.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Meine Damen und Herren! Geschätzterollege Erler, in erster Linie wollte ich eigentlich zurache reden, aber ich kann es mir und Ihnen nicht erspa-n, etwas zu Ihren Ausführungen zu sagen. Wenn Sieich anschauen, wie die Besuche ausländischer Gäste inerlin momentan verlaufen, die nicht immer unproble-atisch sind, wenn Sie die Taktfrequenz sehen, mit deruropäische Partner Hilfe und Orientierung suchendach Deutschland kommen,
ie Bundeskanzlerin und den Außenminister um Rat bit-n, wenn Sie sehen, wie die Diskussionen bei nahezu al-n wichtigen internationalen Konferenzen ablaufen, obuf der UNO-Woche in New York, ob in Davos in der
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Philipp Mißfelder
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Schweiz oder zuletzt auf der Münchener Sicherheitskon-ferenz, dann werden Sie feststellen, dass sich momentanalles um Deutschland dreht.
Deshalb hat Minister Westerwelle zu Recht gesagt:Wir müssen mit dieser Verantwortung auch verantwor-tungsbewusst umgehen und an dieser Stelle Orientierungbieten. Deshalb fand ich Ihren Beitrag heute – ich hoffe,Sie wissen, dass ich Ihre Beiträge sonst schätze – unpas-send und falsch. Sie sind auf das Thema Globalisierung,wie Sie sich das vorstellen, inhaltlich nicht eingegangen.Ihre Kritik, welcher Motivation sie auch entstammenmag, war einfach falsch. Wie denn anders als im Dialogmit den neuen sich herausbildenden Kraftzentren solldiese Globalisierung gestaltet werden? Herr Erler, dieseFrage haben Sie auch nicht beantwortet. Ich finde dasKonzept, wie es Minister Westerwelle auf den Weg ge-bracht hat, ambitioniert und auch richtig.
Ich glaube, die Alternative zum Dialog mit den neuenKraftzentren wäre Konfrontation. So habe ich IhreSchriften und Ihre Beiträge jedoch noch nie verstanden,auch jetzt nicht, selbst wenn ich mir gewünscht habe, andieser Stelle von Ihnen etwas dazu zu hören. Insofernweise ich das zurück und kann nur sagen, dass wir dasambitionierte Konzept unterstützen. Hier möchte ich denHäusern, die sich daran beteiligt haben, herzlich dankenund vor allem den Beamten, die sehr viel Herzblut,Engagement und zähes Ringen investiert haben. Das warnicht immer ganz einfach.Einen Punkt möchte ich herausgreifen, Herr Minister.Die zukünftige Zusammenarbeit zwischen dem Auswär-tigen Amt und dem Bundesministerium für wirtschaftli-che Zusammenarbeit und Entwicklung wird ein histori-scher Quantensprung sein; ich möchte sogar sagen, einehistorische Befreiung. Herzlichen Dank an Ihre Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter, die sich durchgesetzt habenund damit für die Bundesregierung in Zukunft einenganz neuen Schwerpunkt herausbilden.
Herr Kollege Mißfelder, gestatten Sie eine Zwischen-
frage unseres Kollegen Raabe?
Ja, er ist Experte für dieses Thema.
Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Kollege Mißfelder, Sie sprachendas Entwicklungsministerium an. In dem Konzept gibtes einige Stellen, in denen sich dazu bekannt wird, Ent-wsDfedsmveliRRdWddb–ueüKlodnwddfüImHdbWWfrguV
nd Sie weiterhin beobachten, dass danach ein Gesetzrlassen wird, das der entsprechenden Branche hilft,ber 1 Milliarde Euro einzusparen, wäre das dann für Sieorruption und schlechte Regierungsführung?Zweite Frage. Sie haben ja gerade die Beamten ge-bt: Wenn in einem Entwicklungsland eine Regierungie Beamtenstellen nur mit Parteifreunden besetzt undicht nach Fachlichkeit und Eignung,
äre das für Sie schlechte Regierungsführung? Wäreann – jetzt konkret auf diese Regierung bezogen – nichtas, was die FDP mit der Senkung der Mehrwertsteuerr Hoteliers gemacht hat, genauso zu bewerten?
Hinblick auf das, was Minister Niebel in seinemaus betreibt,
ass er nämlich neue Stellen schafft, den Apparat auf-läht, eine neue Abteilung bildet – die der Personalrat alsahlkampfabteilung bezeichnet –, um für die nächsteahl Steuermittel und Personal zweckzuentfremden,
age ich Sie: Stimmen Sie mir zu, dass das von Ihnenelobte Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeitnd Entwicklung mittlerweile zu einem Ministerium füretternwirtschaft und Abwicklung verkommen ist?
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Ich danke Ihnen für diese Fragen, weil sie Ihre Nicht-regierungsfähigkeit zeigen.
Das muss man so sagen. Ich weiß nicht, wie man in sokurzer Zeit in der Opposition so schnell die Regierungs-fähigkeit verlieren kann. Ich hoffe, dass es in Ihrer Frak-tion noch andere Leute gibt, die im Blick haben, wasbeim strukturellen Umbau eines Ministeriums notwen-dig ist.Nehmen Sie einmal eine Nachhilfestunde bei FranzMüntefering. Er hat 2005 in der Großen Koalition seinenPersonalapparat neu strukturiert, um den Anforderungender Großen Koalition gerecht werden zu können. Daswäre der Erörterung an einer anderen Stelle sicherlichnoch einmal wert; es zeigt aber vor allem, dass die Inte-ressen der Hausleitung nicht außer Acht gelassen werdenkönnen, wenn politische Programme durchgesetzt wer-den. Das haben Sie so gemacht, und das haben Vorgän-gerregierungen so gemacht,
und das werden Sie, wenn Sie irgendwann einmal wie-der Regierungsverantwortung tragen sollten, ebenso ma-chen. Wir sind beide jung genug, dass wir das vielleichterleben werden. Dann werde ich Sie daran erinnern.Ansonsten muss ich zum Thema „Schlechte Regie-rungsführung“ sagen: Ich stimme Ihnen nicht zu undhalte Ihre Einlassung für falsch.
Ich hoffe, dass ich damit Ihre Frage zur Zufriedenheitbeantwortet habe.Jetzt zum Thema: Wir wollen die Globalisierung ge-stalten. Wenn ich kurz das bilanzieren darf, was dieseBundesregierung und wir als die sie tragenden Fraktio-nen bisher als unsere Schwerpunkte herausgebildet ha-ben, dann muss man sagen, dass wir uns den Herausfor-derungen der Globalisierung sehr konkret stellen. Dasgilt zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit Ländern,die auf der Weltbühne neu auftrumpfen, nämlich China,Indien, Südafrika oder Brasilien.Alleine dieser kleine Überblick zeigt, wie schwierigdas Spannungsfeld zwischen unserer wertegebundenenund gleichzeitig interessengeleiteten Außenpolitik anmanchen Stellen sein kann. Denken Sie in dem Zusam-menhang beispielsweise an China und die Menschen-rechtsverletzungen. Gleichzeitig muss man die großenhistorischen wirtschaftlichen Herausforderungen beden-ken, die die neuen Emerging Markets uns bieten. Diesedürfen wir als Exportnation natürlich nicht außer Achtlassen.Gleichzeitig müssen wir in diesen Regionen mit demExport unserer politischen Ideen wirken. MinisterWesterwelle hat zu Recht gesagt: Die Welt wartet dochgar nicht darauf, dass wir sie belehren und ihr erklären,was wir für den besten Weg halten; vielmehr müssen wirasdmUdwwhwbppzrectuZiszstrinnvmtuhKusddGehetistisctaGDeanwv1fü
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Ich setze beispielsweise auch im Zusammenhang mitChina eindeutig in erster Linie auf Dialog statt auf Kon-frontation. Ich glaube, dieses Alleinstellungsmerkmalsollte ganz Europa im Blick haben. Dort mit dem erho-benen Zeigefinger aufzutreten, wird wenig bringen. Ichglaube, die Strahlkraft unseres Modells muss so großund so positiv sein und der Erfolg muss einfach so über-zeugend sein, dass sich der Reformprozess, der sich inden vergangenen Jahrzehnten in China entwickelt hat,weiter stabilisiert. Es geht darum, diesen Prozess zu un-terstützen, damit auf lange Sicht tatsächlich weitere not-wendige Reformen eingeleitet werden.Dahin gehend hat sich unsere politische Arbeit schonmassiv verändert, meine Damen und Herren. Es ist nichtmehr so, dass in erster Linie der Austausch von Depe-schen eine große Rolle spielt. Vielmehr spielt eine multi-mediale Dauerpräsenz eine große Rolle. Das, was sichheute aus einzelnen Unterausschüssen des DeutschenBundestages über Facebook und Twitter verbreitet, kannfür die außenpolitische Darstellung relevant sein. Des-halb hat das Gewicht des außenpolitischen Diskurseshier im Parlament eine neue Stufe erreicht; das müssenwir sehr ernst nehmen.Dieser Entwicklung wird die Bundesregierung dan-kenswerterweise gerecht. Ich kann mich nicht erinnern– auch nicht in Bezug auf die Vorgängerregierung, ander meine Partei beteiligt war –, dass uns das AuswärtigeAmt und die Bundesregierung so umfassend über jedeneinzelnen Schritt informiert haben, der gegangen wird.Das gilt auch für das vorliegende Konzept. Deshalb gehtmein herzlicher Dank an Sie, Herr Minister,
dass Sie sich nicht nur die Mühe gemacht und die Zeitgenommen haben, sich mit uns darüber auszutauschen,sondern auch viele Anregungen unsererseits aufgenom-men haben.Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, glauben, dasswir mit dem vorliegenden Konzept unserer Verantwor-tung gerecht werden. Wir glauben, dass wir gerade in Zei-ten der Sparsamkeit, in denen wir jeden Euro, den wirausgeben wollen, hinterfragen und gegenüber den Bürge-rinnen und Bürgern rechtfertigen müssen, gezielt auf ef-fizientere und schlankere Strukturen setzen sollten. Des-halb haben wir Doppelstrukturen infrage gestellt unddamit einen Beitrag zu einer effizienten und innovativenAußenpolitik geleistet.Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Kollege Philipp Mißfelder. – Nächster
Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion Die
Linke unser Kollege Wolfgang Gehrcke. Bitte schön,
Kollege Wolfgang Gehrcke.
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as nehme ich sehr ernst. Ich bin der Meinung: Wereute auf solche Art und Weise mit anderen europäi-chen Ländern, zum Beispiel Griechenland, umgeht, weriktiert, dass Löhne und Renten sinken sollen, wer dik-ert, welches Steuersystem in den jeweiligen europäi-chen Ländern durchgesetzt werden soll,
er den Sparkommissar schicken will, der zerstört dietrahlkraft von Europa und die europäische Idee. Das isteine Gestaltung, das ist Zerstörung.
err Westerwelle, Sie werden es schwer haben, neuetrategische Partner in der Welt zu finden, wenn Sie alteartner so schlecht behandeln. Wie die Bundesregierung Europa derzeit vorgeht, das ist Zerstörung pur.In Ihrem Konzept wird deutlich – darin scheiden sichie Geister, das gebe ich zu; ich sage: mit uns nicht! –,ass Ihre außenpolitische Philosophie die des freienelthandels ist. Dem wird alles untergeordnet, auch inem vorliegenden politischen Konzept. Ich werfe Ihnenas gar nicht vor. Aber man darf es doch wohl sagen.re Werte sind die Werte einer weltweiten, kapitalisti-chen Gesellschaft: Bereicherung, Konkurrenz, Aneig-ung fremder Arbeit. Um es zugespitzt zu formulieren:re wichtigste Gestaltungskraft ist die Macht und dieraft des Geldes. Das durchzieht Ihr ganzes Konzept.Die Globalisierungskritiker und auch wir wollen denozialen Ausgleich, wir wollen Solidarität statt Konkur-nz, Gerechtigkeit statt Vorteilsnahme.
Und Sozialismus.
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Wolfgang Gehrcke
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Danke sehr, Herr Kollege Mißfelder, wie konnte ich dasvergessen. Das ist das Wesen des Sozialismus.
Um es deutlich zu sagen: Unsere Wege gehen völligauseinander. Das, was Sie vorgelegt haben, ist nichtAusdruck neuen Denkens – das war ein Begriff, der dieAußenpolitik früher einmal geprägt hat –, sondern es istim Kern altes Denken. Sie beschäftigen sich in IhremKonzept nicht mit der Frage, wie das Überleben derMenschen zu sichern ist:
Stopp der Rüstungsspirale, Abrüstung, Stopp der Um-weltzerstörung, Kampf gegen Armut und Hunger undvor allen Dingen – das muss in ein solches Konzept hi-nein – konsequentes Nein zu allen Kriegen.
Ohne eine Antwort auf die großen Fragen der Mensch-heit ist jedes Konzept ein Konzept von gestern.Sie hätten schon bei Herrn Gorbatschow nachlesenkönnen, was neues Denken ist; was immer man vonGorbatschow hält.
Sie müssen gründlicher darüber nachdenken, auf wel-che Art und Weise Sie Deutschland präsentieren. IhrKollege, der Verteidigungsminister, hat auf der Münch-ner Konferenz einen weltweiten Führungsanspruch fürDeutschland reklamiert. Auch beim Kollegen Mißfelderkonnte man eben hören: Wir sind wieder wer, wir be-stimmen, wir müssen mit der gewachsenen Verantwor-tung umgehen.
Thomas de Maizière hat in München gesagt, Deutsch-land sei in der Lage, zu kämpfen und zu führen. Ichfinde, das ist ein markanter Satz, der meinen Eindruckverstärkt. Ich sage in aller Deutlichkeit: Deutsche Groß-machtallüren und deutsche Großmachtpolitik waren we-der für die Welt noch für unser Land noch für Europa ir-gendwann gut.
In Europa und in der Welt werden viele Sprachen ge-sprochen. Ich möchte, dass das so bleibt. Wir leben denGedanken einer vielfältigen Welt mit unterschiedlichstenAkteuren. Eine Welt, in der nur Deutsch gesprochenwird, ist schändlich, eine solche Welt lehnen wir ab. Daswäre eine einfältige Welt, das wollen wir doch nichternsthaft anstreben. Vielmehr geht es darum, für Partner-schaft und Gleichberechtigung zu sorgen.mvGkdwmbfaGdgtrtuBaP–ddinätekZsWIcsbuGKNszAL
Sie sprechen in Ihrem Konzept an – ich sage das, umir zu bleiben –, welche Staaten vor allen Dingen Ihreestaltungspartner sein sollen. Allerdings nehmen Siea eine andere Gewichtung als ich vor. Ich habe michestern mit Studierenden, die in Chile protestieren, ge-offen. Diese jungen Frauen sind für mich die Gestal-ngspartner in einer neuen Welt wie auch die Indios inolivien, die Wanderarbeiter in China, die Jugendlichenuf dem Tahrir-Platz, die Frauen in Afrika, die sich zuroduktionsgenossenschaften zusammenschließen undich will das noch einmal wiederholen – die Streiken-en in Griechenland, Spanien und Frankreich.
Gestaltungspartner in dieser Welt sind die Kräfte, dieie Welt tatsächlich verändern. Wenn Sie schauen, wer den letzten Monaten und Jahren die Welt wirklich ver-ndert hat, stellen Sie fest, dass das am wenigsten Staa-n waren, sondern solche Kräfte. Mit ihnen müssen wirooperieren, mit ihnen müssen wir eine neue Form derusammenarbeit finden.Deswegen sage ich: Ihr Aufschlag ist gut. Einecharfe Debatte ist notwendig. Sie aufzurufen, sich vomeg des Geldes abzuwenden, ist verschwendete Kraft.
h möchte, dass wir einen Grundsatzstreit über das We-en des Konzeptes führen. Ich möchte nicht, dass es soleibt, wie es vorgestellt wurde.Schönen Dank.
Vielen Dank, Kollege Gehrcke. – Nächster Redner innserer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/Dierünen unser Kollege Dr. Frithjof Schmidt. Bitte schön,ollege Dr. Schmidt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Derchwarz-gelbe Koalitionsvertrag bezieht keine Positionu der Frage, wie die deutsche Außenpolitik auf denufstieg neuer Akteure reagieren soll. Das war eineeerstelle in Ihrer Politik. Es hat jetzt zwei Jahre gedau-
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Dr. Frithjof Schmidt
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ert, bis Sie Ihre politischen Hausaufgaben gemacht ha-ben. Aber immerhin, Sie haben jetzt etwas vorgelegt.Sie listen viele Grundsätze und Ziele auf, die wir tei-len. Doch eines ist auffällig: Das Wort Gerechtigkeitkommt in diesem Konzept nicht ein Mal vor.
Das kann bei einem FDP-Minister kein Versehen sein.
Wer über die Gestaltung der Globalisierung redet unddabei internationale Gerechtigkeit außen vor lässt, derhat die Größe der Aufgabe nicht wirklich verstanden.
Es geht dabei um einen gerechten globalen Interessen-ausgleich. Dazu gehört auch politische Selbstverpflich-tung.Ganz deutlich wird das beim Thema Klima. Sie be-kennen sich zur Reduzierung der globalen Emissionenvon Klimagas bis 2050 um mindestens 50 Prozent. Nur,Sie verschweigen, dass, um dieses Ziel zu erreichen, dieIndustriestaaten ihre Emissionen um mindestens 80 Pro-zent reduzieren müssen. Ihr Konzept enthält kein Wortzur deutschen Selbstverpflichtung. Sie werden keine Er-folge im Dialog haben, wenn Sie vor den notwendigenSelbstverpflichtungen zurückschrecken. Genau das tunSie aber.
Ich hätte mir gewünscht, heute zu hören, welche Län-der Sie zu den neuen Gestaltungsmächten zählen wollenund welche nicht.
Sie wollen das offenlassen. Der Grund liegt auf derHand. Sie würden damit vielen Ländern de facto die Ge-staltungsfähigkeit absprechen und sie regierungsoffi-ziell in die zweite Klasse der internationalen Politik ein-ordnen. Das zeigt, dass dieser Begriff ein diplomatischerFehlgriff ist.
Wir haben in den vergangenen Jahren einen deutli-chen Machtzuwachs der G 20 erlebt. Die G 20 stehen of-fensichtlich zunehmend in Konkurrenz zu den VereintenNationen; denn circa 170 Länder sind eben nicht Mit-glied der G 20 und dabei dann außen vor. Wir hättenVorschläge erwartet, wie Sie die G 20 in die VereintenNationen einbinden wollen. Doch darüber ist in diesemKonzept nichts zu lesen.Ähnliches gilt für zentrale Politikfelder, zum Beispielfür die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Sie sehen in ei-ner Politik der konsequenten Marktöffnung eine Lösungfür fast alle Probleme. Dass in diesem Zusammenhangaber auch Umwelt- und Sozialstandards eine zentraleRolle einnehmen müssen, verfällt bei Ihnen zu einerRandnotiz. Dabei ist das aber das zentrale Problem, ge-raisMAEhVrusgrülebnAAzluisumevnRFleKStenWddaE
Leider bekommt man bei diesem Konzept schnell denindruck, Außenpolitik ist bei Ihnen vor allem die Vor-ut für deutsche Wirtschaftsinteressen; denn konkreteorschläge für eine Bindung der Außenwirtschaftsförde-ng an Menschenrechtskriterien sucht man vergebens.Wer über einen neuen Dialog redet, der muss auch zueinen internationalen Verpflichtungen stehen. Es ist un-laubwürdig, in einem solchen Konzept kein Wort da-ber zu verlieren, dass Deutschland seiner internationa-n Verpflichtung zur Erreichung des 0,7-Prozent-Zielsei der Hunger- und Armutsbekämpfung ebenso wenigachkommt wie bei der Bereitstellung der Mittel für dienpassung an den internationalen Klimawandel.
uch wenn Sie es immer wieder ignorieren: Das sindentrale Fragen der Globalisierung.Sie haben den europäischen Stufenplan zur Entwick-ngsfinanzierung politisch aufgekündigt. Das war undt ein Affront gegen zentrale Vereinbarungen der UNOnd der Europäischen Union. Wer global gestalten will,uss wenigstens seine internationalen Verpflichtungenrfüllen. So aber präsentieren Sie uns hier ein Konzepton 67 Seiten mit vielen leeren Versprechungen und we-ig Substanz.Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Schmidt – Nächster
edner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der
DP unser Kollege Dr. Rainer Stinner. Bitte schön, Kol-
ge Dr. Stinner.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!urz zwei Sätze zu den Einlassungen der Kollegen derPD; denn sie haben sich ein weiteres Mal von ernsthaf-n Diskussionen verabschiedet.Herr Erler, Sie können doch die Libyen-Entscheidungicht in den Mittelpunkt Ihrer Argumentation stellen.ir kommen gerne darauf zurück und halten Ihnen iniesem Zusammenhang vor, dass Ihr Fraktionsvorsitzen-er an dem Abend der Entscheidung die Entscheidungusdrücklich begrüßt hat.Herr Raabe, wir können uns nur wünschen, dass Ihreinlassungen in dieser wichtigen außenpolitischen De-
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Dr. Rainer Stinner
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batte im deutschen Fernsehen Tag und Nacht in einerEndlosschleife gezeigt werden, um zu dokumentieren,was die SPD auf der Pfanne hat. Sie sind nicht satisfak-tionsfähig.
– Herr Mützenich, Sie kommen nach mir. Sie können dasnoch richtigstellen.Da ist mir Herr Gehrcke noch lieber. Er hat wenigs-tens eine Meinung und sagt sie auch. Die ist zwar völligfalsch; denn er hat ein völlig anderes Weltbild als wir. Erkann aber seine Meinung wenigstens erklären. HerrGehrcke, da sind Sie mir zehnmal lieber als die Kamera-den, die nichts zu sagen haben. Gleichwohl ist Ihre An-sicht konsequent falsch.
Das Konzept der Bundesregierung geht von einemWeltbild aus, das vor einigen Jahren nicht unumstrittenwar. Es geht nämlich von einer multipolaren Welt aus,nicht davon, dass wir in Zukunft einen Hegemon haben.
Es geht auch nicht von einer G-2-Welt mit Amerika undChina aus, sondern von einer multipolaren Welt. In die-ser multipolaren Welt wollen wir unseren Platz finden.
Es ist sehr wichtig, zu bestätigen, was auch in dem Kon-zept steht: Diesen Platz finden wir nur im Rahmen Euro-pas. Das ist eine ganz wichtige Determinante, die in die-sem Konzept nochmals vorgestellt wird.
Im Prinzip haben wir jetzt eigentlich „nur“ zwei Auf-gaben: Erstens müssen wir versuchen, mit der sich än-dernden Welt fertigzuwerden. Zweitens müssen wir defi-nieren, wie Deutschland seinen Platz darin findet.Zum ersten Punkt: Die Welt ändert sich. Das braucheich hier nicht im Detail zu erläutern. Ich habe das Ge-fühl, dass wir vor einem großen Lernprozess stehen. Wir– Deutsche, Europäer, der Westen, Gesellschaft undPolitik – müssen lernen, mit der neuen Welt umzugehen.Wir müssen lernen, dass die bisherige Annahme bzw.der Gedanke, dass sich die Welt in einer gewissenZwangsläufigkeit zu europäischen Werten, zu europäi-schen Systemen hin entwickeln wird, falsch ist. Wirmüssen lernen, in Zukunft mit Systemen zu leben, dieeine eigene Legitimität entwickeln und diese aus derSicht der Bevölkerung auch haben, die aber anders ti-cken als wir und zum Beispiel nicht von dem Modell ei-nes laizistischen Staates ausgehen. Das müssen wir ler-nen. Ich glaube, dieser Lernprozess hat erst begonnen.In dem Konzept steht völlig zu Recht: Wir erwartenund befördern, dass auch andere Verantwortung über-nehmen. Dann müssen wir aber auch akzeptieren, dasssie diese Verantwortung vielleicht in einer Weise über-ndmdgOzsdSsGpwmwwwwmvDbgJ–liMdeDsntiwdtidApßGdmH
Zum Thema Globale Governance. Ich habe die Frageer deutschen Beteiligung am UN-Sicherheitsrat immeranz locker gesehen. Historisch zeigt sich: Wenn in einerrganisation die Kluft zwischen dem Beitrag, den sieum Weltgeschehen liefern muss, und dem, was sie zuagen hat, auf Dauer nicht geschlossen wird, dann wirdie Organisation als solche delegitimiert und verliert ihrechlagkraft. Von daher ist völlig richtig, was hier ange-prochen worden ist: Wir müssen dafür sorgen, globaleovernance den heutigen Bedingungen anzupassen.Die zweite Frage lautet: Wie kann sich Deutschlandositionieren? Hier ist von Herrn Gehrcke angesprochenorden – das war völlig unsäglich –, wir hätten Groß-annssucht. Nein, das stimmt nicht. Auch Sie merken,enn Sie in Israel, in Ägypten, im Iran, in Pakistan odero auch immer sind, dass viele auf der Welt uns als einichtiges Land wahrnehmen und von uns erwarten, dassir uns wie ein großes, wichtiges Land in Europa beneh-en. Das ist ein Lernprozess, den wir in Deutschlandollziehen müssen.
er deutsche Ohnemichel ist ja nicht grundlos ein Sym-ol deutschen Selbstverständnisses. Dieses müssen wiremeinsam, Gesellschaft und Politik, in den nächstenahren deutlich verändern.Herr Gehrcke, wir haben in vielen Teilen der Weltdas wissen Sie genauso wie ich; denn Sie reisen ähn-ch viel herum – zum Glück das Image eines ehrlichenaklers. Das ist ein Pfund, mit dem wir als Deutscheurchaus unseren Einfluss in der Europäischen Unioninbringen.
ieses Konzept ist deshalb darauf angelegt, die deut-chen Instrumente auf breiter Basis einzuführen. Ich willur zwei nennen.Das eine ist die Auswärtige Kultur- und Bildungspoli-k, die wir als FDP-Fraktion und als Koalition für ganzichtig halten. Das hat dazu geführt, dass der Etat fürie AKBP, für die Auswärtige Kultur- und Bildungspoli-k, im Haushalt 2012 so hoch ist wie noch nie zuvor inieser schönen Bundesrepublik Deutschland. Das istusdruck eines bewussten politischen Entscheidungs-rozesses dieser Koalition, den wir ausdrücklich begrü-en.
Es wurde dann oft gesagt, zum Beispiel von Herrnehrcke und von Herrn Schmidt, wir würden uns nur aufie Wirtschaft konzentrieren. Herr Schmidt, im Zusam-enhang mit der deutschen Handlungsfähigkeit, denandlungsmöglichkeiten und dem Handlungswillen
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19032 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012
Dr. Rainer Stinner
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kann man über vieles reden, aber wir wissen doch – auchSie, Herr Schmidt, wissen das –, dass die Handlungsfä-higkeit auf internationaler Ebene in einem ganz großenMaße von der wirtschaftlichen Potenz eines Landes ab-hängig ist. Das mag man lieben oder hassen – HerrGehrcke findet das wahrscheinlich furchtbar –, aber esist doch Tatsache, dass wir deshalb wahrgenommen wer-den, dass unser Wort deshalb gehört wird, weil wir einegesunde wirtschaftliche Basis haben. Somit wird diesesThema zu Recht in diesem Konzept angesprochen.Trotz all des Streites im Deutschen Bundestag findeich es gut, dass es hier – vielleicht mit Ausnahme derLinken, die ein anderes Weltbild haben – hinsichtlich dergroßen Linien nach wie vor einen außenpolitischen Kon-sens gibt. Da gehe ich über manche Nickligkeiten derOpposition hinweg, die ich innenpolitisch verstehe, au-ßenpolitisch aber nicht. Wir glauben, dass die Bundes-regierung einen wichtigen Aufschlag gemacht hat. Wiralle wissen – der Außenminister weiß das, und wir wis-sen das –, dass das natürlich nicht das Ende des Prozes-ses ist, sondern dass das der Beginn eines Diskussions-prozesses, den wir in Deutschland dringend brauchen,ist. Wir, die FDP, werden die Bundesregierung dabeinach vollen Kräften unterstützen.Vielen Dank.
Vielen Dank, Kollege Dr. Stinner. – Nächster Redner
für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege
Dr. Rolf Mützenich. Bitte schön, Kollege Dr. Mützenich.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Bundesaußenminister, ich glaube, das, was Sie auf-geschrieben haben, stellt teilweise eigentlich eine Bin-senweisheit dar. Für die Erkenntnis, dass neue Länder,dass neue Gestaltungsmächte auch einen Gestaltungsan-spruch haben, ist kein umfangreiches Papier notwendig;
denn im Grunde genommen ist dies der Kern der Ge-schichte internationaler Politik.Ich hätte als Anstoß für eine grundsätzliche Debatteüber Außenpolitik viel interessanter gefunden, zu lesen,was Sie in den kommenden wenigen Monaten überhauptnoch erreichen wollen, was den Kern der deutschen Au-ßen- und Sicherheitspolitik da ausmachen soll. Dazu fin-det man in diesem Konzept nichts.
Eine weitere interessante Frage wäre: Bei der Bewäl-tigung welcher Probleme werden Ihnen die neuen Ge-staltungsmächte – gesetzt den Fall, dass Sie auf diesemKonzept beharren – behilflich sein? Bei denen, vor de-nen wir stehen, bei denen, vor denen Europa steht, oderbei denen, vor denen sozusagen die internationale Politiksteht? Auf diese Fragen gehen Sie überhaupt nicht ein.fonMauFkhmpGcenimdTwsmcaimwtemsmutesbbwTahSumorezPdmphüAzam
Meiner Meinung nach müssen wir insbesondere auflgende Punkte hinweisen:Erstens. Wir nähern uns in Europa wieder einemeuen Sicherheitsdilemma; das haben wir alle, die wir inünchen auf der Sicherheitskonferenz waren, auchtmosphärisch gespürt. Eine neue Eiszeit beginnt, wennns ein russischer Außenminister nicht nur die Syrien-rage, sondern insbesondere auch das Problem der Ra-etenabwehr, das möglicherweise eine neue Grenzzie-ung in Europa zur Folge hat, vor Augen führt. Ich frageich: Wo ist da die deutsche Außen- und Sicherheits-olitik? Wollen Sie uns wirklich sagen, dass uns neueestaltungsmächte in der Welt bei der Lösung dieses Si-herheitsdilemmas helfen werden? Nein, dafür brauchts Tatkraft, und zwar in Kooperation mit den alten Part-ern. Wir müssen den USA, insbesondere den Senatoren Kongress, deutlich machen, um was es letztlich geht,ass wir nämlich vertragsbasiert versuchen wollen, dashema Raketenabwehr wieder einzufangen. Darüberäre es in der Tat notwendig gewesen eine außenpoliti-che Debatte zu führen, statt wolkig von Gestaltungs-ächten, die irgendwo am Horizont auftauchen, zu spre-hen.Zweiter Punkt. Von einem Sicherheitsdilemma istuch eine andere Weltregion betroffen. Wir wissen, dass pazifischen Raum ein Sicherheitsdilemma entsteht,eil es dort Fehlwahrnehmungen gibt. Die USA behaup-n, sie seien eine pazifische Macht, und China rüstetaritim auf. Beide Staaten handeln aufgrund unter-chiedlicher Erwägungen. Die Chinesen etwa sagen: Wirüssen diese Wege aufgrund der Situation, in der wirns befinden, und aus nationalem Interesse beschrei-n. – Deutschlands Beitrag als Mitglied der NATOollte angesichts dessen darin bestehen, endlich die De-atte darüber, ob wir eine globale NATO brauchen, zueenden. Doch selbst die Bundeskanzlerin spricht immerieder von der globalen NATO. Indem wir dieseshema, das in China ganz anders wahrgenommen wird,nsprechen, befördern wir allerdings eher ein Sicher-eitsdilemma, als dass wir zu seiner Lösung beitragen.olche außenpolitischen Debatten brauchen wir also.Eine dritte Frage lautet: Glauben Sie wirklich, dassns neue Gestaltungsmächte dabei unterstützen, die Nor-en und Regeln des Völkerrechts besser zu verankernder unsere Partner davon zu überzeugen, das Völker-cht besser zu beachten? Den Mut, eine Debatte darüberu führen, müssen Sie gegenüber den jetzigen, den altenartnern aufbringen. Die Frage des Völkerrechts, aucher Einsatz von Drohnen, betrifft nicht die Gestaltungs-ächte; sie betrifft die alten Partner. Das in der Außen-olitik anzusprechen, dazu gehört nach meinem Dafür-alten Mut; aber was das betrifft, ist in diesem Konzeptberhaupt nichts zu finden.Viertens. Ich sagte, es werden keine großen, neuenntworten gegeben; deshalb verweise ich auf alte Kon-epte. Der Ansatz von Frank-Walter Steinmeier, die Be-rbeitung des Wasserkonflikts in Zentralasien als ge-einsame europäische Herausforderung in die Debatte
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Dr. Rolf Mützenich
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einfließen zu lassen, war richtig. Auch in Zukunft wirddie Wasserfrage – auch Sie haben sie ja angesprochen –wahrscheinlich eine große Herausforderung sein. Vordiesem Hintergrund wäre es besser gewesen, heute derFrage nachzugehen: „War das Konzept von Frank-Walter Steinmeier richtig, und sind wir da vorangekom-men?“, statt von sogenannten Gestaltungsmächten zusprechen und damit neue Schauplätze zu betreten.
Fünfte Frage: Werden Sie gemeinsam mit neuen Ge-staltungsmächten die Herausforderungen im Bereich derRüstungsexporte bewältigen: ja oder nein? Nein, ichglaube nicht. Sie führen die Gestaltungsmächte ja geradedeswegen an, um Rüstungsexporte zu legitimieren.Saudi-Arabien ist für Sie eine Gestaltungsmacht. DieLieferung von Panzern nach Saudi-Arabien wurde damitbegründet, dass am Persischen Golf eine Gestaltungs-macht entsteht und dies möglicherweise in Konflikteausartet. Also: Wollen Sie wirklich sagen, dass uns Ge-staltungsmächte bei der Lösung dieses Problems undbeim Umgang mit solchen falschen Entscheidungen hel-fen werden? Ich sage Ihnen: Nein.Das, was Sie aufgeschrieben haben, führt also in dieIrre. Es verlagert Ihre Verantwortung auf ein anderesFeld. Dazu kann man zwar ein paar schöne Sätze formu-lieren; aber hier muss es um konkretes Handeln gehen.Sie führen mit uns aber keine Debatte über konkretesHandeln. Dieser notwendigen Diskussion würde ichmich gerne stellen. Dazu haben Sie in Ihren zwölf Minu-ten Redezeit am Anfang dieser Debatte aber überhauptnichts gesagt.
Herr Bundesaußenminister, ich will zum Schluss aufeinen weiteren Aspekt eingehen. Ich glaube, dass diesesPapier bei unseren alten Partnern möglicherweise – ichwill nicht sagen: verheerend – falsch ankommt. Daswäre fatal und nicht hilfreich. Ich glaube, man bläst dieBacken wieder einmal etwas zu stark auf. Wenn eindeutscher Außenminister gewissermaßen sagt: „Ich al-leine werde darüber bestimmen, welche Staaten Gestal-tungsmächte sind und welche nicht und mit wem sichDeutschland zusammentut und mit wem nicht“, halte ichdas für ein großes Problem. Dies gilt insbesondere ange-sichts der Debatte auf europäischer Ebene, in derDeutschland nicht mehr das Bild abgibt, das es sichwirklich schwer erarbeitet hat, insbesondere währenddes Kalten Krieges, aber auch während der Zeit der Ent-spannungspolitik. Damals hat sozusagen ein anderesDeutschland das Bild abgegeben.Ich glaube, dass diese schön bebilderte Broschüre, dieSie uns vorgelegt haben, möglicherweise zu einer ganzanderen Wahrnehmung führt als zu der, die Sie beabsich-tigt hatten. Das Papier ist wie Ihre Außenpolitik: etwasdick aufgetragen, dennoch an vielen Stellen vage undimmer wieder sprunghaft. Das ist keine Grundlage füreine bessere Außenpolitik, die wir dringend brauchen.Deswegen glaube ich, dass weitere Debatten über diekcnRHwimgVOpCsdRwasruWüptidräsuEBGtuSzvkwswnK
Vielen Dank, Kollege Dr. Mützenich. – Nächster Red-
er für die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege
uprecht Polenz. Bitte schön, Kollege Polenz.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Mützenich, es geht nicht in erster Linie um Ant-orten auf aktuelle Krisen oder Fragen, die wir dauernd Auswärtigen Ausschuss und anderswo diskutieren; eseht um unsere Rolle in der Welt und darum, welcheerantwortung wir haben; es geht um die strategischerientierung der deutschen Außenpolitik in der multi-olaren Welt des 21. Jahrhunderts, in der 1,3 Milliardenhinesen und 1,2 Milliarden Inder leben und in der Bra-ilien, Südafrika, Mexiko, die USA und, wie wir durchas Veto im Sicherheitsrat gemerkt haben, natürlich auchussland, das sich immer noch als Großmacht fühlt, eineichtige Rolle spielen. Diese Welt ist unübersichtlicherls die geteilte, bipolare Welt des Kalten Krieges. Ange-ichts dessen ist es schon richtig, dass die Bundesregie-ng den Kompass justiert. Ich möchte Außenministeresterwelle sehr dafür danken, dass wir diese Debatteber die strategische Orientierung der deutschen Außen-olitik auf der Grundlage eines breit angelegten Posi-onspapiers der Bundesregierung führen können.Ich finde, es ist ein Verdienst dieses Papiers, dass mitem irreführenden Begriff des Schwellenlandes aufge-umt wird. Es ist falsch, Länder wie China, Indien, Bra-ilien oder Mexiko als Schwellenländer zu bezeichnennd so zu tun, als ob sie knapp über dem Niveau einesntwicklungslandes wären. Das Positionspapier derundesregierung nimmt das regionale und internationaleestaltungspotenzial und vor allen Dingen den Gestal-ngsanspruch dieser Länder in den Blick und versucht,chlussfolgerungen für die deutsche Außenpolitik zuiehen. Das ist ein Verdienst dieses Papiers.
Wie verhindern wir Blockademacht? Wie fördern wirerantwortliche Mitgestaltung? Wo liegen die Möglich-eiten einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit, undo liegen die Grenzen? Dazu verhält sich das Papier. In-ofern ist ein Teil der Kritik ein bisschen preiswert, weilohlfeil. Dem einen fehlt etwas, dem anderen ist an ei-er Stelle etwas zu viel. Das war keine besonders faireritik, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD.
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19034 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012
Ruprecht Polenz
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Die Bundesregierung formuliert als anspruchsvollesZiel:Die Bundesregierung will mit Partnern zusammen-arbeiten, um die globalisierte, interdependente undmultipolare Welt durch eine regelbasierte sowiemultilateral und global ausgerichtete Ordnungspoli-tik über legitime und effektive internationale Insti-tutionen zu prägen.Das klingt nicht nur anspruchsvoll, das ist anspruchsvoll.
Man kann es auf folgende Kurzformel – das steht auchim Konzept – bringen: Es geht um eine faire Globalisie-rung. Wenn Sie John Rawls gelesen haben, dann wissenSie, dass Gerechtigkeit als Fairness eine philosophischeGrundhaltung ist, und das steht in diesem Papier.
Allein wären wir sicher hoffnungslos überfordert, die-ses Ziel zu erreichen. Deshalb wird in diesem Papierrichtigerweise die Frage gestellt, wie Deutschland in die-ser veränderten Welt seine Interessen am besten durch-setzen kann und wie wir unseren Werten Geltung ver-schaffen können. Dazu gibt es einen Schlüsselsatz indiesem Konzept: „Deutschland wirkt mit und durchEuropa.“ Über die Europäische Union hebeln wir unserpolitisches Gewicht. Das ist wie in der Physik. Die Euro-päische Union ist ein politischer Kraftwandler, übrigensnicht nur für Deutschland, sondern für alle 27 EU-Mit-glieder. Wir alle verstärken unsere politische Kraft. Vo-raussetzung ist allerdings, dass alle ihre Hebel gleichge-richtet ansetzen, etwa wie beim Rudern; denn sonst drehtman sich im Kreis, kommt nicht vom Fleck und wirktauch noch relativ komisch dabei.
Aber man kommt vorwärts.
Dass das politische Gewicht Deutschlands ganz we-sentlich von diesem Wirken in der und durch die Euro-päische Union abhängt, zeigt ein Vergleich mit Japan.Japan ist vom Potenzial her durchaus mit Deutschlandvergleichbar, verfügt aber international über weitaus we-niger Mitgestaltungsmöglichkeiten als wir, die wir in derEuropäischen Union verankert sind.Das entspricht im Übrigen auch unserer Wahrneh-mung von außen. Als Mitglieder des Auswärtigen Aus-schusses haben wir viele Delegationen als Gesprächs-partner zu Gast, die Berlin besuchen. Ganz oft fällt dabeider Satz: „Ihr seid das stärkste Land in der EU“, unddann werden Erwartungen und Wünsche formuliert. DasKonzeptionspapier beinhaltet also keine abgehobeneTheorie, auch wenn es natürlich generalisierende Formu-lierungen beinhalten muss, sondern es ist außerordentlichpraktisch und relevant. Denken Sie beispielsweise an un-sere Diskussionen über die Staatsschuldenkrise. Wir dür-fen eben nicht in erster Linie fragen: „Was kostet unsEbGicnR–WsDßssmussegshssasjefüMdpdzDnhepKd
Ich darf noch einmal den polnischen Außenministeritieren. Er hat in seiner Rede gesagt:Wenn wir unsere jetzige Malaise überwinden, dannhaben wir die nötigen Fähigkeiten und die Kraft,um die uns die Welt beneidet. Wir haben nicht nurdie größte Wirtschaftsmacht, Europa steht wiekeine andere Region dieser Welt für Frieden, De-mokratie und Menschenrechte. Für unsere Nach-barn im Osten und Süden sind wir eine Inspiration.as sagt ein Pole, der die Europäische Union natürlichoch nicht als selbstverständlich wahrnimmt und des-alb vielleicht auch den Wert etwas mehr schätzt als derine oder andere von uns.Never again, never alone: Mit diesem alten außen-olitischen Grundsatz sind wir gut gefahren. In demonzept der deutschen Bundesregierung heißt es: „Iner globalisierten Welt wirkt Deutschland mit und durch
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 19035
Ruprecht Polenz
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Europa.“ Das ist der gleiche Inhalt, nur anders formu-liert.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Kollege Ruprecht Polenz. – Nächster
Redner für die Fraktion Die Linke ist unser Kollege Jan
van Aken. Bitte schön, Kollege Jan van Aken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! HerrWesterwelle, ich muss ehrlich sagen: Ich habe das neueaußenpolitische Konzept mit Spannung und natürlich ei-ner gewissen Skepsis erwartet. Jetzt lese ich das Papierund stelle fest, dass die Skepsis leider berechtigt war. Ichmöchte das an fünf Punkten zeigen. Das sind die PunkteFrieden, Nahrungsmittelsicherheit, Menschenrechte, guteArbeitsbedingungen und Abrüstung.Fangen wir mit dem Frieden an. Da schreiben Siezum Beispiel, dass die neuen Gestaltungsmächte einenwichtigen Beitrag zur Vorbeugung von Konflikten leis-ten können. Das ist natürlich richtig. Aber welches kon-krete Beispiel nennen Sie dafür in dieser Hochglanzbro-schüre? Die militärische Zusammenarbeit zwischenDeutschland und Südafrika. Warum, Herr Westerwelle,fällt Ihnen beim Thema Konfliktlösung immer nur dieBundeswehr ein?
Ich finde, ein Außenminister, dem beim Thema Konfliktimmer nur Militär einfällt, der hat seinen Job komplettverfehlt.Zweiter Punkt: die Nahrungsmittelsicherheit. In demPapier ist sehr viel von Hungerbekämpfung die Rede.All das ist wunderbar. Aber an einer anderen Stelle for-dern Sie den ungehinderten Zugang zu Ackerland fürsich und die Gestaltungsmächte. Heißt das: einen unge-hinderten Zugang zu landwirtschaftlicher Nutzflächeauch in allen anderen Ländern, also weltweit? Heißt dasdenn: Nahrungsmittelsicherheit nur für die Starken undReichen? So werden Sie den Hunger in der Welt nichtbekämpfen, Herr Westerwelle.
Dritter Punkt: die Menschenrechte. An dem gleichenTag, an dem Sie das hier veröffentlichten – darin stehtgefühlte 500-mal das Wort Menschenrechte –, empfin-gen Sie hier in Berlin den kasachischen PräsidentenNasarbajew und schlossen mit ihm einen Rohstoffver-trag ab.
Falls Sie es vergessen haben, Herr Westerwelle:Nasarbajew ist der Mann, der gerade mit 80 Prozent derStimmen in Kasachstan gewählt worden ist, und alleWfäDmMsmBfedspwsmds–zimwDwreeEineeadgsILSgvlacdvtug
Vierter Punkt: gute Arbeitsbedingungen. In dem Pa-ier wird von dem Ziel gesprochen, weltweit menschen-ürdige Arbeitsbedingungen zu gestalten. Das ist einehr schönes Ziel. Ich habe Ihnen eine Tafel Schokoladeitgebracht, ein nachträgliches Geschenk zu Ihrem run-en Geburtstag. Das hier ist eine fair gehandelte Bio-chokolade.
Nein, sie ist relativ frisch, die habe ich nicht seit De-ember in der Tasche. Aber ich habe Ihren Geburtstag Kopf, weil auch ich im letzten Jahr 50 Jahre alt ge-orden bin.
a haben wir etwas gemeinsam. – Wissen Sie eigentlich,enn Sie über menschenwürdige Arbeitsbedingungenden, wie viel ein Kakaobauer in Ghana verdient, wennr nicht vom fairen Handel profitiert?
inen halben Euro am Tag. Wissen Sie eigentlich, dass der Elfenbeinküste 2 Millionen Kinder in der Kakao-rnte arbeiten? Diese Kinder helfen nicht ihren Elterninmal bei der Ernte, sondern das ist verbotene Kinder-rbeit. Wissen Sie, dass es in Westafrika und vielen Län-ern noch Sklavenarbeit in der Kakaoernte gibt?Um das zu ändern, um hier menschenwürdige Bedin-ungen zu schaffen, brauchen Sie keine Hochglanzbro-chüre. Dafür brauchen Sie auch nicht auf die UNO, dieO oder andere Regierungen zu warten. Das könntenie ganz einfach mit einem Gesetz in Deutschland re-eln, indem Sie einen Herkunftsnachweis für den Kakaoerlangen. Wenn auf der Rückseite einer Tafel Schoko-de immer stehen müsste, aus welcher Provinz, aus wel-hem Land der Kakao kommt, dann wird kein einzigereutscher Produzent mehr Kakao aus Kinder- oder Skla-enarbeit kaufen. Deswegen haben Sie die Verantwor-ng hier in Deutschland, für menschenwürdige Bedin-ungen anderswo auf der Welt zu sorgen.
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Jan van Aken
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Wenn ich also all die politisch korrekten und hohlenPhrasen aus diesem Papier herausstreiche, dann bleibtvon Ihrem außenpolitischen Konzept sehr wenig übrig.Es bleibt vielleicht ein Konzept für eine knallharte Au-ßen- und Wirtschaftspolitik übrig. Das, Herr Westerwelle,finde ich ein Armutszeugnis.
Fünfter und letzter Punkt: die Abrüstung. Im Übrigenbin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffenmehr exportieren sollte; denn eines muss man bedenken:Jede einzelne Waffe, die Sie an ein anderes Land verkau-fen, rüstet dieses Land auf und nicht ab. Ich finde es sehrbemerkenswert, dass auf diesen ganzen 68 Seiten nichtein einziges Mal das Wort Abrüstung vorkommt. Dasmuss man erst einmal schaffen. Bei einem außenpoliti-schen Konzept nicht über Abrüstung zu reden, muss manerst mal schaffen. Das ist natürlich konsequent, wennman nur an Wirtschaftspolitik denkt. Das ist aber auchgrundfalsch.
Trotzdem wünsche ich Ihnen guten Appetit beim Ver-zehr der fair gehandelten Schokolade!
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin inunserer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/DieGrünen unsere Kollegin Kerstin Müller. Bitte schön,Frau Kollegin Müller.Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Westerwelle, eine Tafel Schokolade habe ich zwarnicht anzubieten, aber auch ich bin der Meinung, dassdas Konzept, das Sie am Mittwoch mit viel Tamtam undÖffentlichkeit vorgestellt haben, nicht viel Neues ent-hält; es bezieht sich vielmehr auf etwas, das schon langebekannt ist, nämlich dass sich die Kraftzentren der inter-nationalen Politik verschieben, weg vom starren Blickauf Europa und die USA hin zu Ländern, die man ge-meinhin – Herr Polenz hat es angesprochen – als Ent-wicklungs- und Schwellenländer bezeichnete, die aberinzwischen schon längst die Schwelle machtpolitischerIrrelevanz überschritten haben, zum Beispiel weil sieökonomisch gewachsen sind wie Südafrika oder Brasi-lien – davon sprechen Sie überwiegend – oder weil sieregionale Hegemonialmacht anstreben wie der Iran.Ja, es ist richtig: Die Welt hat sich verändert, hin zueiner multipolaren Welt. Viele Länder wollen heute diegAWmkhKumAkkWeinUawsmrekIhPIhPmmsSaPnMgtublemCsesserem
Ich kann Ihnen auch jetzt das Beispiel Libyen nichtrsparen. Damit hat die Bundesregierung Deutschlands weltpolitische Abseits katapultiert. Das wird bei derNO und der EU immer noch so gesehen, und das hatuch Nachwirkungen.
Leider bleibt der Versuch einer neuen Strategieent-icklung, von der Sie gesprochen haben, Herr Polenz,chon im Ansatz stecken. Denn auf 67 Seiten wird leiderit vielen Worten wenig gesagt: Frieden, Menschen-chte, Wirtschaft, Ressourcen, Soziales und Nachhaltig-eit – alles kommt irgendwie vor. Aber wo setzen Siere Prioritäten, Herr Westerwelle? Das geht aus demapier nicht hervor. So bleibt das Ganze ein Versuch,re „wurschtelig wirkende“ Außenpolitik, wie es in derresse hieß, schick zu verpacken. Inszenierung alleinacht aber noch keine Außenpolitik und keinen Außen-inister. Man muss vielmehr klare Prioritäten setzen.
Wo Ihre eigentliche Priorität liegt, wurde bei der Vor-tellung klarer: „Wandel durch Handel“ ist – das habenie mehrfach betont – Ihr neues und man sollte vielleichtuch sagen altes Credo. Damit wird klar: Ihre eigentlicheriorität ist die deutsche Wirtschaft. Es geht darum, ei-en politischen Rahmen zu schaffen, um Türen für neueärkte zu öffnen.Gestaltungsmächte sind – das haben Sie noch einmalesagt – für Sie in erster Linie Länder mit hohen Wachs-msraten und seltenen Rohstoffen. Aber was das im Hin-lick auf die Gestaltungsmächte heißt, bleibt unklar. Wol-n Sie wirklich behaupten, dass Handel automatischehr Demokratie und Freiheit bringt, zum Beispiel inhina oder Russland? Ist denn jeder, der wirtschaftlichtark ist, in Zukunft automatisch Ihr Partner, und für wasigentlich? In der Syrien-Frage zum Beispiel sind die Ge-taltungsmächte China und Russland keine Partner. Sietehen auf der anderen Seite und haben in dieser Frageine völlig andere Position. Unklar ist auch – meine Vor-dner haben es schon angesprochen –: Ist diese Zusam-enarbeit an irgendwelche Kriterien, zum Beispiel an
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Kerstin Müller
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menschenrechtliche Standards oder Umwelt- und Sozial-standards, gebunden?Aber wie Sie selbst gesagt haben: Es kommt auf denPraxistest an.
Frau Kollegin, es gibt den Wunsch nach einer Zwi-
schenfrage aus der Fraktion der FDP. Unser Kollege
Spatz will Sie etwas fragen. Gestatten Sie das?
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Ja. Wie könnte ich das einem Kollegen verwehren?
Bitte schön.
Frau Kollegin Müller, könnten Sie uns wenigstens zu-
gestehen, dass die Maxime „Wandel durch Handel“ bzw.
„Wandel durch Annäherung“, also der Prozess, mit den-
jenigen zu sprechen, die unsere Ideale vielleicht noch
nicht teilen, mindestens zur Überwindung der Spaltung
Europas einen wichtigen Beitrag geleistet hat und viel-
leicht auch als Rezept für die Welt taugt?
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Herr Spatz, ich glaube nicht, dass dies als Rezept für
die Welt taugt. Sie berufen sich hier auf die Ostpolitik
Brandts.
Ich finde, diese Schuhe sind wirklich viel zu groß.
Schauen Sie sich das an. Russland ist ein Beispiel dafür.
Keiner hier kann sagen wollen, dass es durch eine Öff-
nung der Märkte, durch zum Teil Manchesterkapitalis-
mus und kapitalistische Verhältnisse in Russland mehr
Demokratie gibt. Im Gegenteil: Beides prallt völlig auf-
einander. Auch in China stehen wir vor dieser Situation.
China ist ein wichtiger Partner, aber wir sehen, dass
Menschenrechte und Demokratie dort zum Teil mit Fü-
ßen getreten werden. Daher glaube ich, dass diese These
nicht stimmt. Es braucht zusätzliche Anstrengungen, und
es muss klar definiert werden, was wir für eine Art der
Handelspolitik wollen. Wollen wir sie an Umwelt- und
Sozialstandards binden? Wollen wir sie an Menschen-
rechtskriterien binden? Dazu steht in dem Papier nichts.
Hier spricht Ihre reale Politik Bände.
Der Praxistest ist entscheidend: The proof of the pud-
ding is in the eating. Ich kann es Ihnen nicht ersparen,
die Inszenierung zu kritisieren: Sie stellen das Konzept
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Vielen Dank, Frau Kollegin Kerstin Müller. – Nächs-
r Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kol-
ge Dr. Christian Ruck. Bitte schön, Kollege Dr. Ruck.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrtenamen und Herren! Ich bin sehr froh über die Gelegen-eit zu dieser Debatte. Herr Westerwelle, ich fand es gut,ass Sie eingangs gesagt haben, dass wir trotz der Euro-rise und trotz unserer anderen heimischen Krisen denlick auf die Welt nicht vergessen dürfen. Das ist völligchtig, sage ich als Entwicklungspolitiker. Ab und zu
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Dr. Christian Ruck
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sind wir als Entwicklungspolitiker mit den Außenpoliti-kern in einem fruchtbaren und heftigen Dialog, daherfinde ich es ein bisschen schade, dass viele Redner derOpposition die Gelegenheit haben verstreichen lassen, inder Sache zu diskutieren.
– Frau Müller, Sie habe ich nicht gemeint.Es ist doch vollkommen klar, dass es sich bei dem,was Herr Westerwelle in dieser Woche vorgestellt hat,um ein Gerüst handelt, das man noch ausfüllen und aus-arbeiten muss.
Alles andere ist eine völlige Illusion. Ich glaube, hier ha-ben Verschwörungstheorien keinen Platz.Für uns Entwicklungspolitiker ist der Umgang mitden Gestaltungsländern oder Schwellenländern, wie siefrüher genannt wurden, von ausschlaggebender Bedeu-tung; denn aus der Sicht der Entwicklungspolitiker hatsich die Welt durch die Globalisierung fundamental ver-ändert. Die klassische Einteilung in Industrieländer undEntwicklungsländer stimmt nicht mehr. Auch das, wasfrüher weit weg von uns war, am Hindukusch oder imInnern Afrikas, ist plötzlich ganz nah, auch für unsereBevölkerung, für unseren Wohlstand und für unsere Si-cherheit.Die großen Herausforderungen zeichnen sich ab. Dasist die Klima- und Energiefrage. Das ist die Frage derGefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen. Das istdie demografische Entwicklung mit all den Konsequen-zen für die Ernährungslage und für die Wasserversor-gung. Das ist aber auch die Frage von politischenUmbrüchen, Instabilitäten, ökonomischen Ungleichge-wichten und daraus folgender politischer Radikalisie-rung.Das alles zwingt uns in unserem ureigenen Interessezu einer Entwicklungspolitik, die gleichzeitig hoch flexi-bel, konsequent und langfristig angelegt sowie – das istgerade der Punkt dieses Konzepts – kohärent ist, dasheißt, dass alle Bereiche des Außenhandels erfasst wer-den, dass sie international abgestimmt sind, vor allemunter denen, die die gleichen Sicherheitsinteressen ha-ben wie wir.Das bedeutet zum Beispiel auch, dass sich die Ent-wicklungspolitik in Zeiten der Globalisierung längstnicht mehr nur als Straßen- und Brunnenbauer versteht,sondern sie versteht sich als eine Politik, die mithilft, dassdie Welt tragfähige Strukturen entwickelt, mit denen siedie Herausforderungen, die ich genannt habe, in Zukunftmeistern kann. Damit sind die Entwicklungspolitiker na-türlich auch von der Kohärenz mit der Gesamtpolitik ab-hängig. Wir begrüßen es, dass ein solches kohärentesGrundgerüst von der Bundesregierung vorgelegt wordenist, in dem es vor allem um diese Gestaltungsmächte geht;denn auf Schritt und Tritt merken wir, dass diese Gestal-tungsmächte Schlüsselakteure für die globale Entwick-lufüzoaEWsGlisDjeainteabsupglebdusasuLAacmsGteknicsdb
as ist nicht immer unumstritten gewesen. Das tun wirtzt.Zweites Stichwort: Instabilität. Natürlich bewundernlle die Fortschritte der Brasilianer, Chinesen und Inder Dimensionen wie Bruttosozialprodukt und Fähigkei-n in technologischer Hinsicht. Die Wahrheit ist aberuch, dass zwei Drittel der Armen in diesen Ländern le-en, dass diese Länder nach wie vor von großen politi-chen Instabilitäten bedroht sein können und dass es innserem Interesse ist, auch mit unserer Entwicklungs-olitik, zumindest mit Beratungsleistungen, dem entge-enzuwirken.Drittes Stichwort: Rohstoffe. Was sich in weiten Tei-n der Welt, gerade in Afrika, in Sachen Rohstoffaus-eutung abspielt, ist schlichtweg ein Desaster. Wenn wiras in bessere Bahnen leiten wollen, dann müssen wirns vor allem mit den Gestaltungsmächten, die da be-onders beteiligt sind, vor allem mit China, irgendwieuf einen Code of Conduct, auf einen Ehrenkodex, ver-tändigen. Verständigen müssen wir uns nicht nur unterns – das ist ebenfalls nötig –, sondern auch mit diesenändern und vor allem mit China; denn ohne eine solchebsprache ist eine vernünftige Entwicklung in ärmeren,ber rohstoffreichen Ländern nicht möglich. Wir brau-hen deswegen diese Zusammenarbeit mit China undit anderen Ländern, und wir brauchen sie auch in Ge-talt von Dreieckskooperationen.
Diese Beispiele, glaube ich, zeigen, wie man dierundgedanken des von Herrn Westerwelle vorgestell-n Konzepts mit Leben und auch mit Details erfüllenann.Aber wir müssen in vielen Punkten natürlich auchoch bei uns selbst weiter voranschreiten. Dazu nenneh ebenfalls drei Punkte:Erstens. Wir müssen auf dem Weg weiter voran-chreiten, die eigenen Kräfte zu bündeln, zum Beispielurch schlagkräftige Durchführungsorganisationen – da-ei sind wir –,
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Dr. Christian Ruck
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zum Beispiel durch Ressortabstimmung. Dabei ist eswichtig, auf die wertvolle Arbeit der Kirchen und Stif-tungen auf diesem Gebiet hinzuweisen.Zweitens. Wir müssen die internationalen Organisa-tionen so gestalten, dass sie effizienter und effektiver ar-beiten können, und zwar nicht nur die UNO – das wurdeschon angesprochen –, sondern auch die vielen anderenOrganisationen, die immer wichtiger werden, vor allemdie regionalen Organisationen wie die Arabische Ligaoder die Afrikanische Union.Drittens. Wir müssen – es wurde von einer Präge-phase in Europa gesprochen – für einen schlüssigerenund kompakteren Außenauftritt der EU und der westli-chen Wertegemeinschaft sorgen. Denn wir als Deutschesind allein nicht in der Lage, die Welt grundsätzlich zuändern. Aus diesem Grunde begrüßen wir das vorlie-gende Konzept der Bundesregierung, das strategischeZiele richtig definiert. Wir alle sind aufgefordert, dieseZiele umzusetzen.
Vielen Dank, Kollege Dr. Christian Ruck. – Nächste
Rednerin in unserer Debatte ist für die Fraktion der So-
zialdemokraten unsere Kollegin Edelgard Bulmahn.
Bitte schön, Frau Kollegin Bulmahn.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-nen und Kollegen! Bei der Vorstellung des Konzepts derBundesregierung zur Zusammenarbeit mit den soge-nannten neuen Gestaltungsmächten haben Sie, HerrBundesaußenminister, immer wieder betont, dass dieneuen globalen Fragen nur im Zusammenspiel mit mehrund neuen Partnern zu beantworten sind. Das ist richtig;keine Frage. Dass die Welt aber multipolar und nichtmehr bipolar ist, ist keine neue Erkenntnis. Diese Ent-wicklung gibt es seit 20 Jahren. Die Frage, die sich da-raus ableitet, ist: Was bedeutet es für die deutsche Au-ßenpolitik, dass wir heute in einer multipolaren Weltleben? Auf diese Frage, Herr Außenminister, geben Siekeine Antwort. Eine strategische Orientierung der deut-schen Außenpolitik bietet dieses Papier gerade nicht.Welche außenpolitischen Ziele verfolgt die Bundesre-gierung? Welche Interessen hat sie? Welche Leitlinienfür außenpolitisches Handeln formulieren Sie? WelcheStrategie leiten Sie daraus ab? Wo setzen Sie Schwer-punkte? Das sind Fragen, auf die ich in diesem Papiereine Antwort erwartet hätte. Herr Ruck, wenn Sie sagen,dass das, was hier vorgelegt wurde, ein Gerüst sei, dannfinde ich das nach zwei Jahren zu wenig. Zwei Jahrehatte diese Bundesregierung Zeit, ein außenpolitischesKonzept vorzulegen. Das wäre gut gewesen, denn dannhätten wir über die Inhalte, Zielsetzungen, Strategien,Schwerpunkte miteinander diskutieren können. Das istauch notwendig. Aber über ein Gerüst kann man nichtdiskutieren.sisDliSsreleHtitiAtidsSudtidmngreinmWgakdndAgtidEadmligduhdnlemAwa
In dem Konzept wird angerissen, dass – auch demtimme ich ausdrücklich zu – Außenpolitik heute mehrt, als es die traditionelle Außenpolitik war, mehr alsiplomatie. Heute spielen Klimaschutz, der verantwort-che Umgang mit natürlichen Ressourcen, die weltweiteicherung der Nahrungsmittelversorgung, die Globali-ierung der Wirtschaft, die Verletzung von Menschen-chten oder auch die Bedrohung durch den internationa-n Terrorismus eine wichtige Rolle. All das sinderausforderungen, die sich der klassischen Machtpoli-k und damit den traditionellen Formen der Außenpoli-k entziehen. Dem werden wir wohl alle zustimmen.ber wenn man feststellt, dass diese Beschreibung rich-g ist, dass Außenpolitik heute viele Dimensionen hat,ass sie eine Querschnittsaufgabe geworden ist und dassich mit ihr heute immer auch Fragen der Friedens- undicherheitspolitik, der Menschenrechte, der Umwelt-nd Klimaschutzpolitik, der Zusammenarbeit in Bil-ung, Wissenschaft und Forschung, der Wirtschaftspoli-k und vieler anderer Felder verbinden, dann bedeutetas eben auch, dass man Außenpolitik so konzipierenuss, dass die Verbindung dieser Dimensionen klar be-annt und verstanden wird.Das bedeutet dann auch, liebe Kolleginnen und Kolle-en, zu respektieren, dass sich in dieser neuen multipola-n Welt neue regionale Strukturen entwickeln, die sich den klassischen Formaten der internationalen Zusam-enarbeit bisher nicht ausreichend abbilden. Auch dieseahrnehmung habe ich in dem Konzept der Bundesre-ierung vermisst.Ich hatte gehofft, dass wir in der Rede des Bundes-ußenministers hierzu etwas Genaueres erfahren, welcheonkreten Auswirkungen diese Entwicklungen auf dieeutsche Außenpolitik haben. Aber auch hierzu habe ichicht viel Neues gehört. Was bedeutet zum Beispieliese Herausbildung neuer regionaler Strukturen insien, Afrika und Südamerika für die deutsche Politik?Herr Außenminister Westerwelle, Sie haben zwar an-esprochen, dass diese neuen regionalen Strukturen exis-eren, aber welche Schlussfolgerungen ziehen Sie dennaraus? Welche Konsequenzen hat das für die weiterentwicklung der VN? Wie soll ein neuer Sicherheitsratussehen? Wie soll er zusammengesetzt sein? Das sindoch Fragen, auf die wir Antworten geben müssen. Dazuüssen wir Vorschläge machen, über die wir dann natür-ch auch mit unseren Partnern verhandeln müssen. Ei-ene Vorstellungen muss man aber schon haben, erstann kann man sie miteinander erörtern.Welche Rolle sollen zukünftig regionale Sicherheits-nd Wirtschaftsbündnisse in der deutschen Außenpolitikaben? Ich nenne zum Beispiel die Afrikanische Union,ie Arabische Liga und ASEAN. All diese neuen regio-alen Strukturen spielen inzwischen in der internationa-n Politik eine wichtige Rolle, und zwar in vielen Di-ensionen. Wie spiegelt sich das in der deutschenußenpolitik wider? Welche Schlussfolgerungen ziehenir daraus? Was bedeutet das – das wurde von einigenngesprochen – zum Beispiel für die Armutsbekämp-
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Edelgard Bulmahn
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fung? Wenn wir konkrete politische Zielsetzungen in derArmutsbekämpfung oder in der Klimapolitik verfolgen,mit welchen Strategien geht das dann einher? WelcheRolle spielen dabei die regionalen Strukturen?Das alles wird in diesem Konzept nicht angesprochen.Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss ich leidereinfach feststellen, dass das Papier, über das wir hier dis-kutieren, eben kein strategisches Konzept ist. Es ist nureine Aneinanderreihung von Handlungsfeldern. Genaudas löst auch die Kritik aus. Eine positiv verstandene,konkrete Beschreibung deutscher Interessen und Zielset-zungen findet nicht statt. Genauso wenig gibt es eine kri-tische Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln.Man gewinnt den Eindruck, dass sehr viel Zeit darauf ver-wendet worden ist, die bisherige schwarz-gelbe Außen-politik in ein positives Licht zu rücken – auch das ist Ih-nen jedoch nicht so richtig gelungen –, während dieHerausforderung, tatsächlich eine Strategie zu beschrei-ben, nicht aufgegriffen worden ist.Ich will einen letzten Aspekt nennen. Sie haben in Ih-rem Konzept die Zusammenarbeit mit neuen Gestal-tungsmächten im Bereich der Krisenprävention, der Kon-fliktlösung und der Friedenskonsolidierung vor allem inderen Rolle als Truppensteller für Friedensmissionen derVereinten Nationen gesehen. Dazu sage ich: Deren Rolledarauf zu beschränken, ist wirklich fahrlässig und beiweitem nicht ausreichend.
Bangladesch und Jordanien stellen derzeit jeweilsmehr als 2 000 Polizeikräfte für UN-Missionen zur Ver-fügung, Deutschland gerade einmal 18. Das heißt, dassDeutschland noch nicht einmal bei dem, was Sie alsAufgabe beschreiben, annähernd seiner Verantwortunggerecht wird. Das, Herr Außenminister, ist eben keineGrundlage für eine zukunftsfähige Außenpolitik im21. Jahrhundert.Es erstaunt mich schon, dass die Bundesregierung inihrem Konzept zu diesem wichtigen Themenfeld nichtmehr sagt. Nur zu behaupten, dass zivile Krisen- undKonfliktprävention ein Schwerpunkt der Außenpolitiksein soll, reicht nicht. Die konkreten Vorschläge – dasmuss ich leider einfach einmal feststellen – kommennicht von der Regierung, sie kommen aus dem zuständi-gen Unterausschuss im Deutschen Bundestag, und zwarfraktionsübergreifend. Ich finde das auch gut. Von derBundesregierung ist da leider nichts gekommen.
Da finde ich nur eine leere Stelle.
Sie denken an Ihre Redezeit?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist notwendig
und wichtig, dass wir uns mit der außenpolitischen Stra-
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Vielen Dank, Frau Kollegin Bulmahn. – Letzter Red-
er in unserer Aussprache ist für die Fraktion der CDU/
SU unser Kollege Karl-Georg Wellmann. Bitte schön,
ollege Wellmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frauulmahn, Ihre Rede war bezeichnend: Sie haben keinonzept, und Sie haben wie Herr Erler nur Fragen ge-tellt. Aber Sie haben keine Antwort auf die Globalisie-ngsprobleme in dieser Welt.
nders Herr Gehrcke: Er hat auf Basis seines festeneltbildes und im Geiste des proletarischen Internatio-alismus eine Antwort gegeben – vorgestrig, aber im-erhin.
Das wäre eine Alternative, über die wir diskutierenönnten.Wir begrüßen das neue Konzept. Es ist gut, dass esicht nur unsere Werteordnung, sondern vor allem auchnsere Interessen benennt. Es gibt ein Spannungsfeldwischen Werten und Interessen. Dieses Spannungsfelduss aufgelöst werden. Wir müssen allerdings in derraxis kohärent agieren und dürfen hinsichtlich derenschenrechtslage schwierige Länder nicht unter-chiedlich – abhängig von unseren Handelsinteressen –ehandeln. Wir können Länder, mit denen uns keineandelsinteressen verbinden, nicht mit einer Bestra-ngsrhetorik und mit Sanktionen belegen, während wiries bei anderen Ländern nicht tun. Das würde uns un-laubwürdig und unberechenbar machen. Unsere Inte-ssen – lassen Sie mich das noch einmal betonen – sindatürlich auch Handelsinteressen und betreffen auchandelswege. Deshalb sind wir am Horn von Afrika.Wir wollen die Partner von unseren Werten überzeu-en. So steht es im Konzept. Wir sollten unseren Part-erländern deutlich machen, dass es auch ganz handfesteründe dafür gibt, diese Werte zu beachten; denn ohneechtssicherheit und mit Behördenwillkür und Korrup-on würde die Entwicklung des so notwendigen freiennternehmertums in diesen Ländern – ich denke anussland – erstickt. Der Fall Chodorkowski ist nicht nureshalb so bemerkenswert, weil hier rechtsstaatlicherundsätze verletzt werden. Er ist auch deshalb bemer-enswert, weil er für Russland selbstschädigend ist;enn potenzielle Investoren werden von Russland abge-alten. Der Mittelständler aus Deutschland oder der EU,
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Karl-Georg Wellmann
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der sich fragt: „Soll ich in Russland mehrere MillionenEuro investieren?“, sagt sich: Auch ich gerate vielleichteines Tages in die Mühlen dieser Willkürjustiz. – Des-halb geht er nicht nach Russland, und deshalb ist es fürRussland selbstschädigend, so zu handeln. Diesen Dia-log müssen wir mit unseren Partnern führen.
Herr Außenminister, ich darf bei dieser Gelegenheitdarauf hinweisen, dass das Konzept richtigerweise dieBedeutung des Austausches mit den Zivilgesellschaftenund die Förderung von Stipendien und Besuchsprogram-men erwähnt. Da haben wir im Bereich der Visapolitiknoch ein gutes Stück zu tun.
Wir haben gemeinsam noch einen langen Weg vor uns,bevor wir zu einer echten Willkommenskultur, die wiraus Eigeninteresse bitter nötig haben, kommen.Der Machtverlust des Westens ist erkennbar. Der Au-ßenminister hat es schon gesagt: Als Einzelstaaten habenwir in der globalisierten Welt kaum noch Einfluss undspielen eine untergeordnete Rolle. – Das neue Konzeptwill eine Antwort darauf geben. Das setzt natürlich eineweitere europäische Integration voraus. Das braucht abernach meiner Auffassung noch mehr. Damit meine ich dieBeziehungen zu Russland. Die Bedeutung Russlands istuns allen bewusst. Sicherheit kann nicht gegen, sondernnur mit Russland erreicht werden. Das gilt für Drogen-bekämpfung, Terrorbekämpfung, für die Frage der Ver-kehrswege und vieles mehr. Es ist evident, welche Be-deutung die Rohstoffbasis Russland für die westlichenIndustrienationen hat.Ich freue mich, Herr Außenminister, dass Sie an die-ser Stelle gestern und auch heute sehr klargestellt haben,welche Bedeutung Russland für uns hat. Wenn man dasPapier genau liest, wird man erkennen, dass die G-8-Länder nicht von diesem Papier erfasst werden. Russ-land gehört aber zu den G 8. Dieser Sachverhalt solltebei einer zukünftigen Fortschreibung des Konzepts be-rücksichtigt werden.Nach der Präsidentenwahl in Russland – ich glaube,niemand erwartet eine Überraschung – sollten wir versu-chen, mit Russland in einen neuen strategischen Dialogzu treten und Russland und die EU enger zu verzahnen.Ich denke dabei an eine echte Energiepartnerschaft.Meine ganz persönliche Meinung ist, dass wir im Rah-men einer solchen Partnerschaft nicht primär die Rolledes politischen Oberlehrers spielen, sondern in der Tatmehr auf den Außenminister hören sollten, der die alteErfahrung vom „Wandel durch Handel“ angeführt hat.Lassen Sie mich zum Schluss, bevor hier die Atom-müllfässer rollen, noch etwas zu Amerika sagen. Ame-rika und wir haben eine echte Wertepartnerschaft. Eu-ropa bzw. Westeuropa, Amerika und einige andereLänder repräsentieren das, was wir als Westen bezeich-nWRVdsrunSuimAKDfüvsFddfosDEsDtudtro
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Tages-rdnungspunkt 21 a bis c auf:a) Beratung des Antrags der Abgeordneten SylviaKotting-Uhl, Dorothea Steiner, Hans-Josef Fell,weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENRückholung des Atommülls aus der Asse be-schleunigen– Drucksache 17/8497 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit zu demAntrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl,Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abgeord-
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Vizepräsident Eduard Oswald
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neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NENBeteiligung der Energiekonzerne an den Kos-ten für das Atommülllager Asse– Drucksachen 17/1599, 17/4487 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Maria FlachsbarthUte VogtAngelika BrunkhorstDorothée MenznerSylvia Kotting-Uhlc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit zu demAntrag der Abgeordneten Sigmar Gabriel, UteVogt, Heinz-Joachim Barchmann, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion der SPDRückholung der Atommüllfässer aus der Asse IIbeschleunigen– Drucksachen 17/8351, 17/8588 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Maria FlachsbarthUte VogtAngelika BrunkhorstDorothée MenznerSylvia Kotting-UhlNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache.Erste Rednerin in unserer Aussprache ist für die Frak-tion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin Frau SylviaKotting-Uhl. Bitte schön, Frau Kollegin Kotting-Uhl,Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Wir redenheute über die Entsorgungskatastrophe Asse. Ich willnicht noch einmal die Gesamtgeschichte der Asse refe-rieren, obwohl sie ein gutes Lehrbeispiel dafür ist, wasman mit mangelnder Sorgfalt und Transparenz bei derAuswahl eines Standortes für die Endlagerung vonAtommüll anrichten kann.Im Jahr 2007 habe ich hier zum ersten Mal gefordert,den Atommüll aus der Asse zurückzuholen. Die Zustim-mung im Haus war gering. Ein Jahr später wurden diekontaminierten Laugen bekannt. Nach dem Optionen-vergleich des inzwischen zuständigen Bundesamtes fürStrahlenschutz war klar, dass um der Langzeitsicherheitwillen der Müll aus der Asse raus muss. Wer sich mit derAsse beschäftigt hat und weiß, auf welch fahrlässigeWeise welche Mengen von Atommüll dort eingelagertwurden, dem ist klar, dass die Rückholung nicht einfachwird. Dass man vor einer solchen Aufgabe auch ver-zagen kann, ist für mich nachvollziehbar. Ich bin denVerantwortlichen im Bundesamt für Strahlenschutz, imnaaFmruelivmdleAddEdwdndeszecdptedfaugmswmsansmoledAcalidh
Nichts anderes wäre den zukünftigen Generationennd um die Asse zumutbar. Die Lage erfordert ein klarrkennbares gemeinsames Vorgehen der drei verantwort-chen Häuser BfS, NMU und BMU. Störfeuer im Sinnon besorgten Nachfragen kann hilfreich sein; Störfeuerit dem Ziel der Verzögerung oder Diskreditierung han-elnder Personen kann sich in dieser Situation niemandisten.Was ist zu tun? Wir brauchen Beschleunigung in dersse, Beschleunigung bei einem Verfahren, das sowohlem Bergrecht wie dem Atomrecht genügen muss undas in diesem Szenario ohne Lehrbeispiele ist – Neuland.s geht darum, ein sich potenzierendes Regelwerk auszu-ünnen, ohne die Grundschutzstandards zu gefährden –eder die Sicherheit der dort arbeitenden Bergleute nochie Langzeitsicherheit. Braucht es beispielsweise in ei-em Salzbergwerk wirklich einen Hochglanzklinikbo-en, um jedes beim anstehenden Öffnen einer Kammerventuell auslaufende Tröpfchen rückstandslos aufwi-chen zu können?Man kann Sicherheit, die in einem solchen Fall jahr-ehntelanger Vernachlässigung niemals zu 100 Prozentrreichbar ist, natürlich ohne Ende zu erhöhen versu-hen. Der Preis ist allerdings irgendwann die Aufgabees höchsten Schutzziels: der Langzeitsicherheit. Derrognostizierte Zeitraum für das Erreichen dieses höchs-n Schutzziels, allein machbar durch die Rückholunger 126 000 mehr oder weniger aufgelösten Fässer, um-sst zwei bis fünf Jahrzehnte. Das ist lang, aber nichtnmöglich.Die Stabilität der Grube, die lange als großes Risikoalt, ist nach Einschätzung offenbar aller Fachleute nichtehr das Problem. Ein spontanes Zusammenbrechen istchon gar nicht zu befürchten. Die Stabilität des Berg-erks wird durch die seit Jahren durchgeführten Notfall-aßnahmen ständig erhöht. Das eigentliche Damokles-chwert, das seit Jahrzehnten über der Asse schwebt unduch weiterhin dort schweben wird, ist die spontane Zu-ahme des Wasserzutritts. Da man nicht weiß, woher dieeit vielen Jahren gleichbleibenden täglichen 12 Kubik-eter Wasser kommen, kann es keine Prognose geben,b und wann sich das ändert – vielleicht morgen, viel-icht nie.Auch für diesen Fall werden seit der Zuständigkeites BfS Notfallmaßnahmen ausgeführt, die die mittommüll gefüllten Kammern so gut wie möglich si-hern. Diese Notfallmaßnahmen wurden von Anfang anls Gefahrenabwehr betrachtet und entsprechend gesetz-ch behandelt. Um der Lage in der Asse gerecht zu wer-en, müssen jetzt auch die Vorbereitungen zur Rück-olung als Gefahrenabwehr betrachtet werden. Ja, auch
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Sylvia Kotting-Uhl
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die Rückholung ist Gefahrenabwehr, nicht nur Stabilisie-rungsmaßnahmen.
In der Asse ist der Eintritt der Gefahr im Grundsatzlängst realisiert. Die Situation dort bedeutet eine perma-nente Störung des Rechtszustands.Darüber hinaus braucht der Sonderfall Asse ein eige-nes Regelwerk. Ein solches Regelwerk darf die Grund-schutzstandards des Atomrechts nicht unterlaufen unddas lange unterdrückte Recht der Öffentlichkeit auf Be-teiligung nicht beschneiden. Wenn aber selbst die Be-gleitgruppe Asse, die die betroffene Öffentlichkeit ver-tritt, eine Lex Asse zur Beschleunigung des Verfahrensfordert, dann ist genau diese Begleitgruppe der richtigePartner, um eine hinreichende Öffentlichkeitsbeteiligungin einem beschleunigten Verfahren zu entwickeln.Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag derSPD, der eine dezidierte Änderung des Atomgesetzesvorschlägt, wurde im Umweltausschuss von der Mehr-heit abgelehnt. Wir müssen vielleicht wirklich nochnicht beschließen, mit welchen Worten wir die Lex Asseim Atomgesetz verankern wollen, auch wenn der Vor-schlag der SPD klug war, wovon ich mich inzwischenüberzeugen konnte.Heute steht der Antrag von uns Grünen zur Beratungan. Wir fordern, der Rückholung des Atommülls durcheine Änderung des Atomgesetzes eine höhere Prioritätbeizumessen und bis zur Gültigkeit dieser Änderung alleMaßnahmen zur Rückholung nach Gefahrenabwehr ge-mäß Atomrecht vorzunehmen. Wir müssen uns auchnicht auf den Wortlaut dieses Antrags einigen. Aber ichappelliere an Sie alle, dass wir uns auf dieser Grundlagefraktionsübergreifend verständigen.
Es wäre die angemessene Art, mit einem falsch ausge-wählten und fatal gescheiterten Endlager umzugehen.Sie alle wissen: Derzeit wird ein Endlagersuchgesetzerarbeitet. Wir wollen eine vergleichende Endlagersuchemit dem Ziel auf den Weg bringen, den bestgeeignetenStandort in Deutschland für die Endlagerung hochradio-aktiven Mülls für die nächste Million Jahre zu finden.Das ist eine Aufgabe, die, wenn sie tragfähig sein undRegierungswechsel überstehen soll, nur im Konsens ge-löst werden kann, weshalb man bei der Entwicklung desGesetzes auf alle Besorgnisse achten muss.Lassen Sie uns mit der Erarbeitung der Lex Asse einZeichen setzen, dass wir zum Konsens in Endlagerfra-gen fähig sind. Es wäre ein Vertrauen schaffendes Zei-chen.Ich danke Ihnen.
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19044 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012
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ohne Abstriche bei der Sicherheit sowie der Beschleuni-gung der Realisierung der Planung bzw. Durchführungvon Notfall- und Vorsorgemaßnahmen bewertet. BfSund BMU haben dies am vergangenen Mittwoch im Um-weltausschuss umfangreich vorgetragen. Diese Ergeb-nisse – so bin ich überzeugt – bieten nun ein realistische-res Bild für dieses weltweit beispiellose Vorhaben, einEndlager zu räumen.Die gute Nachricht ist: Das Bergwerk ist nicht akuteinsturzgefährdet. Aber es besteht jederzeit das Risikoeines unkontrollierten Laugeneinbruchs. Die Zeitdauerder Rückholung war viel zu optimistisch geschätzt: Eswird mehrere Jahrzehnte dauern, vermutlich 35 bis40 Jahre. Weil es noch so lange dauert, ist es jetzt not-wendig, die Notfall- und Vorsorgemaßnahmen zu forcie-ren. Nach Einschätzung der ESK und des BfS stehen dieNotfallmaßnahmen erst ab 2016, die Vorsorgemaßnah-men erst ab 2019 vollständig zur Verfügung. Das mussaber jetzt forciert werden.Außerdem muss das Bergwerk, bei dem man eigent-lich vorhatte, es bis zum Jahr 2015 aufzugeben, umfang-reich saniert und modernisiert werden: Die Schächtemüssen modernisiert und saniert werden. Es muss einneuer Schacht gebaut werden, um die Rückholung über-haupt zu ermöglichen. Es muss neue Infrastrukturräumegeben; alte müssen aufgegeben werden, weil der Bergdort drückt bzw. weil sie verfüllt werden müssen; denndie Stabilisierung des Berges steht im Vordergrund.Liebe Kolleginnen und Kollegen, der technische Ab-lauf der Sanierung gliedert sich in drei, eigentlich in fünfSchritte: die Bergung der Abfälle, der Transport der Ab-fälle, die Pufferlagerung und Konditionierung, später dieZwischenlagerung, anschließend die Endlagerung. Eshandelt sich also tatsächlich um ein riesiges Projekt; ichglaube, das steht außer Frage.Die ESK führt aus, dass es bislang für keinen dieserSchritte eine antragsfähige Planung gebe. Die Planungist im Moment die vordringliche Aufgabe des BfS. Dochzunächst ist eine Faktenerhebung notwendig, das heißtdas Anbohren von ausgewählten Einlagerungskammernsowie deren Öffnung und testweise Bergung, einfach umzu wissen, womit man eigentlich umgeht.Den Gesprächen, die wir als Ausschuss bei unseremBesuch im September in der Asse, aber auch am vergan-ge
Die Men-schen sind ungeduldig. Sie wollen, dass endlich etwaspassiert, sie wollen, dass es endlich Fortschritte gibt, undsie haben Sorge, dass das Verfahren verzögert werdenkönnte. Das BfS konnte diese Bedenken ausweislich desBerichtes der ESK aber nicht bestätigen. Auch PräsidentKönig hat am Mittwoch im Umweltausschuss bestätigt,dass die Genehmigung, gemessen am Umfang des Pro-jektes, auch durch das niedersächsische Umweltministe-rium zügig erfolgt sei.Dennoch begrüße ich für meine Fraktion ausdrück-lich, dass auf Initiative des BMU ab sofort zu einer re-gelmäßigen Gesprächsrunde eingeladen werden soll, derdSszpwnngeKFdwmsRfrBFwZekshmfiPEORgtuBAIcw§pmwtezdgDvdzdri
Bei allem Wunsch nach Beschleunigung gibt es denonsens unter allen Beteiligten, dass es auf gar keinenall Abstriche bei der Sicherheit geben darf, weder fürie Anwohner noch für die Mitarbeiter noch für die Um-elt. Dieses darf selbstverständlich auch nicht im Rah-en der Gefahrenabwehr stattfinden. Wir haben im Aus-chuss gehört: Auch wenn man das ganze Verfahren imahmen der Gefahrenabwehr betreiben würde, wäreaglich, ob es dadurch tatsächlich zu einer wesentlicheneschleunigung kommen könnte.Das BfS hat uns immer wieder mitgeteilt, dass es zuraktenerhebung nötig ist, dass die Kammern geöffneterden. Das große Risiko ist, dass es gerade in diesemeitraum, in dem die Kammern geöffnet worden sind, zuinem unkontrollierbaren Wassereinbruch kommenönnte. Was soll dann geschehen? Wie soll man mit die-em Risiko umgehen? Ehrlich gesagt: Auf diese Fragenabe auch ich keine Antwort. Ich will damit nur deutlichachen, dass es nicht etwa so lange dauert, Lösungen zunden, weil man etwas verzögern will, sondern weil dierobleme tatsächlich riesengroß sind. Der vorliegendeSK-Bericht spricht diese Fragen mit schonungsloserffenheit an. Das ist ein richtiger Schritt in die richtigeichtung.Die ESK rät zudem ganz konkret, für die Beschleuni-ung des Verfahrens seien die Einrichtung einer leis-ngsstärkeren Elektroversorgung, die Vereinfachung imeschaffungswesen durch Verzicht auf umfangreicheusschreibungen und zusätzliches Personal erforderlich.h bitte insbesondere unsere Haushälter, diese Bitteohlwollend zu prüfen. Ob allerdings die Änderung von 57 b des Atomgesetzes, der in der letzten Legislatur-eriode unter der Federführung des damaligen Umwelt-inisters Sigmar Gabriel in das Atomgesetz eingefügturde, wirklich hilft, ist aus meiner Sicht vor dem Hin-rgrund der nicht anzutastenden Sicherheitsstandardsumindest fraglich.Zum Schluss möchte ich noch auf den zweiten Antrager Grünen eingehen, in dem gefordert wird, die Ener-iekonzerne an der Sanierung der Asse zu beteiligen.as ist längst umgesetzt. Das stand auch im Koalitions-ertrag zwischen CDU, CSU und FDP. In der Begrün-ung des Kernbrennstoffsteuergesetzes ist explizit nach-ulesen, dass die Einkünfte aus dieser Steuer auch fürie Stilllegung verwendet werden sollen.Ich habe den Eindruck, dass sich alle Beteiligten deresigen Dimension dieses Projektes bewusst sind und
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 19045
Dr. Maria Flachsbarth
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die Problematik lösen wollen, und zwar durch Rückho-lung der Abfälle aus der Asse. Ich sage klar: Endlich!Gut, dass wir so weit sind. Die Menschen in der Regionhaben einen Anspruch darauf, dass man ihre Sorgenernst nimmt und so zügig wie nur eben möglich unterBerücksichtigung der Sicherheitsstandards angemessenhandelt.Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Flachsbarth. – Nächs-
ter Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist un-
ser Kollege Dr. Matthias Miersch. Bitte schön, Kollege
Dr. Miersch.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Kollegin Flachsbarth, die Fakten, die Sie hier vor-getragen haben, kennen wir alle, sowohl wir hier alsauch die Menschen, die von der Asse unmittelbar be-troffen sind. Die entscheidende Frage ist doch: Wie ver-hindern wir die Tatenlosigkeit und die organisierteUnverantwortlichkeit, die wir die letzten zwei Jahre be-obachten konnten?
SPD und Grüne haben Ihnen in ihren Anträgen Vor-schläge unterbreitet. In den letzten Wochen haben wiraber in keiner Weise feststellen können, dass man sichdezidiert mit diesen Vorschlägen auseinandersetzt. Es istsymptomatisch, dass der Bundesumweltminister auf ei-ner hinteren Bank Platz genommen hat und dieser De-batte nur indirekt folgt. Er hat es auch in den vergange-nen Sitzungen des Umweltausschusses nicht für nötiggehalten, sich bei diesem Thema in irgendeiner Formeinzubringen. Ja, er hat es in den Jahren seiner Amtszeitnicht einmal für nötig gehalten, sich die Situation vorOrt anzuschauen. Wenn er einmal in den Schacht einge-fahren wäre, hätte er vielleicht eine andere Motivation,dieser Debatte zu folgen.
Ich glaube, den Menschen ist mit salbungsvollenWorten von uns nicht geholfen. Die Leute vor Ort ver-langen von uns, dass wir ein Instrumentarium bereitstel-len, das diesen Herausforderungen, die sicherlich einma-lig sind, gerecht wird. Lieber Herr Birkner, ich finde,dass das, was Sie angekündigt haben, in die richtigeRichtung geht. Sie verlassen damit den unseligen PfadIhres Vorgängers, Heinrich Sander, der durch Tatenlosig-keit geglänzt und das Thema Asse immer beiseitege-schoben hat. Sie haben unsere Unterstützung, wenn Siees ernst meinen.
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Herr Meierhofer, ich glaube, wir kommen so nichteiter. Sie sagen, dass das, was wir hier vorlegen, nichteiterführt, aber dabei bleiben Sie stehen; Sie unterbrei-n keinen einzigen Gegenvorschlag. Sie unterbreiteneinen einzigen Kompromissvorschlag. Sie machen Fol-endes – das ist der Hauptvorwurf, den ich auch demundesumweltminister mache –: In der ersten Sitzunges Umweltausschusses in diesem Jahr ließen Sie Abtei-ngsleiter Hennenhöfer, den Cheflobbyisten der Atom-dustrie a. D., eine Hasstirade auf das Bundesamt fürtrahlenschutz halten. Das ist kein Weg, um eine Lösungr die Asse zu finden. Das ist kein Weg der Verantwor-ngsübernahme.
Deswegen brauchen wir tatsächlich so etwas wie eineaskforce. Die Hausspitzen müssen Verantwortung über-ehmen.
Genau die haben wir, Herr Paul. Diese organisierte Un-erantwortlichkeit könnten Sie heute beenden, wenn Sienserem Antrag zustimmen würden.
as wir brauchen, ist Verantwortungsübernahme undein Herumlavieren und kein Abschieben von Verant-ortlichkeiten.
Wir sehen, dass das bisherige Genehmigungsrechticht den Beschleunigungseffekt hat, den wir brauchen.uf Gefahrenabwehr kann man bestimmt einiges stüt-en, liebe Kollegin Flachsbarth, aber das reicht nicht.eswegen schlagen wir vor, § 57 b des Atomgesetzes zuerändern. Wenn Sie eine Alternative haben, bringen Sieie ein! Frau Staatssekretärin Reiche hat vor zweieinhalbochen im Umweltausschuss gesagt, dass uns in dieseroche ein dezidierter Gesetzentwurf der Bundesregie-ng vorgelegt wird. Was haben wir? Nichts. Wir habenichts! Das wird der Situation in der Asse nicht gerecht.sofern: Bitte überlegen Sie noch einmal, ob Sie unsere
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Dr. Matthias Miersch
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Anträge hier einfach abbürsten oder endlich in die Pöttekommen wollen. Die Leute in bzw. an der Asse haben esverdient.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Kollege Dr. Matthias Miersch. – Nächs-
ter Redner in unserer Aussprache ist der Minister für
Umwelt des Landes Niedersachsen, Dr. Stefan Birkner.
Bitte schön, Herr Minister Dr. Stefan Birkner.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Als niedersächsischer Minister für Umwelt, Energieund Klimaschutz freue ich mich darüber, hier heute zudiesem Thema sprechen zu können.Die sichere Stilllegung der Schachtanlage Asse II istaus niedersächsischer Sicht eine der größten Herausfor-derungen in der Umweltpolitik. Dabei geht es darum, dieFolgen von Fehlern und Versäumnissen der Vergangen-heit zu beheben und daraus die notwendigen Lehren zuziehen. Die sichere Stilllegung – ein technisch einmali-ges und komplexes Projekt – kann nur gelingen, wennalle Beteiligten an einem Strang ziehen, und zwar in die-selbe Richtung. Die notwendige Akzeptanz bei denMenschen in der Region wird nur durch Aufrichtigkeit,echte Beteiligungsmöglichkeiten und Transparenz er-reicht werden können.
Der Auftrag des Atomgesetzes ist eindeutig: Die Asseist unverzüglich stillzulegen. Der für die Stilllegung vonEndlagern zuständige Bund war und ist folglich zum un-verzüglichen Handeln aufgefordert.Das Bundesamt für Strahlenschutz – wir haben esheute schon gehört – hatte vor zwei Jahren als Ergebnisdes sogenannten Optionenvergleichs erklärt, dass dieRückholung der radioaktiven Abfälle gegenüber einerUmlagerung oder Vollverfüllung als anderer Variante alsdie langfristig sicherste Option für die Stilllegung derSchachtanlage Asse II gilt. Es hatte aber zugleich betont,dass die Durchführbarkeit der Rückholung aufgrund vonUnwägbarkeiten zunächst im Rahmen einer sogenanntenFaktenerhebung geprüft werden müsse.Um die grundlegende Haltung Niedersachsens vordiesem Hohen Haus zum Ausdruck zu bringen: Die Lan-desregierung verfolgt das Ziel der Rückholung aller Ab-fälle aus der Asse.
Ob und inwieweit dies tatsächlich möglich ist, mussschnellstmöglich geklärt werden. Dabei wird es nebenden technischen Fragestellungen insbesondere daraufawaDtenruteszahAmwamMnBSfübcbgkdiszaDAsaligreBbishzinkFszdfew–M
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sehen wollen, dass es mit der Faktenerhebung vorange-hen muss.Es gibt neben den Genehmigungsverfahren, die mög-lichst zu beschleunigen sind, weitere Aspekte, bei deneneine Beschleunigung möglich ist. Wir haben als Nieder-sächsische Landesregierung ein spezielles „Asse-Ge-setz“ vorgeschlagen, um auch in materiell-rechtlicherHinsicht Beschleunigungen zu bewirken. Im Atomge-setz sollte zum Beispiel klargestellt werden, dass dieRückholung der Fässer von der atomrechtlichen Plan-feststellungspflicht ausgenommen wird. Damit würdesichergestellt, dass das notwendige Abteufen einesSchachtes und die Einrichtung von Infrastrukturberei-chen bergrechtlich genehmigt werden können und nichtein atomrechtliches Planfeststellungsverfahren durchlau-fen müssen. Außerdem müssen wir Voraussetzungenschaffen, dass bereits vor Genehmigungserteilung mitder Ausführung der genehmigungsbedürftigen Maßnah-men begonnen werden kann, wenn mit einer Entschei-dung zugunsten des Antragstellers zu rechnen ist. Damitwürden wir eine Parallelisierung von Genehmigungsver-fahren und Ausführung erreichen.
Auch die Ausschreibungsbedürftigkeit und die Aus-schreibungsfristen müssen unter dem Gesichtspunkt derBeschleunigung hinterfragt werden. Schließlich ist zuklären, ob und inwieweit es unter Wahrung des Schutzesder Bevölkerung und der Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter über und unter Tage – das ist selbstverständlich – ver-tretbar ist, auf Anforderungen des Atomrechts, die fürKernkraftwerke gelten, aber in der Asse möglicherweisenicht notwendig sind, zu verzichten.Es ist erforderlich, dass die Politik hier Verantwor-tung übernimmt und diese nicht auf die Verwaltung ver-lagert. Deshalb wollen wir erreichen, dass eine entspre-chende gesetzliche Änderung vorgenommen wird.Ich danke Herrn Bundesminister Dr. Röttgen aus-drücklich dafür, dass er unsere Anregung aufgenommenhat, eine Lenkungsgruppe auf Leitungsebene einzurich-ten, was konkret zu einer Beschleunigung führen kann,indem Abstimmungsprobleme gelöst werden und imHause deutlich gemacht wird, dass dieses Thema hohePriorität hat und man hier vorankommen muss.Lassen Sie mich noch kurz etwas zu der Forderungsagen, in der Asse nach Gefahrenabwehrrecht vorzuge-hen. Wir glauben nicht, dass so eine entscheidende Be-schleunigung erreicht werden kann; denn auch im Ge-fahrenabwehrrecht müssen die materiell-rechtlichenVoraussetzungen eingehalten werden. Auch hier sind dieentsprechenden Unterlagen vorzulegen und die entspre-chenden Gutachten und Prüfungen vorzunehmen. Des-halb denken wir, dass dies nicht der richtige Weg ist, umBeschleunigung zu erreichen.Die Landesregierung vertritt die Interessen der Men-schen in der Region. Wir wollen, dass die Abfälle ausder Asse herauskommen. Wir werden alles daransetzen,schnellstmöglich Klarheit darüber zu erlangen, ob undinwieweit dies tatsächlich möglich ist. Wir erwarten aberazgezinHtuggzsddsslehbflRaKValuDb1teinnsdkztrd
Das Wort hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter für
ie Fraktion Die Linke.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsi-entin! Ich habe das Geschenk, das ich im Umweltaus-chuss dabei hatte, auch jetzt mitgebracht. Dieses Ge-chenk haben uns Bürgerinitiativen im Septembertzten Jahres, als wir bei der Asse waren, gegeben. Esandelt sich um Asse-Wasser; dies ist natürlich nur sym-olisch. Ich lese Ihnen einmal vor, was auf der Wasser-asche steht: Strahlendes Wasser aus der Region für dieegion. Nach Flutung des Atommülllagers Asse II balduch in Ihren Gewässern. Inhalt: Radioaktivität ausernkraftwerksanlagen von Eon, RWE, EnBW undattenfall 67 Prozent, aus Kernforschung 23 Prozent,us kerntechnischer Industrie 8 Prozent, sonstiger Strah-ngsmüll 2 Prozent.
ies zeigt, welche Probleme die Menschen vor Ort ha-en und welche Ängste sie plagen.
In der Asse lagern 126 000 Fässer Atommüll, davon293 Fässer mittelradioaktiver Müll – er stammt größ-nteils aus der Wiederaufarbeitung in Karlsruhe – mitsgesamt 28 Kilo Plutonium, 102 Tonnen Uran, 87 Ton-en Thorium und circa 500 Kilo Arsen, nicht zu verges-en die Leichenteile der zwei Mitarbeiter, die damals beiem Unfall in Gundremmingen gestorben sind. Hinzuommen 14 000 undeklarierte Fässer. Der Müll stammtum Teil aus illegaler Einlagerung durch die AKW-Be-eiber.Was heißt das für uns? Natürlich müssen wir handeln;as haben wir gehört. Aber ich sage es noch einmal:
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Eva Bulling-Schröter
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Atomkraft ist nicht beherrschbar. Dieser Müll wird kom-menden Generationen vor die Füße fallen, und natürlichhaben sie auch die Kosten zu tragen.Spätestens seit 1993, also seit fast 20 Jahren, ist be-kannt, dass es in der Asse zu Gebirgsbewegungen undLaugenzuflüssen kommt. Ich wiederhole: seit fast20 Jahren! Erst 2008 wurde dem Helmholtz-Zentrum dieZuständigkeit entzogen, und es wurde durch das BfS er-setzt. Jetzt findet ein Optionenvergleich statt: Vollverfül-lung und alle Fässer in der Asse belassen oder Rückho-lung. Die Mehrheit ist für eine Rückholung. DieMenschen vor Ort wünschen sich eine Rückholung; siesehen keine andere Chance. Sie sagen uns aber auch– am Montag waren die Bürgerinitiativen hier in Berlin –,dass sie zurzeit den Eindruck haben, dass die Arbeitenzur Grubensicherung und zur Vorbereitung auf Notfall-maßnahmen – dass das Ganze also geflutet wird – Priori-tät haben. Es ist Ihre Aufgabe, ihnen zu sagen: Nein,dem ist nicht so. – Wenn man sich den Bundeshaushaltanschaut, dann stellt man fest, dass der größte Teil derMittel für die Notfallvorsorge und nicht für die Vorberei-tung auf die Rückholung zur Verfügung gestellt wird.Daran müssen Sie natürlich etwas ändern, wenn Sie Ver-trauen schaffen wollen.
Wir brauchen hier eine Chefsache, die da heißt: Mis-sion Rückholung und Vertrauen schaffen. Wir braucheneine Chefsache von Umweltminister Röttgen, aber auchvon Frau Merkel.
– Der Chef spricht gerade. Er hört nicht zu.
Die Menschen vor Ort haben das Gefühl, dass es zuVerzögerungen kommt. Man glaubt, dass diese Verzöge-rungen entstehen, weil es kein konkretes Konzept für dieRückholung gibt. Sie sagen uns, Mitarbeiter in den zu-ständigen Ministerien nutzten den Dienstweg bei Anfra-gen und Genehmigungsverfahren in der ganzen zeitli-chen Länge aus, weil sich keiner aus dem Fenster lehnenwill. Hinzu kommt, dass die Landessammelstelle in Nie-dersachsen das Wasser aus der Asse nicht mehr an-nimmt, wie wir am Mittwoch im Umweltausschuss ge-hört haben. So viel zum Thema Verantwortung.Es gibt also viele verschiedene Aspekte. Wir brau-chen ein Asse-Begleitgesetz; den entsprechenden Anträ-gen werden wir zustimmen. Wir brauchen eine LexAsse. Die Asse ist ein Sonderfall. Hier müssen wir neulernen. Wir sind der Meinung, dass dieses Thema atom-rechtlich behandelt werden sollte.Es gibt viele Forderungen kluger Menschen vor Ort.So hat zum Beispiel die Asse-Begleitgruppe deutlich ge-macht: Dieses Thema muss ganz oben auf die Tagesord-nung. Die Schutzziele im Hinblick auf Bevölkerung undMcdbDpwnnmRNtuwsksabbAWIcAz2vsvUBsleSasmafauAnmü
Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin
rsula Heinen-Esser.
Urs
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-gen! Lassen Sie mich eines vorausschicken, weil es eintück weit Irritationen und Diskussionen gegeben hat,uch nach dem Vermerk des Bundesamts für Strahlen-chutz: Für uns – das ist die Haltung des Bundesumwelt-inisters – hat die Rückholung der radioaktiven Abfälleus der Asse oberste Priorität. Wir haben uns dazu mehr-ch positioniert. Ich sage das hier noch einmal klippnd klar im Deutschen Bundestag.
ber so einfach, wie sich das anhört, ist die Sache ebenicht. Die Wege, wie wir das bewerkstelligen können,üssen sehr sorgfältig ausgelotet werden. Ich glaube,ber eines sind wir uns hier auch einig, nämlich dass es)
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Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser
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keinerlei Abstriche an den materiellen Anforderungendes Strahlenschutzes und der Arbeitssicherheit gebendarf. Das haben alle Rednerinnen und Redner vor mirdeutlich gesagt.Vorrangig geht es jetzt um drei Dinge. Es geht zumErsten darum, die Grube selbst zu sichern, damit wirzum Zweiten die Faktenerhebung weiter durchführenund sehen können, was sich tatsächlich hinter den Kam-mern – wir haben zwei Kammern ausgewählt – verbirgt,und es geht zum Dritten darum, die Rückholung vor-zubereiten. Dazu gehört – ich komme gleich darauf zusprechen –, beispielsweise den Schacht 5 zu bauen oderein Zwischenlager zu planen, was heute Nachmittag inder Asse-Begleitgruppe besprochen wird. Erst dann kannendgültig gesagt werden, wie wir das alles managen wer-den.Die Stabilitätsprobleme des alten Grubengebäudes,eingeschränkte Betriebsmöglichkeiten, die Vielzahl dertechnischen Herausforderungen und die ständige Gefahr– Frau Kotting-Uhl und Maria Flachsbarth hatten schondarauf hingewiesen – eines unbeherrschbaren Laugenzu-tritts sind wesentliche Gründe für die aktuellen Verzöge-rungen, die wir zu benennen haben.Im Augenblick ist es nicht so, dass uns die rechtlicheSituation behindert hätte. Wir haben in einem relativ zü-gigen Verfahren unter Beteiligung des Bundesamtes fürStrahlenschutz und des Landes Niedersachsen die Ge-nehmigung für den ersten Schritt erreicht, die Fakten-erhebung. Es sind aber Auflagen erteilt worden – dieeine oder andere ist schon aufgezählt worden –, die impraktischen Prozess sehr schwer zu erfüllen sind. Weilsie so schwer zu erfüllen sind, bedeutet das in der Tat,dass wir für die weiteren Schritte der Faktenerhebung,aber auch für die Rückholung darauf hinwirken müssen,dass wir noch andere Instrumente, rechtliche Instru-mente, an die Hand bekommen, mit denen wir diese Pro-bleme lösen können.Vielleicht ist es eine Lösung, die Rückholung nicht aneine Planfeststellung zu binden. Einen solchen Passuskönnen wir in das Atomgesetz einfügen, um ein schnel-leres Verfahren zu gewährleisten. Das ist ein Vorschlag,den wir unterbreiten werden. Ich gebe dabei aber zweiDinge zu bedenken und komme damit zu einem Vor-schlag, den die Grünen in ihrem Antrag formuliert ha-ben. Es handelt sich um die Öffentlichkeitsbeteiligung.Wir sind uns, glaube ich, alle darüber einig, dass wirexzellente Erfahrungen mit der Asse-Begleitgruppe ge-macht haben und dass wir die Öffentlichkeit auch weiterso intensiv bei allen Schritten beteiligen wollen, wie wires bisher getan haben. Der zweite Punkt, der eine Rollespielt, ist – das habe ich vorhin schon gesagt –, dass esnicht zu einer Absenkung der Standards kommen darf.Das klingt ein bisschen, wenn ich es salopp ausdrückendarf, wie die Quadratur des Kreises. Wir werden auchnoch sehr viel Arbeit darauf verwenden müssen, diesrechtlich so zu fassen, dass alles abgewickelt werdenkann.Wir wollen mit dem niedersächsischen Umweltminis-terium und mit dem Bundesamt für Strahlenschutz sowie– das sage ich explizit – mit allen Fraktionen bespre-chinmblidnlinwAvgdvDreRWbcmhfaÜfüdfüÄhdSSkzBZdragdngbwdesWtaAnkhs
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haben. Ich bitte alle darum, für diese Maßnahmen zuwerben, um eine gute und sichere Rückholung vorzube-reiten.In diesem Sinne lade ich Sie zu weiteren Diskussio-nen ein. In der nächsten Sitzungswoche werden wir dieGesetzesvorschläge mit Ihnen besprechen. Heute Nach-mittag werden wir in der Begleitgruppe Asse über Geset-zesvorschläge diskutieren. Ich hoffe, dass wir die Assenicht zum Gegenstand einer parteipolitischen Auseinan-dersetzung machen, sondern alle gemeinsam daran ar-beiten, dieses Problem, das wir sonst nirgendwo inDeutschland haben, zu lösen.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Sigmar Gabriel für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! FrauKollegin Heinen-Esser, machen Sie sich keine Sorgen,was meine Fähigkeiten angeht, solche Zwischenlager zugenehmigen. Ich habe das bislang einzige Endlager inDeutschland im eigenen Wahlkreis genehmigt. Eine He-rausforderung wird es übrigens sein, den Menschen zuerklären, dass nach der Zwischenlagerung die Wahr-scheinlichkeit relativ hoch ist, dass schwach- und mittel-radioaktiver Abfall in Richtung Konrad transportiertwird. Ich sage das seit Monaten, auch im Wahlkampf.Machen Sie sich also um meine Fähigkeiten keine Sor-gen.Ich habe mir bis zur heutigen Debatte zugegebener-maßen eher ein bisschen Sorgen darüber gemacht, ob ei-gentlich die notwendige politische Führung für die Be-wältigung des Problems vorhanden ist. Ich glaube aber,dass die Debatte der letzten Wochen und auch die heu-tige Debatte optimistisch stimmen können; denn das,was wir in den letzten zwei Jahren erleben mussten,scheint sich jetzt ein bisschen aufzulösen. Herr Birkner,zwei Jahre lang geschah in Niedersachsen das Gegenteildessen, was Sie jetzt tun. Zwei Jahre lang hat Ihr Amts-vorgänger alles getan, um die Rückholung zu verhin-dern. Er hat auch öffentlich erklärt, dass er die Rückho-lung für falsch hält. So hat er sich auch verhalten.Entsprechend sind die Genehmigungsverfahren in Nie-dersachsen betrieben worden. Ich bin froh darüber, dassSie direkt nach Ihrem Amtsantritt eine 180-Grad-Wendevollzogen haben. Das war auch dringend erforderlich.Aber zwei Jahre lang ist Niedersachsen der große Brem-ser bei der Rückholung gewesen.
Mein Eindruck ist, dass der öffentliche Druck in denletzten Wochen dazu geführt hat, dass auch im Hausevon Herrn Röttgen klar ist, dass nicht Herr Hennenhöferdie Politik bestimmt.DsadhfedligJeTeliegtikRdBbnhefüsddASptezmEmedSkw2A
ie vorletzte Umweltausschusssitzung verlief nicht ganzo freundlich; ich glaube, Frau Flachsbarth hat das sousgedrückt. Es ist natürlich auch klar, dass sich jemand,er in seiner ganzen beruflichen Existenz damit zu tunatte, das Abkippen von Atommüll in der Asse zu recht-rtigen, schwer damit tut, am Ende dafür zu sorgen,ass das Zeug wieder rausgeholt wird – obwohl das, ehr-ch gesagt, eine gelungene Form des Täter-Opfer-Aus-leichs ist.
Dass Sie jetzt tun, was in der Region seit über einemahr gefordert wird, begrüße ich ausdrücklich. Seit überinem Jahr sagen wir in der Region: Sie müssen eineaskforce einsetzen, mindestens auf Staatssekretär-bene, wenn nötig auf Ministerebene. Das ist jetzt end-ch passiert. Sie nennen das Lenkungsgruppe; es istgal, wie man das nennt.Bei der Asse passiert nämlich Folgendes – und das istanz menschlich –: Keine der Lösungen, die wir debat-eren – da hat Frau Heinen-Esser völlig recht –, ist risi-olos. Nichts, was wir da in Gang setzen, beinhaltet keinisiko. Daher besteht natürlich die Gefahr, dass, wennie Öffentlichkeit einmal nicht so genau hinschaut, dieeteiligten versuchen, die Risiken hin- und herzuschie-en. Genau das ist in den letzten zwei Jahren passiert.Die Menschen in der Region sind entsetzt und zornig,icht nur über das, was die Atomwirtschaft dort gemachtat, sondern auch über das Zuschauen des Staates; dennr hat 40 Jahre lang nichts gemacht. Das hat dazu ge-hrt, dass die Menschen dieser Region in dieser Frageehr geringes Vertrauen in staatliches Handeln haben. Inen letzten Jahren der Großen Koalition haben wir vielafür getan, wieder Vertrauen aufzubauen, indem wir diesse dem Atomrecht unterworfen haben, indem daschutzniveau an den Strahlenschutz im Atomrecht ange-asst wurde, indem Transparenz und Öffentlichkeitsbe-iligung hergestellt wurden. Dann ist das Engagementwei Jahre lang abgesackt, ausdrücklich nicht wegenangelnden Engagements von Ihnen, Frau Heinen-sser. Es ist in der Region bekannt, dass Sie sich küm-ern. Aber bei den zu lösenden Problemen hat immeriner auf den anderen gezeigt: der Bund und das BfS aufas Land Niedersachsen und Niedersachsen auf das BfS.o ging das hin und her.Ich muss Ihnen offen sagen: Wenn Sie Jurist sind,önnte es sein, dass Sie eine Begründung dafür finden,arum es innerhalb von zwei Jahren nicht möglich war,0 oder 30 Container mit kontaminierter Lauge aus dersse zu holen. Das kann nur ein Jurist erklären.
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Sigmar Gabriel
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Jeder mit normalem Menschenverstand sagt: Wenn Ihrvorhabt, 126 000 Fässer radioaktiven Müll aus demBergwerk zu holen, und noch nicht einmal in der Lageseid, ein paar Container kontaminiertes Laugenwasserherauszubringen, dann hört doch mit dieser öffentlichenDebatte über den radioaktiven Müll auf. Dieser Eindruckist dort entstanden.Dieses Schwarze-Peter-Spiel kann man nur durcheine einzige Maßnahme beenden: indem man politischeVerantwortung für Entscheidungen übernimmt, weil dieBeamtinnen und Beamten das von sich heraus nur be-grenzt tun werden. Sie brauchen eine politische Führung.Deswegen ist dieser Lenkungsausschuss bzw. dieseTaskforce genau das Richtige. Dort muss entschiedenwerden, und im Zweifel muss abgestuft entschiedenwerden. Deswegen schlage ich vor: Lassen Sie uns dochnicht über die Frage reden, was wir brauchen, eine LexAsse oder ein Gefahrenabwehrrecht, oder darüber, dassalles so bleiben soll! Wir sollten uns vielmehr mit derFrage befassen, welches Problem mit welchem Instru-ment am besten behoben werden kann.
Wenn Sie dem zustimmen, Frau Heinen-Esser, dannmuss ich Ihnen allerdings Folgendes sagen: Das Bundes-amt für Strahlenschutz hat Ihnen am 4. August 2010empfohlen, bei der Faktenerhebung, die Herr Birknereingeführt hat, nach dem Gefahrenabwehrrecht vorzuge-hen, damit Sie die Maßnahmen durchführen können undalle Auflagen erst im Anschluss erfüllen müssen. Dashaben Sie mit Erlass des Bundesumweltministeriumsvon Anfang Oktober 2010 abgelehnt. Jetzt hat Ihr beam-teter Staatssekretär nachgefragt, ob das Bundesamt fürStrahlenschutz immer noch der gleichen Meinung sei.Überraschenderweise ist das der Fall. Das Bundesamthat Ihnen vorgeschlagen, Ihre Ablehnung der Anwen-dung des Gefahrenabwehrrechts aus dem Jahr 2010 imBundesumweltministerium neu zu bewerten. Meineherzliche Bitte ist: Tun Sie das!
Hier wird der Eindruck erweckt, die Faktenerhebungsei in vollem Gange. Nein, meine Damen und Herren,die Faktenerhebung ist nicht in vollem Gange, weil dieKammern nicht angebohrt werden können. Selbst wennwir jetzt alles hinbekommen, wird es vermutlich nochein halbes Jahr dauern, bis es losgehen kann. Lassen Sieuns deshalb lieber nicht zu viele Versprechungen ma-chen.Die Haltung, die Sie damals eingenommen haben,entspringt auch der Angst. Das verstehe ich. Ich habeden Akten des BMU entnehmen können, dass das einegepflegte Übung des Hauses war, nach dem Motto: Lasstuns jetzt kein Risiko eingehen; wenn wir das Gefahren-abwehrrecht anwenden und dann etwas passiert, bin ichals Minister oder bist du als Staatssekretärin dran. – Dasist doch die Sorge, die dort existiert. Das Problem Assewird aber ohne die Übernahme einer solchen Verantwor-tuaB1SLnaerectewSdrübnkmreeFzAfoliwladdWalaedfoddingdmhreaeWeB
Drittens ist es notwendig – wir sind sofort bereit, da-ber zu reden; wir haben selbst einen Vorschlag einge-racht –, § 57 b des Atomgesetzes zu ändern, um zu ei-er klareren und schnelleren Vollzugsmaßnahme zuommen. Wir sind sofort dafür, eine solche Lex Asse zuachen. Wenn Sie unseren Gesetzesvorschlag nicht aus-ichend finden, ist das kein Problem. Legen Sie selberinen vor; dann beraten wir darüber. Bei der Frage derormulierung geht es nicht um Parteipolitik, sondern so-usagen um juristische Sicherheit. Übrigens wird diesse-Begleitgruppe vor Ort selbst einen Gesetzentwurfrmulieren. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, sich gründ-ch damit zu befassen. Wenn er vor Ort klug erarbeitetorden ist, dann kann man ihn auch übernehmen.Der Kollege Röttgen ist zwar anwesend, hat aber bis-ng offensichtlich nicht die Absicht, zu reden. Ich halteas, ehrlich gesagt, für einen einmaligen Vorgang, dasser zuständige Minister zu dem Problem nichts sagt.
enn er hier sitzt, um etwas zu lernen, dann ist das aberuch okay.Es war schwierig für mich. Ich habe mich zwei Jahreng gar nicht zu diesem Thema geäußert, weil man alshemaliger zuständiger Minister nach dem Kommentes Hauses üblicherweise nicht feststellt, dass der Nach-lger alles schlechter macht. Ich habe zwei Jahre nichtsazu gesagt. Aber jetzt möchte ich auf etwas hinweisen,as Sie nachdenklich machen sollte. Sie waren noch nie der Asse, haben nur ein einziges Mal die Asse-Be-leitgruppe für eine Stunde besucht und haben sich nieer Öffentlichkeit gestellt. Die Menschen wollen, dassan vor Ort ist und ihnen Rede und Antwort steht. Sieören seit Jahren solche Sprüche wie „volle Transpa-nz“ und „Wir ziehen alle an einem Strang“, erlebenber seit zwei Jahren das Gegenteil. Deswegen kommts zu Aussagen wie der des Bürgermeisters der Stadtolfenbüttel, Thomas Pink, dass das Ganze, was er dortrlebt habe, eine Riesensauerei sei. Das Verhalten desundesumweltministers sei – so Herr Pink – „unwürdig“
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19052 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012
Sigmar Gabriel
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und dessen abwartende Haltung „völlig inakzeptabel“.Herr Pink gehört bekanntermaßen nicht der SPD, son-dern der CDU an. Herr Röttgen, ich sage Ihnen: Garkeine Frage, das ist ein schwieriges Thema. Das ist aberdas größte nukleare Problem, das wir in diesem Landund vermutlich weit über Deutschland hinaus haben. Alszuständiger Minister müssen Sie Führung zeigen undVerantwortung übernehmen. Das kann niemand anders.Im Zweifel ist man Minister, um existierende Risikeneinzugehen. Sonst geht die Glaubwürdigkeit vor Ort ver-loren, die wir in den letzten Jahren erarbeitet haben.Mein Eindruck ist, dass wir in der heutigen Debatteein gutes Stück vorangekommen sind. Herr Röttgen, ichhabe die dringende Bitte, dass Sie sich als Person dieserAufgabe annehmen.
Die Kollegin Angelika Brunkhorst hat nun für die
FDP-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wie ist eigentlich die Gefühlslage? Wir sprechen übernormalen Menschenverstand und viel über das, was wirwissen und nicht wissen. Wie aber ist die Gefühlslage?Ich denke, alle Beteiligten, die an einer Lösung zur Ber-gung der Abfälle aus der Asse arbeiten, befinden sich ineinem Fadenkreuz aus Hoffen und Bangen und in einemWettlauf mit der Zeit.Wir haben gerade gehört, dass sich alle Experten in-zwischen darin einig sind, dass die Rückholung deutlichlänger dauern wird, als bisher angenommen wurde.Ebenso ist klar festzustellen: Die Bergung kann nur übereine neu zu bauende Schachtanlage geschehen. In Bezugauf diesen neuen Schacht sage ich als Sprecherin für Na-turschutz: Hier hat der Mensch Vorrang, hier hat die Be-völkerung vor Ort Vorrang. Wenn die Rückholung durchein FFH-Gebiet gehen muss, weil es nicht anders geht,dann muss das Naturschutzrecht in diesem Fall einmalzurückstehen. Das ist dann so.
Wir brauchen dringend Möglichkeiten der Beschleu-nigung; alle Vorredner haben darauf hingewiesen. Es istzu überprüfen und sehr schnell zu entscheiden, ob dieszum Beispiel durch die Konkretisierung bei Vergabever-fahren, durch eine parallele Bewerkstelligung von Auf-gaben, wie es teilweise schon geschieht, oder – wie vomniedersächsischen Umweltminister, Herrn Dr. Birkner,vorgeschlagen – durch ein Asse-Gesetz geschehen soll.Herr Dr. Birkner, an dieser Stelle sage ich: Vielen Dank,dass Sie heute bei uns sind und zu uns gesprochen ha-ben.
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Doch, ich habe es gelesen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 19053
Angelika Brunkhorst
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Das BfS ist dabei, alles zu tun, die Auflagen abzuarbei-ten. Es ist auch die Aufgabe des BfS – das BfS hat imAusschuss berichtet –, einen konkreten Plan für dieRückholung vorzulegen.Für meine Fraktion sichere ich Ihnen zu, dass wirweiter den intensiven Dialog mit der Bevölkerung vorOrt führen werden. Sachverstand, Technik, kluge Ent-scheidungen und letztlich auch Glück werden hoffent-lich zu einem guten Ende führen. Wir sind trotz derschwierigen Lage ganz hoffnungsvoll und zuversicht-lich, dass uns das am Ende gelingen kann.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Ralph
Lenkert das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnenund Kollegen! Seit 1965 ist die Asse Versuchsbergwerk.Vor 45 Jahren wurde der erste Atommüll eingelagert,und seitdem leben die Menschen an der Asse mit derAngst vor dem strahlenden Müll. Bis 2009 wurden dieProbleme und Gefahren der Asse vertuscht und geleug-net. Mit dem Betreiberwechsel 2009 wurde das Ausmaßdes verantwortungslosen Vorgehens in der Asse offensichtbar. Seitdem wird versucht, eine Umweltkatastro-phe zu verhindern.Trotz der Erfolge bei der Stabilisierung des Bergwerks– nur die Rückholung des Atommülls bannt die Gefahr.Aber es geht einfach nicht vorwärts in der Asse. Deshalbdebattieren wir heute. Deshalb fand ein Zusammentref-fen zur Asse-Situation letzten Monat in Braunschweigstatt. Erstmals trafen Geologen, Strahlenforscher, Be-amte aus verschiedenen Behörden und Ministerien sowieMitglieder von Bürgerinitiativen zusammen – mit er-nüchterndem Ergebnis: Wenn man so weitermacht wieseit 2009, sind Tests und Vorbereitungen zur Rückholungdes Atommülls frühestens 2025 abgeschlossen, die kom-plette Rückholung gar erst im Jahr 2040. Gleichzeitigwurde klar herausgestellt, dass es im Bergwerk jederzeiteinen Wassereinbruch geben kann. Dann ist eine Rück-holung des Atommülls unmöglich, und dann kann maneine zukünftige Verstrahlung des Grundwassers derBraunschweiger Region nur noch verzögern, vielleichtabschwächen. Massiv wird deshalb derzeit an der Scha-densbegrenzung für den Fall des Wassereinbruchs gear-beitet. Das ist richtig. Aber die Linke will, dass die Rück-holung mit dem gleichen Aufwand vorangetrieben wird.Der Müll muss raus aus der Asse!
Konkret heißt das: Erstens. Bundestag und LandtagNiedersachsen beschließen: Der Atommüll muss rausaus der Asse – ohne Kompromisse.DdpadnmKlaTdndinmsvkeedVwasAnzddhDSmmws
er Bundesumweltminister bekennt sich nach dem Lan-esminister zu diesem Ziel, und zwar hier am Redner-ult.
Zweitens. Wenn man weiß, wie es in zwei Kammernussieht, weiß man immer noch nicht, wie es in den an-eren elf aussieht. Aber nach zwei Jahren gibt es nochicht einmal Erkenntnisse zur ersten Kammer. Deshalbuss man vom schlimmsten anzunehmenden Fall in denammern ausgehen. Man muss diesen Fall zur Grund-ge der Entwicklung von Technik zur Bergung nehmen.
Drittens. Weder die derzeitige Luftzufuhr noch dieransportmöglichkeiten reichen für eine zügige Bergunges Atommülls aus. Es muss deshalb sofort mit dem Pla-en und anschließenden Bau eines neuen Schachtes, deriese Probleme löst, begonnen werden.Viertens. Für den Atommüll wird ein Zwischenlager Asse-Nähe benötigt. Um späteren Zeitverzug zu ver-eiden, müssen die Suche und Vorbereitung bereits jetzttarten.Fünftens. Behälter oder Verpackungssysteme, die dasermutlich undefinierte Gemisch aus verstrahltem Salz,ontaminierter Salzlauge, alten Behälterresten und demigentlichen Atommüll sicher aufnehmen, müssen sofortntwickelt bzw. beschafft werden.
Sechstens. Fülltechnik für das unterirdische Einfüllener verstrahlten Masse in die Behälter muss passend zumerpackungssystem und zu den Behältern entwickelterden. Damit muss jetzt begonnen werden, parallel zullen anderen Aufgaben.
Siebtens. Es darf keine Aushöhlung von Sicherheits-tandards geben. Aber bei der Beschaffung und deruftragsvergabe müssen die Kriterien lauten: beste tech-ische Lösung von einem zuverlässigen Partner in kür-ester Zeit. Der Kaufpreis und die Ausschreibungsproze-uren sind zweitrangig.
Bei allen Punkten fordert die Linke, das Fachwissener Bürgerinitiativen in die Entscheidungen einzubezie-en und maximale Transparenz herzustellen.
as kostet Geld. Aber wenn man bedenkt, dass für dieanierung des Uranbergbaus in Sachsen und Thüringenehr als 7 Milliarden Euro notwendig waren, dann kannan auch abschätzen, dass eine Verseuchung des Grund-assers um Braunschweig ein Vielfaches an Geld ver-chlingen würde.
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19054 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012
Ralph Lenkert
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86 Prozent des Atommülls der Asse stammen direkt oderindirekt aus Atomkraftwerken. Deshalb fordert dieLinke, dass die Atomkonzerne mindestens 86 Prozent al-ler entstehenden Kosten tragen müssen.
Kolleginnen und Kollegen, scheitert die Rückholungdes Atommülls aus der Asse, dann haben wir nicht nurein Problem um Braunschweig; dann wird die Suchenach sicheren Atommülllagern in der Bundesrepublikunendlich erschwert.Der Worte sind genug gewechselt. Fangen wir an, dasAsse-Problem zu lösen! Wir stehen als Bundestag in derPflicht.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die
Kollegin Dorothea Steiner das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich
freue mich, dass alle Fraktionen hier die Rückholung des
radioaktiven Inventars aus der Asse unterstützen. Ich
möchte aber unterstreichen, dass wir nicht an diesem
Punkt angelangt wären, wenn nicht Bürgerinnen und
Bürger in Remlingen im Landkreis Wolfenbüttel und
rund um die Region jahrzehntelang den Skandal in die
Öffentlichkeit gebracht und die Politik unter Druck ge-
setzt hätten.
Die Elemente dieses Skandals sind lange Zeit geleug-
net worden. Denken Sie einmal zurück: Wie lange hat es
gedauert, bis die massiven Laugenzuflüsse öffentlich
diskutiert werden konnten, obwohl es sie schon seit 1988
in großem Umfang gab? Noch 2007/2008 sollte die Lö-
sung der Probleme sein, die Schachtanlage zu verfüllen,
die Sünden der Vergangenheit in Magnesiumchlorid zu
ertränken und die Asse abzuschließen. Es bedurfte eines
parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Nieder-
sachsen und hartnäckiger, langandauernder Bürger-
proteste, um die Bereitschaft zur Rückholung des radio-
aktiven Inventars zu erhöhen. Deshalb zollen wir dem
Bundesumweltministerium Anerkennung für seine Ent-
scheidung und sein Engagement. Aber ich glaube, das
geht nicht so sehr an die Adresse des Umweltministers,
sondern eher an die Adresse der Staatssekretärin.
Diejenigen, die die strahlenschutzrechtlichen Miss-
stände zu verantworten haben, sitzen nach wie vor in
entscheidenden Positionen und können sich als Bremser
betätigen. Herr Birkner, es war das niedersächsische
Umweltministerium unter Ihrem Vorgänger, dem „Ket-
tensägenminister“, das im Verbund mit dem TÜV ein
komplexes System von Auflagen ersonnen hat – 38 an
der Zahl mit 1 000 Seiten Erfüllungsbedingungen –, de-
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lso Respekt, Herr Birkner, dass Sie die Position fun-
iert und kompetent geändert haben. Aber ein Birkner
acht noch keinen Sommer.
Die Zustimmung hier im Parlament sollte BMU und
en Betreiber BfS ermutigen, die Faktenerhebung zu be-
chleunigen und die vorbereitenden Maßnahmen zur
ückholung unwiderruflich einzuleiten. Wir sollten
icht auf eine Lex Asse warten, die wir brauchen und
uch nutzen müssen, sondern bereits jetzt im Rahmen
er Gefahrenabwehr auch außerhalb des § 19 des Atom-
esetzes eine Beschleunigung der Maßnahmen errei-
hen. Das geht sehr wohl, obwohl Frau Flachsbarth und
err Birkner das Gegenteil ausgeführt haben. Das ist
uch notwendig, damit wir jetzt weiterkommen, die bei-
en Kammern bis zum Sommer angebohrt werden kön-
en und die Glaubwürdigkeit des ganzen Vorhabens er-
alten bleibt.
Vielen Dank.
Der Kollege Dr. Michael Paul spricht nun für die
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wennan die Rednerinnen und Redner der Opposition hört,laubt man, der Blick gehe zurück. Notwendig ist aber,ass wir nach vorne blicken. Deshalb sage ich direkt zueginn meiner Rede: Bei allem, was das Problem Assengeht, gilt: Die Sicherheit der Bevölkerung und der dortätigen hat für uns oberste Priorität.
eshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich zueginn meiner Ausführungen bei den Mitarbeiterinnennd Mitarbeitern vor Ort und bei denen, die in den zu-tändigen Behörden täglich mit großem Engagement aner sicheren Stilllegung der Asse arbeiten, bedanken.Weil die Sicherheit vorgeht, ist es Ziel, die radioakti-en Abfälle aus dem Bergwerk zurückzuholen. Denn dieückholung – das hat der sogenannten Optionenver-leich des BfS aus dem Jahr 2009 gezeigt – ist dieicherheitstechnisch vorteilhafteste Lösung, was dieangzeitsicherheit angeht. Dieser Weg nach vorne inichtung Rückholung stellt uns aber vor große Heraus-rderungen. Das hat auch der vor wenigen Wochen in
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Dr. Michael Paul
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Braunschweig durchgeführte Fachworkshop des BfSklargemacht. Zwar kann nach derzeitigen Erkenntnissendavon ausgegangen werden, dass es nicht zu einemplötzlichen Zusammenbrechen der Grube kommt. Aberein unkontrolliertes Eindringen von Salzwasser, also vonLaugen, ist in dem alten Salzbergwerk jederzeit möglich.Deswegen steht an erster Stelle – das möchte ich hier be-tonen –, vorsorglich Notfallmaßnahmen vorzubereiten,damit auch in einem solchen Fall die Beschäftigten vorOrt und die Bevölkerung geschützt werden. Die unbe-queme Wahrheit an dieser Stelle ist: Die Verfüllung vonResthohlräumen in den Einlagerungskammern ist einesolche Notfall- und Vorsorgemaßnahme. Aber durcheine solche Verfüllung – das sagt die Entsorgungskom-mission, die sicherlich unverdächtig ist, ein bestimmtesZiel zu verfolgen – kann die mögliche Strahlenbelastungder Bevölkerung auf ein Zehntel verringert werden. ImÜbrigen ist das keine Abkehr vom Ziel der Rückholung;denn die Abfälle können auch danach geborgen werden.Zur Rückholung sind drei große Schritte notwendig.Erstens müssen die Abfälle aus den Einlagerungskam-mern geborgen werden. Zweitens müssen sie aus demBergwerk an die Tagesoberfläche gebracht werden. Drit-tens müssen sie in lagerfähige Behälter verpackt undzwischengelagert werden. Aber keiner dieser dreiSchritte – darüber dürfen wir uns keine Illusionen ma-chen – ist unproblematisch.Für die Beförderung der Abfälle an die Tagesoberflä-che ist ein weiterer Schacht erforderlich. Nach Aussagedes Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz– auch er ist, denke ich, unverdächtig in dieser Debatte,wie die gestrige Sitzung des Umweltausschusses gezeigthat –
kann wegen der komplizierten Geologie der neueSchacht wahrscheinlich nur in einem Gefrierbohrverfah-ren errichtet werden. Was das heißt, haben wir in Gorle-ben gesehen. Da hat die Errichtung ungefähr zehn Jahregedauert.Auch das eigentliche Zurückholen dauert wesentlichlänger, als man es sich wohl vor zwei Jahren vorgestellthat. Beim Workshop des BfS wurde eine Dauer von biszu 50 Jahren genannt. Grund dafür ist, dass es sich umein enormes Volumen handelt. Denn die Abfälle sindwahrscheinlich in Salz eingewachsen; lagerfähige Be-hälter gibt es dort nicht. Das Volumen beträgt mindes-tens 100 000 Kubikmeter. Schätzungen von Gutachterndes BfS gehen sogar von bis zu 275 000 Kubikmeternaus. Das entspricht ziemlich genau dem Volumen allerAbfälle, die beim Rückbau der deutschen Kernkraft-werke zusammenkommen. Wegen dieses riesigen Volu-mens wird man auch obertage große Einrichtungen fürBehandlung und Zwischenlagerung brauchen. Hier ge-hen die Gutachten von einer Größenordnung von bis zu25 Hektar aus.Im Übrigen – auch das müssen wir ganz klar sagen –ist es für die örtliche Bevölkerung auf Dauer sicherlichunzumutbar, neben einem Zwischenlager für radioaktiveAbfälle zu wohnen. Deshalb hat die Endlagerung der ra-dioaktiven Abfälle Priorität.ES3mwsdInsbsksSmFfrsBtralumnimdssVadlifiDliSAdteFosfe
ür eine abschließende Bewertung ist es sicherlich zuüh. Da gebe ich Ihnen recht, Frau Steiner. Dazu müs-en wir insbesondere die Faktenerhebung abwarten. DasfS hat für den Fall, dass es bei der Bergung zu unver-etbaren Strahlenbelastungen der Beschäftigten kommt,ls Konsequenz gefordert, die Präferenz für die Rückho-ng neu zu bewerten. Das ist nachzulesen in der Presse-itteilung des BfS zum Optionenvergleich vom 15. Ja-uar 2010.Bevor ich nun auf die Anträge von SPD und Grünen Einzelnen zu sprechen komme, gestatten Sie mir,ass ich auf einen bemerkenswerten Umstand im Zu-ammenhang mit dem Vorschlag der SPD, das Atomge-etz zu ändern, hinweise. Beim Workshop des BfS habenertreter einer Anwaltskanzlei im Auftrag des Bundes-mtes für Strahlenschutz einen Vorschlag zur Änderunges Atomgesetzes vorgelegt, einen Vorschlag, der letzt-ch auf Kosten des Steuerzahlers erarbeitet wurde. Dasndet sich auch in den Unterlagen des Fachworkshops.iesen Vorschlag wiederum findet man nun wortwört-ch im Antragstext der SPD wieder. Das lässt nur zweichlüsse zu: Entweder haben Sie mit Zustimmung derutoren abgeschrieben –
ann haben Sie ein vom Geld der Steuerzahler finanzier-s Gutachten des Bundesamtes für Strahlenschutz zuraktionszwecken verwandt –,
der Sie haben ohne Einverständnis der Autoren abge-chrieben; dann handelt es sich hier schlicht und ergrei-nd um ein Plagiat.
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19056 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012
Dr. Michael Paul
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So oder so, abgeschrieben haben Sie auf jeden Fall. Dasspricht nicht für Ihre juristische Kreativität.Auch die Rolle der Anwaltskanzlei sollten wir nocheinmal hinterfragen.
Deren namensgebender Partner war übrigens Staats-sekretär im ersten rot-grünen Berliner Senat. DieseKanzlei berät und vertritt auf der einen Seite den Bundund das Bundesamt für Strahlenschutz in zahlreichenatomrechtlichen Verfahren.
– Ich weiß gar nicht, worüber Sie sich aufregen. Dasscheint ja wirklich wehgetan zu haben.
Gleichzeitig vertritt sie SPD-regierte Länder gegen denBund bei Verfassungsklagen gegen die Laufzeitverlän-gerung.
Schließlich, wie man heute sieht, schreibt sie womöglichauch Antragstexte für die SPD-Bundestagsfraktion. Dasist aus meiner Sicht eine sehr eigenwillige Interpretationanwaltlicher Unabhängigkeit.
Herr Kollege Paul, gestatten Sie eine Zwischenfrage
oder Zwischenbemerkung des Kollegen Gabriel?
Ich glaube, er wird uns heute auch nicht weiterbrin-
gen.
Nein, ich möchte weiter ausführen.
Zum Schluss möchte ich auf die Anträge von Grünen
und von SPD ganz konkret eingehen.
Ein Sondergesetz, eine Lex Asse – das hat die Entsor-
gungskommission am 2. Februar eindeutig gesagt –,
bringt uns nicht weiter; denn es handelt sich im Kern da-
rum, wie das kerntechnische Regelwerk ausgelegt wer-
den soll.
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Das mag ein Charakterproblem sein. Ich greife diesenwischenruf gerne auf.Ich denke, es ist gelungen, Bewegung in die Sache zuringen – Frau Kollegin Steiner hat es gesagt –, nicht zu-tzt wegen der Bürgerinnen und Bürger vor Ort, die aniesem Thema beharrlichst drangeblieben sind. Aberuch viele Angehörige der Opposition – zuletzt hat derarteivorsitzende und Wahlkreisabgeordnete Sigmarabriel Anfang Januar die Asse besucht – haben denruck verstärkt. Auch die anderen Oppositionsfraktio-en haben mit ihren Initiativen dazu beigetragen, dass estzt vorangehen kann. Wir freuen uns, dass sich Ihrinisterium jetzt auf den Weg macht.Es ist erfreulich, wenn sich alle bekennen. Es ist er-utigend, wenn Sie auch die Anregungen der Opposi-on aufgreifen und wenn jetzt die Taskforce eingesetztird, so wie es von der SPD beantragt wurde. Dass dieseaskforce „Lenkungsgruppe“ heißt, tut ihrer Effektivitätoffentlich keinen Abbruch.Das Thema „Rückholung der Abfälle“ ist nicht in we-igen Jahren beendet, sondern es wird uns 35 bis 40 Jahreegleiten. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier fraktions-nd wahrscheinlich auch legislaturperiodenübergreifend
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Ute Vogt
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zusammenwirken, vermutlich unter verschiedenen Re-gierungen.Bei einer so wichtigen Thematik finde ich es erstaun-lich, dass es der Minister fertigbringt, sich nachhaltig zu-rückzuhalten. Es ist ein durchaus gängiges Phänomen,dass ein Minister unbequeme Themen lieber den Staats-sekretären überlässt. Am Ende kann man nicht davonprofitieren, dass man sich immer nur mit Wohlfühlthe-men beschäftigt. Am Ende hat nur derjenige Respektund ein solches Führungsamt verdient, der bereit ist, sichin schwierigen Zeiten der Verantwortung zu stellen. HerrMinister Röttgen wird dieser Verantwortung nicht ge-recht. Er zeigt Desinteresse. Es ist für die Menschen inder betroffenen Region, aber auch für das Parlament be-schämend, einen solchen Umweltminister zu haben.
In diesen Tagen ist es entscheidend, dass es politi-schen Rückhalt gibt. Es gab schon jede Menge RundeTische zum Thema Asse. Es gibt die Asse-Begleit-gruppe, die gute Arbeit leistet. Alle Beteiligten habensich oft getroffen, aber es ist wenig passiert. Mancheskonnte nicht in Gang gesetzt werden, gerade weil derpolitische Rückhalt gefehlt hat.Wir haben erfreut festgestellt, dass sich jedenfalls inNiedersachsen einiges verändert hat, sodass auch vondort mit Rückendeckung zu rechnen ist. Ein bemerkens-wertes Ergebnis des Workshops war, dass uns die Fach-leute, die dort zusammensaßen, gesagt haben: Das wardas erste Mal seit vielen Monaten, dass wir den Eindruckhatten, wir haben die politische Rückendeckung, um dieAbfälle aus der Asse herauszuholen, und es wird nichtmehr auf Zeit gespielt. – Das ist eine neue Situation. Dasbedeutet, dass politische Rückendeckung nicht nur durchdie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zweiten Reihe,sondern auch von höchster Ebene gegeben wird. Das er-warte ich von einem Umweltministerium.
Jetzt geht es darum, das Verfahren zügig voranzubrin-gen. Es müssen die rechtlichen Bedingungen geschaffenwerden, schneller handeln zu können. Es geht nicht umdie Einrichtung eines Endlagers, sondern um die Ab-wendung von Gefahren durch ein nicht genehmigungsfä-higes Endlager, also durch ein Lager, das so überhauptnicht hätte existieren dürfen. Maßnahmen auf dem Wegeder Gefahrenabwehr einzuleiten und das Atomgesetz zuändern, schließen sich möglicherweise nicht aus, son-dern es müssen jeweils fallbezogene Ergänzungen vor-genommen werden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Sinne der Men-schen in der betroffenen Region und in Verantwortungfür die Bürgerinnen und Bürger, die rund um die Asse le-ben, ist es gut, wenn wir Solidarität mit ihnen zeigen. Eswäre zudem ein Zeichen von Verantwortung, wenn esgelänge, im weiteren Verfahren einen gemeinsamen An-trag zu formulieren. Wenn sich dieses Haus im Wesentli-chen geschlossen positioniert, dann kann man es auchschaffen, gemeinsam etwas zu Papier zu bringen.isdwFslesrebtrgMridddgWDBregndbbgnsFdRdririgete
enn es darum geht, dass man Fakten benennt und dieinge auf den Punkt bringt, sollte man die betroffeneevölkerung auch über eine solche Tatsache informie-n.In diesem Zusammenhang bitte ich zu berücksichti-en, dass es in den zurückliegenden zwei Jahren keineennenswerten Verzögerungen hinsichtlich der Erkun-ung des Salzstocks gab, zumindest keine, die gesetzge-erisch verursacht waren.
Ich bin Landesumweltminister Dr. Birkner sehr dank-ar für seine ausgesprochen sachliche Bekundung deranzen Angelegenheit. Wir müssen uns klar dazu beken-en, dass Voraussetzung für das weitere gesetzgeberi-che Tun die Erhebung der Faktenlage ist. Wenn wir dieaktenlage nicht voranstellen, besteht die große Gefahr,ass wir im Wege eines Asse-Gesetzes in eine falscheichtung gehen und uns dann seitens der Bevölkerunger Vorwurf gemacht wird, dass wir nur auf gesetzgebe-schem Gebiet schnell handeln.Ich teile die Auffassung, dass das BfS in diesem Fallchtig vorgeht, indem es Fakten erhebt und dann auf-rund seiner wissenschaftlichen Erkundungen Konzeptentwickelt, wie wir unter Berücksichtigung der genann-n Prioritäten an die Rückholung der Fässer aus der
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Franz Obermeier
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Grube Asse gehen können. Man muss berücksichtigen,dass es sich hier um eine extrem komplizierte Arbeithandelt, vor allem im Hinblick darauf, dass das Berg-werk, in dem dann neue Schächte angelegt werden sol-len, schon 100 Jahre alt ist. Dafür ist eine umfangreicheErkundung des Materials zwingende Voraussetzung.Ich bin der Staatssekretärin sehr dankbar, dass sie dieBeschleunigungsmöglichkeiten angesprochen hat. Ichbin dankbar, dass wir in diesem Hause willens sind, dieBeschleunigungsmöglichkeiten zu nutzen, also dasAsse-Gesetz nach einer möglichst raschen Faktenerhe-bung zu verabschieden. Da ist es die eine Geschichte,dass Sie die Lenkungsgruppe einsetzen, die Problemebeim Management des gesamten Prozedere tatsächlichbereinigen kann, und wir uns Gedanken machen, wie wirdie Beteiligung der Öffentlichkeit vor Ort so gestaltenkönnen, dass die Bürger über das gesamte Vorgehen in-formiert sind.
Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einWort zur Finanzierung der ganzen Angelegenheit sagen.Natürlich müssen wir uns darüber im Klaren sein, dassdiese Angelegenheit sehr teuer wird. Deswegen habenwir die Brennelementesteuer eingeführt; sie wird ihrenSinn und Zweck erfüllen. Ich will hier vor der Öffent-lichkeit sagen, dass das Finanzgericht Baden-Württem-berg vor wenigen Wochen eine Entscheidung gefällt hat,mit der die Klage der EnBW zurückgewiesen wurde.Gemäß der gerichtlichen Entscheidung hat die EnBWkeinen Anspruch auf Rückzahlung der Brennelemente-steuer. Auch das ist eine vertrauensbildende Maßnahme:Wir stellen nicht ständig geltende Gesetze infrage, weildas zu Misstrauen in der Bevölkerung führen würde.
Zum Abschluss ein Wort an Sie, Frau Kollegin Vogt.Sie haben versucht, dem Bundesumweltministerium hin-sichtlich der Behandlung dieses Falles Vorwürfe zu ma-chen. Ich habe allerdings genau aufgepasst und festge-stellt, dass Sie bei den Vorwürfen, genauso wie eineganze Reihe Ihrer Vorredner aus der Opposition, im Un-gefähren geblieben sind. Das bringt uns auch nicht wei-ter. Sie haben keinen einzigen konkreten Fall benannt, indem das Bundesumweltministerium zur Verzögerung derErkundung der Asse beigetragen hätte. Noch einmal:Das bringt uns nicht weiter. Das sollten wir unterlassen,wenn wir im Konsens beispielsweise ein Asse-Gesetzverabschieden wollen.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage aufDrucksache 17/8497 an den Ausschuss für Umwelt, Na-tudÜeuBEAfeBleWstiFnsz„ssdnseddGAk
richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus-schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten GünterGloser, Dietmar Nietan, Klaus Brandner, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPDFür einen Neubeginn der deutschen und euro-päischen Mittelmeerpolitik– Drucksachen 17/5487, 17/6421 –Berichterstattung:Abgeordnete Joachim HörsterGünter GloserMarina SchusterWolfgang GehrckeKerstin Müller
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten NiemaMovassat, Heike Hänsel, Annette Groth, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIE LINKESelbstständige Entwicklung fördern – FaireHandelsbeziehungen zu Ägypten, Jordanien,Marokko und Tunesien aufbauen– Drucksache 17/8582 –Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höreeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.)
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 19059
Vizepräsidentin Petra Pau
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Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeDr. Rainer Stinner für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Morgen jährt sich zum ersten Mal der Tag, an dem Präsi-dent Mubarak vom ägyptischen Volk vom Throne gesto-ßen worden ist. Wir erinnern uns alle an die Hoffnungen,die wir mit diesem Tag verbunden hatten, nicht nur fürÄgypten, sondern für die gesamte Region. Nun sind wirein Jahr weiter. Viele unserer Erwartungen sind ent-täuscht worden. Wir stellen fest: Uns haben, was dieEntwicklung in dieser Region angeht, die Mühen derEbene erreicht.Vieles ist unklar. Eines aber ist klar – damit kommeich auf das zurück, was wir vor einer Stunde diskutierthaben –: Es gibt deutliche Signale, auch von liberalenKräften. Man sagt: Es ist zwar schön, dass ihr uns unter-stützt, aber geht nicht davon aus, dass wir euer Systemeins zu eins übernehmen werden. Man sagt uns auch: Ihrmüsst davon ausgehen, dass die Religion in unseremStaatswesen in Zukunft eine größere Rolle spielt, obeuch das passt oder nicht. – Damit müssen wir hier fer-tigwerden. Ich sage trotz all der Anstrengungen, die wirunternehmen müssen, ganz bewusst: Seien wir beschei-den in dem, was wir erreichen wollen.In diesem Zusammenhang stelle ich einen gewissenWiderspruch zu der vorigen Debatte fest. Vorhin ist derBundesregierung vorgeworfen worden, sie betreibeGroßmannssucht nach dem Motto: An deutschem Wesensoll die Welt genesen. Und: Alle sollten sich nachDeutschland richten.
Nun werden wir vorwurfsvoll gefragt: Warum habt ihrdieses oder jenes noch nicht erreicht? Das ist ein gewis-ser Widerspruch. Meine Damen und Herren von der Op-position, Sie müssen sich einmal Gedanken machen, inwelche Richtung Sie eigentlich gehen wollen. Wenn Sievon Deutschland verlangen, tatkräftig zu sein, dann kön-nen Sie uns auf der anderen Seite nicht vorwerfen, Groß-mannssucht zu betreiben und wieder mehr in der Weltsein zu wollen. Das passt irgendwie nicht zusammen.
Ich hatte im April vorigen Jahres die Freude, eineRede zu diesem Thema zu halten. Wir haben schon da-mals gesagt – das ist heute noch richtig –: Wir müssenuns fokussieren und die Instrumente, die uns für dieseRegion zur Verfügung stehen, in stärkerem Maße anpas-sen – zum Beispiel bei den Themen Union für das Mit-telmeer, Barcelona-Prozess und Europäische Nachbar-schaftspolitik –; denn in diese Bereiche fließen enormeGeldmengen.Ich will in Erinnerung rufen, dass zwischen den Jah-ren 2007 und 2012 allein im Rahmen der EuropäischenNachbarschaftspolitik 8 Milliarden Euro in diese Regiongeflossen sind; das ist nicht wenig Geld. Wir müssen ge-meinsam eine Antwort auf die Frage finden, ob diesesGlaHPnbzLdbgunsTZinssvzusadwaBdphwmSvlekntugaakdaLIhw
iebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ich kannnen – das habe ich auch vorhin schon gesagt – eine ge-isse Konsequenz nicht absprechen. Mit Ihrer Politik
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19060 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012
Dr. Rainer Stinner
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verfolgen Sie eine ganz konsequente Strategie der Ver-elendung in diesen Ländern. Sie sagen: Es ist schlecht,dass wir unsere Märkte für diese Länder öffnen, weilHandel schlecht ist. Liebe Kollegen der Linken, das ha-ben Sie erfolgreich in der DDR praktiziert, und das prak-tiziert man in Kuba bis zum heutigen Tage.
Wir können nur sagen: Wir möchten den Leuten in Nord-afrika nicht zumuten, dass Ihre Rezepte auf ihre Länderangewendet werden. Wir werden das – das sage ich sehrdeutlich – verhindern.
Uns liegt heute ein Antrag der SPD vor, der viel Rich-tiges enthält. Ich darf aber bemerken: Dieser Antrag istschon ein bisschen älter. Ich glaube, dass es problema-tisch ist, in der Politik mit Anträgen umzugehen, die eingewissermaßen antiquarisches Format haben. Viele derForderungen, die Sie im letzten April gestellt haben, sindrealisiert worden. Daher möchte ich Sie ermuntern, sichin die Debatte einzubringen und an der aktuellen Diskus-sion teilzunehmen. Wie gesagt, will ich gar nicht bestrei-ten, dass viele Dinge, die Sie angesprochen haben, völligrichtig sind. Vieles ist aber auch schon realisiert. Wirwerden auf diesem Entwicklungspfad voranschreiten.Wir wissen, wie schwer das ist. In Deutschland und inder Europäischen Union haben wir ein Commitment:Wir wollen den gesellschaftlichen Prozess, die Entwick-lung in Richtung Rechtsstaat und die wirtschaftlicheEntwicklung in der Region durch Transformationspart-nerschaften fördern, weil das im Interesse der Regionund im Interesse unseres eigenen Landes ist.Vielen Dank.
Der Kollege Günter Gloser hat nun für die SPD-Frak-
tion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenKolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!In einer Debatte zur Mittelmeerpolitik können die ge-genwärtig dramatischen Ereignisse in Syrien nicht aus-geblendet werden. Wir alle sind über das kaltblütige Ver-halten des syrischen Regimes entsetzt. Doch wir sindnicht nur darüber entsetzt. Auch das Verhalten Russlandsund Chinas im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen istfalsch und unverständlich. Ich appelliere daher nochmalsin Richtung Moskau und Peking: Setzen Sie sich für eineKonfliktlösung bei den Vereinten Nationen ein und neh-men Sie Einfluss auf das Assad-Regime – für einen Wegder Deeskalation.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 19061
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klingen. Aber unser Ansatz bedeutet partnerschaftlicheKooperation auf gleicher Augenhöhe. Dieser Ansatz be-ruht auf gegenseitigem Vertrauen zwischen Nord undSüd.Einiges, was wir im letzten Februar gefordert haben, istumgesetzt worden. Ich will gar nicht damit hinter demBerg halten, dass einige Dinge in die Transformations-partnerschaft eingeflossen sind. Aber die historischen Er-eignisse von 2011 fordern uns nicht zu Einzelmaßnahmenauf. Wir müssen die europäische Mittelmeerpolitik neuausrichten. Dabei müssen wir die eigenständige Ent-wicklung der jungen Zivilgesellschaften der arabischenWelt respektieren, aber auch auf Gemeinsamkeiten hin-arbeiten.Die Idee vom Mittelmeer als dem Mare Nostrum istnicht neu. Bereits die Römer sprachen von „unserMeer“, aber gewiss mit Vorstellungen und Absichtenverbunden, die anders sind als die, die wir heute haben.Wir wollen heute die um das Mittelmeer liegenden Staa-ten als einen gemeinsamen politischen, wirtschaftlichenund sozialen Raum gestalten. Doch die Flüchtlingskata-strophen mit ihren vielen Opfern im Mittelmeer zeigenauf dramatische Weise, dass wir von diesem gemeinsa-men Raum noch weit entfernt sind. Daran muss Europaunbedingt etwas ändern. Abschottung allein wird aufDauer nicht die Lösung sein können. Wir wollen, ja wirmüssen andere Wege gehen.
Die von der SPD in diesem Antrag geforderte Bil-dungsmigration ist sicherlich – dies weiß ich – ein um-strittener Punkt. Aber ich möchte ihn hier dennochausdrücklich erwähnen. Hier setzt unsere wichtigste Ver-antwortung an. Wenn wir es wirklich ernst meinen miteiner neuen Mittelmeerpolitik und mit der Unterstützungfür die Länder, die den Weg der Demokratie, der Verän-derung und der Rechtsstaatlichkeit gehen, dann müssenwir eine größere Zahl von gut qualifizierten Menschenaus diesen Ländern für eine längere Zeit in der Europäi-sche Union willkommen heißen. Wir müssen sie in unse-ren Arbeitsmarkt integrieren. Wir müssen sie nach dreioder fünf Jahren, wenn sie zurückwollen, mit Risikoka-pital ausstatten, damit sie in ihrer Heimat Arbeitsplätzeschaffen können.Die Konzepte dafür liegen vor. Wie ich höre, bereitetauch die Bundesregierung solche Programme vor. Aberbislang konnten sich die zuständigen Ministerien nochnicht auf die Einzelheiten einigen. Ich fordere die Bun-desregierung daher auf, diese administrativen Fragenschnell zu klären und dem Bundestag zu berichten, wiesie sich Lösungen für diese drängenden Probleme vor-stellt.Wie schon vor einem Jahr fordern wir den Abbau vonHandelshemmnissen, die Errichtung von Freihandelszo-nen und den weiteren Ausbau der Zusammenarbeit mitder Region, vor allem in den Bereichen Landwirtschaftund Fischerei. Das sage ich ganz bewusst mit Blick aufdie Interessen der südlichen Länder. Nicht nur unsereGüter sollen von einer Freihandelszone profitieren undin den Süden exportiert werden können; vielmehr sollenaNnliEDLateaaFDgssUjedäfeddledseeusDKwDUkin
Das Wort hat der Kollege Joachim Hörster für die
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vornapp zehn Monaten, am 14. April 2011, haben wir hier diesem Hohen Hause über den Antrag der SPD-Frak-
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19062 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012
Joachim Hörster
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tion diskutiert, der, wenn wir ihn heute lesen, in weitenTeilen zumindest ergänzungsbedürftig ist, wenn nichtsogar in die falsche Richtung weist. Ich hatte die Hoff-nung, dass zum Beispiel im Auswärtigen Ausschuss dieGelegenheit genutzt wird, diesen Antrag auf Initiativeder SPD zu erneuern und à jour zu bringen.Wenn wir genau hinhören – wir haben die Reden vonHerrn Stinner und Herrn Gloser gehört; auch in meinerRede wird dies deutlich –, stellen wir fest, dass wir hin-sichtlich des Umgangs mit den Problemen im Mittel-meerraum politisch nicht sehr weit auseinanderliegen.Ein Unterschied besteht vermutlich darin, dass die So-zialdemokraten glauben, es könnte ein allgemeingültigesKonzept geben, wie wir als Europäer, aber auch alsDeutsche mit den Mittelmeeranrainern umgehen, wäh-rend wir von der Koalition der Auffassung sind, dass wiruns Land für Land anschauen und für jedes Land eigeneKonzepte entwickeln müssen.Ich möchte unterstreichen, was der Bundesaußen-minister gesagt hat: Es kommt entscheidend darauf an,welche Art von Hilfen die Mittelmeeranrainer von unswollen. Das, was wir jetzt in Ägypten erleben, ist skan-dalös. Wir gehen viel zu vornehm damit um. Es kanndoch nicht sein, dass wir unsere Hilfe zur Installation derDemokratie und zur Förderung des Parlamentarismusanbieten, wir die Vorbereitungen von Wahlen erklärenund vieles andere mehr machen und dass dann die Stif-tungen, die seit 30 Jahren unbehelligt in Ägypten arbei-ten, mit rückwirkender Verfügung auf einmal sozusagenkriminalisiert werden. Dadurch wird einem gewisserma-ßen der Stuhl vor die Tür gestellt. Dies ist keine Einla-dung, zusammen etwas zu unternehmen, um die Demo-kratie in Ägypten zu fördern.Das ist für mich Anlass, noch einmal darauf hinzu-weisen, dass wir von Land zu Land unterscheiden soll-ten. Das einzige Land, bei dem ich die Hoffnung habe,dass der arabische Frühling zu einem Erfolg der Demo-kratie wird, ist Tunesien. Alle anderen Länder habeneine ganze Reihe von kleinen Schritten gemacht, die wirbegrüßen sollten. Wir müssen uns allerdings auch eini-gen, ob wir, wenn zum Beispiel in Marokko ein bisschenmehr Parlamentarismus und Demokratie betrieben wird,lauthals schreien, dass dies nicht genug ist, oder ob wirsagen: Ihr seid auf dem richtigen Weg, lasst uns zusam-menarbeiten, um dies zu vertiefen.Wir müssen auch mit solchen Entwicklungen umge-hen, wie sie sich zum Beispiel bei den Monarchien in denarabischen Ländern zeigen. Es muss Aufmerksamkeit er-wecken, wenn die Mitgliedstaaten des Golfkooperations-rates darüber nachdenken, Jordanien und Marokko aufzu-nehmen; denn damit wären im Golfkooperationsrat allearabischen Monarchien vereinigt. Dann könnten sie einegemeinsame Politik betreiben. Es wäre spannend, zu un-tersuchen, wie wir uns dazu verhalten würden. Es wäregut, wir würden uns dazu verhalten; denn es können auchandere als revolutionäre Entwicklungen, die zur Förde-rung der Demokratie beitragen, stattfinden.Die Situation in Ägypten – ich glaube, das brauchenwir nicht weiter zu erörtern – ist außerordentlich kri-tieAsretrmdDGkgddPnpswSnKAsSagmDaumzmctehKndgdIcLbsisb
h glaube, es wird dadurch gelöst, dass man den jungeneuten Beschäftigungsmöglichkeiten gibt, das duale Aus-ildungssystem exportiert und die mittelständische Wirt-chaft, sofern sie in den arabischen Ländern vorhandent, ermutigt, junge Leute auszubilden und sie als Ar-eitskräfte zu übernehmen.Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 19063
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Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin
Sevim Dağdelen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Situation in Syrien wurde angesprochen.
Die gegenwärtigen Kriegsdrohungen gegenüber Syrien
und der vorangegangene völkerrechtswidrige Überfall
der NATO auf Libyen zeigen eindrücklich, dass europäi-
sche Mittelmeerpolitik zurzeit nichts weiter ist als Au-
ßenpolitik, die das Recht des Stärkeren durchsetzt.
Mit welch schlimmen Folgen: Mehr als 50 000 Tote im
Libyen-Krieg! Jetzt werden in den Lagern in Libyen so-
genannte Gaddafi-Anhänger zu Tode gefoltert. Erst
Ende Januar dieses Jahres wurde der ehemalige libysche
Botschafter in Paris tot aufgefunden. Es kann einem
schlecht werden, wenn man sich die Ergebnisse dieser
Ihrer humanitären Interventionen ansieht.
Deshalb steht die Linke, auch mit Blick auf die Mittel-
meerregion, ohne Wenn und Aber für Verhandlungen
statt Eskalation und – auch über die Mittelmeerregion hi-
naus – für Sicherheitsgarantien statt Förderung von Ge-
waltspiralen.
Ich möchte Sie daran erinnern – weil Sie so tun, als
sei das alles nicht geschehen –, dass Staatspräsidenten
wie Assad vor nicht allzu langer Zeit bei der Gründung
der Mittelmeerunion in Paris – auch Sie haben sie unter-
stützt – noch auf der Ehrentribüne sitzen durften.
Unter Rot-Grün wurden Häftlinge mit BKA-Beglei-
tung nach Syrien zum Foltern geflogen. Als einzige Par-
tei hat die Partei Die Linke dies immer wieder verurteilt
und kritisiert. Daran sollten Sie sich erinnern, wenn Sie
jetzt über einen sogenannten Neubeginn sprechen.
Die SPD beruft sich in ihrem Antrag auf die Ziele der
europäischen Sicherheitsstrategie, nach der – ich zitie-
re – „an den Mittelmeergrenzen ein Ring verantwor-
tungsvoll regierter Staaten“ entstehen soll. Sie ver-
schweigen, dass „verantwortungsvoll“ für die EU auch
der libysche Diktator Gaddafi und bis vor kurzem eben
auch Assad gewesen sind, solange der eine Migration
bekämpft hat und der andere bereit war, durch out-
gesourcte Folter auch deutsche Sicherheitsbehörden im
Kampf gegen den sogenannten Terrorismus mit Informa-
tionen zu beliefern.
Im Grunde handelt es sich bei den Forderungen der
Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion um die üb-
lichen Zutaten des EU-Gesamtansatzes, das heißt um
Grenzsicherung, Migrationsbekämpfung, den Abbau von
Handelshemmnissen und die Einrichtung von Freihan-
delszonen. Herr Gloser hat das alles hier heruntergebetet.
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llein die Linke will den Mittelmeerraum nicht weiter
it Migrationsabwehr und Neoliberalismus beglücken.
ie Menschen rund um das Mittelmeer haben wirklich
twas Besseres verdient als Frontex und andere Abschot-
ngsinstrumente.
Erschreckend ist an Ihrem Antrag auch, dass nicht ein-
al mit einem Wort die Tausenden von Toten an den Mit-
lmeergrenzen als Preis des gegenwärtigen Abschot-
ngsregimes erwähnt werden. Sie strengen sich auch gar
icht an. Es gibt keine ernsthaften Überlegungen in Ihrem
ntrag, wie man Menschenleben durch Lockerungen der
igrations- und Asylpolitik retten könnte.
tattdessen sprechen Sie von Rückübernahmeabkom-
en und Resettlement. Das ist einfach erbärmlich. Der
NHCR hat erst letzte Woche die neuesten Zahlen für
as Jahr 2011 bekanntgegeben. Noch nie war eine so
roße Zahl von Menschen auf dem Weg nach Europa zu
erzeichnen, die entweder noch als vermisst gelten oder
rtrunken sind. Über 1 500 Tote – und Sie sprechen hier
on Resettlement und Rückübernahmeabkommen. Ich
nde, Sie sollten umkehren und Ihre Migrationsabwehr-
olitik ändern. Dass Sie das nicht tun, haben Sie letztens
ewiesen, als Sie sich bei der Abstimmung über den An-
ag der Linken zum Stopp der Abschiebungen nach Sy-
en enthalten haben.
Ich frage Sie, warum ein Weiter-so in Sachen Freihan-
elspolitik der EU und Migrationsbekämpfung gelten
oll. Hier wäre doch die Möglichkeit für einen wirkli-
hen Neubeginn gewesen. Die Linke findet, der wahre
aßstab für einen wirklichen Neubeginn ist die Einlö-
ung des Versprechens von Freiheit, Gleichheit und Soli-
arität auch gegenüber den Menschen im Mittelmeer-
um. Die Linke will diesen Neubeginn. Wir finden – ich
itte Sie, lassen Sie uns das einmal gemeinsam versu-
hen –, dass man hier mit ganz konkreten Schritten be-
innen könnte, nämlich indem man einfach beschließt,
eine Rüstungsexporte in den Mittelmeerraum und keine
bschiebungen von Migranten und Flüchtlingen aus
em Mittelmeerraum zuzulassen.
Solidarität statt Krieg und Ausbeutung – das sollte
nser Motto sein. Dafür steht jedenfalls die Linke.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nunie Kollegin Viola von Cramon-Taubadel.
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19064 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012
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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Verehrte Damen und Herren! Jetzt blicken wir alsonach einem Jahr – das haben meine Vorredner schon ge-macht – auf die Region rund um das südliche Mittelmeer.Was ist von den überraschenden Aufständen in Tunesien,Ägypten, Marokko oder auch in Libyen geblieben? In denmeisten Fällen ist der Ausgang – das haben auch Sie, HerrStinner, gesagt – komplett unklar. Die Anfangseuphorieist vielfach der Ernüchterung gewichen. In Syrien hält dieGewalt des brutalen Regimes an. Gleichzeitig müssen wirfragen – das hat wenig mit Großmannssucht zu tun, son-dern mit Pragmatismus –, ob wir die notwendige Unter-stützung für eine echte Transformation auf den Weg ge-bracht haben. Wenn ich in Richtung Bundesregierungschaue und mir die Panzerlieferungen in Erinnerung rufe,dann sage ich: Das kann sicherlich nicht die Antwort sein.Die Hoffnungen richteten sich zunächst auf Ägyptenund Tunesien, wo es erstmals freie Wahlen gab. Dochnicht nur die Gewalteskalation im Stadion von Port Saidin der letzten Woche zeigt, wie fragil die Situation insbe-sondere noch in Ägypten ist.Gestern haben wir über die Stellung der politischenStiftungen gesprochen. Herr Hörster hat gesagt, die Si-tuation sei skandalös. Wir wissen aber auch, dass esnicht nur die Konrad-Adenauer-Stiftung, sondern auchdie nationalen Stiftungen trifft. Wir müssen natürlichversuchen, in Zusammenarbeit mit dem Militärrat zu ei-ner Lösung zu kommen. Diese Eskalation auf diplomati-scher Ebene weist aber darauf hin, dass der Militärratseine Macht nicht teilen, sondern vielmehr verfestigenmöchte.Wie lassen sich die Prozesse hin zu mehr Rechtsstaat-lichkeit und Demokratie aus unserer Sicht also beschleu-nigen? Die Europäische Union hat hierfür im Rahmenihrer neuen Nachbarschaftspolitik insgesamt 1,24 Mil-liarden Euro versprochen. Angesichts der Herausforde-rung ist das eine angemessene Summe; auch das wurdebereits erwähnt. Allerdings kommt das Geld viel zulangsam vor Ort an.Nur in Tunesien – das ist auch unsere Hoffnung – hatsich das Engagement der EU sichtbar erhöht. Sie habenes gesagt: Hier könnte die Hilfe wirken. Das Prinzip ins-gesamt, das hinter der neuen Nachbarschaftspolitik steht– „More for more“ –, konnte bisher aber in keinem die-ser Staaten wirklich neue Impulse geben.Was muss unserer Meinung nach stattdessen gemachtwerden? Wir sagen: Vor allem die Zivilgesellschaft mussgefördert werden. Dazu bietet sich eine europäische Stif-tung für Demokratie an, um den Wandel im südlichenMittelmeerraum dynamisch zu unterstützen.Die Kollegin von der Linken hat es richtig gesagt:
Bei der Migrationspolitik haben wir uns bisher viel zulange und viel zu viele wohlmeindende Phrasen geleis-tet. – Anstatt weiter Abwehrmaßnahmen zu praktizieren,mddOrowzRnromUmvHuacwnhvggjaHsgnblehatuWSEZenMd1)
Ich schließe die Aussprache.Anlage 3
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 19065
Vizepräsidentin Petra Pau
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Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem An-trag der Fraktion der SPD mit dem Titel „Für einenNeubeginn der deutschen und europäischen Mittelmeer-politik“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-empfehlung auf Drucksache 17/6421, den Antrag derFraktion der SPD auf Drucksache 17/5487 abzulehnen.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Werstimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-empfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, derFDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke gegen dieStimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen angenommen.Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linkemit dem Titel „Selbstständige Entwicklung fördern –Faire Handlungsbeziehungen zu Ägypten, Jordanien,Marokko und Tunesien aufbauen“. Wer stimmt für denAntrag auf Drucksache 17/8582? – Wer stimmt dage-gen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stim-men der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion gegen dieStimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung derSPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünenabgelehnt.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 a und b auf:a) Beratung der Großen Anfrage der AbgeordnetenUlla Jelpke, Jan Korte, Agnes Alpers, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIE LINKEDeutsche Polizeiarbeit in Afghanistan– Drucksachen 17/1069, 17/2878 –b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Innenausschusses zudem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, JanKorte, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und derFraktion DIE LINKEAbzug deutscher Polizisten aus Afghanistan– Drucksachen 17/4879, 17/8443 –Berichterstattung:Abgeordnete Armin Schuster
Wolfgang GunkelGisela PiltzUlla JelpkeWolfgang WielandNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-gin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Je län-ger wir uns mit dem Polizeiaufbau in Afghanistan befas-sen, desto mehr müssen wir erkennen: Er dient nichtdem Schutz der dortigen Bevölkerung, sondern ist eineFacette des Militäreinsatzes.GzAAaDaaenSgdKdn–sdrudzgannvwWvAdWnloswfaD
ie kassiert an Checkpoints Schmiergelder und Wege-elder. Sie raubt und vergewaltigt und mordet bei Haus-urchsuchungen. Sie steht im Dienst von Warlords.Selbst der US-Sondergeneralinspekteur stellt einenonsens in der afghanischen Bevölkerung darüber fest,ass die Polizei hochgradig korrupt und eng mit krimi-ellen Machthabern verzahnt ist.
Das kann man nachlesen, Herr Wieland. – Sogar daschwedische Militär warnt mittlerweile, das Verhaltener sogenannten Sicherheitskräfte treibe die Bevölke-ng erst recht in die Arme der Aufständischen. Auchas zeigt, Herr Wieland: Die NATO-Politik ist auf gan-er Linie gescheitert.
Im deutschen Sektor in Nordafghanistan wurde vori-en Sommer General Abdul Wahid Rahman, übrigensuch als Baba Jan bekannt, zum Polizeikommandeur er-annt. Die Frauenrechtsorganisation RAWA in Afgha-istan kennt ihn – Zitat – als „brutalen Menschenrechts-erletzer, der an Plünderungen und Morden beteiligtar“. Die Menschenrechtsorganisation Human Rightsatch beschuldigt ihn der Kriegsverbrechen an der Zi-ilbevölkerung. Die Bundesregierung verwies in derntwort auf eine Anfrage von mir auf die Zuständigkeiter afghanischen Justiz. Das ist wirklich ein schlechteritz. Schließlich beklagen Menschenrechtsorganisatio-en und UNO-Instanzen unisono die allgemeine Straf-sigkeit.Die Bild-Zeitung hat vor zwei Monaten einen inzwi-chen ermordeten Polizeichef namens Daud Daud er-ähnt, der nach Angaben des BND in Afghanistan eben-lls in Drogengeschäfte verwickelt ist. In der Zeitschriftie Bundeswehr lese ich über einen Anführer der soge-
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19066 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012
Ulla Jelpke
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nannten Afghanischen Lokalen Polizei – Zitat –: „Wernicht spurt, den peitscht er aus.“ Das sei zwar „gewöh-nungsbedürftig, aber da halten wir uns raus“. So siehtder angebliche Aufbau der Demokratie bzw. des Rechts-staats aus. Das können wir wirklich nicht mittragen. Da-mit muss Schluss sein.
Diese Verbrechen sind kein Einzelfall, sondern liegenin der Natur der Sache. Da werden junge Männer nachacht Wochen Kurzausbildung ohne Abschlussprüfungmit Uniform und Waffen versehen. 90 Prozent von ihnensind im Übrigen Analphabeten und sollen Gesetzedurchsetzen, die sie noch nicht einmal lesen können.Warum läuft das so? Weil die NATO das genau so habenwill. Sie will keine rechtsstaatliche Kraft aufbauen, son-dern bloß eine einheimische Truppe zur Intensivierungdes Bürgerkrieges.
Auch die Bundesregierung – Herr Wieland, lesen Sie un-sere Große Anfrage – schreibt in ihrer Antwort, dasseine Ausbildung im militärischen Sinne notwendig ist.Wir sprechen den deutschen Polizisten nicht ihre ehr-lichen Absichten ab – damit das ganz klar ist –,
aber ihr Einsatz ist zum Scheitern verurteilt, weil dieNATO nicht auf Demokratie, sondern auf die Stärkungeines korrupten Regimes setzt.
Es gibt nur einen einzigen Weg aus dieser Situation:Es muss eine Antikriegspolitik geben. Ziehen Sie nichtnur die Bundeswehr aus Afghanistan ab, sondern auchdie Polizei! Holen Sie die Polizisten aus Afghanistan zu-rück! Das ist die einzige Lösung, die es zurzeit gibt.
Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Armin Schuster für die
Unionsfraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-nen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die Linke beschäftigt sich im vorliegenden An-trag mit unseren deutschen Polizeimissionen in Afgha-nistan; dabei geht es weniger um die NATO.DJ2DreGfowszhAgnzasBbgbFzvdsPtatiDsgDDdSaagsWR
as begrüßen wir insbesondere deshalb, weil Sie, Frauelpke, noch auf Ihrem Parteitag am 15. und 16. Mai010 in Rostock festgestellt haben, die Bundesrepublikeutschland müsse zivile und selbstbestimmte Struktu-n in Afghanistan unterstützen und beim Aufbau helfen.enau das ist das Ziel unseres Einsatzes. Aber warumrdern Sie dann heute genau das Gegenteil von dem,as Sie auf Parteitagen beschließen, nämlich einen voll-tändigen Rückzug aller Polizeibeamten? Das passt nichtusammen, Frau Jelpke.
Meine Damen und Herren von den Linken, Ihr Parteitagatte recht: Der afghanische Staat kann die notwendigeufbauhilfe nicht aus eigener Kraft schaffen. Deshalb en-agiert sich die internationale Staatengemeinschaft ge-au in diesem Sinne in diesem Land. Dabei wurde derivile Wiederaufbau immer in den Vordergrund gestellt.Das von Deutschland verfolgte Konzept für eine zivilusgerichtete demokratische Polizei ist geradezu bei-pielhaft für unser Agieren im Kontext dieser Strategie.eteiligt sind BMI, Auswärtiges Amt und das BMZ. Da-ei unterstützen die Deutschen übrigens gerade nicht af-hanische Polizeieinheiten wie die ANCOP, die zugege-enermaßen eine paramilitärische Ausrichtung verfolgt,rau Jelpke. Die Begründung, wir würden das unterstüt-en, geht völlig fehl.Sie behaupten weiter, unser Einsatz sei zum Scheiternerurteilt und Rechtsstaatlichkeit sei nicht erreicht wor-en. Das ist nicht nur grundlegend falsch, sondern es be-chädigt auch das Ansehen unserer Polizistinnen undolizisten und deren hervorragende Arbeit in Afghanis-n.
Vor allem unsere bilaterale Mission genießt interna-onal und bei den Afghanen selbst hohe Wertschätzung.er Aufwuchs der afghanischen Sicherheitskräftechreitet ebenso planmäßig voran wie die Vorbereitun-en zur Übergabe der Sicherheitsverantwortung in denistrikten.
eutschland hat bisher rund 46 000 Polizisten ausgebil-et. Die deutschen Polizeitrainingszentren in Masar-i-charif, Kunduz, Faizabad und Kabul gelten landesweitls vorbildlich und werden gezielt auf die Übergabe infghanische Verantwortung ab 2012 vorbereitet. Die Af-hanen planen sogar, diese Zentren künftig für die ge-amte Ausbildung im Norden Afghanistans zu nutzen.er wie Sie hier von einem Misserfolg spricht, stellt dieealität völlig auf den Kopf.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 19067
Armin Schuster
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Sie beklagen in Ihrem Antrag weiter, die Ausbildungder Polizei stehe unter militärischer Dominanz insbeson-dere der Amerikaner. Wie ist die Realität? In mehrereninternationalen Gremien werden landesweit vereinheit-lichte Curricula für die Ausbildung konzipiert, die na-hezu alle vom deutschen bilateralen Polizeiprojekt ent-wickelt und vom afghanischen Innenministerium alsGrundlage der Polizeiausbildung in Gesamtafghanistanfestgelegt werden. Auch auf diese Weise kann man übri-gens rechtsstaatliche Strukturen schaffen.Dass wir die Arbeit unserer Polizistinnen und Polizis-ten unter den Schutz der Bundeswehr stellen, ist reineFürsorge; es ist aber kein Beleg dafür, dass wir eine pa-ramilitärische Ausbildung gestalten. Ich empfehle Ihneneinen Besuch vor Ort. Dann können Sie live miterleben,dass die Amerikaner zu uns kommen und regelmäßig,fast täglich, um Nachhilfe bitten, wie wir das machen,weil sie wissen, dass wir die Besten sind.
Ihre Behauptung, Afghanistan würde prioritär para-militärische Einheiten aufstellen – so kommt dies jeden-falls in Ihrem Antrag zum Ausdruck –, ist völlig falsch.Die eher paramilitärisch ausgerichtete ANCOP hat5 000 Mann, die ANP hingegen hat 130 000 Mann. Dasentspricht also einem Anteil von nicht einmal 5 Prozent.Schließlich ziehen Sie in Ihrem Antrag den Schluss,es handele sich um ein Kriegsgebiet, in dem deutschePolizisten nichts zu suchen hätten.
Meine Damen und Herren, hier müssen wir es genaunehmen. Es handelt sich um ein Bürgerkriegsgebiet.
Wenn wir hier nicht tätig werden dürften, dann hättenwir auch niemals in Kambodscha, Bosnien-Herzego-wina, im Sudan oder von mir aus auch im Kosovo einenEinsatz haben dürfen.
Diese Einsätze waren aber erfolgreich, und wir habenunsere Ziele erreicht.
Entscheidend für unseren Einsatz sind die Einstufungals Bürgerkriegsregion und die konkret zu beurteilendetatsächliche Sicherheitslage vor Ort. Diese Lage wirdtagtäglich neu eingeschätzt. Unsere Beamten könnendeshalb seit Jahren dort erfolgreich trainieren, unterstüt-zen und beraten, und zwar rechtlich einwandfrei auf derGrundlage der §§ 8 und 65 BPolG.Nach der Talibanherrschaft bauen wir ein für afghani-sche Verhältnisse beachtliches demokratisch orientiertesPolizeisystem mit auf. Wir sorgen für eine InfrastrukturudteusrehsboaksESdinAtetiwlandWAgbnGgmgbic
Meine Damen und Herren von den Linken, an ihnenollten Sie sich ein Beispiel nehmen. Sie kennen die Pro-leme wie Analphabetentum, zu hohe Fluktuationsratender technische Rückständigkeit. Jedoch sehen sie diesels Herausforderung und versuchen, jeden Tag einenleinen Schritt weiterzukommen. Im Gesamtergebniseit Jahren bezeichnen wir dies wirklich als einen tollenrfolg. Jetzt dort abzuziehen, wäre ein völlig falschesignal.
Ich würde sogar gern über das Gegenteil mit Ihneniskutieren. Wer Afghanistan stabilisieren will, der musssbesondere nach dem Abzug der Soldaten die zivileufbauhilfe verstärken.
Ob beim Aufbau der Polizei, des öffentlichen Diens-s oder einer Good Governance: Probleme wie Korrup-on oder instabile politische Systeme haben uns, egal inelchen Ländern wir geholfen haben, noch nie veran-sst, Reißaus zu nehmen.Wie ist die Realität? Ich glaube, dass die internatio-ale Staatengemeinschaft in der Zukunft an Deutschlandeutlich höhere Bündnisverpflichtungen stellen wird.orüber, wenn nicht über die zivile und zivilmilitärischeufbauhilfe, könnten wir uns politisch schneller eini-en? Ich würde hier gern von einer „German Quick Sta-ilisation Force“ sprechen, die sich darauf konzentriert,ach Interventionen dabei zu helfen, Länder aufzubauen.
Wer diese Vision hat, der denkt nicht an Rückzug. Imegenteil, er denkt darüber nach, wie man neue Strate-ien für ein stärkeres künftiges internationales Engage-ent Deutschlands entwickeln könnte.Ein letzter Satz: Frau Jelpke, ich hätte nie zu träumenewagt, dass ich Ihnen einmal empfehle, auf Parteitags-eschlüsse der Linken zu hören. In diesem Fall würdeh Ihnen das aber wirklich empfehlen.
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19068 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012
Armin Schuster
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Das wäre eine tolle Sache. Dann hätten wir uns diesenAntrag erspart, und ich wäre jetzt sicher auf dem Flug zumeiner Fastnachtsveranstaltung.Danke schön.
Den Beitrag des Kollegen Wolfgang Gunkel von der
SPD-Fraktion nehmen wir zu Protokoll.1) Das Wort hat
der Kollege Jimmy Schulz für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenKolleginnen und Kollegen! Ich begrüße natürlich auchdie Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Tribünen.
– Jawohl, und an den Rundfunkempfangsgeräten.
Ich bin mir nicht ganz sicher, was die Kollegen vonden Linken mit ihrem Antrag bezwecken.
Scheinbar wollen Sie durch den Abzug der Polizeiaus-bilder erreichen, dass in Afghanistan der Aufbau zivilerSicherheitsstrukturen dauerhaft verhindert und die Si-cherheit dort grundsätzlich militarisiert wird. Aber auchdie Bundeswehr hätten Sie ja lieber gestern als heute ab-gezogen. Wer soll Ihrer Meinung nach die Ausbildungafghanischer Sicherheitskräfte übernehmen? Oder sindSie der Meinung, dass das Überleben von Mädchenschu-len und öffentlichen Musikaufführungen bereits ausrei-chend abgesichert ist?
Ich würde mich sehr freuen, wenn sich der deutscheBeitrag zur afghanischen Polizeiausbildung eines Tagesauf die Ausstrahlung alter Derrick-Folgen beschränkenkönnte.
Dieser Tag ist aber noch lange nicht gekommen. Bis erkommt, werden wir unseren Beitrag zur afghanischenSelbsthilfe etwas konkreter gestalten müssen.Die afghanische Polizei ist ein zentraler Faktor beimAufbau des Rechtsstaats dort. Ja, die afghanische Polizeiist alles andere als perfekt.
JLwteenlagdSlenledDIsednSDTK–wMudetiDdF2w1) Anlage 4
ieses Sicherheitsvakuum hat direkt zur Entstehung deraliban geführt. Und jetzt wollen Sie, dass sich dieserreislauf des Elends wiederholt?
Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Jelpke, war ich dort. Ichar in Faizabad, ich war in Kunduz, und ich war auch inasar-i-Sharif. Ich habe vor Ort mit den Polizistinnennd Polizisten gesprochen. Ich habe mich vor Ort selbstavon überzeugen können, welche Erfolge sie dort fei-rn und wie gut die Ausbildung dort mittlerweile funk-oniert. Ich habe vor Ort auch mit einem afghanischenolmetscher gesprochen, der uns begleitet hat, als wir inen Dörfern unterwegs waren. Er hat mich explizit aufolgendes hingewiesen: Wir brauchen in diesem Land0 Jahre Frieden, eine Generation, die in Frieden auf-ächst, ohne Waffen,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 19069
Jimmy Schulz
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damit diese junge Generation die Chance hat, für diesesLand Verantwortung zu übernehmen. – Bei diesem Frie-den müssen wir ihnen helfen, und das tun wir zum Bei-spiel mit der Ausbildung einer rechtsstaatlich orientier-ten Polizei.
Natürlich gibt es Probleme bei der Ausbildung undbeim Aufbau der Polizei – das bestreitet auch niemand –;aber die Lösung kann doch nicht sein, angesichts dieserProbleme den Kopf in den Sand zu stecken. Wir müssenvielmehr die Ausbildung besser gestalten und die Ergeb-nisse besser kontrollieren. Wir werden natürlich nicht anden Punkt kommen, an dem sich die Polizei von Afgha-nistan und die von Deutschland wirklich vergleichen las-sen – das ist, glaube ich, allen klar –; aber wir werdennicht den Anspruch aufgeben, die Grundsätze einesRechtsstaats dort zu verankern. Das gilt insbesondere fürdas staatliche Gewaltmonopol. Die Stabilität Afghanis-tans und die Sicherheit seiner Bevölkerung werden danngesichert sein, wenn zukünftige Generationen von af-ghanischen Jungen nicht mehr mit der Überzeugung auf-wachsen, ihre Familien mit der Kalaschnikow in derHand verteidigen zu müssen.Wir sind uns der Sicherheitslage in Afghanistan be-wusst. Aber Ihre Behauptung, wir würden deutsche Poli-zisten in einen Krieg schicken, ist einfach nur falsch.
Fortschritte sind durchaus messbar. Probleme werden er-kannt, und in vielen Punkten werden Lösungen gefun-den. Bis 2009, bis zur Londoner Konferenz, wurde vielzu oft und ohne Maß und Ziel agiert. Jetzt aber wird miteinem ordentlichen Konzept gearbeitet. Das zeigt Er-folge, und wir können mehr Verantwortung übergeben.Die Zusammenarbeit mit unseren Partnern läuft eben-falls erheblich besser. Wir verzeichnen heute größere Er-folge als zu Beginn unseres Engagements. An dieserStelle können und dürfen wir nicht umkehren.Wir müssen uns vielmehr dafür einsetzen, dass deut-sche Polizistinnen und Polizisten nicht mehr nach18 verschiedenen Regeln nach Afghanistan geschicktwerden. Ebenso darf ein Auslandseinsatz kein Hindernisfür die Karriere sein. Hier sind die Kollegen in den Län-dern gefordert, sich dafür einzusetzen, dass den Polizis-tinnen und Polizisten, die sich für den Einsatz in Afgha-nistan entscheiden, kein Nachteil entsteht.Von einem Abzug deutscher Polizisten aus Afghanis-tan kann heute keine Rede sein. Die Linke will Afgha-nistan fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Gut, dassdie Mehrheit in diesem Haus mehr Verantwortungsbe-wusstsein hat!Vielen Dank.
FjagtesVruzPddesNwPIhIhndAb–MeledDnrile–ran
owohl durch Ihre Rede als auch durch Ihren Antrag.ernunft und Logik wurden da einfach suspendiert.Sie stellen sich hier allen Ernstes hin und sagen, Kor-ption ist ein Riesenproblem bei der afghanischen Poli-ei – da widerspricht Ihnen ja niemand –, und diesesroblem werde dadurch gelöst, dass wir unsere Ausbil-er dort abziehen. Sie müssen mir einmal erklären, woa die Logik sein soll. Sie sagen, die USA haben einher paramilitärisches Bild von der Polizei, das nicht un-er Bild ist.
un erklären Sie einmal, warum das besser werden soll,enn die Europäer, insbesondere die Deutschen, ihreolizeiausbildung dort beenden!
r ganzer Antrag ist schlechter Agitprop; das will ichnen einmal sagen. Da war sogar der Arbeiterkampfoch vernünftiger. Ihnen wird ja immer vorgehalten,ass Sie über das Niveau nicht hinausgekommen sind.ber Sie sind unter diesem Niveau gelandet.
Der Anfang dieser Polizeiausbildung war schwierigis missglückt; das wissen wir alle.
Ja, er war schwierig bis missglückt.
an hat das unterschätzt. Aber Sie merken noch nichtinmal, dass es besser geworden ist, dass es gerade intzter Zeit Fortschritte gibt,
enn die Antwort auf Ihre Große Anfrage ist von 2010.ie Polizeigewerkschaften, deren Statements Sie nochicht einmal verstehen, schildern natürlich die Schwie-gkeiten. Sie sagen aber: Wir als deutsche Polizei wol-n nicht in den Krieg gehen.
Nein. Sie sagen auch nicht: Wir sind drin und wollenus. Das sagen nur Sie. Alle deutschen Polizeibeamtin-en und Polizeibeamten sind dort freiwillig. Sie sind
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19070 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012
Wolfgang Wieland
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dort mit Unterstützung ihrer Gewerkschaften und Be-rufsverbände, und sie haben auch die Unterstützung desganzen Hauses – mit Ausnahme der fünf Sektierer, diehier sitzen.
Ihre Rede ist nachgerade unglaublich. Als ob diedeutsche Polizei der NATO unterstellt und Teil des Mili-tärs wäre!
Wir haben immer um eine klare Trennung zwischenPolizei und Militär gerungen. Wir haben keine Milizenbei uns. Wir haben keine paramilitärischen Polizeiein-heiten, keine Gendarmerie. Das wird so bleiben, weil wirund auch andere, zum Beispiel die Gewerkschaften, da-rauf achten und weil es um die schwierige Frage – derSie sich nicht stellen – geht:
Welche Grundbefriedung muss es in den verschiedenenRegionen Afghanistans geben, damit Polizeiausbildungdort weiter möglich ist?Die Kollegen haben es gesagt: Wir werden sie quanti-tativ sogar noch verstärken müssen. Es wurde aus Feh-lern schon gelernt, aber es kann noch weiter gelerntwerden. Ihre Argumentation – rauszugehen, weil dieSchwierigkeiten so groß sind – ist die Argumentation ei-nes Autofahrers, der sagt: Ich sehe so schlecht durchmeine verschmierte Scheibe; da kann ich mir auch gleichdie Augen zubinden. – So argumentieren Sie. Das ist barjeder Logik.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Günter Baumann
von der Unionsfraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Mit dem an diesem Freitagnachmittag vorlie-genden Antrag der Linken „Abzug deutscher Polizistenaus Afghanistan“ beweist die Fraktion Die Linke erneut,dass sie ein Problem mit unserer demokratischen Grund-ordnung und mit den internationalen Verpflichtungen,die wir weltweit eingehen, hat.Ich möchte ausdrücklich betonen, Frau Jelpke: IhrAntrag ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die be-reit sind, in Auslandsmissionen Hilfe zu leisten, die fürFreiheit und Demokratie stehen.
Ich glaube daran. – Auch mit anderen Anträgen habenie uns in der letzten Zeit beschäftigt. Ich denke an dieennzeichnungspflicht für Angehörige der Bundespoli-ei – das war eine ähnliche Aktion – und an die Begren-ung des Einsatzes von Pfefferspray.
amit zeigen Sie immer wieder, dass Sie Probleme mitnserer Demokratie haben.In Afghanistan – das muss man deutlich sagen – gehts um eine Friedensmission, die Hilfe für die Bevölke-ng bedeutet, welche seit Jahrzehnten unterdrückt wirdnd diese Hilfe gerne haben möchte. In dieser Missionisten 47 Länder gemeinsam Hilfe. Das ist also keineeutsche Aktion, wie Sie das zum Teil immer darstellen.ine breite Mehrheit dieses Parlamentes hat diese Ein-ätze beschlossen.
Im Jahr 2011 waren rund 770 Beamte von Bundes-olizei, Bundeskriminalamt, Zoll und Länderpolizeienn sieben verschiedenen Friedensmissionen der Europäi-chen Union, an vier Missionen der Vereinten Nationennd an drei bilateralen Projekten an den verschiedenstenrisenherden dieser Welt beteiligt. Es ist wichtig, dassir diese Hilfe leisten.Es geht darum, demokratische Werte zu vermittelnnd Freiheit und Sicherheit vor Ort zu fördern, um eineilfe für die Menschen unmittelbar in der Region. Dassiese Hilfe unter oft schwierigen Bedingungen geleistetird, ist klar. Das wissen wir. Einige Beispiele, die Sie diesem Zusammenhang genannt haben, sind durchauschtig. Aber das ist natürlich nicht die Mehrzahl. Sicher-ch gibt es Probleme, deswegen müssen wir auch – Herrchuster hat es deutlich gesagt – ganz besonders unserenolizistinnen und Polizisten, die diesen Einsatz im Aus-nd unter schweren Bedingungen leisten, von diesertelle aus ganz herzlich danken.
Deutschland hilft in Afghanistan seit 2002 beim Auf-au einer Polizei. Eine funktionierende und rechtsstaatli-he Polizei ist die Grundlage für Demokratie, für einennktionierenden Staat.Die Ausbildung afghanischer Polizeikräfte verläufteineswegs so desaströs, wie Sie es darstellen. Es ist ein-ch eine schwierige Mission, die wir dort durchführenüssen, um dem Land zu helfen. Bisher – Stand Oktober011 – gibt es rund 139 000 Polizisten in Afghanistan.iel ist es, diese Zahl bis Oktober dieses Jahres auf57 000 zu erhöhen. Dafür hat Deutschland gegenwärtig00 Polizisten im Land, die dort die Ausbildung durch-hren. Das ist wichtig für den Staat. Deutschland leistetamit Entwicklungshilfe beim Staatsaufbau in Afghanis-n. Das muss man ganz deutlich sagen. Herr Schuster
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 159. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. Februar 2012 19071
Günter Baumann
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hat bereits auf die Bedeutung hingewiesen; das kann ichmir sparen.Das Train-the-Trainer-Programm, mit dem wir afgha-nische Polizisten zu Trainern ausbilden, damit die Af-ghanen ihre Polizisten selbst ausbilden können, funktio-niert sehr gut. Hier erzielen wir eine ganze Reihe vonErfolgen.Meine Damen und Herren der Linksfraktion, Schwie-rigkeiten, die es durchaus gibt, dürfen nicht zu derSchlussfolgerung führen, dass wir jetzt aufhören und diePolizeiausbilder abziehen müssen. Das wäre der falscheWeg. Wir müssen unseren internationalen Verpflichtun-gen gerecht werden und uns diesen Herausforderungenstellen. Das tun wir auch.Es geht langfristig um einen geordneten Übergang,den Aufbau einer afghanischen Sicherheitsarchitektur imLand, um die Souveränität des Landes Afghanistan her-zustellen. Das geht nun einmal nicht ohne Polizei. Des-wegen leisten wir diesen Beitrag. Konsequenz aus denSchwierigkeiten kann nicht sein, aufzuhören.sind eindeutig da. Beratung, Ausbildung, Personalent-wicklung sind der richtige Weg, um ein Land in dieSelbstständigkeit zu führen. Auch nach der Proklama-tion der Unabhängigkeit von 2008 ist im Kosovo nachwie vor Unterstützungsarbeit erforderlich. Das dauerteben seine Zeit. Dies wird auch der Weg für Afghanistansein.Auch wenn wir 2014 die Sicherheitsverantwortung anAfghanistan übergeben, werden wir und die internatio-nale Staatengemeinschaft das Land weiter gemeinsamunterstützen müssen. Wir werden die afghanische Bevöl-kerung, Männer, Frauen und Kinder, nicht im Stich las-sen. Wir werden auch nicht, wie es die Linken in ihremAntrag fordern, einfach davonrennen.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir leisten auch eine ganze Reihe anderer Hilfen,
zum Beispiel durch Alphabetisierungskurse, Ausbil-
dungseinheiten, die die Wahrung der Menschenrechte
zum Inhalt haben, sowie ein transparentes Lohnüberwei-
sungssystem, um dem Thema Korruption entscheidend
zu begegnen. Alle Maßnahmen bringen Schritt für
Schritt Erfolg, aber sie reichen bei weitem noch nicht
aus. Ein Rückzug wäre jetzt der absolut falsche Weg.
Mit Blick auf die Geschichte dieses Landes – 30 Jahre
Unterdrückung, 30 Jahre Bürgerkrieg – wird deutlich,
dass wir weitermachen müssen, damit die positiven Ent-
wicklungen fortgesetzt werden.
Der Polizeieinsatz verlangt Engagement und Geduld;
der Erfolg stellt sich nicht von heute auf morgen ein. Die
Beispiele aus anderen Ländern dieser Welt, die Herr
Schuster bereits angeführt hat, zeigen ja, dass es funktio-
niert. Ich denke zum Beispiel an die EULEX-Mission im
Kosovo. Dort haben wir jahrelang gearbeitet und müssen
auch heute noch Aufgaben erfüllen. Aber die Erfolge
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Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp-
hlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion
ie Linke mit dem Titel „Abzug deutscher Polizisten aus
fghanistan“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be-
chlussempfehlung auf Drucksache 17/8443, den Antrag
er Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4879 abzuleh-
en. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
mpfehlung ist mit den Stimmen der Unionsfraktionen,
er SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion und der Fraktion
ündnis 90/Die Grünen bei Ablehnung der Fraktion Die
inke angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
chluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Montag, den 27. Februar 2012, 15 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.