Protokoll:
17069

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 69

  • date_rangeDatum: 29. Oktober 2010

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:54 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/69 Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . Dr. Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dietrich Monstadt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Riebsamen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: 7446 A 7447 B 7447 C 7448 A 7448 B 7448 D 7450 B 7452 A 7452 C 7465 B 7466 B 7467 A 7468 C 7470 D 7471 A 7472 C 7473 A 7473 D Deutscher B Stenografisch 69. Sitz Berlin, Freitag, den 2 I n h a l Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen (Drucksache 17/3403) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . Olaf Scholz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . T A B o s in (D D E H H M 7437 A 7437 B 7438 C 7440 B 7442 B 7444 A DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 7454 C 7454 D undestag er Bericht ung 9. Oktober 2010 t : agesordnungspunkt 28: ntrag der Abgeordneten Dr. Edgar Franke, ärbel Bas, Petra Ernstberger, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion der SPD: Patienten- chutz statt Lobbyismus – Keine Vorkasse der gesetzlichen Krankenversicherung rucksache 17/3427) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . rwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . arald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . einz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . aria Anna Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7455 B 7455 C 7457 A 7457 C 7459 D 7461 D 7463 B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Ermittlung von II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Oktober 2010 Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetz- buch (Drucksache 17/3404) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Fritz Kuhn, Markus Kurth, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Menschenwürdiges Dasein und Teil- habe für alle gewährleisten (Drucksache 17/3435) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sebastian Blumenthal (FDP) . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Anton Schaaf, Anette Kramme, Elke Ferner, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Das Risiko von Altersarmut durch veränderte rentenrechtliche Bewertun- gen von Zeiten der Langzeitarbeitslo- sigkeit und der Niedriglohn-Beschäfti- gung bekämpfen – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Risiken der Al- tersarmut verringern – Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose erhöhen – – – (D 1 P A D M D F D F T E e z e (D T A H te N je Q (D in 7474 C 7474 D 7474 D 7476 A 7477 A 7478 C 7480 A 7481 D 7482 D 7483 C 7485 A 7486 A 7487 A 7488 B 7489 D 7490 C zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Heidrun Dit- trich, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Verbesserung der Ren- tenanwartschaften von Langzeiterwerbslosen zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der DIE LINKE: Schutz bei Er- werbsminderung umfassend verbes- sern – Risiken der Altersarmut verrin- gern zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Katrin Göring- Eckardt, Fritz Kuhn, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mindestbeiträge zur Renten- versicherung verbessern, statt sie zu streichen rucksachen 17/1747, 17/1735, 17/256, 7/1116, 17/2436, 17/3477) . . . . . . . . . . . . . . eter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . nton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . atthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . r. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . rank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . r. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . rank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 31: rste Beratung des von der Bundesregierung ingebrachten Entwurfs eines Zweiten Geset- es zur erbrechtlichen Gleichstellung nicht- helicher Kinder rucksache 17/3305) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 32: ntrag der Abgeordneten Kai Gehring, Britta aßelmann, Ute Koczy, weiterer Abgeordne- r und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- EN: Aufbauoffensive für Freiwilligendienste tzt auf den Weg bringen – Quantität, ualität und Attraktivität steigern rucksache 17/3436) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbindung mit 7491 B 7491 C 0000 A7492 D 7494 B 7495 C 7496 D 7498 A 7499 A 7499 B 7500 A 7500 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Oktober 2010 III Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Sönke Rix, Petra Crone, Petra Ernstberger, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Chancen nutzen – Jugendfreiwilligendienste stärken (Drucksache 17/3429) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Unterrichtung: Berufsbildungsbericht 2010 (68. Sitzung, Tagesordnungspunkt 8) Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Antrag: Bundesrechtliche Konsequenzen aus der Rücknahme des deutschen Vorbe- 7500 C 7500 C 7501 D 7503 A 7510 A Florian Bernschneider (FDP) . . . . . . . . . . . . . Heidrun Dittrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu: – Antrag: Qualitätsoffensive in der Berufs- ausbildung – Antrag: Berufliche Bildung als Garant zur Sicherung der Teilhabechancen junger Menschen und des Fachkräftebedarfs von morgen stärken – Antrag: Verordnungsermächtigung in § 43 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes- entfristen – Antrag: Konsequenzen aus dem Berufsbil- dungsbericht ziehen – Ehrliche Ausbil- dungsstatistik vorlegen, gute Ausbildung für alle ermöglichen – Antrag: Mehr Jugendlichen bessere Aus- bildungschancen geben – DualPlus unver- züglich umsetzen – (6 M A Z d re (T U S S J In D A A 7504 B 7505 D 7507 A 7508 C 7508 D 7509 A halts gegen die UN-Kinderrechtskonven- tion ziehen Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Kinderrechte stärken – Erklärung zur UN-Kinderrechtskonvention zurückneh- men – UN-Kinderrechtskonvention umfassend umsetzen – UN-Kinderrechtskonvention unverzüg- lich vollständig umsetzen 8. Sitzung, Tagesordnungspunkt 24 a und b) iriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 4 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur erb- chtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder agesordnungspunkt 31) te Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . onja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . tephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . ens Petermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . grid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 5 mtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7511 D 7512 B 7513 C 7514 A 7514 D 7515 B 7516 A 7516 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Oktober 2010 7437 (A) ) )(B) 69. Sitz Berlin, Freitag, den 2 Beginn: 9.0
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    ung ), zweiter Absatz, der sen: „Laut Indikatoren- ltigkeitsstrategie liegen r Landwirtschaft immer ektar.“ gilt: Wenn jeder an sich . INKE]: Ach nee!) sung, dass eine Gesell- lich ist, wenn nicht der nzelnen übernimmt, son- der Verantwortung über- die Freiwilligendienste SU und der FDP) h viel zu tun. Aber mein Vizepräsidentin Katrin G Ich schließe die Aussprache Interfraktionell wird Überw den Drucksachen 17/3436 und gesordnung aufgeführten A Sind Sie damit einverstanden? ist die Überweisung so beschlo Damit sind wir am Schlus ordnung. Ich berufe die nächste Sitzu tages auf Mittwoch, den 10. N ein. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Oktober 2010 7509 (A) ) )(B) Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 29.10.2010 alle ermöglichen ten – Antrag: Konsequenzen aus dem Berufsbil- dungsbericht ziehen – Ehrliche Ausbil- dungsstatistik vorlegen, gute Ausbildung für Leidig, Sabine DIE LINKE 29.10.2010 Maurer, Ulrich DIE LINKE 29.10.2010 Anlage 1 Liste der entschuldigte A Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aigner, Ilse CDU/CSU 29.10.2010 Bär, Dorothee CDU/CSU 29.10.2010 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 29.10.2010 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.10.2010 Binder, Karin DIE LINKE 29.10.2010 Bockhahn, Steffen DIE LINKE 29.10.2010 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 29.10.2010 Dautzenberg, Leo CDU/CSU 29.10.2010 Friedhoff, Paul K. FDP 29.10.2010 Gloser, Günter SPD 29.10.2010 Golze, Diana DIE LINKE 29.10.2010 Dr. Guttenberg, Karl- Theodor Freiherr zu CDU/CSU 29.10.2010 Hänsel, Heike DIE LINKE 29.10.2010 Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 29.10.2010 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.10.2010 Holmeier, Karl CDU/CSU 29.10.2010 Kauder (Villingen- Schwenningen), Siegfried CDU/CSU 29.10.2010 Klöckner, Julia CDU/CSU 29.10.2010 Krichbaum, Gunther CDU/CSU 29.10.2010 Laurischk, Sibylle FDP 29.10.2010 N O P D S S D S S V D W Z A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten nlage 2 Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu: – Antrag: Qualitätsoffensive in der Berufsaus- bildung – Antrag: Berufliche Bildung als Garant zur Sicherung der Teilhabechancen junger Men- schen und des Fachkräftebedarfs von mor- gen stärken – Antrag: Verordnungsermächtigung in § 43 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes entfris- ietan, Dietmar SPD 29.10.2010 swald, Eduard CDU/CSU 29.10.2010 aus, Lisa BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 29.10.2010 r. Reimann, Carola SPD 29.10.2010 chlecht, Michael DIE LINKE 29.10.2010 chreiner, Ottmar SPD 29.10.2010 r. Schwanholz, Martin SPD 29.10.2010 chwarzelühr-Sutter, Rita SPD 29.10.2010 enger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 29.10.2010 ogel (Kleinsaara), Volkmar CDU/CSU 29.10.2010 r. Wiefelspütz, Dieter SPD 29.10.2010 öhrl, Dagmar CDU/CSU 29.10.2010 immermann, Sabine DIE LINKE 29.10.2010 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 7510 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Oktober 2010 (A) ) )(B) – Antrag: Mehr Jugendlichen bessere Ausbil- dungschancen geben – DualPlus unverzüg- lich umsetzen – Unterrichtung: Berufsbildungsbericht 2010 (68. Sitzung, Tagesordnungspunkt 8) Willi Brase (SPD): Die aktuellen Zahlen zur Ausbil- dungsplatzsituation sind heute veröffentlicht worden: Es hat sich eine Besserung eingestellt. Allerdings, so schreibt zu Recht auch die Bertelsmann-Stiftung, gibt es berechtigte Zweifel an der offiziellen Statistik. Dort tau- chen Ausbildungsplatzsuchende nicht auf, die eine Maß- nahme im sogenannten Übergangssystem absolvieren, obwohl sie auf diese Weise keinen Berufsabschluss er- langen können. So blieben, wie die Bertelsmann-Stif- tung es ausdrückt, mehrere Hunderttausend Jugendliche ohne Ausbildungsplatz außen vor. Diese Analyse ist richtig. Wenn man die Altbewerber und die verbliebenen Jugendlichen hinzurechnet, ist die Ausbildungsbilanz in der Tat etwas geschönt. Als Antwort auf die Verbesserung der Ausbildungs- platzsituation wurde der Ausbildungspakt eingeführt. Er ist dieser Tage verlängert worden. Wie wir der Presse entnehmen konnten, haben sich die Gewerkschaften und der DGB geweigert, diesem Pakt beizutreten. Warum? Der DGB verlangt eine ehrliche Bilanz: Kürzere, zwei- jährige Ausbildungsordnungen dürften nur im Konsens entschieden werden, es darf keine Aufweichung des Ju- gendarbeitsschutzgesetzes geben, verbindliche Ziele müssen gesteckt werden, und es muss einen neuen Titel geben. Wir unterstützen den DGB ausdrücklich in seiner Position, da auch die jetzige Bilanz keine ehrliche ist. Eine weitere Zulassung zweijähriger Ausbildungen ist nicht zielführend. Die Antwort müssen vollqualifizie- rende Ausbildungsplätze sein, und dazu müssen sich endlich auch die Unternehmen verpflichten. Wir wollen keine Aufweichung des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Dies hätte nur zur Folge, dass jüngere Leute noch früher und noch später arbeiten und das in Bereichen, wo häu- fig schon jetzt prekäre Beschäftigungsverhältnisse an oberster Stelle stehen. Das kann man besonders im Gastronomie- und Tourismusbereich beobachten. Dies hilft nicht den Jugendlichen, sondern nur den Unterneh- men. Ebenfalls ist es wichtig, verbindliche Ziele in ei- nem Ausbildungspakt festzuschreiben. Das bedeutet, dass die tatsächlich notwendigen Ausbildungsplätze auch zur Verfügung gestellt werden. Die Bundesregierung hat wieder einmal eine Chance vertan, im Sinne des Zusammenarbeitens mehr für junge Leute zu tun. Sie hat es nicht geschafft, die Unterneh- mensverbände zurückzudrängen, sondern sie haben sich durchgesetzt. Man kann sagen, die Bundesregierung ist vor den Unternehmensverbänden eingeknickt. Das beweist nur, was sie schon seit einem Jahr macht: Klien- telpolitik. Dies nutzt nur den Arbeitgebern und Unter- nehmen, ist aber zum Schaden der betroffenen Jugendli- chen. Es war ein hohes Gut, im Rahmen der dualen Ausbil- dung die Ausbildungsordnungen im Konsens auf den W d d a d 1 d h s w n w D li le IA d E s E b a s g d d s li k ti li re u H k d te w e a S R n L b n D L m d z b J u (C (D eg zu bringen. Wir verlangen, dass dies zukünftig wie- er Merkmal wird. Der Konsens in der dualen Ausbil- ung hat die Facharbeiterausbildung stark gemacht, weil lle Beteiligten im Verfahren dabei waren. Das größte Problem packt aber weder der Ausbil- ungspakt noch die Bundesregierung an. Es sind über ,4 Millionen junge Leute zwischen 20 und 29 Jahren, ie keinen Berufsabschluss bzw. keine Berufsausbildung aben und die nicht wissen, wie ihre Perspektive aus- ieht. Hier hätte der Pakt – ein neuer Pakt mit den Ge- erkschaften zusammen – eine gute Antwort geben kön- en. Auch diese Chance wurde vertan. Ein großes Problem – ich will durchaus gestehen, dies ird im Pakt angesprochen – ist das Übergangssystem. ieses System hat eine große Vielfalt und Unübersicht- chkeit. Das System ist komplex und ist durch eine feh- nde Transparenz und Ineffizienz gekennzeichnet. Das T schätzt jährliche Kosten von 7 Milliarden Euro für ie mittlerweile über 300 000 betroffenen jungen Leute. s wird endlich Zeit, dass die Bundesregierung gemein- am mit den Ländern, die jetzt ja auch dem Pakt auf der bene der Kultusminister beigetreten sind, dieses Pro- lem in Angriff nimmt und weniger Maßnahmen, die ber effektiv, finanziell günstiger und zielgerichteter ind, auf den Weg bringt. Häufig erleben wir, dass Unternehmensvertreter, so- enannte Spitzenfunktionäre, über mangelnde Ausbil- ungsreife der Jugendlichen klagen. Sind es vielleicht ie Leistungsanforderungen, die immer wieder höher ge- chraubt werden? Ist nicht eine differenzierte Begriff- chkeit notwendig? Was ist Ausbildungsreife: soziale, ulturelle, intellektuelle Fähigkeiten? Die Auswahlsitua- on ist nicht deckungsgleich mit der Ausbildungswirk- chkeit. Häufig erleben wir, dass junge Leute im Theo- tischen nicht immer so stark sind, aber dann während nd bei der Ausbildung mit ausbildungsbegleitenden ilfen zu einem guten, manchmal sehr guten Abschluss ommen. Wir sind der Meinung: Das Thema „Ausbil- ungsreife“ wird immer dann genutzt, wenn es den Un- rnehmen und ihren Spitzenfunktionären nutzt, aber eniger, um der tatsächlichen Lage der jungen Leute zu ntsprechen. Mit unserem Antrag wollen und geben wir Antworten uf die derzeitige Lage am Ausbildungsmarkt. Uns als PD ist es ganz wichtig, dass die jungen Leute einen echtsanspruch auf Berufsausbildung erhalten. Es geht icht mehr an, dass eine so große Bugwelle von jungen euten, die keine Ausbildung haben, vor uns hergescho- en wird und gleichzeitig schon einige wieder anfangen, ach ausgebildeten Kräften aus dem Ausland zu rufen. as ist nicht akzeptabel, solange wir so viele junge eute haben, die endlich vernünftig ausgebildet werden üssen. Auch der Ausbildungsbonus sollte weitergeführt wer- en. Gerade kleinere Unternehmen in der Betriebsgröße wischen 5 und 50 Beschäftigten haben durch den Aus- ildungsbonus den Schritt in die Ausbildung begonnen. a, sie erhalten zu Beginn eine finanzielle Unterstützung, nd wir sind sicher, dass über diesen Weg die Zahl der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Oktober 2010 7511 (A) ) )(B) ausbildenden Betriebe erheblich erweitert werden könnte. Die Berufseinstiegsbegleitung, die von der alten Ko- alition auf den Weg gebracht wurde, wird in der Praxis als sehr positiv angesehen, und wir freuen uns, dass die Regierungsfraktionen dieses Instrument jetzt aufgreifen und mit dem Pakt ausweiten. Es ist wichtig, schon ab der siebten, achten Klasse die betroffenen Jugendlichen zu begleiten, sie zu unterstützen und zielgerichtet in Ausbil- dung zu führen. Die Bundesregierung will mit dem Pakt auch das In- strument der Ausbildungsbausteine weiter ausweiten. Eine der letzten Veranstaltungen zum Thema „Ausbil- dungsbausteine“ lässt aber einen erheblichen Zweifel aufkommen, ob dieses Instrument tatsächlich entspre- chend greift. Immerhin werden seit 2008 und dann bis 2015 insgesamt 60 Millionen Euro in 40 Bausteinpro- jekte gesteckt. 1 200 Förderfälle sollen damit erreicht werden; das macht pro Kopf die enorme Fördersumme von 50 000 Euro. So üppig war selten eine öffentliche Förderung. An der Umsetzung scheint es aber zu hapern. Viele Unternehmensvertreter bei dieser Tagung waren wenig entzückt und verließen den Tagungsort mit dem Hinweis: nichts Neues. Auch die dargestellten Beispiele lassen nicht vermuten, dass dieses Projekt ein großer Renner wird. Es wäre besser, dieses Geld zu nehmen und für vernünftige Maßnahmen und vollqualifizierende Ausbildung einzusetzen, damit die Jugendlichen auch eine tatsächliche Chance erhalten. Ob wir wollen oder nicht: Auf dem Ausbildungsmarkt und in der Versorgung der jungen Leute ist noch eine Menge auf den Weg zu bringen. Bedenklich und sehr kritisch muss gesehen werden, dass die Jugendlichen nach der Ausbildung, wenn sie fertig werden, nur knapp zur Hälfte in sozialversiche- rungspflichtige Beschäftigung übernommen werden. Der andere Teil geht in prekäre Beschäftigungsverhält- nisse, in Leiharbeit zu schlechten Bedingungen und niedrigen Löhnen und Gehältern, geht in mehrfach be- fristete Arbeitsverhältnisse, macht teilweise Praktika- phasen durch oder – wenn die jungen Menschen ganz großes Pech haben – bekommt nur einen Minijob. Wer so mit der Jugend umgeht und zulässt, dass sich diese prekären Beschäftigungsverhältnisse weiter ausweiten, hat die Zukunftschancen der Jugendlichen nicht im Blick, sondern verletzt sie, vernichtet sie und betrachtet die jungen Leute allzu häufig nur als industrielle Reser- vearmee. Dies werden wir als SPD nicht mitmachen. Wir weisen das auf entschiedene Weise zurück. Gerade heute ist es wichtig, den jungen Leuten eine vernünftige Perspektive zu geben. Die Regierung lässt sich für arbeitsmarktpolitische Erfolge feiern, doch die Kommentatoren im Fernsehen und in den Medien sprechen eine deutliche Sprache. Es war Rot-Grün und es war die große Koalition, die mit Konjunkturpaketen, mit der Abwrackprämie und Olaf Scholz mit der Kurzarbeitergeldregel den Grundstein und Grundstock für diesen Aufschwung gelegt haben. Die FDP war damals nicht dabei. Sie versucht sich heute als Trittbrettfahrer auf den Pfad der Konjunktur zu s u n is N A g g re R a R B w d U d g D K d je S v a w s p d m d (C (D chwingen. Das ist peinlich und nicht einer realistischen nd klaren politischen Betrachtungsweise würdig. Es bleibt festzuhalten, die Chance für einen guten ver- ünftigen Pakt wurde leichtfertig vertan, die Regierung t mal wieder eingeknickt, treibt Klientelpolitik; das achsehen haben die jungen Leute. nlage 3 Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Antrag: Bundesrechtliche Konsequenzen aus der Rücknahme des deutschen Vorbe- halts gegen die UN-Kinderrechtskonvention ziehen – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Kinderrechte stärken – Erklärung zur UN-Kinderrechtskonvention zurückneh- men – UN-Kinderrechtskonvention umfassend umsetzen – UN-Kinderrechtskonvention unverzüg- lich vollständig umsetzen (68. Sitzung, Tagesordnungspunkt 24 a und b) Miriam Gruß (FDP): Kinder sind vollwertige Mit- lieder unserer Gesellschaft. Als solche müssen ihnen ewisse Grundrechte garantiert werden. Die UN-Kinder- chtskonvention gewährt ihnen diese Grundrechte: Das echt auf Überleben, das Recht auf Bildung, das Recht uf Schutz vor Missbrauch und Gewalt, ebenso das echt auf einen eigenen Namen, auf Information und eteiligung am gesellschaftlichen Leben. Es ist dieser christlich-liberalen Koalition gelungen, as bei der jetzigen Opposition jahrelang brach lag: Mit er Rücknahme der Vorbehaltserklärung gegenüber der N-Kinderrechtskonvention haben wir nun allen Kin- ern in Deutschland diese Grundrechte vollständig ein- eräumt. Vor beinahe 20 Jahren trat für die Bundesrepublik eutschland das „Übereinkommen über die Rechte des indes“ vom 20. November 1989 in Kraft. Eine im Zuge er Ratifizierung abgegebene Erklärung enthielt jedoch ne Vorbehalte, die sich insbesondere auf das elterliche orgerecht, die Anwaltsvertretung sowie weitere Rechte on Kindern im Strafverfahren, sowie in Vorbehalt IV uf die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern so- ie die Bedingungen ihres Aufenthalts und Unter- chiede zwischen In- und Ausländern beziehen. Die Rücknahme der Vorbehalte wurde seit langem in arlamentarischen Initiativen und auch seitens der Kin- erkommission immer wieder gefordert. Ich selbst habe ich seit Jahren dafür eingesetzt und freue mich sehr, ass wir dies nun erreicht haben. 7512 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Oktober 2010 (A) ) )(B) Neben der Bundesregierung haben sich auch die Bun- desländer positioniert. In einer Bundesratsentschließung vom 26. März 2010 hat sich die Mehrheit für die Rück- nahme ausgesprochen. Dies ist ein wichtiges Signal, da die Vorbehalte im Wesentlichen auf den Wunsch der Länder zurückgingen. Sie befürchteten in den in der Vor- behaltserklärung genannten Bereichen eine Fehl- oder Überinterpretation. Mit der Entscheidung der Bundesregierung, die Vor- behalte zurückzunehmen, haben die Länder nun die Möglichkeit, ihre legislative Praxis und die Gesetzes- anwendung zu überprüfen. Vor allem die Zeit, die min- derjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft sitzen, muss auf die kürzest mögliche Zeit reduziert werden. Denn Kin- der und minderjährige Jugendliche und Flüchtlinge brau- chen einen ganz besonderen Schutz. Mit der Rücknahme der Vorbehaltserklärung gegen- über der UN-Kinderrechtskonvention ist uns ein wesent- licher Schritt gelungen. Jetzt gilt es, sich gemeinsam mit den Ländern für ein kinderfreundlicheres Deutschland einzusetzen. Die Rücknahme der Vorbehaltserklärung war auch deshalb seit langem geboten. Wir haben damit national wie international deutlich gemacht, wie wichtig uns ein kinderfreundliches Deutschland ist und den Willen der Bundesregierung unterstrichen, das Kindeswohl in den Mittelpunkt zu stellen. Die Entscheidung stärkt die Posi- tion der Bundesrepublik Deutschland in der Frage des internationalen Menschenrechtsschutzes und hilft, inner- halb und außerhalb Deutschland Irritationen zu vermei- den. Ein weiterer wichtiger Schritt zur Stärkung der Kin- derrechte auf internationaler Ebene wäre die Schaffung einer Individualbeschwerde. Denn ein solches Verfah- ren, wie es etwa im Rahmen des „Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte“, des „Überein- kommens gegen Folter und andere grausame, unmensch- liche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“ und anderen Menschenrechtsverträgen vorgesehen ist, gibt es bei der Kinderrechtskonvention bislang nicht. Es gibt also noch viel zu tun. Wir haben mit unserer Politik für ein Stück mehr Kinderfreundlichkeit in Deutschland gesorgt. Diesen Weg werden wir weiter fortsetzen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge- setzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nicht- ehelicher Kinder (Tagesordnungspunkt 31) Ute Granold (CDU/CSU): Wir beraten heute einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit dem die nicht- ehelichen Kinder auch im Bereich des Erbrechts gleich- gestellt werden sollen. Auch wenn es heute kaum noch vorstellbar ist, hatten nichteheliche Kinder bis zum Jahr 1970 keinerlei Erb- re w u e d d n s d E 1 P n s m tr V a te R v ta fa s fe d w K n k G ti s d 1 k ih m s d d a E s d s v W a n d v u (C (D cht nach ihrem Vater, weil sie mit diesem nicht als ver- andt galten. Dieser Ungleichbehandlung von ehelichen nd nichtehelichen Kindern lag ganz offensichtlich eine ntsprechende gesellschaftliche Vorstellung zugrunde, ie zum Teil noch bis in die heutige Zeit fortwirkt und ie rechtspolitischen Diskussionen mitbestimmt. Der Gesetzgeber hat die Rechtsposition der betroffe- en Kinder erst im Jahr 1969 mit dem sogenannten Ge- etz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kin- er verbessert und damit den nichtehelichen Kindern für rbfälle, die sich nach Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 970 ereignet haben bzw. noch ereignen, ein Erb- und flichtteilsrecht zuerkannt. Dabei handelte es sich aber icht um eine umfassende Neuregelung. Von der Gleich- tellung waren nämlich explizit jene Kinder ausgenom- en, die vor dem 1. Juli 1949 geboren und bei Inkraft- eten des Gesetzes älter als 21 Jahre waren. Eine Änderung dieser Stichtagsregelung wurde in ergangenheit immer wieder diskutiert, im Ergebnis ber mit Verweis auf das vermeintliche Vertrauen der vä- rlichen Familie in den Fortbestand der bisherigen echtslage abgelehnt. Diese Auffassung wurde auch om Bundesverfassungsgericht, das die geltende Stich- gsregelung in verschiedenen Entscheidungen für ver- ssungskonform erklärt hat, bestätigt. Inzwischen hat der Europäische Gerichtshof für Men- chenrechte mit seiner Entscheidung vom 28. Mai 2009 stgestellt, dass die geltende Stichtagsregelung gegen ie Europäische Menschenrechtskonvention verstößt, eil den vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen indern nach geltendem deutschen Recht kein Erbrecht ach ihrem Vater zusteht und dies eine unzulässige Dis- riminierung darstellt. Deutschland ist verpflichtet, seine esetze mit der Europäischen Menschenrechtskonven- on in Einklang zu bringen. Der heute zur Beratung an- tehende Gesetzentwurf sieht daher richtigerweise vor, ie bestehende Stichtagsregelung aufzuheben. Auch jene nichtehelichen Kinder, die vor dem 1. Juli 949 geboren wurden und die mangels rechtlich aner- annter Verwandtschaft bisher nicht gesetzliche Erben res Vaters und seiner Verwandten waren, sollen nun- ehr den ehelichen Kindern gleichgestellt werden. Dazu oll der Stichtag 1. Juli 1949 rückwirkend für Erbfälle, ie nach dem 28. Mai 2009, also dem Tag der Entschei- ung des Europäischen Gerichtshofs eingetreten sind, ufgehoben werden. Die Neuregelung ist somit im Hinblick auf künftige rbfälle klar: Es findet eine komplette Gleichstellung tatt – und zwar ohne Einschränkung. Nach dem Willen er Bundesregierung wären dann alle Kinder auch ge- etzliche Erben ihres leiblichen Vaters unabhängig da- on, ob sie ehelich sind und wann sie geboren wurden. eitere Folge der Gleichstellung ist, dass umgekehrt uch ein Erbrecht des Vaters im Verhältnis zu seinem ichtehelichen Kind entsteht. Selbstverständlich steht es aber dem Vater auch in iesen Fällen frei, durch entsprechende Verfügungen on Todes wegen eine abweichende Regelung zu treffen nd sein Kind auf den gesetzlichen Pflichtteil zu verwei- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Oktober 2010 7513 (A) ) )(B) sen. Ein etwaiges schutzwürdiges Vertrauen der Erblas- ser und ihrer schon heute erbberechtigten Familienange- hörigen besteht somit nicht. Während die erbrechtliche Gleichstellung für die Zu- kunft grundsätzlich unproblematisch ist, muss aber bei Erbfällen, die sich vor Inkrafttreten des Gesetzes ereig- net haben, differenziert werden. In diesen Fällen ist das Vermögen der Erblasser bereits auf die Erben überge- gangen. Eine Entziehung dergestalt, dass jetzt weitere Erben hinzutreten, stellt somit einen rückwirkenden Ein- griff dar, der einer besonderen Rechtfertigung bedarf und nur in engen Grenzen zulässig ist. Der Regierungsentwurf unterscheidet in diesem Zu- sammenhang zwischen Erbfällen, die sich vor oder nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte am 28. Mai 2009 ereignet haben. Zu Recht geht die Bundesregierung davon aus, dass für die Zeit nach der Entscheidung keine Schutzbedürftigkeit mehr bestanden hat, da ab diesem Zeitpunkt kein Erbe mehr darauf vertrauen durfte, dass es bei der bisherigen Rechtslage bleiben würde. Anders sieht es hingegen bei den Erbfällen vor dem 28. Mai 2009 aus. Die betroffenen Erben durften berech- tigter Weise davon ausgehen, dass es keine Neuregelung geben würde und sie entsprechend uneingeschränkt über ihr Vermögen verfügen dürfen. Unstreitig besteht hier also ein schutzwürdiges Vertrauen. Nach dem Willen der Bundesregierung soll es daher in diesen Fällen bei der alten Rechtslage bleiben. Im Klartext heißt das: Nicht- eheliche Kinder, deren Väter vor dem 28. Mai 2009 ge- storben sind, werden nicht rückwirkend Erbe. Die Bundesregierung hat diese Frage sorgfältig abge- wogen und auch alternative Lösungsansätze in Erwä- gung gezogen. Ein früherer Entwurf sah beispielsweise für die Erbfälle vor dem 28. Mai 2009 eine sogenannte Härtefallregelung vor, nach der die nichtehelichen Kin- der im Verhältnis zur Ehefrau des Vaters Nacherbe sein sollten. Zahlreiche Verbände und Experten, die bereits im Vorfeld von der Bundesregierung konsultiert worden waren, haben von einer solchen Lösung jedoch abgera- ten, da diese nach ihrer Auffassung zu kompliziert und streitträchtig sei. Diesen Aspekt sollten wir – so meine ich – in den anstehenden Ausschussberatungen noch ein- mal sorgfältig prüfen und diskutieren. Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass der vorliegende Gesetzentwurf eine Vorgabe des Europäi- schen Gerichtshofs für Menschenrechte umsetzt und da- mit eine längst überfällige Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern vollzieht. Die zeitliche An- knüpfung an die Entscheidung macht durchaus Sinn, ist aber im Einzelnen noch diskussionswürdig. Der jetzige Gesetzentwurf fügt sich in eine Reihe von Gesetzen und Initiativen ein, mit denen jetzt die Gleich- stellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern kom- plettiert wird. Nach der Kindschaftsrechtsreform im Jahr 1998 und der Unterhaltsrechtsreform in der letzten Le- gislaturperiode, in deren Folge die nichtehelichen Kin- der hinsichtlich des Ranges des Unterhaltsanspruchs der Mutter bei Mangelfällen sowie bei der Dauer des Betreu- u w im K lu d s d fü a u d re te g s c s 2 m v E c e s K g 1 s e n n ü D n B ti S n S E h fä 2 h d lu K E e s n (C (D ngsunterhalts mit den ehelichen Kindern gleichgestellt urden, wird nun auch die letzte Ungleichbehandlung Erbrecht beseitigt. Darüber hinaus werden wir in der oalition in Kürze einen Gesetzentwurf zur Neurege- ng des gemeinsamen Sorgerechts nichtehelicher Kin- er vorlegen und damit auch im Bereich des Kind- chaftsrechts die letzte Baustelle angehen. Das zeigt, ass wir rechtspolitisch auf einem sehr guten Weg sind. Insgesamt ist der Entwurf eine sehr gute Grundlage r die weiteren Beratungen. Als Union freuen wir uns uf offene und konstruktive Beratungen. Sonja Steffen (SPD): Bislang gilt in Deutschland die ngerechte Regelung, die nichteheliche Kinder, die vor em 1. Juli 1949 geboren wurden, vom Erbrecht nach ih- n Vätern ausschließt. Sie gelten bis heute mit ihren Vä- rn als nicht verwandt, haben daher auch bis heute kein esetzliches Erbrecht. Nur die nichtehelichen Kinder, die päter geboren wurden, erhalten seit 1970 ein gesetzli- hes Erbrecht. Nach einer Entscheidung des Europäi- chen Gerichtshofs für Menschenrechte, EGMR, vom 8. Mai 2009 verstößt diese Regelung gegen das Diskri- inierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskon- ention. Durch die Entscheidung wird Deutschland zu ntschädigungszahlungen an die betroffenen nichteheli- hen Kinder verpflichtet. Das Bundesjustizministerium hat nun einen Gesetz- ntwurf auf den Weg gebracht, der die Überschrift „Ge- etz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher inder“ trägt. Jedoch zielt der Entwurf in seiner derzeiti- en Fassung noch nicht darauf ab, die vor dem 1. Juli 949 geborenen Kinder wirklich vollständig gleichzu- tellen. Hier ist zunächst zu begrüßen, dass der Regierungs- ntwurf auf die Nacherbfolgeregelung verzichtet, die och in dem Referentenentwurf enthalten war; denn da- ach wären die nichtehelichen Kinder nur Nacherben berlebender Ehefrauen oder Lebenspartner geworden. ies hätte keine unterschiedslose Gleichstellung der ichtehelichen Kinder bedeutet. Es gibt jedoch in dem nun vorliegenden Entwurf eine estimmung, die unbedingt zu überdenken ist. Für künf- ge, also ab Inkrafttreten dieses Gesetzes eintretende terbefälle werden alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen ichtehelichen Kinder ehelichen Kindern gleichgestellt. ie beerben ihre Väter als gesetzliche Erben. Für die rbfälle, die sich vor der Geltung des Gesetzes ereignet aben, sieht der Entwurf eine Differenzierung vor: Erb- lle, die sich nach der Entscheidung des EGMR am 8. Mai 2009 ereignet haben, sollen rückwirkend so be- andelt werden, als ob sie sich nach dem Inkrafttreten es geplanten Gesetzes ereignet hätten, also Gleichstel- ng nichtehelicher Kinder gegenüber den ehelichen indern. Für Erbfälle, die sich jedoch vor der Entscheidung des GMR, also vor dem 28. Mai 2009, ereignet haben, soll s bei der früheren Regelung verbleiben. Die Kinder die- er Väter gelten also nach wie vor als mit dem Vater icht verwandt. 7514 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Oktober 2010 (A) ) )(B) Ich befürchte, dass diese Regelung den Anforderun- gen der Entscheidung des EGMR nicht gerecht wird und daher Schadensersatzzahlungen der Bundesrepublik Deutschland auslösen wird. Denn der Europäische Ge- richtshof hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass der Schutz des Vertrauens des Erblassers und seiner Familie dem Gebot der Gleichbehandlung nichtehelicher und ehelicher Kinder unterzuordnen ist. Zur Begründung ver- weist er darauf, dass der rechtliche Status nichtehelicher Kinder heute demjenigen der ehelichen Kinder ent- spricht. Dies ist in der Bundesrepublik Deutschland spä- testens mit Inkrafttreten des Erbrechtsgleichstellungsge- setzes am 1. April 1998 der Fall. Ich rege daher dringend an, zu prüfen, ob die Benachteiligung der vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder nicht schon rück- wirkend zum 1. April 1998 gemindert werden kann. Denkbar wäre die Einführung eines Anspruchs in Höhe des Pflichtteilsanspruchs gegen die Erben, beschränkt auf den Wert des noch vorhandenen Nachlasses. Eine be- trächtliche Mehrbelastung der Gerichte ist damit nicht zu befürchten, da die Nachlassgerichte nach dem Gesetzent- wurf bei der Einziehung der Erbscheine nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag tätig werden sollen. Ausdrücklich zu begrüßen ist, dass der Gesetzentwurf schon in seiner derzeitigen Fassung einen Ersatzan- spruch aller vor dem 1. Juli 1949 geborenen Kinder sta- tuiert, wenn der Fiskus Erbe geworden ist. Stephan Thomae (FDP): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verbessert die christlich-liberale Koali- tion die Gleichbehandlung von ehelichen und nichteheli- chen Kindern. Dieser Gesetzesentwurf sieht die Streichung der Stichtagsregelung im Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder, das 1970 eingeführt wurde, vor. Dies und die Kindschaftsrechtsreform von 1998 sind wesentliche Schritte zur Gleichstellung von eheli- chen und nichtehelichen Kindern. Damit beheben wir nicht nur den vom Europäischen Gerichtshof für Men- schenrechte in seiner Entscheidung vom 28. Mai 2009 kritisierten Verstoß gegen Art. 8 und 14 der Europäi- schen Menschenrechtskonvention. Wir kommen auch dem verfassungsrechtlich gegebenen Auftrag aus Art. 6 Abs. 5 des Grundgesetzes nach. In Art. 6 Abs. 5 GG wird dem Gesetzgeber aufgetra- gen, für eheliche und nichteheliche Kinder die gleichen Bedingungen im Hinblick auf ihre leibliche und seeli- sche Entwicklung sowie ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen. Außereheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, werden künftig im Erbrecht wie eheliche Kinder behandelt. Diese Neuerung stellt keinen Eingriff in die Testierfreiheit des Erblassers dar. Ihm bleibt es weiterhin unbenommen, seine Kinder, ob ehe- lich oder unehelich, durch ein Testament vom Erbe aus- zuschließen. Aber: Das außerehelich geborene Kind hat zumindest einen Anspruch auf den Pflichtteil. Wir stel- len damit klar, dass es für erbrechtliche Ansprüche, die aus einem Verwandtschaftsverhältnis resultieren, nur auf dieses Verwandtschaftsverhältnis ankommt und nicht auf d m g e u s v b a a V S V re m d s z F s – c b w fü v s w G a re v n re s n w c V 1 g V n K „ c b a e a w g (C (D ie gesellschaftliche Frage, ob der Vater eines Kindes it der Mutter desselben verheiratet war oder ist. Bei der Umsetzung dieses gesetzgeberischen Anlie- ens müssen auch die Interessen der betroffenen Mit- rben berücksichtigen werden. Daher können wir keine mfassende Gleichstellung aller nichtehelichen Kinder chaffen. In Fällen, in denen das außerehelich geborene Kind or dem 1. Juli 1949 geboren wurde und der Erblasser ereits vor dem 29. Mai 2009 verstorben ist, muss die lte Rechtslage weiterhin Bestand haben. Das erscheint uf den ersten Blick ungerecht, ist aber aus Gründen des ertrauensschutzes der anderen Erben geboten. Lassen ie mich erklären, warum: In Fällen wie solchen ist das ermögen des Erblassers bereits im Wege der Gesamt- chtsnachfolge auf die Erben übergegangen. Würde an diese Rechtsposition nun wieder entziehen, wäre ies eine echte Rückwirkung. Gesetzesrückwirkungen ind von der Verfassung aber nur unter engen Vorausset- ungen zulässig, die hier nicht vorliegen. Für solche älle, in denen der Erblasser vor dem 29. Mai 2009 ver- torben und der Staat in Ermangelung anderer Erben neben dem vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichteheli- hen Kind, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht erb- erechtigt war – Erbe geworden ist, sieht der Gesetzent- urf einen Ausgleichsanspruch in Höhe des Erbwertes r das vor dem 1. Juli 1949 geborene uneheliche Kind or. Dies ist angemessen und trägt ebenfalls zur Gleich- tellung nichtehelicher Kinder bei. Die FDP-Bundestagsfraktion wird dem Gesetzent- urf daher aus den genannten Gründen zustimmen. Jens Petermann (DIE LINKE): Der Europäische erichtshof für Menschenrechte, EGMR, hat vor knapp nderthalb Jahren in einem Individualbeschwerdeverfah- n festgestellt, dass die bisher im deutschen Erbrecht orgesehene Ungleichbehandlung von ehelichen und ichtehelichen Kindern, die vor dem 1. Juli 1949 gebo- n wurden, im Widerspruch zur Europäischen Men- chenrechtskonvention steht. Nach dem vorgesehenen euen Gesetzesentwurf soll dies entsprechend korrigiert erden. Alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichteheli- hen Kinder werden künftig auch gesetzliche Erben ihrer äter. Bisher war es so: Nichteheliche Kinder, die vor dem . Juli 1949 geboren sind, hatten nach der bislang gülti- en Rechtslage grundsätzlich kein Erbrecht nach ihrem ater und dessen Verwandten. Umgekehrt war es ge- auso: Auch der Vater des verstorbenen nichtehelichen indes konnte nicht dessen Erbe sein. Beide galten als nicht verwandt“; siehe dazu Art. 12 § 10 Nichteheli- hengesetz. Hiervon gab es nur zwei Ausnahmen, von denen eine risant ist: „Der Vater des nichtehelichen Kindes hatte m 2. Oktober 1990 (24 Uhr) seinen gewöhnlichen Auf- nthalt im Gebiet der ehemaligen DDR. Dann ist auch uf einen späteren Erbfall das Erbrecht der DDR anzu- enden, wonach das nichteheliche Kind und der Vater egenseitig erb- und pflichtteilsberechtigt sind (Art. 235 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Oktober 2010 7515 (A) ) )(B) § 1 EGBGB; § 365, 367, 396 DDR-ZGB). Der Aufent- halt des Kindes ist dabei nicht maßgeblich.“ Die geplante Neuregelung kann auch auf die Todes- fälle erweitert werden, die sich erst nach der Entschei- dung des Europäischen Gerichtshofs für Menschen- rechte am 28. Mai 2009 ereignet haben. Denn seit der Entscheidung des EGMR können die nach altem Recht berufenen Erben jedenfalls nicht mehr auf ihr Erbe ver- trauen. Der sogenannte Vertrauensschutz entfällt. Als problematisch kann sich die Formulierung erwei- sen, dass entsprechend dem neuen § 10 Abs. 2 die alten Vorschriften weiter gelten sollen, wenn alle Beteiligten, also sowohl Vater als auch Mutter als auch Kind, gestor- ben sind. Daraus kann sich der Umkehrschluss ergeben, dass das neue Recht immer dann gilt, wenn auch nur ei- ner der Beteiligten noch lebt. Davon können Erbrechtsfälle von Enkeln als Erbbe- rechtigten des Kindes möglicherweise nicht erfasst sein. Ein Beispiel: Das Kind stirbt vor dem 29. Mai 2009, der Vater erst am 24. Dezember 2009. Sind dann die even- tuell vorhandenen Enkel die Erbberechtigten? Oder der Vater ist 1950 gestorben, das Kind lebt aber noch. Dies würde dann dem im Gesetz genannten Vertrauensschutz zuwiderlaufen, wenn bereits andere Erben vorhanden sind. Fraglich bleibt auch, ob es nicht – wie der Deutsche Richterbund formuliert hat – in der Praxis zu Missver- ständnissen kommen kann, wenn der § 10 Abs. 1 „Für die erbrechtlichen Verhältnisse bleiben, wenn der Erb- lasser vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gestorben ist, die bisher geltenden Vorschriften maßgebend. Das Gleiche gilt für den Anspruch des nichtehelichen Kindes gegen den Erben des Vaters auf Leistung von Unterhalt“ unverändert so bestehen bleibt. Die Änderung des Art. 235 § 1 EGBGB ist eine Folge- regelung; die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kin- der aus der Deutschen Demokratischen Republik zum Zeitpunkt des Beitritts bleibt unberührt, da durch den Wegfall der Stichtagsregelung alle künftigen Fälle von nichtehelichen und ehelichen Kindern in der Erbfolge gleichgestellt sind. Aufgrund des Vertrauensschutzes dürften sich auch nachträgliche mögliche Verschlechte- rungen nicht ergeben. Ich denke, die Beratungen im Ausschuss werden noch zeigen, ob Änderungen erforderlich sind, um alle denk- baren Fallvarianten erschöpfend zu erfassen und für rechtliche Klarstellung zu sorgen, um die Gleichstellung der nichtehelichen Kinder, wie sie der Europäische Ge- richtshof für Menschenrechte fordert, sicherzustellen. Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute beraten wir den Gesetzentwurf der Bundesregie- rung zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren sind. Wir Grü- nen befürworten prinzipiell die Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen Kindern. Bereits seit Jah- ren ist uns die umfassende Gleichstellung nichtehelicher und ehelicher Kinder ein zentrales Anliegen. n re G g w lu d E s s E e g E ri tr s N ti e d fü F U e v p G G n li re A M d im te c s s g K in N d A v n e 1 s (C (D Es wird Zeit, dass dieses Thema auf die Tagesord- ung des Bundestages kommt. Leider hat die Bundes- gierung es erst nach dem Urteil des Europäischen erichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 auf- egriffen. In diesem Urteil wurde festgestellt, wie Sie issen, dass im deutschen Erbrecht die Ungleichbehand- ng von ehelichen und nichtehelichen Kindern, die vor em 1. Juli 1949 geboren sind, im Widerspruch zur uropäischen Menschenrechtskonvention steht. Hier be- teht eine Gleichstellungslücke, die dringend geschlos- en werden muss. Richtig ist, dass bei der Gleichstellung der Kinder im rbrecht bereits viel geschehen ist. Mit ihrem Gesetz- ntwurf fügt die Bundesregierung hier eine weitere Re- elung hinzu. Sie beinhaltet eine Gleichstellung für rbfälle, die nach dem Urteil des Europäischen Ge- chtshofes für Menschenrechte am 28. Mai 2009 einge- eten sind und eintreten werden. Was ist aber mit den Erbfällen, die davor eingetreten ind? Für diese Erbfälle sieht die Bundesregierung keine euregelung vor. Hier soll es bei der bisherigen Situa- on bleiben, also bei erbrechtlichen Unterschieden für helich und nichtehelich geborene Kinder. Zur Begrün- ung für die Beibehaltung dieser Ungleichbehandlung hrt die Regierung an, dass für den Erblasser und seine amilie Vertrauensschutz bestehe. Das ist fraglich. Zunächst einmal ist festzuhalten: Das rteil des Europäischen Gerichtshofs basiert gerade auf inem Fall, in dem der Erblasser bereits im Jahre 1998 erstarb, also schon zehn Jahre vor dem Urteil des Euro- äischen Gerichtshofs. Hinzu kommt: Der Europäische erichtshof hat in seinem Urteil klargestellt, dass der esichtspunkt des „Vertrauens“ des Erblassers und sei- er Familie dem Gebot der Gleichbehandlung nichtehe- cher und ehelicher Kinder unterzuordnen ist. Das bedeutet aus unserer Sicht, dass die Menschen- chtskonvention von 1953 unter Berücksichtigung der uslegung durch den Europäischen Gerichtshof für enschenrechte eine weitergehende Regelung erfor- ern könnte. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Jahr 1979 in einem Fall aus Belgien, im Marckx-Ur- il, die Ungleichbehandlung nichtehelicher und eheli- her Kinder beanstandet. Diese Entscheidung bezieht ich auch auf erbrechtliche Fragen. Bereits seit 1979 teht damit fest, dass auch im Erbrecht eine Regelung efunden werden muss, die eheliche und nichteheliche inder möglichst weitgehend gleichstellt. Für einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung der jetzigen Bundesrepublik wäre das auch nichts eues. In den Gebieten, die jetzt die Bundesländer Bran- enburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen- nhalt und Thüringen umfassen, wurde bereits 1976 die olle erbrechtliche Gleichstellung für eheliche und ichteheliche Kinder implementiert. Wenn wir uns also fragen, ab wann und wie wir die rbrechtliche Gleichstellung für Kinder, die vor dem . Juli 1949 nichtehelich geboren sind, vornehmen müs- en, dann ergeben sich dafür mehrere Möglicheiten: 7516 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Oktober 2010 (A) ) )(B) Das könnte der Tag des Inkrafttretens der Europäischen Menschenrechtskonvention, der 3. September 1953 sein. Darin ist geregelt, dass eheliche und nichteheliche Kin- der gleich zu behandeln sind. Das könnte auch der Tag sein, nach dem der Gerichts- hof in seinem Urteil gegen Belgien die Ungleichbehand- lung nichtehelicher und ehelicher Kinder beanstandet hat, also der 14. Juni 1979. Spätestens zu diesem Zeit- punkt war klar, dass die Ungleichbehandlung gegen die Menschenrechtskonvention verstößt. Das könnte der Tag sein, den nun die Bundesregie- rung in ihrem Entwurf gewählt hat, also der 29. Septem- ber 2009. Die letzte Alternative erscheint uns nicht ausreichend. Deshalb können wir dem Gesetzentwurf in der jetzigen Form nicht zustimmen. Wir sollten in den kommenden Beratungen noch einmal intensiv darüber diskutieren, ab welchem Tag wir die Neuregelung eintreten lassen und welche Form wir hierfür wählen. Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Im Erbrecht sind alle Kinder gleich, egal ob ehelich oder nichtehelich. So sollte es sein, und davon gehen viele Bürgerinnen und Bürger ei- gentlich heute schon aus. Dieser Grundsatz gilt aber noch nicht für alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder. Diese Ungleichbehandlung wollen wir mit dem vor- gelegten Gesetzentwurf beseitigen. Damit setzen wir auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 um, der in einem entsprechenden Fall Deutschland zu einer Entschädi- gungszahlung an eine Betroffene verurteilt hat. Alle bislang nicht gesetzlich erbberechtigten vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder werden künf- tig mit den ehelichen Kindern gleichgestellt. Diese Gleich- stellung wird für alle Erbfälle gelten, die ab dem 29. Mai 2009, dem Tag nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, eingetreten sind. Für Erbfälle, die sich vor diesem Stichtag ereignet ha- ben und in denen der Staat anstelle eines vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes gesetzlicher Erbe geworden ist, wird der Staat verpflichtet, dem nichteheli- chen Kind den Wert des Nachlasses herauszugeben. Mit der Anknüpfung an den 29. Mai 2009 schlagen wir eine geringfügige Rückwirkung vor. Diese erscheint zulässig und sogar geboten, weil seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte klar ist, dass nichteheliche Kinder als gesetzliche Erben zu behandeln sind. Damit dies so rasch wie möglich auch aus dem Bundesgesetzblatt ablesbar wird, bitte ich Sie herzlich um eine zügige Beratung. Manche fragen nun, warum wir bei der Herstellung der Rechtsgleichheit nicht noch einen Schritt weiter ge- hen. Wäre es denn nicht angezeigt, auch jene Erbfälle zu erfassen, bei denen der nichteheliche Vater bereits vor dem 29. Mai 2009 verstorben ist? Bei allem Verständnis für die betroffenen nichterbbe- rechtigten nichtehelichen Kinder muss ich die Frage ver- n d re w a h e le k d W d tu z s a d le E h d c w je n b le u s A s g a to z – g d n (C (D einen. Wir können Erbfälle, in denen der Vater des vor em 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes be- its vor dem 29. Mai 2009 verstorben ist, nicht rückab- ickeln. Bei der Frage, ob und inwieweit ein Gesetz uch auf abgeschlossene Sachverhalte in der Vergangen- eit Anwendung finden kann, sind dem Gesetzgeber nge verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Bei Erbfäl- n, die sich bereits in der Vergangenheit, also vor In- rafttreten des geplanten Gesetzes ereignet haben, sind ie gesetzlichen Erben unmittelbar mit dem Erbfall im ege der Gesamtrechtsnachfolge in die Rechtsstellung es Erblassers eingetreten. Das damit erworbene Eigen- m ist grundrechtlich geschützt. Ein rückwirkender Ent- ug oder eine rückwirkende Schmälerung dieser Rechts- tellung greift in das bereits bestehende Eigentum ein, uf dessen Erwerb die Erben auch vertrauen durften. Freilich ist der 28. Mai 2009 der letzte Tag, für den ieses Vertrauen Schutz beanspruchen kann. Bei Erbfäl- n, die sich nach der oben genannten Entscheidung des uropäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ereignet aben, konnten die Erben nicht mehr darauf vertrauen, ass die Rechtslage, die den Ausschluss der nichteheli- hen Kinder vom Erbrecht festlegte, bestehen bleiben ürde. Für alle anderen zurückliegenden Fälle muss es doch – bei allem Verständnis für die hiervon betroffe- en nichterbberechtigten nichtehelichen Kinder – bei der isherigen Rechtslage bleiben. Ich denke, wir haben einen guten Weg im Interesse al- r Betroffenen gefunden. Gehen Sie nun diesen Weg mit ns zu Ende und lassen Sie uns zügig das Gesetz verab- chieden! nlage 5 Amtliche Mitteilungen Der Vermittlungsausschuss hat in der 2. Fortsetzung einer 5. Sitzung am 14. Oktober 2010 folgenden Eini- ungsvorschlag beschlossen: Das vom Deutschen Bundestag in seiner 50. Sitzung m 18. Juni 2010 beschlossene Dreiundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Bun- desausbildungsförderungsgesetzes (23. BAföG- ÄndG) – Drucksachen 17/1551, 17/2196 (neu), 17/2210, 17/2582 – wird bestätigt. Der Bundesrat hat in seiner 875. Sitzung am 15. Ok- ber 2010 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz zu- ustimmen: Dreiundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (23. BAföG- ÄndG) Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- eteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 er Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den achstehenden Vorlagen absieht: Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 69. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Oktober 2010 7517 (A) ) )(B) Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2009 – Drucksachen 17/2739, 17/2971 Nr. 1.16 – Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2010 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 05 02 Titel 687 60 – Beitrag an die Vereinten Nationen – in Höhe von 120,574 Mio. Euro – Drucksachen 17/3140, 17/3257 Nr. 2 – Ausschuss für Arbeit und Soziales – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Ausführung der Leistungen des Persönlichen Budgets nach § 17 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – Drucksachen 16/3983, 17/790 Nr. 22 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zur Evaluation der Experimentierklausel nach § 6c des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Drucksachen 16/11488, 17/790 Nr. 23 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sozialbericht 2009 – Drucksachen 16/13830, 17/591 Nr. 1.20 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Elfter Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsge- setzes – Drucksache 17/464 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unions- dokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Be- ratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 17/2994 Nr. A.2 EuB-BReg 102/2010 Rechtsausschuss Drucksache 17/859 Nr. A.6 Ratsdokument 5673/10 Drucksache 17/1100 Nr. A.5 Ratsdokument 8000/10 Drucksache 17/2408 Nr. A.9 Ratsdokument 10826/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.15 Ratsdokument 11805/10 Finanzausschuss Drucksache 17/2994 Nr. A.18 EuB-EP 2061; P7_TA-PROV(2010)0276 Drucksache 17/2994 Nr. A.20 Ratsdokument 11807/10 (C (D Drucksache 17/2994 Nr. A.24 Ratsdokument 12387/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.25 Ratsdokument 12391/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.26 Ratsdokument 12675/10 Haushaltsausschuss Drucksache 17/2071 Nr. A.9 Ratsdokument 9046/10 Drucksache 17/2071 Nr. A.10 Ratsdokument 9048/10 Drucksache 17/2071 Nr. A.12 Ratsdokument 9286/10 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 17/2071 Nr. A.20 Ratsdokument 9006/10 Drucksache 17/2408 Nr. A.15 Ratsdokument 10454/10 Drucksache 17/2408 Nr. A.16 Ratsdokument 10457/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.35 Ratsdokument 11627/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.37 Ratsdokument 11952/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.38 Ratsdokument 11953/10 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 17/2994 Nr. A.41 Ratsdokument 11619/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.42 Ratsdokument 12371/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.43 Ratsdokument 12380/10 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 17/2994 Nr. A.45 EuB-EP 2068; P7_TA-PROV(2010)0262 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/2071 Nr. A.29 Ratsdokument 9435/1/10 REV 1 Drucksache 17/2071 Nr. A.30 Ratsdokument 9296/10 Drucksache 17/2071 Nr. A.31 Ratsdokument 9580/10 Drucksache 17/2408 Nr. A.28 Ratsdokument 10377/10 Drucksache 17/2408 Nr. A.29 Ratsdokument 10381/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.50 Ratsdokument 12171/10 Drucksache 17/2994 Nr. A.52 Ratsdokument 12604/10 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 17/2580 Nr. A.10 EuB-EP 2051; P7_TA-PROV(2010)0194 Drucksache 17/2994 Nr. A.54 EuB-EP 2060; P7_TA-PROV(2010)0244 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 17/2071 Nr. A.36 Ratsdokument 9255/10 Drucksache 17/2408 Nr. A.32 Ratsdokument 10383/10 69. Sitzung Berlin, Freitag, den 29. Oktober 2010 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706900000

Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolle-

ginnen und Kollegen!

Ich rufe Tagesordnungspunkt 27 auf:

Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der
Sicherungsverwahrung und zu begleitenden
Regelungen

– Drucksache 17/3403 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Gibt
es Widerspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann
ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin das Wort der Bundesministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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Redet
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes-
ministerin der Justiz:

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll ein ganz
sensibler Bereich neu justiert und ausgerichtet werden.
Es ist notwendig, dies zu tun, und zwar in dreierlei Hin-
sicht.

Erstens muss die Sicherungsverwahrung wegen des
tiefen Eingriffs in das Leben eines Verurteilten, der seine
Strafe verbüßt hat, streng rechtsstaatlich ausgestaltet
sein. Sie muss letztes Mittel der Kriminalpolitik, also
Ultima Ratio, bleiben.

Zweitens ist am Recht der Sicherungsverw
den letzten Jahren immer wieder – ich kann e
ders formulieren – herumgebastelt worden. Vo

(C (D ung 9. Oktober 2010 0 Uhr um Jahr 2008 gab es immer wieder Änderungen bzw. erschärfungen. Dies geschah meistens vor dem Hinterrund ganz konkreter Einzelfälle, die zu aufgeregter Disussion in der Öffentlichkeit geführt haben. Deshalb ist s gut, richtig und wichtig, dass nun versucht wird, diese auerbaustelle durch einen in sich geschlossenen Neuau zu ersetzen, und zwar unter Berücksichtigung weier wichtiger Anliegen. Auf der einen Seite sind chtsstaatliche Kriterien strikt zu beachten; denn wer eine Strafe verbüßt hat, kann nur in Ausnahmefällen achträglich eingesperrt werden. Auf der anderen Seite ind die berechtigten Sicherheitsinteressen der Bevölkeng in jede Überlegung einzubeziehen. Drittens ist es notwendig, ein größeres, in sich neu usgerichtetes und widerspruchsfreies Konzept auf den isch zu legen. Denn aufgrund des Urteils des Europäichen Gerichtshofs für Menschenrechte – es ist im Mai ieses Jahres rechtskräftig geworden – ist es zur Entlasung einzelner als gefährlich eingestufter Straftäter geommen. Ich glaube, wir alle erinnern uns an die Bechterstattung, an die Sorgen und Nöte. Daher besteht ie Notwendigkeit, sich jetzt ruhig, sachlich und rechtstaatlich mit diesen Herausforderungen zu befassen. Dies geschieht durch den Gesetzentwurf der Koalionsfraktionen in drei Punkten. Die Sicherungsverwah ext rung wird für die Zukunft neu ausgerichtet. Die primäre Sicherungsverwahrung wird auf den notwendigen Bereich beschränkt, und zwar im Kern auf Gewaltund Sexualdelikte sowie gemeingefährliche Straftaten. Gewaltlose Vermögensdelikte nicht mehr zu den Anlasstaten für die Anordnung von Sicherungsverwahrung zu zählen, kann ja nur Konsens in diesem Hause sein und ist rechtsstaatlich geboten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die nachträgliche Sicherungsverwahrung für Erwach-
sene wird auf einen engen Bereich begrenzt und sonst im

schafft. An ihr haben sich immer wieder
entzündet, aber sie spielt letztlich in der
Rolle, die ihr immer zugemessen wird.
es vor dem Hintergrund der Vereinbar-
ahrung in
s nicht an-
n 1995 bis

Grundsatz abge
viele Debatten
Praxis nicht die
Außerdem gibt





Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger


(A) )


)(B)

keit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention
berechtigte Zweifel und anhängige Verfahren, sodass ei-
gentlich mit ihr eher mehr Probleme bestehen, als mit ihr
gelöst werden. Deshalb richten wir die primäre und die
vorbehaltene Sicherungsverwahrung neu aus.

Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung wird aus-
gedehnt – sie kann bei schweren Delikten auch auf Erst-
täter angewandt werden –, und es wird die Frist verlän-
gert, innerhalb derer bei einer vorbehaltenen
Sicherungsverwahrung ein Gericht entscheiden kann, ob
die Voraussetzungen bei Haft und nach Haftverbüßung
vorliegen oder nicht.

Wir ergänzen dieses Konzept mit einer weiteren Maß-
nahme im Bereich der Führungsaufsicht, einer elektro-
nischen Aufenthaltsüberwachung, die ja Sicherungs-
verwahrung nicht ersetzt, sondern ein Hilfsmittel, eine
Unterstützung in angemessenen Situationen sein kann.
Ich denke, damit werden wir auch dem berechtigten An-
liegen derjenigen, die sich mit diesen Aufgaben zu be-
fassen haben, gerecht. Wir kennen alle die Bilder vom
Einsatz von 20 Polizeibeamten, um einen als gefährlich
eingestuften Täter, der entlassen worden ist, so zu über-
wachen und zu betreuen, dass es nicht zu Taten kommen
kann.

Ein weiterer und auch wichtiger Baustein ist der Ent-
wurf eines Gesetzes zur Therapierung und Unterbrin-
gung psychisch Gestörter als Übergangslösung für so-
genannte Altfälle, also für die Personen, die durch das
Straßburger Urteil vom Mai dieses Jahres betroffen sind
und aus Sicherungsverwahrung schon entlassen worden
sind oder bei denen diese Entlassung bevorsteht.

Wir alle kennen das Urteil des Europäischen Ge-
richtshofs für Menschenrechte und die engen Vorgaben,
die dort gemacht worden sind. Deshalb wird hier ein
Aliud, etwas anderes, als Möglichkeit zur Therapierung
und Unterbringung gewählt. Das ist nicht Sicherungs-
verwahrung, sondern es ist ein besonderes Verfahren, ein
Zivilverfahren vor den Zivilkammern mit zwei externen
Gutachtern, die darüber zu entscheiden haben, ob die
eng gefassten Voraussetzungen für eine mögliche Unter-
bringung zur Therapie in geeigneten Einrichtungen vor-
liegen. Das ist eine große Herausforderung für die Län-
der, die für diese geeigneten Einrichtungen zuständig
sind, in denen Therapie erfolgen muss. Es kann eben
nicht Strafvollzug und es kann auch nicht eine Zelle ne-
ben dem Strafvollzug sein, ohne dass das inhaltliche An-
gebot geändert worden ist.

Dieses Verfahren ist eng mit ganz strikten und immer
wieder greifenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten auf der
Grundlage des Art. 5 der Europäischen Menschenrechts-
konvention ausgestaltet. In den Debatten haben wir
wirklich sehr intensiv diskutiert, abgewogen und haben
uns letztlich für diesen eng begrenzten Rahmen entschie-
den, der in meinen Augen nicht mehr Spielraum für wei-
tere Ausweitungen insgesamt lässt.

Ich denke, es ist ein Gesetzentwurf, der wirklich ein
ausgewogenes Gesamtkonzept beinhaltet, der Siche-
rungsverwahrung strikt nach rechtsstaatlichen Konzep-

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(C (D n neu ausrichtet, der aber auch eine Antwort auf aktulle Probleme gibt. Recht herzlichen Dank. Das Wort hat jetzt der Kollege Olaf Scholz von der PD-Fraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Wir diskutieren über ein sehr ernstes Thema, ber die Sicherungsverwahrung, eine Angelegenheit, die ristisch nicht einfach ist und die es auch immer notendig macht, sorgfältig darüber nachzudenken, was der taat in dieser Hinsicht tut und wie er seine Gesetze oranisiert und ausrichtet. Es herrscht weitgehend große inigkeit darüber, dass wir in Deutschland so etwas wie ie Sicherungsverwahrung benötigen. Sie ist in den letzn Jahren im Rahmen mehrerer Gesetzentwürfe be chlossen worden, zwar in ganz unterschiedlichen politichen Konstellationen, aber immer in der Überzeugung, ass es im Prinzip richtig ist, so etwas wie die Sichengsverwahrung zu haben. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs r Menschenrechte hat uns vor eine ganz neue Herausrderung gestellt, die wir bewältigen müssen. Das Pro lem, das den Gesetzgeber immer wieder dazu bewegt at, Gesetze zur Sicherungsverwahrung auf den Weg zu ringen, ist damit allerdings nicht vom Tisch. Deshalb uss dringend eine Lösung gefunden werden. Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich bedroht ufgrund der Gefahren, die von denjenigen ausgehen önnen, die von Gerichten in eine Sicherungsverwahng verbracht worden sind. Wir als Gesetzgeber müssen em Bundesverfassungsgericht, das sich demnächst mit iesem Thema befassen wird, unsere Vorstellungen im inblick auf eine künftige Regelung mitteilen; der Präsient des Bundesverfassungsgerichts hat per Zeitungsterview ausdrücklich darum gebeten. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ja! Das ist ungewöhnlich!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706900100

(Beifall bei der SPD)

Olaf Scholz (SPD):
Rede ID: ID1706900200

sofern müssen wir das, was wir uns jetzt vornehmen,
uch tun.

Wir müssen ein Gesetz auf den Weg bringen – auch
ies will ich nicht unerwähnt lassen –, das den Vorgaben
es Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ent-
pricht. Wir müssen einen guten Umgang mit dem Euro-
äischen Gerichtshof für Menschenrechte pflegen. Denn
ie größte Demokratie in Europa hat die wichtige Auf-
abe, sicherzustellen, dass die Entscheidungen, die er
ifft, respektiert und beachtet werden.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])






Olaf Scholz


(A) )


)(B)

Zu dem Thema, über das wir zu diskutieren haben,
gehört auch die Frage, wie wir dabei miteinander umge-
hen. Ich will ausdrücklich sagen, dass mich bedrückt,
wie lange es gedauert hat, bis wir zu diesem Gesetzge-
bungsverfahren gekommen sind. Das wäre schneller
nötig und auch schneller möglich gewesen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Jörg van Essen [FDP]: Das ist nun einmal eine äußerst komplexe Materie!)


Es wäre auch deshalb schneller möglich gewesen,
weil nicht nur die sozialdemokratischen Abgeordneten,
sondern auch alle anderen Oppositionsfraktionen in die-
sem Parlament wiederholt gesagt haben: Wir sind bereit,
konstruktiv mitzuarbeiten und mitzuhelfen. Wir glauben,
dieses Problem ist nicht nur ein Problem der Regierung,
sondern es betrifft das gesamte Parlament und alle, die
Verantwortung tragen.

Wir waren ein bisschen irritiert, wie lange dieser Pro-
zess gedauert hat und wie wenig der Versuch unternom-
men wurde, die Opposition und die Länder in den Ent-
scheidungsprozess einzubinden. Das ist ein Problem,
weil mit den gewählten Lösungen auch Konsequenzen,
zum Beispiel für die Länder, verbunden sind. Die Länder
müssen jetzt schnell mitmachen, damit es nicht an Zü-
gigkeit mangelt.


(Otto Fricke [FDP]: Aber interessiert scheinen sie nicht zu sein!)


Es wäre gut gewesen, wenn man rechtzeitig darauf ge-
achtet hätte, sie in diesen Prozess einzubinden. Ich hoffe,
dass dies noch geschieht und man sich aktiv darum be-
müht. Im Übrigen will ich Ihnen gerne versichern, dass
wir uns von der fehlenden Einbindung der Länder in die-
sen Diskussionsprozess nicht abschrecken lassen, son-
dern uns weiterhin konstruktiv beteiligen.


(Beifall bei der SPD)


Zur Sache. Der Weg, der im vorliegenden Gesetzent-
wurf vorgeschlagen wird, ist ein Weg, den wir für gang-
bar halten und den wir gerne mitgehen wollen. Es ist
notwendig, eine Neuregelung zur Sicherungsverwah-
rung zu treffen, und es ist richtig, dass wir die nachträgli-
che Sicherungsverwahrung mit Blick auf künftige Fälle
abschaffen und durch ein anderes System, das auch uns
geeigneter erscheint, ersetzen. Insofern findet der Weg,
der im vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagen wird,
unsere Unterstützung, zwar nicht in allen Details – da-
rüber muss in den Ausschüssen und Anhörungen beraten
werden; das ist eine notwendige Debatte –, aber im
Grunde.

Ich glaube, dass es vernünftig ist, die Fälle, in denen
eine Sicherungsverwahrung angeordnet wird, auf Straf-
taten, die gegen die körperliche Unversehrtheit, das Le-
ben und die sexuelle Selbstbestimmung eines Menschen
gerichtet sind, zu beschränken. Es ist noch zu prüfen, ob
diese Maßgabe im vorliegenden Gesetzentwurf durch-
gängig eingehalten wird. Im Großen und Ganzen ist aber
genau dieser Weg richtig.

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(C (D Wenn man ihn geht, ist es leichter, eine Sicherungserwahrung zu beschließen, sich ihre Anordnung vorzuehalten und noch während der Strafhaft den Vollzug der icherungsverwahrung festzusetzen. Es geht also um rei Entscheidungen, die vor dem Hintergrund der Bechränkung der Fälle, in denen eine Sicherungsverwahng angeordnet werden darf, gut begründet sein müs en. Allerdings – ich sage es noch einmal – ist dies im orliegenden Gesetzentwurf keineswegs in allen Einzeleiten geschehen und gelungen. Deshalb muss man die eplanten Regelungen noch einmal daraufhin überprün, ob sie wirklich passgenau sind. Wir sind bereit, weiterhin mit Ihnen zu diskutieren nd uns konstruktiv einzubringen, wenn es darum geht, ine Lösung im Hinblick auf psychisch gestörte Gealttäter bzw. die sogenannten Altfälle dieser Art zu nden. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlimm!)


as wird nicht einfach; denn es ist nicht gerade leicht,
ine Lösung für diese Fälle zu finden. Es wäre ganz ein-
ch, wenn alle Oppositionsfraktionen sagen würden:
as Problem haben ja nicht wir, soll die Regierung doch

ehen, wie sie damit zurande kommt. – Das kann es
icht sein.

Insofern glauben wir, dass man das Ganze sorgfältig
eraten muss und dass wir in den konkreten Diskussio-
en über den Gesetzentwurf schauen müssen, ob das
nktioniert. Wir raten uns selbst und auch den Regie-
ngsparteien und der Regierung, den Sachverständigen,

ie angehört werden, genau zuzuhören. Es kann sein,
ass wir hinsichtlich der Frage, was man tun kann, zu
eränderten Erkenntnissen im Detail kommen. Im Gro-
en und Ganzen ist es aber vernünftig, dass wir jetzt
icht einfach zuschauen, wie gefährliche Täter in der
undesrepublik möglicherweise Straftaten verüben und
ürgerinnen und Bürger in Gefahr bringen, weil wir
icht überlegt haben, was man tun kann, und wir deswe-
en keine Handhabe dagegen haben.

Wir haben genau hingeschaut und sind deshalb der
einung, dass es eine berechtigte Hoffnung der Bundes-
gierung und der antragstellenden Fraktionen ist, dass

as Ganze auch mit der Europäischen Konvention für
enschenrechte vereinbar ist.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird es nicht!)


as ist aber kein leichter Weg; denn wir haben Regelun-
en für die psychisch Gestörten – für die psychisch
ranken gibt es sie schon – zu treffen. Darüber kann
an als Jurist und Juristin sorgfältig streiten. Wir glau-

en, dass die Regelungen vertretbar sind, wollen in den
onkreten Beratungen aber sehr genau überprüfen und
chauen, ob man das auch in allen Details so machen
ann, wie das jetzt mit dem Gesetzentwurf vorgelegt
orden ist.

Mein Rat zum weiteren Umgang mit diesem Gesetz-
ntwurf und hinsichtlich der Beratungen, die jetzt fol-
en, lautet deshalb: Wir sollten ruhig bleiben – das ist





Olaf Scholz


(A) )


)(B)

notwendig –, wir sollten sehr ernst bleiben – das ist auch
notwendig –, und wir sollten bereit sein, zu akzeptieren,
dass vielleicht nicht alles, was in dem heute erstmals be-
ratenen Gesetzentwurf steht, am Ende auch so stehen
bleibt. Die Regierungsparteien und die Regierung sollten
schon bei den Beratungen des Bundestages und parallel
dazu auch gemeinsam mit den Ländern den Versuch ma-
chen, einen Weg zu finden, wie das möglichst zügig
dann auch gemeinschaftlich getragen werden kann.

Ich will deshalb zum Schluss ein Plädoyer für die
16 Länder der Bundesrepublik Deutschland halten und
auf ihre Probleme und Fragen hinweisen. Die Lösung,
die gerade für die psychisch gestörten Gewalttäter ge-
funden worden ist, führt dazu, dass bei den Ländern
Mehrausgaben entstehen und dass neue Aufgaben zu er-
füllen sind. Ich glaube, dass man jetzt nicht sagen kann,
das sei ganz alleine deren Problem. Es wird wichtig sein,
dass man diesen Prozess als eine gemeinsame nationale
Aufgabe begreift, dass sich also bei der Beratung dieser
Dinge ein entsprechendes Verhältnis zwischen der Re-
gierung und der Opposition und vielleicht auch zwischen
dem Bund und den Ländern entwickelt, indem gesagt
wird: Wir sollten dieses Problem jetzt nicht einfach auf-
einander abschieben, sondern wir sollten versuchen, es
gemeinsam zu lösen.

Wenn dieser Weg beschritten wird, dann können wir
bei einem so schwierigen und ernsten Thema auch etwas
Gutes für das Land und für die Strafrechtskultur dieses
Landes tun.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706900300

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Günter Krings von

der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1706900400

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Mit dem heute vorgelegten Gesetzentwurf zur
Sicherungsverwahrung legen wir dem Hause ein wichti-
ges Vorhaben der christlich-liberalen Regierung auf dem
Gebiet der Rechtspolitik vor.

Unterschiedliche Koalitionen mit unterschiedlichen
Mehrheiten – auch unter Beteiligung der Grünen – haben
in den letzten über zehn Jahren viele Ergänzungen und
Erweiterungen des bewährten und schon relativ alten
Rechtsinstituts der Sicherungsverwahrung vorgelegt.
Das war jeweils – darin stimme ich Ihnen ausdrücklich
zu, Herr Kollege Scholz – gut begründbar. Es ist aber ein
kompliziertes – manche sagen sogar: verworrenes –
Konglomerat aus strafrechtlichen Regelungen entstan-
den. Die christlich-liberale Bundesregierung ist gemäß
dem Koalitionsvertrag bereits mit dem Ziel angetreten,
dieses Rechtsinstitut übersichtlich neu zu ordnen und
Schutzlücken zu schließen. Genau diese beiden Zielset-
zungen erreichen wir mit dem heute vorgelegten Ent-
wurf.

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(C (D (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beileibe nicht erreicht!)


as Recht der Sicherungsverwahrung wird endlich ein
echt aus einem Guss, und wir bieten den Menschen
ehr Schutz vor hochgefährlichen Tätern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dass wir hier bei aller gebotenen Sorgfalt trotzdem
ügig handeln mussten, hängt in der Tat mit den Ent-
cheidungen des Europäischen Gerichtshofs für

enschenrechte zusammen. Dieser hat – auch das
uss hier noch einmal erwähnt werden – in der vergan-

enen Woche in dankenswerter Klarheit das Rechtsinsti-
t der Sicherungsverwahrung in Deutschland bestätigt

nd als mit der Menschenrechtskonvention vereinbar er-
lärt. Aber er hat im vergangenen Jahr – das hat er im
ai dieses Jahres noch einmal bestätigt – für eine be-

timmte Gruppe hochgefährlicher Täter eine Sicherungs-
erwahrung und auch ihre Verlängerung abgelehnt,
enn die gesetzliche Grundlage dafür erst nach der Tat
eschaffen wurde.

Meine Damen und Herren, wenn insbesondere die
rüne Fraktion am gestrigen Abend nicht versucht hätte,
as unserem Parlamentsrecht unbekannte System des Fi-
busterns in die Tradition des deutschen Parlaments ein-
uführen, hätten wir gestern Abend eine interessante
ebatte zum 60. Jahrestag der Europäischen Menschen-
chtskonvention am 4. November führen können. Sie
usste leider abgesetzt werden. Das hätte gestern Abend

das tue ich aber gerne hier – Gelegenheit gegeben, auf
ie Bedeutung dieser Menschenrechtskonvention und
arauf hinzuweisen, dass auch schmerzhafte Urteile wie
as zu einem strengen Rückwirkungsverbot von uns
elbstverständlich akzeptiert und befolgt werden, zumal
eutschland nicht nur von Anbeginn bei der Menschen-
chtskonvention dabei war, sondern auch für diese Eu-
päische Menschenrechtskonvention immer geworben

at.

Ich sage es aber ganz deutlich: Zu einem offenen
rundrechtsdialog in Europa gehört auch, dass wir Judi-
ate des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
ritisch begleiten dürfen und müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Weiter sage ich in aller Offenheit – und im Einklang
it weiten Teilen auch der deutschen Strafrechtswissen-

chaft – sehr deutlich, dass die Urteile des Europäischen
enschenrechtsgerichtshofs vom Dezember letzten Jah-
s und vom Mai dieses Jahres kein Ruhmesblatt in der
eschichte dieses Menschenrechtsgerichtshofs waren.


(Christoph Strässer [SPD]: Hört! Hört! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na so was! Der Schutz der Menschenrechte!)


Die Gleichsetzung von Sicherungsverwahrung mit
trafhaft hat aus meiner Sicht ganz zentral damit zu tun,
ass sich das Gericht in Bezug auf die Fakten nicht aus-
ichend mit der Praxis und dem System des deutschen

trafrechts befasst hat.





Dr. Günter Krings


(A) )


)(B)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Machen Sie nur so weiter!)


Es stimmt mich auch befremdlich, dass ein so folgen-
schwerer Eingriff in ein Herzstück einer nationalen
Strafrechtsordnung nicht einmal von der Großen
Kammer des Gerichts entschieden wurde.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So schlecht war die Argumentation!)


Meine Damen und Herren, als Folge dieser Entschei-
dungen ist inzwischen eine größere Zahl hochgefährli-
cher Straftäter entlassen worden. Es sind Täter, die von
Gerichten und Gutachtern übereinstimmend und klar für
ein großes Sicherheitsrisiko gehalten werden. Sobald sie
in Freiheit sind, müssen sie in der Regel rund um die Uhr
von Polizisten überwacht werden. Ich kann deshalb der
Deutschen Polizeigewerkschaft nur beipflichten, wenn
sie erklärt, dass solche – so das Zitat – „tickende Zeit-
bomben“ nicht in Freiheit, sondern hinter Gittern gehö-
ren.

Als Beispiel will ich nur auf die Situation im Südwes-
ten unserer Republik – in Freiburg – hinweisen. Dort
sind aufgrund von Entscheidungen des Oberlandesge-
richts Karlsruhe inzwischen sechs Sicherungsverwahrte
in Freiheit gekommen. Einer von ihnen wurde 1975 zu
15 Jahren Haft wegen Mordes in Tateinheit mit dem se-
xuellen Missbrauch eines Kindes verurteilt. Schon zuvor
war er wegen zwei Vergewaltigungen, zwei versuchter
Vergewaltigungen und einer Reihe weiterer Delikte ver-
urteilt worden.

Vier weitere Sexualstraftäter sind nach zahlreichen
einschlägigen Taten zu je fünf Jahren Haft verurteilt
worden. Diese fünf müssen rund um die Uhr von mehre-
ren Polizisten überwacht werden. Sie sind jederzeit rück-
fallgefährdet. Ein sechster Gewalttäter muss jedenfalls
zeitweise überwacht werden. Hierfür werden zurzeit
181 Polizeibeamte im Einsatz benötigt. Sie haben bis-
lang knapp 16 000 Dienststunden rein zu diesem Zweck
geleistet. Weit über eine halbe Million Euro Kosten sind
hier angefallen. Das gehört auch zur Wahrheit, wenn wir
an dieser Stelle über die Kosten und Lasten der Länder
reden.

Aber ich sage ganz klar: Die personellen Ressourcen,
die man einsetzt, und auch die Kosten sind gar nicht das
entscheidende Problem. Das muss ein Rechtsstaat in be-
stimmten Fällen vielleicht leisten. Wir verlangen von un-
seren Polizeibeamten – das ist das Problem – aber etwas
Unmögliches. Wir wollen, dass sie uns wirklich lücken-
los vor diesen gefährlichen Straftätern schützen, die auf-
grund ihrer Anlage jederzeit losschlagen können. Das
können wir von ihnen beim besten Willen und bei höchs-
tem Engagement einfach nicht erwarten. Wir können,
um es auf den Punkt zu bringen, von einem Polizisten in
Freiburg nicht erwarten, dass er allein die Schutzlücken
wieder stopft, die ein Richter in Straßburg aufgerissen
hat.

Für CDU und CSU war bei der Debatte von vornhe-
rein klar, dass wir alles versuchen müssen, um diese Tä-
ter wieder hinter Schloss und Riegel zu bringen. Der Un-

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(C (D rschied zwischen uns und anderen Stimmen in der ebatte war, dass wir nicht resigniert und nicht immer ur gesagt haben, was alles nicht geht. Es gibt in der Tat nge Grenzen. Es gibt Begrenzungen, aber wir müssen ns auf die verbleibenden Möglichkeiten konzentrieren. Wir halten Resignation für den falschen Ratgeber bei iesem für die Sicherheit unserer Gesellschaft so wichtien Thema. Deshalb haben wir von Anfang an versucht nd es mit dem Gesetzesvorhaben auch geschafft, alle öglichkeiten der Europäischen Menschenrechtskon ention auszuschöpfen, um Freilassungen zu verhindern nd bereits Freigelassene wieder in Verwahrung zu nehen. Dafür haben wir das Gesetz zur Therapierung und nterbringung psychisch gestörter Gewalttäter voresehen. Denn wir nehmen die Europäische Menschenchtskonvention nicht nur da ernst, wo sie uns beson ere Grenzen auferlegt, die über das nationale Recht inausgehen, sondern auch dort, wo sie vielleicht neue öglichkeiten und Handlungsspielräume eröffnet, die as nationale Recht bisher nicht eröffnet hat, zum Beipiel über die PsychKG-Gesetzgebung. Die Ministerin hat darauf hingewiesen: Als Unterringungsgrund verlangt Art. 5 der Europäischen Menchenrechtskonvention eben keine psychische Erkranung, wie es unsere Landesgesetze in der Regel orschreiben. Vielmehr reicht nach der Europäischen enschenrechtskonvention – wenn man ihren Wortlaut rnst nimmt, was wir tun – jede spezifische Störung der ersönlichkeit, also auch ein gestörtes Verhältnis zur Seualpräferenz, Pädophilie und Ähnliches. Diese weitere egelungsmöglichkeit erfasst auch bereits entlassene äter und erstreckt sich in unserem Entwurf darauf, iese zur Begutachtung wieder vorläufig festzuhalten. Allen eben erwähnten Sexualstraftätern aus Freiburg urde eine Therapie angeboten. Alle diese Täter haben ie Therapie abgelehnt. Für mich sind das klassische nwendungsfälle für das neue Gesetz. Unterbringung und Therapie verfolgen auch das Ziel, en Betroffenen in Aussicht zu stellen, als geheilt und ngefährlich entlassen zu werden. Wer meint, dieses eues Instrument sei eine bloße Umetikettierung der Siherungsverwahrung, der ignoriert nicht nur das Schutzteresse der Allgemeinheit, sondern tritt auch die Be andlungschancen der betroffenen Schwerverbrecher it Füßen. Meine Damen und Herren, unser Rechtsstaat hat eine chutzpflicht gegenüber seinen Bürgern. Freiheit, körerliche Unversehrtheit und Leben müssen aktiv und efktiv verteidigt werden. Genau das ist der Leitgedanke nseres Gesamtkonzepts, das die Sicherheitsverwahng insgesamt neu ordnet. Ich will das mit drei Stich unkten aufzeigen: Wir haben deutliche Verbesserungen nd Erweiterungen bei der vorbehaltenen Sicherungserwahrung vorgesehen. Wir verdoppeln die Frist für die ückfallverjährung bei gefährlichen Sexualstraftätern uf zehn Jahre. Und wir schaffen unter anderem die öglichkeit einer „elektronischen Fußfessel“. Die Dr. Günter Krings )


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )

Ministerin hat recht: Das ist kein Ersatz für eine Verwah-
rung. Aber in den Fällen, in denen es nicht angezeigt
oder möglich erscheint, einen Täter in Verwahrung zu
nehmen, ist es eine Möglichkeit, die schwere Arbeit der
Polizei zu entlasten und die Sicherheit der Bürger zu er-
höhen.

Leben und Gesundheit der Menschen müssen wir ge-
rade vor Straftätern schützen. Das ist eine der Kernauf-
gaben unseres Staates und unsere Pflicht als Mitglieder
des Parlaments, des Deutschen Bundestages. Es ist daher
aus meiner Sicht unverantwortlich, immer nur zu sagen,
was alles nicht geht, statt dieses Schutzbedürfnis ent-
sprechend ernst zu nehmen.

Diese Schutzpflicht speist sich übrigens nicht nur aus
Art. 2 des Grundgesetzes, wenn es um Leben und Ge-
sundheit geht, sondern auch aus Art. 2 der Europäischen
Menschenrechtskonvention. Wer das ausblendet, tut
nichts besonders Gutes für das Image der Europäischen
Menschenrechtskonvention in Deutschland.

Für das Thema Freiheit und Sicherheit wäre schon
viel gewonnen, wenn diejenigen, die durchaus zu Recht
auf die Grundrechte der Täter hinweisen, auch zur
Kenntnis nehmen würden, dass dieselben Grundrechte in
ihrer Schutzpflichtenfunktion auch die Bürger schützen
und den Staat zum Schutzhandeln verpflichten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das bestreitet doch überhaupt niemand!)


– Das ist ja schön.

Die Menschen in unserem Lande wissen, dass die in-
nere Sicherheit bei der CDU/CSU gut aufgehoben ist.
Wir richten unsere Politik darauf aus, dass aus Bürgern
keine Opfer werden. In diesem Punkt arbeiten wir in der
christlich-liberalen Koalition gut zusammen. Dafür bie-
ten wir die Zusammenarbeit auch all jenen Kräften in
diesem Hause an, denen dieses Ziel ebenso wichtig ist
wie uns.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706900500

Das Wort hat jetzt die Kollegin Halina Wawzyniak

von der Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706900600

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Wir reden hier nicht über irgendetwas, sondern über
den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts
der Sicherungsverwahrung. Das heißt, wir reden über
den schwersten und schwerwiegendsten Eingriff, den
das deutsche Strafrecht zur Verfügung stellt. Ich finde, es
ist dem Thema völlig unangemessen, dass der Gesetz-
entwurf erst Dienstagabend zwischen 19.30 und 21 Uhr
im Intranet abrufbar war, ein Gesetzentwurf mit 98 Sei-

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(C (D n und Begründung. Als Krönung kommt hinzu, dass er Gesetzentwurf in Teilen anders aussieht als die Eckunkte und die Presseerklärung der Justizministerin. h finde das nicht akzeptabel. Reden wir über die Sicherungsverwahrung, dann reden ir über ein hochsensibles und emotional aufgeladenes hema. Ob Bild, BZ oder ein ehemaliger Bundeskanzler, as Prinzip „Wegsperren für immer“ hat Hochkonjunktur, indestens seit 1998. Dabei wäre es Aufgabe der Politik, sbesondere der Rechtspolitik, über schwierige Themen achlich und seriös zu debattieren. Das schließt populissche und stammtischorientierte Reden und Gesetze aus. Die Sicherungsverwahrung wird in der Praxis tatsächch eher als zusätzliche Strafe wahrgenommen. Sie ist das wissen Sie alle – ein rechtlich höchst umstrittenes strument. Die Strafverteidigervereinigung und der RAV rdern die Abschaffung der Sicherungsverwahrung als remdkörper im Strafrecht. Sie sind nicht allein. Es andelt sich nicht um eine vom Himmel gefallende Deatte, die der Strafrechtswissenschaft unbekannt ist. 1934 nter den Nazis eingeführt, fristete die Sicherungsverahrung nach der Strafrechtsreform 1975 eher ein Schatndasein. Seit 1998, ergänzt 2002 und 2004, erlebte sie ine Renaissance. Alle Parteien außer der FDP und der inken haben sich daran beteiligt. Nunmehr beteiligt sich uch die FDP an dieser Renaissance. Nach der Koalitionsvereinbarung sollte die Sichengsverwahrung den Ausnahmecharakter beibehaln und auf schwerste Fälle beschränkt sein. Nach dem orliegenden Gesetzentwurf sage ich Ihnen: Die Koalionsvereinbarung ist das Papier nicht wert, auf dem sie teht. (Beifall bei der LINKEN – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das ist aber nichts Neues!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


chon jetzt ist die Sicherungsverwahrung nicht Ultima
atio. Entgegen dem medial vermittelten Bild sind eben
icht nur Gewalt- und Sexualstraftäter betroffen. Auch
traftäter, die wegen Betrugs- und Diebstahlsdelikten,
randstiftung und – in geringem Maße – sogar wegen
ötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
erurteilt worden sind, sitzen in Sicherungsverwahrung.
oraussetzung für die Sicherungsverwahrung ist ein
ang zu gefährlichen Straftaten. Nach dem BGH handelt

s sich um einen „eingeschliffenen inneren Zustand“, der
mer wieder zu Straffälligkeit führt. Voraussetzung für

ie Anordnung der Sicherungsverwahrung ist die Ein-
chätzung im Rahmen einer Prognoseentscheidung. Die
amburger Oberärztin Marianne Röhl bringt es auf die
ormel: „Die Hälfte der Patienten sitzt zu Unrecht ein,
ber welche Hälfte es ist, das weiß ich nicht.“ Genau das
t der Punkt. Niemand kann eine sichere Prognose über
ukünftige Straffälligkeit treffen. Trotzdem werden Men-
chen ihrer Freiheit beraubt.


(Beifall bei der LINKEN)


Kommen wir zum Gesetzentwurf. Trotz all dieser of-
nen Fragen wollen Sie die Sicherungsverwahrung de





Halina Wawzyniak


(A) )


)(B)

facto ausweiten. Sie sind da ganz offen und erwähnen
das auf Seite 53 des Gesetzentwurfs. Ich finde das sehr
bemerkenswert; denn Sie benennen im Gesetzentwurf
überhaupt keinen Anlass für die Ausweitung. Mit dem
Prinzip der Ultima Ratio hat Ihr Gesetz jedenfalls nichts
zu tun. Das kann man auch nicht mit Rückfallzahlen und
Gefährlichkeit begründen; denn dafür gibt es keine em-
pirische Grundlage, ganz im Gegenteil. Sie alle kennen
die Studie von Michael Alex. Nicht nur diese Studie geht
davon aus, dass sich die Quote der Rückfalltäter auf
10 bis 15 Prozent beläuft.

Was macht Ihren Gesetzentwurf so inakzeptabel? Be-
ginnen wir mit der anfänglichen Sicherungsverwahrung.
Sie ist nach dem Gesetzentwurf nicht letztes Mittel der
Kriminalpolitik. Nach dem Gesetzentwurf sind Anlass-
straftaten für die Anordnung der Sicherungsverwahrung
noch immer der Bandendiebstahl und der Wohnungsein-
bruchsdiebstahl. Richtig absurd wird es, wenn man sich
darauf beruft, dass die Straftaten des 28. Abschnittes des
StGB ebenfalls dazugehören. Das sind unter anderem
Brandstiftungsdelikte und unterlassene Hilfeleistung. Ihr
Anspruch ist, die Sicherungsverwahrung für schwerste
Fälle zu regeln. Wenn aber die erwähnten Delikte als An-
lassstraftaten in Betracht kommen, dann offenbart das ein
eigenartiges Verständnis von schwersten Fällen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung ist der ei-
gentliche Ausbau der Sicherungsverwahrung. Der schon
angesprochene Hang muss jetzt nur noch wahrscheinlich
und nicht mehr sicher sein. Das heißt, die Wahrschein-
lichkeit eines Hangs zu schweren Straftaten reicht aus,
um das Damoklesschwert der Sicherungsverwahrung
über dem Strafgefangenen schweben zu lassen.

Die Neue Richtervereinigung – um nur ein Beispiel
zu nennen – fordert die komplette Abschaffung der vor-
behaltenen Sicherungsverwahrung und bezweifelt, dass
hier die vom Europäischen Gerichtshof für Menschen-
rechte geforderte Verknüpfung zwischen Verurteilung
und Freiheitsentzug noch gegeben ist.

Kommen wir zur nachträglichen Sicherungsver-
wahrung. Hierbei handelt es sich um eine Mogelpa-
ckung. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung gilt
nämlich nur für Neufälle. Das heißt, erst wenn das Ge-
setz in Kraft getreten ist und danach Straftaten begangen
werden, wird sie angewendet. In Ihrem Gesetzentwurf
schreiben Sie, bis sie sich auswirke, dauere es fünf bis
zehn Jahre. Viel absurder ist aber, dass die Altfälle noch
nach der alten Regelung in Sicherungsverwahrung ge-
bracht werden können.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Es sind nicht die Altfälle!)


Sie regeln also ein Gesetz neu, wenn aber heute einer
eine Straftat begeht, wird er noch nach den alten Rege-
lungen in Sicherungsverwahrung gebracht.


(Christine Lambrecht [SPD]: Das ist genau umgekehrt!)


– Das ist nicht umgekehrt, wir können aber gern im De-
tail darüber noch einmal reden.

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(C (D Sie lassen die Katze aus dem Sack, indem Sie erklän, dass die Ausweitung der primären und vorbehalte en Sicherungsverwahrung die nachträgliche Sichengsverwahrung ersetzt, und über Umwege setzen Sie chtstaatliche Hürden herab. Ich zitiere aus dem Ge etzentwurf: Schließlich lässt sich durch den Ausbau der primären und vorbehaltenen Sicherungsverwahrung für „Neufälle“ auch die bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung … nahezu vorprogrammierte Situation vermeiden, dass ein vom Gericht als gefährlich eingestufter Straftäter entlassen werden muss, weil die hohen, aber rechtstaatlich gebotenen Anordnungsvoraussetzungen … nicht erfüllt sind. Der Höhepunkt des Gesetzes ist allerdings das Unterringungsgesetz. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ja, das Gesetz besteht nur aus Höhepunkten!)


amit umgehen Sie das Urteil des Europäischen Ge-
chtshofes für Menschenrechte. Soweit mir ersichtlich,
ifft dieses Unterbringungsgesetz – außer in den Reihen
er Koalition – auf einhellige Ablehnung. Die Neue Rich-
rvereinigung wirft Ihnen vor, Sie verlassen damit den
oden der verfassungs- und menschenrechtlichen Vorga-
en. Und tatsächlich wollen Sie mit diesem Unterbrin-
ungsgesetz eine Tätergruppe, die nach den Vorgaben der
uropäischen Menschenrechtskonvention in Freiheit zu
elassen ist, durch den weiten Begriff „psychische Stö-
ng“ wieder einsperren.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Den haben wir nicht erfunden!)


chon in Freiheit befindliche Personen wollen Sie wie-
er in Anstalten bringen. Und Sie erklären nicht einmal
as dogmatische Problem, das Sie haben, wenn jemand
ls schuldfähig mit einer Strafe belegt, später aber als
sychisch krank eingestuft wird.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Nein, gestört! Das ist ein schmaler Grat!)


as macht alles überhaupt keinen Sinn.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Unterbringungsgesetz ist die neue Form der
achträglichen Sicherungsverwahrung. Mit diesem Ge-
etzentwurf lösen Sie kein tatsächliches oder vermeintli-
hes Problem, sondern Sie wälzen es auf Richterinnen
nd Richter und die forensischen Sachverständigen ab.
s wird herumgedoktert. Das Mindeste wäre gewesen,
ine Expertenkommission einzurichten, wie die Linke
ie bereits in der letzten Wahlperiode gefordert hat.
ichtiger Opferschutz sieht anders aus, denn erst mit der
ntlassung der Verurteilten beginnt die Arbeit.

Lassen Sie mich mit dem Greifswalder Appell zur
eform der Sicherungsverwahrung enden. Darin heißt
s:

Auch wenn es nicht leicht ist, muss unsere Gesell-
schaft zum Schutz unserer verfassungsrechtlichen
Grundwerte mit der kritischen Situation leben, dass





Halina Wawzyniak


(A) )


)(B)

vereinzelt Menschen in die Freiheit entlassen wer-
den, auch wenn sie im Hinblick auf ihre Rückfall-
gefahr nicht als vollkommen unbedenklich einge-
stuft werden können.


(Lars Lindemann [FDP]: Das ist doch nicht Ihr Ernst!)


Dieser Gesetzentwurf macht dies nicht, dieser Gesetz-
entwurf weitet das Instrument aus. Sie machen es sich zu
leicht und gefährden leichtfertig ein weiteres Stückchen
Rechtsstaat.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706900700

Das Wort hat jetzt der Kollege Jerzy Montag von

Bündnis 90/Die Grünen.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706900800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-

lege Krings, noch einmal vonseiten der Grünen an Ihre
Adresse, an die Adresse der Koalition, zum Mitschrei-
ben:


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wird heute kein Protokoll geführt?)


Jawohl, es gibt einige wenige Menschen, die sind aktuell
so gefährlich für ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger,
insbesondere für Frauen und Kinder, dass wir diese Ge-
fahr nicht anders bannen können, als ihnen ihre Freiheit
zu nehmen. Insofern sagen wir Ja zu diesem letzten Mit-
tel des Strafrechts, der Sicherheitsverwahrung. Aber ich
füge hinzu: Es ist bei einigen wenigen Menschen und
nicht bei Hunderten oder gar Tausenden anzuwenden.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wer spricht von Tausenden?)


Ich werde auf die Frage der Fehlerhaftigkeit der Progno-
sen noch zu sprechen kommen.

Wir sagen an dieser Stelle mit Blick auf die Opfer und
die potenziellen Opfer aber auch – Sie selber haben auf
die Spannung zwischen Freiheit und Sicherheit hinge-
wiesen –: In einem Rechtsstaat gibt es keine absolute Si-
cherheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bezüglich der Täter gilt: Auch sie sind Grundrechtsträ-
ger. Sie haben Menschen- und Grundrechte, die wir ih-
nen in einem Rechtsstaat nicht nehmen dürfen.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das hat niemand bestritten! – Dr. Günter Krings [CDU/ CSU]: Das habe ich ausdrücklich gesagt!)


Die Koalitionsfraktionen haben einen fast 100-seiti-
gen Gesetzentwurf vorgelegt. Die Koalitionsfraktionen?
Das ist der erste Schwindel. Kein einziges Wort haben
sie selbst geschrieben.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Falsch!)


Alles ist eine Formulierungshilfe des Bundesjustizminis-
teriums.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


er Vorsitzende des Rechtsausschusses hat es sich ver-
eten, in Zukunft Formulierungshilfen zu bekommen.
ie selber haben lediglich einen Stempel auf die Vorlage
esetzt.

In der Sache scheint hier in einem Punkt – hoffentlich –
inigkeit zu herrschen: Die Sicherungsverwahrung ist
er schwerste Eingriff, der in unserem Rechtsstaat in ei-
em strafrechtlichen Verfahren möglich ist. Wegen der
chwierigen Prognoseentscheidungen ist er in einem ho-
en Maße fehlerbehaftet. Thomas Feltes, einer der be-
anntesten und renommiertesten Forscher auf dem Felde
er Sicherungsverwahrung, schreibt dieses Jahr von ei-
er Fehlerquote von 90 Prozent. Das ist eine erschre-
kende Zahl. Deswegen braucht es gerade auf dem Feld
er Sicherungsverwahrung gesetzliche Vorkehrungen
egen das Ausufern dieses Rechtsinstituts. Die gesetzli-
hen Vorgaben zur Begrenzung dieses Instituts sind eine
dikale Begrenzung der Anlasstaten und objektive An-

altspunkte für die Bestimmung des Hangs und der Ge-
hrlichkeit, die sich aus mindestens zwei Vorstrafen und

us einer kurzen Rückfallverjährung ergeben müssen.
azu hat die Bundesjustizministerin am 12. August die-

es Jahres gesagt: Wir werden die Sicherungsverwah-
ng so zuschneiden, dass wirklich nur Gewaltverbre-

her und nur Sexualtäter erfasst werden. Betrüger und
iebe dürfen nicht mehr in die Sicherungsverwahrung
ommen.

Selbst in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs
chreiben Sie – das steht auf Seite 24 –:

Durch dieses Erfordernis werden insbesondere sol-
che Delikte dem Anwendungsbereich des § 66
StGB entzogen, die sich gegen das Vermögen …
richten und nicht mit der Anwendung von Gewalt
gegen Personen verbunden sind.

Wenn wir uns Ihren Gesetzentwurf anschauen, stellen
ir fest, dass dies ein weiterer großer Schwindel ist.
ach § 66 Abs. 1 Nr. 1 b StGB (neu) werden alle Straf-
ten mit einer Höchststrafe von zehn Jahren einbezo-
en. Ich nenne Ihnen dazu einmal eine ganze Liste von
traftaten – Herr Kollege Scholz, schreiben Sie mit; Sie
ollen ja konstruktiv mitarbeiten –: Fälschungen von
ahlungskarten, Fälschungen von technischen Aufzeich-
ungen, Fälschungen von Daten, Diebstahl, Hehlerei
nd Steuerhehlerei, Betrug, Computerbetrug, Subven-
onsbetrug, falsche Verdächtigung, Verleitung zu miss-
räuchlichen Asylantragstellungen, Bestechlichkeit von
ichtern, landesverräterische Agententätigkeit. Das alles

ind Delikte, bei denen Sie zugesagt haben, dass sie in
ie Sicherungsverwahrung nicht eingebunden werden.
eine Liste ist beileibe nicht vollständig. Ich könnte sie

och um etliche Paragrafen weiterführen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


ie legen dem Bundestag hier also einen richtigen
chwindel vor.





Jerzy Montag


(A) )


)(B)

Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung weiten
Sie auf Ersttäter aus. Das ist ein unverzeihlicher Fehler;
schließlich ist klar, dass wir angesichts der unsicheren
Prognose des Hangs zur Begehung von Straftaten ein ob-
jektives Element der Begrenzung brauchen. Sie dehnen
die Rückfallverjährungsfrist auf zehn Jahre aus und
sprengen damit zumindest für einen Teilbereich der An-
lasstaten eine enge Klammer, die notwendig ist, um ei-
nen objektiven Anhaltspunkt für die Gefährlichkeit einer
Person zu haben.

Die nachträgliche Sicherungsverwahrung schaffen
Sie zwar ab, aber die Kollegin Wawzyniak hat völlig
recht:


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Danke!)


Dadurch, dass Sie nur Straftaten für das neue Recht ak-
zeptieren wollen, die ab dem Zeitpunkt der Verkündung
dieses Gesetzes begangen werden, schaffen Sie in Zu-
kunft auf Jahre, vielleicht auf Jahrzehnte wiederum zwei
Kategorien von Sicherungsverwahrten bzw. von nach
dem Gesetz Behandelten – eine Ungleichbehandlung,
die Ihnen vor die Füße fallen wird.

Die ganze Neuordnung des Rechts der Sicherungsver-
wahrung ist eine Beibehaltung, sogar eine Ausweitung
einer schlechten Entwicklung, gegenüber den Reform-
versprechen der FDP also ein einziger großer Schwindel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Nun zum Therapieunterbringungsgesetz. Es war
einmal so, dass die Sicherungsverwahrung ab 1976 auf
zehn Jahre begrenzt war. 24 Jahre hat die Bundesrepu-
blik Deutschland mit diesem Zustand gelebt, ohne dass
der Rechtsstaat aus den Fugen geraten wäre.


(Zuruf von der CDU/CSU: 22 Jahre!)


Es war erst dem Vorwahlkampf des Jahres 1998 ge-
schuldet, dass Ihre Vorgängerin, die damalige schwarz-
gelbe Koalition, die Zehnjahresfrist aus dem Gesetz ge-
strichen hat. Es gab damals schon warnende Stimmen.
Ich verweise nur auf Herrn Ullenbruch, der bereits 1998
in der Neuen Zeitschrift für Strafrecht geschrieben hat,
dies werde grundrechtlich und menschenrechtlich keinen
Bestand haben. Genauso ist es gekommen. Jetzt – nach
zwölf Jahren – holt Sie, holt uns alle der Fehler ein, den
die damalige Koalition 1998 gemacht hat.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sagen Sie einmal, was Sie gemacht haben bei dem Thema! – Zuruf von der FDP: Wer war denn 2004 in der Regierung?)


Dabei hätte man längst in den Ländern und auch im
Bund etwas tun können. Ich verweise nur darauf, dass
bereits 2005 der Europäische Ausschuss zur Verhü-
tung von Folter und unmenschlicher oder erniedri-
gender Behandlung oder Strafe die Freiheitsentzie-
hungsanstalten in der Bundesrepublik Deutschland
untersucht hat. Er hat 2005 geschrieben, in welchem
Ausmaß er den Vollzug der Sicherungsverwahrung für
einen Skandal hält. Er hat geschrieben, die Organe der
Bundesrepublik Deutschland werden aufgerufen, umge-

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(C (D end an eine Reform des Vollzugs zu gehen. Wäre das assiert, brauchten wir uns jetzt mit der richtigen Entcheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenchte nicht zu beschäftigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


In der Sache ist es so, dass Sie den neuen Begriff der
sychischen Störung einführen. In der Sache ist es so,
ass Sie bei dieser Therapieunterbringung die Zuständig-
eit der Zivilgerichte statt der Strafgerichte festlegen –
erfahren nach dem Gesetz über die Angelegenheiten
er freiwilligen Gerichtsbarkeit statt nach der Strafpro-
essordnung. Die Voraussetzungen sind den Unterbrin-
ungsgesetzen der Länder vollständig nachgebildet. Als
rönung wollen Sie mit diesem neuen Gesetz auch be-
its Entlassenen ohne Zeitbegrenzung wieder die Frei-

eit nehmen, das heißt, Entlassene wollen Sie nach die-
em Gesetz auch noch nach Jahren, theoretisch nach
ahrzehnten erfassen.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das geht doch gar nicht!)


Aber selbstverständlich, eine zeitliche Begrenzung
ibt es in diesem Gesetz nicht. Deswegen sage ich Ih-
en: Sie und wir im Bund sind für eine solche Regelung
berhaupt nicht zuständig.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706900900

Herr Kollege!


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706901000

Denn es handelt sich um eine reine Präventionsmaß-

ahme, für die die Länder zuständig sind. Die Zustän-
igkeit dafür haben sie auch ausgeübt –


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706901100

Herr Kollege Montag, bitte kommen Sie zum Schluss.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706901200

– mit den Gesetzen über die Inhaftierung und Frei-

eitsentziehung von psychisch Kranken und Gestörten.

Dieses Gesetz wird Ihnen recht bald vor die Füße fal-
n. Es wird keine hohe Halbwertzeit haben. Wir werden

n diesem Gesetz nicht konstruktiv – wie Kollege Olaf
cholz – mitarbeiten. Wir werden dieses Gesetz auch in
en Ausschüssen kritisieren.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706901300

Herr Kollege Montag, bitte!


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706901400

Wir werden seine Schwächen aufzeigen und nach
öglichkeit dafür sorgen, dass es nicht ins Bundesge-

etzblatt kommt.

Danke schön.





Jerzy Montag


(A) )


)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/ CSU]: Gibt es wieder so Klamauk wie gestern? In welcher Farbe kommen Sie dann? – Iris Gleicke [SPD]: Zusammenarbeit hat nichts mit Kritiklosigkeit zu tun!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706901500

Das Wort hat jetzt der Kollege Jörg van Essen für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1706901600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ist schon eine interessante Lage, in der wir uns im Au-
genblick befinden. Wer die Beiträge zu dieser Debatte
sorgfältig verfolgt hat, konnte feststellen, dass sich die
Kollegin der Linkspartei große Sorgen um die Täter
macht.


(Zuruf von der LINKEN: Menschenrechte!)


Ich habe aber nicht ein einziges Mal auch nur ein einzi-
ges Wort über die Opfer der Straftaten gehört; ich habe
sorgfältig darauf geachtet.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Zuhören!)


Wir haben auch gehört, dass sich die Grünen nicht
konstruktiv in die Debatte einbringen. Auch Ihnen ist of-
fensichtlich egal, dass in diesem Land brandgefährliche
Täter herumlaufen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Niveauverfall sondergleichen ist das! Stillosigkeit!)


Deswegen bin ich dem Kollegen Scholz ganz außeror-
dentlich dankbar, dass er deutlich gemacht hat, dass sich
die SPD-Fraktion konstruktiv einbringen wird. Das sind
wir unseren Bürgern auch schuldig. Vielen Dank, dass
Sie das zugesagt haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Welche Verantwortung wir in diesem Bereich tragen,
habe ich ganz persönlich einmal erlebt, als ich nach der
Tat eines solchen Täters die Todesnachricht an die Eltern
des Kindes überbringen musste. Das war ein Erlebnis,
das mich noch heute bewegt. Deswegen habe ich großes
Verständnis dafür, dass sich viele Eltern um ihre Kinder
sorgen und viele junge Mädchen Angst haben, zu Opfern
zu werden. Wir müssen diese Sorgen ernst nehmen.

Wir müssen auf der anderen Seite sehen – auch das
gehört zu einer Betrachtung –, dass wir auch Verantwor-
tung für unseren Rechtsstaat tragen. In den Debatten der
letzten Jahre, die wir aufgrund von Einzelfällen immer
wieder geführt haben, habe ich eines stets erwähnt: die
steigende Zahl der Sicherungsverwahrten. In den letzten
14 Jahren haben wir eine Verdreifachung der Zahl der
Sicherungsverwahrten zu verzeichnen; darunter befin-
den sich auch Heiratsschwindler.

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(C (D (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das hört jetzt auf!)


iese Entwicklung kann nicht hingenommen werden.
ie ruft Unwohlsein hervor.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)


Wir alle sind aufgerufen, einen vernünftigen Weg zu
uchen. Dafür ist die Vorlage der Bundesjustizministerin
ich danke dafür – eine richtige Wegweisung.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist eine Irreführung!)


Nein, nicht eine Irreführung, Herr Kollege Ströbele.
ass Sie natürlich zu den Kritikern gehören, ist mir völ-
g klar.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, warum wohl?)


Es ist mir völlig klar, warum der Kollege Ströbele zu
en Kritikern gehört: weil er genau die Erfahrung, von
er ich vorhin berichtet habe, eben nicht gemacht hat
nd weil er immer wieder gezeigt hat, dass ihn die Täter
teressieren und nicht die Opfer.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr van Essen, das ist unterirdisch! Eine Niveaulosigkeit und Stillosigkeit ohnegleichen!)


Ich möchte darauf hinweisen, dass wir wegen dieses
nwohlseins bereits in die Koalitionsvereinbarung auf-
enommen haben, dass wir das Recht der Sicherungs-
erwahrung reformieren wollen. Wir haben sorgfältig
eraten. Der Vorwurf, dass es sich nicht um einen Ent-
urf der Koalitionsfraktionen handelt, ist völlig dane-
en. Frau Voßhoff weiß, wie oft wir zusammengesessen
nd verhandelt haben. Deshalb hat es selbstverständlich
inen ganz wesentlichen Beitrag beider Fraktionen gege-
en. Im Übrigen hat uns natürlich das Bundesjustiz-
inisterium beratend zur Seite gestanden. Das war aber

uch bei allen anderen Koalitionen immer der Fall.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Entwurf der Fraktionen? Drei Sätze vielleicht!)


Ich persönlich bin der Auffassung, dass wir den Euro-
äischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht kritisie-
n sollten.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einmal die Wahrheit sagen!)


h hatte mir vielleicht ein anderes Urteil erhofft. Im
inblick auf andere Länder legen wir aber immer großen
ert darauf, dass sie sich an die Europäische Men-

chenrechtskonvention halten. Deshalb tun wir gut da-
n, dies auch zu tun.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Christoph Strässer [SPD])


Ich glaube, dass wir dies mit diesem Gesetzentwurf in
elungener Weise getan haben. Ich habe schon darauf





Jörg van Essen


(A) )


)(B)

hingewiesen, dass wir insbesondere im Anwendungsbe-
reich Einschränkungen vornehmen werden. In Anbe-
tracht der Kritik an der vorbehaltenen Sicherungsver-
wahrung möchte ich an etwas erinnern: Praktiker sagen,
dass eine vorbehaltene Sicherungsverwahrung dazu bei-
trägt, die Therapiewilligkeit derjenigen, denen die Si-
cherungsverwahrung droht, zu erhöhen. Diese Personen
können dann aktiv dazu beitragen, keine Gefahr für die
Allgemeinheit mehr zu sein. Das ist etwas, was auch wir
uns wünschen.


(Andrea Astrid Voßhoff [CDU/CSU]: So ist es!)


Wir wollen, dass Täter nicht wieder Straftaten begehen.
Deshalb ist das, wie ich finde, ein gutes und richtiges In-
strument.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Sie haben darauf hingewiesen – das ist meine letzte
Bemerkung, Herr Präsident; ich gucke auf die Uhr –,
dass das die Länder etwas kosten wird.


(Otto Fricke [FDP]: Das muss man wohl sagen!)


Sie scheinen aber nicht sonderlich an der Thematik inte-
ressiert zu sein. Deshalb habe ich Ihre Kritik nicht ver-
standen, dass wir die Länder stärker hätten einbeziehen
müssen. Sie selbst hätten durch Präsenz deutlich machen
können, dass sie einbezogen werden wollen. Wir sollten
es trotzdem tun. Auch das gehört zu einer vernünftigen
Beratung. Wir bieten ihnen an, dass wir zu guten Bera-
tungen kommen. Das sind wir den Bürgern schuldig. Die
Gründe habe ich in meiner Rede genannt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706901700

Ich habe jetzt zwei Wünsche für Kurzinterventionen,

wobei ich bitten würde, Herr van Essen, dass Sie dann
auf beide eingehen. – Zunächst die Kollegin Halina
Wawzyniak.


Halina Wawzyniak (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706901800

Herr van Essen, ich weise ausdrücklich die Unterstel-

lung zurück, dass von meiner Seite aus nichts zum
Opferschutz gesagt worden ist. Ich nehme zur Kenntnis,
dass seit dem gestrigen Tag, als eine gesamte Fraktion,
nämlich die Fraktion der Grünen, in die Nähe der
NSDAP gerückt worden ist,


(Otto Fricke [FDP]: Das ist doch Quatsch!)


ein unerträgliches Klima in diesem Saal herrscht.


(Beifall bei der LINKEN)


Niemand in diesem Haus vernachlässigt den Opfer-
schutz. Wenn Sie bis zum Schluss zugehört hätten – ich
kann es gerne wiederholen –, hätten Sie gehört, dass ich
ausdrücklich gesagt habe: Opferschutz sieht anders aus.
Opferschutz beginnt mit der Entlassung. Opferschutz be-
ginnt mit den Möglichkeiten von Therapie im Strafvoll-
zug und ambulant.

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(C (D Lassen Sie mich abschließend hinzufügen: Ich perönlich finde es einer liberalen Gesinnung nicht angeessen, die Verteidigung von Rechtsstaatlichkeit in die er Art und Weise zu diffamieren. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706901900

Die zweite Kurzintervention wird von dem Kollegen

osef Winkler von Bündnis 90/Die Grünen gewünscht. –
itte, Herr Winkler.


Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706902000

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr van

ssen, Sie wissen, dass ich Sie menschlich sehr schätze.
ber ich muss schon sagen, dass ich es nicht für beson-
ers angemessen halte, auf eine Rede, wie sie der Kol-
ge Montag gehalten hat, so, ich sage einmal, derb zu

ntworten, wie Sie das getan haben.

Kollege Montag ist sehr ausführlich auch auf die Op-
rperspektive eingegangen. Das tut meine Fraktion

on jeher. Nichtsdestotrotz: Den Opfern ist nicht gehol-
n, wenn wir eine Regelung haben – diese Gefahr sehen
ir –, die nicht gerichtsfest ist und die erneut scheitern
ird. Das ist die Hauptproblematik, die wir in Ihrem Ge-

etzentwurf sehen. Das sollte aus dem, was der Kollege
ontag gesagt hat, eigentlich deutlich geworden sein.

Unabhängig davon bleibt es dabei, dass potenzielle
äter und Täter, die bereits Opfer hervorgebracht haben,
ie grundlegenden Menschen- und Bürgerrechte behal-
n und dass es eine sehr schwerwiegende Einschrän-
ung ihrer Bürgerrechte ist.

Ich bitte Sie auch vor dem Hintergrund dessen, was
er Präsident des Bundestages gestern gesagt hat, dass
ir bitte nicht persönlich herabsetzend sein sollten – das
ilt nicht nur gegenüber einzelnen Personen, sondern
uch gegenüber Fraktionen, die diesem Hause angehö-
n – und die Debatte nicht in dieser Schärfe fortsetzen

ollten. Vielmehr sollten Sie akzeptieren, dass wir sagen:
ieser Gesetzentwurf bietet nicht genug Ansatzpunkte
r uns, um wirklich konstruktiv mitzuarbeiten, damit
ir ein einstimmiges Ergebnis bekommen. Nichtsdesto-
otz werden wir uns in den Ausschussberatungen selbst-
erständlich mit Vorschlägen einbringen, die zu einem
esseren Ergebnis führen, als wir das nach diesem vor-
elegten Entwurf befürchten.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Also doch konstruktiv!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706902100

Einen Moment, Herr van Essen. – Herr Ströbele, wie

oll ich Ihre Wortmeldung interpretieren? – Sie möchten
ine Kurzintervention machen. Dann hat der Herr Kol-
ge van Essen allerdings hinterher ausreichend Zeit, um

uf die drei Kurzinterventionen zu reagieren. – Bitte
chön.






(A) )


)(B)


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege van Essen, ich stelle fest: Sie entwickeln
sich immer mehr zum Oberpolemiker dieses Hauses.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


Das haben Sie gestern gezeigt, und das haben Sie heute
gezeigt. Ich habe Sie einmal sehr geschätzt, weil Sie im-
mer sehr frei reden. Ich finde es gut, wenn man im ge-
genseitigen Dialog versucht, etwas zu entwickeln. Nur,
Sie belassen es inzwischen bei Polemik.

Sie haben mich und meine anwaltliche Praxis ange-
sprochen;


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Der 70erJahre!)


Sie kennen sie offenbar ganz genau.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Die kennen wir alle!)


Ich darf Sie darauf hinweisen, dass ich mich beispiels-
weise ein halbes Jahr lang als Nebenklägervertreter vor
dem Oberlandesgericht Schleswig um einen Teil der Op-
fer des schlimmen Brandanschlags von Mölln geküm-
mert habe. Ich vermute, dass ich meine berufliche Tätig-
keit mindestens genauso häufig auf der Seite der Opfer
ausgeübt habe, wie Sie das möglicherweise als Ober-
staatsanwalt getan haben. Ich habe mich aber nicht des-
halb gemeldet.

Ich erwarte von Ihnen – Sie müssten juristische Argu-
mente nachvollziehen können –, dass Sie zu den sehr
konkreten Kritikpunkten, die Kollege Montag geäußert
hat, Stellung nehmen. Die FDP und die Justizministerin
haben sich zuerst aus dem Fenster gelehnt und gesagt:
So machen wir das überhaupt nicht. – Dann haben Sie
klare Richtlinien dazu vorgegeben, was in einem Gesetz
zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung
stehen darf und was nicht. Nun hat Kollege Montag mit
Hinweis auf die einzelnen Paragrafen nachgewiesen,
dass die Richtlinien überhaupt nicht eingehalten worden
sind, sondern das Instrument wiederum eine sehr weite
Anwendung finden soll. Dazu sagten Sie nicht ein einzi-
ges Wort. Sie hätten sagen können, er habe sich verlesen
oder es stimme in diesem oder jenem Punkt nicht. So et-
was kam aber in Ihrer Rede gar nicht vor, sondern nur
Polemik. So geht es nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706902200

Jetzt hat der Kollege van Essen die Möglichkeit, zu

antworten. Theoretisch haben Sie jetzt neun Minuten
Zeit. Wir würden uns aber freuen, wenn Sie sie nicht
ganz ausschöpfen würden. Bitte schön.


Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1706902300

Herr Präsident, ich werde selbstverständlich nur ei-

nige kurze Bemerkungen machen.

Frau Kollegin Wawzyniak, wer Ihre Rede gehört hat,
der weiß, worauf Sie den Schwerpunkt gelegt haben; er
lag eindeutig nicht bei den Opfern.

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(C (D eshalb bleibe ich bei meinem Vorwurf. Herr Kollege Winkler, der Kollege Montag weiß – das abe ich ihm schon persönlich gesagt –, wie sehr ich ihn chätze. Ich bin froh, dass wir ihn im Rechtsausschuss aben. Ich schätze auch seine kritischen Bemerkungen. h habe ihm vorhin genau zugehört. Wir sind hier in der rsten Lesung. Ich muss ganz offen gestehen: Das eine der andere müssen wir nachschauen. Insofern ist es akeptiert, dass von Ihnen Punkte aufgeführt worden sind, ber die es zu diskutieren lohnt. Herr Kollege Montag, Folgendes hat mich gestört – ich iederhole es –: Ich hätte mir, weil wir hier eine ganz chwierige Aufgabe zu bewältigen haben, von Ihnen geünscht, dass es von Ihnen ein ähnliches Angebot wie on der SPD gegeben hätte. Ich glaube, dass wir das uneren Bürgern schuldig sind. Herr Kollege Ströbele, wenn Sie tatsächlich beispielseise die Opfer von Mölln unterstützt haben, dann bin h Ihnen dafür außerordentlich dankbar. Das Ereignis on Mölln war ganz schlimm für unser Land. Ich will ar nicht in Abrede stellen, dass Sie dort etwas für Opfer etan haben. Von mir persönlich herzlichen Dank dafür! h habe immer nur gesehen, wie Sie sich verhalten ha en, wenn wir hier im Bundestag über etwas diskutiert aben und Sie zwischen Opferschutz und Täterinteresen zu entscheiden hatten. Da hätte ich mir eine stärkere etonung des Opferschutzes gewünscht. In diesem unkt habe ich Sie kritisiert; das werde ich auch weiter n. Vielen Dank. Das Wort hat jetzt die Kollegin Christine Lambrecht on der SPD-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich öchte versuchen, die Diskussion über dieses schwiege Thema ein wenig zu versachlichen. Sie alle wissen, ass ich bei jeder anderen Gelegenheit, insbesondere in iesem Haus, gerne die politische Auseinandersetzung uche; aber ich glaube, dieses Thema eignet sich dafür berhaupt nicht. Vielmehr muss man bei diesem Thema achlich und konstruktiv miteinander arbeiten. Ich möchte konkretisieren, was der Begriff „konstrukv“ für die SPD bedeutet; das habe ich auch schon in einer Haushaltsrede getan. Eine konstruktive Begleing bedeutet keinen Persilschein. (Beifall bei der SPD – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Glück, dass Sie das sagen!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706902400

(Beifall bei der SPD)

Christine Lambrecht (SPD):
Rede ID: ID1706902500





Christine Lambrecht


(A) )


)(B)

Selbstverständlich werden wir an diesem sehr umfang-
reichen Gesetz mitarbeiten; wir werden uns einbringen.
Wir werden aber auch Themen benennen, bei denen wir
den Eindruck haben, dass wir uns noch einmal zusam-
mensetzen und vieleicht das eine oder andere verändern
oder ergänzen müssen. Bitte verstehen Sie unsere An-
kündigung als Versprechen, konstruktiv mitzuarbeiten
und das Gesetzgebungsvorhaben kritisch zu begleiten.
Aber Sie sind auch nichts anderes von uns gewöhnt.

Jetzt zum Thema. Wir haben die sehr schwierige Auf-
gabe, unterschiedliche Interessen zusammenzuführen.
Selbstverständlich gibt es den Opferschutz. Selbstver-
ständlich müssen wir die Ängste und Sorgen der Men-
schen aufgreifen, die Angst vor denjenigen haben, die
die schwersten Straftaten, die man sich überhaupt vor-
stellen kann, begangen haben. Die Fälle braucht man gar
nicht auszumalen. Wir alle wissen, wer damit gemeint
ist.

Als Gesetzgeber müssen wir aber selbstverständlich
auch die Belange der Straftäter im Blick haben. Es geht
auch um das Grundrecht auf Freiheit und die Menschen-
würde derjenigen, die von einer Sicherungsverwahrung,
die an und für sich als Ultima Ratio geplant war, betrof-
fen sein könnten. Auch das ist uns ins Stammbuch ge-
schrieben worden. Diesem Spannungsverhältnis müs-
sen wir mit einem solchen Gesetz gerecht werden. Es
stellt sich die Frage, ob dieser Entwurf dazu geeignet ist.

Ich freue mich, dass der Entwurf jetzt auf dem Tisch
liegt. Ich hätte mir gewünscht, das Ganze früher auf dem
Tisch zu haben; denn dann hätten wir früher mit der Ar-
beit anfangen können. Aber es ist, wie es ist. Lassen Sie
uns also beginnen.

Die sogenannten Altfälle sind angesprochen worden.
Dabei geht es nicht um diejenigen, die jetzt freigelassen
wurden, sondern um diejenigen, die eine Straftat began-
gen haben. Im Gesetzentwurf ist, wie ich finde, relativ
lapidar erklärt worden, dass in diesen Fällen die nach-
trägliche Sicherungsverwahrung weiterhin gelten soll.
Ich finde, wir müssen noch einmal darüber nachdenken,
ob das tatsächlich angebracht ist; denn es geht auch um
Täter, die Straftaten begangen haben, die nicht in dem
eng gefassten Katalog, den sie aufnehmen wollen, aufge-
führt sind. Das kann auch auf andere Täter zutreffen. Da-
her sollten wir uns dieses Thema noch einmal im Detail
vornehmen.

Es geht aber auch um die Gesamtproblematik. In der
Begründung des Gesetzentwurfs steht, wie kritisch die
Bewertung der sogenannten Nova, also die Bewertung
der neuen, unter Umständen erst während der Haft auf-
getretenen Tatsachen zu sehen ist. Die Sicherungsver-
wahrung würden wir für diese Altfälle quasi noch einmal
möglich machen. Ich glaube, wir dürfen nicht lapidar da-
rüber hinweggehen, sondern müssen uns damit beschäf-
tigen.


(Beifall bei der SPD)


Ich will ein weiteres Thema ansprechen, zu dem ich
im Gesetzentwurf nichts gefunden habe. Es geht um die
Frage, wie wir mit der Sicherungsverwahrung für Ju-

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(C (D endliche umgehen wollen. Ich finde, dazu sollten wir tellung nehmen. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Koalition will das beibehalten!)


Das ist die Frage, die sich stellt. – Ich halte das für kei-
en geschlossenen Entwurf. Wenn wir den Komplex der
icherungsverwahrung überarbeiten wollen, können wir
icht darauf verzichten, uns mit der Problematik des
mgangs mit der Sicherungsverwahrung Jugendli-

her zu beschäftigen.


(Jörg van Essen [FDP]: Das müssen wir!)


s muss eine klare Aussage dazu geben. Entweder las-
en wir alles, wie es ist, oder im Zuge der Beratungen
uss es eine entsprechende Veränderung, eine Ergän-

ung geben.


(Jörg van Essen [FDP]: Das müssen wir!)


Es ist wunderbar, dass ich hier höre, dass wir uns damit
eschäftigen müssen und werden. Dann können wir das
ufnehmen.

Zum Anwendungsbereich der Sicherungsverwahrung
t einiges gesagt worden. Auch ich halte es für kritisch,
ass die Sicherungsverwahrung generell anwendbar sein
oll, wenn die Tat im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von
indestens zehn Jahren bedroht ist. Wir hatten eigent-
ch eine andere Aussage. Es wurde nämlich angekün-
igt – das hat mir sehr gut gefallen; das habe ich unter-
tützt –, die Sicherungsverwahrung auf Straftaten gegen
ie körperliche Unversehrtheit, das Leben und die sexu-
lle Selbstbestimmung zu beschränken. Nun ist gesagt
orden, dass auch andere Taten darunterfallen sollen.
ufgrund des schwerwiegenden Eingriffs, den eine Si-

herungsverwahrung darstellt, halte ich das nicht für an-
emessen. Wenn wir uns schon mit dem Thema beschäf-
gen, dann sollten wir den Entwurf grundsätzlich
berarbeiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Zusammenhang mit den Tätern – über die machen
ir alle uns Gedanken –, die im Nachgang dieses Urteils

ntlassen wurden, haben Sie einen Vorschlag unterbrei-
t, den ich persönlich für sehr problematisch halte. Ich
ill nicht so weit gehen wie der Kollege Montag, der

agt, dass das nicht halten wird. Vor Gericht und auf ho-
er See kann man sich nie sicher sein, wie die Sache
usgeht. Ich glaube aber, wir begeben uns auf dünnes
is, wenn wir jetzt den Begriff der psychischen Stö-
ung aufnehmen. In dem Gesetzentwurf wird er nicht
efiniert. Zumindest sehe ich keine eindeutige Defini-
on. Momentan kommt ein Gewalttäter, der psychisch
rank ist, gar nicht ins Gefängnis, sondern gleich in die
sychiatrie. Bei psychisch kranken und damit unzurech-
ungsfähigen Tätern greift § 63 StGB, der die Unter-
ringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vor-
ieht, weil der Täter zum Zeitpunkt der Tat
chuldunfähig war. Der § 20 StGB, in dem die Schuld-
nfähigkeit definiert ist, enthält die Merkmale „krank-
afte seelische Störung“, „Schwachsinn“ und „schwere
ndere seelische Abartigkeit“. Angesichts der Möglich-





Christine Lambrecht


(A) )



(B)

keit, dass bei der Verurteilung eines Straftäters diese
Merkmale noch nicht vorgelegen haben und sie sich erst
während der Haft zeigen, sollten wir uns allerdings Ge-
danken über die Ausgestaltung des Strafvollzugs ma-
chen. Auch diese Frage müssen wir uns im Rahmen der
Debatte stellen.

Ich habe es schon ausgeführt: Bei vielen Punkten in
diesem Entwurf, über die noch zu sprechen ist – Stich-
wort: psychische Störung, – befinden wir uns auf sehr
dünnem Eis. Ich würde gerne dabei mithelfen, dies zu
ändern. Dazu ist es aber erforderlich – das sage ich hier
ganz ohne Aufgeregtheit –, dass Sie uns mit einbinden.
Versuchen Sie nicht, dieses Gesetzesvorhaben in einem
Hauruckverfahren durchzuziehen. Nehmen Sie unsere
Kritikpunkte auf, die keineswegs an den Haaren herbei-
gezogen sind und die auch nicht der politischen Profilie-
rung dienen. Versuchen Sie nicht, zwei Tage nach einer
Anhörung das Gesetzgebungsverfahren abzuschließen.
Dafür eignet sich dieses Gesetz nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist von der Koalition längst vorgesehen!)


Wenn Sie diese Voraussetzung erfüllen, dann garan-
tieren Olaf Scholz und ich im Namen der AG Recht,
dass wir an diesem Entwurf kritisch-konstruktiv mitar-
beiten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706902600

Das Wort hat jetzt der Kollege Ansgar Heveling von

der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Ansgar Heveling (CDU):
Rede ID: ID1706902700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

gehört zu den essenziellen Grundlagen des freiheitlichen
Rechtsstaats, dass der Entzug der persönlichen Freiheit
nur in sehr engen Grenzen und ausschließlich unter
Wahrung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden
darf. Den entscheidenden Anknüpfungspunkt in unse-
rem Sanktionssystem des Strafrechts bildet dabei norma-
lerweise die Schuld. Sie ist die Grundlage der Strafzu-
messung. Somit ist dem Grunde nach auch nur ein
solcher auf Dauer angelegter Freiheitsentzug möglich,
der in einem angemessenen Verhältnis zur Schuld steht.

Damit aber stößt der freiheitliche Rechtsstaat in eini-
gen Fällen an eine Grenze respektive gerät in Kollision
mit einem anderen ihn tragenden Prinzip: Der Staat hat
nämlich ebenso die Freiheit und die körperliche Unver-
sehrtheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu schützen.
Dazu bedarf es nicht nur der notwendigen gesetzlichen
Regelungen. Die Rechtsordnung muss vom Staat durch-
gesetzt werden und dadurch das Vertrauen der Bevölke-
rung in den Schutz der Rechtsordnung sichergestellt
werden.

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(C (D Wenn es also um Straftäter geht, die ihre schuldangeessene Strafe verbüßt haben, bei denen aber erkennbar ie Gefahr besteht, dass sie nach der Freilassung wieder chwere Straftaten begehen werden, muss der Staat zum chutz seiner Bürgerinnen und Bürger gleichwohl haneln. Eine Orientierung an der Schuld des Täters scheiet an dieser Stelle selbstverständlich aus. Unser Strafrechtssystem ist daher durch eine Zweipurigkeit gekennzeichnet. Neben den schuldbezogenen anktionen gibt es die Maßregeln der Besserung und Siherung, zu denen eben auch die Sicherungsverwahrung ehört. Mit ihrer Hilfe soll der Schutz der Bevölkerung adurch gewährleistet werden, dass Straftäter nach Verüßung ihrer schuldangemessenen Strafe im Falle fortestehender Gefährlichkeit durch freiheitsentziehende aßnahmen an der Begehung neuer schwerer Straftaten ehindert werden. So klar und zwangsläufig dieser Handlungsauftrag uch ist, so schwierig ist es im Detail, ihm adäquat nachukommen; denn natürlich sind die Anforderungen an ie Freiheitsentziehung auf der Grundlage einer prognosschen Beurteilung der Gefährlichkeit ausgesprochen och. Selbstverständlich bedarf es eines engmaschigen chtsstaatlichen Kontrollund Überprüfungssystems, m Fehlentwicklungen vorzubeugen. Nur so lässt sich ie Sicherungsverwahrung auch rechtssicher ausgestaln. Mit einem einfachen und saloppen „Deswegen kann s nur eine Lösung geben: Wegschließen – und zwar für mer!“, wie wir es seinerzeit von Kanzler Schröder ge ört haben, ist es, was die Kontrollsysteme angeht, siherlich nicht getan. Das ist zu plakativ gewesen. Im inzelnen bedarf es da sehr differenzierter Regelungen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU hat damals nicht widersprochen nach meiner Erinnerung!)


Die Sicherungsverwahrung hat in den 90er-Jahren zu-
egebenermaßen deutlich an Bedeutung gewonnen. Seit
ieser Zeit hat es eine ganze Reihe von Änderungen und
rgänzungen gegeben. Die vorbehaltene Sicherungsver-
ahrung ist 2002 eingeführt worden, die nachträgliche
icherungsverwahrung 2004. Durch das Gesetz zur Be-
ämpfung von Sexualdelikten von 1998, das 6. Gesetz
ur Reform des Strafrechts sowie das Gesetz zur Einfüh-
ng der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung sind an

llen Vorschriften zur Sicherungsverwahrung Änderun-
en vorgenommen worden. All das hat zugegebenerma-
en zu systematischen Unzulänglichkeiten, komplizier-
n Formulierungen und auch lückenhaften Regelungen
eführt.

Mit dem Koalitionsvertrag hatte sich die christlich-
berale Koalition daher bereits darauf verständigt, eine
armonisierung der gesetzlichen Anordnungsvorausset-

ungen europarechtskonform vorzunehmen und Schutz-
cken im geltenden Recht zu schließen. Zu diesem von

er Koalition selbstgesteckten Handlungsziel ist zwi-
chenzeitlich ein durch eine Entscheidung des Europäi-
chen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgelöster
andlungsdruck getreten. Er hat im Dezember des ver-
angenen Jahres und im Mai dieses Jahres in einem
)





Ansgar Heveling


(A) )


)(B)

Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ent-
schieden, dass eine Sicherungsverwahrung weder nach-
träglich angeordnet noch verlängert werden darf, wenn
die gesetzliche Grundlage hierzu erst nach der Tat ge-
schaffen worden ist. Das trifft im Hinblick auf die oben
beschriebenen Änderungen am Recht der Sicherungsver-
wahrung, die über die Jahre eingeführt worden sind, auf
manche Täter allerdings zu. Auch daraus, dass mittler-
weile einige Täter freigelassen werden mussten und nun-
mehr – Herr Kollege Dr. Krings hat es beispielhaft aus-
geführt – rund um die Uhr polizeilich überwacht werden
müssen und dass weitere Entlassungen drohen, hat sich
ein unmittelbarer Handlungsdruck ergeben.

Durch die vorliegenden Gesetzentwürfe der CDU/
CSU und FDP kommt die christlich-liberale Koalition
den Handlungsaufträgen zeitnah nach. Neben einer Kon-
solidierung der primären Sicherungsverwahrung wird
die vorbehaltene Sicherungsverwahrung ausgebaut, und
bestehende Schutzlücken werden geschlossen. Schließ-
lich wird mit der Möglichkeit zur elektronischen Aufent-
haltsüberwachung ein neues Instrument im Zusammen-
hang mit der Führungsaufsicht etabliert.

Durch den Gesetzentwurf der christlich-liberalen
Koalition werden im Einzelnen die folgenden Schutz-
lücken beseitigt:

Erstens. Die Rückfallverjährung bei Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung wird von fünf auf zehn
Jahre verlängert.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war keine Schutzlücke!)


Damit reagieren wir auf Erkenntnisse kriminologischer
Untersuchungen, die nahelegen, dass insbesondere Se-
xualstraftäter nicht ganz selten erst nach fünf bis zehn
Jahren in Freiheit rückfällig werden. Statt der bisherigen
generellen Verjährungsregel von fünf Jahren wird daher
die Rückfallverjährung speziell für Sexualstraftäter auf
zehn Jahre verlängert.

Zweitens. Bei der vorbehaltenen Sicherungsverwah-
rung entfällt das Erfordernis der sicheren Feststellung ei-
nes Hanges des Täters zu erheblichen Straftaten. An der
Feststellung dieser Voraussetzung ist der Vorbehalt der
Sicherungsverwahrung in der Vergangenheit oftmals ge-
scheitert. Diese Anforderung wird daher künftig aufge-
geben.

Drittens. Künftig kann die vorbehaltene Sicherungs-
verwahrung auch für Ersttäter angeordnet werden.
Hierzu steht im bislang geltenden Recht ausschließlich
die nachträgliche Sicherungsverwahrung zur Verfü-
gung. Da für deren Anordnung jedoch die Feststellung
neuer Tatsachen, sogenannter Nova, erforderlich ist, ist
es in der Vergangenheit wiederholt dazu gekommen,
dass weiterhin hochgefährliche Täter nach dem Verbü-
ßen ihrer Strafe in die Freiheit entlassen werden muss-
ten, weil die Gefährlichkeit bereits zum Zeitpunkt der
Anlassverurteilung und noch am Vollzugsende gegeben
war. Somit lagen keine neuen Tatsachen vor. Für die An-
ordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung sind
solche Nova nicht erforderlich.

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(C (D Herr Kollege Heveling, erlauben Sie eine Zwischen age des Kollegen Montag? Ich würde gerne in meiner Rede fortfahren. Wir kön en in den Ausschussberatungen konstruktiv über die nstehenden Fragen diskutieren. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hätte Ihnen Gelegenheit gegeben, noch mehr zu sagen!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706902800
Ansgar Heveling (CDU):
Rede ID: ID1706902900

Da für die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungs-
erwahrung Nova nicht erforderlich sind, wird den Ge-
chten ein einfacher zu handhabendes Instrument zur
erfügung gestellt, das helfen kann, den Wegfall der
achträglich verhängten Sicherungsverwahrung auszu-
leichen.

Mit der Möglichkeit der elektronischen Aufenthalts-
berwachung im Rahmen der Führungsaufsicht wird
chließlich ein neues Instrument zur Überwachung sol-
her Gewalt- und Sexualstraftäter eingeführt, bei denen
ufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichts-
ofs für Menschenrechte eine freiheitsentziehende Maß-
ahme aus Rechtsgründen ausscheidet.

Keine Frage: Eine solche elektronische Aufenthalts-
berwachung ist aus unserer Sicht kein gleichwertiger
rsatz für eine sichere Verwahrung, und wir dürfen kei-
esfalls den Eindruck erwecken, mit diesem Instrument
ine Möglichkeit zur Gewährleistung hundertprozentiger
icherheit anzubieten. Da die Rechtslage es bei einigen
ersonen indessen nicht zulässt, eine Unterbringung
urchzuführen, ist es immerhin ein Hilfsmittel, um die
ann notwendige Überwachungsarbeit der Polizei zu er-
ichtern.

Unsere Rechtsordnung dient dem Schutz der Bürge-
nnen und Bürger. Es ist Aufgabe des Staates, Straftaten
u verfolgen und zu ahnden. Genauso ist es Aufgabe des
eiheitlichen Rechtsstaates, die Freiheit seiner Bürgerin-
en und Bürger zu sichern. Der Staat muss aktiv das Le-
en und die Unversehrtheit der Bevölkerung schützen.

Der vorliegende Gesetzentwurf dient dazu, dem Staat
ie nötigen Instrumente rechtssicher an die Hand zu ge-
en, um diesem Schutzauftrag effektiv und angemessen
achkommen zu können, natürlich unter Beachtung der
chtsstaatlichen Anforderungen, die an freiheitsentzie-

ende Maßnahmen zu stellen sind. Auch wenn wir – be-
ingt durch die Entscheidung des Europäischen Ge-
chtshofs für Menschenrechte – unter zusätzlichen
andlungsdruck gesetzt wurden, ist der Boden für eine
rdnungsgemäße und sachgerechte Beratung des Gesetz-
ntwurfes gegeben. Eine Sachverständigenanhörung ist
ereits terminiert.


(Beifall bei der CDU/CSU)


icherlich wird über viele Fragen zu diskutieren sein.
ir sollten zügig, aber in Ruhe, mit der gebotenen Sorg-
lt und vor allem konstruktiv beraten.





Ansgar Heveling


(A) )


)(B)

Ich lade noch einmal diejenigen dazu ein, die bisher
geäußert haben, dass sie dagegen sind bzw. nicht bereit
sind, sich konstruktiv einzubringen. Für einige gibt es
offenbar nur zwei Möglichkeiten: Entweder man bringt
sich gar nicht ein, oder man bringt sich destruktiv ein.
Wir würden uns wünschen, dass wir zu einer konstrukti-
ven Beratung kommen und am Ende dafür sorgen, dass
der Staat seinem Schutzauftrag gegenüber den Bürgerin-
nen und Bürgern angemessen und effektiv nachkommen
kann.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706903000

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt

erteile ich das Wort dem Kollegen Stephan Mayer von
der CDU/CSU-Fraktion.


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1706903100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Der heute in erster Lesung zu beratende
Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der
Sicherungsverwahrung ist aus meiner Sicht ein gelunge-
ner Kompromiss zwischen den Persönlichkeitsrechten
von Strafgefangenen auf der einen Seite – Strafgefan-
gene, auch Sexualstraftäter, verfügen über Grundrechte
und das Anrecht auf eine zweite Chance – und den be-
rechtigten Sicherheitsbedürfnissen der Bürgerinnen und
Bürger in Deutschland und der Anforderung an uns, sie
vor schwersten und schändlichsten Straftaten zu schüt-
zen, auf der anderen Seite. Bei dem einen oder anderen
Gesetz mag man durchaus einkalkulieren, dass man auf
Lücke geht. Bei diesem Gesetz dürfen wir beileibe nicht
auf Lücke gehen. Hier geht es darum, dass wir schänd-
lichste und verwerflichste Straftaten in Deutschland ver-
meiden müssen.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Men-
schenrechte vom 17. Dezember letzten Jahres – es ist
schon erwähnt worden – hat uns, gelinde gesagt, vor
große Herausforderungen gestellt. Ich glaube, dass wir
mit diesem Gesetzentwurf unter Beweis gestellt haben,
dass wir diese Herausforderung ernst genommen haben.
Wir nehmen unseren Auftrag ernst, alles dafür zu tun,
dass keine Gefahr mehr von den Personen ausgeht, die in
der Vergangenheit leider unter Beweis gestellt haben,
dass sie nicht in der Lage sind, sich selbst davor zu be-
wahren, Mitmenschen, vor allem Kinder, Jugendliche
und besonders Mädchen, zu überfallen, zu vergewaltigen
und in einigen Fällen sogar zu ermorden.

Ich möchte der Behauptung, die Sicherungsverwah-
rung in Deutschland sei exorbitant ausgeufert, entgegen-
treten. Im Jahr 2009 gab es etwas mehr als 61 000 Straf-
gefangene in Deutschland. Davon befanden sich 491 Per-
sonen in Sicherungsverwahrung. Also gerade einmal
0,8 Prozent derjenigen, die sich in Justizvollzugsanstal-
ten in Deutschland befunden haben, waren Sicherungs-
verwahrte. Ich denke, man kann beileibe nicht sagen,
dass die Sicherungsverwahrung in den letzten Jahren ex-
orbitant ausgeufert ist.

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(C (D Die Hälfte derjenigen, die sich in Sicherungsverwahng befinden, sind Sexualstraftäter, etwas mehr als ein rittel sind Gewaltstraftäter; das war auch in der Verangenheit schon so. Diesem Personenkreis müssen wir ns zuvorderst zuwenden. Herr Kollege Mayer, erlauben Sie eine Zwischenfrage es Kollegen Montag? Selbstverständlich. Immer sehr gerne. Bitte schön, Herr Montag. Ich danke, Herr Präsident. – Ich danke auch Ihnen, err Mayer, dass Sie sich meine Frage anhören wollen nd sie hoffentlich beantworten werden. Herr Kollege, ie haben soeben darauf hingewiesen, dass der Prozentatz derjenigen, die sich in Sicherungsverwahrung befinen, im Verhältnis zu denen, die sich in Strafhaft befinen, minimal ist. Das gestehe ich Ihnen zu. Aber würden Sie mir zustimmen, dass in den letzten ehn Jahren in Deutschland die Zahl der Sicherungsverahrten um 140 Prozent zugenommen hat, und zwar von nter 200 auf 490 Personen? Inzwischen sind es über 00 Personen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die riminalität in den einschlägigen Bereichen dieser ganz chlimmen Gewaltkriminalität nicht steigt, sondern inkt, dass die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik eutschland nicht zunimmt, sondern abnimmt und dass ie Aufklärungsquoten steigen. Wenn man diese Zahlen ur Kenntnis nimmt, müssen wir also eigentlich feststeln: Wir haben einen exorbitant hohen Zuwachs bei der ahl der Sicherungsverwahrten. Lieber Herr Kollege Montag, ich nehme zur Kennt is, dass die absolute Zahl derjenigen, die in Sicherungserwahrung sind, mit Sicherheit in den letzten Jahren getiegen ist. Das bestreite ich gar nicht. Aber relativ esehen ist – deswegen war es mir wichtig, die absoluten ahlen zu nennen – dieser Anteil im Verhältnis zu denjeigen, die insgesamt in Deutschland in Strafhaft sind, inimal. Lieber Herr Kollege Montag, wir können uns schön ber Prozentzahlen und über den Anstieg von 200 auf 00 Personen unterhalten. Die Bevölkerung – davon bin h fest überzeugt – interessiert dies herzlich wenig. Wir aben die Aufgabe, alles dafür zu tun, dass von denjenien Sexualstraftätern, die gefährdet sind, wieder rückfälg zu werden, in Zukunft keine Gefahr mehr ausgeht. ine Mutter oder einen Vater, die oder der betroffen ist lieber Herr Kollege Montag, ich habe einen derartigen all bei mir im Wahlkreis –, interessiert es herzlich enig, wenn Sie sagen, im Mittel sei die Kriminalität in Stephan Mayer )


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706903200
Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1706903300
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706903400
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706903500
Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1706903600




(A) )

Deutschland zurückgegangen, auch bei den einschlä-
gigen Delikten, und es könne doch nicht sein, dass es
200 oder 300 Sicherungsverwahrte mehr in Deutschland
gebe.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie selber müsste es interessieren!)


Das ist lapidar. Diesen Vorwurf muss ich Ihnen machen.
Lieber Herr Kollege Montag, gehen Sie bitte nicht so la-
pidar mit den berechtigten Sicherheitsbedürfnissen der
Bevölkerung in Deutschland um.

Ich möchte einen Fall aus meinem Wahlkreis hier er-
wähnen. Ein 16-jähriges Mädchen ist von einem ein-
schlägig vorbestraften Täter angegriffen worden.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erzählen Sie jetzt dem Plenum!)


– Das gehört schon noch zu Ihrer Frage, lieber Herr Kol-
lege Montag. Ich bitte darum, diesen konkreten Sachver-
halt zur Kenntnis zu nehmen. – Ein 16-jähriges Mädchen
ist mit 27 Messerstichen traktiert und mit Benzin über-
gossen worden. Der Täter hat versucht, das Mädchen zu
vergewaltigen. Es ist wirklich glücklichen, meines Er-
achtens höheren Umständen zu verdanken, dass das
Mädchen überlebt hat und mittlerweile wieder auf dem
Weg der Besserung ist.

Ich möchte Sie bitten, mit den Eltern des Mädchens
ein Gespräch zu führen und den Eltern zu erzählen, die
Sicherungsverwahrung habe in Deutschland exorbitant
zugenommen, was bei einem parallel dazu verlaufenden
Rückgang der Kriminalität in Deutschland doch nicht
hinnehmbar sei. So einfach, lieber Herr Kollege Montag,
dürfen wir es uns beileibe nicht machen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der heute in erster Lesung zu beratende Gesetzent-
wurf ist eine gute Grundlage. Mit Sicherheit – auch das
sage ich ganz offen, Frau Kollegin Lambrecht – werden
wir jeglicher konstruktiven Kritik offen gegenüberste-
hen. Das ist selbstverständlich. Das ist ein Hauptcharak-
teristikum der christlich-liberalen Koalition. Ich sage
aber auch ganz offen: Wir werden nicht nur kritisch hin-
terfragen müssen, was an dem vorliegenden Gesetzent-
wurf vielleicht noch zu liberalisieren ist, sondern wir
müssen den einen oder anderen Aspekt auch dahin ge-
hend kritisch hinterfragen, ob wir nicht hinter den Erfor-
dernissen zurückgeblieben sind. Auch das sage ich ganz
ehrlich.


(Christine Lambrecht [SPD]: Nennen Sie das doch mal!)


Ich denke zum Beispiel an den Bereich der Rückfall-
verjährung. Die Rückfallverjährung ist zwar jetzt im
Gesetzentwurf von 5 Jahren auf 10 Jahre erhöht worden,
aber Sie wissen aus der Praxis – das ist vom Kollegen
Heveling schon erwähnt worden –, dass die zu kurze
Rückfallverjährung von bislang 5 Jahren häufig ein
Grund dafür war, dass die Sicherungsverwahrung nicht
angeordnet werden konnte. Ich sage ganz offen: Man
muss sich mit Sicherheit Gedanken machen, ob man die

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(C (D ückfallverjährung nicht von 10 Jahren auf 15 oder vielicht sogar auf 20 Jahre erhöht. Ein weiterer Punkt, der sehr positiv anzumerken ist, t, dass jetzt der Zeitraum zwischen der Anlassverurteing und der letzten Möglichkeit zur Anordnung der Si herungsverwahrung deutlich verlängert werden soll. amit entsteht für die Staatsanwaltschaften und für die ollstreckungsgerichte wesentlich mehr Flexibilität. Das eißt, die Sicherungsverwahrung kann bis zur vollstänigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe angeordnet weren. Bislang war es so, dass dies nur bis sechs Monate or Vollzug der Zweidrittelstrafe möglich war. Dies war in Hemmnis für die Vollstreckungsgerichte. Insoweit ist as, glaube ich, eine sehr gute Neuerung. Ein weiterer sehr wesentlicher Aspekt des vorliegenen Gesetzentwurfes – auch dieser hat mit dem Fall in öging in meinem Wahlkreis zu tun – ist, dass die Sichengsverwahrung in Zukunft auch angeordnet werden ann, wenn im Anschluss an den Aufenthalt in einem sychiatrischen Krankenhaus noch eine Restfreiheitstrafe zu vollstrecken ist. Der konkrete Fall, den ich erähnt habe, war so gelagert, dass der Täter nicht in Si herungsverwahrung genommen werden konnte, weil er enau unter den gerade beschriebenen Sachverhalt fiel. a dieser bislang nämlich noch nicht geregelt war, onnte der BGH deshalb leider nicht anders handeln, als ie Sicherungsverwahrung, die von der Staatsanwaltchaft beantragt war, abzulehnen. Diese Regelung des orliegenden Gesetzentwurfes ist also, wie man sieht, ine für die Praxis sehr relevante Neuerung. Erfreulich ist ebenfalls, dass die vorbehaltene Sichengsverwahrung auf den Kreis der Ersttäter erweitert ird. Außerdem wird auf die Regelung, dass ein Hang es Betroffenen zur Begehung weiterer Straftaten vorlieen muss, verzichtet. Der Umstand, dass ein Hang zur egehung einer weiteren Straftat nicht mit Sicherheit achgewiesen werden konnte, war in der Vergangenheit äufig der Grund, warum keine Sicherungsverwahrung ngeordnet werden konnte. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich möchte icht verhehlen, dass der Verzicht auf das Instrument er nachträglichen Sicherungsverwahrung für Neulle meines Erachtens bedauerlich ist, nehme aber zur enntnis – das sage ich ganz offen –, dass dieses Instruent in der Vergangenheit nur in sehr wenigen Fällen nwendung gefunden hat; die Fallzahl in ganz Deutschnd war einstellig. Vor diesem Hintergrund kann man uf das Instrument der nachträglichen Sicherungsverahrung vielleicht verzichten. Ich persönlich hätte zwar erne gesehen, dass es Bestandteil des Instrumentenkasns bleibt, damit im Fall der Not, wenn sich erst wähnd des Strafvollzugs herausstellt, dass von einer Per on größte Gefahr ausgeht, doch noch die nachträgliche icherungsverwahrung angeordnet werden kann. Aber es Kompromisses wegen haben wir uns bereit erklärt, uf das Instrument der nachträglichen Sicherungsverahrung für Neufälle zu verzichten. Stephan Mayer )


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





(A) )

Ich bin sehr froh, dass es mit dem Entwurf eines Ge-
setzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch
gestörter Gewalttäter gelungen ist, den Umgang mit den
sogenannten Altfällen europarechtskonform und verfas-
sungskonform zu regeln.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das sehen wir noch, ob das europarechtskonform ist!)


Um es ganz klar zu sagen: Ziel der Unterbringung muss
immer sein, die Personen so zu therapieren, dass sie ir-
gendwann entlassen und in das Rechtsleben eingeglie-
dert werden können. Man muss deswegen stets den An-
satz verfolgen, die Unterbringung so kurz wie möglich
zu halten.

Ich bin auch froh – das ist ein ganz wesentlicher
Punkt, gerade mit Blick auf die innere Sicherheit –, dass
in die Regelungen des vorliegenden Gesetzentwurfes
auch die Personen einbezogen werden können, die schon
entlassen worden sind. Kollege Dr. Krings hat darauf
hingewiesen: Einige sind schon wieder auf freiem Fuß.
Dadurch werden teilweise Hunderte von Polizeibeamten
gebunden. Es sind nämlich ungefähr 20 Polizeibeamte
erforderlich, um einen Entlassenen rund um die Uhr zu
bewachen; dadurch entstehen Kosten, die in die Hun-
derttausende gehen. Mit dem Gesetz zur Therapierung
und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter wird
auch dieser Personenkreis erfasst. Ich glaube, dies ist
insbesondere im Hinblick auf die Sicherheitsbedürfnisse
ein ganz wichtiger Aspekt.

Ich möchte nicht verhehlen, dass es aus meiner Sicht
durchaus überlegenswert ist, den Personenkreis, der un-
ter dem Gesetz zur Therapierung und Unterbringung
psychisch gestörter Gewalttäter zu subsumieren ist, zu
erweitern. Aktuell umfasst er Personen, die psychisch
krank sind.


(Christine Lambrecht [SPD]: Psychisch gestört!)


Ich möchte anregen, intensiv darüber nachzudenken, ob
es nicht notwendig ist, auch Personen einzubeziehen,
von denen konkret und mit hinreichender Wahrschein-
lichkeit die Gefahr der Begehung einer potenziell schwe-
ren Straftat ausgeht. Dieses Recht müssen wir uns auf je-
den Fall nehmen.

Lieber Herr Kollege Scholz, ich hoffe, dass Sie nicht
nur bereit sind, über eine Vereinfachung oder Liberali-
sierung dieses Gesetzentwurfes konstruktiv und kritisch
mit uns zu diskutieren, sondern auch dann, wenn es da-
rum geht, die eine oder andere vielleicht noch vorhan-
dene Lücke zu schließen.

Unter dem Strich kann man sagen: Der vorliegende
Gesetzentwurf stellt einen ausgewogenen Kompromiss
dar, der eine gute Diskussionsgrundlage für den weiteren
Fortgang der Verhandlungen in diesem Hohen Hause
sein wird. In diesem Sinne glaube ich, dass wir auf den
Gesetzentwurf, der heute vorgelegt wurde, stolz sein
können.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Nun möchte uns der Kollege Montag noch mit einer bschließenden Kurzintervention erfreuen. Ich gebe ihm azu das Wort. Ich danke Ihnen, Herr Präsident. – Herr Kollege ayer, Sie haben in der Beantwortung meiner Frage uch zu Dingen Stellung genommen, nach denen ich icht gefragt habe; das ist aber in Ordnung. Ich will Ihnen sagen, dass ich den Ernst akzeptiere, it dem Sie über den schrecklichen Fall in Ihrem Wahl reis, den ich kenne, berichtet haben. Ich verzichte hier n dieser Stelle darauf, ebenfalls über in meinem Wahlreis vorgekommene schreckliche Vorfälle zu berichten, itte Sie nur herzlich, Folgendes zur Kenntnis zu nehen und in der weiteren Debatte zu beherzigen: Zwi chen uns gibt es keine Differenz, wenn es darum geht, pferempathisch, den Opfern zugewandt, Rechtspolitik u betreiben. Sie waren derjenige, der in seiner Rede die Zahlen anesprochen hat. ie waren derjenige, der in seiner Rede erklärt hat, die ahl der Sicherungsverwahrten sei verschwindend ering. Deswegen habe ich mir erlaubt, Sie darauf hinuweisen, dass 500 Sicherungsverwahrte gegenüber 0 000 Strafgefangenen natürlich wenige sind. 500 Siherungsverwahrte sind gegenüber der Bevölkerungsahl von 80 Millionen sogar verschwindend wenige, ber wir müssen uns die Tendenz im Rechtsinstitut der icherungsverwahrung anschauen. Dabei stellen wir ine eklatante Ausweitung fest, ohne dass es entsprehende Begleitindikatoren dafür gibt, wie eine zunehende Kriminalität oder irgendetwas anderes, durch die as begründet würde. Bei gleichbleibenden äußeren Beingungen und leicht sinkender Schwerstkriminalität teigt die Zahl der Sicherungsverwahrten exorbitant an. as muss uns als Rechtspolitiker berühren und befassen. Bei aller Berechtigung der Sicht auf die Opfer und auf en Schrecken der Verbrechen, die begangen werden: ir können Rechtspolitik hier im Hohen Hause nicht usschließlich aus diesem Blickwinkel heraus betreiben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706903700
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706903800

(Christine Lambrecht [SPD]: Danke schön!)


(Christine Lambrecht [SPD]: Ja!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706903900

Herr Kollege Mayer, zur Erwiderung, bitte.


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1706904000

Lieber Herr Kollege Montag, wir kennen uns seit ge-

umer Zeit und Sie wissen, dass ich Ihnen in keiner
eise Ernsthaftigkeit und Seriosität abspreche, wenn es

m eine Debatte über derart schwierige Themen und vor
llem auch über derart gravierende und schwerwiegende
chicksale geht. Ich habe die Zahlen nur deshalb ge-





Stephan Mayer (Altötting)



(A) )


)(B)

nannt, um einmal zu verdeutlichen, dass wir nicht, wie
häufig leider behauptet wird, Hunderte – manche be-
haupten sogar: Tausende –


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Niemand behauptet das!)


Sicherungsverwahrte hier in Deutschland haben.

Wir müssen aber auch die Praxis mitberücksichtigen.
Sie haben natürlich recht: Wir können uns bei unserer
Gesetzgebung und unseren Diskussionen nicht nur von
den praktischen Fällen und den Befindlichkeiten in der
Bevölkerung leiten lassen. Ich bitte aber schon, auch zu
sehen, dass all das, was wir hier diskutieren und am
Ende auch verabschieden, zunächst einmal zwar abstrakt
ist, in der Lebenswirklichkeit draußen dann aber sehr
schnell konkret wird. Deswegen bitte ich darum – ich
weiß, dass Sie hier auch die notwendige Sensibilität an
den Tag legen –, dass wir auch diese praktischen Fälle
– ich habe mir erlaubt, nur einen ganz unaufgeregt und,
wie ich denke, sachlich darzustellen – in unsere Ver-
handlungen mit einbeziehen. Das war mein Ansinnen.

Ich weiß – hierüber haben wir uns in der Haushaltsde-
batte ja auch schon einmal ausgetauscht –, dass es richtig
ist, die Anzahl der Deliktarten zu reduzieren, für die eine
Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann. Ich
habe dies auch kurz erwähnt. Mir geht es in erster Linie
wirklich um die Sexualstraftäter und um die Gewalttäter.
Ich möchte niemanden – das ist heute auch schon er-
wähnt worden – wegen Heiratsschwindels, Betrugs oder
Diebstahls in Sicherungsverwahrung sehen. Hier haben
Sie uns mit Sicherheit auf Ihrer Seite.


(Christine Lambrecht [SPD]: Dann streichen Sie es doch!)


Insoweit haben wir wirklich eine gute Gesprächs-
grundlage für die weiteren Debatten, und ich denke, in
diesem konstruktiven Zusammensein werden wir dies
weiter voranbringen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706904100

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 17/3403 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
andere Vorschläge? – Das scheint nicht der Fall zu sein.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 28 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Edgar Franke, Bärbel Bas, Petra Ernstberger,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Patientenschutz statt Lobbyismus – Keine
Vorkasse in der gesetzlichen Krankenversiche-
rung
– Drucksache 17/3427 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit

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(C (D Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für ie Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Gibt s Widerspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann t das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Reder dem Kollegen Dr. Karl Lauterbach von der SPDraktion das Wort. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Wir beschäftigen uns heute mit dem Thema ostenerstattung. Das haben wir in der Öffentlichkeit ja Vorkasse“ genannt. Ich werde gleich in meinem Vortrag egründen, weshalb das angemessen ist, auch wenn das em Minister nicht gefällt, weil er es lieber etwas anders enannt hätte. Es handelt sich um einen weiteren Vorschlag, den inister Rösler bzw. die Union und die FDP hier vortra en, wie man den gesetzlich Versicherten das Geld aus er Tasche ziehen kann. Das ist das Thema, über das wir eute sprechen. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Über das Sie sprechen!)


(Beifall bei der SPD)

Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Rede ID: ID1706904200

Es geht darum: Der Patient hat demnächst vermeint-
ch die Wahlmöglichkeit, die Leistung beim Arzt im
rinzip privat in Auftrag zu geben. Er unterschreibt da-
r einen Behandlungsvertrag und bekommt dann später

inen Teil dieser Leistungen von der gesetzlichen Kran-
enkasse erstattet. Einen Teil muss er selbst bezahlen, er
uss auch eine Verwaltungsgebühr bezahlen, und er
uss solche Leistungen bezahlen, die er sonst niemals in
nspruch genommen hätte. Ich fasse einmal zusammen,
ie das System funktioniert. Sie gehen zum Arzt, der
rzt macht mit Ihnen einen Vertrag. Dann wird die Leis-
ng erbracht. Die Leistung wird von Ihnen teurer be-

ahlt, als wenn Sie in der gesetzlichen Kasse wären. Sie
ahlen nämlich einen Verwaltungsaufschlag und müssen
inen Teil der Kosten selbst tragen. Den anderen Teil der
osten müssen Sie sich selbst bei der Kasse besorgen.
er Vorschlag beinhaltet sozusagen netto eine Mehrbe-
stung für den Versicherten, und es ist sehr bürokra-
sch.

In der Anhörung haben wir gehört, dass zum Beispiel
ie AOK schätzt, dass man im Durchschnitt auf
0 Prozent der Kosten sitzen bleibt. Das bedeutet, dass
ie zum Beispiel bei einer Herzkatheteruntersuchung auf
00 oder 700 Euro sitzen bleiben. Wenn Sie die Einsprit-
ung eines Medikaments in die Augen vornehmen las-
en, um die Gefäße dort nicht wachsen zu lassen – viele
atienten kennen das, Lucentis usw. –, dann müssen Sie
elbst 300 Euro bezahlen. Sie kriegen nur Teilbeträge
rstattet. Darauf läuft es hier hinaus.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Muss doch keiner!)


Jetzt ist die Frage, weshalb ein solches Vorgehen
berhaupt vorgeschlagen wird. Wer verlangt nach einem
olchen Vorschlag? Wer will einen solchen Vorschlag?
s ist ganz einfach: Minister Rösler und die FDP versu-





Dr. Karl Lauterbach


(A) )


)(B)

chen damit auf Kosten des Bürgers, ihr ramponiertes
Image bei den Ärzten wieder aufzupolieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist es, worum es hier geht: Abkassieren, um sich bei
den Ärzten – insbesondere bei den Fachärzten, die ja für
Sie eingetreten sind, Frau Flach, und von denen man
jetzt bei jeder Veranstaltung hört, dass sie niemals mehr
die FDP so unterstützen würden – wieder anzudienen.
Somit geben Sie hier – ich sage es mal so – etwas zu-
rück.

Aber was bedeutet das? Worauf wird das hinauslau-
fen? Na ja, wir sind am Vorabend der Einführung der
Dreiklassenmedizin. Demnächst wird Patient erster
Klasse der sein, der privat versichert ist. Dann kommt
der Patient zweiter Klasse, der in der Lage ist, in Vor-
kasse zu treten.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Sie immer mit Ihren Horrorgeschichten!)


Und dann kommt die Holzklasse. Das ist derjenige, der
nicht in Vorkasse treten kann oder will. Das ist das, wo-
rauf es hinausläuft: Dreiklassenmedizin – privat, gesetz-
lich mit Vorkasse und Holzklasse.

Sie werden dann einen Termin bekommen können,
wenn Sie ankündigen, dass Sie privat versichert sind. Sie
können einen Termin in Anspruch nehmen, wenn Sie an-
kündigen, dass Sie bereit sind, in Vorkasse zu treten. An-
sonsten sind Sie Bittsteller beim Arzt. Ein solches Sys-
tem wird von uns, auch von der Bevölkerung,
kategorisch abgelehnt. Sie machen hier Politik gegen die
Bevölkerung für eine kleine Gruppe von skrupellosen
Ärzten,


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der FDP)


die nur bereit sind, Termine zu vergeben, wenn per Vor-
kasse bezahlt werden kann. Das ist es, worum es Ihnen
geht, meine sehr verehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD – Jens Spahn [CDU/ CSU]: Können Sie einmal sagen, was wir gemeinsam mit Ihnen eingeführt haben?)


Der Minister argumentiert dagegen und sagt – das
habe ich auch schon vom Kollegen Spahn gehört –: Das
ist eine freiwillige Angelegenheit, das muss man ja nicht
machen, dazu ist man ja nicht gezwungen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Maria Michalk [CDU/CSU]: Er weiß nicht mehr, dass er das eingebracht hat! – Heinz Lanfermann [FDP]: Wer hat das denn eingebracht?)


Aber verdummen Sie uns doch hier bitte nicht. Was be-
deutet das denn? Wenn beispielsweise – das ist auch für
Sie wichtig, Herr Lanfermann – die drei Augenärzte ei-
ner Kleinstadt vereinbaren, dass sie nur gegen Vorkasse
behandeln, wenn Sie sich entsprechend verhalten, dann

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(C (D ird es in dieser Kleinstadt augenärztliche Leistungen ur gegen Vorkasse geben. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Was haben Sie für ein Arztbild!)


as bedeutet, dass Sie dann wie gesetzlich Versicherte
ehandelt werden, aber privat bezahlen. Darauf läuft die-
es System hinaus.


(Beifall bei der SPD – Jens Spahn [CDU/ CSU]: Das geht doch gar nicht! So ein Humbug!)


Was wollen Sie denn dagegen unternehmen, wenn ein
rzt einem Patienten vorschlägt, ihm bevorzugt einen
ermin zu geben, wenn er bereit ist, Vorkasse zu leisten?
agegen können Sie nichts unternehmen, wenn es sich
eispielsweise um den einzigen Orthopäden in der Stadt
andelt.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Beschmuddeln Sie nicht Ihren eigenen Berufsstand!)


In den Facharztforen ist doch schon zu lesen: Bei mir
b jetzt nur Termin gegen Vorkasse. – Verdummen Sie
ns doch nicht. Stehen Sie zu dem, was Sie machen: Sie
ollen den Ärzten ein Geschenk machen und beim Bür-
er abkassieren. Etwas anderes zu behaupten, wäre eine
erdummungspolitik, die eines solchen Plenums nicht
ürdig ist.


(Beifall bei der SPD)


Ich komme zum Schluss.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist beruhigend!)


der Summe ist nichts gegen eine Kostenerstattung ein-
uwenden, bei der der Arzt die Rechnung direkt an die
asse schickt, somit also die Kasse direkt die Leistung
es Arztes bezahlt. Aber dass der Versicherte ausgenom-
en wird, zum Beispiel ein Patient mit niedriger Rente
Vorleistung treten und sein letztes Geld zur Verfügung

tellen muss, um die medikamentöse oder schmerzlin-
ernde Behandlung zu bekommen, ist in meinen Augen
nchristlich. Das sage ich in Richtung der Union. Das ist
ine unchristliche, widerliche Abzocke beim Patienten.
as werden Sie nicht ungestraft umsetzen können.

Erinnern Sie sich an meine Worte! Es wird dazu füh-
n, dass Vorkasse eine große Rolle spielen wird, weil

nsonsten die Menschen keine Termine mehr bekommen
erden. Dann werden wir Ross und Reiter nennen


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir haben es zusammen eingeführt!)


nd darauf hinweisen, dass das die Geschenke von FDP
nd Union an eine kleine Gruppe von Ärzten waren. Da-
m geht es hier. Sie sind aber nicht einmal Manns ge-

ug, zu dem Vorschlag zu stehen.


(Beifall bei der SPD – Lars Lindemann [FDP]: Das steht doch heute schon im Gesetz – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir haben es zusammen eingeführt, Herr Lauterbach! – Heinz Lanfermann [FDP]: Politische Demenz!)







(A) )


)(B)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706904300

Das Wort hat der Kollege Erwin Josef Rüddel von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Erwin Rüddel (CDU):
Rede ID: ID1706904400

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Herr Lauterbach, Sie wissen genau, dass die
Welt eine andere ist. Sie und Ihre Fraktion versuchen,
die gesetzlich Versicherten in Angst und Schrecken zu
versetzen.


(Iris Gleicke [SPD]: Nein, das machen Sie!)


Das wird Ihnen aber nicht gelingen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Auch der durchschaubare Versuch, jeden Halbsatz des
Ministers dazu zu nutzen, unter den Versicherten Verun-
sicherung zu verbreiten, wird Ihnen nicht gelingen.


(Iris Gleicke [SPD]: Er sagt ja auch immer nur halbe! – Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Warten Sie ab!)


Ihr vorliegender Antrag ist ein weiterer Beweis dafür,
dass Sie auf dem falschen Weg sind. Die Wahrheit ist:
Wir haben das solidarische Gesundheitssystem mit ei-
nem Reformpaket vor dem Kollaps bewahrt.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)


Wir sorgen dafür, dass unser Gesundheitssystem funk-
tionsfähig bleibt, und wir stellen sicher, dass das 2011
drohende Defizit in Höhe von 11 Milliarden Euro ausge-
glichen wird. Die christlich-liberale Koalition hat getan,
was nötig war.


(Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was hat die Vorkasse damit zu tun?)


Wir stabilisieren die Einnahmen, begrenzen die Ausga-
ben, stellen die Finanzierung auf eine solide Grundlage,
schaffen die Voraussetzungen für mehr Wettbewerb und
sorgen für einen gerechten Sozialausgleich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD)


Der Erfolg unserer Bemühungen zeigt sich daran,
dass die gesetzlichen Krankenkassen im kommenden
Jahr keine Zusatzbeiträge erheben müssen. Das ist ein-
deutig ein Verdienst unseres Reformpakets.


(Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir reden jetzt gerade über Vorkasse!)


Damit sind auch all jene widerlegt, die in den vergange-
nen Wochen und Monaten die Gesundheitsreform der
Koalition teilweise maßlos kritisiert und damit die Bür-
gerinnen und Bürger unnötig in Angst versetzt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Von der SPD habe ich bisher keinen einzigen kontruktiven Vorschlag gehört, weder zur Deckung des im ommenden Jahr ansonsten drohenden Milliardendefiits noch zur langfristigen Stabilisierung der finanziellen rundlagen unseres Gesundheitssystems. (Heinz Lanfermann [FDP]: Wir haben eine Kommission eingerichtet!)


ie kritisieren nur und wollen den Menschen einreden,
ie Gesundheitspolitik könne eine Art Wünsch-dir-was-
rogramm sein, bei dem den einen ständig neue Wohlta-
n versprochen werden und die anderen stets zahlen.

Ein besonders krasses Beispiel für die Kapriolen, die
ie dabei schlagen, ist die Deckelung des Arbeitgeber-
eitrages bei 7,3 Prozent.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706904500

Herr Kollege Rüddel, darf ich Sie kurz unterbrechen?

rau Kollegin Vogler würde Ihnen gerne eine Zwischen-
age stellen.


Erwin Rüddel (CDU):
Rede ID: ID1706904600

Gern.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1706904700

Bitte schön.


Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706904800

Danke, Herr Präsident! – Herr Kollege, vielen Dank,

ass Sie eine Zwischenfrage zulassen. Mir wird nicht
lar, worüber Sie eigentlich reden.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Der ist noch gar nicht fertig!)


enn wir, voraussichtlich in der nächsten Sitzungswo-
he, über den Entwurf eines GKV-Finanzierungsgeset-
es diskutieren werden, können Sie Ihre Lobrede auf das
esetzespaket halten. Aber mir wird überhaupt nicht
lar, wie Vorkasse – über genau diesen Punkt diskutieren
ir heute – zur Finanzierung der gesetzlichen Kranken-
ersicherung beitragen soll; denn weder hat die gesetzli-
he Krankenversicherung dadurch einen einzigen Euro
ehreinnahmen oder um einen einzigen Euro geringere
usgaben, noch haben die Versicherten irgendetwas da-
on. Die Leistungen, die die Ärzte erbringen, müssen
ämlich im Prinzip die gleichen sein, nur dass die Versi-
herten dann mehr dafür zahlen müssen, und das auch
och aus der privaten Tasche.


(Willi Zylajew [CDU/CSU]: Freiwillig!)


Meine Fragen lauten: Wie soll eine Rentnerin mit ei-
er Monatsrente in Höhe von 600 oder 800 Euro in Vor-
asse treten?


(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


as soll die Lidl-Verkäuferin dazu bewegen, einen Ver-
ag mit ihrer gesetzlichen Krankenversicherung über
orkasse abzuschließen, wenn sie doch meistens schon
m 20. eines Monats kein Geld mehr hat?






(A) )


)(B)


Erwin Rüddel (CDU):
Rede ID: ID1706904900

Liebe Frau Kollegin, wir sichern derzeit die Basis da-

für, dass unser Gesundheitssystem stabil bleibt. Wir
müssen alte Denkmuster überwinden. Wir schaffen jetzt
die Basis für strukturelle Veränderungen, um unser Sys-
tem in Zukunft noch transparenter und besser zu ma-
chen. Die Kostenerstattung ist nur eine Möglichkeit und
keine Pflicht.


(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Ziehen Sie es doch zurück!)


Ich werde Ihnen in meinen weiteren Ausführungen bele-
gen, dass das dem einzelnen Patienten mehr Entschei-
dungsfreiheit gibt und ihn nicht drangsaliert.


(Iris Gleicke [SPD]: Da klatscht nicht einmal die eigene Fraktion! Das kann ich verstehen!)


Ich komme zur Deckelung des Arbeitgeberbeitrags
bei 7,3 Prozent zurück: Diese Maßnahme wurde erst-
mals von der rot-grünen Regierung eingeführt und ist ab-
solut sinnvoll. Sie leugnen aber mittlerweile die Urhe-
berschaft.

Meine Damen und Herren, mir ist besonders wichtig,
dass unser Gesundheitssystem sozial bleibt und trans-
parenter wird. Mit unserem Reformpaket gibt es keine
Leistungseinschränkungen für Patienten. Alle Bürge-
rinnen und Bürger erhalten weiterhin die beste medizini-
sche Behandlung und haben am medizinischen Fort-
schritt teil, und – auch das ist wichtig – alle Akteure im
Gesundheitswesen müssen ihren Beitrag leisten.

Wenn Sie uns entgegenhalten, dass von allen Seiten
Kritik an unserem Reformpaket geübt wird, dann kann
ich Ihnen nur antworten: Wenn Lobbyisten jeder Cou-
leur, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften, Kranken-
häuser, Apotheken, Krankenkassen und Pharmaindust-
rie, Ärzte- und Versichertenvertreter einträchtig ihre
Unzufriedenheit kundtun, dann spricht das eigentlich nur
für die Ausgewogenheit dieser Reform und für die ge-
rechte Verteilung der Lasten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Jeder weiß, dass die Menschen immer älter werden
und dass der medizinische Fortschritt zusätzliche Kosten
mit sich bringt.


(Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Eben! Und deshalb ist das eine verfehlte Politik!)


Eine alternde Gesellschaft, die zugleich medizinischen
Fortschritt und eine flächendeckende Versorgung will,
muss wissen, dass die Gesundheitskosten auf Dauer
nicht billiger werden können.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist Ihre Klientelpolitik! Deshalb wird es immer teurer!)


Deshalb müssen wir, wenn wir weiter in die Zukunft
schauen, künftig noch mehr tun. Wir verbinden mit un-
serer Reform nicht den Anspruch, ein Jahrhundertwerk
vorgelegt zu haben. Wir haben vielmehr das umgesetzt,
was sachlich geboten, was finanziell unabweisbar not-

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(C (D endig und deshalb politisch richtig und vernünftig war. m unser Gesundheitswesen langfristig auf eine solide nanzielle Grundlage zu stellen, werden wir noch in dieer Legislaturperiode weitere Schritte unternehmen und en Umbau von teilweise völlig verkrusteten Strukturen Angriff nehmen. Es sind also neue Ideen gefragt. Alte enkmuster müssen überwunden werden, um unser Ge undheitssystem zukunftsfest zu machen. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wer hat Ihnen denn das erzählt?)


Und dann kommen Sie mit diesem Antrag! Schon die
ortwahl beweist, dass es Ihnen nicht um eine konstruk-

ve, auch nicht um eine sachliche Debatte geht, sondern
m Panikmache und Denkverbote.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zuerst zu der Panikmache: Tatsache ist, dass auch
ünftig kein einziger Kassenpatient gezwungen sein
ird, seine Behandlungskosten selbst zu zahlen und sich

nschließend um deren Erstattung bei der jeweiligen
rankenkasse zu kümmern.


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


er das den gesetzlich krankenversicherten Menschen
u suggerieren versucht, verbreitet schlicht und einfach
ie Unwahrheit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Stellen Sie sich doch nicht dumm!)


Dann zu den Denkverboten: Der Bundesgesund-
eitsminister hat von Überlegungen gesprochen, Kas-
enpatienten künftig eine Wahlmöglichkeit einzuräu-
en, die Behandlungskosten selbst zu begleichen und

en Betrag von der Kasse erstattet zu bekommen. Er hat
avon gesprochen, dass mehr Transparenz ins System
ommen muss, dass die Versicherten schwarz auf weiß
ehen sollen, welche Leistungen ihr Arzt abgerechnet
at. Er hat von Kostenbewusstsein gesprochen und da-
on, dass es versehentliche und absichtliche Falschbe-
chnungen zu vermeiden gilt. Weiter hat der Minister

on Wahltarifen gesprochen, die sowohl für die Patien-
n als auch für die Kassen attraktiv sein können, indem

ie das System insgesamt flexibler machen und den
ettbewerb unter den Kassen zum Nutzen der Versi-

herten fördern. Und schließlich hat der Minister ange-
gt, in kleinen Schritten Elemente aus der privaten Ver-

icherung im System der gesetzlichen Kassen
uszuprobieren


(Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt kommen wir der Sache auf den Grund! – Elke Ferner [SPD]: Also doch Privatisierung! – Weitere Zurufe von der LINKEN)


nd umgekehrt. Ich weiß wirklich nicht, was Sie gegen
iese Überlegungen haben.

Ich bin zum Beispiel dafür, möglichst bald mit der ge-
erellen Einführung von Arztquittungen zu beginnen.





Erwin Rüddel


(A) )


)(B)


(Elke Ferner [SPD]: Das haben wir doch schon! – Doris Barnett [SPD]: Das ist jetzt schon möglich!)


Dabei geht es nicht um eine Rechnung mit Kostenerstat-
tung, sondern um einen Beleg, der den Versicherten über
seine Behandlungskosten informiert. Das wäre eine gute
Sache.


(Elke Ferner [SPD]: Herr Kollege, das gibt es schon!)


Denn nur informierte Patienten sind mündige Patienten,
und nur mündige Patienten können den Anbietern von
Gesundheitsleistungen auf gleicher Augenhöhe begeg-
nen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das deckt sich übrigens mit entsprechenden Forderun-
gen der Verbraucherzentralen. Was haben Sie also gegen
diese Vorschläge?

Meine Damen und Herren, wir brauchen mehr Trans-
parenz bei Leistungen und Preisen,


(Hilde Mattheis [SPD]: Eine neue Regierung!)


mehr Eigenverantwortung, mehr Wettbewerb, mehr in-
novative Angebote, mehr grenzüberschreitende Ele-
mente zwischen gesetzlicher und privater Versicherung,
mehr Synergieeffekte und nicht zuletzt auch mehr Effi-
zienz in allen Bereichen und auf allen Ebenen des Ge-
sundheitswesens, wenn wir die flächendeckende Versor-
gung langfristig sicherstellen wollen, ohne dass uns die
Kosten aus dem Ruder laufen.


(Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was hat das denn mit Kostenerstattung zu tun?)


Mit Denkverboten, wie Sie sie uns verordnen wollen,
kommen wir nicht weiter. Deshalb sage ich Ihnen, dass
die Polemik gegen die Zusatzbeiträge in Ihrem uns vor-
liegenden Antrag nicht redlich ist. Sie haben doch mit
uns in der Großen Koalition die Einführung von Zusatz-
beiträgen beschlossen, und ausgerechnet jetzt, wo wir
die Zusatzbeiträge sozial abfedern, wo durch die Steuer-
finanzierung des Sozialausgleichs auch Einkünfte aus
Unternehmensgewinnen, Kapitalerträgen und von Pri-
vatversicherten hinzugezogen werden,


(Elke Ferner [SPD]: Stimmt doch nicht! Lügen Sie sich doch nicht in die Tasche!)


da stellen Sie sich öffentlich hin und beschwören den
drohenden Untergang unseres solidarischen Gesund-
heitssystems.


(Elke Ferner [SPD]: Sie haben doch beim letzten Mal den Sozialausgleich verhindert!)


Wir stellen die Finanzierung auf eine breitere Basis.
Das ist gerechter als das alte System. Durch die Steuer-
finanzierung wird jeder nach seiner tatsächlichen Leis-
tungsfähigkeit, auch mit seinen zusätzlichen Einkünften
und auch bei Einkommen oberhalb der Beitragsbemes-
sungsgrenze, seinen Beitrag leisten.

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(C (D (Elke Ferner [SPD]: Wer schreibt Ihnen diese Märchen auf!)


Wo sind die Alternativen? Ich sehe sie nicht, und ich
ehe sie erst recht nicht in Ihrem Antrag.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Mal lesen! Einmal die Brille putzen!)


as soll geschehen, wenn wir demnächst deutlich mehr
entner, zugleich aber deutlich weniger Beitragszahler
aben?


(Elke Ferner [SPD]: Die Rentner bekommen die Rente gekürzt, wenn es nach Ihnen geht!)


ollen die Arbeitskosten weiter in die Höhe getrieben
erden und die Kassenbeiträge der Facharbeiter weiter
s Uferlose steigen?


(Iris Gleicke [SPD]: Jetzt ist es gut!)


as sind doch die Fragen, um die es geht.

Wir werden jedenfalls auch ohne Sie die Aufgabe in
ngriff nehmen, unser Gesundheitssystem dauerhaft zu

ichern. Wir wollen dafür sorgen, dass wir jedem die
este medizinische Behandlung garantieren können, die

individuellen Krankheitsfall benötigt wird, dass es
eine Leistungseinschränkungen für die Versicherten
ibt, dass insbesondere die gesundheitliche Vorsorge
uch im ländlichen Raum gewährleistet ist und dass alle
ürgerinnen und Bürger weiterhin in vollem Umfang am
edizinischen Fortschritt teilhaben können. Dabei las-

en wir uns von den Grundsätzen der Solidarität und
er Eigenverantwortung leiten. Ohne ein Mindestmaß
n Eigenverantwortung geht es nicht; sonst ist Solidarität
uf Dauer nicht finanzierbar. Wer das leugnet, ist nicht
hrlich zu den Versicherten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Filibuster!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706905000

Das Wort hat nun Kollege Harald Weinberg für die

raktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Harald Weinberg (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706905100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Meine Damen und Herren! Herr Kollege
üddel, die gesetzlich Versicherten in Angst und Schre-
ken zu versetzen, das schafft diese Koalition schon al-
ine.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bei Ihren Ausführungen ist mir deutlich geworden:
iese Kostenerstattung muss wirklich ein ganz wunder-
ares Instrument sein. Was dadurch alles geschafft wird,
as ist bemerkenswert.

Nun zum Thema. Am Dienstag hatten die Innungskran-
enkassen zu einer Veranstaltung rund um die Qualität in





Harald Weinberg


(A) )


)(B)

der Gesundheitsversorgung geladen. Die Einführungs-
rednerin war die Staatssekretärin im Gesundheitsministe-
rium. Ihre zentrale Aussage – ich teile sie ausdrücklich –
war: Gesicherte, nachgewiesene Qualität soll die Regel
sein und nicht extra vergütet werden.

Wie sieht die Politik der Bundesregierung in der Rea-
lität aus? Sie will Ärztinnen und Ärzten ein höheres
Einkommen sichern, gleichzeitig die bestehende Quali-
tätssicherung der Kassen und kassenärztlichen Vereini-
gungen durch Vorkasse und Kostenerstattung abschaffen
oder stark einschränken. Die Bundesregierung will, dass
stattdessen der einzelne Patient mit seiner Ärztin über
Menge, Qualität und Preis verhandelt und nicht mehr die
Krankenkassen. Ich sage Ihnen: Das können die Patien-
ten nicht.

Erstens. Patienten sind deshalb Patienten, weil sie
krank sind.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Ja!)


Sie sind angewiesen auf den Arzt. Die Bundesregierung
schafft aber Anreize für geschäftstüchtige Ärzte, diese
Notsituation auszunutzen.

Zweitens. Patienten sind dem Arzt in aller Regel fach-
lich unterlegen. Wenn die Ärztin sagt: „Das ist die Dia-
gnose; dafür brauchen wir die Therapien A, B und C“,
kann der Patient weder die Richtigkeit der Diagnose
noch die Notwendigkeit der einzelnen Therapien ab-
schätzen. Der Patient ist in erster Linie angewiesen auf
den Rat der Ärztin. Er wird nicht sagen: Na ja, die The-
rapien B und C nehme ich; aber auf Therapie A ver-
zichte ich einmal.

Drittens. Der Patient kann kaum beurteilen, ob die
Therapie in einer angemessenen, schlechten oder guten
Qualität erbracht wird. Er kann ein gutes oder schlechtes
Gefühl bei der Behandlung haben, mehr nicht. Mit Qua-
litätssicherung hat das nichts, aber auch gar nichts zu
tun.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Viertens. Der Patient kann nicht beurteilen, ob der
Preis, den er für die Diagnose und die Therapie zahlt, an-
gemessen, zu hoch oder ein Sonderangebot ist. Der Pa-
tient kann sich, wenn er krank ist, in aller Regel nicht
umhören, welcher Arzt das beste Preis-Leistungs-Ver-
hältnis bietet.


(Lars Lindemann [FDP]: Dafür gibt es die GOÄ, Herr Kollege! – Gegenruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: In welcher Welt leben Sie denn?)


Selbst wenn dies möglich wäre: Die Linke will, dass die
Patientinnen und Patienten weiterhin die freie Arztwahl
haben, ohne vorher das günstigste Angebot einholen zu
müssen. Die Linke will, dass Ärzte Ärzte bleiben und die
Arztpraxis nicht zu einem Basar wird.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jens Ackermann [FDP]: Das ist kompletter Unfug!)


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(C (D An diesem Punkt kommt der Einwand – wir haben es chon gehört –, es werde niemand gezwungen; Vorkasse nd Kostenerstattung seien freiwillig. h sage Ihnen voraus: Wenn die Ärzte erst einmal meren, wie viel mehr Geld sie damit verdienen bzw. erhaln können, werden sie den Patienten diese Kostenerstatng mehr oder weniger deutlich nahelegen. Dann wird s bei der Terminvergabe heißen: Geht es gegen Kostenrstattung oder gegen Kasse? – Kostenerstattung führt um schnellen Termin, Kasse kann warten. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Richtig!)


Bemerkenswert ist doch auch: Ein Arzt verhält sich in
inem wettbewerblichen System, welches Sie von der
egierung ja wollen, völlig folgerichtig. Wer mehr zahlt,
ekommt auch mehr und früher Leistung. Genau das
ollen Sie; Sie wollen das System verwettbewerblichen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Linke bleibt bei der Ansicht: Die Gesundheit ei-
es jeden Menschen ist gleich viel wert, egal ob reich
der arm. Deswegen müssen sich Terminvergabe, Dia-
nose und Therapie nach medizinischen Kriterien rich-
n und nicht nach dem Geldbeutel.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Einzige, der von den Kostenerstattungstarifen di-
kt etwas hat, ist der Arzt. Er rechnet ab nach der Ge-

ührenordnung für Ärzte. Erstattet wird aber nur die
assenleistung. Die Patienten bleiben also auf den Zu-

atzkosten sitzen; das ist bereits angesprochen worden.
ie Ärzte freuen sich, wenn denn die von ihnen ausge-

tellten Rechnungen – das Risiko tragen allerdings die
rzte – auch bezahlt werden.

Für solche Fälle hat die Koalition gleich eine Lösung
arat: private Zusatzversicherungen. Kollege Spahn
at auch eine solche Zusatzversicherung, und er gab zu
ich zitiere wörtlich –, sie sei „schweineteuer“. Ich weiß

icht, was Kollege Spahn bezahlt, aber der Preis einer
olchen Versicherung richtet sich unter anderem nach
em Alter. Kollege Spahn dürfte mit seinen 30 Jahren
och noch relativ günstig davonkommen. Ich habe ein-
al nachgeschaut: Ein 30-jähriger Mann zahlt für eine
usatzversicherung nur für den ambulanten Bereich
6 Euro im Monat.


(Lars Lindemann [FDP]: Was deckt die ab?)


äre Kollege Spahn eine Frau, könnte also schwanger
erden, wären es schon 105 Euro.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Da hat er Glück gehabt!)


ür eine 59-Jährige würde das Ganze schon 170 Euro
osten – 170 Euro im Monat!





Harald Weinberg


(A) )


)(B)


(Dr. Karl Lauterbach [SPD], an den Abg. Heinz Lanfermann [FDP] gewandt: Herr Lanfermann, was kostet es bei Ihnen?)


Dafür, so werben die Versicherungen, würde man auch
erster Klasse, wie ein Privatversicherter, behandelt. Aber
ich frage Sie: Wer hat denn so viel Geld? Rechnen Sie
doch einmal aus, was das für eine komplette Familie
kostet. Welche Familie kann sich das leisten? Für über
60-Jährige hat der Anbieter, bei dem ich mich erkundigt
habe, gar keine Tarife im Angebot. Wer profitiert also
neben dem Arzt noch von der Kostenerstattung? – Ge-
nau, das Lieblingskind dieser Regierung, die private
Krankenversicherung.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Hört! Hört! Da haben wir die Zielgruppe!)


Nun kann man über Vorkasse und Kostenerstattung
verschiedener Auffassung sein. Ich denke, meine Auf-
fassung ist klar geworden. Nur verstehe ich eines nicht:
Wenn man – wie die Bundesregierung – denkt, dass das
Prinzip der Kostenerstattung dem gängigen Sachleis-
tungsprinzip überlegen ist, dann sollte man es doch ver-
pflichtend für alle einführen.


(Ulrike Flach [FDP]: Das würde euch so passen!)


Wenn man aber wie die Linke und 99,8 Prozent der Ver-
sicherten aus guten Gründen der gegenteiligen Auffas-
sung ist, sollte man die Finger davon lassen und diese
Regelung ganz streichen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Was macht aber die Koalition? Sie verkürzt die Bin-
dungsfrist, senkt den Anteil, den die Kassen für die zu-
sätzliche Bürokratie berechnen dürfen, und streicht die
schriftliche Bestätigung für die Aufklärung durch den
Arzt. Die Regierung sagt, die Kostenerstattung sei nach
wie vor freiwillig. Sie senkt aber die Hürden für die Vor-
kasse und erhöht damit den Druck auf die Versicherten.

Klar ist: Die Regierung will das Sachleistungsprin-
zip schwächen, will aber für die Folgen offensichtlich
nicht verantwortlich gemacht werden. Immer dann,
wenn man gegen die Kostenerstattung argumentiert,
heißt es: Wir zwingen doch keinen dazu. – Das ist fast
so, wie ein bisschen schwanger zu sein – auf freiwilliger
Basis, versteht sich.


(Heiterkeit bei der LINKEN)


Jetzt kommt in aller Regel das Totschlagargument
– wir haben es gerade auch wieder gehört –: Selbstbe-
stimmung und Eigenverantwortung der Versicherten. Je-
der und jede soll frei entscheiden können, ob ihm oder
ihr die Gesundheit ein paar Dutzend Euro mehr im Mo-
nat wert ist oder nicht. Ja, so ist das in Ihrer Welt. Jeder
hat schließlich in diesem Land das Recht, völlig frei ent-
scheiden zu können, ob er sich eine Uhr aus Gold kaufen
will oder ob die aus Platin vielleicht noch schöner ist.

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(C (D (Heinz Lanfermann [FDP]: Und Sie wollen die Uhren verbieten!)


ei einer Uhr mag es ja vielleicht noch angehen, dass
ich viele dann doch für Stahl, Plastik oder gar keine Uhr
ntscheiden müssen.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Eine Zentraluhr reicht dann!)


ber im Gesundheitssystem haben solche Überlegungen
nd solche sozialen Unterschiede nichts, aber auch gar
ichts zu suchen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Lassen Sie mich zusammenfassen: Die Kostenerstat-
ng hat keinen einzigen Vorteil für die Versicherten und

as Gesundheitssystem als Ganzes. Es wird erstens teu-
r und ineffizienter, zweitens findet keine effektive
ualitätssicherung statt, und drittens bekommen wir mit
orkasse und Kostenerstattung eine Dreiklassenmedi-
in – es ist bereits darauf hingewiesen worden –, in der
ur diejenigen angemessen behandelt werden, die genug
eld auf dem Konto haben.

Dem heute zu debattierenden Antrag der SPD ist des-
alb zuzustimmen. Meine Fraktion wird ihn selbstver-
tändlich unterstützen. Ich freue mich auch deswegen
ußerordentlich über diese richtige Initiative der SPD,
eil die SPD selbst gemeinsam mit Grünen und Union
ie Vorkasse und Kostenerstattung für Pflichtversicherte
004 gegen den Widerstand der damaligen PDS-Abge-
rdneten eingeführt hatte.


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon gab es hier gar keine! – Heinz Lanfermann [FDP]: Das hat er verschwiegen!)


Die Kostenerstattung ist aus unserer Sicht ein weite-
r Schritt, um die noch überwiegend solidarische Kran-

enversicherung in Richtung Privatversicherung und
ommerzialisierung zu verschieben. Eine weitere Ver-
ettbewerblichung des Gesundheitssystems, eine wei-
re Privatisierung ist schon immer auf unseren entschie-
enen Widerstand gestoßen. Gesundheitsversorgung
uss ein Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge

leiben. Dafür wird die Linke immer streiten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706905200

Das Wort hat nun Kollege Heinz Lanfermann für die

DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Heinz Lanfermann (FDP):
Rede ID: ID1706905300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

n! Der SPD-Antrag, über den wir heute sprechen, ist
rstaunlich dünn und schmalbrüstig. Herr Kollege





Heinz Lanfermann


(A) )


)(B)

Lauterbach, Sie haben die entsprechende Einführungs-
rede dazu gehalten. Ich kann Ihnen nur sagen: Es handelt
sich in gewissem Sinne um einen Phantomantrag, da das
von Ihnen gewählte und hier nicht sehr erfolgreich ver-
teidigte Wort „Vorkasse“ ein Phantomwort ist.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Wenn Sie sich tatsächlich mit dem Thema auseinan-
dergesetzt hätten, hätten Sie sich die Gesetzentwürfe an-
gesehen, die wir zurzeit im Ausschuss beraten und über
die in zwei Wochen hier debattiert wird. Außerdem hät-
ten Sie erwähnen müssen, dass es sich um eine rein frei-
willige Angelegenheit handelt. An Herrn Weinberg ge-
richtet: Wir gehen nicht hin und verbieten ein Angebot,
weil irgendwo irgendjemand von Ihnen verdächtigt wird,
damit Missbrauch zu treiben. Wir eröffnen den Men-
schen vielmehr die Chance, etwas freiwillig zu machen.
Dies geschieht natürlich nach Beratung und in Kenntnis
aller Umstände.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Lauterbach, Sie haben vergessen, zu erwähnen,
dass auch Sie an der Einführung dieses Instruments be-
teiligt waren. Sie haben auch vergessen, dass in den An-
trägen, über die wir sprechen werden, verbesserte Bedin-
gungen für die Versicherten vorgesehen sind. Zum
Beispiel soll der Verwaltungsanteil, den die Patienten
bezahlen müssen, nicht mehr zwangsweise 10 Prozent
betragen, sondern nur noch bis zu 5 Prozent. Das ist ers-
tens weniger und eröffnet zweitens den Kassen die Mög-
lichkeit, damit Wettbewerb zu betreiben. Den Wettbe-
werb aber haben Sie quasi abgeschafft, und wir werden
ihn für die Kassen stückweise wieder einführen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist in diesen Tagen eine seltsame Zweiteilung der
Gesundheitspolitik zu beobachten. Nach einem Jahr fah-
ren wir, die Koalition, nun die Erfolge der von uns ge-
leisteten Arbeit ein;


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn? Sie haben doch gar nichts getan!)


Herr Kollege Rüddel hat sie alle aufgezählt: Das Defizit
von 11 Milliarden Euro wurde bewältigt. Das Gesund-
heitssystem wurde gesichert. Es wurde dafür gesorgt,
dass die gute Versorgung auch in Zukunft bezahlbar ist.
Wir haben im Bereich der Arzneimittel einen Struktur-
wechsel vollzogen.


(Elke Ferner [SPD]: Das ist lächerlich!)


Wir haben etwas geschafft, was Sie jahrzehntelang nicht
geschafft und vielleicht sogar – so mein Eindruck – gar
nicht gewollt haben: Die Pharmaindustrie konnte bisher
bestimmte Preise völlig frei festsetzen. Sie haben das ge-
duldet. Und Sie haben in der Vergangenheit im Übrigen
auch gedealt. Wir haben das jetzt geändert, indem wir das
neue System auf den Weg gebracht haben, nach dem die
Hersteller die Preise mit den Krankenkassen aushandeln
müssen. Diese Verhandlungen werden am Ende – spätes-

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(C (D ns mithilfe einer Schiedsstelle – zu fairen Preisen fühn. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Ja, für die Pharmaindustrie!)


Wir führen die Beitragsautonomie der Krankenkassen
ieder ein, und wir machen die Beiträge zukunftsfähig.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Reden Sie zum Thema, Herr Lanfermann!)


ir wollen uns darum kümmern, dass es durch die Ab-
oppelung von den Lohnkosten zu konjunkturunabhän-
igen Mehreinnahmen kommt. Damit sichern wir Ar-
eitsplätze. Wir machen auch den Weg frei für mehr
igenverantwortung, für Wahlfreiheit – eben auch für
KV-Versicherte – und für neue Tarife. Entsprechende
ntwürfe werden wir in Zukunft noch vorlegen.

Sie aber legen einen Antrag vor, der wirklich erstaun-
ch ist. In 19 Zeilen, die mit „Feststellungen“ über-
chrieben sind, findet sich keinerlei Tatsachendarstel-
ng. Es findet sich aber ein Wortgeklingel, in dem sich

um Beispiel folgende Worte finden: „wird“, „werden“,
plant“ – alles auf die Regierung bezogen –, „Ihr Ziel
t“, „vor allem … lockt die Chance“, „am Ende stehen“,
am Ende sind“, „die geplanten Änderungen“ und „sie
hren“. Es handelt sich dabei um reine Spekulationen

nd um lauter Unterstellungen. Sie konstruieren dadurch
uch ein völlig falsches Bild von den Ärzten. Wenn ich
ie so höre, dann wundere ich mich, dass in Deutschland
och jemand den Mut hat, zu einem Arzt zu gehen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Herr Lauterbach, Sie haben hier nur Dinge erwähnt,
ie fern der Realität sind. Sie haben den Menschen
ngst gemacht.


(Elke Ferner [SPD]: Sie machen den Menschen Angst!)


ie haben nicht erwähnt, dass es sich um ein freiwilliges
ngebot handelt, das wir den Menschen bieten wollen.
ie leiden sozusagen an einem Vorkassephantom-
chmerz;


(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


as gilt im Übrigen auch für Herrn Weinberg und Frau
ogler. Sie bilden sich etwas ein und behaupten etwas,
as völlig aus der Luft gegriffen ist. Anschließend sagen
ie, dass das die Pläne der Koalition seien. Das ist eine
öswillige Unterstellung, Herr Lauterbach. Ich kann nur
agen: Damit werden Sie nicht allzu weit kommen.


(Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wo ist der Unterschied zwischen Kostenerstattung und Vorkasse? Führen Sie das doch einmal aus!)


Sie kommen deswegen nicht allzu weit, weil Sie sich
icht konstruktiv mit den Themen beschäftigen, die für
inen Strukturwandel im Gesundheitswesen wirklich
ichtig sind. Wir wollen doch nicht vergessen, dass das
esundheitssystem das Bürokratischste und Dirigis-





Heinz Lanfermann


(A) )


)(B)

tischste ist, was wir uns in Deutschland leisten. Daran
gilt es, zu arbeiten.


(Beifall bei der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Sie bauen die Bürokratie doch auf! – Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann wird es doch erst richtig bürokratisch!)


Wir müssen die Dinge einfacher gestalten. Das gilt
auch für die Honorare. Das gilt auch für die Frage, wie
wir zum Beispiel die Versorgung im ländlichen Raum si-
cherstellen. Dies alles sind Themen, an denen man arbei-
ten muss.

Was haben Sie uns in dem einen Jahr geboten?


(Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie haben uns jedenfalls keine neue Versorgungsplanung geboten!)


Es gab mehrfach Versprechungen zu einer Sache, von
der niemand weiß, was Sie damit eigentlich meinen.
Dazu gibt es das schöne Wort von der Bürgerversiche-
rung, die im Grunde nie fertig wird. Ich glaube, es wäre
besser gewesen, Sie hätten in der Kommission mitgear-
beitet, die der SPD-Bundesvorstand hierzu eingerichtet
hat, anstatt hier einen solch dünnen Antrag vorzulegen,
der von der Sache her überhaupt nichts bringt.


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Legen Sie doch erst einmal etwas vor! Es ist Ihr Ministerium!)


Trotzdem werden wir ihn gerne im Ausschuss beraten,
um Ihnen einmal Zeile für Zeile zu zeigen, wo die Reali-
tät liegt.

Zur Bürgerversicherung, Herr Lauterbach, kann ich
nur sagen: Werden Sie endlich wach! Stellen Sie sich der
Realität! Laufen Sie nicht einem Traum hinterher, der
von der Öffentlichkeit schon jetzt zu Recht als Schild-
bürgerversicherung verspottet wird.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706905400

Das Wort hat nun die Kollegin Maria Klein-Schmeink

von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kollegen hier im Plenum! Besonders mit Blick
auf die Argumente meiner Vorredner muss ich Herrn
Weinberg für seinen Beitrag großen Respekt zollen;
denn ich finde, er hat die Problemlage rund um die Vor-
kasse und die Kostenerstattung sehr differenziert darge-
legt.


(Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Das will ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen. Großer
Respekt!

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Er hat zwei wichtige Punkte herausgehoben, nämlich
um einen, dass es sich bei der Abkehr vom Sachleis-
ngsprinzip um eine Qualitätsfrage handelt. Es stellt

ich folgende Frage: Wie stellen wir sicher, dass sich alle
atienten, alle Versicherten darauf verlassen können,
ass sie wirklich eine qualitätsgesicherte, gute Versor-
ung bekommen, dass sie sich vertrauensvoll an den
rzt wenden und sicher sein können, dass sie die gemes-

en am hippokratischen Eid richtige Heilungs- und The-
pieempfehlung bekommen und dabei finanzielle
ründe keine Rolle spielen? Ich finde, das ist ein ganz
ichtiges Prinzip, das wir in unserer gesetzlichen Kran-
enversicherung zum Schutz der Patienten eingerichtet
aben, worauf wir zu Recht stolz sind. 70 Prozent der
evölkerung sagen zu Recht: Ich will auf jeden Fall das
achleistungsprinzip, weil es sicherstellt, dass ich auch
nd gerade in einer Phase existenzieller Not, in einer
ehr empfindlichen und verletzlichen Phase in meinem
eben vertrauensvoll begleitet werde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


ber das wollen Sie mit der Ausweitung der Kostener-
tattung infrage stellen.

Die FDP – Herr Lanfermann, dazu haben Sie heute
einen einzigen Ton gesagt – will die vollständige Ab-
ehr vom Sachleistungsprinzip.


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben!)


as ist Ihre Programmlage beim Umbau des gesetzli-
hen Gesundheitssystems.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur wer es sich leisten kann, geht zum Arzt!)


as haben Sie aber in keinster Weise angeführt.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Sie haben nicht zugehört! Ich habe von der Freiwilligkeit gesprochen!)


Ja, von der Freiwilligkeit. Aber Sie sagen doch von der
DP, dass Sie die gesetzliche Krankenversicherung ins-
esamt in Richtung Vorkasse, in Richtung Kostenerstat-
ngsprinzip umbauen wollen. Das ist Ihre Programm-
ge.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: So ein Quatsch! – Heinz Lanfermann [FDP]: Erst sagen Sie, ich hätte nichts gesagt, und dann unterstellen Sie mir etwas!)


Herr Rösler hat keine Gelegenheit ausgelassen, zu be-
nen, dass das, was er jetzt vorlegen wird, nur ein erster





Maria Anna Klein-Schmeink


(A) )


)(B)

Baustein auf diesem Weg ist. Da müssen wir uns nichts
vormachen.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir sind doch auch noch da!)


Insofern geht es keinesfalls um eine Phantomdebatte,
sondern es geht darum, dass Sie den vollständigen Um-
bau der gesetzlichen Krankenversicherung hin zu einer
PKV vorbereiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir passen da schon auf!)


Zum Zweiten. Sie haben in dieser ganzen Debatte
kein einziges Argument liefern können, warum es für
den Patienten eigentlich gut ist, das Modell der Kosten-
erstattung zu wählen. Kein einziges Argument habe ich
von Ihrer Seite gehört.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Auch wenn die Grünen damals dem Gesundheitskonsens
beipflichten mussten, weil sie nicht anders konnten,


(Heinz Lanfermann [FDP]: Oh!)


und damit unter anderem die Kostenerstattungsregelung
in der Krankenversicherung als Möglichkeit eingeführt
wurde, heißt das noch lange nicht, dass sie ein richtiges
Instrument ist.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie stimmen also falschen Dingen zu!)


Wir wissen auch – das hat der Bericht ganz deutlich ge-
zeigt –: 0,2 Prozent aller Versicherten wählen diesen Ta-
rif, wohl wissend, dass es keine wirklich günstige Option
für sie ist.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo ist denn das Problem?)


Herr Spahn, das Problem ist, dass Sie jetzt die Kosten-
erstattung ausweiten wollen; das wissen Sie. Nicht um-
sonst ist die Ausweitung der Kostenerstattung in Ihren
Reihen hoch umstritten; denn Sie wissen, dass Sie mit
der Ausweitung dieses Prinzips eine Dreiklassenversor-
gung schaffen, bei der nicht mehr sichergestellt ist, dass
jeder Versicherte den gleichen Anspruch auf rechtzeitige
und bestmögliche Behandlung durchsetzen kann. Viel-
mehr führen Sie verschiedene Klassen ein. Zugleich
schaffen Sie ein Anreizsystem für die Versicherungen,
entsprechende Zusatztarife zu schaffen.

Das spiegelt sich auch in den Anträgen wider, die Sie
uns letztens auf den Tisch gelegt haben. Ich muss sagen:
Sie wollten diese Regelung klammheimlich einführen,
indem Sie nämlich nicht gerade deutlich ausgeführt ha-
ben, dass die Regelung für den Patienten bedeutet, dass
er mehr zahlt.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Beim Kollegen Weinberg hat sich das sogar sehr deutlich angehört!)


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(C (D er Patient zahlt für die Behandlung im Schnitt ein Dritl mehr als normalerweise die GKV, und auf diesen osten bleibt er sitzen. Das muss er wissen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


as wollen wir auf keinen Fall. Im Gegenteil: Bei unse-
r Bürgerversicherung ist das Sachleistungsprinzip ei-

es der zentralen Prinzipien. Dabei muss es bleiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Jetzt komme ich zu einem anderen Aspekt: Patien-
nschutz. Wir haben einen Patientenbeauftragten; ei-

entlich müsste er heute hier sitzen. Er müsste sich ei-
entlich um die Frage kümmern, wie die vertragliche
estaltung beim ausgeweiteten Instrument der Kostener-

tattung aussehen wird.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Ja, eben! Das tut er auch!)


nen fällt zunächst nichts anderes ein, als die Pflicht zur
chriftlichen Beratung und Information über die Bedin-
ungen des Vertrags, der eingegangen wird, abzuschaf-
n. Sie haben tatsächlich die Stirn, diese Pflicht abzu-

chaffen, mit dem Argument, sie bringe zusätzliche
ürokratie und mache das Instrument der Kostenerstat-
ng unattraktiv. Das ist doch nicht zu glauben. Das ist

in echter Kniefall vor der Ärzteschaft, die sich darüber
eschwert hat, dass sie bei einer Umsetzung zusätzliche
ürokratische Aufgaben erfüllen müsste. Es gibt in kei-
em anderen Bereich der Wirtschaft Vertragsbeziehun-
en, bei denen man einen Vertrag unterschreiben muss,
bwohl man die Kautelen nicht genau kennt. Ich halte
as, was Sie uns da letztens auf den Tisch gelegt haben,
irklich für eine Zumutung. Ich halte das unter dem Ge-

ichtspunkt des Verbraucherschutzes für eine Frechheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte einen weiteren Punkt betonen: Sie greifen
massiver Weise in das Vertrauensverhältnis zwi-

chen Arzt und Patient ein.


(Lars Lindemann [FDP]: Jetzt wird es ganz absurd!)


as ist für mich die zweite große Sünde, die Sie da bege-
en. Sie machen den Patienten zum Kunden und verfüh-
n den Arzt dazu, auf eine Abrechnung über höher ver-

ütete private Tarife hinzuwirken. Der Arzt könnte
ersuchen, den Patienten im Gespräch davon zu über-
eugen, eine therapeutische Zusatzleistung in Anspruch
u nehmen, wohl wissend, dass dann eine private Ab-
chnung möglich ist.


(Lars Lindemann [FDP]: Noch absurder geht es nicht!)


as hat langfristig massive Auswirkungen.

Zusätzlich wird Ihre Regelung dazu führen, dass die
rztpraxen zu Inkassounternehmen werden.





Maria Anna Klein-Schmeink


(A) )


)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Lars Lindemann [FDP]: Zu Inkassounternehmen haben Sie sie mit der Praxisgebühr gemacht! – Heinz Lanfermann [FDP]: Sie haben aber ein schlechtes Gedächtnis!)


– Sie haben die Praxisgebühr nicht abgeschafft. Das ist
eine weitere Baustelle, die Sie angehen könnten. – Sie
werden die Arztpraxen damit konfrontieren, dass Rech-
nungen nicht bezahlt werden, dass den Patienten nicht
klar war, welche Verbindlichkeiten sie eigentlich einge-
gangen sind. Da geht es in der Regel um hohe Rechnun-
gen, die Menschen mit kleinem Einkommen sehr schnell
überfordern. Das wird tatsächlich dazu führen, dass die
Zahl der Inkassovorgänge ansteigt.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo ist denn der Unterschied zum Status quo? Erzählen Sie uns das doch!)


Man kann das insgesamt nicht gerade als Bürokratie-
abbau bezeichnen; es ist genau das Gegenteil: Es kommt
zu einer höheren bürokratischen Belastung der Praxen
und der Versicherungen, die die Rechnungen abgleichen
müssen. Insgesamt stellen Sie das solidarische System,
das wir bisher haben, massiv infrage. Sie haben nicht ei-
nen einzigen guten Grund dafür genannt. Ich kann nur
mit Herrn Straubinger sagen: Die Kostenerstattung
bringt auf der einen Seite keine zusätzliche Transparenz
und keine Kosteneinsparung; aber sie bringt die Patien-
ten in eine Situation, die sie überfordern wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706905500

Das Wort hat nun Kollegin Maria Michalk für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1706905600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Der Antrag der SPD greift einen Punkt
aus einem riesengroßen Gesetzespaket heraus.


(Mechthild Rawert [SPD]: Einen wichtigen! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Wir passen auf!)


Deshalb sage ich Ihnen: Er ist mager. Darauf gehe ich
gleich noch einmal ein. Vieles ist zwar schon gesagt
worden, aber offensichtlich ist bei Ihnen Wiederholung
die Mutter des Erfolgs. Also nehme ich den Antrag noch
einmal auseinander.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Dann machen Sie einmal!)


Bevor ich das aber tue, stelle ich im Anschluss an die
Reden der Oppositionskollegen die Frage: Welches Bild
zeichnen Sie von der Ärzteschaft in diesem Land? Wol-
len Sie junge Ärzte dazu bewegen, sich auf dem Land
niederzulassen, indem Sie den ganzen Berufsstand als

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(C (D orrupt und unmoralisch darstellen? Das ist unverantortlich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist doch nicht wahr!)


Der Antrag der SPD ist in vielerlei Hinsicht irrefüh-
nd.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Sie führen in die Irre!)


ie wollen den Leuten einreden, dass allen Versicherten
er gesetzlichen Krankenversicherung der Umstand
roht, in Zukunft Geld auf den Arzttisch legen zu müs-
en, bevor sie behandelt werden. Das ist absolut falsch.
as ist nicht richtig. Alle, die sich an dem Antrag betei-
gt haben und hier dazu geredet haben, wissen, dass das
lsch ist. Der Antrag ist in einem Stil formuliert, der der
ache überhaupt nicht angemessen ist. Sie erwecken den
indruck, dass die Einführung der Kostenerstattung et-
as Unanständiges ist.


(Beifall des Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD] – Jens Spahn [CDU/CSU], an den Abg. Dr. Karl Lauterbach [SPD] gewandt: Wir haben sie gemeinsam eingeführt! Darüber sollten Sie einmal nachdenken!)


Ich zitiere die erste Forderung aus Ihrem Antrag:

1. keine Ausweitung der Kostenerstattung in der
gesetzlichen Krankenversicherung vorzunehmen.

iese Forderung ist widersprüchlich; denn die Kosten-
rstattung gab es bereits unter einer SPD-Gesundheits-
inisterin. Das haben Sie alle mitgetragen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Bärbel Bas [SPD]: Ich nicht!)


Zur Erinnerung: Vor Inkrafttreten des GKV-Wettbe-
erbsstärkungsgesetzes zum 1. April 2007 konnten ge-

etzlich Versicherte die Kostenerstattung wählen, und
war entweder für alle Leistungen oder beschränkt auf
ie ambulante ärztliche Versorgung. Ganze 122 000 ge-
etzlich Versicherte, 0,17 Prozent der gesetzlich Versi-
herten, haben sie gewählt. Daran sehen Sie, über wel-
hes Segment wir hier reden.


(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Dann lassen Sie es doch sein!)


Seit dem 1. April 2007 haben die Versicherten zwi-
chen verschiedenen Leistungsbereichen die Wahlmög-
chkeit. Diese haben Sie mit eingeführt. Unter Frau
chmidt wurde die Kostenerstattung um die persönliche
ntscheidungsmöglichkeit erweitert. Diese bleibt weiter-
in bestehen. Man kann sie auf die ambulante ärztliche
zw. zahnärztliche Versorgung beschränken oder zusätz-
ch für veranlasste Leistungen bzw. Krankenhausbe-
andlungen wählen. Deshalb frage ich: Wieso ist die
usweitung der individuellen Entscheidungsmöglichkeit
er Versicherten 2007 richtig gewesen,


(Harald Weinberg [DIE LINKE]: War sie nicht!)






Maria Michalk


(A) )


)(B)

während heute die Anpassung an die aktuelle Situation
unter gleichen Prämissen – die Wahlfreiheit der Versi-
cherten bleibt erhalten – nicht richtig sein soll?


(Beifall des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])


Ihr Antrag ist in sich absolut widersprüchlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


2007 wurde im Zusammenhang mit § 13 SGB V dem
GKV-Spitzenverband der Auftrag erteilt, nach zwei Jah-
ren über die Erfahrungen zu berichten. Das ist, wie Sie
wissen, geschehen. Deshalb wissen wir heute, dass seit-
dem nur 10 000 Menschen mehr diese Kostenerstattung
gewählt haben. Was ist schlimm daran? In 1, 2, 5 oder
10 Jahren – je nachdem, welchen Zeitraum Sie wählen –
werden wir sehen, wie viele Menschen diese Möglich-
keit in Anspruch genommen haben. Wir lassen den Men-
schen diese Möglichkeit. Wovor haben Sie von der SPD
eigentlich Angst?


(Heinz Lanfermann [FDP]: Vor sich selbst!)


Niemand muss die Kostenerstattung wählen. Wir stel-
len Kosteneinsparüberlegungen an, um Spielraum für
eine weiterhin gute medizinische Versorgung aller Men-
schen zu haben, und zwar unabhängig von Alter, Ein-
kommen, Vorerkrankungen oder Wohnlage. Der medizi-
nische Fortschritt soll auch in Zukunft jedem
zugutekommen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706905700

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Volkmer?


Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1706905800

Gerne.


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1706905900

Frau Michalk, kommen in Ihre Bürgersprechstunde

Menschen, die Ihnen davon berichten, dass sie bei einem
Facharzt zeitnah keinen Termin bekommen, nur weil sie
Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung sind?


(Zuruf von der FDP: Wo gibt es das?)


Berichten Ihnen Menschen, dass sie kurzfristig einen
Termin bekommen, wenn sie sich am Telefon als Privat-
versicherte vorstellen?

Wenn die Kostenerstattung möglich ist, werden viele
Ärzte diese Möglichkeit ausnutzen, indem sie den Pa-
tienten sagen: Ja, ich nehme Sie ohne lange Wartezeit an
die Reihe, aber nur dann, wenn Sie die Kostenerstattung
wählen und Vorkasse leisten. – Glauben Sie nicht auch,
dass es sich so verhalten wird?


Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1706906000

Liebe Frau Kollegin Volkmer, darauf möchte ich Ih-

nen Folgendes antworten: Erstens. Ja, in meine Sprech-
stunde kommen Menschen, die mir von solchen Vor-
kommnissen berichten. Zweitens. Ich bin ein wenig
entsetzt, welches Verhalten Sie den Ärzten zutrauen.
Drittens. Es gibt auch Privatversicherte, die sich in mei-
ner Sprechstunde darüber beklagen, dass sie bei einem

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(C (D acharzt – beispielsweise einem HNO-Arzt – ein Vierljahr auf einen Termin warten müssen. Viertens. Ge etzlich Versicherten, die mit solchen Problemen in eine Sprechstunde kommen, helfen wir natürlich. enn so darf kein Arzt handeln. In akuten Fällen muss ie Behandlung jederzeit sichergestellt sein. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie sollten solche Fälle melden, Frau Volkmer!)


Ich will noch einmal auf den uns vorliegenden Be-
cht zurückkommen. Er zeigt klar, dass die Menschen
it dem Instrument der Kostenerstattung im Rahmen der

esetzlichen Möglichkeiten sehr verantwortungsvoll, ja
orsichtig umgehen. Andererseits lehrt uns der Bericht,
ass es durchaus persönliche Situationen geben kann, in
enen das Kostenerstattungsprinzip die optimale Mög-
chkeit ist. Dann sind die Versicherten bereit, diese Op-
on zu wählen. Warum wollen Sie die Menschen von
ieser Wahlmöglichkeit ausschließen? So verstehe ich
ren Antrag. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will

eine Bevormundung und auch keine Einschränkung.
ir wollen Entscheidungsmöglichkeiten für die Versi-

herten.


(Zuruf von der LINKEN: Sie wollen das Geld!)


Man entscheidet sich ja nicht erst dann, wenn man
kut erkrankt ist. Mit der Wahlmöglichkeit beschäftigen
ich Versicherte schon dann, wenn sie sich mit diesem
hema – sei es im Rahmen von Gesprächen mit der
rankenversicherung – auseinandersetzen. Vielleicht be-

chäftigen sich aufgrund der heutigen Debatte – das ist
er einzig positive Punkt dabei – mehr Menschen mit
iesem Thema als vorher. Wir wollen, wie gesagt, dass
ich die Versicherten mit dieser Möglichkeit auseinan-
ersetzen. Wir wollen verhindern, dass sie erst dann ak-
v werden, wenn das Kind schon in den Brunnen gefal-
n ist.

Ich will diesen Punkt zusammenfassen: Es bleibt
eim Prinzip der Freiwilligkeit. Die Versicherten können
elbst wählen und können das Für und Wider gründlich
bwägen. Das heißt, sie können sich für oder gegen die
ostenerstattung entscheiden. An dieser Gesetzeslage

oll sich nichts ändern.


(Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD])


Ich will noch einen weiteren Punkt erwähnen. Bislang
aren Versicherte an ihre Entscheidung, die Kosten-

rstattung zu wählen, ein Jahr gebunden. Die Mindest-
indungsfrist wird auf ein Kalendervierteljahr verkürzt.
ehaupten Sie jetzt nicht, das sei im Interesse der Versi-
herten keine Qualitätsverbesserung. Dass es für die
assen bei ihrer Kalkulation gewisse Schwierigkeiten
ibt, ist in der Anhörung zwar deutlich zum Ausdruck
ekommen. Das hat aber nichts mit Lobbyismus zu tun,
en Sie uns in Ihrem Antrag vorwerfen. Ganz im Gegen-
il: Wir treffen Regelungen zugunsten der Versicherten.


(Elke Ferner [SPD]: Das wäre ja das erste Mal!)


Die Mindestbindungsfrist für Wahltarife wird grund-
ätzlich von drei Jahren auf ein Jahr reduziert. Auch mit





Maria Michalk


(A) )


)(B)

dieser Regelung werden wir uns in der nächsten Sit-
zungswoche noch auseinandersetzen und darüber reden,
wie wir sie optimieren können. Die Verkürzung der Min-
destbindungsfrist auf ein Jahr ist aus meiner Sicht eben-
falls ein Qualitätsmerkmal.

Zusätzlich wird die Kontrolle des Verbots der Quer-
subventionierung durch die Aufsichtsbehörden der
Länder mit der Verpflichtung der Krankenkassen zu ei-
nem regelmäßigen Wirtschaftsprüfertestat der Risikobe-
urteilung wesentlich vereinfacht. Meinen Sie nicht auch,
dass das ein zusätzliches Kontrollinstrument ist?

Ich denke schon, dass der Ansatz dieser Kostenerstat-
tungsmöglichkeit, die ja frei gewählt werden kann, ein
gutes Qualitätskriterium im Sinne der Versicherten ist.
Deshalb finden wir Ihren Antrag absolut unnötig und
polemisch. Wir werden ihn im Ausschuss natürlich ab-
lehnen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706906100

Das Wort hat nun Edgar Franke für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Edgar Franke (SPD):
Rede ID: ID1706906200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heu-

tige Diskussion hat für mich vor allen Dingen eines deut-
lich gemacht: Die Koalition ist in der Gesundheitspolitik
ohne Kurs und Kompass,


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Was?)


und wenn der politische Kompass einmal ausschlägt,
Herr Spahn, wie bei den Änderungsanträgen zum AMNOG
und zum GKV-FinG sowie bei der Erweiterung der Kos-
tenerstattung, dann in die vollkommen falsche Richtung,
nämlich in Richtung einer Politik, in der eben nicht die
Interessen der Normalverdiener und der Mitglieder der
GKV, sondern die Interessen Ihrer Klientel im Fokus ste-
hen,


(Beifall bei der SPD – Ulrike Flach [FDP]: Warum sparen wir eigentlich 10 Milliarden? – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir hatten, glaube ich, eine größere Klientel bei der letzten Wahl als ihr!)


und zwar nicht nur der üblichen Verdächtigen – Apothe-
ker oder Pharmaindustrie –, sondern gerade bei der Vor-
kasse auch bestimmter Ärztegruppen und vor allen Din-
gen der privaten Krankenversicherung.

Der geschätzte Kollege Rüddel hat gesagt, die SPD
würde Angst und Schrecken verbreiten. Aber ich glaube,
dass es eher Ihre Politik ist, die Angst und Schrecken
verbreitet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was war ursprünglich geplant? Geplant hatte die Ko-
alition eine tiefgreifende Strukturreform; das habe ich
noch im Ohr. Was ist herausgekommen? Eine simple Er-

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(C (D öhung von Beiträgen und der Wegfall der Deckelung er Zusatzbeiträge. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik geesen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie ngekündigt haben. Mehr Netto vom Brutto sieht anders us. Herr Lanfermann, Sie haben von den großen Erfolgen ieser Gesundheitspolitik nach einem Jahr gesprochen. ngesichts der Umfrageergebnisse gerade in Bezug auf ie FDP frage ich mich allerdings: Wenn das Erfolge ind, wie sehen dann Ihre Niederlagen aus, Herr anfermann? (Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt wird die Sau Kostenerstattung durch das gesund-
eitspolitische Dorf getrieben. Was bewirkt denn eine
ostenerstattung, die wir Vorkasse nennen? Sie bewirkt
och nur, dass der Arzt direkt ins Portemonnaie der Pa-
enten greifen kann. Das ist doch das, was die Vorkasse
usmacht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Man hört ja manchmal die Argumente, Vorkasse
hre erstens zu weniger Arztbesuchen und zu höherem
ostenbewusstsein. Der Kollege Straubinger ist leider
icht mehr da. Ich darf ihn aber – mit Ihrer Erlaubnis,
err Präsident – zitieren. Herr Straubinger von der CSU
at gesagt:

Für das Gesundheitssystem bringt das keine Erspar-
nis, und die Patienten zahlen im Extremfall immer
nur drauf.

h kann sagen: Herr Straubinger hat recht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wie läuft das in der Praxis? Nach der GOÄ kann der
rzt bis zum 3,5-Fachen liquidieren.


(Zurufe von der FDP: Oje!)


as sind – das ist ja einfach auszurechnen – bei
00 Euro bis zu 1 050 Euro. Und wer bleibt auf dem Dif-
renzbetrag zwischen der Rechnung und dem Erstat-
ngsbetrag hängen? Der Versicherte. Wie kann er das
isiko mildern? Indem er eine Zusatzversicherung ab-

chließt. Deshalb kann man sagen: Teurer wird es auf je-
en Fall. Die Einzigen, die davon profitieren, sind der
rzt und die PKV.


(Ulrike Flach [FDP]: Da klatschen noch nicht mal die eigenen Leute!)


Zweitens habe ich heute gehört, durch die Vorkasse
ürde die Transparenz erweitert. Der Kollege Rüddel
at erwähnt, dass man vielleicht Patientenquittungen
erpflichtend einführen könne. Derzeit ist es zumindest
o, dass eine solche Quittung vom Patienten beantragt
erden kann.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Beantragt!)


sofern ist die Transparenz bereits gegeben.





Dr. Edgar Franke


(A) )


)(B)

Ein weiteres Problem bei der Vorkasse ist: Die Kran-
kenkassen haben keinen Einfluss mehr auf Qualität und
Kostenentwicklung. Das ist der Unterschied zwischen
dem Sachleistungsprinzip und der Vorkasse.

Drittens. Herr Lanfermann, Sie haben gesagt, wir
würden eine Phantomdiskussion führen, weil die Vor-
kasse freiwillig sei.


(Heinz Lanfermann [FDP]: So ist es!)


Natürlich ist die Vorkasse bzw. die erweiterte Kostener-
stattung freiwillig.


(Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Noch! Wer weiß, wie lange!)


Das Beispiel wurde heute genannt; Frau Volkmer hat da
ja nachgefragt. Wenn ein Arzt sagt, dass man nur einen
Termin bekommt, wenn man Privatpatient ist oder in
Vorkasse geht, also die Kostenerstattung wählt, wird in-
direkt Druck auf den Patienten ausgeübt.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das macht er ja nicht! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist widerrechtlich!)


Wenn die erweiterte Kostenerstattung im Gesetz geregelt
wird, werden ganz viele Menschen dieses Modell wäh-
len und eine Zusatzversicherung abschließen. Insofern
bekommen wir dann die von vielen beschriebene Drei-
klassenmedizin.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Genau so gehen Phantomdebatten! Erst einmal wird etwas unterstellt, dann werden Schlussfolgerungen daraus gezogen! Gehen Sie von Fakten aus und nicht von Unterstellungen!)


– Herr Lanfermann, schauen Sie einmal in Internetforen.
Dort diskutieren Fachärzte darüber, wie man Patienten
Vorkassenmodelle schmackhaft machen kann. Sie müs-
sen nur nachschauen. Deswegen ist das keine Phantom-
debatte.


(Beifall bei der SPD – Maria Michalk [CDU/ CSU]: Das ist die freiheitliche Grundordnung!)


Wenn künftig nicht nur Privatpatienten, sondern auch
gesetzlich Versicherte, die sich die Kostenerstattung leis-
ten können, bevorzugt behandelt werden, ist das keine
solidarische Gesundheitsversorgung. Deswegen fordern
wir als SPD Sie von der Koalition auf: Halten Sie am
Sachleistungsprinzip fest. Es darf keine Ausweitung der
Kostenerstattung in der gesetzlichen Krankenversiche-
rung geben. Wir müssen eine Gesundheitspolitik für alle
Menschen in der Krankenversicherung in unserem Land
machen. In der Gesundheitspolitik muss es um den Pa-
tienten gehen und nicht darum, dass bestimmte Ärzte-
gruppen und die PKV mehr Geld verdienen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Das Wort hat nun Kollege Erwin Lotter für die FDP raktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706906300


Dr. Erwin Lotter (FDP):
Rede ID: ID1706906400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine Damen und Herren! „Patientenschutz statt Lob-

yismus – Keine Vorkasse in der gesetzlichen Kranken-
ersicherung“ – wen wollen Sie mit dieser billigen Pole-
ik an der Nase herumführen? Ihr Vorstoß zeugt von
nkenntnis ebenso wie von der Tatsache, dass Sie die
telligenz der Versicherten in geradezu peinlicher
eise unterschätzen.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Bleiben Sie einmal sachlich!)


Ich möchte Ihnen das erläutern: Vorkasse ist, wenn
h etwas bezahle und die Gegenleistung später viel-
icht bekomme. Die einzige Institution, die momentan
orkasse betreibt, ist die gesetzliche Krankenkasse. Die
assen sammeln die Beiträge von den Versicherten und
en Arbeitgebern ein, und keiner, der einzahlt, weiß, ob
r im Falle einer Erkrankung die Leistung, die er
raucht, bekommt. Um es ganz deutlich zu machen: Die
ostenerstattung ist keine Vorkasse. Die ärztliche Leis-
ng wird erbracht. Sie wird in Rechnung gestellt, und es

ibt ein Zahlungsziel. Die meisten Patienten zahlen
ann, wenn die Krankenversicherung die Leistung er-
tattet hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Elke Ferner [SPD]: Oder auch nicht! – Heinz Lanfermann [FDP]: Genau so ist es! Das kennen alle Beamten!)


nser Ziel ist, dass die Patienten frei entscheiden kön-
en, ob sie das bisherige Prinzip der Sachleistung beibe-
alten oder die Kostenerstattung wählen wollen. Ent-
cheidend ist die Transparenz; diese gibt es jetzt nicht,
rau Klein-Schmeink.

Sehen wir uns die weiteren Vorteile an. Patienten kön-
en differenzieren. Ihre Regelleistungen werden von ih-
r Kasse erstattet, Zusatzleistungen müssen sie selber

usgleichen. Beim System der Kostenerstattung wissen
ie, wie viel sie für welche Therapie aufbringen müssen.


(Elke Ferner [SPD]: Wissen sie nicht! Sie wissen nicht, wie viel sie von der Kasse erstattet bekommen!)


erner können auch gesetzlich Versicherte solche Ärzte
ufsuchen, die nur nach dem privatärztlichen Vergütungs-
ystem liquidieren. Für Patienten, die nur knapp über der
ersicherungsgrenze liegen und eine Familie haben,
önnte die gesetzliche Krankenversicherung attraktiver
erden.


(Elke Ferner [SPD]: Das glaubt Ihnen keiner!)


ie Mitversicherung der Familie ist ein enormer Vorteil
er GKV. Der Patient kann jederzeit prüfen, welche
eistungen in Rechnung gestellt wurden, und die Rech-





Dr. Erwin Lotter


(A) )


)(B)

nung mit der tatsächlichen Behandlung vergleichen. Im
Bereich der ärztlichen Kosten herrscht dann Transpa-
renz. Patienten werden in die Verantwortung für die In-
anspruchnahme von Leistungen eingebunden.


(Elke Ferner [SPD]: Aha!)


Dadurch wird der Patient ernst genommen und nicht
mehr für dumm verkauft.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Iris Gleicke [SPD])


Vollkommen widersprüchlich ist, dass die SPD dar-
legt, die gesetzlichen Krankenkassen würden Qualitäts-
standards festlegen, die für die Kostenerstattung nicht
gelten. Versicherte mit Kostenerstattung haben den glei-
chen Status wie Privatpatienten. Sind Sie denn der Mei-
nung, für Privatpatienten gäbe es keine Qualitätsstan-
dards?


(Elke Ferner [SPD]: Genauso ist es!)


Denken Sie, die PKV-Patienten würden schlechter be-
handelt? Meinen Sie das mit Dreiklassenmedizin? Das
ist doch abwegig.


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch das Problem der PKV!)


Die Patientenquittung ist kein Ersatz für eine formelle
Rechnung.


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum laufen denn die Preise so davon!)


Durch die Kombination von einem Pauschalsystem und
einem komplexen Punktesystem, die je nach Finanzlage
zu unterschiedlichen Quartalserträgen führt, spiegelt
diese Quittung im Zeitpunkt ihrer Ausstellung nicht den
tatsächlichen Umsatz wider.


(Mechthild Rawert [SPD]: Aha, aber die Kostenerstattung schon!)


Bezeichnend ist auch die Behauptung in Ihrem Antrag,
die Patienten könnten ihre Therapien überhaupt nicht be-
urteilen. Also sind Patienten nach Ihrer Ansicht unmün-
dig und der Weisheit der Ärzte ohnmächtig ausgeliefert.


(Mechthild Rawert [SPD]: Nein, wir wollen nur nicht, dass die falschen Strukturen geschaffen werden!)


Das, meine Damen und Herren, ist doch obrigkeitsstaat-
liches Denken.

Geradezu ergreifend ist es, wie sich die SPD in ihrem
Antrag um die wirtschaftliche Situation der PKV und der
Ärzte sorgt. Die PKV wolle weg vom System der Kosten-
erstattung, heißt es.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Von wegen Kostentransparenz!)


Die Belastungen der PKV ergeben sich doch aus ganz
anderen Aspekten: aus zu hohen Zugangshürden und
dem Basistarif, den eine Regierung unter SPD-Beteili-
gung eingeführt hat.

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(C (D (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Ihnen laufen in der PKV die Kosten weg!)


Es rührt mich nahezu auch zu Tränen, wenn Sie sich
m das Inkassorisiko der Ärzte sorgen. Wenn das ein
roblem wäre, würde ja wohl jeder Mediziner Privatpa-
enten am liebsten gleich wieder wegschicken. Die wah-
n Umsatzausfälle entstehen doch dadurch, dass das
KV-System durch politische Entscheidungen alle paar

ahre durcheinandergewirbelt wird mit einer steten Ab-
lge von Zumutungen und Deckelungen.


(Elke Ferner [SPD]: Gerade jetzt von Ihnen und Ihrem Minister!)


Es geht Ärzten auch nicht darum, Patienten irgendet-
as aufzuschwatzen.


(Elke Ferner [SPD]: Nein!)


s geht ihnen darum, sie gut zu informieren. Patienten
erken sehr wohl, wenn sie abgezockt werden sollen.
ertrauen entsteht, wenn man sich gegenseitig auf Infor-
ationen verlassen kann.


(Elke Ferner [SPD]: Genau!)


ie Ärzte, meine Damen und Herren, wollen keine Vor-
asse, sie wollen schlicht und einfach eine Vergütung ih-
r Rechnungen.


(Elke Ferner [SPD]: Mehr Geld, ja! Sagen Sie es doch!)


enn Ihnen, liebe Abgeordnete der SPD, dieser einfache
nspruch nicht passt, dann können wir die freien Arzt-
raxen gleich schließen und die Versicherten anonymen,
taatsgeführten Versorgungsstrukturen anvertrauen.


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh, oh!)


as ist dann das Ende der freien Ärzteschaft, und als Li-
erale werden wir das gerade auch im Interesse der Pa-
entinnen und Patienten nicht zulassen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706906500

Das Wort hat nun Dietrich Monstadt für die CDU/

SU-Fraktion.


Dietrich Monstadt (CDU):
Rede ID: ID1706906600

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute
ber einen Antrag der SPD, mit dem sie sich pauschal
egen jede Kostenerstattungsregelung in der gesetzli-
hen Krankenversicherung wendet.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


nders ist der Antrag nicht zu verstehen.

Dies ist insofern überraschend, meine Damen und
erren, als die SPD in der Vergangenheit in diesem
aus wiederholt für gesetzliche Kostenerstattungsrege-
ngen gestimmt hat,


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aha!)






Dietrich Monstadt


(A) )


)(B)

und zwar sowohl bei der Gesundheitsreform 2003 mit
dem GKV-Modernisierungsgesetz als auch bei der
Gesundheitsreform 2007 mit dem GKV-Wettbewerbs-
stärkungsgesetz.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aha!)


Aber, meine Damen und Herren, wir haben in diesem
Haus zumindest im Bereich der Gesundheitspolitik
schon häufiger feststellen müssen, dass sich die SPD an
ihr eigenes Tun nicht mehr erinnert.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Politische Demenz!)


Im Einzelnen: Im Jahr 2003 wurde die Kostenerstat-
tungsoption in § 13 Abs. 2 SGB V von dem überschau-
baren Kreis der freiwillig Versicherten uneingeschränkt
auf alle Versicherten ausgedehnt. Das kann man quanti-
tativ als drastische Ausweitung ansehen.

Mit der Gesundheitsreform 2007 haben die Kranken-
kassen die Möglichkeit erhalten, ihren Versicherten
Wahltarife anzubieten, darunter Kostenerstattungstarife.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Zu der Zeit von Ulla Schmidt!)


Sowohl 2003 als auch 2007, Herr Lanfermann, hieß die
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, und sowohl 2003
als auch 2007 hat die SPD für diese Ausweitungen von
Kostenerstattungsregelungen gestimmt.


(Elke Ferner [SPD]: 2003 und 2007 war es die CDU, die das wollte!)


Wenn die SPD heute jede Kostenerstattung verteufelt,
obwohl ihre Verantwortung für den früheren Ausbau sol-
cher Regelungen unübersehbar ist, dann folgt sie strin-
gent dem bekannten – ich will es einmal so nennen –
Vergesslichkeitsphänomen. Die paritätische Finanzie-
rung wurde 2004 unter Rot-Grün verlassen, als der Son-
derbeitrag von 0,9 Prozent eingeführt wurde, den die
Versicherten allein tragen.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Hört! Hört!)


Auch die Möglichkeit von Zusatzbeiträgen ist unter
einer SPD-Gesundheitsministerin


(Elke Ferner [SPD]: Die wollte Ihre Kanzlerin, Herr Kollege!)


mit großer Zustimmung der SPD-Fraktion eingeführt
worden. Jetzt also hat die SPD – welche Überraschung! –
ihre frühere Haltung zur Kostenerstattung vergessen.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Die schreiben die Geschichtsbücher um!)


Meine Damen und Herren von der Opposition, wel-
ches Bild haben Sie von der Ärzteschaft?


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Gute Frage! – Maria Michalk [CDU/CSU]: Ich sage nur: Götterdämmerung!)


So wie man Sie verstehen muss, erwartet den Kostener-
stattungspatienten in der Praxis des Arztes seines Ver-
trauens ein wahres Haifischbecken. Der Patient wird fi-
nanziell abkassiert – nach Herrn Dr. Lauterbach wird
ihm das Geld aus der Tasche gezogen –, er wird unnöti-

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(C (D en Behandlungen unterworfen und möglicherweise icht einmal lege artis behandelt, das aber immerhin sort und ohne Wartezeit. Meine Damen und Herren von er SPD, in Ihrem Antrag beschreiben Sie eine Halbwelt Weiß. Meine Erfahrungen mit Ärzten sind andere. h habe Vertrauen zu meinen Ärzten und lasse mir diees durch die SPD-Positionen nicht nehmen. – So viel um Antrag der SPD. Lassen Sie uns nun zu den Fakten zurückkehren. Zum hema Kostenerstattung liegen zwei Änderungsanträge um GKV-Finanzierungsgesetz vor. Erstens. Wir wollen eine Verbesserung zugunsten der ptierenden Versicherten, indem die Verwaltungskostenbschläge auf 5 Prozent begrenzt werden, indem die Abchläge wegen fehlender Wirtschaftlichkeitsprüfungen egfallen und indem wir die Mindestbindefrist auf ein ierteljahr verkürzen. Damit wird die Position des Versiherten gestärkt. (Elke Ferner [SPD]: Nein! Damit wird das Portemonnaie des Arztes gestärkt!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zweitens. Wir wollen den Krankenkassen ermögli-
hen, mehr ergänzende Versicherungen zu vermitteln.

Auf der Tagesordnung der jüngsten Sitzung des Ge-
undheitsausschusses stand der Bericht des GKV-Spit-
enverbandes zur Kostenerstattung. Diesem konnten wir
ntnehmen, dass nur wenige Menschen von der Kosten-
rstattungsoption Gebrauch machen. Anders als die SPD
efürchtet, bleiben 99,81 Prozent der Versicherten bei
achleistungen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706906700

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Klein-Schmeink?


Dietrich Monstadt (CDU):
Rede ID: ID1706906800

Nein.


(Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Schade!)


Damit ist dieser Bereich durchaus überschaubar. So
iel, Herr Dr. Lauterbrach, zu der von Ihnen erwähnten
reiklassenmedizin. Der Antrag der SPD bietet keinen
usatznutzen für eine ernsthafte gesundheitspolitische
useinandersetzung.


(Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie haben noch immer nichts dazu gesagt, was die Union eigentlich davon hält! Kein einziges Wort!)


Meine Damen und Herren, wir sind angetreten, um
nser Gesundheitssystem angesichts demografischer
ntwicklung, medizinisch-technischen Fortschritts und
achsender Kosten zukunftsfest zu machen und für alle
ersicherten den Zugang zu hochwertigen Leistungen zu
rhalten. Im Gesundheitsausschuss beraten wir zu die-
em Zweck derzeit unsere Gesetzentwürfe zum Arznei-





Dietrich Monstadt


(A) )


)(B)

mittelmarkt und zu den GKV-Finanzen. Wir sind auf ei-
nem guten Weg.

Gerade in jüngster Zeit hatte ich im Gesundheitsaus-
schuss manchmal den Eindruck, dass die SPD gelegent-
lich so etwas wie Anerkennung für unsere Anstrengun-
gen erkennen lässt. Herr Kollege Dr. Lauterbach, auf
diesem Weg sollten Sie voranschreiten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Anstrengen tun Sie sich ja! Aber der Erfolg bleibt aus!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706906900

Das Wort hat nun Kollegin Hilde Mattheis für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Hilde Mattheis (SPD):
Rede ID: ID1706907000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

legen heute einen Antrag vor, in dem wir einen wichti-
gen Punkt, der in den kommenden Beratungen sonst
wahrscheinlich untergehen würde, hervorheben.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Was? In Ihrem Antrag steht doch gar nichts drin!)


Dieser Aspekt ist ein Beispiel dafür, wie Sie das Gesund-
heitssystem umgestalten wollen. Alle Maßnahmen, die
Sie ergreifen, dienen dem Ziel, die Solidarität aufzuhe-
ben und die Individualisierung des Krankheitsrisikos
herbeizuführen.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Quatsch!)


So wollen Sie die Interessen einzelner Lobbygruppen
bedienen. Darum geht es Ihnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Lars Lindemann [FDP]: Erklären Sie uns doch mal, warum Sie damals keine Kostenerstattung eingeführt haben! Das können Sie nämlich nicht!)


Die Kostenerstattung wird von nur wenigen Men-
schen, nämlich von nur etwa 0,2 Prozent der Patienten,
angenommen; das ist richtig. Wir sollten aber auch ein-
mal über die Frage nachdenken, warum nur so selten
Patientenquittungen angefordert werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Patientenquittungen würden Transparenz schaffen. Aber
nur 8 Prozent der Menschen, die zum Arzt gehen, for-
dern eine Patientenquittung an. Nur 20 Prozent der Men-
schen wissen überhaupt, dass dies ihr gutes Recht ist.
Wenn es Ihnen tatsächlich um mehr Transparenz ginge,
müssten Sie an genau diesem Punkt ansetzen und eine
Pflicht zur Ausstellung einer Patientenquittung einfüh-
ren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Maria Michalk [CDU/CSU]: Warum haben Sie denn nicht dazu einen Antrag eingebracht? Das steht Ihnen doch frei! – H u im d V s s g m d b in te e s D B w G z fü – z P fü s m – s S h D u d u (C (D Lars Lindemann [FDP]: Das hätten Sie doch machen können!)


Aber darum geht es Ihnen nicht. Ihnen geht es um die
inzuverdienstmöglichkeiten der Ärzte. Meine Fraktion
nd ich sagen: Wir möchten nicht, dass in Zukunft vor

mer mehr Arztpraxen Schilder angebracht sind, auf
enen steht: Facharzt, gesetzlich Versicherte nur gegen
orkasse. – Das ist mit uns nicht zu machen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Maria Michalk [CDU/CSU]: So ein Schild habe ich noch nie gesehen! Malen Sie doch nicht solche Horrorbilder an die Wand! – Heinz Lanfermann [FDP]: Wo haben Sie denn so ein Schild gesehen?)


Wenn Sie sagen, es gehe Ihnen um Konsumenten-
ouveränität, dann muss ich erwidern: Gerade im Ge-
undheitsbereich kann es keinen Vertrag auf Augenhöhe
eben. Denken Sie sich einfach einmal in das Wartezim-
er eines Arztes hinein. Da sitzt der schon ältere Herr,

er Angst hat, dass seine körperlichen Schwächen offen-
art werden. Da sitzt eine Frau mittleren Alters mit Vor-
formationen von ihren Freundinnen und aus Zeitschrif-
n zu bestimmten Symptomen, die Angst hat, dass sich

ine mit diesen Symptomen verbundene Krankheit be-
tätigt.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist ein schlechtes Beispiel!)


a sitzt die junge Mutter, die mit ihrem Kind auf eine
ehandlung wartet und befürchtet, der Arzt könne ihr
omöglich vorhalten, etwas falsch gemacht zu haben.
lauben Sie denn, dass diese Menschen in das Sprech-

immer hineingehen und ein Gespräch auf Augenhöhe
hren können? Auf gar keinen Fall!


(Beifall bei der SPD)


Es geht uns darum, die Patientenrechte zu stärken
richtig –, es geht uns darum, das Sachleistungsprinzip

u stärken – richtig –, und es geht uns darum, dass die
atientinnen und Patienten und die Ärztinnen und Ärzte
r das Eigentliche Zeit haben, was im Gesundheitswe-

en so wichtig und richtig ist, nämlich für das Gespräch
iteinander und für die Therapie.


(Lars Lindemann [FDP]: Mir kommen die Tränen!)


Sie sagen: „Mir kommen die Tränen.“ Ich muss Ihnen
agen: Uns kommen die Tränen, wenn wir sehen, wie
ie mit diesem hohen Gut in unserer Gesellschaft umge-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


as ist nämlich ein hohes Gut, das die Leute behalten
nd bewahren wollen, und das gefährden Sie.


(Lars Lindemann [FDP]: Das haben Sie mit Ihrer Politik systematisch kaputtgemacht! Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis!)


Deswegen betrachten wir in diesem Antrag einen all
er Bausteine, mit denen genau diese Daseinsvorsorge in
nserem Land ausgehöhlt werden kann, und deswegen





Hilde Mattheis


(A) )


)(B)

ist es uns so wichtig, dass wir uns heute hier mit diesem
Antrag auseinandersetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jens Spahn [CDU/CSU]: Gut, Ende!)


Sie meinen allen Ernstes, dass es Ihnen auch um Ein-
sparungen in unserem System geht und dass diese Ein-
sparungen womöglich an die Patientinnen und Patienten
weitergegeben werden. Das ist an Zynismus nicht zu
überbieten. Sie müssen doch berücksichtigen, dass es
Menschen geben wird, die sich für ein Vierteljahr zur
Vorkasse verpflichtet haben und dann feststellen müssen,
dass sie zum Beispiel für die Behandlung des Grünen
Stars über 300 Euro aus eigener Tasche zahlen müssen,
weil die gesetzliche Krankenversicherung nur 72 Euro
dafür erstattet. Diese Menschen werden sich womöglich
keinen weiteren Arztbesuch in diesem Vierteljahr mehr
erlauben können. Darum wird es nämlich gehen.


(Beifall bei der SPD)


Sie werden dann nicht mehr zum Arzt gehen, weil sie sa-
gen: Ich habe schon 300 Euro bezahlen müssen; ich
kann mir nichts Weiteres leisten.

Ich glaube, Sie sollten auch einmal mit der PKV re-
den. Ich weiß nicht, ob Sie das in dem Fall – ich sage
nur: in dem Fall – intensiv getan haben.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Die sechs Minuten sind aber ganz schön lang!)


Sie überlegt nämlich schon längst, wie sie vom Prinzip
der Kostenerstattung abweichen kann, weil die Kosten
für die PKV steil ansteigen. Das ist der Punkt.


(Beifall bei der SPD)


Ich rate Ihnen auch, einfach einmal mit verschiedenen
Verbänden von Fachärzten zu diskutieren und nachzufra-
gen, ob sie alle das so sehen oder ob es ihnen nicht eher
darum geht, sichere Einnahmen zu erzielen. Oder geht es
Ihnen nur darum, die Funktionäre der Ärzte zu bedie-
nen?

Wir als SPD sagen: Mit uns ist das nicht zu machen.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Sie haben es doch schon gemacht!)


Wir wollen eine Stärkung des Sachleistungsprinzips und
Transparenz im System. Deshalb muss es darum gehen,
für mehr Aufklärung zu sorgen, zum Beispiel dadurch,
dass die Menschen Patientenquittungen verlangen.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: So viel Redezeit haben Sie doch eigentlich gar nicht!)


Wir wollen keine Aushöhlung unseres Systems, das sich
bewährt hat, weil alle Menschen gleichermaßen Zugang
haben und alle gesetzlich Versicherten – es geht dabei
um 90 Prozent aller Versicherten – die Sicherheit haben,
auch behandelt zu werden und –


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706907100

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

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(C (D – nicht in einer Dreiklassenmedizin zu landen. Herzlichen Dank. Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kol gen Lothar Riebsamen von der CDU/CSU das Wort. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Wenn dieser Antrag, den wir jetzt schon seit iner Stunde debattieren, überhaupt einen Sinn macht, ann vielleicht, um als Anschauungsmaterial zu dienen, ie man Schreckgespenster bzw. Popanze aufbaut. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Ich lach mich tot!)

Hilde Mattheis (SPD):
Rede ID: ID1706907200

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706907300

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lothar Riebsamen (CDU):
Rede ID: ID1706907400

er Antrag ist absurd. Er zeigt, dass Sie nicht verstanden
aben, um was es geht, oder – das ist eigentlich noch
chlimmer – dass Sie gar nicht wissen wollen, um was es
eht.

Es geht schlicht und ergreifend um nicht weniger als
as Wahlrecht der Patienten,


(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Genau!)


b sie eine Kostenerstattung wollen oder nicht. In ver-
chiedenen Redebeiträgen heute Morgen wurde schon
usgeführt, dass Sie mit dabei waren, als wir dieses
ahlrecht 2003 eingeführt haben; aber die Patienten ha-

en diese Möglichkeit in der Vergangenheit zu wenig ge-
utzt.


(Elke Ferner [SPD]: Sie wollten das doch unbedingt haben! Schieben Sie uns das doch nicht in die Schuhe!)


ir gestalten dieses Wahlrecht jetzt attraktiv. Wahlrecht
t Patientenrecht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


enn Sie dies nicht anerkennen, dann enthalten Sie dem
atienten ein Recht vor. Um es auf den Punkt zu brin-
en: Sie torpedieren ein Patientenrecht.

Ihr Antrag setzt voraus, dass wir Vorkasse wollen. Es
urde aber schon mehrfach ausgeführt, dass es über-
aupt nicht um Vorkasse geht. Das ist der Popanz. Wir
aben noch nicht einmal in der privaten Krankenversi-
herung eine Vorkasse. Zunächst kommt die Leistung,
ann die Bezahlung. Die Möglichkeit der Bezahlung hat
an, wenn das Geld von der Krankenkasse eingegangen
t. Es gibt also keine Vorkasse.

Dann weisen Sie auf den Informationsvorsprung hin
da haben Sie durchaus recht –, den die Ärzte bzw.
eistungserbringer gegenüber den Patienten haben.






(A) )


)(B)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706907500

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Lauterbach?


Lothar Riebsamen (CDU):
Rede ID: ID1706907600

Bitte schön.


Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Rede ID: ID1706907700

Vielen Dank. – Noch einmal ganz konkret: Ich ver-

misse nach wie vor eine Antwort auf die Frage, wie Sie
verhindern wollen, dass beispielsweise ein älterer
Mensch, der Rückenschmerzen hat und zum Orthopäden
möchte – um noch einmal das Beispiel aufzugreifen, das
ich selbst gebracht habe – und wenig Geld hat, auf die
Frage, ob es einen Termin gibt, von dem Orthopäden mit
der Antwort konfrontiert wird: „Sind Sie in der Lage,
sind Sie willig, Vorkasse zu zahlen?“. Wie wollen Sie
sicherstellen, dass so etwas in der Praxis nicht vor-
kommt? Was sagen Sie einem solchen Menschen, wenn
der Orthopäde schlicht sagt: „Ich behandle bevorzugt ge-
gen Vorkasse“? Das ist ja nach Rechtslage, wenn ich das
richtig verstehe, erlaubt.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ist es nicht!)



Lothar Riebsamen (CDU):
Rede ID: ID1706907800

Ich sage diesem Patienten: Gehen Sie zu Ihrer Kran-

kenkasse und beschweren Sie sich;


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Genau!)


denn genau das ist nicht erlaubt. – Das war in der Ver-
gangenheit nicht erlaubt und wird es auch in Zukunft
nicht sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Auch das ist ein Popanz, den Sie permanent aufbauen.
Das entspricht schlicht und ergreifend nicht den Tatsa-
chen.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist schon fast Volksverhetzung!)


Wenn Sie jetzt über den Ärztemangel diskutieren wollen,
müssen Sie einen anderen Antrag schreiben; darum geht
es heute nicht.

Schauen Sie sich dieses Wahlrecht an. Es beinhaltet,
dass die Patienten zukünftig die Möglichkeit haben, nicht
nur über alles hinweg ein Wahlrecht auszuüben, sondern
auch, auszuwählen: Will ich dieses Wahlrecht nur beim
Zahnarzt, oder will ich es auch beim Hausarzt? – All
diese Möglichkeiten gibt es sozusagen á la carte und fle-
xibel. Als weitere Verbesserung ist vorgesehen, die Bin-
dungsfrist von einem Jahr auf drei Monate zu verkürzen.
Damit kann der Patient erst einmal ausprobieren, ob das
Modell gut für ihn ist.

Des Weiteren werden künftig nicht mehr zwangs-
weise 10 Prozent Verwaltungskosten abgezogen. Den
Krankenkassen wird stattdessen die Möglichkeit gebo-
ten, nur 5 Prozent abzuziehen. Auch dies ist eine Kann-
bestimmung.

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(C (D Wir alle nehmen an vielen Diskussionen bzw. Podimsdiskussionen teil oder halten Vorträge. Wir sagen en Menschen – so weit sind wir uns meistens einig –, ass das Gesundheitswesen in Deutschland aufgrund der emografischen Entwicklung und des medizinischen ortschritts teurer werden wird. Wenn wir die Maßnahen schildern, wie wir dem begegnen wollen, gehen die einungen schon etwas auseinander. Die Besucher die er Veranstaltungen stellen sich dann die Frage, was sie ersönlich tun können, um dem zu begegnen. Darauf öchten wir mit dem Wahlrecht eine Antwort geben. (Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist keine Antwort!)


Sie trauen den Patienten nichts zu. Herr
r. Lauterbach hat von Verdummung gesprochen. Sie
erdummen doch die Patienten, indem Sie ihnen nichts
utrauen. Sie haben in dieser Frage, und nicht nur darin,
chlicht und ergreifend ein anderes Menschenbild als
ir.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Gott sei Dank!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706907900

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen-

age, diesmal des Kollegen Schaaf?


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Er ist doch gerade erst gekommen! Da braucht er nicht schon Fragen zu stellen! Er ist während der ganzen Debatte nicht da gewesen!)



Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1706908000

Herr Kollege, es ist, wie üblich, eine unverschämte

ehauptung, zu sagen, ich hätte die Debatte nicht ver-
lgt. Ich habe nämlich die ganze Zeit vor dem Fernseh-

erät zugehört. Ich habe mich dann beeilt, hierherzu-
ommen, um eine Frage zu stellen, die weder von der
DP noch von der Union beantwortet worden ist.

Die untauglichen Versuche, uns allein das Thema
orkasse aus der Vergangenheit zuzuschieben, blendet
us, dass Sie über den Bundesrat immer beteiligt waren.
ber lassen wir das beiseite.

Das einzige Argument, das die Regierungskoalition
ugunsten des Vorkassenprinzips vorgebracht hat, war
ie Transparenz.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Es gibt kein Vorkassenprinzip!)


afür hätte man die Debatte über die obligatorische Pa-
entenquittung weiterführen können; aber das ist auf der
chten Seite des Hauses auf massive Verweigerung ge-

toßen. Versuchen Sie bitte, mir zu erklären, welchen
orteil der Patient von dem Vorkassenprinzip hat, wenn
an von der Transparenz absieht, die kein taugliches Ar-

ument ist. Sie haben das Hohelied auf die Ärzteschaft
esungen, die keine Unterschiede in der Behandlung
acht: Ob man Vorkasse wählt oder nicht, die Ärzte be-

andeln alle gleich. – Welchen Vorteil hat der Patient
on diesem Prinzip?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)







(A) )


)(B)


Lothar Riebsamen (CDU):
Rede ID: ID1706908100

Ich habe das bereits ausgeführt. Wahrscheinlich ha-

ben Sie nicht richtig zugehört. Die Kostenerstattung
wird dazu führen, dass Patient und Arzt mehr miteinan-
der über die Therapie reden müssen, als es in der Ver-
gangenheit der Fall war.


(Widerspruch bei der SPD und der LINKEN)


Wenn in der Vergangenheit die Tabletten nicht ange-
schlagen haben, dann hat die Patientin oder der Patient
sie einfach weggeschmissen. In Zukunft wird sie oder er
den Arzt aufsuchen


(Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das ist doch kein Basar!)


und ihm sagen, dass die Therapie nicht funktioniert und
eine andere Möglichkeit gefunden werden muss.


(Mechthild Rawert [SPD]: Geld als medizinisches Sanktionsmittel!)


Wir werden nicht nur mehr Transparenz schaffen, son-
dern auch dazu beitragen, dass sich Patient und Arzt auf
gleicher Augenhöhe begegnen. Das ist der entschei-
dende Punkt des Wahlrechts.


(Elke Ferner [SPD]: Einfach nur peinlich, Herr Kollege!)


Ich war bei unserem Verhalten in Diskussionen und
der Frage stehengeblieben, ob wir den Patienten etwas
zutrauen. Wenn der Patient Sie in einer solchen Diskus-
sion fragt, was er tun könne, dann sagen Sie, dass er
nichts tun kann und es lieber Vater Staat überlassen soll,
der schon immer alles geregelt hat. Das nehmen uns die
Bürgerinnen und Bürger nicht mehr ab. Sie wollen wis-
sen, worum es geht und wie viel sie für was bezahlen
müssen.


(Elke Ferner [SPD]: Sie haben schon bezahlt!)


Sie wollen mehr Transparenz.

Im Übrigen sind – das räume ich gerne ein – Sachleis-
tungen nicht unbedingt ein Gegensatz zu dem Vorhaben,
das wir in Angriff nehmen. Was die Sachleistungen an-
geht, ist bei den Krankenkassen durchaus Fachkompe-
tenz vorhanden. Die Krankenkassen achten auf Wirt-
schaftlichkeit; das wird gar nicht in Zweifel gezogen.
Auch medizinische Evidenz ist bei den Kassen vorhan-
den. Aber sie geben bisher keine Antworten, was die
Transparenz und den mündigen Bürger angeht. Deswe-
gen wollen wir das System weiterentwickeln. Das Tot-
schlagargument gegen die Vorauskasse trifft nicht zu. Es
hilft nicht weiter.

Wir wollen den Weg der Wahlmöglichkeit weiterge-
hen. Wir wollen ein besseres Verständnis der Patienten
für das gesamte System mit dieser Maßnahme erwirken.
Ihren Antrag braucht niemand, weder die Krankenkas-
sen noch die Ärzte und erst recht nicht die Patienten. Die
Wege, die Sie aufzeigen, sind nichts anderes als
Schreckgespenster. Wir werden den Weg der Transpa-
renz konsequent weitergehen. Wir werden auch in Zu-
kunft Lobbyisten für die Patientinnen und Patienten sein.

Herzlichen Dank.

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(C (D Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf rucksache 17/3427 an die in der Tagesordnung aufgehrten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein erstanden? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist ie Überweisung so beschlossen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 29 sowie Zuatzpunkt 8 auf: 29 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – Drucksache 17/3404 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Innenausschuss Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO P 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Fritz Kuhn, Markus Kurth, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Menschenwürdiges Dasein und Teilhabe für alle gewährleisten – Drucksache 17/3435 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu keien Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen arl Schiewerling von der CDU/CSU-Fraktion das ort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe olleginnen und Kollegen! Die Koalitionsfraktionen on Union und FDP bringen heute den Entwurf eines esetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änerung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzuch in die Beratungen des Deutschen Bundestages ein. inter diesem Titel, der etwas sperrig klingt, verbergen ich sehr viele komplizierte Fragen. Als im Dezember 004 SPD und Grüne, die damals die Mehrheit im Bun Karl Schiewerling )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706908200

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1706908300




(A) )

destag hatten, sowie Union und FDP, die damals die
Mehrheit im Bundesrat hatten, im Vermittlungsaus-
schuss das SGB II auf den Weg gebracht haben,


(Elke Ferner [SPD]: Aha!)


hat wohl niemand geahnt, wie komplex dieses Sozial-
gesetzbuch werden wird und dass man sich im Laufe der
Jahre permanent mit Veränderungen und Neuerungen
auseinanderzusetzen haben wird. Im Sozialgesetzbuch
werden die Arbeitsmarktpolitik, die Sozialpolitik, die
Familiensituation und die Bildungssituation – erst recht
nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
9. Februar dieses Jahres – zusammengeführt. An der
Ausführung sind Bund, Länder und Kommunen betei-
ligt. Das macht nicht nur die Komplexität des Gesetzes
aus, sondern bereitet auch beim Vollzug Schwierigkei-
ten.

Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Urteile ge-
fällt und dem Gesetzgeber gesagt, dass Korrekturbedarf
besteht. Das erste Urteil betraf die Organisation. Diese
haben wir, Union, FDP, SPD und Grüne, im Sommer
dieses Jahres gemeinsam in Ordnung gebracht. Das
zweite Urteil vom 9. Februar besagt, dass die Bedarfs-
sätze sowohl für die Erwachsenen als auch für die Kin-
der transparent und nachvollziehbar ermittelt werden
müssen. Es wurde keine Kritik an der Methode und der
Höhe der Bedarfssätze geäußert. Es wurde die Forde-
rung erhoben, die Bedarfe genau zu ermitteln, und zwar
für Erwachsene und Kinder getrennt. Des Weiteren hat
das Bundesverfassungsgericht als maßgeblich mitgeteilt:
Ihr müsst sehen, dass die Kinder, die im Leistungsbezug
des SGB II sind, eine Perspektive bekommen. Ihr müsst
außerdem jedem individuelle Hilfe zukommen lassen. –
Das sind die Rahmenbedingungen, unter denen der vor-
liegende Gesetzentwurf erarbeitet wurde und mit denen
wir uns zu befassen haben. Damit treten wir in die
zweite Phase der Runderneuerung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch ein. Die dritte Phase wird im Frühjahr
kommenden Jahres anstehen, wenn wir uns um die ar-
beitsmarktpolitischen Instrumente kümmern.

Es geht darum, Hilfen aus einer Hand zu geben; das
ist die Intention. Das haben wir organisatorisch sicherge-
stellt. Es geht aber auch darum, alles zu tun, dass Men-
schen wieder in Beschäftigung kommen. Das Zweite
Buch Sozialgesetzbuch beinhaltet zunächst nichts ande-
res als eine Grundsicherung, hat aber zum Ziel, Men-
schen wieder in Beschäftigung zu bringen. Diese Rah-
menbedingungen müssen wir wahren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Der vorliegende Gesetzentwurf greift das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts auf; aber wir gehen über das,
was uns darin aufgetragen wurde, noch hinaus. Wir ha-
ben Regelsätze vorgelegt, die transparent, nachvollzieh-
bar und realitätsgerecht ermittelt wurden.


(Elke Ferner [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!)


Wir haben erstmals auch eigene Regelsätze für die Kin-
der ermittelt, und wir haben etwas getan, für das ich der
Bundesarbeitsministerin – das möchte ich heute schon

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(C (D u Beginn der Beratungen sehr deutlich sagen – außerorentlich dankbar bin. Sie hat das Urteil des Verfassungserichtes vom 9. Februar 2010 nicht als Belastung angeehen, sondern beschreitet mit vollem Herzen neue ege, um Kindern, die sich in diesem Leistungsbezug efinden, eine Perspektive für Bildung und Teilhabe an nserer Gesellschaft zu ermöglichen. amit wird ein Zeichen gesetzt, das im Zusammenhang it dem Sozialgesetzbuch II zwingend notwendig ist: ir investieren mit diesem Paket – in Höhe von immer in 700 Millionen Euro – in die Zukunft dieser Kinder nd damit auch in die Zukunft unserer Gesellschaft. Die Grundprinzipien des Zweiten Buches Sozialgeetzbuch bleiben unverändert. Es geht um Fordern und ördern; es geht um den Grundsatz: keine Leistung ohne egenleistung. Wir wissen auch, dass mit der Verab chiedung dieses Gesetzes eine besondere Herausfordeng für die Jobcenter entsteht; denn sie werden mit euen Aufgaben konfrontiert, die nicht unbedingt zum rfahrungsschatz eines Berufsvermittlers gehören. Ich in aber sicher, dass die Jobcenter – so gut, wie sie in en letzten Jahren ihre Aufgaben wahrgenommen haben – ich auch dieser neuen Aufgabe erfolgreich stellen weren. Ich bin auch sicher, dass die Kommunen froh sein erden, dass sie hierdurch im Laufe der nächsten Jahre eue Handlungsmöglichkeiten erhalten. Meine Damen und Herren, im Mittelpunkt bleibt: Jeer muss zunächst einmal tun, was er kann. Wir haben ,5 Millionen Menschen, die sich im Leistungsbezug der rundsicherung für Arbeitsuchende befinden. Das ist ber beileibe kein monolithischer Block. Die Menschen efinden sich in höchst unterschiedlichen Lebenssituaonen und bringen höchst unterschiedliche Lebensperpektiven mit. Deswegen müssen wir ihnen auch indiviuell und möglichst passgenau helfen. Dem dient dieses esetz; dem dient das Handeln der Koalitionsfraktionen nd der Bundesregierung. Aber es bleibt der Grundsatz: eder muss zunächst einmal tun, was er kann. Jeder muss ich anstrengen. Dann hat er auch ein Recht auf Hilfe nd Unterstützung. – Von diesem Grundsatz dürfen wir uch vor dem Hintergrund unseres Menschenbildes nie bweichen. Zu Beginn der parlamentarischen Beratungen möchte h ausdrücklich SPD und Grüne, die mit uns gemein am das Sozialgesetzbuch II mit den Strukturen, die jetzt erändert werden müssen, auf den Weg gebracht haben, erzlich dazu einladen, in den nächsten Wochen auf dieem Weg konstruktiv mitzuarbeiten, damit wir uns geeinsam den Aufgaben für die Zukunft dieser Menschen tellen können. Was mich hoffnungsfroh stimmt, ist die Wirtschaftsntwicklung und damit die positive Entwicklung am Areitsmarkt. Menschen brauchen Arbeit auf dem ersten rbeitsmarkt; ich denke, das ist das eigentliche Ziel. Wir üssen ihnen helfen. Keiner kann nichts, keiner kann als, jeder hat Begabungen und Fähigkeiten – wir brau hen jeden für unsere Gesellschaft. Karl Schiewerling )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706908400

Das Wort hat nun Elke Ferner für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1706908500

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Der

Gesetzentwurf, der uns hier vorliegt, ist mehr Schein als
Sein. Um was geht es tatsächlich? Sie haben Regelsätze
ermittelt, die eher den Anschein haben, dass es Regel-
sätze nach Kassenlage sind, als dass sie in einem trans-
parenten, nachvollziehbaren und vor allen Dingen reali-
tätsgerechten Verfahren ermittelt worden sind. Sie haben
ein Bildungspäckchen statt eines Bildungspaketes ge-
schnürt, und Sie streichen derzeit im Rahmen der Haus-
haltsberatungen die Mittel der aktiven Arbeitsmarktpoli-
tik rigoros zusammen. – Wenn Herr Schiewerling sich
jetzt hierhin stellt und sagt, wir müssten etwas tun, damit
die Menschen in Arbeit kommen und gar nicht erst auf
Transferleistungen angewiesen sind, frage ich mich, wie
das überhaupt zusammenpasst. – Außerdem erhöhen Sie
die Zahl derer, die hilfebedürftig werden, indem Sie die
Zuverdienstgrenzen anheben und sich gleichzeitig der
Einführung von flächendeckenden Mindestlöhnen ver-
weigern. Das ist Ihre Politik.


(Beifall bei der SPD)


Ich finde, man darf sich nicht hierhin stellen und mit
einer Scheingenauigkeit – sie versuchen auch noch, ihre
Angaben mit Tabellen zu belegen, in denen zugegebe-
nermaßen ein paar valide Zahlen stehen; was die Kinder-
regelsätze angeht, wimmeln diese Tabellen nur so von
Strichen und Klammern – verkünden: Das ist alles trans-
parent und nachvollziehbar. Ich wiederhole: Sie liefern
hier eine Scheingenauigkeit ab und nichts, was transpa-
rent und nachvollziehbar ist. Ich will Ihnen das an ein
paar Beispielen deutlich machen.

Zur Ermittlung der Regelsätze reduzieren Sie bei den
Einpersonenhaushalten die Referenzgruppe willkürlich
auf 15 Prozent; bisher umfasste sie 20 Prozent. In der
Referenzgruppe belassen Sie Menschen, die aufsto-
ckende Leistungen beziehen, auch wenn sie nur ganz ge-
ring sind. Das hat zum Ergebnis, dass diejenigen, die ar-
beiten und nicht genug Geld haben, um mit ihrem
Arbeitseinkommen über die Runden zu kommen, am
Ende möglicherweise weniger als das Existenzminimum
übrig haben, weil natürlich auch Aufwendungen für ihre
Erwerbstätigkeit anfallen. Bei den Familienhaushalten
mit einem Kind nehmen Sie ohne Begründung 20 Pro-
zent als Referenzgruppe. Was ist daran transparent und
nachvollziehbar?

Frau von der Leyen – Sie haben noch ein bisschen Zeit,
bis Sie ans Rednerpult treten –, schauen Sie sich einmal
die Seiten 145 und 146 Ihres Gesetzentwurfs an – da zeigt
sich wieder, dass man irgendwo in Ihrem Ministerium die
Grundrechenarten nicht beherrscht –: Dort wird anstelle
eines Minuszeichens ein Pluszeichen verwendet. Sie wei-
sen 20 Prozent aus, obwohl es nur um 15 Prozent geht.

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(C (D as ist keine saubere Arbeit. Schon der Referentenenturf war das nicht. Das macht das Ganze nicht nachvoll iehbarer. Darüber hinaus rechnen Sie in kleinlichster Weise usgabepositionen heraus, um den Hartz-IV-Regelsatz m 5 Euro – das war ja die Grenze, die man Ihnen offenundig gesetzt hat – erhöhen zu können. Ich möchte och einmal das Beispiel der 67 Cent für die chemische einigung heranziehen. Dabei geht es nicht nur um die egelsätze für Erwerbsfähige, sondern auch um die Reelsätze für diejenigen, die eine Grundsicherung bezieen. Es geht also auch um den Regelsatz der Rentnerin, ie eine Minirente hat und ergänzend Grundsicherung rhält. Nennen Sie mir bitte einmal eine Rentnerin, die inen Wintermantel hat, der nicht in die chemische Reiigung muss. Wenn sie dafür nur 67 Cent monatlich beommt, muss sie anderthalb Jahre ansparen. Was Sie orhaben, ist kleinlich und zeigt, wohin die Reise geht: nen ging es darum, die Höhe der Regelsätze an der assenlage auszurichten, und nicht um eine realitätsgechte Bemessung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD)


Ein weiterer Punkt sind die Kinderregelsätze. Wenn
an sich einmal anschaut, wie viel bei der Berechnung

ieser Regelsätze auf validen Daten beruht, dann kann
inem nur schwindelig werden. Ich kann Sie nur auffor-
ern – wir werden das auch im parlamentarischen Ver-
hren verlangen –, hier einen Plausibilitätscheck durch-

uführen. Was die Berechnung der Regelsätze für die
ull- bis Sechsjährigen angeht, beruhen gerade einmal

wei Drittel dieser Regelsätze auf validen Daten, also
uf der Untersuchung von mehr als 100 Haushalten. Was
ie Berechnung der Regelsätze für die 14- bis 18-Jähri-
en angeht, beruhen noch nicht einmal mehr 50 Prozent
uf validen Daten. Man schaue sich das Ganze an einzel-
en Positionen an. Beispielsweise werden für Kinder
on 14 bis 18 Jahren für Schuhe im Jahr weniger als
0 Euro zur Verfügung gestellt. Wer Kinder in diesem
lter hat, weiß, was für Schuhe ausgegeben wird. Auch
ier stimmt die Berechnung hinten und vorne nicht.

Das Bildungspaket ist ein Bildungspäckchen. Wir er-
arten da mehr. Wir erwarten beispielsweise, dass nicht
ur die Kinder, deren Eltern im SGB-II-Bezug sind oder
r die ein Kinderzuschlag gezahlt wird, davon profitie-
n. Wir wollen, dass auch die Niedrigverdiener davon

rofitieren. Wir wollen, dass etwa Mittel für die Teilhabe
Vereinen usw. nicht auf Kinder bis zum 18. Lebens-
hr beschränkt sind. Was macht das denn für einen
inn? Soll ein Mädchen, das Leistungsträgerin in ihrem
ußballverein ist, oder ein Junge, der gut Klavier spielt,
as Ganze sein lassen, nur weil das Alter von 18 Jahren
rreicht worden ist?

Auch beim Thema Mindestlohn haben wir Ge-
prächsbedarf. Es kann eben nicht sein – das hat auch
as Verfassungsgericht deutlich gesagt –, dass der Maß-
tab das niedrigste Einkommen ist und dass darunter das
xistenzminimum liegen muss. Der Maßstab ist das





Elke Ferner


(A) )


)(B)

Existenzminimum. Das Existenzminimum plus X ergibt
den Lohn, den jemand verdienen muss, damit er oder sie
am Ende des Monats davon leben kann, ohne auf Sozial-
leistungen angewiesen zu sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will zu dem Gesprächsangebot nur so viel sagen:
Frau Merkel ist das Thema offensichtlich nicht wichtig
genug, als dass sie sich mit an den Tisch setzt. Gesprä-
che machen nur Sinn, wenn wir auch Signale bekom-
men, dass Sie sich in unsere Richtung bewegen. Eine
Schauveranstaltung, bei der wir alle nett an einem Tisch
sitzen und schöne Fernsehbilder produzieren, aber in der
Sache nichts weiter bewegt wird, macht keinen Sinn.
Dann ist ein reguläres Verfahren eher angesagt, und zwar
ein reguläreres Verfahren als das, das wir gestern bei den
Gesetzen zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke
erlebt haben.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706908600

Das Wort hat Pascal Kober für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1706908700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Frau Ferner, ich möchte Sie doch einmal daran er-
innern – Sie haben mit vielen Worten Kritik am vorlie-
genden Gesetzentwurf geübt –, dass das Bundesverfas-
sungsgericht Ihre Gesetzgebung kritisiert hat


(Elke Ferner [SPD]: Sie waren doch dabei! Das hat Herr Schiewerling doch eben gesagt! Zeigen Sie doch nicht mit dem Finger auf uns! Das ist doch billig!)


und aufgrund Ihrer Gesetzgebung diese Regierungsko-
alition aufgefordert hat, einen transparenten und nach-
vollziehbaren Gesetzentwurf vorzulegen.


(Beifall bei der FDP – Elke Ferner [SPD]: Im Gegensatz zu Ihnen war ich schon im Bundestag zu der Zeit!)


– Frau Ferner, ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern,
was der Kollege Markus Kurth von Bündnis 90/Die Grü-
nen in der vergangenen Ausschusssitzung gesagt hat. Er
hat gesagt, dass er zugeben müsse, dass sich diese Regie-
rungskoalition bei der Bemessung der Regelsätze mehr
Mühe gegeben habe als die damalige rot-grüne Bundes-
regierung bei der Einführung der Hartz-IV-Regelsätze.


(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)


Dieser Aussage des Kollegen Markus Kurth stimme ich
ausdrücklich zu.

Ich möchte auch noch einmal daran erinnern, dass das
Bundesverfassungsgericht nicht die Höhe der Regelsätze
kritisiert hat,

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(C (D ondern deren Herleitung, und eine transparente Herleing gefordert hat. Wir haben einen transparenten Enturf vorgelegt; (Elke Ferner [SPD]: Das stimmt nicht! Dass Sie nicht rot werden bei den Worten!)


(Elke Ferner [SPD]: Habe ich das gesagt?)


r ist so transparent, wie es ein Entwurf zu Ihren Zeiten
iemals gewesen ist. Wir scheuen uns auch nicht, die
olitischen Wertentscheidungen zu treffen, zu denen uns
as Bundesverfassungsgericht explizit aufgefordert hat,
enen Sie sich verweigert haben. Wir sagen eindeutig,
ass Tabak und Alkohol nicht zum Grundregelbedarf,
icht zum Existenzminimum gehören,


(Elke Ferner [SPD]: Aber methodisch rechnen Sie es falsch raus! Falsche Methode!)


nd scheuen uns auch nicht, dies den Menschen deutlich
u sagen. Genauso wenig gehören nach unserer Ansicht
otorbetriebene Gartengeräte dazu.


(Mechthild Rawert [SPD]: Was ist mit den 67 Cent? – Elke Ferner [SPD]: Wie soll denn die Oma das Grab pflegen? – Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist doch ein Ablenkungsmanöver!)


vorliegenden Gesetzentwurf wird aber eine weitere
riorität dieser Regierungskoalition deutlich. Uns geht
s darum, die Menschen zu ertüchtigen und zu befähi-
en, sich mit unserer Hilfe aus der Arbeitslosigkeit zu
efreien oder gar nicht erst in die Arbeitslosigkeit zu ge-
ten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen,
ass es in diesem Sozialstaat so etwas wie sich verer-
ende Sozialhilfebiografien gibt, ist eine Entwicklung,
ie uns alle nicht ruhen lassen darf und die diese Regie-
ngskoalition nicht hat ruhen lassen. Wir haben einen

rsten Schritt in die richtige Richtung getan.


(Anton Schaaf [SPD]: Ist da noch mehr zu befürchten?)


ir haben den Kindern, deren Eltern Langzeitarbeitsu-
hende sind, ein Bildungspaket zur Verfügung gestellt.
ir investieren in die Bildung dieser Kinder, damit sich

angzeitarbeitslosigkeit und Arbeitslosigkeit generell
icht vererbt und damit auch diesen Kindern der Einstieg
s Berufsleben gelingt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ir vergessen auch nicht die Kinder, deren Eltern von
leineren Einkommen leben. Wer den Kinderzuschlag
rhält, profitiert ebenfalls von den Leistungen des Bil-
ungspakets. Hier wird sehr deutlich, was wir möchten:
ir wollen Chancen für alle Kinder in dieser Gesell-

chaft.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Uwe Schummer [CDU/CSU])






Pascal Kober


(A) )


)(B)

In Zukunft werden Kinder dort, wo es ein gemeinsa-
mes Schulmittagessen gibt, daran teilnehmen können.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was essen die anderen?)


Sie werden am kulturellen und sportlichen Leben teilha-
ben können, und sie werden die Möglichkeit haben, bei
eintägigen Klassenfahrten mitzufahren. Wir werden erst-
mals sicherstellen, dass die Leistungen direkt bei den
Schwächsten in unserer Gesellschaft, bei den Kindern,
ankommen. Wir werden diesen Sozialstaat treffsicher
gestalten.


(Thomas Oppermann [SPD]: Zielgenau! Treffsicher ist missverständlich!)


Das ist im Interesse beider Seiten: derjenigen, die den
Sozialstaat finanzieren und die Leistungen erwirtschaf-
ten,


(Elke Ferner [SPD]: Mövenpick und Co.!)


aber auch derjenigen, die auf die Leistungen dieses So-
zialstaats angewiesen sind.

Ziel der Sozialpolitik der christlich-liberalen Koali-
tion ist es, mehr Menschen in Beschäftigung zu halten
und zu bringen. Ziel unserer Sozialpolitik ist es, die
Menschen zur Teilhabe an der Gesellschaft zu befähi-
gen. Ziel ist es, den Menschen Brücken aus der Abhän-
gigkeit von den sozialen Unterstützungssystemen zu
bauen.


(Beifall bei der FDP)


Nicht nur die aktuellen Arbeitsmarktzahlen zeigen hier
die erfolgreiche Arbeit unserer Politik.

Liebe Frau Ferner, Sie haben die Erhöhung der Zu-
verdienstgrenzen kritisiert. Folgendes wurde nicht von
der christlich-liberalen Koalition, sondern von der Bun-
desagentur für Arbeit, die uns den Zusammenhang deut-
lich gemacht hat, festgestellt: Wem es gelingt, 800 Euro
zu verdienen, dem gelingt binnen zwei Jahren zu
90 Prozent der Sprung in die voll sozialversicherungs-
pflichtige Beschäftigung.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!)


Diesen Zusammenhang müssen wir sehen. Deshalb
haben wir uns vorgenommen, die Zuverdienstgrenzen
jetzt in einem ersten Schritt und 2012 in einem zweiten
Schritt zu erhöhen.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben gar nichts gemacht!)


Das ist ein Zeichen sozialer Arbeitsmarktpolitik, wie wir
sie verstehen. Wir müssen für die Menschen Brücken in
die Beschäftigung bauen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706908800

Das Wort hat nun Kollegin Katja Kipping für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manch al vermittelt Schwarz-Gelb den Eindruck, dass man as Land mit sozialen Wohltaten überschüttet, nur weil Haushalt das Bildungspaket und die läppische 5-Eurorhöhung der Hartz-IV-Regelsätze eingeplant werden. an muss klar festhalten: Das ist ein falscher Eindruck, nd das ist eine verkehrte Darstellung. Denn tatsächlich ürzen Sie im Zusammenhang mit Ihrem Bildungspaket or allen Dingen bei den Ärmsten. Ich möchte das einal ins Verhältnis setzen: Das Fünffache der Summe, ie für das Bildungspaket und die läppische Erhöhung ingeplant ist, wird im Bereich Hartz IV gekürzt. Das eißt im Klartext: Sie kürzen bei den Ärmsten. Ich möchte das einmal bildhaft ausdrücken: Wenn an eine Klimaanlage auf minus 5 Grad Celsius einstellt nd danach großzügig um ein Grad nach oben reguliert, ann ändert diese großzügige Regulierung um ein Grad ach oben nichts daran, dass immer noch minus 4 Grad elsius und somit Frosttemperaturen herrschen. Unter em Strich bleibt zu sagen: Schwarz-Gelb fördert die soiale Kälte in diesem Land. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706908900

Hinzu kommt: Im Windschatten der Neuberechnun-
en bringen Sie jede Menge Verschlechterungen ein. Um
ur eine von vielen zu benennen: Bisher musste vor der
erhängung von Sanktionen eine Rechtsbehelfsbeleh-
ng erfolgen. Das ist nun nicht mehr nötig. Jetzt kann
an einfach darauf verweisen, dass es irgendwo in ei-

em der langen Flure des Jobcenters einen Aushang
azu gibt. Willkürlichen Kürzungen sind hier also Tür
nd Tor geöffnet. Die Linke sagt dazu ganz klar: Solche
illkür ist mit unserem Verständnis von einem Rechts-

taat nicht zu vereinbaren.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war ein-
eutig. Das Grundrecht auf gesellschaftliche Teilhabe
r Bedürftige ist zu garantieren. Im Zuge dessen müs-

en die Hartz-IV-Regelsätze neu und nachvollziehbar
erechnet werden.


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Aber nicht erhöht werden!)


ie aber geht Schwarz-Gelb mit einem solchen Urteil
m? Sie rechnen so lange herum, bis eine läppische Er-
öhung von 5 Euro herauskommt. Wir sagen: Ein Regel-
atz, der ohne Tricks berechnet worden ist, und ein Re-
elsatz, der sowohl gesunde Ernährung als auch den
auf eines Monatstickets ermöglicht, fällt deutlich hö-
er aus.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das wussten Sie schon kurz nach der Verkündigung des Urteils, ohne eine Zahl zu kennen!)


Wir hatten schon vorher nachgerechnet.





Katja Kipping


(A) )


)(B)

Die Linke berät sich gegenwärtig mit Fachleuten, So-
zialverbänden und Betroffenen. Wir werden in den
nächsten Wochen eine Übersicht veröffentlichen, in der
dargestellt wird, wie hoch der Regelsatz ohne Ihre Tricks
ausfallen würde. Um nur einen Rechentrick zu erläutern:
Das Bundesverfassungsgericht hat uns den Auftrag ge-
geben, die verdeckt Armen herauszurechnen. Zur Erläu-
terung: Die verdeckt Armen sind diejenigen, die eigent-
lich Anspruch auf Sozialleistungen hätten, diese aus
Scham oder Unwissenheit aber nicht in Anspruch neh-
men. Diese Herausrechnung ist nicht erfolgt. Schwarz-
Gelb hat die verdeckt Armen nicht herausgerechnet.

Wir von der Linken und die gesamte Opposition ha-
ben im Ausschuss gemeinsam gefordert, dass eine ent-
sprechende Berechnung in Auftrag gegeben wird. Es
ging dabei nur um eine Berechnung. Es ging noch nicht
einmal um die Festlegung auf eine Zahl. Doch wie geht
Schwarz-Gelb damit um? Sie blockieren es. In Mafiama-
nier verhindern Sie Transparenz. Ich sage Ihnen: Das
wird Ihnen noch leidtun. Die Art und Weise, wie Sie al-
ternative Berechnungen verhindert haben, wird Ihnen
spätestens dann leidtun, wenn es zu einer Klage in Karls-
ruhe kommt.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Krönung war im Übrigen Ihre Begründung. Da
hieß es von Schwarz-Gelb ganz wunderbar: Wir ver-
trauen der Regierung vollkommen. – Es ist entlarvend,
wenn CDU/CSU und FDP meinen, parlamentarisches
Agieren beschränkt sich darauf, die Vorlagen der Bun-
desregierung abzunicken. Dann kann man hier in Zu-
kunft auch einfach Abnickdackel hinsetzen. Damit wür-
den wir einiges an Diäten einsparen.


(Beifall bei der LINKEN)


Die nächste Sauerei ist, dass Sie gesagt haben: Es gibt
doch kaum verdeckt Arme in der Referenzgruppe. –
Wenn Sie sich da so sicher sind, hätten Sie es doch aus-
rechnen lassen können. Sie hätten uns doch beweisen
können, dass ich mich irre. Mir liegen nämlich andere
Untersuchungen vor. Mir liegen Untersuchungen vor,
wonach es in diesem Land fast 6 Millionen verdeckt
Arme gibt. Aber schon allein was das anbelangt, scheuen
Sie eine seriöse Berechnung.


(Beifall bei der LINKEN)


Ein weiterer Rechentrick ist, dass Sie bei den Ab-
schlägen immer so tun, als ob es nur um Zigaretten und
Alkohol ginge. Es sind schon andere Berechnungen ge-
nannt worden.

Ich möchte zusammenfassen. Tatsache ist, dass
30 Prozent aller Ausgaben der ärmsten Haushalte als
nicht regelsatzrelevant gelten. Das ist Behördendeutsch
und meint, sie werden auf den Regelsatz nicht aner-
kannt; sie werden sozusagen abgezogen. Unter der Über-
schrift „Schnittblumen“ befindet sich auch die Position
„Ausgaben für den Weihnachtsbaum“. Im Klartext:
Diese Partei, die ein C im Namen trägt, meint: Wer auf
Hartz IV angewiesen ist, der hat nicht das Recht darauf,

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(C (D ich einen Weihnachtsbaum zu leisten. Da sage ich: röhliche Weihnachtszeit! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein weiterer Mythos, den Sie hier so schön pflegen,
utet, der Regelsatz sei von den kleinen Einkommen ab-
eleitet. Danach wird über die Friseurin und die Verkäu-
rin geredet, und es wird der Eindruck erweckt, hier

ehe es um die Einkommen der Verkäuferinnen, von de-
en das abgeleitet ist. Tatsache ist – das haben wir von
er Regierung schwarz auf weiß bekommen –: In der
eferenzgruppe – „Referenzgruppe“ meint die Haus-
alte, deren Ausgaben bei der Berechnung des Regelsat-
es herangezogen worden sind – sind gerade einmal
0 Prozent Erwerbstätige. Der Rest sind Rentner mit
iedrigen Einkommen, Studierende und Arbeitslose.
lso gerade einmal jeder Fünfte in dieser Referenz-
ruppe ist überhaupt ein Beschäftigter. Das beweist
och, dass es hier Zirkelschlüsse nach unten gibt. Sie
issbrauchen die geringen Renten, die geringen Ein-

ommen von Studierenden und die Armut von Arbeits-
sen, um den Regelsatz so niedrig wie möglich zu hal-
n. Das ist eine Sauerei!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ihr Wortschatz ist sehr begrenzt! Da kommt immer wieder das Wort „Sauerei“ vor! – Uwe Schummer [CDU/CSU]: Sie gehören nicht dazu!)


Lassen Sie sich, wenn Sie sich schon über das Wort
Sauerei“ beschweren, Folgendes sagen: Es gibt Leute,
ie mit dieser Sauerei leben müssen. Das finde ich viel
chlimmer, als sich dieses Wort anhören zu müssen.


(Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Wenn man über ALG II spricht, könnte man wenigstens eine andere Sprache wählen!)


Schwarz-Gelb hat im Bundestag eine Mehrheit. Die
egierung kann sich darauf verlassen – das haben wir im
usschuss erlebt –, dass die Koalitionsfraktionen fleißig

bnicken. Spätestens im Bundesrat wird es komplizier-
r. Dort haben Sie nämlich keine Mehrheit, und der
eitplan ist relativ eng.

Nun stellt sich die Frage, wie man damit umgeht.
an kann es auf einen Crash ankommen lassen und in
auf nehmen, dass danach heilloses Chaos herrscht. Ich
laube, verantwortungsvolles Handeln über alle politi-
chen Differenzen hinweg sieht so nicht aus. Deswegen
chlägt die Linke in diesem Zusammenhang vor: Hören
ir auf mit irgendwelchen Deals und Verabredungen,
ie in Hinterzimmern stattfinden, leiten Sie hier – das
äre mein Vorschlag an Sie, Frau von der Leyen – eine
ffentliche, eine transparente Schlichtung ein! Stutt-
art 21 macht es vor. Es ist möglich, dass man Betrof-
ne, dass man alle beteiligten Parteien an einen Tisch

olt, um sich zu verständigen, wie ein gesellschaftlich
kzeptiertes soziokulturelles Existenzminimum aussehen
oll. Eine solche Beratung müsste natürlich im Internet





Katja Kipping


(A) )


)(B)

und im Fernsehen übertragen werden. Daran müssten
nicht nur die Parteien, sondern auch Sozialverbände und
Betroffeneninitiativen beteiligt werden.

Wir meinen, das unwürdige Schauspiel, das bei der
Einführung von Hartz IV stattgefunden hat – in gehei-
men Verhandlungen sind in letzter Minute gravierende
Veränderungen vorgenommen worden; Sie haben hinter-
her in Karlsruhe mehrmals Ohrfeigen bekommen –, darf
sich nicht wiederholen, wenn es um die soziale
Grundabsicherung und den sozialen Frieden geht. Da
muss Schluss sein mit Hinterzimmermauscheleien!

Besten Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706909000

Liebe Kollegin, nur eine kleine persönliche Bemer-

kung: Die ständige Wiederholung eines bestimmten
Wortes muss nicht immer dessen Bedeutungsgehalt ver-
dichten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie das noch einmal wiederholen? Ich habe das nicht verstanden!)


Das Wort hat nun Kollege Fritz Kuhn für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706909100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Jetzt haben Sie für einige hier noch ein Rätsel
aufgegeben. Aber das kann man später noch vertiefen.

Ich möchte vorneweg sagen, dass wir nicht der Über-
zeugung sind, dass der Gesetzentwurf so, wie er jetzt
vorliegt, ein menschenwürdiges Existenzminimum an-
gemessen sicherstellt. Sie haben zwar Ihre Kriterien of-
fengelegt – das hat Karlsruhe verlangt –, aber darin ist
viel Willkür enthalten. Es ist schon fast wundersam, wie
Sie zu den 5 Euro mehr kommen. Wir teilen die Annah-
men, die Sie treffen, nicht.

Es ist nicht durch eine neue Erkenntnis zustande ge-
kommen, die Sie vernünftig dargelegt hätten, dass Sie
der Berechnung des Regelsatzes für einen Alleinstehen-
den nun die unteren 15 Prozent der Referenzgruppe zu-
grunde legen, nicht mehr die unteren 20 Prozent. Viel-
mehr zielen Sie damit auf ein bestimmtes Ergebnis. Ich
glaube, so kann man das Urteil aus Karlsruhe nicht um-
setzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Da wäre mehr Inhalt verlangt gewesen.

Das gilt übrigens auch für Ihren Umgang mit dem Be-
darf an Alkohol und Tabak, der eine sozialpaternalisti-
sche Tendenz aufweist. Sie kürzen die Mittel dafür um
19 Euro im Monat; so viel war bisher dafür vorgesehen.
Sie müssen schon hinschauen, was sonst in der Gesell-
schaft los ist. Ich darf Herrn Kauder, Ihren Fraktionsvor-
sitzenden, zitieren, der als „Botschafter des Bieres“ auf
dem Berliner Oktoberfest sagte:

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(C (D Wenn ich ein Achtel Wein im Jahr trinke, dann ist das viel. Aber zwei, drei Weizenbier am Tag – die müssen einfach sein (Thomas Oppermann [SPD]: So hören sich seine Reden manchmal auch an!)


as ich mit diesem Zitat sagen will: Sie können doch
icht einerseits den Menschen, die von Arbeitslosen-
eld II leben, sagen, dass sie am Wochenende kein Bier
inken gehen dürfen, und andererseits das Biertrinken
um männlichen Staatsritual erklären. Das ist doch völ-
g absurd; das können Sie nicht begründen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


nser Vorwurf lautet: Sie haben die Kriterien an das an-
epasst, was die Kasse von Herrn Schäuble erfordert;
as entspricht aber nicht den Vorgaben aus Karlsruhe.

Zweitens. Mit dem Urteil von Karlsruhe hat sich et-
as geändert. Ich will es anhand des Beispiels des Lohn-

bstandsgebots darlegen. Nach dem Urteil des Verfas-
ungsgerichts reicht es nicht mehr aus, den Regelsatz so
stzulegen, dass er nicht zu hoch ist, um das Lohnab-

tandsgebot zu erfüllen. Karlsruhe hat ein Grundrecht
uf ein menschenwürdiges Existenzminimum ausge-
prochen, abgeleitet aus der Unantastbarkeit der Men-
chenwürde und dem Sozialstaatsgebot. Das heißt, Sie
üssen auch bei Menschen, die dauerhaft arbeitslos

ind, diese Vorgabe erfüllen und ihre Existenz sichern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


afür haben Sie nicht gesorgt; denn Sie kneifen an einer
nderen Stelle der Politik, nämlich beim gesetzlichen
indestlohn. Das Lohnabstandsgebot zu verwirklichen,

eißt, endlich einen gesetzlichen Mindestlohn einzufüh-
n.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


o einfach ist die Laube. Davor drücken Sie sich, und
ies, obwohl 1,2 Millionen Menschen in Deutschland
eniger als 5 Euro in der Stunde verdienen.

Die Mindestlohndebatte gehört also zur Debatte über
ie Regelsätze dazu, nicht nur weil Rot und Grün gerne
arüber reden, weil wir davon überzeugt sind, dass wir
inen Mindestlohn brauchen, sondern weil Sie sonst das
ohnabstandsgebot nicht vernünftig erfüllen können.

Drittens. Bei allen Jubelzahlen haben wir immer noch
00 000 Langzeitarbeitslose. Das wurde bei der schönen
räsentation von vorgestern vergessen. Eine Regierung
üsste da ansetzen und konkret etwas dagegen tun. Das
n Sie aber nicht. Sie kürzen bis 2014 6 Milliarden Euro

eim Eingliederungstitel des SGB II. Es geht doch nicht,
ass Sie diese Operation gleichzeitig vornehmen. Des-
egen wird da kein Schuh daraus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Uns ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass Sie bei den
indern zu kurz springen. Sie führen die eine oder an-
ere neue Leistung nach dem Sachleistungsprinzip ein.





Fritz Kuhn


(A) )


)(B)

Wir finden, dass das oft nicht ausreicht. Ich will das am
Beispiel der Musikstunde deutlich machen. In Deutsch-
land erhält man für 20 bis 40 Euro im Monat Instrumen-
tenunterricht in der Gruppe. Sie wollen das jetzt mit
10 Euro unterstützen. Das funktioniert nicht. Man kann
es an vielen Beispielen belegen: Schulessen, Nachhil-
feunterricht usw. Sie springen zu kurz, weil Sie nicht in
der Lage sind – Sie wollen es auch nicht –, Instrumente
zu schaffen, um eine flächendeckende Infrastruktur für
Kinder sicherzustellen, damit ihnen ein integratives Ler-
nen auf allen Ebenen und eine gesunde Ernährung in der
Schule ermöglicht wird, egal aus welcher sozialen
Schicht sie kommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Dazu sind Sie nicht in der Lage. Sie denken nur im Käst-
chenschema: Was gehört in den Bereich des Ministe-
riums von Frau von der Leyen? Sie sehen aber nicht das
Ganze.

Das ist für uns ein entscheidender Punkt: Welche
Chance hat das Urteil aus Karlsruhe für eine Politik, die
anpackt, eröffnet? Das ist eine gigantische Chance. Man
hätte sagen können: Jetzt beheben wir die Bildungsdefi-
zite und Integrationsdefizite in Deutschland; jetzt schaf-
fen wir – die Grünen verlangen das in ihrem Antrag –
eine flächendeckende Infrastruktur im Bereich der Bil-
dung, sodass alle immer wieder die Chance haben, zu
lernen und sich zu qualifizieren, um aus der sozialen Ab-
wärtsspirale herauszukommen, die heute leider immer
noch mit dem Bezug von Arbeitslosengeld II verbunden
ist.

Sie haben diese Chance nicht einmal ansatzweise er-
griffen. Deswegen haben wir in unserem Antrag klarge-
macht, dass wir regionale Bildungspartnerschaften über-
all in Deutschland wollen. Wir wollen, dass eine
Infrastruktur geschaffen wird, in der Integration, von der
wir immer reden, auch möglich ist. Konkret bedeutet das
zum Beispiel die flächendeckende Einführung von
Ganztagsschulen und ein Mittagessen für alle Schüler
dieser Schulen. Ihr Problem ist, dass Sie das alles gar
nicht hinkriegen können, weil nur ein Drittel dieser
Schulen in der Lage ist, ein Schulessen anzubieten. Des-
wegen ist das, was Sie machen, Flickwerk.

Jetzt komme ich zu einem letzten Punkt, der uns
wichtig ist. Wir wollen nicht nach dem Motto „Klein-
Klein“ verhandeln. Wir sind vielmehr der Meinung, dass
wir in der Bundesrepublik Deutschland jetzt bei den
Themen Mindestlohn, Bildungsinfrastruktur und Höhe
der Regelsätze zu einer Verständigung kommen müssen.
Deswegen haben Ministerpräsident Beck, der Vorsit-
zende der SPD-Fraktion und unsere beiden Fraktions-
vorsitzenden einen Brief an Kanzlerin Merkel geschrie-
ben. Er ist – ich will es einmal vorsichtig formulieren –
ausweichend beantwortet worden. Der Tenor war: Redet
erst mal mit der Arbeitsministerin.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Die ist ja auch zuständig!)


Nichts gegen Sie, Frau von der Leyen, aber wir wollen
über die Frage reden, ob es die Chance gibt, zum Bei-

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(C (D piel durch Aufhebung des Kooperationsverbotes, zu eier Bildungsrepublik Deutschland, die auch eine Interationsrepublik sein soll, zu kommen – ja oder nein? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


ir wollen darüber reden, ob es einen Zusammenhang
wischen dem Mindestlohn und der Höhe des Regelsat-
es gibt. Wir wollen auch über die Frage reden, mit wel-
hen Angeboten man Langzeitarbeitslosen wirklich aus
er Arbeitslosigkeit heraushelfen kann. Durch eine Kür-
ung in Höhe von 6 Milliarden Euro bei der Bundes-
gentur schafft man das mit Sicherheit nicht.

Dies sind große, zentrale Fragen, die die Bereiche So-
iales und Bildung und damit die Zukunft der Bundesre-
ublik Deutschland betreffen. Deswegen haben wir er-
artet, dass die Kanzlerin die Fraktions- und
arteivorsitzenden einlädt, damit man den Rahmen für
ernünftige Verhandlungen abstecken kann, um danach
it den Fachpolitkern ins Detail zu gehen. Zuvor muss

ber der Rahmen dessen abgesteckt werden, was in
eutschland möglich ist.

Mensch, Sie hätten die Chance gehabt, aus der Ent-
cheidung von Karlsruhe einen ganz großen Wurf für
eutschland zu machen. Im Verhältnis zu dieser Chance
t das, was herausgekommen ist, nur Klein-Klein.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706909200

Das Wort hat nun Bundesministerin Ursula von der

eyen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
rbeit und Soziales:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat

t das eine große Chance. Mit diesem Gesetzentwurf
chlagen wir ein völlig neues Kapitel der Sozialgesetz-
ebung in Deutschland auf. Wir diskutieren nicht mehr
arüber, wie wir mit der Gießkanne Geld verteilen kön-
en, sondern wir reden zum ersten Mal konkret darüber:
as braucht ein bedürftiges Kind? Wie kann man seine

ebenschancen verbessern? Und vor allem: Wie können
ir vor Ort dafür sorgen, dass die Hilfe beim Kind auch

nkommt? Das ist das Neue an diesem Gesetzentwurf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Dann müssen aber die Kinderregelsätze anders aussehen!)


Das Spannende ist, dass wir jetzt die Chance haben
das ist der Geist dieses Gesetzes –, darüber zu reden:
as brauchen bedürftige Kinder? Wie kann man ihr in-

ividuelles Recht auf Teilhabe und Bildung umsetzen?
ie kann man ihr Recht auf Lebenschancen, durch Auf-

tieg, durch Bildung, umsetzen?





Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) )


)(B)


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt ja gar nicht! Sie gehen ja gar nicht in die Struktur! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Warme Worte, Frau von der Leyen! Keine Taten! Nicht ablenken!)


War das der Fall, als Sie Verantwortung getragen haben?
Wir sorgen im Rahmen der Hartz-IV-Gesetze, die aus Ih-
rer Feder stammen, dafür – das geschieht in der Sozial-
gesetzgebung zum ersten Mal –, dass diese Kinder mit-
tags in der Schule mitessen können, wenn dort ein
Mittagessen angeboten wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer war denn dabei? Wer hat denn die Küchen finanziert? Jetzt geben Sie schon wieder an wie Bolle, obwohl Sie es gar nicht waren! – Zuruf der Abg. Elke Ferner [SPD])


Wir wollen, dass sie im Verein mitmachen können, dass
sie Lernförderung bekommen und an den Schulausflü-
gen teilnehmen können. Wir wollen mit diesem Gesetz
das Mitmachen möglich machen. Das ist der Paradig-
menwechsel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Ich finde, die Agenda 2010 war richtig. Das ist gar
keine Frage. Aber es ist auffallend, dass in den Hartz-
Gesetzen damals mit überhaupt keinem Wort gesagt
wurde, wie bedürftige Kinder eine reelle Chance bekom-
men können, das zu erhalten, was den gleichaltrigen
Kindern in der Region zur Verfügung steht.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Da lässt Ihr Entwurf aber mehr Fragen offen, als er Antworten gibt!)


Dieses Versäumnis können wir jetzt heilen. Der Bund
nimmt 700 Millionen Euro dafür in die Hand. Dabei geht
es um Aufgaben, die originär gar nicht in seinen Zustän-
digkeitsbereich fallen. Die Verwaltungskosten dafür
werden 136 Millionen Euro ausmachen. Ich habe das
Geschrei gehört: Was für eine Mühe! Was für ein Auf-
wand! Diese Umsetzungskosten, die anfallen! – Das ist
nun einmal die andere Seite der Medaille. Wenn wir nur
Geld auszahlen müssten, dann brauchten wir nur Über-
weisungen zu tätigen und sozusagen den Hebel umzule-
gen. Dann können wir aber nur hoffen, dass irgendetwas
vor Ort passiert.


(Zuruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD])


Wir sagen denjenigen, die von großem Aufwand, ei-
nem Bürokratiemonster und dergleichen mehr sprechen:
Wenn wir etwas für diese Kinder verändern wollen, dann
müssen wir in Beziehungen und in Zuwendung investie-
ren, dann müssen wir in die Menschen investieren, die
ganz konkret vor Ort etwas verändern: in die Trainer, in
diejenigen, die sich bei der Hausaufgabenhilfe engagie-
ren, und in die Jugendleiter. Das ist bestens investiertes
Geld. Damit helfen wir schon am Anfang und müssen
kein Reparatursystem finanzieren, mit dem wir später

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(C (D ersuchen müssen, das nachzuholen, was wir am Anfang ersäumt haben. Aus diesen Gründen wird diese Investion an der richtigen Stelle getätigt. Herr Kuhn, weil Sie die große Frage aufgeworfen haen – dieser Gedanke ist gar nicht falsch –, warum es icht Ganztagsschulen mit einem warmen Mittagessen r alle Kinder flächendeckend geben soll, will ich Sie agen: Wie wollen Sie das bis zum 1. Januar 2011 chaffen? Das ist die ganz konkrete Frage, die sich aus en Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ergibt. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber wir können damit anfangen! – Elke Ferner [SPD]: Wann wollen Sie anfangen, darüber zu reden?)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir sind dabei, das nachzuholen, was Sie versäumt ha-
en. Der erste Schritt ist getan. Gehen Sie doch mit!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD – Elke Ferner [SPD]: Es sind doch Ihre Ministerpräsidenten gewesen, die das verhindert haben! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie saßen doch auf der anderen Seite! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da müssen Sie selber über sich lachen! Zu viel Rhetorik und zu wenig inhaltliches Engagement!)


Entscheidend ist: Das Bundesverfassungsgericht hat
icht gefordert, von Bundesseite zu klären, wie Länder-
ufgaben übernommen werden können. Das Bundesver-
ssungsgericht hat vielmehr gesagt: In der Landschaft,
ie sie sich heute für die Kinder darstellt – ich bin mit
nen der Meinung, dass wir in diesem Punkt besser
erden müssen –, müssen wir, was bisher nicht der Fall
ewesen ist, dafür sorgen, dass die bedürftigen Kinder
enigstens da mitmachen können, wo die anderen Kin-
er schon aktiv sind. Das ist etwas, wofür ich mich ein-
etze.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706909300

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Heil?

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
rbeit und Soziales:
Gerne, Herr Heil.


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1706909400

Frau Ministerin von der Leyen, weil Sie vorhin den

indruck erweckt haben, Rot-Grün hätte für Kinder
ichts getan, will ich Sie daran erinnern: Wir waren es,
ie das Ganztagsschulprogramm mit einem Volumen
on 4 Milliarden Euro gegen Ihren Widerstand durchge-
etzt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Elke Ferner [SPD]: Das Ganztagsschulprogramm wollte Koch nämlich nicht! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schämen Sie sich! Wir könnten schon weiter sein!)






Hubertus Heil (Peine)



(A) )


)(B)

Damit haben wir dafür gesorgt, dass es zum Ausbau
kam. Wir müssen allerdings gemeinsam feststellen, dass
wir noch nicht weit genug sind. Sie sagen: Das ist zum
1. Januar nicht umsetzbar.

Meine konkrete Frage ist: Was wollen Sie tun, um das
Ganztagsschulangebot in Deutschland mit Unterstützung
des Bundes so auszubauen, dass nicht nur 20 Prozent der
bedürftigen Kinder am warmen Mittagessen teilnehmen
können? Sind Sie bereit, mitzuhelfen, dass wir im Rah-
men dieser Gespräche Voraussetzungen schaffen, um die
Ganztagsschulen ausbauen und zum Beispiel bei der
Schulsozialarbeit vorankommen zu können?

Ich habe viele warme Worte von Ihnen gehört, Frau
von der Leyen. Was Sie sagen, hört sich gut an. Sie sind
schon immer eine Meisterin der PR gewesen; das wissen
wir alle. Aber ich sage Ihnen mit den Worten der Bibel:
An den Taten sollt ihr sie erkennen. Ich frage Sie daher:
Was tun Sie für die Ganztagsschulen außer warmen Wor-
ten, Frau Ministerin?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Arbeit und Soziales:

Lieber Herr Heil, ich habe mich damals als Sozialmi-
nisterin in Niedersachsen – das kann ich offen sagen –
gefreut, als das Ganztagsschulprogramm kam. Dieses
Programm war der richtige Schritt; es hat, ganz unbe-
nommen, viel in diesem Land bewegt. Vor Ihnen steht
eine Ministerin, die mit derselben Leidenschaft in der
letzten Legislaturperiode gemeinsam mit Ihnen in die-
sem Haus dafür gesorgt hat, dass wir den Ausbau der
Kinderbetreuung, mit 12 Milliarden Euro unterlegt, vo-
ranbringen konnten und dass wir jetzt ein Gesetz haben,
das den Rechtsanspruch für die Kinderbetreuung von un-
ter Dreijährigen regelt.


(Elke Ferner [SPD]: Sie wollten das am Anfang doch gar nicht, Frau von der Leyen!)


Das heißt, wir sind auf dem richtigen Weg.

Aber dabei handelt es sich nicht um die Hartz-Ge-
setze. Ich muss den Finger in die Wunde legen und sa-
gen:


(Elke Ferner [SPD]: Aber wer hat denn im Bundesrat das so haben wollen?)


Mit Blick auf die bedürftigen Kinder, also auf die Kinder
von Langzeitarbeitslosen und Kinder von Sozialhilfe-
empfängern, frage ich Sie: Wo war Ihr Gesetzentwurf, in
dem Sach- und Dienstleistungen für bedürftige Kinder
enthalten waren? Darüber wurde niemals ein Wort verlo-
ren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das, was Sie nicht vorgelegt haben, kann der Bundesrat
ja wohl nicht beschließen. Jetzt sind wir zum ersten Mal
an der Stelle, dass wir Sach- und Dienstleistungen für
die bedürftigen Kinder, also konkrete Hilfe vor Ort, an-
bieten können.

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(C (D (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie es doch! Zeigen Sie mal, wie Sie es können! Sie geben an wie ein Sack Flöhe! Aber wie machen Sie es denn zum 1. Januar? Immer nur das ewige Gelächel! Sie hat noch nie gesagt, wie sie es machen will!)


a bin ich mit dabei.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706909500

Frau Ministerin, gestatten Sie eine weitere Zwischen-

age, diesmal von der Kollegin Ferner?

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
rbeit und Soziales:
Bitte, Frau Ferner.


Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1706909600

Frau von der Leyen, würden Sie mir zustimmen, dass

ie Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozial-
ilfe im Bundestag, im Bundesrat, im Vermittlungsaus-
chuss und dann hinterher von beiden Kammern ein-
ernehmlich beschlossen worden ist und dass weder
ie B-Seite noch die A-Seite damals im Blick gehabt
at, dass es zusätzliche Leistungen für die Kinder geben
uss?

Würden Sie mir ferner zustimmen, dass es höchste
eit gewesen wäre, sich direkt nach dem Urteil mit den
ändern und den Kommunen an einen Tisch zu setzen,
nd zwar nicht, um über die Höhe der Regelsätze, son-
ern über die Frage zu reden, wie die Teilhabe der Kin-
er sichergestellt werden kann und wie die organisatori-
chen Voraussetzungen geschaffen werden können? Wie
oll das alles innerhalb der vier oder fünf verbleibenden
itzungswochen bis zum 1. Januar in einem Galoppver-
hren noch in ein Gesetz gegossen werden – inklusive

er organisatorischen Vorarbeiten vor Ort –, damit der
eilhabeanspruch der Kinder bis zum 1. Januar realisiert
erden kann? Können Sie mir das einmal erklären?

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
rbeit und Soziales:
Schön, dass Sie die Frage stellen, Frau Ferner. Das

undesverfassungsgericht hat gesagt, dass wir bis Ende
ieses Jahres Zeit haben, um das Urteil umzusetzen.
ber es hat ebenso konzediert, dass das Gesetzgebungs-
erfahren erst in die Wege geleitet werden kann, wenn
ie Zahlen vorliegen. Originalton des Gerichtes war:
iese Zahlen liegen erst im Herbst vor.

Wir haben den Gesetzentwurf im Herbst vorgelegt.
ber weil wir wissen, dass wir, wenn wir einen Paradig-
enwechsel wollen, wenn wir für die bedürftigen Kin-

er vor Ort konkret etwas verändern wollen, sehr viel
üher ansetzen müssen, haben wir bereits im Februar
egonnen, gemeinsam mit Experten, Pädagogen, Schul-
itern, Jobcentermitarbeitern konkret zu definieren, was
edürftige Kinder brauchen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu brauchen Sie doch die Zahlen gar nicht!)






Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) )


)(B)

Wir haben uns seit dem Sommer mit den Ländern, den
kommunalen Spitzenverbänden, den Wohlfahrtsverbän-
den, denjenigen, die vor Ort die Arbeit machen, zusam-
mengesetzt. Jetzt befinden wir uns im Gesetzgebungs-
verfahren. Wir haben die Möglichkeit, einen Rahmen
dafür zu schaffen, dass tatsächlich zum ersten Mal für
die bedürftigen Kinder in Deutschland nicht nur Bargeld
ausgezahlt wird, sondern konkrete Hilfe bei den Kindern
vor Ort ankommt. Ich bitte Sie schlicht und einfach: Ma-
chen Sie mit, blockieren Sie nicht, sondern seien Sie auf
diesem Weg an unserer Seite, und schreiten Sie mit uns
gemeinsam voran!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mir ist bei dem Bildungspaket wichtig, dass wir eine
Subjektförderung einführen können. Zum ersten Mal
besteht die Möglichkeit, dass über die Förderung des
einzelnen Kindes das Geld genau in den Verein, in die
Musikschule, in die Lernförderung, in die Hausaufga-
benhilfe geht, wo man sich um die Kinder kümmert.
Wenn die Kinder kommen, fließt das Bundesgeld über
diese Kinder dort hinein. Wenn die Kinder wegbleiben,
bleibt auch das Bundesgeld weg. Zum ersten Mal erhal-
ten die Institutionen nicht blindlings Mittel, egal ob sie
sich um die Kinder kümmern oder nicht. Vielmehr geht
das Geld über die Subjektförderung in genau die Ange-
bote vor Ort, bei denen Qualität und Nachhaltigkeit ga-
rantiert sind. Genau so sollten Bundesmittel effizient
eingesetzt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In der Agenda 2010 ging es um Fördern und Fordern,
das auch Sie angesprochen haben. Fördern und Fordern
ist immer noch richtig. Aber es reicht eben nicht. Der
Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Mittel


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Die Sie kürzen!)


ist der richtige Ansatz. Wir kehren mit der zur Verfügung
gestellten Summe auf den Pfad zurück, Herr Heil, der
2006 eingeschlagen wurde.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2006 ist doch kein realistisches Jahr!)


Wir haben heute bereits 300 000 Bedarfsgemeinschaften
weniger im SGB II, in der Langzeitarbeitslosigkeit als
2006.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Danken Sie Olaf Scholz!)


Das heißt, wir haben mehr Geld zur Verfügung für weni-
ger Menschen, die Hilfe brauchen. Die behutsame Zu-
rückführung der Mittel ist also richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Chancen für die Langzeitarbeitslosen waren noch
nie so gut wie heute. Der Arbeitsmarkt brummt, er ist ro-
bust, die Zahl der Arbeitslosen liegt unter der 3-Millio-
nen-Grenze. Was mir ganz wichtig ist: Wir haben bei je-
der Krise in den vergangenen zwanzig, dreißig Jahren,
angefangen bei den Ölkrisen, einen konstanten Anstieg
der Sockelarbeitslosigkeit, der verfestigten Arbeitslosig-

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(C (D eit, zu verzeichnen gehabt. Zum allerersten Mal ist jetzt ie Sockelarbeitslosigkeit, die verfestigte Arbeitslosigeit, gesunken. Es sind heute 100 000 Langzeitarbeitsse weniger als vor der Krise. Das zeigt, was möglich t. Die Menschen müssen in Arbeit vermittelt werden; ir sollten nicht darüber diskutieren, wie wir sie in der assivität halten, sondern darüber, wie wir ihnen im uge des Aufschwungs auf dem Arbeitsmarkt Chancen eben. Wir brauchen jeden. Wir gehen auf eine sehr riskante achkräftelücke zu. Wir wissen, dass die Arbeitsgesellchaft älter und zahlenmäßig geringer wird. Aber das uss kein unüberwindbares Problem sein, sondern es ann eine Chance sein für diejenigen, die bisher am and standen: für die Frauen, für Ältere, vor allem für enachteiligte Kinder und Jugendliche. (Bettina Hagedorn [SPD]: Aber doch nicht, wenn Sie die Mittel für Qualifikation kürzen!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deshalb muss nach dem Fördern und Fordern der
genda 2010 – das ja richtig ist – das neue Thema für
as Jahr 2020 vor allem das Bildungspaket für bedürf-
ge Kinder sein;


(Bettina Hagedorn [SPD]: Aber die Mittel kürzen Sie doch!)


as muss das große Motto dieses Landes werden, meine
amen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich sage noch einmal: Der Weg war richtig. Der Weg
u dem robusten Arbeitsmarkt, den wir heute haben,
etzt sich zusammen aus den Arbeitsmarktreformen, die
amals von Bundesrat und Bundestag gemeinsam verab-
chiedet worden sind,


(Elke Ferner [SPD]: Ich dachte, das wäre der Herr Brüderle alleine gewesen!)


nd einem klugen Krisenmanagement der Regierung
erkel in den letzten fünf Jahren.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Danken Sie doch mal Olaf Scholz! Damit würde Ihnen kein Zacken aus der Krone fallen!)


ir sind aus der Krise stärker herausgegangen, als wir
ineingegangen sind. Wir sollten heute anerkennen, dass
as hervorragend gewesen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In dem Geiste, dass man die großen Schritte nie al-
ine schafft – keiner hat den Stein der Weisen –, son-
ern dass wir die Vernünftigen in der Mitte zusammen-
hren müssen, bitte ich Sie, dass wir uns frühzeitig

usammensetzen, damit wir in den Verhandlungen etwas
ernünftiges zustande bringen. Wir sollten nicht im Ver-
ittlungsausschuss im Dezember bei Themen, die mitei-

ander nichts zu tun haben, Abmachungen treffen, son-
ern vernünftig und konkret an den großen Themen, an
enen uns allen hier im Hohen Hause liegt, arbeiten.





Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) )


)(B)

Die Tür ist offen. Ich bin verhandlungsbereit. Kom-
men Sie mit auf den Weg zu Aufstieg durch Bildung und
zum Bildungspaket für die Kinder. Das muss das Motto
der nächsten zehn Jahre sein.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706909700

Das Wort hat nun Anette Kramme für die SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD)



Anette Kramme (SPD):
Rede ID: ID1706909800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Frau von der Leyen, Sie tricksen und manipu-
lieren, Sie täuschen und wecken Illusionen.


(Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Ungeheuerlichkeit!)


Sie gelten als Lichtschein dieser Ministerriege, tatsäch-
lich sind Sie die Scheinheilige in dieser Ministerriege.


(Beifall bei der SPD – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Oha lätz!)


Das fängt damit an, dass Sie fix an die Presse gehen und
sich mit Arbeitsmarkterfolgen rühmen, mit denen Sie
nichts zu tun haben.


(Beifall bei der SPD)


Vielmehr gehen die Arbeitsmarkterfolge auf Gerhard
Schröder,


(Uwe Schummer [CDU/CSU]: Er hat auch die Krise vorausgesehen!)


auf die hervorragende Kriseninterventionspolitik von
Peer Steinbrück und auf die Regelungen zum Kurzarbei-
tergeld von Olaf Scholz zurück.


(Beifall bei der SPD – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Ihnen fehlen die inhaltlichen Argumente!)


Kommen wir zu den Regelsätzen. Das gerade ge-
nannte Thema, bei dem Sie sich rühmen, ist nur begrenzt
relevant; da geht es nur um Zahlen. Aber bei den Regel-
sätzen geht es um Inhalte. Was machen Sie dort? Wie ge-
sagt: Sie tricksen und manipulieren. Sie verändern die
Bezugsgruppe für das Ausgabeverhalten von den unte-
ren 20 auf die unteren 15 Prozent der Einkommensskala.
Das ist eine Verschlechterung gegenüber der bisherigen
Situation. Sie nehmen Aufstocker in die Bezugsgruppe,
also Menschen, die unter Umständen nur einen einzigen
Euro mehr verdienen als die Empfänger von Regelsatz-
leistungen. Sie schließen die verdeckt Armen nicht aus
der Bezugsgruppe aus, obwohl das eine explizite Vor-
gabe des Bundesverfassungsgerichtes ist.

Vor allen Dingen wecken Sie den Anschein, dass Sie
für Kinder und Erwachsene etwas tun. Um was geht es
da? Die Verbesserung für Erwachsene besteht darin, dass
sich diese pro Monat einen zusätzlichen Kasten Wasser
kaufen können.

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(C (D (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Zwei! 2,99 Euro! – Gegenruf der Abg. Elke Ferner [SPD]: Das kommt auf die Flaschengröße an!)


nsonsten findet nichts statt. Was wird dank der Neube-
chnung der Regelsätze für Kinder getan? Für alle gibt

s nur dieses Teilhabepaket. Wenn ich mir Ihren Vortrag
on vorhin in Erinnerung rufe, frage ich mich nicht nur,
b Sie Illusionen erweckt haben, sondern auch, ob Sie
tsächlich in Illusionen leben. Dieses Teilhabepaket ist
bjektiv betrachtet untauglich. Zunächst einmal löst es
erwaltungskosten von sage und schreibe 137 Millionen
uro aus. Man kann sagen, dass diese Verwaltungskos-
n zu akzeptieren sind, weil es letztlich Kindern zugute-
ommt.


(Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin: Jawohl!)


Wenn ich mir aber vor Augen halte, dass Kinder von
iesem Teilhabepaket nichts haben, wird es schlimm.
us diesem Teilhabepaket wird nur die Mitgliedschaft in
ereinen finanziert, aber nicht die entsprechende Sport-
usrüstung. Sie schaffen die Möglichkeit der Mitglied-
chaft in einem Musikverein, aber zahlen nicht für ein

usikinstrument. Sie ermöglichen nicht die Erstattung
on Mobilitätskosten. Das heißt, der Geldbetrag, den Sie
diesen Haushalt für das Paket einstellen, ist eine Luft-

ummer. Denn dieses Teilhabepaket kann von Kindern
icht in Anspruch genommen werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie sagen, dass wir etwas für Langzeitarbeitslose tun
üssen. Die Kanzlerin sagt sogar: Bildungsausgaben
üssen gesteigert werden. Aber wie sieht die bittere
ealität aus? Die Arbeitsmarktpolitik wird erbarmungs-
s zusammengestrichen. Im nächsten Jahr werden allein
Bereich des SGB II 1,5 Milliarden Euro fehlen. Sie

aben recht: Wir brauchen eine Übergangslösung. An
ieser Übergangslösung muss man mitarbeiten; das ist
elbstverständlich.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wer ist denn „man“?)


ber es geht um viel mehr. Wir brauchen soziale Infra-
truktur, die nicht nur Kindern aus dem SGB-II-Bezug
ilft, sondern allen Kindern aus bildungsfernen Haushal-
n.


(Beifall bei der SPD)


Das heißt beispielsweise, dass Sie den Kommunen,
tatt sie weiter auszuräubern, endlich Geld dafür zur Ver-
gung stellen können, damit sie das Kinderkrippenpro-

ramm umsetzen müssen. Das führt dazu, dass man zu-
örderst ein Augenmerk auf Ganztagsschulen lenken
uss, die die Kinder individuell fördern. Dabei können
Übrigen Vereine mit einbezogen werden. Dazu ge-

ört für mich auch, dass man nicht nur 20 Prozent der
GB-II-Kinder ein Mittagessen stellt, sondern weitaus
ehr Kindern. Das heißt, dass wir beispielsweise ein
ensenprogramm in der Bundesrepublik Deutschland

rauchen.





Anette Kramme


(A) )


)(B)

Wenn wir uns das anschauen, kann man nur sagen:
Sie versagen auf der ganzen Linie.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706909900

Das Wort hat nun Sebastian Blumenthal für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Sebastian Blumenthal (FDP):
Rede ID: ID1706910000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kol-

legin Kramme, zu Ihrem Beitrag muss ich sagen: Ich bin
mir im Moment nicht sicher, ob eher die völlig schrille,
überdrehte Tonlage oder die billige Polemik abstoßender
war.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Halten Sie das für bürgerliche Erziehung, was Sie hier machen?)


Das war mit Sicherheit kein verantwortungsvoller Bei-
trag zur Debatte, die wir heute in diesem Haus führen.

Deshalb möchte ich auf den Antrag von Bündnis 90/
Die Grünen zu sprechen kommen – Herr Kuhn, Sie ha-
ben ihn ja angenehm sachlich eingebracht –, und dazu
möchte ich ein paar Anmerkungen machen.

Zum einen stellen Sie in dem Antrag die Menschen-
würde in den Mittelpunkt. Das ist eine Klarstellung, die
ich gern unterstreichen und hervorheben möchte. Ich
gehe davon aus, dass das auch die Meinung der hier im
Plenum versammelten Allgemeinheit ist. Vor allem freut
mich, dass diese Feststellung im Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen im Hinblick auf das Sozial-
gesetzbuch II aufgeführt wird. Unter Rot-Grün ist das ja
2004 auf den Weg gebracht worden, und damals waren
dazu keinerlei oder nur wenige Hinweise zu finden.

Ich darf jetzt einmal aus dem Beitrag zitieren, den wir
von der christlich-liberalen Koalition aufgeführt haben.
In § 1 Abs. 1 heißt es – ich zitiere –:

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es al-
len Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben
zu führen, das der Würde des Menschen entspricht.


(Beifall bei der FDP – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut! Das muss dann aber auch unterlegt werden!)


– Es freut uns, dass das auch bei Ihnen Zustimmung fin-
det.

Meine Damen und Herren, wir möchten damit end-
lich, nach über sechs Jahren, im SGB II eine Klarstel-
lung formuliert sehen, die überfällig gewesen ist.

In dem Antrag der Grünen, in dem Sie auch eine Neu-
regelung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im De-
tail aufführen, gibt es einen quantitativen Unterschied.

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(C (D enn Sie führen einen Regelsatz in Höhe von 420 Euro n. Der von Ihnen vorgelegte Antrag lässt aber weitgeend offen, wie sich diese 420 Euro konkret begründen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Paritätischer Wohlfahrtsverband!)


h gehe davon aus, dass dabei die Zahlen des Paritäti-
chen Wohlfahrtsverbands die Grundlage für Sie sind.

Hierzu möchte ich einmal ein paar Punkte aufgreifen;
enn die Differenz zwischen den vom DPWV errechne-
n 420 Euro und der Regelsatzhöhe von 364 Euro, die
ir hier aufgenommen haben, lässt sich an zwei Positio-
en ganz konkret identifizieren. Der erste Posten sind
ie alkoholischen Getränke und die Tabakwaren. Der
PWV hat hier knapp 20 Euro berücksichtigt. Der

weite Posten sind die Beherbergungs- und Gaststätten-
ienstleistungen, die mit etwas über 25 Euro veran-
chlagt werden. Hier hat das Verfassungsgericht übri-
ens klargestellt, dass der Gesetzgeber einen freien
estaltungsraum hat, den wir auch genutzt und entspre-

hend begründet haben.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kritisieren wir ja!)


Eine weitere Komponente ist der Posten Nachrichten-
bermittlungskosten. Das ist ein Punkt, den wir dort
rgänzt haben. Wir ermöglichen eben auch die aktive
eilhabe an der Kommunikations- und Informationsge-
ellschaft. Wir haben dort den Regelsatz für Erwachsene
it 32 Euro pro Monat eingestellt.

Aktuell erhalten Sie in allen Regionen in Deutschland
elefon- und DSL-Flatratetarife für 20 Euro, sodass wir
er Meinung sind, dass wir bei einer Bemessung von
2 Euro für Telefon, Internet und Porto von einer ange-
essenen Regelsatzdefinition sprechen können.

Dann kommen wir zu einer Lücke, die ich in den Zah-
n des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, auf die Sie

ich ja beziehen, erkannt habe. Sie wählen hier als Refe-
nzwert für die Berechnung der Regelsätze für Nach-
chtenübermittlung bei den Kindern unter sechs Jahren
0 Euro pro Monat. Wir sprechen über die Altersgruppe
er Kleinstkinder, also über noch nicht schulpflichtige
inder. Diese haben mit Sicherheit ganz eigene Kom-
unikations- und Ausdrucksformen. Erfahrungsgemäß

ehört der regelmäßige Umgang mit Telefonie und DSL-
etrieb aber nicht zwingend dazu.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht aber auch nicht in unserem Antrag!)


ie müssten uns schon einmal erklären, wie Sie zu dieser
osition kommen, wie sich das im Detail zusammen-
etzt. Offensichtlich gibt es bei Ihnen noch Klärungsbe-
arf, auch was das Zahlenmaterial betrifft; auf diese Klä-
ng freue ich mich.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706910100

Herr Kollege.






(A) )


)(B)


Sebastian Blumenthal (FDP):
Rede ID: ID1706910200

Ich werde die weitere Debatte und die Beratungen im

Ausschuss sehr aufmerksam begleiten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706910300

Ich wollte Ihnen gerade die Chance zur Verlängerung

Ihrer Redezeit geben. Die Kollegin Kipping würde Ihnen
nämlich gerne eine Frage stellen.


Sebastian Blumenthal (FDP):
Rede ID: ID1706910400

Ich verzichte auf die Frage und ermögliche uns so den

weiteren Fortgang der Debatte.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Da ist ja jemand ganz mutig!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706910500

Dann erteile ich das Wort Kollegen Matthias Zimmer

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Matthias Zimmer (CDU):
Rede ID: ID1706910600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir

scheint, dass die Diskussionen über das SGB II eine Ne-
verending Story, eine immerwährende Geschichte, sind.
In diesem Jahr haben wir die Organisationsreform
durchgeführt. Mein herzlicher Dank gilt der SPD für die
Kooperation, die an dieser Stelle möglich war. Jetzt dis-
kutieren wir über die Höhe der Bedarfssätze; diese De-
batte ist einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
geschuldet. Wir haben die Vorgaben des Bundesverfas-
sungsgerichts erfüllt. Wir haben die Höhe der Bedarfs-
sätze neu berechnet. Sie ist transparent und nachvoll-
ziehbar und wurde nicht ins Blaue hinein geschätzt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich habe mich an der einen oder anderen Stelle ge-
fragt, ob es für die SPD nicht viel problematischer gewe-
sen wäre, wenn die Bedarfsschätzung erheblich höher
ausgefallen wäre. Denn dann hätte sich die Frage ge-
stellt: Wie habt ihr eigentlich 2006 die Bedarfssätze er-
mittelt?


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja!)


Es kam aber heraus: Das Ministerium hat damals sehr
sorgfältig gearbeitet und ist sehr nah an den tatsächli-
chen Bedarf herangekommen. Es ist festzustellen: Die
Bedarfssätze sind sauber, nachvollziehbar und angemes-
sen berechnet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Alles Schätzungen!)


In Zuge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts
hatten wir natürlich die Möglichkeit, bestimmte Wertun-
gen vorzunehmen; das haben wir auch getan. Einige Be-
standteile haben wir aus der Berechnung der Bedarfs-

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(C (D ätze herausgenommen, zum Beispiel Schmuck, ieferservice für Speisen und Getränke, (Katja Kipping [DIE LINKE]: Weihnachtsbäume!)


eldstrafen und gebührenpflichtige Verwarnungen so-
ie Alkohol und Tabak.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und Schnittblumen!)


ei all dem ist nicht unbedingt und nicht notwendiger-
eise von einem Grundbedarf auszugehen.

Herr Kuhn, die Art und Weise, wie Tabak und Alko-
ol von den Grünen bisweilen verteidigt worden sind,
eigt mir: Da ist offensichtlich keine Partei am Werke,
ie sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlt,


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Zimmer! Was soll denn das?)


ondern Sie benehmen sich an dieser Stelle wie Interes-
envertreter des Bundesverbandes deutscher Freizeit-
edonisten.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Das haben Sie doch gar nicht nötig!)


Wir haben bei der Berechnung der Regelsätze andere
lemente berücksichtigt – der Kollege hat sie eben er-
ähnt –, zum Beispiel Kommunikationskosten, Gebüh-
n für Kurse und außerschulischen Unterricht. Auch

ier ist sicherlich nicht unbedingt von einem Grundbe-
arf auszugehen. Aber diese Kosten entstehen, wenn
ich Menschen bemühen, aus Hartz IV herauszukom-
en. Dass diese Kosten bei der Berechnung der Regel-

ätze berücksichtigt werden, ist wichtig und richtig. Wir
ollen die Menschen, die von Hartz IV leben, ermuti-
en, diese Situation zu überwinden. Bildung ist – hier
ebe ich der Ministerin recht – die Agenda 2020. Mit
iesem Gesetzentwurf legen wir sie vor.

Ich möchte diese Aussage zuspitzen. Bei Ihnen gab es
inen Lieferservice für Speisen und Getränke und steuer-
ubventionierte Rausch- und Genussgifte, bei uns gibt es
ildung, Bildung, Bildung.


(Elke Ferner [SPD]: Ach! Sie kürzen doch mehr, als Sie neu hineintun! Rechnen Sie sich doch die Welt nicht schön! Und Sie machen das systematisch falsch!)


h lade Sie ein, sich selbst einmal die Frage zu stellen,
elch unterschiedliche Menschenbilder darin zum Aus-
ruck kommen und welches Menschenbild Ihrer Vorge-
ensweise an dieser Stelle zugrunde liegt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, wir trauen den Menschen
twas zu. In diesem Zusammenhang ist es, wie ich
laube, sinnvoll, auf den Antrag der Grünen einzugehen,
ber den wir in den parlamentarischen Beratungen in
en Ausschüssen noch diskutieren werden. In diesem





Dr. Matthias Zimmer


(A) )


)(B)

Antrag findet sich viel neuer Wein in alten Schläuchen;
das ist auch völlig in Ordnung. Aber über einen Aspekt
lohnt das Nachdenken in der Tat, Herr Kuhn: über die
Aufhebung des Kooperationsverbotes im Bildungsbe-
reich. Diesen Gedanken finde ich sehr sympathisch.

Wir alle sind uns einig: Es ist besser, zu arbeiten, als
ALG II zu beziehen. Häufig ist nicht der Mangel an Geld
das Problem, sondern der Mangel an Anerkennung und
der Mangel an Möglichkeiten der sozialen Interaktion,
häufig auch das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu wer-
den. Dies ist das eigentliche Problem der Arbeitslosig-
keit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deswegen freut es mich, dass wir in dieser Woche die
neuen Arbeitsmarktzahlen bekommen haben.


(Elke Ferner [SPD]: Reden wir über Regelsätze oder über Arbeitsmarktzahlen?)


Die Arbeitslosenzahl ist auf dem niedrigsten Stand seit
1992. Die Experten sagen mittlerweile, Vollbeschäfti-
gung sei möglich. Die Welt titelte am 28. Oktober 2010:
„Deutschland auf dem Weg in die Vollbeschäftigung“.
Die Bild-Zeitung schrieb am gleichen Tag: „Kommen
jetzt zehn goldene Jahre?“ Dabei beruft sie sich auf
Hans-Werner Sinn. Das Forschungsinstitut zur Zukunft
der Arbeit geht davon aus, dass die nächste Millionen-
marke schon in 2012 geknackt wird.

Frau Kollegin Ferner, natürlich hat das auch – hiermit
hat der ehemalige Bundeskanzler Schröder ja recht – et-
was mit den Hartz-Gesetzen, mit der Agenda 2010, zu
tun. Umso erstaunlicher ist es, dass große Teile der SPD
nun drauf und dran sind, sich davon zu verabschieden.
Ich fände es schön, wenn Sie diesen Weg, Menschen in
Arbeit zu bringen, Menschen Hoffnung zu geben und sie
ihnen nicht zu nehmen, gemeinsam mit uns weitergehen
würden.

Danke schön.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706910700

Herr Kollege, wollen Sie Ihre Redezeit verlängern?

Die Kollegin Kipping möchte Ihnen durch eine Zwi-
schenfrage die Chance dazu geben.


Dr. Matthias Zimmer (CDU):
Rede ID: ID1706910800

Nein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1706910900

Jetzt hat Kollegin Gabriele Hiller-Ohm für die SPD-

Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1706911000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen von

CDU/CSU und FDP! Ich fange einmal mit dem Positi-
ven an: Gut, dass Sie den Gesetzentwurf endlich einge-
bracht haben. – Das war es dann aber auch schon.

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(C (D (Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie müssen uns ja nicht loben, aber das ist ein bisschen wenig!)


r kommt viel zu spät, die Vorgaben des Bundesverfas-
ungsgerichts, Herr Kollege Zimmer, werden nicht ein-
ehalten, und mit einer Regelsatzerhöhung von gerade
inmal 5 Euro verhöhnen Sie die betroffenen Menschen.

Ein so wichtiger Gesetzentwurf soll jetzt bis Januar
011 im Schweinsgalopp durch den Bundestag und den
undesrat gepeitscht werden. Eine vernünftige Beteili-
ung des Parlaments, der Verbände und vor allem auch
er Länder ist überhaupt nicht mehr zu erreichen. Monate-
ng wurde wertvolle Zeit mit Schein-Riesendiskussio-
en um Chipkarten verplempert.


(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Frau Ministerin, warum haben Sie diese Zeit nicht für
erhandlungen mit den Ländern und vor allem mit der
PD genutzt? Sie brauchen die SPD im Bundesrat; denn
onst wird der Gesetzentwurf dort nicht verabschiedet.
as ist ein Lichtblick; denn so besteht noch Hoffnung,
it unserer Hilfe einen „kranken“ Gesetzentwurf zu ku-
eren, obwohl es dazu schon fast einer Wunderheilung
edarf.


(Beifall bei der SPD)


Wir sehen im Urteil des Bundesverfassungsgerichts
roße Chancen für mehr Bildungsgerechtigkeit in
eutschland. Deshalb sind wir zu Verhandlungen bereit.
ines ist aber ganz klar: Wir werden nur einem verfas-
ungskonformen Gesetzentwurf unsere Zustimmung ge-
en. Ich verstehe nicht, warum Sie auf unsere Bedenken
ezüglich der Rechtmäßigkeit der Regelsätze überhaupt
icht eingegangen sind.

„Transparenz“ ist für Sie bei diesem Gesetzentwurf
in Fremdwort. Die Regierung verweigert dem Bundes-
g die Angabe der Daten, auf denen die Einkommens-
nd Verbrauchsstichprobe basiert. Im Ausschuss haben
ir diese Daten eingefordert. Sie haben das abgelehnt
nd missachten damit das Parlament.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Elke Ferner [SPD]: Schon wieder!)


enau wie gestern bei der Diskussion über die Laufzeit-
erlängerung der Atomkraftwerke demonstrieren Sie da-
it eine Arroganz der Macht, die Ihnen nicht gut zu Ge-

ichte steht;


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


enn vor allem Sie, meine Damen und Herren von CDU/
SU und FDP, müssen für die Verfassungsmäßigkeit des
esetzentwurfs geradestehen.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das sagen Sie!)






Gabriele Hiller-Ohm


(A) )


)(B)

Wir bezweifeln, dass die Referenzgruppen für die Re-
gelsätze richtig gewählt wurden. Wir glauben nicht, dass
die Berechnung der Kinderregelsätze verfassungskon-
form ist. Wir sind davon überzeugt, dass 12,50 Euro je
Kind für die Teilhabe an Bildung nicht ausreichen wer-
den.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Deswegen haben Sie gar nichts gemacht!)


12,50 Euro pro Monat und Kind für Lernförderung,
Sport und Musikunterricht: Das ist ein schlechter Witz.


(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Das sind 12,50 Euro mehr, als Sie gemacht haben!)


Erst dachte ich an einen Zahlendreher. Es wäre nicht der
erste im Gesetzentwurf. Möglicherweise ist das aber
auch ganz ernst gemeint. Wenn ich mir anschaue, was
Sie alles tun, um die Löhne in Deutschland immer weiter
in den Keller zu drücken, dann muss sich der Musikleh-
rer vielleicht tatsächlich bald mit einem ganz kleinen
Geld zufrieden geben, und die geplanten 12,50 Euro rei-
chen aus.

Mit Ihrem Vorhaben, die Zuverdienstgrenze für lang-
zeitarbeitslose Menschen auszuweiten, machen Sie das
Tor für Dumpinglöhne und für ein Anwachsen des
Niedriglohnsektors weit auf, subventioniert mit Steuer-
geldern. Ihre hartnäckige Verweigerung bei der Einfüh-
rung von Mindestlöhnen trägt ebenfalls zum Lohnverfall
in Deutschland bei. Hören Sie endlich auf damit, schaf-
fen Sie einen gesetzlichen Mindestlohn!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Sie haben nicht einen eingeführt!)


Für mehr Bildungsgerechtigkeit brauchen wir eine
groß angelegte Ausbauoffensive für Kitas und Ganztags-
schulen. Wir haben unter Rot-Grün mit dem 4-Milliar-
den-Euro-Programm für die Ganztagsschulen gezeigt,
wie es geht. Tun Sie es uns nach.

Wichtig ist auch, dass mit dem Gesetz keine kostspie-
ligen Doppelstrukturen geschaffen werden. In vielen
Kommunen – wie auch bei mir in Lübeck – gibt es be-
reits gute Netzwerke zur Förderung von Kindern. Diese
müssen gestärkt werden. Es kann nicht sein, dass die
Jobcenter zu Hilfs-Jugendämtern für Hartz-IV-Kinder
umfunktioniert werden. Wir erkennen an, dass der Kabi-
nettsentwurf an dieser Stelle auf eine bessere Schiene
gesetzt wurde. Jetzt muss aus der Schiene das richtige
Gleis werden.

Zu den Regelsätzen. Wir stoßen bei den Erwachse-
nen-, aber vor allem bei den Kinderregelsätzen auf
Systembrüche, die einer Prüfung vor dem Verfassungs-
gericht nicht standhalten werden. Willkürliche Strei-
chungen und unterschiedliche Auswertungen von Ver-
brauchspositionen verfälschen die Sätze.


(Elke Ferner [SPD]: Genau!)


Für Kinderregelsätze ist die Einkommens- und Ver-
brauchsstichprobe nicht geeignet. Das schreiben Sie
selbst in Ihrem Gesetzentwurf.

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(C (D Frau Kollegin, kommen Sie zum Ende, bitte. Warum nehmen Sie unseren Vorschlag vom März icht auf und richten eine Expertenkommission zur Erittlung des Existenzminimums für Kinder ein? Frau Kollegin, kommen Sie zum Ende, bitte. Bitte? Ihre Redezeit ist abgelaufen. Entschuldigung, ich dachte, es gäbe noch eine Zwi chenfrage. s ist aber leider nichts gekommen. Nein, ich wollte keine Zwischenfrage stellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und DP, wir haben viele gute Vorschläge gemacht. Es weren in der nächsten Sitzungswoche weitere folgen. Hön Sie auf uns, dann kann aus dem Gesetz noch etwas utes werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706911100
Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1706911200
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706911300
Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1706911400
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706911500
Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1706911600

(Heiterkeit)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706911700
Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1706911800


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706911900

Der Kollege Uwe Schummer hat das Wort für die

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Uwe Schummer (CDU):
Rede ID: ID1706912000

Verehrtes Präsidium! Meine Damen! Meine Herren!

as größte Armutsrisiko ist mangelnde Bildung. Das gilt
r den Einzelnen, dem Teilhabechancen verloren gehen,

nd das gilt für die Gesellschaft, die von motivierten und
ualifizierten Menschen lebt. Ich denke, das ist – bei al-
r Kritik, die ich heute gehört habe – auch die Botschaft
es Bildungspaketes. Das, was heute mit den Regelsät-
en und auch mit dem Bildungspaket verabschiedet wird
nd weiter diskutiert werden wird, ist bei weitem besser
ls das, was derzeit noch der Fall ist. Es ist eine Verbes-
erung, und das können Sie auch einmal zur Kenntnis
ehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Ferner [SPD]: Verabschieden werden wir das heute noch nicht! So schnell geht das nicht! Immer langsam!)






Uwe Schummer


(A) )


)(B)

Wir wollen eben keine Hartz-IV-Republik, die auf
eine permanente Fürsorge ausgerichtet ist. Wir wollen
den Ausstieg aus Hartz IV, wir wollen den Aufstieg
durch Bildung. Wenn wir heute im Berufsbildungs-
bericht lesen, dass 1,45 Millionen Schulabgänger bis
29 Jahre ohne jede berufliche Qualifizierung sind, dann
kann man nicht so tun, lieber Kollege Rossmann, als
seien das allein Unions-Kinder. Da hatten wir alle mitei-
nander in der Vergangenheit und haben heute unsere
Hausaufgaben zu bewältigen. Wir alle miteinander!


(Elke Ferner [SPD]: Hat nicht Herr Koch das Ganztagsschulprogramm abgelehnt?)


Es ist die Frage, inwieweit schon heute Wachstums-
hemmnisse stattfinden. Es gibt sie, weil nämlich qualifi-
zierte Arbeitnehmer fehlen. Auch das ist eine Frage an
uns. Das Bildungspaket ist darauf eine weitere Antwort,
die wir miteinander geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich habe nicht vergessen, wie, als ich hier im Deut-
schen Bundestag neuer Abgeordneter war, auch mit den
Hartz-IV-Gesetzen 2004 die Berufsorientierung bzw.
Berufsberatung von Rot-Grün in Grund und Boden ge-
schossen wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben dies alles in der Großen Koalition und jetzt in
der christlich-liberalen Koalition korrigiert.

Dieses Jahr nehmen Hundertausende von Schülern an
der frühzeitigen Berufsorientierung teil, damit sie sich
nicht erst zwei oder drei Monate vor der Entlassung,
sondern schon zwei oder drei Jahre vorher mit dem
Übergang von der schulischen Ausbildung in die berufli-
che Qualifizierung beschäftigen. Das Konzept der Bil-
dungsketten, das im Zusammenhang mit dieser Debatte
zu sehen ist, soll dies systematisch weiter verbessern.

Dass wir die Berufsorientierung für die beste Motiva-
tion halten, um in der Schule weiter aktiv zu werden, hat
dazu geführt, dass die Zahl der Schulabbrecher von
100 000 vor einigen Jahren auf jetzt 60 000 gesunken ist.
Das bedeutet mehr Teilhabechancen für die jungen Men-
schen, die in die weitere Qualifizierung gehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben kein Geldproblem, sondern ein Kümmer-
problem.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig, Sie kümmern sich nicht!)


Wer kümmert sich um die Menschen, die permanent eine
personale Unterstützung benötigen? Die Debatte über
den Regelsatz hilft nicht weiter. Es geht weniger um die
Frage, ob wir ihn um 5, 15 oder 50 Euro erhöhen, als da-
rum, wie wir regionale Bündnisse für die jungen Men-
schen bzw. ein Miteinander der Kräfte vor Ort organisie-
ren können.

Gut hilft, wer früh hilft. Das heißt, mit dem Bildungs-
paket können wir in die Kitas und Schulen gehen und die
Sportvereine, die kulturtragenden Vereine sowie die
kirchlichen und sozialen Gruppen stärken. Wir unterstüt-

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(C (D en diese ehrenamtliche, berufliche und nebenberufliche truktur, um Kräfte zu fördern, die sich um die jungen enschen kümmern. Herr Schummer, möchten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Rossmann zulassen? Ja, aber sie muss kurz sein. Haben Sie eine kurze Frage? – Bitte schön. Herr Kollege Schummer, weil Sie sich gerne küm ern, fordere ich Sie auf: Kümmern Sie sich bitte auch arum, dass der Rechtsanspruch auf Förderung eines achgeholten Hauptschulabschlusses, dem ersten Schulbschluss, in dem aktuellen Gesetzgebungsverfahren icht unter die Räder kommt! Denn das, was jetzt Recht t, soll künftig Ermessen werden. Ich bitte Sie ausdrückch um Unterstützung Ihrer Seite. Kümmern Sie sich dam, dass dieses Recht bleibt! (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das kostet Geld!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706912100
Uwe Schummer (CDU):
Rede ID: ID1706912200
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706912300
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1706912400


Uwe Schummer (CDU):
Rede ID: ID1706912500

Ich teile Ihre Auffassung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


ir werden in der Arbeitsgruppe Bildung und For-
chung ambitioniert darüber diskutieren.

Ich denke, auch die heutige Beratung ist nicht das
nde der Debatte.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Durchsetzen! Endlich mal was erreichen in der CDU! Das wäre doch ein Job!)


Kollege Heil, so lebendig wie heute habe ich Sie in ei-
er Talkshow selten erlebt. – Sie ist nicht das Ende der
ebatte, sondern der Beginn einer gemeinsamen Aus-

inandersetzung, die zu einem Gesamtpaket führen wird.

Bitte machen Sie nicht alles nur schlecht nach dem
otto „Früher war alles gut und wir haben alles ge-
acht, aber heute ist alles schlecht“. Ein bisschen Diffe-
nzierung würde dem Klima gerade nach dem gestrigen
ag insgesamt guttun.


(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das konnte Herr Rossmann noch nie!)


Ich halte die Bildungskarte, die mit dem Bildungs-
aket entwickelt werden wird, für ein innovatives Sys-
m. Damit reagieren wir nicht nur auf ein Gerichtsurteil,

ondern sie ist auch Bestandteil der Bildungsrepublik,
ie wir entwickeln wollen. Sie kann Bundesmittel, kom-
unale und private Gelder miteinander vernetzen. Sie ist

in offenes System, in das weitere Gruppen eingebunden
erden. Perspektivisch bietet sie auch die Chance, das





Uwe Schummer


(A) )


)(B)

Bildungssparen für alle von Geburt an, das wir in der
christlich-liberalen Koalitionsvereinbarung manifestiert
haben, zu fördern, und hat durch Startkapital, Fördermit-
tel, private Spareinlagen und Zinsen eine große Hebel-
wirkung.

Die Bildungskarte ist in der Zielvorstellung diskrimi-
nierungsfrei, da niemand sehen kann, ob es Fördermittel,
Sozialgelder oder private Gelder sind, die für Bildungs-
zwecke überwiesen werden. Sie ist auch ein lernendes
System, das sich weiterentwickelt.

Ich denke, wir sollten uns in der heutigen Debatte zu-
sichern, dass wir neben allen parteipolitischen Schau-
kämpfen, die gelegentlich stattfinden, im Blick behalten,
dass es um das Wichtigste in unserem Lande geht, näm-
lich um die Menschen, damit wir für sie alle ein vernünf-
tiges und gutes Ergebnis erzielen. Was Frau von der
Leyen entwickelt hat, ist eine exzellente Grundlage. Es
ist ein guter Tag für die Menschen, die durch Bildung
den Aufstieg erreichen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706912600

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/3404 und 17/3435 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Dann ist das so be-
schlossen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 30 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Anton
Schaaf, Anette Kramme, Elke Ferner, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Das Risiko von Altersarmut durch verän-
derte rentenrechtliche Bewertungen von
Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit und der
Niedriglohn-Beschäftigung bekämpfen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W.
Birkwald, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Risiken der Altersarmut verringern – Ren-
tenbeiträge für Langzeiterwerbslose erhö-
hen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W.
Birkwald, Klaus Ernst, Heidrun Dittrich, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Verbesserung der Rentenanwartschaften
von Langzeiterwerbslosen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W.
Birkwald, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge,

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(C (D weiterer Abgeordneter und der Fraktion der DIE LINKE Schutz bei Erwerbsminderung umfassend verbessern – Risiken der Altersarmut verringern – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Katrin Göring-Eckardt, Fritz Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mindestbeiträge zur Rentenversicherung verbessern, statt sie zu streichen – Drucksachen 17/1747, 17/1735, 17/256, 17/1116, 17/2436, 17/3477 – Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Als erstem Redner gebe ich dem Kollegen Peter Weiß on der CDU/CSU-Fraktion das Wort. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle en! Wer ein Leben lang fleißig gearbeitet hat, soll sich arauf verlassen können, dass ihm im Alter nicht Altersrmut droht, sondern dass er von seinem Alterseinkomen einigermaßen gut leben kann. Es ist uns in Deutschnd mit dem Ausbau der Alterssicherung Gott sei Dank elungen, dass heutzutage gerade 2,5 Prozent der Renterinnen und Rentner auf zusätzliche Hilfe des Staates ngewiesen sind, weil ihr Alterseinkommen nicht ausicht. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das wird sich ändern! Leider!)

Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1706912700

ir wollen, dass auch in Zukunft Altersarmut für die al-
rmeisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn

ie in das Rentenalter kommen, ein Fremdwort bleibt.
amit das gewährleistet bleibt, hat es sich diese christ-
ch-liberale Koalition vorgenommen, unser Alterssiche-
ngssystem mit einem zusätzlichen Schutz gegen Al-
rsarmut zu versehen. Das ist eines der wichtigen

ozialpolitischen Vorhaben dieser Koalition. Die Bun-
esregierung wird im Frühjahr nächsten Jahres dazu eine
egierungskommission einsetzen, die konkrete Vor-

chläge erarbeiten soll. Ich weiß, dass gleich der Zuruf
ommen wird: Warum liegt das alles noch nicht vor? –
azu muss ich Folgendes sagen: Was in elf Jahren unter
er Ägide sozialdemokratischer Arbeits- und Sozial-
inister nicht erledigt wurde,


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das machen Sie jetzt über Kommissionen!)


ann eine neue Regierung nicht in einem Jahr aufarbei-
n; das kann man nicht verlangen. Aber ich sage Ihnen

u: Wir wollen das in dieser Legislaturperiode erledigen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Man nennt das auch Kommissionitis!)


Ich kündige des Weiteren an, dass wir in dieser Regie-
ngskommission selbstverständlich all die Vorschläge





Peter Weiß (Emmendingen)



(A) )


)(B)

der Oppositionsfraktionen, die nun als Antrag vorliegen,
in die Prüfung einbeziehen werden.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist gut!)


Nur, ich hätte heute viel lieber erklärt, dass wir die Vor-
schläge der Opposition übernehmen werden.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das wäre auch gut!)


Allerdings hat die Anhörung des Bundestagsausschusses
für Arbeit und Soziales mit einer Reihe von Fachexper-
ten ergeben, dass diese Vorschläge mit einer Reihe von
Mängeln behaftet sind. Ich will kurz zitieren, was die
Experten gesagt haben. Der Sachverständige der Deut-
schen Rentenversicherung erklärte:

Deswegen muss man allen Regelungen, die in der
gesetzlichen Rentenversicherung darauf gerichtet
sind, über die Aufstockung von Anwartschaften Al-
tersarmut zu vermeiden, generell ein Problem mit
der Zielgenauigkeit attestieren.

Genau so ist es. Die Vorschläge der Opposition funktio-
nieren nach dem Gießkannenprinzip und sind nicht ziel-
genau. In einem modernen Sozialstaat kann man aber
nicht mit der Gießkanne irgendwelche Segnungen aus-
schütten, die dann hoffentlich helfen. Ein moderner So-
zialstaat funktioniert so, dass man demjenigen Hilfe prä-
zise gewährt, der sie braucht. Man darf Mittel nicht
verschwenden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das gilt aber nicht für alle Vorschläge!)


Herr Professor Eekhoff hat generell festgestellt: „Es sind
dies keine Anträge, die Altersarmut verhindern.“ Ent-
schuldigung, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der
Opposition, aber angesichts solch grundlegender Kritik
der Fachleute an Ihren Anträgen können wir Ihren Mo-
gelpackungen nicht zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ich dachte, Sie wollten sie prüfen!)


Nun liegt ein besonderes Augenmerk auf der sozialen
Sicherung derjenigen Menschen, die Arbeitslosengeld II
beziehen. Es wird kritisiert – auch gestern in der Debatte
über das Haushaltsbegleitgesetz –, dass die Zahlungen
des Staates in die Rentenversicherung zugunsten der Ar-
beitslosengeld-II-Bezieher abgeschafft werden sollen;
das ist richtig. Aber die 2,09 Euro, die aus solchen Zah-
lungen als Rentenanspruch erwachsen, haben jemanden,
der lange Arbeitslosengeld II bezieht, schon bislang
nicht davor bewahrt, im Alter Grundsicherung zu bean-
tragen.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kann man es gleich ganz wegnehmen!)


Das wird auch in Zukunft so sein. Aber wir haben ges-
tern eine wichtige Neuregelung für die Bezieher von

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(C (D rbeitslosengeld II beschlossen. Danach werden die eiten des Bezugs von Arbeitslosengeld II selbst dann, enn staatlicherseits keine Zahlungen mehr für Arbeitssengeld-II-Bezieher in die Rentenversicherung erfol en, in der gesetzlichen Rentenversicherung angerechet. Hierdurch werden Lücken in der Versicherungsbiorafie vermieden und insbesondere bestehende Anwartchaften auf Erwerbsminderungsrente oder Leistung zur eilhabe aufrechterhalten. Wer also schon einmal als Areitnehmer in die Rentenversicherung einbezahlt hat, ann aber leider arbeitslos wird, der behält aus dieser ahlung die vollen Ansprüche an die Rentenversicheng. Insbesondere auch dann, wenn er krank wird, nicht ehr arbeiten gehen kann, eine Erwerbsminderungsnte beantragen will, kann er diese Erwerbsmindengsrente auch weiterhin beantragen. Ja, es ist sogar so: iese Neuregelung, die wir gestern beschlossen haben, hrt dazu, dass sein Anspruch auf Erwerbsminderungsnte höher ist, als er bei der Beibehaltung des alten echts wäre. Also: Für Arbeitslosengeld-II-Bezieher, ie krank werden, die Erwerbsminderungsrente beantraen wollen, haben wir gestern die Leistungen verbessert nd nicht verschlechtert. Das zeigt den wesentlichen Unterschied, der zwichen den verschiedenen politischen Parteien in der Soialpolitik besteht. Wir, die neue Koalition aus CDU, SU und FDP, verteilen nicht irgendwelche wohlklinenden Placebos, die dann keine nachhaltige Wirkung rzielen, wir helfen gezielt dem, der sich selbst nicht heln kann, zum Beispiel weil er krank oder behindert ist. r kann sich auch in Zukunft auf die Leistungen der geetzlichen Rentenversicherung verlassen. Ich glaube, das t die wichtigste Zusage, die ein Sozialstaat geben kann. Vielen Dank. Anton Schaaf hat das Wort für die SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber eter Weiß, in der Tat ist es so, dass die Anträge, die hier orliegen, die zukünftige Altersarmut nicht verhindern erden. Denn Altersarmut, Armut, hat Ursachen. Die egen in der Regel im Erwerbsleben, in der Erwerbstägkeit, in unterbrochenen Erwerbsbiografien. ier geht es tatsächlich darum, mit schon vorhandener ltersarmut umzugehen, jetzt konkret Altersarmut abzuildern und zu lindern. In der Tat, wenn wir darüber reden, was die Regieng denn macht, was die Regierungskoalition macht, m drohende Altersarmut zu verhindern, müssen wir ststellen: Da besteht das Versagen dieser Regierung, Anton Schaaf )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706912800

(Beifall bei der SPD)

Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1706912900

(Beifall der Abg. Anette Kramme [SPD])





(A) )

genau an dieser Stelle. Da geht es nämlich darum, dass
Menschen durch ihre Erwerbsbiografien, aus der Arbeit
und den Löhnen, die sie dafür erhalten, anständige Bei-
träge zahlen können, um über diese Beiträge auch ver-
nünftige Ansprüche erwerben zu können. An der Stelle
versagen Sie komplett. Sie sind eine Ursache für dro-
hende Altersarmut. Das ist der entscheidende Punkt. Da-
rüber müssen wir uns im Klaren sein.


(Beifall bei der SPD)


Ich sage Ihnen einmal etwas: Das DIW hat für die
Jahrgänge 1952 bis 1971 im Osten der Republik berech-
net, dass bei den Männern 31,4 Prozent und bei den
Frauen 46,6 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer eine Rente unterhalb von 600 Euro erhalten wer-
den. Da ist Altersarmut sehr konkret. Die Frage ist: Was
tun Sie gegen diese drohende Altersarmut?

Jetzt konstatiere ich, dass man sich natürlich darauf
konzentrieren muss, einige Sachen zu machen. Die Frau
Ministerin hat gesagt, in diesem Jahr würde sie außer
SGB II nichts machen, da sie dafür keine Kapazitäten
habe. – Na ja, das Ministerium scheint mir kleiner ge-
worden zu sein, es gibt da verschiedene Abteilungen.
Aber unabhängig davon ist es völlig in Ordnung, dass
man sich in der Koalition zusammensetzt und überlegt,
wie man beispielsweise das Thema Altersarmut angehen
kann. Aber ganz konkret geht es hier um den Vorschlag,
den die SPD-Fraktion dazu gemacht hat, nämlich ein be-
währtes Mittel, um jetzt Menschen vor Altersarmut zu
schützen, die Rente nach Mindestentgeltpunkten, ein-
fach für einige Jahre fortschreiben, bis man andere Lö-
sungen gefunden hat, um drohende Altersarmut generell
zu verhindern. Aber auch an dieser Stelle wollen Sie
– wie gerade eben sehr deutlich gesagt – nicht mitma-
chen.

Bei der Frage Arbeitslosengeld II und Rentenversi-
cherungsbeiträge, Kollege Weiß, haben Sie ja recht. Bei
dem Betrag, der da gezahlt wird, kommt ein Anspruch
von 2,09 Euro monatlich heraus. Das wird Altersarmut
nicht verhindern. Aber was auch noch daran hängt, sind
die Leistungen, die sich aus der Beitragszahlung erge-
ben. Jetzt hat Gott sei Dank die Koalition begriffen
– auch auf Intervention der Oppositionsparteien –, dass
es so ist, dass die Ansprüche auf Erwerbsminderungs-
rente da mit dranhängen, Ansprüche auf Reha und Ähn-
liches, und hat da korrigiert. Am Mittwoch haben Sie üb-
rigens gesagt, Sie hätten das schon getan, gestern haben
Sie es dann getan. Unabhängig davon haben Sie es ja
Gott sei Dank verstanden.

Dann sagen Sie hier, die Ansprüche bei Erwerbsmin-
derungsrente wären jetzt für die Betroffenen höher. Bei
Beitragslosigkeit können die Ansprüche aber nicht mehr
wachsen. In der Tat werden die Ansprüche zunächst ein-
mal etwas höher; aber man kann nicht weiter Ansprüche
ansparen. Deswegen sind Beitragszahlungen so wichtig.
Es ist daher falsch, die 1,8 Milliarden Euro Zuschuss an
die Rentenversicherung zu streichen.

Vor dem Hintergrund Ihres immer wieder vorgetrage-
nen Mottos „Mehr Netto vom Brutto“ – damit haben Sie
Wahlkampf betrieben – ist es nicht nachvollziehbar und

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(C (D icht in Ordnung, dass die Langzeitarbeitslosen keinen uschuss zur Rentenversicherung mehr bekommen. war sparen Sie, die Regierung, an dieser Stelle – das ist chon richtig –; dafür zahlen müssen aber die Arbeitneherinnen und Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeber, da ie Rentenversicherungsbeiträge in Zukunft nicht von 9,9 Prozent auf 19,3 Prozent abgesenkt werden können. ür die Arbeitnehmer kommt dabei am Ende definitiv eniger Netto vom Brutto heraus. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


as ist der entscheidende Punkt.

Sagen Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
ern, den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern sehr

eutlich, dass deren Rentenversicherungsbeiträge nicht
bgesenkt werden können, weil die Regierung zulasten
on Arbeitslosen und Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
ehmern ihr Sparprogramm durchdrückt.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: SchwarzGelb greift den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in die Tasche! So ist das!)


Herr Weiß, Sie haben gesagt: Wer ein Leben lang ge-
rbeitet hat, muss am Ende auch einen vernünftigen An-
pruch auf Rente haben, also auf eine Rente, von der er
ben kann. Das ist schon richtig; da gebe ich Ihnen aus-
rücklich recht. Es gibt aber schon jetzt Hunderttau-
ende von Menschen, die jeden Tag arbeiten gehen und
m Ende des Monats von dem Geld, das sie verdient ha-
en, nicht leben können und die zusätzliche Leistungen
Anspruch nehmen müssen. Die Arbeitnehmerinnen

nd Arbeitnehmer, die zu solchen Bedingungen arbeiten
üssen, können sich überhaupt keinen vernünftigen
entenanspruch erarbeiten; es funktioniert nicht. Was
achen Sie? Sie weiten willkürlich die Zahl derer aus,

ie unter solchen Bedingungen arbeiten und sich zusätz-
ch bei staatlichen Leistungsträgern Geld abholen müs-
en, indem Sie die Zuverdienstgrenzen anheben. Diese

enschen werden in der Regel keine vernünftigen An-
prüche auf Rente erwerben können. Da hilft auch keine
rivate Zusatzvorsorge – wir haben sie gefördert und
uch gewollt –, weil sie nicht in der Lage sind, dafür an-
usparen. Das ist doch das Problem.

Man muss Altersarmut präventiv verhindern. Das
eißt im Klartext: Menschen, die arbeiten, müssen an-
tändige Löhne bekommen. An dieser Stelle verweigern
ie sich komplett.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


er Verfall der Löhne und die Zunahme von prekärer
eschäftigung werden die Ursachen für steigende Al-
rsarmut sein.

Ich spreche die Sozialdemokratie nun nicht von allem
ei; aber die Frage, was nach dem SGB II zumutbar ist,
at Rot-Grün damals gesetzlich geregelt – manche wol-
n sich geschichtlich aus der Verantwortung stehlen; das
ilt insbesondere für Sie, meine Damen und Herren von
er Union –: Zumutbar ist jede Arbeit, die ortsüblich
der tariflich entlohnt wird. Sie haben über den Bundes-





Anton Schaaf


(A) )


)(B)

rat daraus gemacht, dass jede Arbeit zumutbar ist, die
nicht sittenwidrig ist. Übrigens steht auch in Ihrem Ko-
alitionsvertrag: Arbeit ist zumutbar, wenn sie nicht sit-
tenwidrig ist. Sittenwidrig ist ein Lohn nach der rechtli-
chen Definition, wenn er ein Drittel geringer ist als der
ortsübliche oder der tarifliche Lohn.

Was heißt das beispielsweise für die Friseure in Sach-
sen? Sie haben einen Stundenlohn von 3,70 Euro. Sie,
Koalition und Regierung, sind damit einverstanden, dass
sie um die 2 Euro bekommen. Ich sage Ihnen: schon
3,70 Euro, 4 Euro, 5 Euro sind sittenwidrig. Wir müssen
diesen Zustand beenden.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Solange Sie sich nicht auf den Weg machen, dafür zu
sorgen, dass die Ursache von Altersarmut – sie liegt in
der Regel im Erwerbsleben – dadurch beseitigt wird,
dass Menschen anständige Löhne für die Arbeit, die sie
leisten, bekommen, werden Sie bei der Bekämpfung von
Altersarmut auch nicht erfolgreich sein können, zumal
Sie die Instrumente, die die Opposition vorgeschlagen
hat, ablehnen. Diese Instrumente werden zwar unter-
schiedlich bewertet, aber es gibt eine Gemeinsamkeit:
Mit ihrem Einsatz bemüht man sich ernsthaft darum, de-
nen zu helfen, die jetzt nicht genug Altersansprüche ha-
ben. An dieser Stelle bleiben Sie bisher jede Antwort
schuldig.

Die Kommission soll Sie dabei ein Stück weiterbrin-
gen. Diese Hoffnung habe ich allerdings nicht. Ihnen
geht es bei dem, was Sie da beschließen, nämlich darum,
dass jeder Mensch hier Arbeit hat, wobei die Bedingun-
gen, zu denen die Menschen arbeiten, ruhig schlecht sein
können, was dazu führen kann, dass man für das Alter
nicht genügend Ansprüche erwirbt. So wird man Alters-
armut definitiv nicht verhindern können. Ich befürchte,
wenn Sie die Ursache des Problems nicht beseitigen,
nutzt Ihre Kommission nichts.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706913000

Dr. Heinrich Kolb hat jetzt das Wort für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1706913100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte gern auf die Argumente des Kollegen Schaaf
eingehen. Herr Kollege Schaaf, Ihr erster Punkt war,
dass Sie gesagt haben, es müssen anständige Löhne ge-
zahlt werden. Ich möchte zunächst einmal darauf hin-
weisen, dass die Idee, einen Niedriglohnsektor in
Deutschland einzuführen, nicht unsere Idee gewesen ist,
sondern es war die Idee des Bundeskanzlers Schröder,
der damals gesagt hat: Um 5 Millionen Arbeitslosen in
Deutschland neue Beschäftigungschancen zu eröffnen,
müssen wir da, wo nur geringe Qualifikationen gegeben
sind, dafür sorgen, dass auch geringere Löhne möglich
sind. – Das war Ihre Tat. Heute muss man feststellen: Sie

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(C (D aren erfolgreich. Es sind viele Menschen mit geringer ualifikation – allerdings auch zu geringeren Löhnen – Beschäftigung gekommen. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch viele Leute mit guter Qualifikation!)


Der zweite Punkt ist, dass Sie sagen: Wenn wir einen
indestlohn einführen, haben wir alle Probleme gelöst.
a will ich einfach einmal aus der Anhörung zitieren,
ie im September stattgefunden hat, und zwar aus der
chriftlichen Stellungnahme des IAB, des Instituts für
rbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg – kein
entralorgan der FDP –, Drucksache 17(11)263. Da
eißt es:

Ein gesetzlicher Mindestlohn verbessert zwar die
Einkommensposition der betroffenen Personen. Die
Beiträge zur Rentenversicherung und somit auch
die Höhe der zukünftigen Rentenzahlungen würden
allerdings nur dann mit Sicherheit steigen, wenn
man vernachlässigt, dass von einem gesetzlichen
Mindestlohn auch (negative) Beschäftigungswir-
kungen ausgehen können und nicht alle Personen,
die den Mindestlohn erhalten, weiter beschäftigt
bleiben.

uf der Folgeseite steht:

Bei einer Höhe eines allgemeinen gesetzlichen
Mindestlohns von 10 Euro muss allerdings mit sehr
hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen wer-
den, dass die negativen Auswirkungen überwiegen
und bestehende Beschäftigungsverhältnisse abge-
baut bzw. neue verhindert werden.


(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Warum geschieht das in anderen europäischen Ländern nicht?)


Sosehr ich es bedauerlich finde, wenn eine Friseuse in
achsen – übrigens auf der Basis eines Tarifvertrages,
er die Unterschriften von Arbeitgebern und Gewerk-
chaften gleichermaßen trägt, sonst wäre es nämlich kein
ertrag – für 3,70 Euro arbeiten muss, die Vorstellung,
ass dieses Beschäftigungsverhältnis auch dann weiter-
estehen würde, wenn Sie zusammen mit der vereinigten
inken einen Mindestlohn von 10 Euro einführen, ist
irklich abenteuerlich. Das muss man hier sagen. Des-
egen ist das kein tragfähiger Ansatz zur Beseitigung
es Problems.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie werden sehen, dass Sie keine Angst haben müssen!)


Drittens. Die gesetzliche Rentenversicherung, Herr
ollege Schaaf, ist wichtig. Aber allein über die gesetz-
che Rentenversicherung die Probleme in den Griff be-
ommen zu wollen, ist ebenfalls nicht möglich.


(Anton Schaaf [SPD]: Das ist kein Ansatz, Herr Kolb!)


Ich sage das, weil Sie als zweites Instrument genannt
aben: Wir haben doch die Rente nach Mindesteinkom-





Dr. Heinrich L. Kolb


(A) )


)(B)

men, lasst uns das doch weitermachen. – Es gab gute
Gründe, warum wir uns dafür entschieden haben, diese
Rente nach Mindesteinkommen zu beenden – nicht nur,
weil sie sehr teuer ist und erhebliche Beitragsgelder ver-
schlingt – das könnte man noch akzeptieren –, aber sie
ist auch ein erheblicher Verstoß gegen das Äquivalenz-
prinzip. Es ist doch die tragende Säule unserer gesetzli-
chen Rentenversicherung, dass Rente in dem Maße ge-
zahlt wird, wie man zuvor auch Beiträge geleistet hat.
Jemand, der aufwertet – so wie Sie es vorschlagen –,
nimmt zwangsläufig in Kauf, dass es Überholvorgänge
gibt. Es ist eben nicht akzeptabel, dass jemand, der einen
geringeren Anspruch hat, nach Ihrem Eingriff plötzlich
einen höheren Rentenanspruch hat als jemand, der vor-
her regulär höhere Beiträge gezahlt hat. Das ist für uns
nicht akzeptabel. Deswegen sind wir nicht bereit, die Re-
gelung zur Rente nach Mindesteinkommen zu verlän-
gern.


(Beifall bei der FDP)


Der vierte Punkt ist: Ich glaube, wir müssen in der
Diskussion auf den Boden kommen und das Problem
einmal realistisch beschreiben. Das heißt, dass man nicht
jedem, der einen niedrigen Rentenanspruch hat, tatsäch-
lich über Eingriffe in die gesetzliche Rentenversicherung
beispielsweise eine höhere Gesamtvorsorge versprechen
kann. Es ist nämlich so – das sind die Zahlen, Herr Kol-
lege Birkwald, die im Alterssicherungsbericht 2005 vor-
gelegt wurden; mit Sicherheit gelten die Verhältnisse bis
heute –, dass Personen, die aus der gesetzlichen Renten-
versicherung im Schnitt einen Anspruch von unter
250 Euro haben, eine Gesamtaltersvorsorge von
1 386 Euro für Männer und 1 012 Euro für Frauen ha-
ben. Da muss man fragen, wo die Pflicht des Staates en-
det, Altersarmut zu beseitigen, bzw. was Altersarmut
überhaupt ist. Es können keine anderen Maßstäbe gelten
– davon bin ich überzeugt –, als sie auch für Erwerbs-
tätige gelten. Wenn wir da sagen, dass Personen, die
880 oder 900 Euro verdienen, armutsgefährdet sind, wird
man den Menschen auch kaum versprechen können, dass
sie nach staatlicher Fürsorge oder nach staatlichem
Eingriff ein Gesamtalterseinkommen von 1 000 oder
1 200 Euro sicher haben werden. Es ist ganz einfach so:
900 Euro sind eine realistische Summe.

Wir haben einen sehr guten Vorschlag gemacht, den
ich zum Schluss meiner Redezeit noch vorstellen will:
Es gibt bereits heute eine Grundsicherung im Alter, die
im Schnitt 680 Euro beträgt; regional kann das etwas ab-
weichen. Wir müssen die Menschen – das ist der präven-
tive Ansatz, den wir verfolgen – dazu anhalten, etwas für
ihre eigene Altersvorsorge – privat oder betrieblich – zu
tun und sich einen Rentenanspruch aufzubauen.


(Anton Schaaf [SPD]: Haben wir doch schon alles gemacht!)


Wir müssen ihnen garantieren, dass sie einen Freibetrag
von 100 Euro für private und betriebliche Vorsorge und
von vielleicht 100 Euro für gesetzliche Rentenbeiträge
behalten dürfen, auch wenn sie unter dem Niveau der
Grundsicherung liegen. Somit kämen sie auf eine
Summe von insgesamt 900 Euro und wären nicht mehr

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(C (D rmutsgefährdet. Das ist ein möglicher und finanzierbar Weg. Zu vielen Vorschlägen, die hier auf den Tisch gelegt orden sind, muss man einfach sagen: Sie sind nicht alistisch. Sie sind falsch, weil die Frage der Bedürftig eit und der individuellen Vermögenspositionen vollommen ausgeblendet wird. So kann man es nicht achen. Man muss das Ganze schon ein bisschen zielge auer justieren. Das wollen und werden wir in unserer ommission, die im nächsten Jahr ihre Arbeit aufnimmt, n. Ich glaube, dass wir am Ende dieser Legislatur eriode guten Gewissens sagen können: Wir sind das roblem angegangen und präsentieren Lösungen, die azu führen, dass in den Jahren 2020 bzw. 2030 die Alrsarmut in Deutschland nicht ein so großes Problem t, wie sie es heute zu werden scheint. Danke. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706913200

Das Wort hat der Kollege Matthias Birkwald für die

raktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706913300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

amen und Herren! Die Linke will ein Gebäude sozialer
icherheit errichten, das im Alter den einmal erreichten
ebensstandard sichert und vor Armut schützt. Herr
olb, ich bin der Meinung, niemand soll im Alter von
eniger als 900 Euro leben müssen.


(Beifall bei der LINKEN)


In den vergangenen zehn Jahren haben die verschie-
enen Bundesregierungen – egal ob SPD- oder CDU/
SU-geführt – nicht nur an der Fassade des bisherigen
ebäudes sozialer Sicherheit gekratzt.

Erstens. Sie haben wichtige Bausteine zerstört, indem
ie die Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose radikal
ekürzt haben. Mit Ihrem sogenannten Sparpaket wollen
ie, meine Damen und Herren von Union und FDP, die
entenbeiträge jetzt vollständig streichen. Das ist falsch.
ir müssen sie erhöhen.


(Beifall bei der LINKEN)


Zweitens. Sie haben bisher tragende Elemente ausge-
uscht, indem Sie die Riester-Rente erfunden, das Ren-
nniveau abgesenkt und Abschläge, also Kürzungen,

uf die Erwerbsminderungsrente eingeführt haben.
eute reden wir über die Erwerbsminderungsrente. Da
ilt: Weg mit den ungerechten Abschlägen.


(Beifall bei der LINKEN)


Drittens. Sie haben sogar das Fundament ins Wanken
ebracht, indem Sie den Niedriglohnsektor ausgedehnt
nd Billigjobs gefordert und gefördert haben. Wir sagen:
in sicheres Fundament im Alter gibt es nur mit flächen-
eckenden gesetzlichen Mindestlöhnen. Die von den





Matthias W. Birkwald


(A) )


)(B)

Grünen geforderten 7,50 Euro sind nicht genug. Auch
die von der SPD geforderten 8,50 Euro reichen nicht
aus, um einen Beitrag gegen Altersarmut zu leisten. Da-
für braucht man einen Mindestlohn von 10 Euro.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Schäden müssen und können wir beheben, und
das möglichst schnell und möglichst gründlich.
Schwarz-Gelb hat aber eine recht eigenartige Sicht auf
die Dinge. Am 21. Oktober 2010, also vorige Woche, hat
das Statistische Bundesamt verkündet, dass die Zahl de-
rer, die auf Grundsicherung im Alter und auf Erwerbs-
minderung angewiesen sind, erstmals geringer geworden
sei, und zwar um 3 800. Das sind 0,5 Prozent weniger
als noch 2008. Ich sage: Sie streifen sich eine rosarote
Brille über und erklären das, was Sie damit sehen, zur
Wirklichkeit. Dabei handelt es sich aber nicht um die
Wirklichkeit der Betroffenen. Ihre Basta-Haltung zur
Rente erst ab 67 ist ein weiteres besonders erschrecken-
des Beispiel. Um es ganz klar zu sagen: Sie leisten sich
einen verzerrten Blick auf die Wirklichkeit. Den Arbeits-
losen, Armen und Alten präsentieren Sie die Rechnung
dafür. Das ist nicht in Ordnung. Das muss anders wer-
den.


(Beifall bei der LINKEN)


Setzen Sie doch Ihre rosarote Brille einfach einmal
ab, und wagen Sie einen Blick auf die wirklichen Ver-
hältnisse in diesem Land. Dabei werden Sie nämlich ei-
nes feststellen: Altersarmut ist leider bereits heute ein
Problem. Das ist die Wirklichkeit.


(Beifall bei der LINKEN)


Ein ehrlicher Blick auf die Statistik zeigt das: Seit 2003,
also seit es die sogenannte Grundsicherung im Alter
gibt, ist die Zahl der Betroffenen, also der Menschen, die
von durchschnittlich 683 Euro im Monat leben müssen,
um – jetzt hören Sie bitte gut zu! – 70 Prozent gestiegen.
Diese traurige Entwicklung treiben Sie mit der Rente
erst ab 67 und Ihrem aberwitzigen Paket an Sozialkür-
zungen gewaltig voran. Deshalb lehnt die Linke beides
entschieden ab.


(Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Die Linke lehnt immer alles ab!)


Bei den Rentenbeiträgen für Langzeiterwerbslose of-
fenbaren Sie eine frappierende Tierquälerlogik nach dem
Muster: Wir reißen der Fliege erst ein Bein aus und dann
noch eines, um schlussendlich ihr Leiden und Leben mit
dem Hinweis zu beenden, dass das Tier ohnehin kaum
noch zappelt. Denn der Beitrag zur Rentenversicherung
ist unter Beteiligung oder Zustimmung von CDU/CSU
und FDP systematisch gesenkt worden. Nun hat Bundes-
kanzlerin Merkel verkündet, dass der verbliebene Rest
so gering sei, dass auch er jetzt noch gestrichen werden
könne. Herr Weiß hat das hier vorhin für die CDU/CSU
wiederholt. Die Linke fordert deshalb, dass aus den
mickrigen 2,09 Euro Rentenanspruch nach einem Jahr
Hartz IV nicht 0 Euro werden, wie Union und FDP dies
durchdrücken wollen, sondern 13,60 Euro; denn das

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(C (D äre ein kleiner, aber wichtiger Baustein gegen die Alrsarmut. Ja, wir Linken wollen deutlich mehr soziale Gerechgkeit. Zugegeben, das ist ein weites Feld. Aber wenn ie einen Menschen für etwas bestrafen, woran er nicht chuld ist und was er nicht ändern kann, dann werden ie niemanden auf diesem weiten Feld finden, der sagt: as ist gerecht, das kann ich rechtfertigen. – Bei der Ererbsminderungsrente aber passiert genau das: Niemand ntscheidet sich dafür, krank zu werden. Niemand kann rnsthaft den Betroffenen die Schuld an ihrer Erwerbsinderung in die Schuhe schieben. Herr Kollege! Trotzdem werden die Menschen mit drastischen Ren nkürzungen von bis zu 11 Prozent bestraft, wenn sie or dem 63. Lebensjahr auf eine Erwerbsminderungsnte angewiesen sind. Kommen Sie bitte zum Ende! Das ist völlig ungerecht. Deshalb müssen wir das än ern. Herzlichen Dank. Wolfgang Strengmann-Kuhn hat das Wort für Bünd is 90/Die Grünen. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706913400
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706913500
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706913600
Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706913700

(Beifall bei der LINKEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706913800
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

uch heute ist ein schwarzer Tag. Heute geht es um die
artz-IV-Bezieherinnen und -Bezieher. Insofern knüpft
ieser Tagesordnungspunkt direkt an den vorherigen an.

Schade, dass die Ministerin nicht mehr hier ist; denn
h hätte sie gerne gefragt, wie es sich eigentlich anfühlt,
enn man am Schreibtisch sitzt und überlegt: Blumen
nd Zimmerpflanzen für die Armen – kann gestrichen
erden. Haustiere für die Armen – kann gestrichen wer-
en. Besuch einer Eisdiele für die Kinder – kann gestri-
hen werden. Das Stückchen Kuchen im Café – kann ge-
trichen werden. Geld für die Riester-Rente für die
rmen – kann gestrichen werden. Rentenversicherungs-
eiträge für die Armen – kann gestrichen werden. Das ist
as Prinzip der Bundesregierung. Ich frage mich: Wel-
hes Menschenbild steht eigentlich dahinter?

Bei der Streichung der Rentenbeiträge geht es nicht
ur um die Arbeitslosengeld-II-Beziehenden. Die Strei-
hung von 1,8 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt
der Kollege Anton Schaaf hat das eben schon gesagt –





Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) )


)(B)

bedeutet nicht, dass Ausgaben sinken. Vielmehr bleiben
die Ausgaben in der Rentenversicherung gleich, aber je-
mand anders muss sie bezahlen. Letztlich ist die Kür-
zung im Bundeshaushalt nichts anderes als ein dreister
Griff in die Rentenkasse.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hier geht es um 1,8 Milliarden Euro, nicht einmalig,
sondern jedes Jahr in die Zukunft hinein. Es ist schlicht
eine Lüge, zu behaupten, dass dadurch gespart wird. Be-
zahlen müssen das die Beitragszahlerinnen und Beitrags-
zahler, was nicht nur verteilungspolitisch problematisch,
sondern auch wirtschaftlicher Unsinn ist, denn der Fak-
tor Arbeit wird wieder verteuert. Die Mittelschicht und
die Geringverdiener werden belastet, und das alles nur,
um Ihre Geschenke für Hoteliers und andere zu finanzie-
ren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Für die Bundesregierung gilt der Grundsatz: Mehr
Netto vom Brutto für die Besserverdienenden und weni-
ger Netto vom Brutto für die mittleren und unteren Ein-
kommen. Umgekehrt müsste es sein.


(Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Wer hat Ihnen diesen Unsinn aufgeschrieben? Sie scheitern an Ihren eigenen Phrasen!)


– Das ist doch völlig richtig: Sie senken die Steuern für
die Reichen und erhöhen die Beiträge für die Geringver-
dienenden.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Rentnerinnen und Rentner müssen dann mehr bezahlen!)


In der Arbeitslosenversicherung wird das kommen, im
Gesundheitswesen kommt es, und auch in der Renten-
versicherung wird es kommen. Der Kollege Schaaf hat
Ihnen das eben vorgerechnet. Die Bundesregierung hat
uns in einer Antwort direkt bestätigt, dass die Beiträge
nicht sinken werden. Ich prognostiziere, dass die Bei-
träge zur Rentenversicherung steigen werden.


(Zuruf des Abg. Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP])


– Ich bitte Sie, nicht weiter dazwischenzuquatschen,
sondern mir eine Zwischenfrage zu stellen; dann kann
ich Ihnen das genauer darlegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Anton Schaaf [SPD]: Koppelin hat keine Ahnung von Rente!)


Es ist klar, dass die FDP immer Probleme hat, wenn es
um Zahlen geht.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die FDP hat doch keine Ahnung davon!)


Herr Weiß hat gerade stolz erwähnt, dass die Sozial-
politiker der Union – unter anderem auf Initiative der
Opposition hin – erreicht haben, dass sich die Renten für
einen Teil der Hartz-IV-Bezieher sogar erhöhen können;

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(C (D as finde ich gut. Gleichzeitig erhalten andere geringere enten, und ein nicht zu unterschätzender Teil erhält berhaupt keinen Zugang mehr zu Erwerbsminderungsnten und Rehaleistungen. Das Ganze folgt dem Matthäus-Prinzip – es stammt icht von Lothar Matthäus, sondern aus dem Gleichnis on den anvertrauten Zentnern im Matthäus-Evangelium –: Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. ieses Prinzip zieht sich durch die gesamte Politik der undesregierung. (Pascal Kober [FDP]: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es da nicht um Sozialpolitik geht! Fragen Sie Ihre Parteikollegin GöringEckardt! Die kann Ihnen das auslegen!)


iebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, Sie
aben dieses Bibelzitat falsch verstanden; denn das, was
ie machen, ist genau das Gegenteil von christlicher
olitik.

Unsere Alternative dazu lautet:

Erstens. Es müssen Rentenbeiträge für die Arbeitslo-
en gezahlt werden, damit tatsächlich alle Arbeitslosen
ugang zur Erwerbsminderungsrente und zu Rehaleis-
ngen erhalten.

Zweitens. Der Beitrag, der für die Arbeitslosen ge-
ahlt wird, muss angemessen sein. Wir schlagen vor, die
indesthöhe an den Mindestbeitrag der Erwerbstätigen

nzupassen.

Drittens. Altersarmut muss zielgenau bekämpft wer-
en. Es ist richtig: Die Vorschläge der SPD und der Lin-
en sind von den Experten kritisiert worden. Wir schla-
en eine Garantierente vor, die tatsächlich sicherstellt,
ass alle langjährig Versicherten eine Rente über dem
urchschnittlichen Grundsicherungsniveau erhalten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Politik der Bundesregierung geht zulasten der
eitragszahlerinnen und Beitragszahler, zulasten der
rmsten Hartz-IV-Bezieher und Hartz-IV-Bezieherinnen
owie zulasten der Kommunen, die die zusätzlich anfal-
nden Grundsicherungsleistungen zahlen müssen. Wir

tellen uns auch in diesem Fall quer. Wir stellen uns vor
ie Hartz-IV-Bezieher und Hartz-IV-Bezieherinnen, vor
ie Beitragszahlerinnen und Beitragszahler und vor die
ommunen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706913900

Herr Kollege.


(BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN)

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) )


)(B)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706914000

Frank Heinrich hat das Wort für die CDU/CSU-Frak-

tion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1706914100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Zum zweiten Mal bekomme ich von Ihnen,
von der grünen Fraktion, eine Vorlage aus der Theologie,
in diesem Fall aus dem Matthäus-Evangelium. Wir müs-
sen an anderer Stelle über die Aussage diskutieren; denn
das war keine sozialpolitische Aussage, sondern eine
theologische. Ich gehe gerne an anderer Stelle darauf
ein. Aber selbst freie, liberale Theologen legen das nicht
so aus.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ich dachte, Sie nennen sich christlich! Das merkt man aber nicht!)


Ich möchte auf die fünf Anträge eingehen, über die
wir heute hier diskutieren. Alle Anträge drehen sich
– das ist die Schnittmenge der Titel der Anträge – um
das Risiko der Altersarmut. Ehrlich gesagt: Da besteht
sehr wohl eine gewisse Einigkeit mit uns.

Altersarmut – das ist mein erstes Stichwort – ist ein
Problem, dessen Lösung wir in Angriff nehmen müssen.
Wir müssen dafür aber wissen, welchen Umfang das
Problem hat, das auf uns zukommt. Es ist richtig, dass
wir das Thema in Angriff nehmen. Es handelt sich um
ein Problem, das im Moment noch sehr klein ist – das
haben Sie selber wahrgenommen –, aber ganz klar auf
uns zukommt.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Steigend!)


Wir müssen Altersarmut verhindern; da bin ich, da ist
meine Partei vollkommen bei Ihnen. Wenn die Altersar-
mut in hohem Maße auf uns zukommt, sollten wir Vor-
kehrungen treffen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Den Satz merken wir uns jetzt!)


Wir teilen sehr wohl die Sorgen, die Sie und die Bür-
ger haben. Das schlägt sich auch darin nieder, dass wir
die im Koalitionsvertrag angekündigte Kommission ein-
setzen. Es geht darum, herauszufinden, ob und, wenn ja,
in welchem Umfang man auf Altersarmut reagieren
muss. Herr Weiß hat es schon gesagt: Wir sind sehr ge-
spannt auf die Arbeit der Kommission und auf die Um-
setzung der Ergebnisse

Ein zweites Stichwort ist immer wieder gefallen:
Grundsicherung. Ich bin der Überzeugung, dass wir zwei
Dinge voneinander trennen sollten. Die Bereiche Rente
und Grundsicherung sollten wir nicht miteinander ver-
mähren, wie wir in Sachsen sagen. Rentenansprüche
sollten aus Arbeit und nicht aus Nichtarbeit entstehen;
denn für Letzteres ist die Grundsicherung da. Diese zwei
Bereiche sollten auseinandergehalten werden.

Sie haben die Systematik zum Thema gemacht. Ich
möchte kurz darauf eingehen. Es ist systemgerecht,

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(C (D enn wir die vorhin angesprochene Rentenerhöhung um ,09 Euro, die erwirtschaftet wird, wenn man ein Jahr ng Arbeitslosengeld II bezieht, nicht beibehalten. Es t nicht Aufgabe dieses Fürsorgesystems, ohne Einzelllbetrachtung aus Steuermitteln Beiträge in ein Ver icherungssystem einzubringen und damit versichengsrechtliche Ansprüche aufzubauen. Typisch für ein ürsorgesystem ist die Unterstützung bei akuter Hilfsbeürftigkeit. Es ist nicht Aufgabe dieses Fürsorgesystems, ei bereits eingetretener Hilfsbedürftigkeit eine weitere ünftige Hilfsbedürftigkeit – im vorliegenden Fall die im lter – generell zu verhindern. Tritt im Alter Hilfsbeürftigkeit ein, so besteht ein Anspruch auf Grundsicheng im Alter. Das Gleiche gilt für die Erwerbsmindengsrente. Das ist die Systemgerechtigkeit. Deshalb haben wir diesen Teil gestrichen. Es soll ein usätzlicher Anreiz entstehen. Die Leute sollen Mut beommen und sich der Herausforderung, wieder in Arbeit u kommen, stellen. In Arbeit kommen, das hat etwas it Würde und Stolz zu tun. Wir sind angetreten, um enschen in Beschäftigung zu bringen, auch wenn Sie as in Abrede stellen. Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Ilja Seifert zulassen? Nein, ich möchte jetzt gerne zum Ende kommen. Letztlich stehen wir für den Ausstieg aus einer Hartz-IVultur, die sich auch hier niederschlägt, und für den Ein tieg in eine Kultur der Beteiligung, der Teilhabe, der elbstbestimmung, der Bestätigung und der Herausforerung, vielleicht auch der „Herausförderung“. Damit komme ich zu dem Menschenbild, dass Sie, err Strengmann-Kuhn, angesprochen haben. Wir öchten den Menschen ihren Stolz und ihre Würde zuckgeben. Fordern und Fördern, immer in dem Wissen: er nicht kann, findet Hilfe und Unterstützung beim taat. Das dritte Stichwort ist Realität; damit komme ich um Schluss. Wir müssen abwarten. Wir können nicht on Spekulationen ausgehen. Ich habe einen Bericht gesen, in dem es um das Problem der Zielgenauigkeit eht. Dieses Problem gehen wir jetzt an. Ein Rentenchmann sagte mir gestern: Ja, es wird Geld gespart, nd der Verwaltungsaufwand wird verringert – das ist ie eine Seite –, viele Erwerbsbiografien verlaufen aber icht so, wie wir glauben. Immer gleich vom Negativen auszugehen, hat etwas on Kapitulation. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706914200
Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1706914300

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


h komme aus der Jugendhilfe. Ein Kollege von mir be-
chtete Folgendes: Das Jugendamt fragte: Warum müs-
en Sie das so ausstatten? Sie verwöhnen die Leute doch.
ie landen hinterher doch sowieso bei Hartz IV. – Er





Frank Heinrich


(A) )


)(B)

winkte ab und sagte: Eben nicht. Wir wollen ein Bild
malen und den Jugendlichen zeigen, wie es auch sein
kann. Wir wollen ihnen eine Alternative bieten, die für
sie Anreiz ist, aus dem System herauszuwachsen.

Genau das wollen wir. Wir wollen Anreize schaffen
und nicht aufgeben.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706914400

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem

Kollegen Ilja Seifert.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706914500

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Lieber Herr Kol-

lege, da Sie mir keine Zwischenfrage zugestanden ha-
ben, möchte ich zwei Bemerkungen machen:

Erstens. Alle Koalitionsrednerinnen und -redner spra-
chen mit großer Euphorie von der Kommission, die Sie
einsetzen wollen.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ja!)


Was passiert denn, wenn bei der Arbeit der Kommission
Ergebnisse herauskommen, die Ihnen nicht passen? In
der vergangenen Wahlperiode wurde eine Kommission
zur Klärung des Pflegebegriffs eingesetzt. Sie hat her-
vorragende Ergebnisse erarbeitet. Bedauerlicherweise
redet von der Regierung jetzt niemand mehr davon. Die
Ergebnisse der von Ihnen selbst eingesetzten Kommis-
sion werden ignoriert und in den Skat gedrückt. Das
kann doch nicht sein.

Zweitens. Sie behaupten Folgendes: Wenn Sie die
Beiträge für Arbeitslose streichen, sei das ein Anreiz,
schneller in Arbeit zu kommen, weil man nicht auf die
Grundsicherung angewiesen sein möchte.

Haben Sie aufgrund der Erlebnisse, die die Menschen
Ihnen berichten, nicht den Eindruck, dass es genau um-
gekehrt ist? Diejenigen, die wissen, dass sie keine
Chance haben, über das Niveau der Grundsicherung zu
kommen, haben keinen Anreiz mehr, sich um eine Ar-
beit zu kümmern.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So dumm denken die Leute nicht!)


Eine Arbeit im Niedriglohnbereich würde auf keinen
Fall ausreichen, um über den Grundsicherungsbetrag zu
kommen. Das heißt also, dass Sie die Vorsorge regel-
recht torpedieren.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706914600

Herr Heinrich, zur Antwort.


Frank Heinrich (CDU):
Rede ID: ID1706914700

Da Sie Ihren Beitrag als Kommentar verstehen,

möchte ich nur kurz antworten.

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(C (D Zum ersten Punkt. Sie dürfen uns an den Ergebnissen er von uns beauftragten Kommission messen. Aus dieen Ergebnissen leiten wir unsere Aufgabenbeschreiung ab. Wir werden dann darüber diskutieren, ob Sie nsere Antwort auf die Ergebnisse der Kommission akeptieren können. Bis dahin müssen wir mit der Feinjuserung warten. Zum zweiten Punkt. Sie haben nach meinem Erleben efragt. Mein Erleben ist tatsächlich ein anderes. Ich abe erlebt, dass Menschen motiviert sind, wenn man ihen Chancen eröffnet und wenn man sie fordert. Aus einen Gesprächen in meinem Wahlkreis weiß ich, dass ie Menschen am Ende gerne sagen würden: Das habe h mir selbst erarbeitet. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber dazu müssen sie die Chance haben!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706914800

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
mpfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf
rucksache 17/3477. Unter Buchstabe a empfiehlt der
usschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der
PD auf Drucksache 17/1747 mit dem Titel „Das Risiko
on Altersarmut durch veränderte rentenrechtliche Be-
ertungen von Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit und
er Niedriglohn-Beschäftigung bekämpfen“. Wer stimmt
r die Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Ent-

altungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung ange-
ommen. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen.
agegen gestimmt hat die SPD-Fraktion. Enthalten ha-
en sich Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion Die
inke.

Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe b
einer Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags
er Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/1735 mit dem
itel „Risiken der Altersarmut verringern – Rentenbei-
äge für Langzeiterwerbslose erhöhen“. Wer stimmt für
iese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Ent-
altungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenom-
en. Dafür gestimmt haben die Koalitionsfraktionen

nd die SPD-Fraktion. Dagegen gestimmt hat die Frak-
on Die Linke. Enthalten hat sich die Fraktion Bünd-
is 90/Die Grünen.

Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss in seiner
eschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der
raktion Die Linke auf Drucksache 17/256 mit dem Titel
Verbesserung der Rentenanwartschaften von Langzeit-
rwerbslosen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
ng? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be-

chlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung
urch die Koalitionsfraktionen und die SPD-Fraktion.
agegen hat die Fraktion Die Linke gestimmt. Die Frak-
on Bündnis 90/Die Grünen hat sich enthalten.

Unter Buchstabe d empfiehlt der Ausschuss die Ab-
hnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Druck-

ache 17/1116 mit dem Titel „Schutz bei Erwerbsminde-
ng umfassend verbessern – Risiken der Altersarmut





Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) )


)(B)

verringern“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Be-
schlussempfehlung ist mit dem gleichen Stimmenver-
hältnis wie zuvor angenommen.

Unter Buchstabe e empfiehlt der Ausschuss die Ab-
lehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen auf Drucksache 17/2436 mit dem Titel „Mindestbei-
träge zur Rentenversicherung verbessern, statt sie zu
streichen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
fehlung ist angenommen. Dagegen hat die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen gestimmt. Alle anderen Fraktio-
nen waren dafür.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 31 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur
erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher
Kinder

– Drucksache 17/3305 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Zu Protokoll gegeben haben ihre Reden die Kolle-
ginnen und Kollegen Granold, Steffen, Thomae,
Petermann, Hönlinger und der Parlamentarische Staats-
sekretär Stadler.1)

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 17/3305 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann
ist die Überweisung so beschlossen.

Jetzt rufe ich Tagesordnungspunkt 32 sowie Zusatz-
punkt 9 auf:

32 Beratung des Antrags der Abgeordneten Kai
Gehring, Britta Haßelmann, Ute Koczy, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Aufbauoffensive für Freiwilligendienste jetzt
auf den Weg bringen – Quantität, Qualität
und Attraktivität steigern

– Drucksache 17/3436 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

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v1) Anlage 4

(C (D P 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sönke Rix, Petra Crone, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Chancen nutzen – Jugendfreiwilligendienste stärken – Drucksache 17/3429 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Sportausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Verteidigungsausschuss Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss Verabredet ist, hierzu eine halbe Stunde zu debattien. – Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann erfahren wir so. Der erste Redner ist der Kollege Kai Gehring für die raktion Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706914900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir als Grüne haben diese Debatte auf die Tagesordnung

esetzt, um der Regierung auf die Sprünge zu helfen und
nen Impulse zu geben.


(Markus Grübel [CDU/CSU]: Dann müsst ihr aber früher aufstehen!)


ie müssen jetzt endlich Farbe bekennen und eine Offen-
ive für Freiwilligendienste starten.

Wir als Grüne wollen Quantität, Qualität und Attrak-
vität von Freiwilligendiensten ausbauen. Das ist mehr
ls überfällig. Wir kämpfen für diesen Ausbau seit vielen
ahren, weil die verschiedenen Inlands- und Auslands-
eiwilligendienste – vom „Freiwilligen Ökologischen

ahr“ und „Freiwilligen Sozialen Jahr“ über „weltwärts“,
kulturweit“, den „Europäischen Freiwilligendienst“ bis
um „Freiwilligendienst aller Generationen“ – zivilge-
ellschaftliches Engagement stärken und demokratisches
ernen bei Jugendlichen massiv fördern.

Der Ausbau der Freiwilligendienste ist überfällig,
ommt aber, allen Ankündigungen der letzten Monate
nd Jahre zum Trotz, seit Jahren leider nicht voran. Des-
alb ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, hier mehr zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das Problem dabei ist übrigens nicht, dass engage-
entbereite Jugendliche fehlen würden; das wird Ju-

endlichen immer unterstellt. Im Gegenteil: Auf einen
reiwilligendienstplatz kommen seit Jahren zwei bis drei
ewerber. Das Problem ist der massive Mangel an An-
eboten. Dieser Mangel muss endlich behoben werden;
ie Anzahl der Freiwilligendienste muss mittelfristig
erdoppelt werden. Das steht jetzt an.





Kai Gehring


(A) )


)(B)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Ausstieg aus der Wehrpflicht und dem Zivildienst
bringt auch neue Chancen mit sich.


(Christel Humme [SPD]: So ist es!)


Es ist ein überfälliger und richtiger Schritt. Im Nach-
hinein kann man dazu vielleicht sogar sagen, dass
Schwarz-Gelb möglicherweise einmal etwas hinbekom-
men hat – wenn Sie es tatsächlich schaffen, aus der
Wehrpflicht auszusteigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das wäre ein guter Schritt, der auch Chancen für einen
Ausbau der Freiwilligendienste bieten würde. Diese
Chancen werden aber gerade wieder verspielt. Diese Ge-
fahr und dieses Risiko sehen wir. Sie, die Regierung und
die Koalition, müssen jetzt gemeinsam mit den Ländern
handeln, statt wie in den letzten Monaten immer nur
Sonntagsreden zu dem Thema Freiwilligendienste zu
halten. Handeln ist jetzt angesagt.

Beim Ausstieg aus den Pflichtdiensten brauchen wir
eben kein Stückwerk, sondern politischen Mut zu einem
wirklich großen Wurf. Raus aus dem Zivildienst muss
heißen: rein in einen verlässlichen Ausbau der Freiwilli-
gendienste. Das fehlt bisher.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Frau Schröder, die heute leider nicht hier sein kann,
hat ein Konzept bzw. eher vage Eckpunkte vorgelegt,
wie sie einen freiwilligen Zivildienst einrichten will.
„Freiwilliger Zivildienst“ klingt schon absurd


(Christel Humme [SPD]: Das stimmt!)


und ist auch Flickschusterei, weil sie damit sinnlose und
ineffiziente Doppelstrukturen schafft, die kein Mensch
braucht. Kein Mensch braucht einen Bundesstaatsdienst,


(Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Das ist doch alles Schnee von gestern!)


der unserer bewährten Marke, der Marke Jugendfreiwil-
ligendienste, Konkurrenz macht und zivilgesellschaftli-
che Freiwilligendienstorganisationen demotiviert. Es
wäre auch absurd, wenn in derselben Einrichtung mit
denselben Tätigkeiten künftig freiwillige Sozialdienst-
leistende und freiwillige Zivildienstleistende nebenei-
nander eingesetzt würden, zu völlig unterschiedlichen
Bedingungen und Konditionen, zu verschiedenen Kos-
ten mit unterschiedlichem Taschengeld. Das alles ist
Flickschusterei und macht keinen Sinn.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie nehmen hier unter einem selbstgesetzten Zeit-
druck falsche Weichenstellungen vor, um letztlich vor
allem Aufgaben des Bundesamtes für den Zivildienst zu
erhalten und eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für
dieses Bundesamt durchzusetzen. Sie entziehen im Übri-
gen dem Zivildienstetat allein in dieser Woche 180 Mil-
lionen Euro. Diese Mittel würden aber dringend für den
Ausbau der Freiwilligendienste gebraucht.

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(C (D Der Zivildienstetat darf kein Steinbruch sein. Die ittel müssen für den Ausbau verwandt werden. Sie ha en für diesen freiwilligen Zivildienst weder bei den erbänden noch in der Gesellschaft noch bei den Freiilligen Unterstützung oder eine Mehrheit. Sie können iese falsche Weichenstellung jetzt noch korrigieren. ringen Sie stattdessen einen Ausbau der Freiwilligenienste auf den Weg. Sie hätten im Übrigen unsere Unterstützung, wenn ie jetzt ein Freiwilligendienstestatusgesetz aus einem uss auf den Weg bringen würden. In diesem müssten ie Dienste als arbeitsmarktneutrale gemeinnützige Bilungsdienste geregelt und ein sozialrechtlicher Status efiniert und präzisiert werden. Es müsste auch geklärt erden, wie unterrepräsentierte Zielgruppen, auch neue ielgruppen, künftig für Freiwilligendienste gewonnen erden können, wie Qualitätsverbesserungen eingeleit werden und die frei werdenden Mittel aus dem Zivilienst erhalten bleiben. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Ich komme zum Schluss. – Es geht einfach nicht, dass ie beim Thema Freiwilligendienste den Kopf weiterhin den Sand stecken. Sie müssen die Interessen der Ju endlichen und der Freiwilligen jetzt endlich in den Mitlpunkt Ihrer Politik stellen. Herr Kollege. Sie müssen den Freiwilligendiensten eine verlässliche usbauperspektive bieten. Darum muss es jetzt gehen. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706915000
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706915100
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706915200
Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706915300


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706915400

Markus Grübel hat das Wort für die CDU/CSU-Frak-

on.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Markus Grübel (CDU):
Rede ID: ID1706915500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

u etwas für dein Land, tu etwas für dich – das ist die
instellung von Freiwilligen. Sie wollen etwas für die
emeinschaft und etwas für sich tun. Beides ist wichtig.
ie Grundhaltung von Freiwilligen ist: Das ist mein
and, das ist meine Stadt, das ist mein Verein, das sind
eine Werte und Ideale, und dafür engagiere ich mich

ber den Pflichtbeitrag Steuer hinaus.

Ich glaube, trotz der Attacken von Kai Gehring sind
ir uns, die Koalitionsfraktionen und die beiden Antrag-

teller, über die Fraktionsgrenzen hinweg einig: Wir





Markus Grübel


(A) )


)(B)

wollen jetzt die Voraussetzungen schaffen, dass Freiwil-
ligendienste einen guten rechtlichen Rahmen und ausrei-
chend Unterstützung bekommen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das tun Sie nicht!)


Wir sind uns auch einig: Bürgerschaftliches Engagement
– dazu gehören Freiwilligendienste – ist eine Stütze un-
serer Gesellschaft.

Zurzeit haben wir die einmalige Chance, die Rahmen-
bedingungen für Freiwilligendienste zu verbessern.
Diese Chance werden wir nutzen. Schon im Haushalt
2011, der derzeit beraten wird, sind deutliche Verbesse-
rungen erkennbar. Wir steigern die entsprechenden Mit-
tel von 20 Millionen auf 50 Millionen Euro. Das ist
mehr als eine Verdoppelung.

Die Aussetzung der Wehrpflicht – sie wird heute auf
dem CSU-Parteitag in München beraten und am 15. und
16. November 2010 auf dem Bundesparteitag der CDU –
und damit die Aussetzung des Zivildienstes schaffen
Spielräume. Es entstehen aber auch Lücken. Letztes Jahr
gab es 90 000 Zivildienstleistende. Sie hinterlassen eine
empfindliche Lücke in der Behindertenbetreuung, im
Pflegebereich und in vielen anderen sozialen Bereichen.
Allein im sozialen Bereich wird man mit jährlich
1,8 Milliarden Euro Zusatzkosten rechnen müssen.

Es geht aber um mehr als um Geld. Durch den Zivil-
dienst wie durch die Freiwilligendienste kommen junge
Menschen in soziale Bereiche. Sie erlernen soziale
Kompetenz. Viele entscheiden sich erst durch ihren Frei-
willigendienst oder Zivildienst dazu, einen sozialen Be-
ruf zu erlernen, den sie sonst vielleicht ausgeschlossen
hätten. Durch eine Aussetzung der Wehrpflicht werden
Bundesmittel frei, die zum Teil für Freiwilligendienste
genutzt werden können. Das ist eine einmalige Chance.

Allerdings, Herr Gehring, muss nach der Verfassung
die Finanzierungskompetenz der Verwaltungskompetenz
folgen. Wir brauchen also die Verwaltungskompetenz
des Bundes, um 100 Prozent der frei werdenden Bundes-
mittel einsetzen zu können. Daher lautet der Arbeitstitel:
freiwilliger Zivildienst. Dieser Arbeitstitel ist übrigens
ein Lob des Zivildienstes; er, der Zivildienst, der Zivi, ist
eine gute Marke geworden. Künftig werden wir ihn
wahrscheinlich als Bundesfreiwilligendienst – er liegt in
der Verantwortung des Bundes und wird mit Mitteln des
Bundes finanziert – bezeichnen. Gleichzeitig gibt es
deutliche Verbesserungen beim Jugendfreiwilligen-
dienst.

Neu bei diesem Bundesfreiwilligendienst oder frei-
willigen Zivildienst ist, dass er offen für Frauen und
– auch das ist wichtig – offen für alle Generationen ist,
also auch für Ältere. Wir haben im fünften Altenbericht
zu den Potenzialen des Alters und im sechsten Altenbe-
richt zu den Altersbildern die Vorarbeit geleistet. Unsere
Gesellschaft ist vielfältig, darum sind die Freiwilligen-
dienste es auch. Unser Ziel ist es, den geplanten Bundes-
freiwilligendienst eng mit den bestehenden Jugendfrei-
willigendiensten, dem Freiwilligen Sozialen Jahr und
dem Freiwilligen Ökologischen Jahr, zu verzahnen und
keine Konkurrenz zu schaffen.

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(C (D Dieser neue Dienst steht für erweiterte Einsatzbereihe offen. Auch Sport, Kultur, Bildung gehören dazu. iel ist die Gewinnung von rund 35 000 Freiwilligen pro ahr. Die Regeldauer beträgt ein Jahr, 6 bis 18 Monate ind flexibel möglich. Der Träger bzw. die Einsatzstelle ird pro Freiwilligen mit rund 500 Euro pro Monat ausestattet und handelt dann das tatsächliche Taschengeld it dem Freiwilligen aus. Wie bisher wird dieser Dienst in Einrichtungen der ohlfahrtsverbände, der Kommunen und anderer Träger urchgeführt. Die Freiwilligen werden vor Ort und in eminaren pädagogisch begleitet. Ich könnte mir vortellen, dass die politische Bildung – ein fünftägiges eminar – für alle gemeinsam erfolgt: Jugendfreiwilliendienst, Bundesfreiwilligendienst und freiwillig ehrdienstleistende. Junge Menschen sind in der Schule, sind im Verein, ind in der Kneipe, in der Ausbildung und im Studium usammen. Warum sollen diese jungen Menschen – egal b sie den freiwilligen Wehrdienst, den Jugendfreiwilliendienst oder den Bundesfreiwilligendienst leisten – icht zusammen Seminare zur politischen Bildung besuhen? Die Kopplung der bestehenden Formate und des euen Formats findet vorrangig über die bestehenden undeszentralen Träger von FSJ und FÖJ statt. Zudem oll es weitreichende Vergünstigungen – zum Beispiel nrechnung auf Pflichtpraktika und Wartezeiten für Stuienplätze – geben. Der Freiwilligendienst, insbesondere er Jugendfreiwilligendienst, ist kein verlorenes Jahr. Es t ein Lernjahr, es ist für junge Menschen ein gewonnees Jahr. Daneben wollen wir die Jugendfreiwilligendienste esser ausstatten, und unser Ziel ist es auch, den erhöhn Betreuungsbedarf, den die Träger und Einrichtungen aben, zu vergüten. Wir könnten darüber hinaus auch Jugendfreiwilligenienste mit zusätzlichem Nutzen – zum Beispiel Schulbschluss – anbieten, wie es die Diakonie in Württemerg mit FSJ plus, die Caritas Hildesheim mit FSJ future der der Internationale Bund in Nürnberg mit FSJ dual eute schon erfolgreich tun. Als neuer Freiwilligendienst soll auch ein freiwilliger ehrdienst von mindestens 15 Monaten geschaffen wer en. Die Freiwilligenlandschaft wird also bunter. Vom flegekittel bis zum Flecktarn wird alles möglich. Sozias, Ökologie, Kultur, Sport und Sicherheit bieten ein ielfältiges Bild, so vielfältig wie unsere Gesellschaft ist. Tu was für dein Land, tu was für dich! – Wir schaffen ierfür einen deutlich besseren Rahmen. Das ist unsere emeinsame Aufgabe in den nächsten Wochen. Herzlichen Dank. Sönke Rix hat das Wort für die SPD-Fraktion. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706915600




(A) )

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/
CSU: Nur Mut, Herr Kollege!)


Sönke Rix (SPD):
Rede ID: ID1706915700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Natürlich sind wir auch mutig, sonst hätten wir keine
Anträge gestellt, an denen wir uns heute abarbeiten kön-
nen. Ich hätte mir angesichts der Debatte, die wir mittler-
weile seit Jahren zu dem Thema Jugendfreiwilligen-
dienste führen, und angesichts der Tatsache, dass wir seit
Jahren einen Platzausbau, eine Verstärkung, grundsätz-
lich eine Attraktivitätssteigerung wollen, gewünscht,
dass dieser Anlass von der Regierung dazu genutzt wor-
den wäre, einen großen Aufschlag zu machen. Natürlich
stimmt es, dass im Haushalt über die Jahre immer wieder
etwas mehr Geld dafür zur Verfügung gestellt worden
ist. Das ist gar keine Frage. Es war immer schon mühse-
lig, dafür zu kämpfen. Durch den Wegfall des Zivil-
dienstes waren nun Gelder übrig, und es sind auch Gel-
der umgeschichtet worden. Aber die Frage ist, wofür
diese Gelder im FSJ und im FÖJ verwendet werden und
ob sie vielleicht an anderen Stellen wieder weggenom-
men werden.

Deshalb immer schön vorsichtig an der Bahnsteig-
kante und nicht nur einfach Gelder von der einen Seite
auf die andere verschieben! Machen Sie vielmehr deut-
lich, wofür diese Gelder verwendet werden sollen und
wie tatsächlich eine Attraktivitätssteigerung beim FSJ
und beim FÖJ erreicht werden kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Grübel, natürlich sind wir uns fraktions-
übergreifend einig, zumindest immer dann, wenn wir
Reden halten, dass junge Männer und Frauen im FSJ und
FÖJ in allen Bereichen – ob das im Kulturbereich ist, im
sozialen Bereich oder beim Sport – eine tolle Leistung
bringen. Immer dann, wenn wir Einrichtungen besuchen,
wenn wir FSJler zu Gesprächen hier im Bundestag ha-
ben, immer wenn wir über das Thema reden, sagen wir:
Die machen eine tolle Arbeit. – Die tun etwas Gutes. Ich
finde das auch in Ordnung.

Tu was Gutes – das haben Sie schön in Ihrer Rede
aufgegriffen. Das ist ein wichtiger Punkt, den Sie an-
sprechen; denn das FSJ und das FÖJ sind besondere For-
men des bürgerschaftlichen Engagements und basieren
ausschließlich auf Freiwilligkeit. Sie müssen daher, wie
ich finde, sehr stark von der Zivilgesellschaft selbst or-
ganisiert werden. Bürgerschaftliches Engagement muss
nämlich aus der Zivilgesellschaft kommen und sollte so
wenig wie möglich staatlich organisiert werden. Wenn
Sie das anders sehen, haben wir wohl eine andere Vor-
stellung von bürgerschaftlichem Engagement als Sie.


(Beifall bei der SPD)


Herr Grübel, Sie haben die in den Einrichtungen ent-
stehende Lücke angesprochen. Dieses Thema ist interes-
sant. Vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken und
anderen Bundesverbänden bekommen wir immer wieder
gute Papiere, in denen es um die Frage geht: Wie gehen
wir eigentlich mit dem Wegfall des Zivildienstes um? Im

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(C (D ittelpunkt stehen immer wieder folgende Antworten: as bürgerschaftliche Engagement und die Freiwilligeit müssen gestärkt und die Jugendfreiwilligendienste usgebaut werden. Die Verantwortlichen in den Einrichngen vor Ort sagen jedoch – darauf haben auch Sie gede hingewiesen –: Uns fehlen die Leute. Das ist aber icht das Thema. Wenn es um bürgerschaftliches Engaement geht, kann man nicht das Argument anführen: ns fehlt vor Ort die Arbeitskraft, und deshalb kann die rbeit vor Ort nicht erledigt werden. ir müssen uns vielmehr fragen: Was ist für die jungen eute, die sich freiwillig bürgerschaftlich engagieren ollen, am besten? Im Moment gibt es hierzu unterschiedliche Vorstelngen, und es existieren zwei Modelle. Ein entspre hender Gesetzentwurf liegt allerdings noch nicht vor, eil die jeweiligen Parteitage erst die Richtung vorgeen müssen. Das war auch bei uns nicht anders, und es t richtig, dass die Parteitage das letzte Wort haben. Jeenfalls stehen wir vor folgendem Problem: Auf der eien Seite gibt es die Jugendfreiwilligendienste, die wir lle loben. Auf der anderen Seite soll ein freiwilliger Ziildienst bzw. ein Bundesfreiwilligendienst, oder wie uch immer Sie ihn nennen wollen, eingeführt werden. An dieser Stelle setzen wir mit unserer Kritik an: Wam soll es zwei konkurrierende Dienste geben? Wir hätn uns gewünscht, dass es keine Konkurrenz und keine oppelstrukturen gibt; auch Sie, Herr Tauber und Frau är, haben sich einmal in dieser Richtung öffentlich geußert. Da habe ich gedacht: Endlich, sie haben gelernt. arum soll es also diese Doppelstrukturen geben? Ihr rgument lautete immer: Eigentlich sind wir für die Juendfreiwilligendienste gar nicht zuständig. Aber jetzt agen Sie: Einen Bundesfreiwilligendienst gibt es nur ann, wenn gleichzeitig die Jugendfreiwilligendienste, lso FSJ und FÖJ, ausgebaut werden. Das passt nicht zuammen. Entweder sind wir nicht zuständig, und dann ürfen wir hier auch nicht fördern, oder wir sind dafür uständig, und dann können wir auch gleich die Jugendeiwilligendienste fördern. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!)


Das Land Rheinland-Pfalz hat in dieser Frage einen
uten Ansatz verfolgt und im Bundesrat beantragt, die
ugendfreiwilligendienste, wenn es Streitpunkte zwi-
chen Bundes- und Landesebene gibt, nur noch bundes-
eit organisieren zu lassen. Ich wundere mich, warum
icht auch dieser Gedanke Bestandteil unserer Diskus-
ion ist;


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wundere mich, warum die sich mit Bayern zusammengetan haben, wo man diese Doppelstrukturen ja auch will!)


as bedaure ich sehr. Die Vorschläge, die derzeit auf dem
isch liegen, werden von den Ländern durchaus kritisch
etrachtet.





Sönke Rix


(A) )


)(B)

Nun noch etwas zum Verfahren. Interessant ist die
Frage: Wird zur Wehrrechtsänderung und zum Bundes-
freiwilligendienst ein Gesetzentwurf vorgelegt, oder
werden es zwei sein? Wird eventuell sogar der Verteidi-
gungsausschuss federführend sein, wenn es um die Ein-
führung eines Bundesfreiwilligendienstes geht? Dies
hielte ich für einen Skandal. In ihrer Engagementstrate-
gie hat die Bundesregierung nämlich geschrieben: Bund,
Länder und Kommunen sind aufgefordert, ihre Engage-
mentpolitik gut miteinander abzustimmen. In diesem
Fall tun Sie das aber nicht. Dass Sie das an dieser Stelle
nicht hinbekommen, bedauern wir sehr. Das ist mehr als
unredlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir sind also gar nicht weit auseinander. Nach dem
Wegfall des Zivildienstes müssen wir in die Freiwilli-
gendienste investieren, aber bitte nur in die bestehenden
Jugendfreiwilligendienste. Einen zusätzlichen Freiwilli-
gendienst brauchen wir nicht. Dadurch würden nur Dop-
pelstrukturen geschaffen und eine unnötige Unübersicht-
lichkeit entstehen. Stellen Sie sich vor, junge Leute
bewerben sich in einer Einrichtung, in der es einen Bun-
desfreiwilligendienstplatz und einen FSJ-Platz gibt. Na-
türlich würden sie sich in diesem Fall für den Bundes-
freiwilligendienstplatz entscheiden, weil sie dann ein
paar Euro mehr bekommen. Wohin wird das führen,
wenn nun von zwei Personen, zum Beispiel einer jungen
Frau und einem jungen Mann, die freiwillig in einer Ein-
richtung tätig sind, der eine mehr Aufwandsentschädi-
gung oder Taschengeld bekommt als der andere? Wel-
chen Dienst wird es am Ende wohl noch geben?

Seien Sie ehrlich, legen Sie ein einheitliches Konzept
vor, und bauen Sie die Jugendfreiwilligendienste aus;
denn sie haben es verdient.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706915800

Florian Bernschneider hat das Wort für die FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Florian Bernschneider (FDP):
Rede ID: ID1706915900

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich zu den Anträgen
von SPD und Grünen komme, auch noch etwas Grund-
sätzliches zu den Freiwilligendiensten und zum bürger-
schaftlichen Engagement von jungen Menschen insge-
samt zu sagen.

Ich möchte auch deswegen zunächst auf diese grund-
sätzlichen Dinge eingehen, weil ich schon glaube – das
haben Sie, Herr Rix, gerade ja auch gesagt –, dass wir
uns in vielen Punkten wirklich einig sind; denn natürlich
haben Sie recht, dass es keine befriedigende Situation
ist, dass auf einen Freiwilligendienstplatz zurzeit bis zu
drei Bewerber kommen. Der Fairness halber sollte man

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(C (D n dieser Stelle aber auch einmal sagen, dass das durchus keine Entwicklung ist, die mit der Regierungsüberahme von Schwarz-Gelb vom Himmel gefallen ist, sonern weit in Ihre Regierungszeit zurückreicht. (Beifall bei der FDP – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war fraktionsübergreifende Initiative! Dazu sind Sie ja nicht in der Lage!)


Bevor man diese Zahlen für politische Schuldzuwei-
ungen heranzieht, möchte ich die Chance nutzen, im In-
resse der jungen Menschen auch einmal zu sagen, was
iese Zahlen im Kern bedeuten. Schlagen Sie einmal die
eitungen auf und schauen Sie sich das Bild an, das dort
on der Jugend von heute gemalt wird: unpolitisch, am
emeinwohl desinteressiert und karriereorientiert. Dem-
egenüber zeigen die Zahlen der jungen Menschen, die
ich für die Freiwilligendienste bewerben, und die knapp
Millionen junge Menschen, die jedes Jahr ehrenamt-
ch tätig werden, ein ganz anderes Bild. Von daher sollte
an eine solche Debatte auch einmal dazu nutzen, zu sa-

en, dass wir stolz auf das Engagement sind, das die jun-
en Menschen schon heute in diesem Land zeigen.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Als Liberalem ist es mir an dieser Stelle auch ein An-
egen, zu betonen, dass dieses Engagement freiwillig
nd ohne jeden Zwang erfolgt, und zwar keinesfalls aus
inem abstrakten Pflichtgefühl heraus, sondern weil die
ngen Menschen die Freiwilligendienste bzw. ihr frei-
illiges Engagement in doppelter Hinsicht als berei-

hernd empfinden: für sich selbst, aber eben auch für die
emeinschaft. Genau das haben die jungen Menschen

rkannt.

Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass trotz der Be-
eutung eines schnellen Einstiegs in Ausbildung und Be-
f 40 000 junge Menschen im Jahr 2010 einen Freiwil-

gendienst aufgenommen haben. Das kann man nur
ben. Vor allem muss man an dieser Stelle auch einmal

ie Arbeitgeber und die Ausbildungsbetriebe dafür lo-
en, dass sie verstanden haben, dass es bei der Auswahl
on Auszubildenden eben nicht nur um das Schulzeug-
is, sondern auch darum geht, was die Jugendlichen ne-
en der Schule und nach der Schule, zum Beispiel in ei-
em Freiwilligendienst, geleistet haben.


(Beifall bei der FDP)


Meine Damen und Herren von der SPD und vom
ündnis 90/Die Grünen, Sie bemängeln in Ihren Anträ-
en, dass der Ausbau nicht schnell genug vorankommt.
ie machen es sich leicht und verweisen auf die eigenen
onntagsreden aus den vergangenen Legislaturperioden
nd werfen uns vor, dass wir das alles nach einem Jahr
och nicht geschafft haben.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt machen Sie es sich aber sehr leicht!)


Die SPD rühmt sich in ihrem Antrag zum Beispiel da-
it, § 14 c Zivildienstgesetz eingeführt zu haben. Ich

laube Rot-Grün, dass alles, was damals passiert ist, gut
emeint war.





Florian Bernschneider


(A) )


)(B)


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und gut gemacht!)


Man muss nachträglich aber auch einmal feststellen,
dass dieser § 14 c Zivildienstgesetz nicht in Gänze gut
war, sondern dass er zu erheblichen Schieflagen und er-
heblichen Fehlstrukturen geführt hat, um die wir uns
dann erst einmal kümmern mussten. Sie haben gerade
mit Abs. 4 des § 14 c Zivildienstgesetz dafür gesorgt,
dass junge Frauen erheblich benachteiligt wurden, weil
die jungen zivildienstpflichtigen Männer aufgrund der
höheren Förderquote immer den Vorzug erhalten haben.
Neben dieser Schieflage bei der Chancengerechtigkeit
zwischen den Geschlechtern haben Sie dann auch noch
für eine Schieflage bei den Finanzierungsstrukturen ge-
sorgt.

Was Sie in Ihrem Antrag als Errungenschaft feiern,
war eine erste Baustelle, um die sich diese Koalition ge-
kümmert hat, indem sie diesen Abs. 4 korrigiert und die
Schieflagen, die ich aufgezeigt habe, beseitigt hat.
30 Millionen Euro fließen jetzt nicht mehr über Um-
wege, sondern direkt zu den Jugendfreiwilligendiensten.
Das ist der größte Aufwuchs dieser Position, den es je-
mals gegeben hat. Hiermit sind wir einen ersten wichti-
gen Schritt gegangen.


(Beifall bei der FDP)


Hinsichtlich der Finanzierung Ihrer weiteren Forde-
rungen bedienen Sie sich einer Sache, zu deren Umset-
zung Sie selbst nie in der Lage waren. Sie sagen einfach:
Wenn die Wehrpflicht ausgesetzt wird, dann ist das Geld
dafür da. – Ich glaube schon, dass es Sie von SPD und
Grünen wurmt, dass nun eine schwarz-gelbe Regierung
darüber diskutiert, wie man die Wehrpflicht aussetzen
und große Reformen beim Zivildienst und in Bezug auf
das bürgerschaftliche Engagement durchführen kann.
Sie müssen es uns dann aber bitte auch überlassen, den
Zeitplan dafür zu gestalten, damit das vernünftig durch-
dacht ist und es nicht zu Fehlschüssen kommt, wie bei
den Ausbauszenarien in Ihren Anträgen, die wahrschein-
lich gar nicht so möglich sind, wie Sie das schildern.


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Gründlichkeit vor Geschwindigkeit! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Doppelstruktur ist ein Fehler! Das habe ich doch anerkannt!)


Es ist doch völlig klar – darin widersprechen wir uns
ja auch nicht –: Wenn wir auf die Wehrpflicht und den
Zivildienst verzichten, dann müssen wir die Chancen
nutzen, die Freiwilligendienste zu stärken. Das wissen
Sie auch. Meine Fraktion steht völlig dahinter. Wenn die
Wehrpflicht und der Zivildienst fallen, dann nehmen wir
die Freiwilligendienste in den Fokus und werden diese
auch stärken.


(Beifall bei der FDP)


An diesen Konzepten arbeitet die christlich-liberale
Koalition. Wenn man es mit dem Freiwilligenengage-
ment ernst meint, dann muss man aber eben auch mehr
machen, als nur gutgemeinte Forderungen aneinanderzu-
reihen. Das sei auch noch der SPD gesagt.

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(C (D Da heißt es zum Beispiel in Ihrem Antrag, dass eine AföG-Vergünstigung für ehemalige Freiwillige eingehrt werden soll. Man muss nun wirklich nicht weit zuckgehen: Vor nicht langer Zeit wurde im Bundesrat dam gerungen, die BAföG-Novelle durchzubringen. Aber s waren doch gerade die Vertreter der von Ihnen regiern Länder, die Schwierigkeiten gemacht haben, weil sie ie entsprechenden Lasten nicht tragen wollten. as zeigt doch, dass Ihre Forderungen nicht durchdacht ind. (Lachen bei der SPD – Abg. Sönke Rix [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


(Zuruf von der FDP: Genau das!)


Nein, ich lasse keine Zwischenfragen zu; ich komme
uch zum Schluss.


(Sönke Rix [SPD]: Aber bei direkter Ansprache wäre das fair!)


Genau das wollen wir eben nicht. Wir wollen ein
chlüssiges Gesamtkonzept.

Lassen Sie mich das als Liberaler sagen: Ich bin stolz
arauf, dass gerade diese Regierung nicht über die Not-
endigkeit eines Zwangsdienstes, sondern über die Aus-
estaltung von Freiwilligkeit diskutiert.


(Sönke Rix [SPD]: Warum mit einem zusätzlichen Dienst? Die Frage haben Sie noch nicht beantwortet!)


h kann Ihnen versichern, dass wir in diesen Diskussio-
en zu Ergebnissen kommen werden, die besser sind als
ie, die Sie uns heute vorgelegt haben. Deswegen kön-
en Sie sich auf die ausgearbeiteten Konzepte freuen
nd denen dann auch hoffentlich zustimmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706916000

Heidrun Dittrich spricht jetzt für die Fraktion Die

inke.


(Beifall bei der LINKEN)



Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706916100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

nd Herren! Wenn am 1. Januar 2011 der Zivildienst
egfällt, wird dies von der Linken begrüßt werden; denn
ir sind für die Abschaffung aller Zwangsdienste.


(Beifall bei der LINKEN)


Bereits seit März dieses Jahres jedoch sucht unsere
amilienministerin Kristina Schröder händeringend nach
inem anderen Dienst. Warum ist das so? Der Zivildienst
ollte doch arbeitsmarktneutral gehalten sein und keine
usgebildeten Arbeitskräfte verdrängen.


(Christel Humme [SPD]: Das ist eine gute Frage!)


ie wir alle aus der Praxis wissen, hat das noch nie ge-
timmt. Bereits die ehemalige Bundesgesundheitsminis-





Heidrun Dittrich


(A) )


)(B)

terin Ulla Schmidt hat bis zum Jahr 2020 einen Bedarf
von 300 000 zusätzlichen Pflegekräften benannt. Der
Präsident des Deutschen Pflegerates, Herr Andreas
Westerfellhaus, sagt:

Aber wir haben im vergangenen Jahr 10 000 Aus-
bildungsplätze abgebaut! So sieht die Realität aus.

Dieser Mangel an Arbeitskräften bzw. ausgebildeten
Kräften soll jetzt mit Ungelernten behoben werden?
Welche Tätigkeiten üben denn die Freiwilligen in einem
Sozialen Jahr zum Beispiel im Altersheim aus? Spazier-
engehen, Vorlesen und Essen anreichen. Machen wir uns
doch nichts vor: Bei der Personalknappheit im Gruppen-
dienst wird das auch notwendig. Eine gelernte Altenpfle-
gerin weiß, dass eine Seniorin aufrecht sitzen muss, um
gut zu schlucken. Sie muss manchmal unterstützt wer-
den, damit der Schluckreflex funktioniert. Das können
nur ausgebildete Fachkräfte. Die alte Dame sollte auch
ihre Brille aufsetzen, damit sie sieht, was sie isst, und
das Interesse behält. Gerade Demenzkranke erkennen oft
nicht, dass die Mahlzeit eine Mahlzeit ist.

Warum erzähle ich Ihnen das alles?


(Zuruf von der FDP: Das frage ich mich auch die ganze Zeit!)


Weil Ungelernte nicht erkennen können, was eine Fach-
kraft sieht. Mit dem Einsatz der Freiwilligen in der
Pflege entwerten Sie die Berufsausbildung der Alten-
pflegerin, und die Pflegebedürftigen erhalten keine qua-
lifizierte Grundversorgung.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Pflegekasse bezahlt in der Pflegestufe I bereits
über 1 400 Euro für einen Heimplatz. Damit haben die
betreuten Seniorinnen und Senioren auch Anspruch auf
fachlich qualifiziertes Personal. Es wäre ja jede Berufs-
ausbildung im sozialen Bereich überflüssig, wenn durch
Ungelernte diese Teile übernommen werden könnten.

Die Familienministerin benutzt die jungen Freiwilli-
gen, um einen staatlich subventionierten Niedriglohnbe-
reich zu erhalten und auszubauen. Warum sollen denn
diese jungen Menschen auf einmal massenhaft das Inte-
resse entwickeln, zu dienen? Was hat denn diese Bundes-
regierung für die jungen Menschen getan? Am 19. Okto-
ber 2010 schreibt das Handelsblatt, ganz bestimmt kein
linkes Blättchen, dass durch den Wegfall des Zivildiens-
tes und die Aussetzung des Wehrdienstes 2011 50 000
zusätzliche Studenten aufgenommen werden müssten.
Dafür hat die Bundesregierung nicht vorgesorgt. Sie
nimmt es hin, dass Studienberechtigte ebenso wenig ei-
nen akademischen Ausbildungsplatz erhalten, wie Ju-
gendliche eine berufliche Ausbildung finden können.
Stattdessen bieten Sie als Warteschleife das Freiwillige
Soziale Jahr an.


(Zuruf von der FDP: Das ist doch Unsinn!)


Der Ausbildungsplatzmangel und die Jugendarbeits-
losigkeit werden mit dem Ausbau des Freiwilligen So-
zialen Jahres nicht beseitigt. Schaffen Sie also endlich
Ausbildungs- und Arbeitsplätze, und schaffen Sie dann
die Rente mit 67 ab!

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(C (D Warum gibt es eigentlich keine Offensive zur Schafng von Ausbildungsplätzen für junge Menschen vor llem im sozialen Bereich, wo wir doch wissen, dass ort qualifiziertes Personal benötigt wird? Weil diese undesregierung und ihre Vorgängerinnen leider auch en Sozialstaat abbauen, weil Unternehmen Steuergechenke gemacht werden, statt die Millionäre zu besteurn. Es ist schön, dass Sie das schon wissen. Das freut ich. Dann hat es ja geholfen, dass wir Ihnen das erklän. (Florian Bernschneider [FDP]: Aber es wird nicht besser!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Zuruf von der FDP: Wieder die alte Leier!)


Die Linke ist dafür, jedem jungen Menschen, der es
öchte, ein Freiwilliges Soziales Jahr als Lerndienst

wischen Berufsausbildung und Arbeitsleben zu ermög-
chen. Dies darf aber nicht als letzte Möglichkeit und
arteschleife oder gar als gesamtgesellschaftliche Lö-

ung eines Pflegenotstandes dienen.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706916200

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.


Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706916300

– Ja. – Wir wollen einen individuellen Anspruch er-

alten. Die freiwerdenden Mittel können gerne genutzt
erden, um die Freiwilligendienste für Jugendliche zu

rhalten, nicht aber für einen freiwilligen Zivildienst
zw. für Dienstposten von Pflegebeamten, deren Dienst-
erhältnis keine Mitbestimmungsrechte wie bei Arbeit-
ehmern zulässt.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706916400

Frau Kollegin.


Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706916500

Noch zwei Sätze?


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706916600

Nein.


Heidrun Dittrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1706916700

– Gut. – Es sollen nicht nur die großen Träger, son-

ern auch die kleinen gefördert werden.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706916800

Das Wort hat der Kollege Peter Tauber für die CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )


)(B)


Dr. Peter Tauber (CDU):
Rede ID: ID1706916900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist
es richtig: Freiwilligkeit ist ein hohes Gut. Aber ich
finde, wir müssen in der Diskussion ein bisschen aufpas-
sen, dass nicht der Eindruck entsteht, dass das, was
Wehrdienst- und Zivildienstleistende in den letzten Jahr-
zehnten für dieses Land geleistet haben, weniger wert
ist. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass es ein
wesentlicher Effekt des Wehr- und Zivildienstes war,
dass junge Männer diesen Dienst zwar aus einem Zwang
oder einer als unangenehm empfundenen Pflicht heraus
antraten, ihn aber in dem Bewusstsein beendet haben,
dass er ihnen nicht geschadet hat, sondern dass sie auch
persönlich davon profitiert haben und etwas Gutes für
die Gesellschaft getan haben.

Jetzt kommen wir zu der spannenden Frage – damit
müssen wir uns gemeinsam befassen –, wie wir gerade
die Zielgruppe erreichen, die es nicht von sich aus für lo-
benswert und erstrebenswert hält, ein Jahr Freiwilligen-
dienst zu leisten. Wie können wir mehr junge Menschen
für einen Freiwilligendienst begeistern?

Ich bin sehr froh, dass die christlich-liberale Koalition
einen Punkt aus dem Koalitionsvertrag aufgreift und fest
in den Blick nimmt, nämlich den Ausbau der Freiwilli-
gendienste. Denn wir sind davon überzeugt, dass das ein
wesentliches Element ist, um den Zusammenhalt in un-
serer Gesellschaft zu stärken; denn so kann jungen Men-
schen vermittelt werden, dass es um mehr geht, als Steu-
ern zu zahlen und wählen zu gehen, und dieses Land ihre
aktive Betätigung braucht, damit sich unsere Gesell-
schaft in vielerlei Punkten in eine positive Richtung wei-
terentwickeln kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich habe bereits vor zwei Monaten gesagt – Herr Rix
hat darauf angespielt –, dass ein Ende des klassischen
Zivildienstes durchaus Chancen zur Etablierung eines
neuen Freiwilligendienstes bietet, der – das sehen wir in
der Debatte vielleicht unterschiedlich – das Beste aus
dem Zivildienst und dem Freiwilligen Sozialen Jahr zu-
sammenführt.


(Sönke Rix [SPD]: Wir wollen aber nicht zwei Dienste!)


Ich hatte am Anfang der Debatte ein bisschen die
Sorge, dass beide Seiten in das klassische Denken der
Besitzstandswahrung verfallen, wie wir es immer erle-
ben, wenn sich etwas fundamental ändert. Der eigene
Besitzstand muss unbedingt verteidigt werden. Man ist
nicht bereit, etablierte Strukturen einmal kritisch zu
durchleuchten und zu hinterfragen. Im Gegensatz dazu
steht, wie ich denke, der Vorschlag der Ministerin, mit
dem sie damals eine Diskussionsgrundlage dafür schaf-
fen wollte, dass das eigentliche Ziel wieder in den Mit-
telpunkt rückt, nämlich der Ausbau der Freiwilligen-
dienste.

Eine wichtige Frage ist nun, wie neue Strukturen aus-
sehen können. Ebenso wichtig ist aber auch die Frage
der Zuständigkeit. Bei genauerem Hinsehen hilft es,

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(C (D laube ich, allerdings nicht, zu fordern, dass die Zustänigkeit entweder bei den Ländern oder beim Bund liegt. ielleicht sollten wir an dieser Stelle aus der Vielfalt ine Stärke machen, wie es innerhalb der Freiwilligenienste bereits der Fall ist. Man muss ja der Wahrheit inmal die Ehre geben und festhalten, dass das Freiwilge Soziale Jahr bundesweit eine sehr bescheidene Anelegenheit wäre, wenn man das Engagement von Baen-Württemberg, Bayern und Hessen unberücksichtigt eße. (Sönke Rix [SPD]: Alles richtig! Aber warum brauchen wir zwei Dienste?)


er Weisheit letzter Schluss ist aber auch nicht zwin-
end die alleinige Kompetenz des Bundes.

Wir müssen über Folgendes ernsthaft reden: Wenn es
wei Säulen gibt – zum einen die Länder, die Verantwor-
ng übernehmen und Gelder zur Verfügung stellen kön-

en; zum anderen den Bund, der das Gleiche tut –, dann
arf das nicht dazu führen, dass sich für die Freiwilligen
der Struktur des Dienstes erkennbare Unterschiede er-

eben. Mit dem Namen „freiwilliger Zivildienst“ ver-
ucht man, an das positive Image des Zivildienstes anzu-
nüpfen. Aber diese Namenswahl ist vielleicht nicht
anz glücklich. Deshalb werden wir mit der Benennung
es bundesweiten Freiwilligendienstes den nächsten
chritt gehen und deutlich machen, dass wir vor einem
ndamentalen Systemwechsel stehen.

Wir haben jetzt so viele Möglichkeiten wie nie zuvor,
ie Freiwilligendienste auszubauen. Einen solchen Im-
uls für die Freiwilligendienste gab es noch nie in den
tzten Jahren. Wir sind hier auf einem sehr guten Weg.
s ist aber wichtig, dass das auf Augenhöhe mit den
reiwilligen geschieht, weil es keinen Unterschied ma-
hen darf, in welcher der beiden Säulen eines gemeinsa-
en Systems sie ihren Dienst verrichten.


(Sönke Rix [SPD]: Aber dann brauchen wir auch keine zwei Dienste!)


Ich persönlich habe den Eindruck, dass die Bundesre-
ierung in den Gesprächen schon sehr viel weiter ist, als
as Ihre beiden Anträge nahelegen. Das gilt insbeson-
ere im Hinblick auf das Ehrenamt und die Kultur der
reiwilligendienste, in der junge Menschen aufgerufen
ind, selber ihre Umgebung attraktiv zu gestalten.

Ich möchte noch auf vier Punkte eingehen, die mir
ichtig sind.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn Ihr Antrag? Wann kommt der denn?)


Der erste Punkt ist die Vielfalt der Angebote. Natür-
ch bleibt der soziale Bereich besonders wichtig. Aber
ir müssen Freiwillige auch in der Kultur, im Sport und
Bildungsbereich sehr viel stärker einsetzen. Auch der

eiwillige Wehrdienst muss in diesem Zusammenhang
enannt werden.

Beim zweiten Punkt, der neben der Angebotsvielfalt
benfalls wichtig ist, geht es um die Frage, wie die Kom-
etenzen, die die jungen Menschen während ihres frei-





Dr. Peter Tauber


(A) (C)


)(B)


willigen Dienstes erwerben, zertifiziert werden können
und wie bescheinigt werden kann, dass sie etwas gelernt
haben, damit sie auch persönlich den Eindruck haben,
von diesem Dienst profitiert zu haben.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind gespannt auf Ihre Antworten!)


Das hat auch etwas mit dem dritten Punkt, der un-
heimlich wichtig ist, zu tun: mit der Anerkennungskul-
tur.

Viertens müssen wir uns Gedanken darüber machen,
wie wir junge Menschen für einen Freiwilligendienst be-
geistern können. Wir wollen nämlich nicht in einem
Land leben, in dem das Prinzip
selber denkt, ist an alle gedacht


(Heidrun Dittrich [DIE L Wir sind vielmehr der Auffas schaft nur sozial und mensch Staat Verantwortung für den Ei dern wenn Menschen füreinan nehmen. In diesem Sinne sind eine ganz wichtige Säule. (Beifall bei der CDU/C Sie haben recht: Es gibt noc Aber nicht mehr heute. Die Redezeit ist abgelaufen. Es bleibt auch von unserer Seite noch viel zu tun, da mit in Zukunft genügend junge Männer und Frauen begeistert sind, wenn es heißt: Freiwillige vor! Herzlichen Dank. öring-Eckardt: . eisung der Vorlagen auf 17/3429 an die in der Ta usschüsse vorgeschlagen. – Das ist der Fall. Dann ssen. s unserer heutigen Tages ng des Deutschen Bundesovember 2010, um 13 Uhr, Eindruck nach den Gesprächen in den letzten Tagen ist, dass wir nur weiterkommen, wenn wir ein Stück weit gemeinsam daran arbeiten. Ich lade Sie deshalb zur Zusammenarbeit ein. (Sönke Rix [SPD]: Wir hätten dazu gerne den Gesetzesvorschlag!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1706917000

(Heiterkeit)

Dr. Peter Tauber (CDU):
Rede ID: ID1706917100

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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Berichtig
68. Sitzung, Seite 7317 (B

zweite Satz ist wie folgt zu le
bericht zur nationalen Nachha
die Stickstoffüberschüsse in de
noch bei 104 Kilogramm pro H
(D

Genießen Sie den sonnigen Nachmittag, das Wochen-
nde und die sitzungsfreie Woche sowie die gewonnenen
insichten.

Die Sitzung ist geschlossen.