Protokoll:
16092

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 92

  • date_rangeDatum: 30. März 2007

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:55 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/92 Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Unter- nehmensteuerreform für Investitionen und Arbeitsplätze (Drucksache 16/4855) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Roland Koch, Ministerpräsident (Hessen) . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg-Otto Spiller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . zur Änderung der Strafprozessord- nung) (Drucksache 16/3827) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Reform der Telefonüberwachung zügig umsetzen (Drucksache 16/1421) . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 9337 B 9337 D 9340 D 9343 A 9345 D 9347 B 9349 D 9360 C 9360 D 9361 A 9362 A 9364 C 9364 D Deutscher B Stenografisch 92. Sitz Berlin, Freitag, den I n h a l Tagesordnungspunkt 26: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Unternehmensteuer- reformgesetzes 2008 (Drucksache 16/4841) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Unternehmen leistungsge- recht besteuern – Einnahmen der öf- fentlichen Hand stärken (Drucksache 16/4857) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: O D O R T a 9337 B 9337 B Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 9351 A 9352 B undestag er Bericht ung 30. März 2007 t : skar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . r. Ingolf Deubel, Staatsminister (Rheinland-Pfalz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . tto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . einhard Schultz (Everswinkel) (SPD) . . . . . agesordnungspunkt 27: ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Jerzy Montag, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Telekom- munikationsüberwachung (... Gesetz 9354 A 9355 D 9357 A 9358 C 9359 B Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 9365 B 9366 C II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Uwe Benneter (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralf Göbel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Engpässe beim grenzüberschreitenden Stromhandel abbauen – Wettbewerb auf dem Elektrizi- tätsmarkt intensivieren (Drucksache 16/3346) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: Antrag der Abgeordneten Oskar Lafontaine, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Steuerpflichtige mit mehr als 500 000 Euro Einkommen gleichmäßig und regelmäßig prüfen (Drucksache 16/3699) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . Gabriele Frechen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Abgeordneten Alexander Bonde, Winfried Nachtwei, Jürgen Trittin, weiterer A N w h ( A D E G P T a b W R D P W Z A d r d d C S S N 9368 B 9370 C 9371 A 9371 B 9372 C 9374 A 9375 B 9376 B 9378 B 9378 D 9380 D 9381 A 9381 D 9383 C 9384 A 9385 C 9386 B 9386 C 9387 C 9389 C 9390 C 9391 B 9392 C bgeordneter und der Fraktion des BÜND- ISSES 90/DIE GRÜNEN: US-Raketenab- ehr und Europa – Gemeinsame Sicher- eit und Abrüstung fördern Drucksache 16/4854) . . . . . . . . . . . . . . . . . . lexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU) lke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . aul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . agesordnungspunkt 31: ) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Einsatz des Kom- mandos Spezialkräfte in Afghanistan beenden (Drucksache 16/4674) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Monika Knoche, Dr. Norman Paech, Paul Schäfer (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Das Mandat für die Operation Enduring Freedom been- den – Einsätze des Kommandos Spezial- kräfte in Afghanistan einstellen (Drucksache 16/121) . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . uprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . r. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . etra Heß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . infried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 6: ktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion er LINKEN: Konsequenzen der Bundes- egierung aus den UN-Berichten des Son- erberichterstatters, Vernor Muñoz, zum eutschen Bildungssystem ornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . teffen Flath, Staatsminister (Sachsen) . . . . . evim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9393 C 9393 D 9394 C 9396 B 9397 B 9398 C 9399 A 9399 C 9399 D 9400 D 9401 D 9403 A 9404 A 9405 D 9406 C 9407 B 9408 C 9409 C 9411 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 III Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Aktuellen Stunde: Konsequenzen der Bundesregierung aus den UN-Berichten des Sonderbericht- erstatters, Vernor Muñoz, zum deutschen Bil- dungssystem (Zusatztagesordnungspunkt 6 ) Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Gesine Multhaupt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD) . . . . . . . . Anlage 3 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9413 A 9413 D 9414 C 9415 C 9416 B 9417 A 9417 D 9418 C 9419 A 9419 D 9420 B 9421 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 9337 (A) ) (B) ) 92. Sitz Berlin, Freitag, den Beginn: 9.0
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    1) Anlage 2 Sevim Dağdelen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 9413 (A) ) (B) ) wegs ein „vernichtendes Urteil“, wie das bisweilen zu Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf vor- gestellt. Herrn Professor Muñoz ist für seinen Bericht zu dan- ken. Über das deutsche Bildungssystem fällt er keines- Müller-Sönksen, Burkhardt FDP 30.03.2007 Nitzsche, Henry fraktionslos 30.03.2007 Anlage 1 Liste der entschuldigt A d 2 D B f g Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 30.03.2007 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.03.2007 von Bismarck, Carl-Eduard CDU/CSU 30.03.2007 Blumentritt, Volker SPD 30.03.2007 Bulmahn, Edelgard SPD 30.03.2007 Ernst, Klaus DIE LINKE 30.03.2007 Ernstberger, Petra SPD 30.03.2007 Friedhoff, Paul K. FDP 30.03.2007 Glos, Michael CDU/CSU 30.03.2007 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 30.03.2007 Gröhe, Hermann CDU/CSU 30.03.2007 Heinen, Ursula CDU/CSU 30.03.2007 Hilsberg, Stephan SPD 30.03.2007 Hörster, Joachim CDU/CSU 30.03.2007 Humme, Christel SPD 30.03.2007 Ibrügger, Lothar SPD 30.03.2007 Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 30.03.2007 Lehn, Waltraud SPD 30.03.2007 Dr. Lötzsch, Gesine DIE LINKE 30.03.2007 Lopez, Helga SPD 30.03.2007 Mattheis, Hilde SPD 30.03.2007 Meckel, Markus SPD 30.03.2007 Merten, Ulrike SPD 30.03.2007 O P P R R S S S S T T W W A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht en Abgeordneten nlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Aktuellen Stunde: Konsequenzen der Bun- desregierung aus den UN-Berichten des Sonder- berichterstatters, Vernor Muñoz, zum deutschen Bildungssystem (Zusatztagesordnungspunkt 6 ) Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bun- esministerin für Bildung und Forschung: Im Februar 006 hat UN-Sonderberichterstatter Vernor Muñoz eutschland bereist, um sich ein Bild vom deutschen ildungssystem zu machen. Eine gute Woche war Pro- essor Muñoz seinerzeit in unserem Land. In der vergan- enen Woche hat er seinen offiziellen Bericht vor dem tto (Frankfurt), Hans- Joachim FDP 30.03.2007 ieper, Cornelia FDP 30.03.2007 ronold, Florian SPD 30.03.2007 aidel, Hans CDU/CSU 30.03.2007 unde, Ortwin SPD 30.03.2007 chäfer (Bochum), Axel SPD 30.03.2007 chily, Otto SPD 30.03.2007 chmidt (Mülheim), Andreas CDU/CSU 30.03.2007 teppuhn, Andreas SPD 30.03.2007 hiele, Carl-Ludwig FDP 30.03.2007 hönnes, Franz SPD 30.03.2007 ellenreuther, Ingo CDU/CSU 30.03.2007 olf (Frankfurt), Margareta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.03.2007 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 9414 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 (A) ) (B) ) lesen war. Er stellt vielmehr fest, dass sich seit Jahrzehn- ten die Bildungsbeteiligung und das allgemeine Bil- dungsniveau in Deutschland kontinuierlich verbessern und die Nachfrage nach höherwertigen Bildungsab- schlüssen wächst. Er betont den „hohen Entwicklungs- stand“ unseres Bildungssystems und lobt auch die Maß- nahmen von Bund und Ländern, um noch besser zu werden. Besser werden kann und muss man immer. KMK-Präsident Zöllner hat völlig recht, wenn er sagt: „Die Diskussion über Schulformen ist sekundär. Es gibt keinerlei eindeutige Belege, ob das gegliederte oder das integrierte Schulsystem besser ist. Auch das dreiglie- drige Schulsystem kann Durchlässigkeit gewährleisten. Wenn man allein Diskussionen um die Schulformen führt, kommt man in der Bildungspolitik keinen Schritt nach vorne.“ Worauf es vielmehr ankommt, ist die stärkere indivi- duelle Förderung des einzelnen Kindes. Die besonderen Anforderungen, die an unsere Schulen gestellt werden – zum Beispiel bei der Integration von Kindern und Ju- gendlichen aus sozial schwachen Familien oder jenen mit Migrationshintergrund –, kennen wir. Der im ver- gangenen Jahr von der Bundesregierung gemeinsam mit der KMK vorgelegte Nationale Bildungsbericht widmete sich ausführlich dem Thema „Bildung und Migration“. Das Recht auf Bildung für Menschen mit Behinderung setzen wir in Deutschland so gut um wie nirgendwo sonst. Und die Rolle der Sprachförderung in der früh- kindlichen Bildung haben wir auch ohne diesen Bericht erkannt. Gerade das duale System aus betrieblicher und schuli- scher Ausbildung trägt seinen Teil dazu bei. Ein Viertel der höheren Schulabschlüsse werden in der beruflichen Bildung erworben. So hat zum Beispiel Schweden jetzt ankündigt, sein international so hoch gelobtes Schulsys- tem zu reformieren. Vorbild ist das angeblich so schlechte deutsche Bildungssystem. Bildung ist die soziale Frage der Gegenwart. Bildung schafft die Voraussetzung dafür, dass niemand zum Mo- dernisierungsverlierer wird. Und zwar in zweifacher Hinsicht: Bildung ist der Schlüssel für kulturelle, sozia- le, ökonomische und politische Chancen zur Teilhabe, für individuelle Lebenschancen und für die gesellschaft- liche Entwicklung. Bildung formt nicht nur die Identität eines Menschen und gibt ihm einen kulturellen Halt in der modernen Welt. Bildung legt auch das Fundament, damit sich jeder einzelne nach seinen Fähigkeiten entfal- ten kann. Deshalb passen Bund und Länder gemeinsam unser Bildungssystem an die Herausforderungen der Zukunft an. Denn Bund und Länder haben aus den vielfältigen Studien der letzten Jahre die richtigen Schlüsse gezogen. Ich möchte hier nur die Bildungsberichterstattung nennen: Sie ist Teil eines umfassenden Monitoringsys- tems, zu dem auch Vergleichsuntersuchungen wie zum Beispiel PISA und Beiträge der Bildungsforschung ge- hören. Den nächsten Bildungsbericht erwarten wir im nächsten Jahr zum Themenfeld: „Übergänge Schule-Be- rufsausbildung-Hochschule-Arbeitsmarkt“. R d w f A n b B s e u s d d w N ü s o b w v B d d c w b D g g e u s d l K s s d d d s 6 a d s b D w s (C (D Eine Gesellschaft, die in Lernen und Leistung nur ein elikt aus alten Zeiten sieht, kann Schulen so viel Bil- ungsreformen verordnen wie sie will. Sie wird den ge- ünschten Erfolg nicht erzielen. Es kann nicht sein, dass ast jeder Zehnte die Schule ohne Abschluss verlässt. uch läuten ein Schulabschluss oder der Gesellenbrief icht das Ende des Lernens sein. Wir müssen Leistung würdigen und belohnen. Dafür rauchen wir einen Mentalitätswandel. Die Stärke eines ildungssystems hat etwas mit dem Klima in einer Ge- ellschaft zu tun. Da geht es nicht um Strukturen, da geht s viel grundlegender um den Stellenwert von Lernen nd Leistung in der Gesellschaft, da geht es um das An- ehen all jener, die sich um die Bildung und Erziehung er Kinder und Jugendlichen kümmern. Wenn der Bericht von Professor Muñoz dem dient, ann hat er einen wichtigen Beitrag geleistet. Patrick Meinhardt (FDP): Es ist schon bemerkens- ert: Da kommt ein Sonderberichterstatter der Vereinten ationen nach Deutschland, um sich einen Überblick ber unser Bildungssystem zu verschaffen. Er trifft Ent- cheidungsträger aus Politik, Lehrerverbänden, Eltern- rganisationen, Schüler und Studenten. Ein Riesenwir- el wird veranstaltet. Der Sonderberichterstatter reist ieder ab und legt nun, ein Jahr später, seinen Bericht or. Zunächst muss man feststellen, dass Muñoz in seinem ericht – ganz unabhängig von der Frage, ob der Son- erberichterstatter die deutsche Bildungslandschaft in er ihm zur Verfügung stehenden Zeit wirklich in ausrei- hender Ausführlichkeit begutachten konnte – wenig irklich Neues zu bieten hat. So wird in dem Bericht eispielsweise hinterfragt, ob es sinnvoll ist, dass in eutschland die Gliedrigkeit so unterschiedlich ist. Es ibt Länder mit einem dreigliedrigen Schulsystem, es ibt Länder mit einem zweigliedrigen Schulsystem und s gibt leider auch Länder, die den Weg wieder für die ralte und schon längst überkommene Einheitsschule be- chreiten wollen. Das Problem unseres Bildungssystems ist doch nicht ie Gliedrigkeit, sondern die häufig mangelnde Durch- ässigkeit. Wir haben die „wundervolle“ Einrichtung der ultusministerkonferenz. Die ureigenste Aufgabe die- er Konferenz ist es, für Durchlässigkeit und die gegen- eitige Anerkennung der Abschlüsse im deutschen Bil- ungssystem zu sorgen. Wenn Herr Muñoz jetzt zu dem och sehr überraschenden Schluss kommt, dass eben iese beiden Punkte bei uns nur unzureichend erfüllt ind, muss man deutlich sagen, dass die KMK seit bald 0 Jahren grandios gescheitert ist. Dieser neue Bericht zeigt deutlich: Uns fehlt es nicht n Erkenntnissen über die Mängel des deutschen Bil- ungssystems. Die sind uns alle längst bekannt. Wir müs- en endlich wegkommen von diesen ewigen Strukturde- atten. Wie häufig wollen wir eigentlich noch föderale ebatten führen? Wir brauchen Diskussionen darüber, as die Inhalte der Bildung unserer jungen Menschen ein sollen! Welches Wissen wollen wir vermitteln? Wel- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 9415 (A) ) (B) ) che Werte wollen wir vermitteln? Wie können wir den Schülerinnen und Schülern am besten Lernen beibrin- gen? Aber auch: Wie können wir Kindergärten und Kin- dertagesstätten zu wirklichen Bildungseinrichtungen ma- chen, ohne sie zu verschulen? Integrativer Unterricht, Unterricht mit stärkerem Mi- grationshintergrund, Förderung von e-learning und Fern- unterricht auch im schulischen Bereich, Stärkung einer privaten Bildungslandschaft: Die Reglementierungen in diesen Bereichen werden von uns Liberalen seit langem kritisiert. Diese Reglementierungen werden jetzt auch im Bericht von Señor Muñoz kritisiert. Wir Liberale füh- len uns dadurch bestätigt. Dass in dieser Diskussion ein Wettbewerb um die beste Bildung hilft, ist doch völlig klar. Wir brauchen keinen von oben diktierten einheitlichen Bildungsbrei. Die Chancen, dass wir die beste Bildung bekommen, sind viel höher, wenn 16 Bundesländer in einen Wettbe- werb um die beste Bildung treten, als wenn nur eine Bundesregierung daran arbeitet. Seien wir doch froh, dass die meisten Länder gerade dabei sind, die besten Modelle für sich zu finden, und lassen wir ihnen und vor allem den Schulen die Zeit, Ergebnisse zu setzen. Genau deswegen soll die Bundesrepublik Deutschland in der Schulpolitik wettbewerbsföderalistisch sein. PISA 2 hat gezeigt, dass genau dieser Grundgedanke die beste Grundlage für eine bessere Bildungspolitik ist. Hören wir endlich auf, jeden Tag neu in diesem Hohen Haus das Trauerlied auf die nicht vorhandene Bundeszustän- digkeit zu singen. Schule ist Ländersache, Schule bleibt Ländersache – Punkt. Auch die Forderung nach einer stärker pädagogischen und nicht nur fachlichen Ausrichtung der Ausbildung der „Helden des Alltags“ – wie sie unser Bundespräsi- dent genannt hat –, der Lehrer, und einem guten, wirk- lich guten Weiterbildungsangebot für Erzieherinnen und Erzieher ist bekannt. Die „Qualifizierung der Qualifizie- rer“ muss ein zentrales Thema sein. Dem fühlen wir Li- berale uns verpflichtet. Wir Liberale fühlen uns außerdem an einem ganz zen- tralen Punkt des Muñoz-Berichts bestätigt: Er stellt fest, dass die deutschen Schulen im OECD-Vergleich wesent- lich weniger autonom sind als Schulen in anderen Län- dern. In der Arbeitsübersetzung des Berichts heißt es wörtlich: „Gemessen am PISA-lndex für Schulautono- mie verfügen deutsche Schulen über eine geringere Au- tonomie als die anderen OECD-Schulen im Durch- schnitt.“ Wir fordern schon seit langem mehr Freiheit vor Ort und mehr Eigenverantwortlichkeit für die Schu- len. Die Schulen wissen in enger Kooperation mit Schü- lern und Lehrern selbst am besten, was gut für sie ist. Schulen brauchen deutlich mehr Entscheidungsfreihei- ten bei Personalangelegenheiten, Budgetfragen, sowie Unterrichtsinhalten und -methoden. Bundesländer wie Baden-Württemberg und Nord- rhein-Westfalen, Niedersachsen machen uns vor, wie er- folgreich Aufgaben von Verwaltungen von Landes- und Kommunalebene direkt auf Schulen übertragen werden können und wie so eine Diskussion in Gang gesetzt wer- den kann. Denn eines ist auch klar: Es ist bei den führen- d s m r d s s e u a d a ü n i w N g z l B R s t u e b L S d e a g d m d n s u g S c d r S K b a B g i i s s (C (D en PISA-Ländern ein klarer Zusammenhang darin zu ehen, wie gut sie abgeschnitten haben und wie viel ehr Eigenverantwortlichkeit sie ihren Schulen einge- äumt haben. Lassen wir die Strukturdebatten endlich sein. Nicht ie Menschen müssen sich dem Bildungssystem anpas- en, sondern das Bildungssystem muss sich den Men- chen anpassen. Jörg Tauss (SPD): Man sollte sich bei Herrn Muñoz ntschuldigen. Viele Reaktionen auf seine sachlichen nd konstruktiven Anregungen sind unverständlich und rrogant. Wenigstens in einem Punkt haben die vielen Kritiker es Berichts von Professor Vernor Muñoz Villalobos ber völlig recht: Der Bericht enthält wenig Erkenntnisse ber den Zustand unseres Bildungssystems, die wirklich eu sind. Das Schlimme ist nur, dass daraus noch nicht n allen Ländern die richtigen Konsequenzen gezogen orden sind. Nicht erst seit PISA, IGLU und auch dem ationalen Bildungsbericht sind die negativen Wirkun- en unseres überwiegend dreigliedrigen, früh differen- ierenden Schulsystems bekannt. Es selektiert die Schü- erinnen und Schüler viel zu früh in zumeist drei ildungsgänge, wobei die Durchlässigkeit oft nur in eine ichtung gegeben ist – nämlich nach unten. Junge Men- chen aus sozial schwachen Familien oder mit Migra- ionshintergrund haben bei uns bei gleicher Befähigung nd Begabung schlechtere Bildungschancen. Insgesamt rreichen unsere Schülerinnen und Schüler auch in den esten Bundesländern nur knapp den Durchschnitt der eistungen der Schülerinnen und Schüler in anderen taaten. Und weiterhin ist trotz intensiver Beschulung ie Integrationsquote von Menschen mit Behinderungen twa in den regulären Arbeitsmarkt viel zu niedrig. Dies alles ist nicht neu – aber eben nach wie vor Re- lität in Deutschland. Insofern sollte nicht der Überbrin- er der abermaligen schlechten Botschaft kritisiert wer- en, sondern die weiterhin bestehenden Missstände. Wir öchten Herrn Professor Muñoz Villalobos daher dafür anken, dass er das deutsche Bildungssystem mit all sei- en föderalen Untiefen und bildungspolitischen Ver- chränkungen sowie auch Stärken wie Schwächen fair nd sachorientiert erfasst hat. Es ist ihm außerordentlich ut gelungen. Weiterhin gilt es in Deutschland, die richtigen chlüsse aus den vorliegenden und zukünftigen Untersu- hungen zu ziehen. So erwarten wir im Herbst 2007 die ann dritte PISA-Untersuchung. Diese Aufforderung ichtet sich natürlich in erster Linie an die Länder, die für chulfragen zuständig sind. Die Stellungnahme der MK verweist zu Recht darauf, dass die Länder die Pro- leme unseres Bildungssystems bereits an vielen Stellen uch in Angriff genommen haben. Nicht zuletzt der und hat mit dem erfolgreichen Ganztagsschulpro- ramm, das in der Großen Koalition verlängert worden st, einen wichtigen Beitrag dazu leisten können. Er hat nsgesamt 4 Milliarden Euro für den Ausbau von schuli- chen Ganztagesangeboten bis 2009 zur Verfügung ge- tellt. Dennoch dürfen wir in unseren Anstrengungen 9416 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 (A) ) (B) ) nicht nachlassen, wenn wir es mit der Chancegleichheit in der Bildung, der Integration sowohl von jungen Mi- grantinnen und Migranten als auch von Menschen mit Behinderung ernst meinen. Dies ist nicht nur eine Frage der Zukunft der Haupt- schule, wie es gegenwärtig oft diskutiert wird. Die Se- lektivität unseres Schulsystems ist nach wir vor vielmehr ein grundlegendes Problem, das soziale Benachteiligun- gen direkt in schlechtere Bildungschancen hinein verlän- gert. Dies ist ein bildungspolitischer Skandal und kann nicht oft genug thematisiert werden. Die SPD-Bundes- tagsfraktion steht hier klar an der Seite der bildungsbe- nachteiligten Schülerinnen und Schüler und unterstützt nachdrücklich die Forderung nach einem möglichst lan- gen gemeinsamen Lernen in den Schulen. Die Empfehlungen von Herrn Professor Muñoz Villalobos sollten Bund und Länder daher ernst nehmen und auf den jeweiligen politischen Ebenen auf ihre Um- setzbarkeit prüfen. Das heißt natürlich nicht, dass wir alle Empfehlungen eins zu eins umsetzen müssen. So lehnen wir etwa den Vorschlag von Professor Muñoz Villalobos zum Homeschooling in Übereinstimmung mit der KMK ab. Kinder und Jungendliche sollten nicht in Parallelgesellschaften und Nischen aufwachsen, sondern in ihrem Schulalltag die Werte einer offenen, demokrati- schen und pluralen Gesellschaft gemeinsam erleben. Dennoch bleibt die intensive Prüfung der weiteren Emp- fehlungen unverzichtbar. Dies gebietet bereits sowohl der Respekt vor dem Auftrag des UN-Sonderbericht- erstatters als auch die unüberschätzbare Bedeutung der Chancengleichheit in der Bildung für die Zukunft vieler junger Menschen. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Zunächst einmal stimmt es mich sehr nachdenk- lich, wie so mancher politische Repräsentant dieses Lan- des sich im Umgang mit internationalen Gremien gebärdet. Da hören wir, wie sich der Sprecher des nord- rhein-westfälischen Kultusministeriums ereifert, Herr Muñoz habe „offenbar das deutsche Bildungssystem nicht verstanden“, sein Bericht sei „völlig unbrauchbar für die bildungspolitische Diskussion“. Oder der Kultus- minister des Saarlandes empört sich darüber, das deut- sche Bildungssystem sein doch „kein Fall für Amnesty International“. Hier zeigen sich Ignoranz und auch Missachtung ge- genüber einem Gremium der Vereinten Nationen, die aus unserer Sicht nicht hinnehmbar sind. Wir erwarten eine deutliche Positionierung der Bundesregierung und keine Stellungnahme à la „In unserem Bildungssystem ist schon alles in Ordnung“ wie von Herrn Steiner vor der UN. Die Bundesregierung muss klarmachen, dass sie UN-Gremien und ihre Berichterstatter ernst nimmt und Berichtsergebnisse nicht mit dem lapidaren Verweis auf „Verständnisschwierigkeiten aufgrund soziokultureller Interpretationsunterschiede“ abtut, wie die Kultusminis- terkonferenz dies in ihrem internen Bericht nach der Reise von Herrn Muñoz getan hat. Nun zum Inhalt des Berichts. Ein zentraler Kritik- punkt von Professor Muñoz ist, dass das deutsche Schul- s l W n h n E S s d D d r d k e n u d s d d l r l z d b S d l a W s m s l d g g n a w l T v d h n E d K (C (D ystem zu „selektiv sei“ und man doch die frühe Auftei- ung der Schülerinnen und Schüler überdenken solle. enn sich nun der amtierende Präsident der Kultusmi- isterkonferenz, Herr Zöllner, hinstellt und im Fernse- en verbreitet, das dreigliedrige Schulsystem böte „ge- ügend Durchlässigkeit“, so ignoriert er nicht nur die rgebnisse zahlreicher nationaler und internationaler tudien, sondern auch Resultate eines Berichts, den er elbst mit in Auftrag gegeben hat. Im Nationalen Bil- ungsbericht 2006 heißt es nämlich auf Seite 53: „Die urchlässigkeit [im deutschen Bildungssystem] ist in er Praxis eher gering sowie überwiegend abwärts ge- ichtet.“ Da hilft auch das schöne Reden von der indivi- uellen Förderung nichts, das inzwischen ja sogar die onservativen Lehrerverbände beherrschen. Individu- lle Förderung ist gut, wichtig und richtig. Aber sie ist icht umsetzbar, wenn man Kinder mit zehn Jahren auf nterschiedliche Schulformen verteilt. Auch die Bundesregierung könnte sich hier öffentlich eutlicher äußern; in ihren eigenen Berichten tut sie dies chon. So ist im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Bil- ung/Arbeit für den Integrationsgipfel, die unter der Fe- erführung von Herrn Müntefering tagte, zu lesen: Eine frühzeitige Aufteilung auf Schulformen er- schwert im weiteren Verlauf eine Integration und die Erfolgschancen von Kindern aus sozial benach- teiligten und zugewanderten Familien. Zurzeit gibt es eine Negativauslese. Sozial benachtei- igte und Migrantenkinder werden nach unten durchge- eicht. Die Ergebnisse können Sie in vielen Hauptschu- en besichtigen. Daher ist unser System nicht mehr ukunftsfähig. Heute ist es übrigens ein Jahr her, dass er Brief der Lehrerinnen und Lehrer der Rütli-Schule ekannt wurde, die die Abschaffung ihrer eigenen chule forderten. Es ist ein Fakt – das belegen alle Stu- ien über das deutsche Bildungssystem – dass der sozia- e Hintergrund den Bildungserfolg bestimmt. Hier allein uf bessere Sprachkompetenz zu setzen, reicht nicht aus. ir brauchen echte Bildungsgerechtigkeit durch umfas- ende Bildungsangebote. Muñoz kritisiert in seinem Bericht auch den Umgang it behinderten Kindern, die selten eine Regelschule be- uchen, derzeit nur 12 Prozent. Die Bundesregierung ässt durch ihren Botschafter Steiner lapidar mitteilen, as sei doch alles kein Problem. Für behinderte Kinder elte die Schulpflicht, und überhaupt hätten wir doch ute Sonderpädagoginnen und -pädagogen. Das ist zy- isch. Behinderte Kinder werden bei uns systematisch usgegrenzt, weil sie auf Sonderschulen abgeschoben erden. Diese mögen im Einzelnen eine sehr gute Arbeit eisten, aber es ist und bleibt ein Absondern, das echte eilhabe verhindert. Professor Muñoz hat unser Bildungssystem sehr wohl erstanden, auch wenn das im Föderalismus-Klein-Klein urchaus manchmal schwer fällt. Ihm zu unterstellen, er abe sich ja keinen richtigen Eindruck verschaffen kön- en, weil seine Reise nur ein paar Tage dauerte, ist frech. s ist verständlich, dass manchen die Kritik peinlich ist; enn sie ist berechtigt. Die Bundesregierung und die ultusministerkonferenz müssen endlich Konsequenzen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 9417 (A) ) (B) ) ziehen. Eine andere Struktur und eine bessere Qualität – beides ist wichtig für unser Bildungssystem. Alle Kinder werden gebraucht und müssen eine gerechte Chance auf Teilhabe in unserem Land haben. Marcus Weinberg (CDU/CSU): Lassen Sie mich einleitend einiges sagen zu der Frage, wie wir meines Erachtens mit dem Bericht des UN-Sonderberichterstat- ters umgehen sollten. Ich bin der Meinung, dass dieser Bericht wichtig ist und sich einreiht in eine Reihe von Berichten und von Vergleichsuntersuchungen über das deutsche Bildungssystem. Also sollten wir mit diesem Bericht respektvoll umgehen, aber auch kritisch. Einige Teile sind im Bericht meines Erachtens durchaus richtig dargestellt, sind allerdings schon seit geraumer Zeit, ins- besondere seit den PISA-Untersuchungen, bekannt. Hier muss das deutsche Bildungssystem nacharbeiten; das machen wir. Einige Teile im Bericht sehe ich als durch- aus problematisch und sachlich in der dargestellten Form als nicht richtig an. Deutlich muss gesagt werden, dass es auch positive Teile im Muñoz-Bericht gibt. So wird zum Beispiel er- wähnt, dass der hohe Entwicklungsstand des deutschen Bildungssystems zu begrüßen ist. Die Bildungsbeteili- gung ist kontinuierlich gestiegen, und mittlerweile haben 90 Prozent der alterstypischen Jahrgänge einen Ab- schluss der Sekundarstufe II. Auch tauchen im Bericht die zurzeit durchgeführten Reformen auf. Das deutsche Schulsystem reformiert sich in der Verantwortung der Länder, beginnend bei der Schulstruktur über die Frage von Methodik, Didaktik, Qualitätssicherung, Autonomie von Schulen, bis hin zur Frage des Ausbaus und der Qualitätsverbesserung der vorschulischen Bildung. Das deutsche Bildungssystem ist in Schwung gekommen und zieht aus den doch schlechten Daten der Vergleichs- untersuchungen die nötigen Konsequenzen. Ich teile nicht die Auffassung des UN-Sonderbericht- erstatters, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung ausgegrenzt werden. Wir haben in Deutschland ein qua- litativ hochwertiges System der sonderpädagogischen Förderung, und Kinder mit Behinderung werden in der Regel im Normalunterricht beschult. Dies erfolgt zum Beispiel über sogenannte Integrationsklassen. Es gilt im Grundsatz immer, dass die individuelle Förderung der Kinder übergeordnet betrachtet werden muss, und es gilt das Primat der integrativen Förderung. Allerdings kann es auch passieren und kommt vor, dass dies nicht möglich ist, und dann, glaube ich, haben wir in Deutschland ein sehr ausgeprägtes Angebot an anderen Bildungseinrichtungen. Richtig ist die Tatsache, dass Kinder mit Migrationshintergrund in Deutschland be- nachteiligt sind. Hier allerdings, glaube ich, haben die Bundesländer wie auch die Bundesregierung in den letz- ten Monaten wichtige Maßnahmen eingeleitet. Wir wer- den einen nationalen Integrationsplan entwickeln, der insgesamt zum Schwerpunkt hat, wie Kinder mit Migra- tionshintergrund besser gefördert werden können. Hinzu kommt, dass viele Länder – ich nenne das Beispiel Ham- burg – mittlerweile Handlungskonzepte im Bereich der Integration entwickelt haben. Hier werden die verschie- d l n K s b B P D t d d h s I i m t I r P s w l v d l a w o t a e i s b M s d b w l W k e e z s d c s d d s r (C (D enen Angebote verzahnt, und die Förderung wird deut- icher beschrieben. Aber es wird eine große Aufgabe der ächsten Jahre und Jahrzehnte sein, die Integration von indern mit Migrationshintergrund ins deutsche Schul- ystem weiter zu entwickeln. Zum Schluss noch zur sogenannten Schulstrukturde- atte. Ich teile die Auffassung von Herrn Baumerts, dem ildungsforscher, und von Herrn Zöllner, dem KMK- räsidenten, dass wir jetzt um Gottes willen nicht eine iskussion führen sollten über die Frage der Schulstruk- ur. Es ist nicht wichtig, was draufsteht, sondern was rinnen stattfindet. Das heißt, die Durchlässigkeit und ie individuelle Förderung müssen im Vordergrund ste- en. Gerade bei der Schulstruktur haben sich auch ver- chiedene Länder in den letzten Jahren massiv bewegt. n Hamburg wird es demnächst Stadtteilschulen geben, n Schleswig-Holstein sogenannte Regionalschulen. Ich ache an einem Beispiel deutlich, dass hier das födera- ive System durchaus positive Elemente mit sich bringt: n Bayern haben wir noch weitestgehend funktionie- ende Hauptschulen – diese werden reformiert mit dem rogramm Bayern 2020 –, in Hamburg haben die Haupt- chulen nicht mehr die nötigen Ergebnisse erzielt und erden deshalb aufgelöst zu sogenannten Stadtteilschu- en. Wir sehen also, dass man sich von Land zu Land erschieden dieser Problematik angenommen hat, mit urchaus auch verschiedenen Ergebnissen. Ich persön- ich bin Anhänger des Modells der Zweigliedrigkeit, ber – und das ist das Gute am föderativen System – ich ill mich nicht festlegen für Bayern oder für Sachsen der für Thüringen. Diese Länder und die Bildungspoli- iker sollen selbst entscheiden, welches Modell für sie m besten ist. Es darf auf jeden Fall nicht wieder zu inem Kulturkampf kommen zwischen verschiedenen deologisch bedingten Ansätzen des gegliederten Schul- ystems und des Gesamtschulsystems. Diese Diskussion ringt uns nicht weiter. Als Fazit bleibt festzuhalten: Der Bericht des Herrn uñoz ist wichtig, und er wird sich einreihen in die be- tehenden Berichte und Analysen über das deutsche Bil- ungssystem. Die kritischen Punkte sollten herausgear- eitet und dann auch vonseiten der Politik korrigiert erden. Ich kann für die Fraktion der CDU/CSU deut- ich sagen, dass wir diesen Bericht sehr ernst nehmen. ir machen aber dort, wo es angebracht ist, die nötigen ritischen Anmerkungen. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Dass wir die Aktu- lle Stunde über den Bericht des UN-Sonderbericht- rstatters für das Recht auf Bildung, Herrn Muñoz, nicht u einer angemessenen Zeit diskutieren, stimmt mich chon etwas traurig. Aber das eigentliche Problem ist och, dass wir für die meisten in dem Bericht angespro- hen Fragen hier im Deutschen Bundestag gar keine Zu- tändigkeit haben. Vor ein paar Jahren noch haben wir gemeinsam mit en Ländern einen kräftigen und wichtigen Impuls für ie Schullandschaft gegeben, indem wir das Ganztags- chulprogramm aufgelegt haben. Bei der Föderalismus- eform haben die Ministerpräsidenten aber darauf be- 9418 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 (A) ) (B) ) standen, dass der Bund nie mehr helfen darf, um Schule zu verbessern. Das ist grotesk! Und diesen Unfug hat auch Muñoz angesprochen. Wo wir Bundespolitiker allerdings sehr wohl noch et- was machen können, das ist der Bereich vorschulischer Bildung. Die heftige familienpolitische Debatte der letz- ten Wochen hat auch einen bedeutenden bildungspoliti- schen Aspekt. Es ist zum Beispiel in Berlin ganz klar be- legt: Kinder, die in der Kindertagesstätte sind, gehen viel besser vorbereitet in die Schule und finden sich dort schneller und besser zurecht. Insbesondere bei der Sprachkompetenz ist das deutlich. Natürlich gibt es viele Kinder, die wunderbar von den Eltern betreut und vorbereitet werden. Doch das ist häu- fig nicht möglich, nicht gegeben. Ich finde, dass wir da- bei auch einen weiteren wichtigen Aspekt nicht verges- sen sollten: Kinder brauchen Kinder! Und so viele Nachbarskinder gibt es nicht mehr an allen Orten. Die Kita ist der Ort, an dem die Grundlagen gelegt werden. Die Kita ist eine Bildungseinrichtung und muss auch so behandelt werden: hinsichtlich der Qualifikation des Personals, hinsichtlich der Ausstattung und auch hinsichtlich der Gebührenfrage. Die SPD setzt sich, ganz im Sinne von Herrn Muñoz, für ein Recht auf Bildung auch vor der Einschulung ein. Das beinhaltet, dass dieses Bildungsangebot gebühren- frei gestellt werden muss. Denn erstens dürfen Einkom- mensschwache nicht abgeschreckt werden, und zweitens wollen wir gerade eine Mischung haben und nicht durch hohe Gebühren provozieren, dass Gutverdienende aus- weichen und ihre Kinder nicht in der Kita anmelden. Wir sollten also auch und gerade als Bildungspolitiker im Deutschen Bundestag die Initiativen für Betreuung und Bildung von Kindern vor dem Schuleintritt unter- stützen. Wenn die Familienministerin der SPD folgt und einen ordentlichen Finanzierungsvorschlag macht, kom- men wir auch gegen die beharrenden Kräfte voran. Der Muñoz-Bericht spricht zu Recht ein Thema an, dass in Deutschland kaum einmal sachlich debattiert wird: die Schulstruktur. Die Frage ist, ob es richtig sein kann, nach der vierten Klasse, also mit zehn Jahren etwa, über den weiteren Schulweg zu entscheiden. Ich hatte nach der Grundschule keine klare Empfehlung für Real- schule oder Gymnasium. Meine Eltern haben es mit dem Gymnasium versucht. Ich weiß nicht, ob ich studiert hätte, wenn ich auf die Realschule gekommen wäre. Ich weiß, dass das nicht die einzige wichtige Frage der Schulpolitik ist. Aber sie gehört auf die Tagesord- nung. Wann können wir in Deutschland endlich diesen Irrglauben abräumen, dass Lernen nur in homogenen Gruppen sinnvoll ist? Das ist ständisches Denken aus vergangenen Jahrhunderten! Wenn das richtig wäre, müssten unsere Gymnasiasten die besten der Welt sein, sind sie aber nicht. Nun kann ich ja viel erzählen und Herr Muñoz viel schreiben. Aber vielleicht hat der Bundespräsident mehr Autorität? Der hat nämlich 2006 den ersten „Deutschen Schulpreis“ verliehen. Das Ergebnis war bemerkens- w G l B P u i v w d s d j e d z M o S e i d g f f d d n B d c S d t K w H S s U S M s n d 9 S l s (C (D ert. Die Preisträger waren eine Grundschule sowie vier esamtschulen. Alles Schulen, in denen gemeinsam ge- ernt wird. Was sagt uns das? Ich zitiere als Antwort den undespräsidenten. Er hat in seinem Grußwort bei der reisverleihung gesagt: Die für den Preis nominierten Schulen zeigen zum Beispiel vorbildlich, wie behinderte und nichtbe- hinderte und wie lernschwache und hochbegabte Schüler erfolgreich gemeinsam unterrichtet werden können. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Lassen Sie ns endlich vernünftig dieses Thema diskutieren anstatt mmer nur emotionale Debatten zu führen, die die Eltern erunsichern. Wenn das der Effekt des Muñoz-Berichtes äre, hätte er unglaublich viel erreicht. Dorothee Bär (CDU/CSU): Ich freue mich sehr, ass der Sonderberichterstatter der UN Deutschland be- ucht hat, um sich einen Eindruck vom deutschen Bil- ungssystem zu verschaffen. Gleichzeitig frage ich mich edoch, wie er während seines einwöchigen Besuchs zu inigen seiner Schlussfolgerungen kommt. Es gibt Bil- ungsforscher, die über Jahrzehnte ausführliche Studien u unserem Bildungssystem gemacht haben. Herr uñoz benötigt für die Erkenntnisse aus solchen Studien ffensichtlich nur einen flüchtigen Blick auf unser chulsystem. Ich möchte dennoch auf einige seiner Kritikpunkte ingehen. Er schlägt vor, das sogenannte Homeschooling n Deutschland zu stärken. Gleichzeitig möchte er aber ie Chancenungleichheit im deutschen Bildungssystem emindert sehen. Aber gerade das Unterrichten zu Hause estigt doch die Selektivität und – schlimmer noch – ührt zu Parallelgesellschaften, die wir doch alle verhin- ern wollen. Denn wo sonst als in der Schule lernen Kin- er im Austausch mit anderen unsere Werte einer offe- en, demokratischen und pluralen Gesellschaft? Widersprüchlichkeiten finden sich auch in anderen ereichen des Berichts. So stellt Herr Muñoz selbst fest, ass weder PISA noch andere internationale Untersu- hungen einen schlüssigen Zusammenhang zwischen chulsystem und Schulerfolg nachweisen. Dennoch for- ert er eine Überprüfung des dreigliedrigen Schulsys- ems und kritisiert es zudem. Außerdem kritisiert er, dass inder mit Behinderung nicht ausreichend integriert ürden. Als Vorsitzende der Lebenshilfe in meinem eimatlandkreis trifft mich dieser Vorwurf besonders. chließlich sehe ich dort, welche wertvolle und un- chätzbare Arbeit die Lebenshilfe für Behinderte leistet. nd auch die Integration von Behinderten in unser chulsystem ist seit langem gang und gäbe. Integrative odelle gibt es vom Kindergarten bis zur Schule. Völlig außer Acht lässt Herr Muñoz gleichzeitig un- er duales Ausbildungssystem, um das wir weltweit be- eidet werden und das als Vorbild gilt. In allgemeinbil- enden und beruflichen Ausbildungsgängen erwerben 0 Prozent der Jugendlichen einen Abschluss der ekundarstufe II. Der Blick des Sonderbeauftragten al- ein auf die Sekundarstufe I verengt sein Bild des deut- chen Schulsystems derart, dass es falsch wird. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 9419 (A) ) (B) ) Ich gebe Herrn Muñoz recht, dass die frühkindliche Förderung weiter verbessert werden kann. Er geht in sei- nem Bericht darauf aber leider nicht weiter ein. Insbe- sondere gezielte Sprachförderung ausländischer Kinder in vorschulischen Einrichtungen gemeinsam mit den El- tern wäre ein solcher Vorschlag, um den Zusammenhang von Herkunft und Bildungschancen zu verändern. Schließlich möchte ich noch als Berichterstatterin für das BAföG einige Worte zu Kindern mit Migrationshin- tergrund sagen. Herr Muñoz behauptet, dass sie in Deutschland besonders schlecht gestellt sein. Dem wirkt die Bundesregierung mit der Novellierung des BAföG entgegen, indem sie besonders die Förderung von Mi- granten in den Vordergrund stellt. Ausländische Auszu- bildende, die bereits langfristig aufenthaltsberechtigt sind oder wenigstens bereits lange in Deutschland leben und eine aufenthaltsrechtliche Dauerperspektive haben, sollen daher ohne Anknüpfung an eine vorherige Min- desterwerbsdauer der Eltern gefördert werden. Das deutsche Bildungssystem bietet sicherlich Ent- wicklungsmöglichkeiten. Unsere Bundesländer haben dafür nicht nur die rechtliche, sondern vor allem auch die sachliche Kompetenz. Deshalb freue ich mich auf eine angeregte Diskussion dieses Themas auf Länder- ebene. Gesine Multhaupt (SPD): Heute ist ein guter Tag für alle behinderten Menschen in Deutschland. Ungefähr zeitgleich zu unserer Plenardebatte unterzeichnet die Be- hindertenbeauftragte der Bundesregierung, Frau Karin Evers-Meyer, in New York die Menschenrechtskonven- tion und das Zusatzprotokoll über die Rechte behinderter Menschen. Damit kommt Deutschland einer Forderung aus dem Muñoz-Bericht nach. Ich freue mich sehr, dass wir also heute nicht nur reden, sondern nun auch aktuell im Interesse der behinderten Menschen in unserem Land handeln. Der UN-Sonderberichterstatter analysiert mit seinem Bericht, inwieweit in Deutschland das Men- schenrecht auf Bildung umgesetzt wird. Viele Kollegen haben bereits auf zahlreiche positive Sachverhalte im dem vorliegenden Bericht verwiesen. Bezogen auf die Bildung von behinderten Kindern sind eine Reihe von anerkennenden Punkten enthalten: Sie haben die gleichen Rechte wie nichtbehinderte Kinder. Zudem unternehmen alle Bundesländer große Anstren- gungen, um sie individuell zu fördern. Des Weiteren haben wir gut ausgebildete Sonderpädagogen, in allen Teilen unseres Landes, und unumstritten geben wir ins- gesamt viel Geld für ihre Beschulung aus. Die Anerken- nung für dieses Bemühen von vielen Menschen, die täg- lich hier ihre Arbeit tun, kommt in dem Bericht nicht zu kurz, und darum erwähne ich dies auch an dieser Stelle ganz ausdrücklich. Doch nun zu der Kritik: Herr Muñoz kritisiert meines Erachtens völlig zu recht, dass wir mit diesen Anstren- gungen insgesamt noch nicht erfolgreich genug sind. Las- sen Sie mich dazu nur zwei Zahlenbeispiele nennen: Mit unserem System von Sonder- und Förderschulen – den Rahmenrichtlinien für Körperbehinderte, für Sprachbe- hinderte, für Lernbehinderte, für Geistigbehinderte – ge- lingt es uns bundesweit nur 12 Prozent aller behinderten Kinder gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern zu un- t s S k A w h 1 r s S M t h n n u w e n s d z d T L P d u g A n a d t B s t G j d V g m e h A d b b r (C (D errichten. Allein bei unseren europäischen Nachbarn ind es im Schnitt mehr als 80 Prozent. Wer heute als chüler auf eine Sonderschule gehen muss, hat nahezu eine Chance, auf dem regulären Ausbildungs- oder rbeitsmarkt einen Platz zu bekommen. Der ganz über- iegende Anteil landet gleich in den Werkstätten für Be- inderte, aus denen statistisch gesehen nur ungefähr Prozent wieder herauskommen. Angesichts dieser Zahlen – diese sind ungeachtet zahl- eicher nationaler Absichtserklärungen seit Jahren kon- tant – ist doch die Frage mehr als berechtigt, auf welcher prosse der Leiter unser Land bei der Verwirklichung des enschenrechts auf Bildung für behinderte Kinder. denn atsächlich steht. Der Umgang einer Gesellschaft, einer Nation mit be- inderten Kindern und Jugendlichen erfordert nach mei- er festen Überzeugung immer wieder neu die Frage ach dem Menschenbild, das dem jeweiligen Bildungs- nd Ausbildungssystem zugrunde liegt. Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir sehr, dass ir diesen Teil der Kritik aus dem Muñoz-Bericht nicht infach nur zurückweisen, so wie es viele Kollegen in ei- er ersten Reaktion getan haben. Bei der Umsetzung des Menschenrechts auf Bildung ollten wir uns ernsthaft mit diesem Phänomen auseinan- ersetzen. Schaffen wir doch gemeinsam die Vorausset- ungen für ein integratives System. Wichtig dabei ist, ass wir die immer noch bestehende und praktizierte rennung – schon in der Ausbildung von Erziehern und ehrkräften – zwischen allgemeinbildenden Pädagogen, ädagogen mit interkulturellem Schwerpunkt und Son- erpädagogen überwinden. Wenn Kinder mit Migrationshintergrund, behinderte nd nichtbehinderte Kinder sich von früh auf im Kinder- arten und in der Schule kennen lernen, schafft dies kzeptanz und die Fähigkeit, sich mit Würde zu begeg- en. Der gemeinsame Weg von klein auf ist zusätzlich uch unter volkswirtschaftlichen Aspekten interessant, a unter dem Strich viel weniger öffentliche Mittel benö- igt werden. Lassen Sie mich mit einem Zitat von unserem Alt- undespräsidenten Johannes Rau schließen: „Men- chenrecht und Behinderung: Alle Fragen, die damit zu un haben, münden letztlich in die Frage, in welch einer esellschaft wir leben wollen. Die Antwort darauf muss ede und jeder von uns Tag für Tag selber geben.“ Uwe Schummer (CDU/CSU): Das deutsche Bil- ungssystem ist differenziert. Differenzierung ist ein orteil, wenn es faire Chancen der Beteiligung für alle ibt. Menschen sind unterschiedlich. Bildungsstrukturen üssen sich diesen Unterschieden anpassen. Wir haben ine hohe Bildungsbeteiligung; das Recht auf Bildung aben wir durch die allgemeine Schulpflicht verankert. uch bei den Hauptschülern gelingt es, 85 Prozent nach er Schule in Lohn und Brot zu bringen. Die Jugendar- eitslosigkeit ist unterdurchschnittlich. In Deutschland eträgt sie 9 Prozent, in Finnland 19 Prozent, in Frank- eich 25 Prozent. 9420 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 (A) ) (B) ) Eine Woche Deutschland reichen sicher nicht, um die gesellschaftliche, kulturelle und föderative Vielfalt auf- zuarbeiten. Ein Blick aus der Distanz kann jedoch hilf- reich sein, um Entscheidungen zu prüfen. Professor Muñoz hat mit seinem Bericht die engagierte Bildungs- debatte in Deutschland weiter angetrieben. Keine ideolo- gische Systemdebatte. Die Wahrheit ist immer konkret: Wir müssen Klassengrößen verkleinern, mehr Lehrer einstellen, weniger Unterrichtsausfall organisieren – egal in welcher Schulform. Entscheidend ist die gezielte Ein- zelförderung. Deutschland hat weniger Abiturienten, weil wir mit der dualen Berufsausbildung eine eigene Form gleicher Qualifizierung geschaffen haben. Die Me- chatroniker-Ausbildung ist wie das Abitur, der Meister- brief ist wie der Bachelor zu bewerten. 43 Prozent der Schüler erreichen das Abitur nicht über das Gymnasium, sondern über den beruflichen Bil- dungsweg. Wir müssen die Eltern stärker einbeziehen; Integra- tion ist auch Hausaufgabe. Notwendig ist Breitenbildung, nicht nur Spezialisten. Das Berufsprinzip der dualen Ausbildung: Neben dem Staat finanzieren auch die Betriebe mit fast 30 Milliar- den Euro die Berufsausbildung. Von 342 Berufsbildern sind aber nur 20 offen für Hauptschüler. Zugangsbeschränkungen müssen wir be- seitigen durch eine qualifizierte Stufenausbildung nach dem Kammervorschlag. Reformen, die in die richtige Richtung gehen: Ab dem vierten Lebensjahr Sprachtest in nordrhein-westfä- lischen Kindergärten. Eine gezielte Förderung, wenn Mängel auftreten. Ferner: Ganztagsunterricht. Nicht als Zwangsveranstaltung, sondern bedarfsgerecht, um die Wahlfreiheit zu verbessern. Ebenso: Mehr Durchlässig- keit zwischen den Bildungssystemen und Kompetenzen aufwerten, egal ob sie schulisch, akademisch oder beruf- lich erworben wurden. Hierzu gibt es einen gemeinsamen Antrag zum Euro- päischen Bildungsraum. Für uns ist der Muñoz-Bericht eine gute Momentauf- nahme. Er wird in die weitere Bildungsberatung einflie- ßen. Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD): Zehn kurze Punkte zu dem Bericht von Herrn Muñoz mit seinen 108 Absätzen. In einer Stunde, die inaktueller nicht sein könnte, weil dieser Bericht landauf/landab bereits disku- tiert, kritisiert und kommentiert wurde, nur noch nicht von uns. Dennoch, ich bin ein optimistischer Mensch, deshalb: Erstens. Ich freue mich, dass dem Bericht von Profes- sor Muños hier, im Ausschuss und durch die Bundesre- gierung den Respekt erteilt wird, der ihm zukommt. Dies hebt sich wohltuend von manch anderen Äußerungen ab. Ich freue mich, dass wir diesen Respekt mit der not- wendigen Selbstkritik, aber auch mit berechtigtem Selbstbewusstsein paaren; mit Selbstbewusstsein, weil wir nicht wie einige den Eindruck erwecken wollen, bil- dungspolitisches Entwicklungsland zu sein, sondern, wie e d u f w v d S n c O A g L g s g d p z e 1 e s s w z o u B F v d h r a i f e o S e z d d M K t z U s B (C (D s auch der Muñoz-Bericht sagt, eine der führenden Bil- ungsnationen; mit Selbstbewusstsein, weil wir in einem mfangreichen Reformprozess steckern nach dem ein olgender Bericht zu besseren Ergebnissen kommen ird. Zweitens. Auch wenn vieles nach PISA/IGLU und ielen anderen Untersuchungen nicht mehr neu ist, ist ie Außensicht eines UN-Sonderbotschafters hilfreich. Drittens. Sie ist hilfreich, weil wir uns, ohne uns in trukturdiskussionen zu verlieren, fragen müssen, ob wir ach dem PISA-Schock für alle Kinder und Jugendli- hen schon die richtigen Maßnahmen eingeleitet haben. hne erste Erfolge der Länder zu schmälern, wird die ntwort lauten: In einigen Ländern ja, in anderen weni- er. Viertens: Natürlich ist es gut, wenn es in nahezu allen ändern Bildungspläne für den frühkindlichen Bereich ibt. Nur: Werden sie mit ausreichend Personal mit ent- prechender Qualifikation und genügend Zeit auch um- esetzt? In einigen Ländern ja, in anderen Ländern sind iese Pläne noch zu sehr ausschließlich gedrucktes Pa- ier. Fünftens. Es gibt den Beginn kostenloser Kitas, wie um Beispiel in Rheinland-Pfalz, anderswo gibt es nicht inmal ausreichend kostenpflichtige Plätze, um den seit 996 verankerten Rechtsanspruch für 3- bis 6-Jährige zu rfüllen, wie zum Beispiel in Niedersachsen. Sechstens. Es gibt mehr Ganztagsschulen als noch vor ieben Jahren mit individueller Förderung und rhythmi- iertem Unterricht – Rheinland-Pfalz – es gibt sie nach ie vor zu selten, und zu häufig sind sie nur die Fortset- ung des Frontalunterrichts in den Nachmittag hinein hne ausreichende Aufenthaltsräume, ohne sportliche nd Freizeitmöglichkeiten, wie zum Beispiel bei G 8 in ayern. Siebtens. Es gibt zunehmend das Ziel individueller örderung von Kindern. Existieren tut es häufig an pri- aten Schulen, seltener an öffentlichen. Es gibt mehr pä- agogische Ausbildung der Lehrer, aber immer noch zu äufig werden Fächer und nicht junge Menschen unter- ichtet. Achtens. Ja, wir strengen uns an, Migrantenkindern usreichenden Sprachunterricht zu bieten, der – hier teile ch die Kritik von Professor Muñoz nicht – der Schlüssel ür jedweden Lernerfolg ist. Aber wir sind noch weit ntfernt davon, allen Kindern, auch zum Beispiel denen hne Ausweispapiere, in ausreichendem Umfang den chulbesuch zu ermöglichen. Es wäre hoch an der Zeit, ndlich den Vorbehalt der Bundesrepublik Deutschland ur Kinderrechtskonvention zurückzunehmen. Hier sind ie Länder am Zug. Neuntens. Wir leben in Zeiten der Globalisierung, iese verlangt von jungen Erwachsenen, also den Eltern, obilität und Flexibilität. Tun wir genug, dass unsere inder und Jugendlichen dabei nicht unter die Mobili- ätsbildungsräder kommen? Was tun wir bei allem zu ak- eptierenden förderalen Bildungswettbewerb, damit der mzug der Eltern nicht regelmäßige Ehrenrunden oder ogar Schulartwechsel für ihre Kinder bedeutet? Und: rauchen wir nicht gerade in föderalen Strukturen einen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 9421 (A) ) (B) ) einheitlichen Bildungskern gleichlautend in allen Län- derverfassungen? Zehntens und letztens. Der Muñoz-Bericht sollte mangels Zuständigkeit auf Bundesebene nicht als Instru- ment zu einer weiteren Schlacht um das dreigliedrige Schulsystem verwendet werden. Dabei sollte aber den- noch die deutsche Einmaligkeit der sehr frühen, der zu frühen Einteilung der Schüler nach Schularten nicht nur zu denken geben, sondern auch zu Konsequenzen führen. Wir müssen uns fragen: Warum glauben nur wir im deutschsprachigen Raum, dass eine Einteilung nach Be- gabungen und zukünftig nach Elternhäusern am besten mit zehn Jahren vorgenommen wird? Und warum disku- tieren wir als Folge davon – wie es Muñoz auch anmahnt – immer wieder über Institutionen und Strukturen und viel zu selten über Bildungsinhalte, Bildungsvermittlung, Bildungslust und Bildungsaufstieg? Die Konsequenzen davon gehen uns auf Bundesebene nämlich schon etwas an. Frühe Einteilung der Kinder, ihre mangelnde individuelle Förderung und zu geringe pädagogische Lehrerausbildung bedeuten eine hohe Quote an Schulabbrechern und eine zu niedrige an Abi- turienten und Studienanfängern. Die Folgen davon trägt der Bund. Sie schlagen sich in Arbeitslosenquoten und Eingliederungsmaßnahmen, in Mangel an Akademike- rinnen und Akademikern nieder. Die Durchlässigkeit un- seres Schulsystems ist bisher noch im Wesentlichen eine Rutschbahn nach unten. Wenn ein Kind aus einer bil- dungsfernen Familie in Bayern bei gleicher Intelligenz eine sechsmal schlechtere Chance hat, das Abitur zu ma- chen, als ein Kind aus einer bildungsnahen Familie, dann ist das keine Durchlässigkeit, sondern vor allem eine der größten sozialen Ungerechtigkeiten in Deutschland. Aus diesen zehn Gründen bin ich Herrn Professor Muñoz für seinen differenzierten Bericht dankbar, er ist kein Skandalbericht, wie ihn manche darstellen wollen, er ist in seinen Augen nicht neu, er würdigt die in An- griff genommenen Reformen und er ist kein bildungspo- litisches Ruhekissen, sondern ein Auftrag, in Dankbar- keit gegenüber allen Eltern, Lehrern und Lehrerinnen, Schülern und Schülerinnen, die sich trotz manchen Wid- rigkeiten mühen, das Beste aus sich und aus unserem fö- deralen Bildungssystem zu machen, schnell und effizient zu handeln. Anlage 3 Amtliche Mitteilung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Ver- sammlung der Westeuropäischen Union/Interparlamentari- sche Europäische Versammlung für Sicherheit und Vertei- digung (WEU/IEVSV) m V P t (C (D Tagung der Versammlung vom 19. bis. 21. Juni 2006 in Paris – Drucksachen 16/2600, 16/4248 Nr. 1.1 – Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Unterrichtung durch die Bundesregierung – Zweiter Bericht über die Substitution risikoreicher durch risikoärmere Biozid-Wirkstoffe und Biozid-Pro- dukte, über den aktuellen Sachstand zur Umsetzung der Biozid-Richtlinie und des Überprüfungs-Program- mes der Altwirkstoffe sowie der aktuellen Entwicklun- gen auf EU-Ebene – Drucksache 16/2909, 16/3194 Nr. 1.1 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- orlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische arlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- ung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 16/150 Nr. 1.66 Innenausschuss Drucksache 16/4105 Nr. 2.2 Drucksache 16/4258 Nr. 2.23 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 16/150 Nr. 2.112 Drucksache 16/150 Nr. 2.174 Drucksache 16/2555 Nr. 2.108 Drucksache 16/4105 Nr. 1.6 Drucksache 16/4105 Nr. 2.24 Drucksache 16/4105 Nr. 2.25 Drucksache 16/4105 Nr. 2.28 Drucksache 16/4105 Nr. 2.88 Drucksache 16/4258 Nr. 1.6 Drucksache 16/4258 Nr. 2.11 Drucksache 16/4258 Nr. 2.21 Drucksache 16/4258 Nr. 2.61 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 16/4258 Nr. 2.46 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 16/4501 Nr. 2.8 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 16/3196 Nr. 1.43 Drucksache 16/3196 Nr. 1.46 Drucksache 16/4258 Nr. 2.50 Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Drucksache 16/2555 Nr. 1.43 Drucksache 16/4105 Nr. 1.4 92. Sitzung Berlin, Freitag, den 30. März 2007 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609200000

Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle
herzlich und wünsche Ihnen einen guten Morgen. Damit
wir uns der bevorstehenden Osterpause möglichst zügig
nähern, steigen wir ohne Verzug in die für heute vorge-
sehene Tagesordnung ein.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a und b sowie
den Zusatzpunkt 5 auf:

26 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Unternehmensteuerreformgesetzes 2008

– Drucksache 16/4841 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

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Redet
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.
Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Werner Dreibus,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-
KEN

Unternehmen leistungsgerecht besteuern – Ein-
nahmen der öffentlichen Hand stärken

– Drucksache 16/4857 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordnete
Scheel, Dr. Gerhard Schick, Kerstin
weiterer Abgeordneter und der Fraktion d
NISSES 90/DIE GRÜNEN

(C (D ung 30. März 2007 0 Uhr Unternehmensteuerreform für Investitionen und Arbeitsplätze – Drucksache 16/4855 – Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für ie Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Dazu höre ch keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zuächst dem Bundesfinanzminister, Peer Steinbrück. Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, meine ehr geehrten Damen und Herren! Ich habe bei meinen etzten Reisen ins Ausland, insbesondere nach Brüssel, ber auch in andere europäische Hauptstädte und nach ew York und Washington, zunehmend die Erfahrung emacht, dass all meine Gesprächspartner überrascht ind, wie gut sich die Wirtschaft in Deutschland entwikelt hat und wie deutlich die Arbeitslosigkeit abgenomen hat. Das Interesse an dem Wirtschaftsstandort eutschland hat in den letzten anderthalb Jahren deut ext lich erkennbar zugenommen. Die meisten dieser Gesprächspartner beobachten sehr genau – gelegentlich habe ich den Eindruck, sie wissen besser Bescheid als diejenigen, die sich an der innenpolitischen Debatte beteiligen –, was mit der Agenda 2010 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und der Politik der Großen Koalition in Deutschland in Gang gesetzt worden ist, um das Wirtschaftswachstum zu fördern und die Arbeitslosigkeit zu verringern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1609200100

Man muss sich vor Augen führen, dass die Wirtschaft
im letzten Quartal 2006 schneller ge-
das in den USA der Fall war. Wer hätte
lich gehalten? Die Aussichten für die

2008 sind nicht sehr viel schlechter.
n Christine
Andreae,
es BÜND-

in Deutschland
wachsen ist, als
das je für mög
Jahre 2007 und






(A) )



(B) )


Bundesminister Peer Steinbrück
Alle Gesprächspartner, vornehmlich in der Europäi-
schen Union, sind sehr an der Frage interessiert, ob
Deutschland zu seiner alten Funktion als Wachstums-
lokomotive zurückfinden kann. Ich glaube, dass es dafür
gute Chancen gibt. Um das richtig einzuordnen: Die Po-
litik ist gewiss nicht allein für diese Entwicklung verant-
wortlich. Das behauptet übrigens niemand von der Großen
Koalition oder von der Bundesregierung. Die Politik – das
gilt insbesondere für die Reformagenda Agenda 2010 und
die Maßnahmen der Großen Koalition der letzten andert-
halb Jahre – ist aber zumindest beteiligt. Ich halte daran
fest, dass die Entscheidungen der Großen Koalition die
gute Entwicklung über die, wie ich es nenne, doppelte
Tonlage – auf der einen Seite zu konsolidieren und auf
der anderen Seite Impulse für Wachstum und Beschäfti-
gung zu geben – unterstützt haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das spiegelt sich in einem erfreulichem Ergebnis wi-
der: Sie alle wissen, dass wir ungefähr 825 000 Arbeits-
lose weniger haben als vor einem Jahr. Es gibt vor allem
450 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr,
was eine sehr gute Entwicklung ist. Ich freue mich für
die Menschen, die neue Arbeit gefunden haben, und für
die vielen, die nicht mehr so große Angst um ihren Ar-
beitsplatz haben müssen wie noch vor anderthalb Jahren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Als Finanzminister, der auch Anwalt kommender Ge-
nerationen sein muss – eine ganze Reihe junger Men-
schen hört uns zu –, und als Anwalt derjenigen, die den
Kapitaldienst der hohen Staatsverschuldung nicht als
derart großen Wackerstein im Gepäck haben sollen,
freue ich mich über den Rückgang der gesamtstaatlichen
Neuverschuldung. Von 2005 zu 2006 haben wir sie hal-
biert. Viele von Ihnen wissen, dass ich für dieses Jahr ein
Defizitkriterium in einer Größenordnung von 1,2 Pro-
zent angeben kann. Das ist eine ausgesprochen erfreuli-
che Entwicklung.

Manche wirtschafts- und finanzpolitische Debatte des
letzten Jahres klingt mir aber noch in den Ohren. Herr
Solms, es wurden Horrorgemälde über die Auswirkun-
gen unserer Politik, insbesondere der Mehrwertsteuer-
erhöhung, gemalt. Die Begriffe „Unfug“, „Steuerirrsinn“
und ähnliche fielen in diesem Zusammenhang. Jetzt ent-
puppt sich vieles von dem, was damals gesagt wurde, als
Horrorszenario.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es wäre nicht schlecht, wenn der Lerneffekt aus den
Erfahrungen des letzten Jahres derjenige wäre, in zu-
künftigen Debatten etwas abgewogener und seriöser, mit
einem etwas größeren Augenmaß und mit weniger Auf-
regung zu debattieren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dieses Augenmaß sollte auch unter dem Eindruck ganz
guter Zahlen walten. Ich habe gelegentlich den Ein-
druck, dass wir zu Übertreibungen neigen, nicht nur
dann, wenn es uns nicht so gut geht, sondern auch, wenn
es uns besser geht. Wenn sich unsere Wirtschaft schlecht
entwickelt, dann haben wir die Neigung, alles noch stär-

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(C (D er schlechtzureden, als es ist. Bei der derzeit guten Enticklung habe ich den Eindruck, dass es Übertreibungen ach oben gibt, die jedes Maß verlieren. Ich rate dazu, nter dem Eindruck guter Einnahmezahlen, guter achstumsperspektiven und guter Entwicklung auf dem rbeitsmarkt das Bild nicht wieder so zu zeichnen, als b bereits alle Probleme gelöst seien. Nein, insbesondere aushaltspolitisch haben wir noch dieselben Probleme ie vor anderthalb Jahren. Wir leben in einer sehr schnelllebigen Welt. Sie ist urch einen rasanten Wandel geprägt. Ich finde, dass die undesrepublik Deutschland auf einem guten Weg ist. ies gilt auch mit Blick auf die Unternehmensteuerre orm. Wir debattieren heute in erster Lesung über den esetzentwurf. Mit dieser Reform stärken wir die achstumsbasis in Deutschland. Vor allen Dingen beirken wir eine Entwicklung, die darauf hinausläuft, ass Unternehmensgewinne, die Wertschöpfung, die in eutschland erzielt wird, auch in Deutschland versteuert erden, anstatt ins Ausland abzuwandern, und dass die erluste, die im Ausland gemacht werden, nicht steuerindernd in Deutschland wirken. Das ist die Kernziel etzung der Unternehmensteuerreform. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Diejenigen, die die Unternehmensteuerreform kriti-
ieren – sachlich, teilweise aber auch polemisch –, müs-
en die Frage beantworten, ob es der Bundesrepublik
eutschland auf Dauer besser ginge, ob es für Deutsch-

and günstiger wäre, wenn wir die Unternehmensteuerre-
orm unterließen. Die Antwort lautet eindeutig: Wenn
ir keine Unternehmensteuerreform machen, wird
eutschland weiter an Steuerbasis – die Technokraten
ennen es Steuersubstrat – verlieren, und die Staatsein-
ahmen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben werden
uf Dauer nicht mehr, sondern weniger. Das heißt, wir
ätten Nachteile aus einem Unterlassen. Die Verantwor-
ung muss sich nicht nur bei der Frage stellen, was man
ut, was die Konsequenzen des Handelns sind, sondern
s muss politisch auch die Frage gestellt werden: Welche
onsequenzen hat das Unterlassen von notwendigen
aßnahmen, die die Steuerbasis in Deutschland stärken?


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Unternehmensteuerreform ist in meinen Augen
brigens durchaus ein Beleg für die Handlungsfähigkeit
nd Gestaltungskraft der Großen Koalition. Ich füge mit
iner gewissen Befriedigung hinzu: Nicht zuletzt die er-
reulich unaufgeregte Art ihres Zustandekommens ist ein
eleg dafür, dass es der Politik außerordentlich gut tun
ann, wenn sie sich Zeit nimmt, um ein so komplexes
erk zu erarbeiten, und diese Zeit auch bekommt. Ein

o komplexes Werkstück wie diese Unternehmensteuer-
eform muss reifen können, ohne mit täglichen Wasser-
tandsmeldungen medial zerrieben zu werden. Ich glaube,
ass ist uns über die Wegstrecke von zwölf Monaten ge-
ungen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Bundesminister Peer Steinbrück
Ich möchte deshalb an dieser Stelle all denjenigen
danken, die behilflich gewesen sind, insbesondere de-
nen, die fachlich versiert in den Landesverwaltungen
von Hessen, von Bayern, von Rheinland-Pfalz insbeson-
dere in den Bundesressorts tätig gewesen sind. Ich
möchte auch denjenigen danken – viele von ihnen sind
anwesend –, die mit mir in der politischen Arbeitsgruppe
zusammengearbeitet haben, namentlich Herrn Minister-
präsidenten Koch, der die Seite der Union dabei geleitet
hat. Ich glaube, das war ein gutes Beispiel für das Zu-
sammenwirken innerhalb dieser Großen Koalition.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben absichtlich keinen Systemwechsel vorge-
nommen. Sie wissen, dass wir am Beginn dieser Debatte
über die Unternehmensteuerreform von Sachverständi-
gen aufgefordert wurden – dem Sachverständigenrat
genauso wie der Stiftung „Marktwirtschaft“ –, eine fun-
damentale Veränderung, einen richtigen Paradigmen-
wechsel, des Unternehmensteuersystems in Deutsch-
land zu machen. Wir haben vorsätzlich darauf verzichtet,
weil eine solche fundamentale Veränderung eindeutig
mit unwägbaren Asymmetrien, mit Nebeneffekten ver-
bunden gewesen wäre, die unkalkulierbar sind und zu ei-
nem unübersehbaren Nachjustierungsbedarf geführt hät-
ten und im Übrigen auch zu Einnahmenverlusten in
zweistelliger Milliardenhöhe, die sich mit dem gemein-
samen Ziel der Konsolidierung der öffentlichen Haus-
halte nicht vertragen hätten.

Die wesentlichen Maßnahmen der Unternehmensteu-
erreform sind Ihnen so weit bekannt, dass ich aus Zeit-
gründen nicht im Einzelnen darauf eingehe. Aber ich
will die wichtigsten Punkte nennen. Wir tun etwas, was
von vielen – übrigens einem breitem Spektrum – in die-
sem Haus vor Beginn der Unternehmensteuerreform
immer für richtig erachtet worden ist: Wir senken die no-
minalen Steuersätze und erweitern dabei die Bemes-
sungsgrundlage. Das heißt, wir schränken die Gestal-
tungsmöglichkeiten, die derzeit legalen Möglichkeiten
der Steuervermeidung, in Deutschland ein. Das war
eine der Zielsetzungen der Unternehmensteuerreform.

Die Zahlen, wie hoch der Betrag ist, der am deutschen
Fiskus „vorbeigestaltet“ werden kann, gehen auseinan-
der. Das DIW hat kürzlich eine Zahl von 100 Milliarden
Euro genannt. Ein eher der Wirtschaft nahestehendes In-
stitut redet von 30 Milliarden Euro. Egal wie hoch dieser
Betrag genau ist, er ist auf jeden Fall zu hoch. Diese Ver-
schiebebahnhöfe müssen unterbunden werden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wenn wir nur einen Teil dieser legalen grenzüber-
schreitenden Verlagerung eindämmen können, dann si-
chern wir die Steuerbasis in Deutschland, und das langfris-
tig. Ich möchte nicht, dass die Unternehmensführungen
vor allem in ihre Steuerabteilungen investieren, um
herauszufinden, welche die besten legalen Steuervermei-
dungsstrategien sind, sondern ich möchte, dass die Unter-
nehmen in Arbeitsplätze und in Realkapital in Deutsch-
land investieren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


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(C (D Wir haben sehr darauf geachtet, dass insbesondere die ielen kleinen und mittleren Unternehmen durch die erbreiterung der Bemessungsgrundlage nicht in Mitleienschaft gezogen werden. Deswegen wehre ich mich egen die Äußerung, dass es eine Mittelstandslücke gibt. brigens hat gerade das sehr renommierte Zentrum für uropäische Wirtschaftsforschung in Mannheim deut ich gemacht, dass der Mittelstand einer der Gewinner ieser Reform ist. Das liegt zum Teil daran, dass die Tarifsenkung bei ittelständischen Unternehmen voll positiv wirkt, wäh end sie von den Elementen der Gegenfinanzierung aufrund von Freigrenzen und Freibeträgen, übrigens auch ufgrund niedrigerer individueller Grenzsteuersätze, im egensatz zu den großen Unternehmen nicht betroffen ind. Es ist auch daran zu erinnern, dass der deutsche ittelstand durch die Maßnahmen der Vorgängerregie ung und die Steuerreformen bereits zu Beginn dieses ahrzehnts um 13 Milliarden Euro entlastet worden ist. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU])


ie Steuerreformschritte des Jahres 2000 und folgende
aben dazu geführt, dass die Effektivbesteuerung von
0 bis 85 Prozent der kleinen und mittleren Unterneh-
en in Deutschland inzwischen bei unter 20 Prozent

iegt.

Mit Blick auf die jetzigen Maßnahmen möchte ich
arauf hinweisen, dass insbesondere aufgrund der Ver-
esserung der Ansparabschreibung und der Thesaurie-
ungsmöglichkeiten keine Mittelstandslücke existiert. In
eutschland gibt es ungefähr 3 Millionen kleine und
ittlere Unternehmen. 1 Million von ihnen werden in

er Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben. Sie
lle profitieren von der Absenkung des Nominalsteuer-
atzes. Darüber hinaus gibt es 2 Millionen Personenge-
ellschaften in Deutschland. Von diesen 2 Millionen
ersonengesellschaften haben lediglich 70 000 Unter-
ehmen – mehr nicht – ein Eigenkapital von mehr als
10 000 Euro und können daher nicht die Möglichkeiten
er Verbesserung der Ansparabschreibung in Anspruch
ehmen.

Es sind also ungefähr 2 Prozent der Personengesell-
chaften, die von diesen Vergünstigungen nicht profitie-
en. Ich möchte deutlich darauf hinweisen, dass der weit
berwiegende Teil der Mittelständler durch die Thesau-
ierungsbegünstigung für ertragsstarke größere Perso-
engesellschaften und durch die Möglichkeiten der
nsparabschreibung im Rahmen der Unternehmensteu-

rreform begünstigt wird. Insgesamt kann man feststel-
en, dass der deutsche Mittelstand, was die Besteuerung
etrifft, im europäischen Vergleich im besten Drittel an-
ekommen ist.

Um einen weiteren Punkt aufzugreifen: Gelegentlich
öre ich, dass darauf hingewiesen wird, wie schädlich
ie Gewerbesteuer sei. Insbesondere aus den Reihen
er FDP wurde ein Plädoyer dafür gehalten, die Gewer-
esteuer abzuschaffen. In der Wahrnehmung der politi-
chen Arbeitsgruppe war dieser Vorschlag immer ein
rrweg. Da ungefähr 60 Prozent der öffentlichen Investi-






(A) )



(B) )


Bundesminister Peer Steinbrück
tionen von den Kommunen getätigt werden und diese In-
vestitionen vornehmlich dem deutschen Mittelstand zu-
gute kommen, muss man die Einnahmebasis und die
Investitionsfähigkeiten der Kommunen stärken. Das tun
wir mit der Unternehmensteuerreform.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das bedeutet in meinen Augen nicht, dass die Kommu-
nen irgendeinen Zuschlag bzw. einen Hebesatz aus den
Einnahmen der Einkommensteuer oder einen größeren
Anteil an den Einnahmen aus der Mehrwertsteuer be-
kommen müssen, sondern es bedeutet, dass sie eine
eigene wirtschaftskraftbezogene Steuereinnahme mit ei-
genem Hebesatzrecht brauchen. Dies ist im Zusammen-
hang mit der Unternehmensteuerreform gelungen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Eigentlich geht es um noch mehr: Wir halten nicht nur
die gute Perspektive im Hinblick auf die Einnahmesitua-
tion der Kommunen offen, sondern wir verstetigen auch
ihre Einnahmen in erkennbarem Umfang, zum Beispiel
durch Verbesserungen der Bemessungsgrundlage. Ich
weiß, dass es Kritik daran gegeben hat, nach dem Motto:
Ihr führt mehr ertragsunabhängige Elemente in die Be-
messungsgrundlage ein, was dazu führt, dass die Unter-
nehmen nicht mit der Konjunktur atmen können. – Ich
möchte darauf hinweisen, dass der Anteil der ertragsun-
abhängigen Elemente an der Besteuerung in Deutsch-
land einer der niedrigsten in ganz Europa ist. Wo also ist
in diesem Zusammenhang das Problem? Es wird in mei-
nen Augen jedenfalls deutlich übertrieben.

Es ist richtig, dass sich mit dieser Unternehmensteu-
erreform Mindereinnahmen verbinden. Aber noch ein-
mal: Nichtstun würde dauerhaft zu größeren Minderein-
nahmen führen. Man muss sehen, dass man diese
Mindereinnahmen bei einer vollen Jahreswirksamkeit
auf 5 Milliarden Euro begrenzen kann. Das heißt, zu
dem Zeitpunkt, wo alle entlastenden und alle belasten-
den Elemente in einem Jahr wirken, haben wir die häufig
genannten 5 Milliarden Euro. Richtig ist, dass wir im
ersten Kassenjahr mit Mindereinnahmen von 6,5 Milliar-
den Euro zu rechnen haben. Aber entscheidend ist, wie
sich die öffentlichen Haushalte in den nächsten Jahren
tatsächlich entwickeln, unter Berücksichtigung, dass wir
Steuersubstrat zurückgewinnen, und unter Berücksichti-
gung der wirtschaftlichen Entwicklung. Alle Indikatoren
weisen darauf hin, dass wir bei der Gewerbesteuer nach
zwei Jahren und bei der Körperschaftsteuer nach drei
Jahren auf demselben Einnahmeniveau sind wie 2007.

Ich will an dieser Stelle dem Verdacht begegnen, wir
hätten dort Selbstfinanzierungseffekte eingerechnet. Wir
haben definitiv keine Selbstfinanzierungseffekte in diese
Berechnungen einfließen lassen, sondern wir gehen von
den Wachstumsmöglichkeiten, von den Wachstumsper-
spektiven aus und, in einem sehr bescheidenen Ausmaß,
davon, dass wir über solche Verbesserungen die Steuer-
basis, die in Deutschland verloren zu gehen droht, erhal-
ten können.

Ein weiterer Vorwurf lautet – um zum Schluss zu
kommen –, dass sich mit dieser Unternehmensteuerre-

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(C (D orm Bürokratiekosten verbinden. Ich möchte darum itten, die Proportionen nicht aus den Augen zu verlieen: Richtig ist, dass dieser Gesetzentwurf mit Nacheispflichten und Meldevorschriften zusätzlichen Aufand für die Unternehmen nach sich zieht, somit ürokratiekosten entstehen. Aber dies ist im Interesse es deutschen Fiskus notwendig, sonst verlieren wir Einahmen. Entgegengehalten wird auch, dass der Normenontrollrat mit Blick auf die Anlageverzeichnisse für geingwertige Wirtschaftsgüter, für Wirtschaftsgüter bis 000 Euro, mit Bürokratiekosten von 180 Millionen uro rechnet. Aber ich bitte, auch hier im Blick zu bealten, dass sich diese 180 Millionen Euro, die dafür ufgewandt werden müssen, auf 5 Millionen Unternehen erstrecken. Das heißt, pro Unternehmen und Jahr ind es 36 Euro Mehraufwand, 3 Euro pro Monat. Das ind die Proportionen, die wir im Blick behalten müssen. as heißt, diese bombastische Zahl – nach dem Motto: as inszenieren die da wieder für eine Bürokratie? – ückt sich doch zurecht, wenn man bereit ist, zu bedenen, dass diese Summe auf die in Rede stehende Anzahl er deutschen Unternehmen umzulegen ist. Mit dieser Unternehmensteuerreform setzt die Große oalition ihre erfolgreiche Arbeit am Wirtschaftsund ozialmodell der Bundesrepublik Deutschland fort. Die rfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass der Mut zu rundsätzlichen Reformen, zu Strukturreformen, am nde mit mehr Wachstum und mit weniger Arbeitslosigeit belohnt wird. Dies sage ich auch für diese Unternehensteuerreform voraus. Man braucht einen langen tem dafür. Helfen wird eine gute Lunge; das Rauchverot ist in diesem Zusammenhang vielleicht ganz hilfeich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abg. Dr. Peter Struck [SPD] und weiterer Abgeordneter)


Der Fraktionsvorsitzende der SPD ist dort anderer
uffassung. – Ich will darauf hinaus: Diese Steuerre-

orm ist kein Geschenk an irgendjemanden, sondern be-
eutet eine Investition in den Standort Deutschland, in
ie Finanzierung öffentlicher Aufgaben. Ich wäre dank-
ar, wenn das so bewertet werden könnte.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609200200

Für die FDP-Fraktion erhält nun das Wort der Kollege

r. Hermann Otto Solms.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609200300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

abe den Aufruf des Bundesfinanzministers zu Augen-
aß als einen Aufruf in seine eigenen Reihen verstan-

en.






(A) )



(B) )


Dr. Hermann Otto Solms

(Ute Berg [SPD]: Das haben Sie falsch verstanden!)


Denn die Oppositionstätigkeit innerhalb der Koalitions-
fraktionen und zwischen den Koalitionsfraktionen ist
sehr viel reger als das, was die Opposition gegenwärtig
leisten kann.


(Olaf Scholz [SPD]: Ist das jetzt Selbstkritik? – Volker Kauder [CDU/CSU]: Nur keinen Neid!)


Wir können uns ja kaum noch Gehör verschaffen, weil
Sie die Oppositionsrolle mit übernommen haben.


(Beifall bei der FDP – Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Alles muss man selber machen!)


Das Zweite, was ich dazu sagen wollte: Sie haben
eine sehr wortreiche Verteidigungsrede für dieses Mo-
dell der Unternehmensteuerreform vorgetragen. Aus vie-
len Worten wird aber noch kein schönes Gedicht, Herr
Finanzminister; denn die Frage lautet: Welchen Maßstä-
ben muss eine solche Unternehmensteuerreform gerecht
werden? Sie muss doch offenkundig dem Maßstab ge-
recht werden, die internationale Wettbewerbsfähigkeit
hinsichtlich des Forschungsstandorts Deutschland, des
Investitionsstandorts Deutschland – und damit des Ar-
beitsplatzmarkts Deutschland – und schließlich auch des
Finanzplatzes Deutschland im Bereich der Steuern zu-
rückzugewinnen. Hier sind wir international enorm zu-
rückgefallen. Daran gibt es keine Zweifel.

Eine Unternehmensteuerreform ist aus Sicht der FDP
überfällig. Sie muss mit Entlastungen der Unterneh-
men verbunden sein. Wenn ich mir die Diskussion inner-
halb der Reihen der SPD gegenwärtig anhöre und das
betrachte, was die Fraktion der Linken vorträgt, dann
kann ich mich nur wundern. Der Volkskongress Chinas,
einer der letzen kommunistischen Staaten dieser Welt
– und zwar kein kleiner –, hat vor 14 Tagen beschlossen,
dass alle Unternehmen jedweder Rechtsform nur noch
mit 25 Prozent besteuert werden sollen.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Hier zahlen sie weniger als die Hälfte!)


Das hat man in Deutschland noch nicht verstanden. Das
ist der Maßstab, der gesetzt wird.


(Beifall bei der FDP)


Die Frage ist, wie wir dagegen bestehen wollen. Sie
diskutieren darüber, ob 30 Prozent niedrig genug sind.
Ganz egal, ob Sie das gut oder schlecht finden: Diesen
Maßstäben können Sie sich in einem globalisierten Wett-
bewerb nicht entziehen. Die Reform, die Sie uns vor-
schlagen, ist bedauerlicherweise völlig unzusammen-
hängend und ein Bündel von Einzelmaßnahmen, die sich
teilweise widersprechen. Sie ist unsystematisch, unge-
recht und verfassungsrechtlich äußerst bedenklich. Da-
rauf will ich eingehen.


(Beifall bei der FDP)


Zunächst einmal begrüßen wir die Senkung der nomi-
nalen Steuersätze. Kommt denn aber wirklich eine Steu-

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(C (D rsenkung bei der Wirtschaft an, oder fangen Sie die ositiven Effekte durch Ihre Gegenfinanzierungsmaßahme nicht gerade wieder ein? Sie gaukeln der Wirtchaft vor, sie würde entlastet, sagen aber nicht öffentich, dass die Wirtschaft die Entlastung selbst bezahlen uss. Noch viel schlimmer ist aber, dass Sie die Wirt chaft mit Ihren Maßnahmen nicht gleichmäßig treffen. Es mag richtig sein, dass der Vorwurf einer Mitteltandslücke nicht genau trifft; allerdings stimmt es, dass ie die gewinnschwachen, kapitalschwachen und forchungsintensiven Unternehmen zusätzlich belasten, ährend Sie die ertragsstarken, international tätigen Un ernehmen entlasten. Sie erzeugen genau die falsche enkungswirkung. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Joachim Poß [SPD]: Das hängt davon ab, wofür gestaltet wird!)


as ist eine Steuerreform für Siegerunternehmen.


(Joachim Poß [SPD]: Das ist so nicht richtig!)


ie müssten dagegen die forschungsintensiven, die
euen und die noch kapitalschwachen Unternehmen
tärken, damit sie im internationalen Wettbewerb überle-
en können und neue wirtschaftliche Tätigkeit entstehen
ann. Das ist offenkundig nicht in Ordnung.

Darüber hinaus ist die Reform verfassungsrechtlich
ußerst bedenklich, weil Sie die Grundprinzipien der Be-
teuerung über Bord geworfen haben. Ich erinnere die
ollegen von der CDU/CSU und besonders den Kolle-
en Wolfgang Schäuble an die Steuerreformkommission
es Jahres 1996 unter dem Vorsitz von Theo Waigel. In
er ersten Sitzung ist die Frage gestellt worden, ob wir
n den Grundprinzipien der Besteuerung nach der Leis-
ungsfähigkeit und dem objektiven Nettoprinzip festhal-
en wollen. Niemand hat sich dagegen ausgesprochen.
lle waren selbstverständlich dafür. Diese Prinzipien

ind ja verfassungsrechtlich fundiert. – Heute spielt das
eine Rolle mehr.

Umso mehr habe ich mich darüber gewundert, dass
inisterpräsident Koch aus Hessen zusammen mit Herrn

teinbrück durch das bekannte Koch/Steinbrück’sche
apier damit begonnen hat, die Grundprinzipien der Be-
teuerung sozusagen zur Beliebigkeit zu erklären.


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist doch Quatsch!)


Gegenwärtig wird ein Gutachten beim Bundesfinanz-
of eingereicht – alle Fraktionen dieses Hauses sind da-
über informiert und tragen dies mit –, in dem der Ver-
assungsrechtler Professor Waldhoff noch einmal darauf
inweist, dass diese Prinzipien Verfassungsrang haben.
ch will nur zwei Sätze zitieren:

Die ständige Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts leitet aus dem allgemeinen Gleich-
heitssatz ein grundsätzliches Gebot der Steuerge-
rechtigkeit her, das sich als Gebot der Besteuerung
nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit er-
weist.






(A) )



(B) )


Dr. Hermann Otto Solms
Und an anderer Stelle:

In § 2 Abs. 2 EStG hat das objektive Nettoprinzip
insofern seine Verwirklichung gefunden, als dass
Einkünfte nur Reineinkünfte sind, das heißt der Ge-
winn bzw. der Überschuss der Einnahmen über die
Werbungskosten. Durchbrechungen dieses Prinzips
bedürfen der verfassungsrechtlichen Rechtspre-
chung.

Jetzt möchte ich gerne von Herrn Koch hören, wie er
verfassungsrechtlich begründet – er ist ja ein anerkannter
Jurist –,


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)


dass das objektive Nettoprinzip nun offenkundig keine
Rolle mehr spielt, weil Verluste und Kostenbestandteile
in die steuerliche Bemessungsgrundlage aufgenommen
worden sind. Das ist in unseren Augen überhaupt nicht
akzeptabel.


(Beifall bei der FDP)


Das ist im Übrigen wirtschaftlich auch gar nicht not-
wendig. Verfassungsgrundsätze können sich nicht an der
politischen Tagesnotwendigkeit orientieren, sondern sie
müssen gelten. Es ist aber auch deshalb nicht notwendig,
weil es nicht stimmt, was Sie hinsichtlich der Gewinn-
verschiebungen ins Ausland behaupten. Es wurde ja ge-
rade nachgewiesen, dass die international tätige Wirt-
schaft etwa 75 Prozent ihrer Gewinne im Ausland
erzielt, trotzdem aber über 50 Prozent der Steuern in
Deutschland abliefert. Das heißt, der deutsche Fiskus hat
einen überproportionalen Anteil an der Gewinnbesteue-
rung der deutschen international tätigen Unternehmen.
Es gibt also überhaupt keinen Anlass, diese Gewinnver-
schiebungen zu unterstellen. Deswegen bin ich der Mei-
nung, dass in diesem Bereich eine Korrektur notwendig
ist.

Ich sage Ihnen schon jetzt: Wenn Sie diese verfas-
sungsrechtlich bedenklichen Vorschriften im Gesetzge-
bungsverfahren nicht korrigieren, dann werden Sie
zwangsläufig – auf wessen Initiative hin auch immer –
vor den Schranken des Bundesverfassungsgerichtes lan-
den.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Aber was erreichen Sie damit eigentlich politisch? Sie
versuchen, um Deutschland herum eine Steuermauer
hochzuziehen, und zwar aus Angst, die Steuerpflichtigen
würden Deutschland verlassen. Was erreichen Sie denn
damit, wenn Sie eine Mauer bauen? Die DDR hat es Ih-
nen doch vorgemacht!


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Nicht alles, was hinkt, ist ein guter Vergleich!)


Kein Ausländer wird mehr hierher kommen, um hier zu
investieren, und alle Inländer, die schnell und clever
sind, werden das Land verlassen. Das ist die Konse-
quenz, wenn Sie eine solche Steuermauer aufbauen.

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(C (D Oder wie es Manfred Schäfers von der „Frankfurter llgemeine Zeitung“ schon im Sommer letzten Jahres eschrieben hat: Wenn Unternehmen mit ihren Gewinnen nicht zurückkommen, sperrt man wenigstens die ein, die noch da sind. Das sind sozialistische Rezepte. as kann nicht funktionieren. Wenn Sie die Gewinne in eutschland einsperren wollen, dann werden die Unterehmen ihren Sitz nach und nach ins Ausland verlegen. enau das Gegenteil ist aber die Politik, die wir für eutschland brauchen. Herr Steinbrück, die Österreicher haben es uns doch orgemacht: Sie haben eine exzellente Unternehmenteuerreform gemacht, die, im Gegensatz zu dem, was ie hier bieten, auch europarechtsfähig ist. (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war aber auch eine Lohnsummensteuer!)


(Beifall bei der FDP)


nd was haben die Österreicher erreicht? Sie haben ei-
en riesigen wirtschaftlichen Erfolg, dort liegt die Ar-
eitslosenquote nur halb so hoch wie in Deutschland, es
ibt Wachstum und Auslandsinvestitionen – verhältnis-
äßig betrachtet, Österreich ist ja ein relativ kleines
and – in einem Ausmaß, wie wir es uns nur erträumen
önnen.

Schließlich ein Wort zur Gewerbesteuer. Natürlich
st die Gewerbesteuer ein Fremdkörper. Reden Sie doch
icht drum herum! Es geht doch nicht darum, den Ge-
einden die Finanzierungsgrundlage zu entziehen. Es

eht darum, ein modernes, wettbewerbsfähiges, flexibles
nternehmensteuerrecht zu schaffen. Dabei hat die Ge-
erbesteuer nichts verloren.


(Beifall bei der FDP)


Über die Abschaffung der degressiven AfA will ich
ar nicht erst reden. Sie haben die degressive AfA für
wei Jahre angehoben und glauben, das wäre es gewe-
en, sie könnten die AfA jetzt abschaffen, die Wirtschaft
oomt und das geht so weiter. Ich sage: Nein, beim
ächsten Konjunktureinbruch wird sich das rächen. Sie
erden sehen, dass die degressive AfA auch in Zukunft
otwendig sein wird. Die Länder um uns herum machen
s doch genauso. Wir sind doch nicht auf einer einsamen
nsel.

Zusammenfassend möchte ich sagen, Herr Steinbrück:
ir brauchen eine Steuerreform. Die FDP hat ihre Vor-

chläge in Gesetzestextform vorgelegt. Wir sind bereit,
arüber zu reden. Eine Senkung der Unternehmensteuer-
elastung ist zwingend notwendig. Aber sie muss sich an
en internationalen Maßstäben orientieren. Sie muss zu-
em auf der Basis der Prinzipien unserer Verfassung ge-
taltet werden. Eine Alternative dazu kann es nicht ge-
en.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609200400

Ich erteile das Wort dem hessischen Ministerpräsiden-

ten Roland Koch.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1609200500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Unternehmensteuerreform ist ein wichtiger
Baustein zur Verbesserung der wirtschaftlichen Chancen
in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist aber nicht der
einzige Baustein. Sicherlich muss sie im Zusammenhang
mit den Fragen betreffend den Forschungs- und Ent-
wicklungsstandort Deutschland, wie es in den letzten
Monaten mehr und mehr – auch als eine Konsequenz aus
dem 25-Milliarden-Euro-Programm, das die Große
Koalition national aufgelegt hat und das die Länder er-
gänzen müssen – deutlich wurde, und manch anderer
Maßnahme gesehen werden. Wenn ich lobend über die
Unternehmensteuerreform als eine Chance spreche,
dann will ich nicht verhehlen, dass aus meiner Sicht die
offene Flanke bleibt, dass man ohne die notwendige
Flexibilisierung des Arbeitsrechts die Attraktivität des
Wirtschaftsstandorts Deutschland nicht alleine durch
eine Unternehmensteuerreform sichern kann. Es bleibt
also auch in Zukunft noch etwas zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das darf und soll aber nicht mindern, was wir hier ge-
meinsam erreichen können.

Der Gesetzentwurf, den Herr Kollege Steinbrück für
die Bundesregierung eingebracht hat, ist das Ergebnis ei-
ner engen Zusammenarbeit zwischen der Bundesregie-
rung, den Koalitionsfraktionen und einem großen Teil
der Bundesländer. Wir sind für diese Zusammenarbeit,
die zu einem frühen Zeitpunkt begann und in die der
Sachverstand der Landesfinanzverwaltungen einbezogen
wurde, außerordentlich dankbar. Es war in der Tat wich-
tig, dass ein solches Thema nicht von Anfang an in die
Mühlsteine ideologischer Auseinandersetzungen geraten
ist. Wir sehen jeden Tag, dass diese Gefahr besteht. Ich
bin Herrn Kollegen Steinbrück dankbar, dass wir auf
beiden Verhandlungsseiten ein Klima geschaffen haben,
das es uns ermöglicht, weitergehende Schritte zu ma-
chen, als es viele in den Reihen der Großen Koalition für
möglich gehalten haben.

Herr Kollege Solms, es stimmt, dass diese Unterneh-
mensteuerreform zu einer veränderten Unternehmensbe-
steuerung führt. Aber wir müssen zum Beispiel von Ös-
terreich lernen. Eines der wesentlichen Hindernisse im
deutschen Steuerrecht, die wir in der Vergangenheit als
Problem mit uns herumgeschleppt haben, war, dass alle
steuerlichen Systeme so eng miteinander vernetzt waren,
dass die mit der Funktion des sozialen Ausgleichs be-
legte individuelle Einkommensteuer unmittelbare Kon-
sequenzen für die Unternehmensbesteuerung im Ganzen
hatte. Das bedeutet nüchtern gesehen, dass man, wenn
man die Funktion des sozialen Ausgleichs der individu-
ellen Einkommensbesteuerung nicht aufgeben will, die
Unternehmensbesteuerung in ein enges Korsett zwängt.

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(C (D adurch haben wir zunehmend an internationaler und uropäischer Wettbewerbsfähigkeit verloren. Das Unternehmensteuerrecht, das nun geschaffen ird, ermöglicht uns zwei Dinge getrennt zu sehen: die ndividuelle Besteuerung persönlichen Einkommens und ie Belastung der Unternehmenserträge im internationaen Vergleich. Dies ist die einzige Chance, mittelfristig it Nachbarländern wie den Niederlanden und Östereich sowie den großen Wettbewerbern in der Welt zu onkurrieren. Deshalb ist diese Unternehmensteuerreorm ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der ettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Entscheidung der beiden Koalitionsfraktionen
nd derjenigen, die den Gesetzentwurf begleitet haben,
inserträge zu unternehmerischen Erträgen und nicht
ehr zu privaten Erträgen zu rechnen, das heißt, sie in

ie Pauschalierung durch eine Abgeltungsteuer einzube-
iehen, ist für ein Land wie die Bundesrepublik Deutsch-
and, das nicht nur viel Kapital braucht, sondern das
uch eine außerordentlich große Kompetenz darin hat,
apital zu verwalten, ein wichtiger Schritt, die Wettbe-
erbsfähigkeit Deutschlands im internationalen Konzert

u erhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich, der ich das Bundesland Hessen vertrete und aus
rankfurt komme, das mit London im Wettbewerb steht,
ann nur sagen: Wir haben aufgrund bestimmter Fehler
m Investmentbanking nicht mehr ganz die Nase vorne,
ohl aber im Asset Management. Um das Asset Ma-
agement auf Dauer in Deutschland zu halten, ist es au-
erordentlich wichtig, ein einfaches und überschaubares
teuerrecht – auch bei der Besteuerung von Zinserträgen
nd Unternehmenserträgen – zu haben. Ich erlaube mir,
n dieser Stelle zu sagen: Auch wegen des Verhetzungs-
otenzials, das bei solchen Reformen bestehen kann, ist
as eine Aufgabe, die eine große Koalition erledigen
uss. Ich bin froh darüber, dass sich die beiden Koali-

ionsfraktionen im Deutschen Bundestag entschlossen
aben, diese Aufgabe zu leisten. Sie wird weit über die
ahre einer solchen Regierung hinaus Bedeutung für die
eutsche Wirtschaft haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir befinden uns doch in einer Situation, in der wirk-
ich niemand auf den Gedanken kommen kann, man
önnte in dieser Frage eine Mauer ziehen. Das hat Kon-
equenzen: Man muss sicherstellen, dass Menschen, die
berall auf der Welt unternehmerische Entscheidungen
reffen, die Frage, ob sie denn hier in der Bundesrepublik
eutschland unternehmerisch aktiv sein wollen, positiv
eantworten können. Wenn ich einem Unternehmer
age, dass der Spitzensteuersatz zwar grob 25 Prozent
ehr – 40 statt 30 Prozent – als in jedem anderen Land

n Europa und in der Welt beträgt, in dem sie ihre unter-
ehmerischen Entscheidungen treffen könnten, und dann
inzufügen muss: „Nimm das aber nicht so tragisch;
enn wenn man alle Verrechnungs-, Ausgleichs- und
bschreibungsmöglichkeiten berücksichtigt, dann sieht






(A) )



(B) )


Ministerpräsident Roland Koch (Hessen)

man, dass die Realbesteuerung viel niedriger ist“, dann
muss dieser Unternehmer über die Frage entscheiden:
Nehme ich ein Land mit einem einfachen Steuergesetz
und einem niedrigen Steuersatz, oder nehme ich ein
Land mit einem hohen Steuersatz und beschäftige einen
guten Steuerberater? Warum soll er die zweite Alterna-
tive wählen? Wir geben ihm in Zukunft die Möglichkeit,
die erste zu wählen, meine Damen und Herren. Das ist
ein wichtiger Teil internationaler Wettbewerbsfähigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es sei auch klar gesagt: Natürlich verursacht eine sol-
che Steuerreform am ersten Tag einen Ausfall, schon
deshalb, weil die niedrigeren Sätze am ersten Tag gelten,
die Gegenfinanzierungsmechanismen aber erst lang-
sam wirken, und auch deshalb, weil ein Unternehmen
sich überhaupt erst entscheiden muss, hierherzukommen
– das dauert – und sich anzusiedeln – das dauert –, und
für das erste Jahr Steuern zahlen muss – das dauert noch
einmal –, bis wir tatsächlich Wirkungen feststellen. Es
ist aber ein entscheidender Schritt, dass man in einem in-
ternationalen Standortwettbewerb sagen kann: Wir kom-
men jetzt auf einen Steuersatz, der dem durchschnitt-
lichen Steuersatz internationaler Konzerne – wo immer
auf der Welt sie angesiedelt sind – entspricht; es gibt kei-
nen Grund mehr, einen Bogen um Deutschland zu ma-
chen. Das ist eine wichtige Botschaft, die wir mit dieser
Unternehmenssteuerreform senden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es gibt aber auch die andere Seite. Herr Kollege
Solms, hier bin ich wirklich anderer Meinung als Sie.
Wir haben bei dieser Steuerreform mit den Länder-
finanzverwaltungen etwas gemacht, was nicht selbstver-
ständlich ist: Wir haben sehr viele Steuerakten gezogen,
sehr viele Realvergleiche gemacht, über den letzten
Sommer sehr viele Basistests gemacht und uns Unter-
nehmen angeschaut, sodass wir jetzt einen ziemlich prä-
zisen Überblick darüber haben, was in den Unternehmen
in der Bundesrepublik Deutschland wirklich steuerlich
geschieht. Zu sagen, dass es keine Verlagerung ins Aus-
land gebe, widerspricht jedem Gespräch, das doch auch
Sie mit Beteiligten in den Wirtschaftskreisen geführt ha-
ben, in dem mit stolz geschwellter Brust über die Opti-
mierungsmöglichkeiten der steuerberatenden Gesell-
schaften in den letzten Jahren geredet wurde.

Wir haben es hier mit konkreten Fällen zu tun. Ich
sehe ja, wer jetzt zu mir kommt, wer Probleme hat und
wo er die Schwierigkeiten sieht. Das ist alles geltendes
Recht. Wenn ich eine Investition in einem anderen euro-
päischen Land oder in Amerika tätige und meine Er-
träge, die ich dort erziele – die aber sehr hoch sind, weil
ich die Kosten nicht in diesem Land geltend gemacht
habe –, vollständig in diesem Land versteuere und nach
dem Doppelbesteuerungsabkommen am Ende steuerfrei
nach Deutschland transferiere, gleichzeitig aber hier in
Deutschland die vollen Kreditkosten geltend gemacht
habe, weil ich sie in Deutschland verrechnet habe, dann
ist das geltendes Recht in der Bundesrepublik Deutsch-
land. Das ist niemandem übel zu nehmen. Es ist wahr-
scheinlich in einer Kapitalgesellschaft sogar Untreue,
wenn man es nicht so machen würde. Aber wenn der

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(C (D urchschnittliche Steuersatz dem Weltsteuersatz entpricht, dann kann ich erwarten, dass die Allokationen ieder da stattfinden, wo die wirtschaftlichen Erträge ind. Ein Unternehmen, das 60 Prozent des Umsatzes in eutschland macht und 40 Prozent der Produktion in eutschland hat, kann nicht 98 Prozent der Zinskosten n Deutschland haben. Das geht nicht. as ist kein ganz theoretischer Fall. Es ist eine notwendige Balance, auf der einen Seite nternationale Steuersätze zu haben und auf der anderen eite diesen Schritt in einer solchen Weise zu ermöglihen. Wir werden eine solche Steuerreform immer zwichen den unterschiedlichen Triebkräften der Wirtschaft alancieren müssen. Hier geht es auch um einen Wettbeerb von internationalen Konzernen. Ich glaube, das ollte man auch nicht bestreiten; denn wenn wir die inernationalen Konzerne nicht mehr in Deutschland haen, dann werden Millionen von Arbeitsplätzen in mitelständischen Unternehmen, die eng mit diesen onzernen vernetzt sind, nicht mehr da sein. Ich kann in großes internationales Unternehmen, etwa einen Auomobilkonzern, nicht unter dem Motto betrachten: Da ind die Superreichen, die entlaste ich steuerlich. Wenn ich dieses Unternehmen aus steuerlichen Gründen dazu ntscheidet, nicht mehr hier tätig zu sein, dann hat dies uswirkungen auf eine riesige Zahl von mittelständi chen Unternehmen. Gehen Sie durch das Land: Das ist n der Automobilindustrie so, das ist in der Dienstleisungsindustrie so. Es ist nicht richtig, zwischen den roßunternehmen und dem Mittelstand zu unterscheien. Wir brauchen in der Steuerpolitik eine Kombinaion, die beide berücksichtigt. Wir müssen schauen, mit elchen Maßnahmen wir den Mittelstand in den letzten ahren entlastet haben, und wir dürfen ihn nicht erneut elasten. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass die ualität des Standortes Bundesrepublik Deutschland in ernationales Niveau erreicht. Genau das geschieht in iesen Tagen. Ich glaube, dass in den Beratungen im Bundestag und m Bundesrat noch über manches Detail gesprochen erden wird. Eines sollte dabei deutlich werden: Wir haen eine neue Philosophie von Freigrenzen und Freiberägen eingeführt, die logischerweise Mittelstandsgrenen sind. Mit Freigrenzen und Freibeträgen kann ich inen Weltkonzern nicht besonders glücklich machen. enn der Freigrenzen braucht, ist er kein Weltkonzern ehr. Aber ein mittelständisches Unternehmen, das bis er bei der Gewerbesteuerhinzurechnung vom ersten ent an gezahlt hat, in Zukunft aber eine Freigrenze von 00 000 Euro hat, erhält dann einen massiven Spielraum nd erfährt eine massive Entbürokratisierung. Wenn man edenkt, dass ein Unternehmen einen Kredit in Höhe on 20 Millionen Euro aufnehmen muss, bevor die Zinschranke und andere Maßnahmen greifen, dann ist erichtlich, dass der überwiegende Teil der mittelständichen Industrie davon gar nicht betroffen ist. Das ist die bsicht. Wir wollen international wettbewerbsfähige roßkonzerne im Land haben, die im Zusammenwirken Ministerpräsident Roland Koch mit mittelständischen Unternehmen neue Arbeitsplätze in Deutschland schaffen und neue Unternehmensgründungen ermöglichen. Ich bin mir sehr wohl im Klaren darüber, dass über manches Detail der Unternehmensteuer auch in Zukunft im Deutschen Bundestag gestritten werden wird. Ich nenne die Stichworte Funktionsverlagerung, Mantelkauf, PPP-Geschäfte und Venture Kapital. Ich weiß, dass in den Beratungen der Ausschüsse in den nächsten Wochen viel Papier gewendet werden wird. Ich finde, dass es denen, die an dem Gesetzentwurf mitgewirkt haben, nicht schlecht ansteht zu sagen, dass sie wissen, dass sie Kompromisse gemacht und manchmal technisches Neuland beschritten haben und sie auch nicht die Allerklügsten in der Welt sind. Das heißt, man kann über die Frage, was im Einzelfall gemacht werden kann, sicherlich auch an der einen oder anderen Stelle reden. Wir sehen, dass zum Beispiel in der Leasingbranche manche Diskussion geführt wird. Leasing hat sich etwas anders entwickelt, als es eigentlich unternehmerisch gedacht war. Leasingunternehmen sind manchmal in ihrem realen Verhalten zu Banken geworden. Das macht ihnen jetzt Schwierigkeiten. Darüber muss man miteinander sprechen. Ich glaube, dass es Lösungen für die Probleme gibt. Wir müssen weiter über die Frage reden, was uns die Forschung wert ist. Das betrifft auch die Frage der Bewertung gerade von jungen Unternehmen. Die Diskussion, ob man bei kleinen und mittleren Unternehmen im Bereich der Forschung, die neu an den Markt kommen, die Zinsschranke mit dem EBIT in irgendeiner Weise verbinden kann, ist vollkommen unideologisch. Es interessiert beide Seiten der politischen Lager, wie forschungsintensive Unternehmen angelockt werden können. Es wird jedoch am Ende ein ausgewogenes Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben geben müssen. Die 5 Milliarden Euro Entlastung mögen manchem als eine fixe Grenze erscheinen. Sie ist in der Tat eine politische Grenze und ein Ergebnis des politischen Kompromisses. Manchmal wäre es uns leichter gefallen, unseren sozialdemokratischen Kollegen zu sagen, dass es vielleicht nicht ganz so entscheidend ist, ob es 5,2 Milliarden Euro oder 4,9 Milliarden Euro sind, vor allem wenn man weiß, wie solche Zahlen errechnet werden. Aber eines will ich auch sagen: Wenn jetzt über diese Frage eine Diskussion stattfindet, dann muss jedermann klar sein, dass es die feste Überzeugung derer ist, die diese Unternehmensteuerreform vorgelegt haben, dass es sich dabei um eine unternehmerische Aktivität der Bundesrepublik Deutschland handelt. Es geht um die Frage: Wie schafft man es, auf einem internationalen Markt, auf dem es keine Grenzen gibt, Unternehmen dazu zu bringen, in die Bundesrepublik Deutschland zu investieren? Wie gebe ich ihnen eine Chance, ihre wirtschaftliche Zukunft hier zu sehen? Denn die einzige Möglichkeit für uns als Steuereinnehmer, „Geld zu verdienen“, besteht darin, dass sich Unternehmen entscheiden, sich hier anzusiedeln und auch hier zu bleiben. In einem Europa ohne Grenzen kann man in Frankreich, in Polen, in Österreich und an vielen anderen Plätzen in K a p z p W k m a m b m g m u g D D H „ d l r l s b v d R s w p B d t h W a D f T M e (C (D ilometerentfernung, nicht in kontinentaler Entfernung, lle Aktivitäten entfalten, die man auch in der Bundesreublik Deutschland entfalten kann. Man kann Waren ollfrei und ohne nennenswerte Kosten in die Bundesreublik Deutschland bringen. Wer nicht will, dass wir am ettbewerb um den besten Standort teilnehmen, der ann sich auf den Standpunkt stellen, einem Unternehen keinen einzigen Cent als Anreiz zu geben. Der wird ber am Ende weniger Steuereinnahmen haben. Wenn an aber jetzt wettbewerbsorientierte Steuerpolitik etreibt, dann gibt man kein Geschenk an die Unternehen, sondern ein Geschenk an die Bürgerinnen und Bür er der Bundesrepublik Deutschland, die auf Dauer ehr Geld zur Verfügung haben (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Das ist ja dreist!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


nd in diesem Land mit hohem Standard und vernünfti-
er sozialer und politischer Infrastruktur leben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


arüber werden wir auch in den nächsten Monaten eine
ebatte führen.

Ich glaube sehr wohl, dass man – das schreibt auch
err Professor Lang in der heutigen Ausgabe der

Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ – alle Probleme, von
en verfassungsrechtlichen bis hin zu den finanziellen,
ösen kann. Ich bin nach wie vor davon überzeugt: Zahl-
eiche Punkte dieser Unternehmensteuerreform sind vie-
en in den Wirtschaftsverbänden, in den beiden politi-
chen Lagern und in der Wissenschaft, die uns lange
eraten hat, schwergefallen. Dennoch sind nahezu alle
on ihnen der Auffassung – das finde ich spannend –,
ass das Gesamtwerk ein großer Schritt in die richtige
ichtung ist und dass daher nicht jeder Punkt, der per-

önliche Beschwernis bereitet, zum Anlass genommen
erden sollte, wieder mit großem Geschrei gegen diese
olitische Entscheidung vorzugehen.

Ich wünsche den Beratungen von Bundestag und
undesrat, dass das in den nächsten Wochen nicht an-
ers wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir etwas
un, was Menschen, die in diesem Land Arbeit suchen,
ilft, was dem Standort Deutschland im internationalen
ettbewerb hilft und was, wenn es gelingt, nicht zuletzt

uch dem Ansehen der Politik in der Bundesrepublik
eutschland keineswegs schadet.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609200600

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Barbara Höll

ür die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609200700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

agesordnungspunkt 7 der Finanzausschusssitzung am
ittwoch war eine Diskussion über die Empfehlung für

ine Stellungnahme des Rates der Europäischen Union






(A) )



(B) )


Dr. Barbara Höll
zum aktualisierten Stabilitätsprogramm Deutschlands.
Ich zitiere daraus:

Ein signifikantes Risiko erwächst überdies aus der
2008 geplanten Unternehmenssteuerreform. … So
könnte es erforderlich werden, etwaige Einnah-
meausfälle bei der Körperschaftssteuer durch zu-
sätzliche Ausgabenzurückhaltung aufzufangen.

Das heißt, Herr Steinbrück, nicht nur wir als Linke, nicht
nur viele Wissenschaftler, sondern auch Politiker auf eu-
ropäischer Ebene sehen Ihre Reform äußerst kritisch und
zweifeln an der Richtigkeit der geplanten Steuerausfälle
in Höhe von 6 Milliarden Euro.


(Beifall bei der LINKEN)


Es stellen sich zwei politische Fragen: Erstens. Brau-
chen wir eine Unternehmensteuerreform? Zweitens.
Können wir uns eine Reform leisten, die zu massiven
Steuerausfällen für die öffentliche Hand führt?

Die erste Frage beantworte ich Ihnen ganz klar mit Ja;
denn es ist eine Frage der Gerechtigkeit. Aristoteles for-
mulierte: Des Staates höchstes Gut ist die Gerechtigkeit,
und gerecht ist, was dem Gemeinwesen frommt. Das Ge-
rechte muss aber für alle etwas Gleiches sein.

In den Jahren 1991 bis 2004 – in diesem Zeitraum
war jeweils eine der beiden Fraktionen, die heute die
Große Koalition bilden, Regierungsfraktion – stiegen die
Einkommen aus Vermögen in Deutschland um
43 Prozent und die aus Gewinnen um 27 Prozent. Dem-
gegenüber stiegen Löhne und Gehälter gerade einmal
um 10 Prozent. Bei den Lohnabhängigen und bei den
Beamten waren allerdings nicht 10 Prozent mehr im
Portemonnaie; denn ihre Steuerbelastung stieg unter an-
derem auch durch die Mehrwertsteuererhöhung um
1 Prozent.

Bei den Gewinnen und Vermögen sah es natürlich an-
ders aus. Sie wurden sogar noch entlastet: Die effektive
Steuerlast sank in diesen Jahren. Der Anteil der Gewinn-
steuern, also der Erträge der Kapitalgesellschaften am
Bruttoinlandsprodukt, lag 2003 in Deutschland bei ge-
rade einmal 1,3 Prozent. Im OECD-Durchschnitt waren
es 3,3 Prozent. Wir in der Bundesrepublik haben also ein
massives Gerechtigkeitsproblem. Das Bundesverfas-
sungsgericht hat Ihnen ins Stammbuch geschrieben, dass
es im Sinne der verhältnismäßigen Gleichheit notwendig
ist, dass die wirtschaftlich Leistungsfähigeren einen
höheren Prozentsatz ihres Einkommens an Steuern zah-
len müssen. Daran sollten Sie sich messen lassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben Ihnen unsere Vorschläge für eine Unter-
nehmensteuerreform in einem Antrag vorgelegt. Diese
Unternehmensteuerreform soll eine sozial gerechte Be-
teiligung der Unternehmen an der Finanzierung der öf-
fentlichen Aufgaben sicherstellen. Ich nenne Ihnen nur
einige Stichpunkte: Beibehaltung des Körperschaftsteu-
ersatzes bei 25 Prozent; Verbreiterung der steuerlichen
Bemessungsgrundlage von Unternehmen; Aufdeckung
und Unterbindung von konzerninternen Gestaltungsmo-
dellen. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die im In-
land anfallen, werden durch obligatorische Kontrollmit-

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(C (D eilungen der Banken an die Finanzämter effektiver rfasst und bei allen Einkommensteuerpflichtigen nach em Einkommensteuertarif besteuert. Mit diesen Vorschlägen und ihrer Umsetzung ist auch ie zweite Frage von uns gut zu beantworten: Wir könen es uns nicht leisten, auf Geld für die öffentliche and zu verzichten. Das wäre mit der Umsetzung der on uns vorgeschlagenen Reform gesichert. Mit dem, was Sie bei Ihrer Unternehmensteuerreform orschlagen – ja, auch Sie möchten eine –, mit dem Wie eigen Sie, dass Ihnen jegliches, aber auch wirklich jegiches Gefühl für Gerechtigkeit abhandengekommen ist. Sie behaupten doch allen Ernstes, dass die Kapitalgeellschaften und ertragsstarken Unternehmen – das sind ie, die Sie mit Ihrem Gesetz entlasten wollen – bei der teuerentlastung im Vergleich zu den kleinen und mittleen Personenunternehmen, die in der Steuerreform 2000 ntlastet wurden, einen Nachholbedarf haben. Ich frage ich wirklich: Denken Sie, hier sind alle dumm und mit em Klammerbeutel gepudert? Meinen Sie, dass die teuerbeschlüsse von Rot-Grün vergessen sind? Wann aben wir denn den Körperschaftsteuersatz gesenkt? 001 wurde er auf nur noch 25 Prozent gesenkt. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die anderen haben auch gesenkt! – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Denken Sie an China!)


ie ist es denn mit der Steuerfreiheit von Veräußerungs-
ewinnen? Allein das kostet die öffentliche Hand jähr-
ich 13 Milliarden Euro, Geld, das dringend gebraucht
ird.


(Beifall bei der LINKEN)


Natürlich muss von Ihnen jetzt wieder der Zwischen-
uf kommen: internationaler Wettbewerb, Globalisie-
ung; wir müssen senken. Ich kann mich aus Zeitgrün-
en nicht weiter damit auseinandersetzen. Ich zitiere
infach den ersten Satz aus dem Papier der parlamentari-
chen Linken der SPD-Bundestagsfraktion: Von einer zu
ohen steuerlichen faktischen Gesamtbelastung der Un-
ernehmen in Deutschland kann auch im internationalen
ergleich überhaupt keine Rede sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Abgesehen davon, dass für eine Standortentschei-
ung die Steuersätze nicht der entscheidende Faktor
ind, abgesehen davon, dass ein guter Standort es recht-
ertigt, dass auch etwas mehr Steuern bezahlt werden
üssen, und abgesehen davon, dass die effektive Steuer-

ast der deutschen Unternehmen im europäischen Mittel-
eld liegt: Herr Steinbrück, haben Sie sich einmal
efragt, wo Sie enden, wenn Sie diese Steuersenkungs-
olitik – von 1982 bis 2004 eine Senkung der Tarife von
0 auf 17 Prozent – fortsetzen? Ich sage Ihnen: 2045
ind wir bei null Steuern.

Da ist Ihre Entscheidung gefragt. Statt als mächtigstes
ndustrieland in Europa heute zu sagen: „Halt! Stopp mit
iesem Steuerwettbewerb! Das können wir uns nicht






(A) )



(B) )


Dr. Barbara Höll
leisten“, stellen Sie sich an die Spitze des Steuerwettbe-
werbs und wollen weiter in diese Richtung marschieren.
Das ist keine intelligente Reaktion, wie Sie sie in der Be-
gründung Ihres Gesetzentwurfs noch versprechen.

Sie haben nur eines sichergestellt: dass Ihre Reform
wieder durch Kinder, Studierende, Rentnerinnen und
Rentner, Arbeitslose sowie Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer bezahlt wird. Die Erhöhung der Mehrwert-
steuer um 3 Prozentpunkte haben Sie durchgedrückt; da
bleibt ja locker Geld zur Entlastung der Unternehmen.

Die Abgeltungsteuer ist schon ein besonderes
Schmeckerchen. Man sagt, die Erotik des Alters sei das
Essen. Ich habe im Prozess der Auseinandersetzung mit
Ihrem Gesetzentwurf gelernt, dass es noch eine typisch
deutsche Kompensation für Erotik gibt. Die Sucht nach
Gestaltungsmodellen und Vergünstigungen in Deutsch-
land ist größer als der Sexualtrieb. – So der Vorsitzende
der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Herr Ondracek, aus
langjähriger Erfahrung der Finanzbeamten.

Wie reagieren Sie? Sie schaffen mit der Abgeltung-
steuer eine finanzamtsfreie Zone.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hat die jemand gefordert?)


Ich frage Sie mit der parlamentarischen Linken der SPD-
Fraktion: Steuerausfälle von mindestens 25 Milliarden
Euro über die nächsten fünf Jahre, ein Körperschaftsteu-
ersatz von 15 Prozent und eine Abgeltungsteuer von
25 Prozent, das soll mit einem Mal sozialdemokratische
Zukunftspolitik sein?

Sie haben uns auf Ihrer Seite, wenn Sie es durchset-
zen, im Zuge der Unternehmensteuerreform eine Unter-
nehmensteuerreform in unserem Sinne zu machen und
gleichzeitig, wie versprochen, die sozial gerechte Be-
steuerung von Vermögen und Erbschaften, die Einfüh-
rung eines Mindestlohns von 8 Euro und die beitrags-
freie Kinderbetreuung zu diskutieren.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wiedervereinigung mit der SPD?)


Sie haben noch die Chance, auf Ihrem falschen Weg um-
zukehren.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609200800

Das Wort erhält nun die Kollegin Christine Scheel für

die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609200900

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Frau Höll, mein Fraktionschef hat gerade so schön ge-
sagt: „Die Wiedervereinigung mit der SPD wird so
schnell nicht stattfinden.“ Ich glaube, die Sozialdemo-
kraten, die sich das heute angehört haben, haben große
Probleme mit solch einer Vorstellung.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir aber auch! – Zuruf von der CDU/CSU: Das e S w g S b L m w s M t h l o n N d s B e 0 D l n w h k N b n E t t v t l s n D e d e a A a (C (D war damals eine Zwangsvereinigung! Das war nicht freiwillig!)


Das, was Sie gesagt haben, hört sich vielleicht für den
inen oder anderen in der Bevölkerung so an, als würden
ie sich für die Gerechtigkeit einsetzen. In Wirklichkeit
äre die Umsetzung Ihrer finanzpolitischen Vorstellun-
en für Deutschland ein Rückschritt, kein Fortschritt:
ie würde keine neuen Arbeitsplätze bringen; sie würde
ei unseren Unternehmen zu riesigen Problemen führen.
etztendlich wären die, von denen Sie glauben, Sie
üssten sich für sie hier hinstellen, die Geschädigten,
enn Ihre Politik umgesetzt würde; Gott sei Dank wird

ie nicht umgesetzt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Man muss sehen, dass Ihre Neidrhetorik nichts bringt.
an muss mit einer solchen Thematik bei der Betrach-

ung der Vorlage, die Herr Steinbrück heute vorgestellt
at, wirklich mit Augenmaß und Vernunft umgehen. Wir
eben nicht auf der Insel; wir müssen uns auch daran
rientieren, was über unseren nationalen Tellerrand hi-
aus passiert.

Wenn wir das tun, dann stellen wir fest: In West- und
ordeuropa gibt es Länder, in denen die Belastung durch
en Steuersatz im Unternehmenssektor, bei den Körper-
chaften, 30 Prozent beträgt. In Osteuropa beträgt die
elastung im Durchschnitt etwa 20 Prozent. Es gibt
xtreme Beispiele: In Estland beträgt die Belastung
Prozent; in Irland beträgt sie 12,5 Prozent. Wir in
eutschland – das ist richtig – liegen mit einer Steuerbe-

astung von fast 40 Prozent an der Spitze.

Minister Steinbrück hat zu Recht gesagt, dass das
icht so bleiben kann. Auch Herr Koch hat darauf hinge-
iesen, dass wir im internationalen Wettbewerb ste-
en und wir uns daran orientieren müssen.

Ich halte es für falsch, zu unterstellen, dass eine Sen-
ung der Steuersätze auf einigermaßen internationales
iveau – auf das Niveau des Mittelfelds – Steuerdumping
edeutet. Steuerdumping sollten, können und wollen wir
icht betreiben; denn der Staat braucht selbstverständlich
innahmen, um in die Bildung, in die Infrastruktur inves-

ieren zu können. Selbstverständlich müssen auch die Un-
ernehmen in der Bundesrepublik Deutschland, wenn sie
iel Umsatz machen und Gewinne einfahren, ihren Bei-
rag dazu leisten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Natürlich müssen wir uns nicht nur am internationa-
en Standortwettbewerb orientieren; denn die Steuer-
ätze allein – das wissen auch Sie, Herr Koch – sind
icht das Kriterium dafür, ob sich ein Unternehmen in
eutschland ansiedelt. Unternehmen kommen, weil sie

ine gute Bildungssituation vorfinden, weil sie sehen,
ass es sich um einen guten Wissensstandort handelt, um
inen Standort, an dem gute Forschung betrieben wird,
n dem eine gute Infrastruktur vorhanden ist, an dem die
bsatzmärkte vernünftig aufgestellt sind und an dem

uch eine vernünftige Binnennachfrage vorhanden ist.






(A) )



(B) )


Christine Scheel
Deswegen kommen Unternehmen nach Deutschland;
Steuersätze haben allein eine Signalwirkung bei der Ent-
scheidung, wo Kapital investiert wird, und tragen damit
einen Teil zu der Entscheidung bei, wo am Ende neue
Arbeitsplätze entstehen.

Die Höhe der Steuersätze entscheidet ein Stück weit
darüber – das stimmt –, wo ein Unternehmen seine Ge-
winne versteuert, aber auch darüber, wo die Kosten an-
fallen. Wegen der hohen Steuersätze und der vorhande-
nen Gestaltungsmöglichkeiten, die wir in Deutschland
haben, ist es für viele Unternehmen, was die Kosten- und
Verlustrechnung anbelangt, sehr attraktiv, so vorzuge-
hen, dass Gewinne im Ausland besteuert werden. Letzt-
endlich fehlt dann hier in den Kassen das Geld. Dagegen
müssen wir etwas tun; so kann es nicht bleiben.

Deshalb brauchen wir eine grundlegende Strukturre-
form, Steuersätze auf international wettbewerbsfähigem
Niveau, aber auch eine vernünftige Verbreiterung der so-
genannten Besteuerungsbasis; beides gehört zusammen.
Man kann die Verantwortung für die Stärkung des Wirt-
schaftsstandorts, der Beschäftigung und der Entwick-
lung in der Bundesrepublik Deutschland nur unter fol-
gendem Aspekt betrachten: Wie ist die Finanzierung für
unsere Unternehmen im Einzelnen aufgestellt? Wir re-
den heute über die Senkung der Unternehmensteuersätze
bei Körperschaften. Das sind etwa 15 Prozent der Unter-
nehmen in der Bundesrepublik Deutschland; die anderen
85 Prozent der Unternehmen profitieren von diesen
Steuersatzsenkungen nicht. Auch das muss man den
Bürgern und Bürgerinnen in diesem Zusammenhang sa-
gen.

Deswegen ist es wichtig, dass wir uns die Seite der
Finanzierung genau anschauen, um sie vernünftig zu
gestalten. Da hilft kein Populismus, Frau Höll. Auch
Herr Lafontaine wird das gleich hier darlegen; er kann
das ja noch viel besser. Aber mit Rhetorik und Populis-
mus allein generieren wir keine Wirtschaftskraft und
keine Beschäftigung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen in der Großen
Koalition, nicht alles, was Geld kostet, ist deswegen
schon eine Reform. Das hat Altbundeskanzler Helmut
Schmidt einmal so gesagt. Wenn jemandem etwas ge-
schenkt wird, wird oft so getan, als sei das eine Reform.
Reform bedeutet aber, dass man sich strukturell vernünf-
tig aufstellt, dass Probleme gelöst werden, wo Probleme
sind, und zwar wohlgemerkt, ohne größere Probleme an
anderer Stelle zu schaffen.

Das ist die Kritik, die wir als Bündnis 90/Die Grünen
an diesem Werk haben; denn wir sehen, dass neue Pro-
bleme für unseren Standort Deutschland geschaffen wer-
den, wo keine sein dürfen. Das ist das, was der Großen
Koalition nicht gelungen ist: die Steuersatzsenkung mit
einer Finanzierung zusammenzubringen, die wirklich
vernünftig ist und den Unternehmen, und zwar allen Un-
ternehmen, in der Bundesrepublik Deutschland hilft.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Sehr kryptisch!)


Wir haben – Sie wissen es – eine Finanzierungslü-
ke von etwa 9 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Knapp
in Drittel der Reformen ist nicht solide finanziert. Sie
on der Großen Koalition


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Der sogenannten Großen Koalition, Frau Scheel!)


inden das vielleicht gar nicht so schlimm; denn man
iest zurzeit und sieht es auch in den Statistiken, dass die
teuereinnahmen sprudeln. Das ist sehr schön; darüber
reuen wir uns alle. Aber man muss bei der Entwicklung
iner solchen Reform natürlich auch sehen, dass man
en Leuten nicht vermitteln kann, dass Steuerausfälle in
en nächsten Jahren nicht so schlimm seien, nachdem
an ihnen vor nicht allzu langer Zeit noch die Mehr-
ertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht, den Sparerfreibe-

rag halbiert und die Pendlerpauschale verfassungswid-
ig ausgestaltet hat. Man darf nicht glauben, dass die

enschen einem dann folgen und verstehen, warum
etzt plötzlich Geld da sein soll, um die Unternehmen im
ächsten Jahr um 9 Milliarden Euro zu entlasten. Das
erstehen die Menschen nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


an muss den Menschen sagen, wie das funktionieren
oll; man muss sie mitnehmen, wenn man eine Reform
acht. Das müssten auch Sie mittlerweile gelernt haben.

Wir können uns – das ist ein zweites Problem – auch
icht immer auf das Handeln der großen Unternehmen
erlassen. Schauen Sie sich doch an, was in den letzten
agen geschehen ist. Einige Vorstandsmitglieder der
irma Siemens sitzen mittlerweile im Gefängnis. Sie-
ens ist ein international aufgestelltes Unternehmen. Es

chmerzt einen, wenn man sieht, wie desolat das Manage-
ent von manchen großen Unternehmen – sehr viele Un-

ernehmen machen es gut; die kleinen und mittleren ma-
hen es alle sehr gut – ist.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ist die Schuld erwiesen? Sie verurteilen ja, bevor die überhaupt richtig angeklagt sind!)


an sieht, dass es eben nicht so ist, dass die Bevölke-
ung das Vertrauen haben kann, dass die Unternehmen
lles richtig machen, und dass es gerechtfertigt wäre, ih-
en etwas mitzugeben. Das müssen Sie den Menschen
rklären; ich glaube, da sind Sie in der Bringschuld.

Ein weiterer Punkt ist, dass Sie auf das Prinzip Hoff-
ung setzen. Sie gehen davon aus, dass die Steuerquel-

en weiter sprudeln und dass Sie durch die weitere Ent-
icklung, an die Sie glauben – es wäre ja gut, wenn es

ür den Standort insgesamt so positiv weiterginge –, die
teuerausfälle verdecken können. Das ist nicht in Ord-
ung. Wenn man sagt, dass man eine Reform durchführt,
ie sich selbst finanziert, dann darf man nicht die allge-
eine Entwicklung mit hineinrechnen und so tun, als ob

ie konjunkturelle Entwicklung ein Stück weit als Ge-
enfinanzierung dienen könne. Die Steuermehreinnah-
en aufgrund der positiven konjunkturellen Entwick-






(A) )



(B) )


Christine Scheel
lung müssen wir in Forschung und Bildung, in unsere
Kinder investieren. Diese Mehreinnahmen dürfen nicht,
wie Sie es vorhaben, für eine Entlastung der Großkon-
zerne verwendet werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Unternehmensteuerreform braucht – der Finanz-
minister und auch Ministerpräsident Koch haben darauf
hingewiesen – eine wirksame und unbürokratische Mit-
telstandskomponente, die sich an der Schaffung von
Arbeitsplätzen orientiert. Die Finanzierung dieser Re-
form ist aber ein buntes Sammelsurium ohne inhaltli-
chen Zusammenhang. Sie haben bei der Gegenfinanzie-
rung anscheinend überall ein wenig herumgestöbert, um
zu schauen, was man da machen kann. Aber Ihre wirt-
schaftspolitischen Überlegungen haben Sie hintange-
stellt. Minister Glos hat ein neunseitiges Schreiben ver-
fasst, warum es für die mittelständische Wirtschaft
schlecht wäre, wenn diese Reform so ausgestaltet bleibt,
wie Sie das bislang vorgesehen haben.

Herr Koch, es ist sehr widersprüchlich, wenn Sie auf
der einen Seite sagen, Sie würden für den Mittelstand
eintreten und Sie wollten den Mittelstand nicht mehr be-
lasten, und auf der anderen Seite Bedingungen geschaf-
fen werden, die für die kleinen und mittelständischen
Unternehmen unter dem Strich doch zu einer Belastung
führen. Sie müssen sich schon entscheiden. Sie können
nicht sagen, diese Reform sei für alle eine tolle Sache,
und auf der anderen Seite anders handeln. Das ist nicht
in Ordnung. Wir werden Ihnen das im Rahmen des Ge-
setzgebungsverfahrens nicht durchgehen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Fakt ist, dass die Bundeskanzlerin den Nationalen
Normenkontrollrat eingesetzt hat. Er wurde mit einem
riesigen Brimborium auf den Weg gebracht. Ich kann
mich noch gut an die Aussagen der Frau Bundeskanzlerin
und anderer hier im Saal erinnern. Sie haben gesagt, die-
ses Gremium solle dafür sorgen, dass bei jedem Gesetz-
gebungsvorhaben in der Bundesrepublik Deutschland
darauf geachtet wird, dass vom Parlament verabschiedete
Gesetze nicht zu neuen bürokratischen Hemmnissen,
nicht zu Verirrungen und Verwirrungen führen.

Dieser Rat hat, wie ich meine, völlig zu Recht bean-
standet, dass es ein deutliches Missverhältnis zwischen
dauerhaften bürokratischen Lasten und zeitlich begrenz-
ten Mehreinnahmen im Zuge dieser Reform gibt. Das
heißt, Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinan-
der. Mit Ihren Maßnahmen bürden Sie 5 Millionen Un-
ternehmen im Bereich der kleinen und mittelständischen
Unternehmen neue bürokratische Lasten auf. Es kann
nicht sein, dass der Normenkontrollrat diesen Missstand
zwar benennt, Sie aber so tun, als gäbe es keine Pro-
bleme mit der Bürokratie für diese Unternehmen.

Auch die Verlustvorträge sind ein Riesenproblem.
Man möchte völlig zu Recht, dass Missbrauch bekämpft
wird. Missbrauch und entsprechende Steuergestaltungs-
möglichkeiten müssen bekämpft werden. Aber es ist ein
Problem, wenn bei einem Eigentümerwechsel die Ver-
rechnung mit Gewinnen nicht möglich ist. Gerade die
jungen und innovativen Unternehmen müssen doch at-

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(C (D en können und müssen die Möglichkeit haben, sich zu ntwickeln. (Joachim Poß [SPD]: Das haben wir doch gemacht!)


ber bei ihnen besteht die Gefahr, dass die Substanz be-
teuert wird.

Mit Ihrer sogenannten Gegenfinanzierung schlagen
ie voll über die Stränge. Sie treffen genau die Unterneh-
en in Deutschland, die innovativ sind, die Arbeitsplätze

chaffen wollen und die hier nicht nur forschen, sondern
uch entwickeln wollen. Das müssen Sie ändern.

Die Frau Bundeskanzlerin hat einen Tag vor dem Be-
chluss des Kabinetts darauf hingewiesen, dass es an
ieser Stelle ein Riesenproblem gibt. Ich hoffe, dass Sie
ieses Problem angehen, negative Wirkungen für unse-
en Standort bezüglich Wachstum und Beschäftigung
erhindern und für eine vernünftige Ausgestaltung der
eform sorgen. Dieser Unsinn muss gestoppt werden.

Ich appelliere an Sie: Machen Sie die Reform unbüro-
ratischer! Wir erwarten von Ihnen wirtschaftlichen
achverstand. Führen Sie keine Regelungen ein, die
achstumsbremsen sind! Reißen Sie sich zusammen!

tellen Sie wirtschaftspolitische Überlegungen an und
egen Sie Ihren Tunnelblick hinsichtlich der Steuersyste-

atik ab! Denken Sie daran, dass wir diese Reform für
ie Bürgerinnen und Bürger und auch für die Wirtschaft
achen und nicht für irgendwelche Statistiken!

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609201000

Der Kollege Jörg-Otto Spiller ist der nächste Redner

ür die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Jörg-Otto Spiller (SPD):
Rede ID: ID1609201100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Frau Kollegin Scheel, erst einmal gratuliere ich
hnen dazu, dass Sie heute die ganze Redezeit, die Ihrer
raktion zur Verfügung steht, ausnutzen durften. Sie hat-

en damit allerdings auch Ihre Probleme.


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])


ielleicht lesen Sie im Protokoll einfach noch einmal die
rste Hälfte Ihrer Rede nach. Sie passte zur zweiten
berhaupt nicht.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Das ist öfter so!)


s ist ein bisschen schwierig, wenn man erst einmal
orrekt darstellt, wie gut die Ansätze der Reform der
nternehmensbesteuerung sind, und dann aus der Ver-
flichtung als Oppositionsrednerin heraus, dazu etwas
ritisches zu sagen, noch ein bisschen im Gemüseladen
erumkramt. Ihre Reden waren schon einmal besser.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Jörg-Otto Spiller
Hohe Steuersätze sind keine Garantie für hohe Steu-
ereinnahmen. Das gilt in besonderem Maße für die Be-
steuerung der zunehmend international verflochtenen
Unternehmen. Nahezu alle großen und viele mittlere in
Deutschland ansässige Unternehmen sind heute Haupt
oder Glieder internationaler Konzerne. Wo innerhalb der
Unternehmensgruppe in welcher Höhe Kosten oder Er-
träge anfallen, ist damit in einem erheblichen Umfang
gestaltbar.

Ein Beispiel. Warum die nächste Investition aus dem
in Deutschland zu versteuernden Gewinn finanzieren,
wenn es einen steuerlich viel hübscheren Weg gibt: Die
in einem Land mit niedrigeren Steuersätzen angesiedelte
Tochter gewährt der deutschen Mutter einen Kredit. Für
die Mutter sind die Zinsen Betriebsausgaben, mindern
also ihren steuerpflichtigen Gewinn. Da der aber im
Land der Tochter geringer zu versteuern ist als in
Deutschland, lohnt sich die Operation. Der Verlierer ist
der deutsche Fiskus.

Ein anderes Beispiel. Die deutschen Filialen einer be-
liebten Möbelhauskette weisen trotz guter Umsätze zu
ihrem größten Bedauern keine nennenswerten steuer-
pflichtigen Gewinne aus, weil für die Nutzung des Fir-
mennamens und des gelb-blauen Markenzeichens leider
hohe Lizenzgebühren an eine Konzernschwester in ei-
nem Niedrigsteuerland zu zahlen sind; denn diese ver-
fügt über die Namens- und die Markenrechte.

Herr Kollege Dr. Solms, trifft denn das objektive Net-
toprinzip zu,


(Beifall bei der SPD)


wenn jemand seine Gewinne hin und her schieben und
seine Gewinn- und Verlustrechnung manipulieren kann?
Ich bin ganz sicher: Wenn ein Gericht prüft, was gleich-
mäßige Besteuerung und was das objektive Nettoprinzip
ist, wird es zu dem Ergebnis kommen, dass solche Trick-
sereien in keiner Weise mit dem Prinzip der gleichmäßi-
gen Besteuerung vereinbar sind. Ich bin sicher: Wir sind
auf dem richtigen Weg, auch was die Verfassungsmäßig-
keit dieser Reform angeht.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Das werden wir sehen!)


Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin,
hat kürzlich in einer interessanten Studie zur Unterneh-
mensbesteuerung dargelegt, dass die deutschen Steuer-
sätze mit einer tariflichen Gesamtbelastung von nominal
rund 39 Prozent im internationalen Vergleich an der
Spitze liegen. Diese hohen Sätze machen Deutschland
aber anfällig gegenüber Gestaltungen. Das tatsächliche
Steueraufkommen wird empfindlich geschmälert. Das
Ergebnis ist – so sagt das DIW – ein trotz hoher Sätze
bestenfalls durchschnittliches und im Verhältnis zu den
tatsächlichen Gewinnen unangemessen niedriges Steuer-
aufkommen.

Wer sicherstellen will, dass die in Deutschland ansäs-
sigen Unternehmen einen angemessenen Beitrag zur Fi-
nanzierung der öffentlichen Aufgaben leisten, muss ge-
gen die Erosion der Steuerbasis angehen. Ebendies ist
das zentrale Anliegen der Unternehmensteuerreform.

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(C (D ass in den Medien und in einem Teil der öffentlich geührten Debatte häufig zwei andere Punkte, nämlich die eabsichtigte Senkung des Körperschaftsteuersatzes und ie anfänglichen Steuermindereinnahmen, im Vorderrund stehen, ist zwar verständlich, aber eben doch ein ehr verengter Blickwinkel. Der SPD-Parteirat hat – wenn ich das einmal sagen arf; auch wir führen innerhalb der Partei Debatten; das timmt – in seiner Entschließung zur Unternehmensteurreform auf den Punkt gebracht, worum es geht: Deutschland braucht ein Unternehmenssteuerrecht, das international wettbewerbsfähig ist, die Unternehmen animiert, Gewinne nicht länger ins Ausland zu transferieren, sondern in Deutschland zu investieren, und dadurch insgesamt den Standort Deutschland und seine Arbeitsplätze stärkt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


(Joachim Poß [SPD]: So ist es!)


Wir wollen die deutsche Steuerbasis nachhaltig si-
chern. Die Kluft zwischen den nominalen Steuer-
sätzen einerseits und den tatsächlichen Steuerzah-
lungen muss sich schließen. Diesem Ziel dient die
Unternehmenssteuerreform.

Die Reform der Unternehmensbesteuerung beruht auf
wei gleich wichtigen Pfeilern: der Sicherung der Steu-
rbasis und der Stärkung der Attraktivität des Standortes
urch Senkung der Sätze. Insgesamt werden wir zu einer
ominalen steuerlichen Belastung von knapp 30 Prozent
ommen. Das bedeutet, dass der deutsche Körper-
chaftsteuersatz etwas über den Sätzen Dänemarks,
chwedens und Finnlands und etwas unter den Sätzen
roßbritanniens, Luxemburgs und der Niederlande und
amit im europäischen Mittelfeld liegen wird.

Ich glaube, dass das der richtige Weg ist. Wir müssen
ns im Übrigen vor Augen halten, dass neben den Unter-
ehmen auch die Anteilseigner der Unternehmen Steu-
rn zahlen müssen.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Ein wichtiger Hinweis!)


ie Gesamtbelastung eines ausgeschütteten Gewinns,
ie sich aus der Belastung, die das Unternehmen trägt,
nd der des Anteilseigners ergibt, wird rund 48 Prozent
etragen. Das gilt sowohl für die Kapitalgesellschaften
ls auch für die ertragsstarken Personengesellschaften.
as ist eine beachtliche Größenordnung, die man bei der
ebatte im Blick behalten muss.

Wir wollen, dass die Leistungsfähigkeit der Unter-
ehmen erhalten bleibt. Wir wollen aber insbesondere,
ass die Unternehmen künftig mehr Steuern in Deutsch-
and zahlen. Es mag zwar sein, dass das eine oder andere
nternehmen weniger Steuern zahlen wird als heute, es
ag auch sein, dass das eine oder andere Unternehmen
ehr Steuern zahlen wird als heute, aber ich bin mir si-

her, dass auf Dauer alle mehr Steuern in Deutschland
ahlen werden und dazu beitragen werden, dass sich das






(A) )



(B) )


Jörg-Otto Spiller
Land bzw. der Wirtschaftsstandort und die Erfüllung der
öffentlichen Aufgaben gut entwickeln.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609201200

Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Volker Wissing

für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1609201300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wer die Heuschrecke im Kopf hat, dem kann die Wirt-
schaft nicht am Herzen liegen. Diese Einstellung zieht
sich wie ein roter Faden durch Ihre Unternehmensteuer-
reform. Sie ziehen Mauern für die Wirtschaft hoch und
verbauen damit Zukunftschancen für unser Land.


(Beifall bei der FDP)


Die Unternehmensteuerreform bedeutet nichts ande-
res als ein in Gesetzestext gegossenes Misstrauensvotum
gegenüber der deutschen Wirtschaft. Die Besteuerung
von Funktionsverlagerungen zum Beispiel ist doch steu-
erpolitischer Unsinn, Herr Minister Steinbrück. Hierbei
zeigt sich einmal mehr, dass gut gemeint längst nicht
dasselbe ist wie gut gemacht.

Es ist richtig, dass Sie die Unternehmen nicht dabei
unterstützen wollen, in Deutschland Arbeitsplätze abzu-
bauen. Es ist aber falsch, wenn Sie versuchen, zukünftig
im Zusammenhang mit Patenten und Lizenzen anfal-
lende Gewinne zu besteuern. Wer kann denn schon heute
wissen, was er morgen mit einer Idee verdienen kann?


(Beifall bei der FDP)


Das ist nichts anderes als der Versuch, den Kaffeesatz als
feste Größe im Unternehmensteuerrecht zu etablieren.
Bei so einem Unfug macht die FDP nicht mit.


(Beifall bei der FDP)


Herr Minister Steinbrück, es ist zwar richtig, dass wir
eine Unternehmensteuerreform brauchen, es ist aber
nicht richtig, dass Deutschland Ihre Unternehmensteuer-
reform braucht. Sie tun so, als sei das ganze Vorhaben
gesetzt und als stünden Sie aus innerer Überzeugung
hinter diesem Reformvorhaben. Dabei hat die Bundes-
kanzlerin einen Tag nach dem Kabinettsbeschluss in
München Vertretern der deutschen Wirtschaft erklärt,
dass Änderungen notwendig seien.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war sogar am Tag davor!)


Herr Kauder, ich war doch dabei, als Sie diese Woche
gegenüber dem VCI erklärt haben, dass es zu Änderun-
gen kommen müsse.


(Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)


Nur, Herr Minister Steinbrück, davon habe ich vorhin
nichts gehört. Herr Struck – er ist jetzt leider nicht mehr

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(C (D nwesend – hat gesagt, dass er zustimme, dass man noch inmal darüber reden müsse. Sie sollten uns deshalb icht vormachen, Ihre Unternehmensteuerreform sei der eisheit letzter Schluss. (Beifall bei der FDP – Eduard Oswald [CDU/ CSU]: Ist ja heute die erste Lesung! Es kann ja sein, dass wir bei anderen Beratungen noch klüger werden!)


Die Widersprüchlichkeit dieses Entwurfs wird auch
n anderer Stelle deutlich. Im Prinzip wollen wir doch
lle mehr Investitionen am Standort Deutschland. Des-
egen sollten Sie investierende Unternehmen nicht be-

trafen. Die Zinsschranke und die Abschaffung der de-
ressiven Abschreibung sind nichts anderes als eine
trafsteuer für Unternehmen mit hohen Investitionskos-

en. Nach Ansicht einiger Konjunkturforscher könnte die
bschaffung der degressiven Abschreibung die Investi-

ionsquote in Deutschland halbieren.

Wie sensibel die Unternehmen auf Änderungen im
ereich der Abschreibungsregeln reagieren, haben wir
ei der Steuerreform 2000 gesehen. Die damalige Ge-
enfinanzierung der Steuersenkung durch eine Verlänge-
ung der Abschreibungsdauer und eine Reduktion des
öchstsatzes hat zu einer Senkung der Investitionsquote
m 4,6 Prozent geführt. So negativ werden auch die
uswirkungen dieser Reform sein, wenn sie so Gesetz
ird.


(Beifall des Abg. Patrick Döring [FDP] – Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Das Problem ist: Das wünschen Sie sich!)


Wer in Deutschland Arbeitsplätze schaffen will, darf
iejenigen, die investieren, nicht bestrafen. Das klingt
war einfach, aber die SPD tut sich schwer damit. Herr
piller, ich hatte vorhin den Eindruck, dass Sie Ihre
ede ausschließlich für die Reihen der Sozialdemokra-

en gehalten haben.


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Und für die FDP!)


Eine Unternehmensteuerreform, die den Namen ver-
ient, muss nicht von den Unternehmen gegenfinanziert
erden, sondern finanziert sich selbst. Sie finanziert sich
urch mehr Wachstum, durch die Schaffung von mehr
rbeitsplätzen und durch mehr Investitionen. Eine ver-
ünftige Unternehmensteuerreform führt unterm Strich
icht zu weniger, sondern zu mehr Steuereinnahmen.
on Ihrem Gesetzentwurf geht kein Signal des Auf-
ruchs aus. Was Sie vorne weniger abkassieren, kassie-
en Sie hinterher doppelt.

Mit Ihrem Gegenfinanzierungsmodell konterkarieren
ie Ihre eigenen Absichten. Vor allem führt Ihr Gesetz-
ntwurf aber zu mehr Bürokratie. Ihr Normenkontroll-
at hat eine Mehrbelastung in Höhe von 180 Millionen
uro errechnet und gesagt, dass 40 neue Informations-
flichten entstehen würden. Ich weiß überhaupt nicht,
ie Sie noch von Bürokratieabbau sprechen können. Mit

edem Steuergesetz tun Sie genau das Gegenteil von
em, was die Kanzlerin verspricht.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Dr. Volker Wissing
Aufwand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis.
Schauen Sie sich Ihre Gegenfinanzierung doch einmal
an: Ein Bürostuhl muss künftig über fünf Jahre abge-
schrieben werden. Angesichts dessen müsste in der Re-
publik eigentlich ein Aufschrei der Bürokratiebeauftrag-
ten der Bundesregierung ertönen.


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Warum wackelt denn Ihr Stuhl so, Herr Wissing?)


Man hört aber nichts, weil Sie sich von diesem Ziel in
Wahrheit schon längst verabschiedet haben. Die Neidre-
flexe der Linken von der SPD machen es der Union
nicht möglich, eine vernünftige Unternehmensteuerre-
form auf den Weg zu bringen. Regelungen, die sich über
15 Jahre bewährt haben, werden einfach abgeschafft.
Die Abgeltungsteuer – Herr Minister Steinbrück, dazu
haben Sie heute Morgen nichts gesagt; das ist anschei-
nend ein Problem für die Sozialdemokratie – ist im
Grunde richtig. So wie Sie es machen, taugt es aber wie-
der nichts; denn es nicht richtig, die Veräußerungsge-
winne mitzubesteuern. Ferner sind die Steuersätze in
diesem Bereich international nicht wettbewerbsfähig,
sodass wir auch auf diesem wichtigen Feld in Deutsch-
land keinen entscheidenden Schritt weiterkommen.

Durch die ganze Unternehmensteuerreform zieht
sich Folgendes: An manchen Stellen wird verschämt ent-
lastet, an anderen unverschämt belastet. Die CDU und
die Steinbrück-SPD rufen hü und die Linke der SPD ruft
hott, Ergebnis: Stillstand in Deutschland.


(Beifall bei der FDP)


Wenn Sie wirklich eine Unternehmensteuerreform
machen wollen, die diesen Namen verdient, hören Sie

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1609201400
Wagen Sie mehr Freiheit! Ge-
hen Sie ins Offene!


(Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Gehen Sie ins offene Messer!)


Riskieren Sie etwas! Senken Sie die Steuersätze! Verein-
fachen Sie das Steuerrecht! Beharren Sie nicht auf Ihrer
kleinkrämerischen Gegenfinanzierung! Die SPD muss
einmal verstehen, welche Entscheidungen in Deutsch-
land dringend notwendig sind.

Herr Steinbrück, Sie haben von Augenmaß gespro-
chen. Genau dieses Augenmaß ist bei der Großen Koali-
tion aber längst zum Mittelmaß geworden. Mittelmaß
können wir uns aber nicht leisten; denn mit mittelmäßi-
ger Politik kann man im internationalen Wettbewerb
nicht bestehen.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609201500

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Hans

Michelbach für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1609201600

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle-

gen! Die Unternehmensteuerreform wird unseren
Standort Deutschland attraktiver machen. Sie ist wachs-

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(C (D umssteigernd, investitionsfreundlich und letztlich areitsplatzschaffend. Die Versteuerung in Deutschland ird angereizt, und die Steuereinnahmen werden weiter nsteigen. Eine solche Reform ist kein Wunschkonzert. ber wir haben eine pragmatische, zielführende und sys ematische Lösung gefunden. Daran sollte es keinen weifel geben. Natürlich gibt es immer wieder Kritik. Herr Solms, hr Vergleich mit der DDR war aber voll daneben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


ch kann Ihnen nur sagen: Eine Steuermauer der FDP
ibt es bei dieser Reform nicht. Ich möchte der FDP ein
itat aus der Bibel entgegenhalten. Schon Jesaja sagte
ns:

Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt
wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?

Ich kann Ihnen nur sagen – es sind Tatsachen –: Die
irtschaft boomt. Die gesamtwirtschaftliche Entwick-

ung ist besser geworden. Die Konjunktur ist stark und
obust. Der Aufschwung hat den Arbeitsmarkt erreicht.
m Vergleich zum März 2006 sank die Zahl der Arbeits-
osen um immerhin 869 000. Im heutigen „Handelsblatt“
teht: „Unternehmen schaffen Jobrekord“. Herr
r. Wissing, Sie sprechen von Stillstand. Das kann doch
ohl nicht sein. Die Bundesagentur für Arbeit meldet
ut 800 000 offene Stellen.

Frau Scheel, einen Gegensatz zwischen Arbeitneh-
ern und Arbeitgebern aufzubauen, schadet letzten En-

es dem Gemeinwohl. Denn man braucht erst Investitio-
en und neue Arbeitsplätze; daraus erwachsen
achstum und Beschäftigung sowie mehr Steuereinnah-
en. So wird es ein Erfolg. In dieser Weise müssen wir

n Deutschland vorangehen; wir dürfen nicht in den Ge-
ensätzen von gestern verharren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir halbieren das Staatsdefizit. Wir haben laut der
rognose des Kieler Instituts für Weltwirtschaft statt bis-
er 2,1 Prozent 2,8 Prozent Wachstum zu erwarten. Die
undesbank hält in diesem Jahr ein Defizit von 1 Pro-
ent für möglich und 2010 sogar einen ausgeglichenen
aushalt für erreichbar. Das wäre der erste ausgegli-

hene Haushalt seit 40 Jahren. Ich bin der Auffassung,
ass das mit dieser Steuerreform weiter angegangen
erden kann, weil es zu einer Selbstfinanzierung dieser
eform kommen wird.
Wir erleben es ja: Bund, Länder und Gemeinden wer-

en nach Auffassung des iwd bei den Steuern mit einem
innahmeplus von rund 24 Milliarden Euro im Jahr
007 rechnen können. Die Steuerschätzung im Mai wer-
en wir natürlich erst dann richtig zur Kenntnis nehmen.
ber man muss sehen, dass hier etwas wächst. Wann
atten wir das zuletzt? Dieser Erfolg sollte uns die not-
endige Kraft und Disziplin geben, auf unserem Kurs
er finanzpolitischen Verantwortung und der neuen steu-
rpolitischen Impulse voranzuschreiten.

Es zeigt sich mehr und mehr, dass Reformen Früchte
ragen. Es wird deutlich, was in Deutschland steckt,






(A) )



(B) )


Dr. h. c. Hans Michelbach
wenn Kräfte freigesetzt werden. Eins ist gewiss: Die Er-
folge unserer Reformpolitik können nur dauerhaft gesi-
chert werden, wenn wir nicht auf halbem Weg stehen
bleiben. Wir dürfen uns nicht ausruhen. Die Anstrengun-
gen müssen fortgesetzt werden. Seit der Unternehmen-
steuerreform 2000 ist der Steuerwettbewerb in der Eu-
ropäischen Union weiter vorangekommen. Deswegen
müssen wir im internationalen Vergleich der Steuersätze
mit der Gesamtbelastung der deutschen Unternehmen
diesen Wettbewerb annehmen.

Man kann natürlich sagen: Ich will mit der globali-
sierten Wettbewerbsentwicklung nichts zu tun haben.
Aber die Globalisierung findet nun einmal statt. Ich rate
uns allen: Marschieren wir aufs Spielfeld, und spielen
wir mit. Es ist ein Erfolg für die Menschen in unserem
Land, wenn wir mitspielen und uns nicht verweigern.
Das ist das Gebot der Stunde.

Das Konzept der Unternehmensteuerreform ist die
richtige Antwort auf die Herausforderungen der Globali-
sierung. Die Senkung der Nominalsteuersätze auf unter
30 Prozent ist der entscheidende Faktor, um einen An-
reiz zu schaffen, in Deutschland Gewinne zu versteuern.
Natürlich gibt es Länder mit günstigeren Steuersätzen.
In Irland beispielsweise beträgt die Unternehmensteuer
12,5 Prozent; das werden wir nicht erreichen können.
Aber wir müssen den Wettbewerb angehen und all un-
sere Wettbewerbsvorteile nutzen.

Ich wende mich gegen die Aussage – die immer wie-
der getroffen wird –, das seien Milliardengeschenke an
die Unternehmen. Ich bin der Auffassung, dass diese Re-
form durch den Konjunkturaufschwung, also von den
Unternehmen selbst finanziert wird. In der neuesten iwd-
Studie wird darauf hingewiesen, dass die Einnahmen aus
der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer, die vor
der Reform 58,5 Milliarden Euro betragen haben, durch
die Reform auf 51,6 Milliarden Euro sinken werden.
Aber allein aufgrund der gegenwärtigen konjunkturellen
Entwicklung erhöhen sich diese Einnahmen schon im
Jahre 2007 auf 56,2 Milliarden Euro. Das heißt, dass die
Entlastung, die mit der Reform einhergeht, voll gegen-
finanziert wird. Hinzu kommt die veranlagte Einkom-
mensteuer. Es kann also überhaupt nicht von Milliarden-
geschenken die Rede sein. Das ist nur Verhetzung und
Volksverdummung. Wir müssen uns ganz massiv dage-
gen aussprechen, dass immer wieder dieser Gegensatz
konstruiert wird.

Wir müssen die einzelnen Beratungen und Prüfungen
im Rahmen dieser Reform sehr detailliert durchführen.
Wir wollen, dass alle 2,5 Millionen Mittelstands-
betriebe in Deutschland Akzeptanz für die Unterneh-
mensteuerreform entwickeln. Denn sie alle müssen sich
mehr oder weniger an der Gegenfinanzierung beteiligen.

Wir haben einige Freigrenzen geschaffen, die mittel-
standsfreundlich sind und eine wichtige Mittelstands-
komponente darstellen. Von Bedeutung ist, dass alle
Mittelstandsbetriebe entlastet werden; darauf werden wir
achten. Es ist sinnvoll, eine Mittelstandsprüfung durch-
zuführen, weil über 70 Prozent der Arbeitnehmer in
Deutschland im Mittelstand beschäftigt werden. Den ei-
nen oder anderen Punkt werden wir uns noch genauer

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(C (D nsehen müssen. Aber es besteht überhaupt kein Anlass u einer pauschalen Ablehnung. Die steuerliche Gesamtbelastung auf einbehaltene ewinne von Personengesellschaften beträgt in Zukunft 8,25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag. Sie hat soit erstmals das gleiche Niveau wie die Belastung von apitalgesellschaften. Der größte Erfolg dieser Reform st, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen zwischen apitalgesellschaften und Personengesellschaften ehr gibt. Das ist ein großer Wurf für die vielen Familiengesellchaften und für die größeren Mittelstandsbetriebe. Ich eiß, wovon ich spreche; denn ich führe ein Unternehen, das seit 1879 am Markt ist. Ich habe mich immer ber die Wettbewerbsverzerrungen zwischen Personennd Kapitalgesellschaften geärgert. Ich kann Ihnen saen: Die systematische Lösung, die wir gefunden haben, st ein großer Vorteil, den man nicht kleinreden darf. Im ergleich zu den Kapitalgesellschaften werden die Peronenunternehmen steuerlich entlastet. Wir tun allerdings auch etwas für kleinere Personennternehmen. Die bisherige Ansparrücklage nach § 7 g inkommensteuergesetz wird zu einem Investitionsabugsbetrag ausgebaut. Begünstigt ist die künftige Anschafung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen irtschaftsgutes des Anlagevermögens, das überwiegend etrieblich genutzt wird. Den Rücklagenhöchstbetrag haen wir von 154 000 Euro auf 200 000 Euro erhöht. Es ist atürlich das Ziel, dass möglichst alle Unternehmen nach 7 g Einkommensteuer-gesetz einen Investitionsabzugs etrag geltend machen können. Wir müssen uns – ich laube, das ist sinnvoll – die Stellschrauben für das Beriebsvermögen daraufhin anschauen, ob wir hier alle Beriebe erfassen. Das ist in den Beratungen sicher möglich. Wir müssen den Vorwurf der Mittelstandsdelle ernst ehmen. Aber es gibt keinen Zweifel, dass in vielen Beeichen Erfolge erzielt wurden. Zum Beispiel leistet die insschranke einen Beitrag zur Finanzierung dieser Re orm. Man muss auch feststellen: Sie ist in jedem Fall bersichtlicher als die bisherige Regelung. Was haben ir mit § 8 a Körperschaftsteuergesetz – Gesellschafter remdfinanzierung – in der Vergangenheit für Probleme ehabt! Man muss auch einmal sehen, dass hier eine klaere Regelung entstehen wird. (Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Das ist doch keine klare Regelung! Das glauben Sie doch selbst nicht!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


atürlich muss dafür Sorge getragen werden, dass wei-
ere Beteiligungen von Einzelunternehmen – PPP-Pro-
ektgesellschaften; die nicht in den Konzern eingebunde-
en Betriebe – damit nicht erfasst werden. Darauf müssen
ir speziell achten. Denn wir wollen nicht, dass durch die
insschranke mittelständische Betriebe beschädigt wer-
en. Wir müssen deshalb ganz genau auf die Steuer-
chraube schauen und nach Lösungsansätzen suchen.


(Dr. Hermann Otto Solms [FDP]: Lassen Sie das mit der Zinsschranke! Dann brauchen Sie das nicht!)







(A) )



(B) )


Dr. h. c. Hans Michelbach
Ich glaube, dass wir auch bei den Mittelstandskolle-
ginnen und -kollegen mit dieser Reform letzten Endes
bestehen können. Denn auch für den Mittelstand ist
diese Reform im Gesetzblatt immer noch mehr, als es
Wunschdenken auf dem Papier ist. Deswegen sollten wir
uns jetzt an die Arbeit machen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609201700

Nächster Redner ist der Vorsitzende der Fraktion Die

Linke, Oskar Lafontaine.


(Beifall bei der LINKEN)



Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609201800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Zwei Wörter haben in den letzten Jahren die Politik
bestimmt, stärker als viele, die glauben, sie hätten auf
politische Entscheidungen Einfluss. Das eine Wort ist
das von den Lohnnebenkosten. Das ist ein wunderbares
Wort, wenn man bestimmte Interessen durchsetzen will.
Man kann dann sagen: Ich möchte die Lohnnebenkosten
senken – das ist ja mittlerweile weitgehend Allgemein-
gut aller Parteien –; man muss dann nicht sagen: Ich
möchte das Geld für Rentner, für Arbeitslose, für Kranke
oder für Pflegebedürftige kürzen. Die Formulierung „Ich
möchte die Lohnnebenkosten senken“ ist viel prakti-
scher. Daher ist sie so gängig und wird überall ge-
braucht.

Dieses Wort hat noch einen weiteren Vorteil. Wenn
man sagt, man will die Lohnnebenkosten senken, dann
muss man nicht sagen, man möchte den Unternehmen
Milliarden zurückgeben; das würde ja unpopulär klin-
gen. Es ist viel populärer, zu sagen, wir müssen die Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlasten. Die Lohn-
nebenkosten haben wir in den letzten Monaten bereits
gesenkt, wir haben den Unternehmen bereits Milliarden
erlassen. Ich möchte nur darauf hinweisen, damit das in
der heutigen Debatte nicht vergessen wird.

Ein zweites Wort, das Politik gemacht hat, ist das vom
Standortwettbewerb. Ein wunderbares Wort, wenn
man bestimmte Lobbyisteninteressen vertritt. Dann kann
man sagen: Ist doch klar, wir sind alle im Wettbewerb.
Es müssen die Löhne sinken; denn anderswo sind sie
niedriger. Es müssen die sozialen Leistungen sinken;
denn anderswo sind sie niedriger als bei uns. Und natür-
lich müssen die Steuern sinken; denn anderswo sind sie
bereits niedriger.

Diese wunderbare Logik hat sich in der Politik ausge-
breitet, und sie hat Folgen. Irgendwann denkt vielleicht
der eine oder andere nach und sagt: Na ja, ob man mit
den Löhnen ganz runtergehen kann? Das könnte auch
Probleme geben. Denn bei Steuersätzen von null und
Löhnen von null will wahrscheinlich niemand hier in-
vestieren. Selbst Steuersätze von null werden dann nicht
ausreichend sein, um Gewinne zu machen. Spätestens da
wird diese Logik also infrage gestellt.


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(C (D (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Ein solcher Quatsch!)


Aber bei den Löhnen waren wir bereits sehr tüchtig
ich nenne die Zahlen noch einmal –: Saldiert über die

etzten zehn Jahre haben wir bei den Löhnen ein Minus
on 5 Prozent. Wir liegen weit hinter den anderen Indus-
riestaaten zurück und sehen hier, wenn wir über Steuer-
olitik reden, offensichtlich keinen Korrekturbedarf.

Bei den Unternehmensteuern dagegen gibt es nun
irklich keinen Korrekturbedarf. Ich weiß nicht, wie oft
ir schon Unternehmensteuern gesenkt haben. Allein in
einem politischen Leben habe ich mindestens an zehn
unden mitgewirkt, in denen die dringende Not der Un-

ernehmen aufgegriffen worden ist und die Unterneh-
ensteuern wegen des internationalen Wettbewerbs im-
er wieder gesenkt werden mussten. Ich prophezeie den
amen und Herren, die uns hier zuschauen, dass dieses
ohe Haus in dieser Legislaturperiode mindestens eine
eitere Unternehmensteuerreform konzipieren wird,
eil der internationale Wettbewerb dies ja dringend ge-
ietet.

Nur, meine sehr geehrten Damen und Herren, das
anze stimmt nicht. Die Zahlen, die hier gehandelt wer-
en, sind schlicht und einfach falsch, die Logik schlägt
urzelbäume.

Ich beginne einmal beim Finanzminister, der uns ja
mmer mit solchen logischen Überraschungen beglückt.
r sagt zum Beispiel: Wenn wir die Mehrwertsteuer
icht erhöhen, müssen wir die Rente kürzen.


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wir hatten schon einmal einen unlogischen Finanzminister!)


iese Logik ist bestechend. Was will man dagegen sa-
en? Vor lauter Sprachlosigkeit oder Atemlosigkeit kann
an eine solche Logik schlicht und einfach nicht mehr

urchbrechen. Heute hat er gesagt: Wenn wir die Steuer-
innahmen erhöhen wollen, dann müssen wir die Steu-
rn senken.


(Joachim Poß [SPD]: Die Steuersätze!)


iese verblüffende Logik ist international natürlich ein-
alig.


(Beifall bei der LINKEN)


ie wird auf jeden Fall beachtliche Wirkungen im inter-
ationalen Dialog entfalten.

Es wird auch immer wieder davon gesprochen, dass
it falschen Zahlen hantiert wird. Ich habe hier die
bersicht 2005 über die Körperschaftsteuersätze. Sie
önnen sehen, dass wir bei weitem nicht oben liegen,
ondern dass die Länder im unteren Teil – ich habe ihn
ot angekreuzt – weitaus höhere Steuersätze haben. Es
st richtig, Estland hat einen Steuersatz von 0 Prozent,
as viel zitierte Irland hat einen Steuersatz von 12,5 Pro-
ent, Lettland hat einen Steuersatz von 15 Prozent usw.
ine ganze Reihe von Staaten liegt aber über uns: Frank-

eich mit 33 Prozent, Belgien mit 34 Prozent, Malta so-
ar mit 35 Prozent und die USA mit 35 Prozent. Ich will
ie nicht alle vorlesen. Es ist einfach ein Märchen, wenn






(A) )



(B) )


Oskar Lafontaine
hier gesagt wird, unser Körperschaftsteuersatz sei zu
hoch.


(Beifall bei der LINKEN)


Belügen Sie das Volk doch nicht, wenn Sie hier reden,
sondern geben Sie zunächst einmal die Tatsachen wie-
der, wie sie sich international darstellen!

Im Übrigen ist die Höhe der nominalen Steuersätze
schlicht und einfach nicht aussagefähig, wie wir wissen.
Deswegen war es gut, dass der Finanzminister gesagt
hat, der Steuersatz für die mittleren Unternehmen liege
bei etwa 20 Prozent. Dem möchte ich für meine Fraktion
nicht widersprechen. Es wäre aber gut gewesen, wenn er
noch ergänzt hätte, dass die effektive Steuerbelastung
der Kapitalgesellschaften im Jahre 2005 in Deutsch-
land bei 16 Prozent lag.


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Joachim Poß [SPD])


– Ja, Sie werden sicherlich ein Institut finden, das eine
andere Zahl dargelegt hat.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das Institut Lafontaine!)


Bei vielen ist sie noch deutlich niedriger, verehrter Herr
Finanzminister. Das ist die Realität in Deutschland. Es
ist so, wie Sie sagen: Sie sind sehr kundig, wenn es
darum geht, Steuern zu mindern und zu verschieben. In-
sofern möchte ich diese Zahl einmal festgestellt haben.

Ein Redner der FDP – Herr Solms, glaube ich – hat
heute gesagt, dass China jetzt einen Steuersatz von
25 Prozent hat. Nach der Logik des Standortwettbewerbs
werden wir jetzt ja eine Invasion chinesischer Unterneh-
men nach Deutschland erleben; denn ein kleines Unter-
nehmen zahlt nur 20 Prozent und ein großes Unterneh-
men nur 16 Prozent.


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)


Das ist schlimm. Stellen Sie sich einmal vor, dass jetzt
nach der Logik des Standortwettbewerbs 1 Milliarde
Chinesen aufbrechen und hier in Deutschland investie-
ren! Das ist wirklich eine ganz schlimme Geschichte.


(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie sollten einmal ernst werden!)


Nun noch ein paar Worte zu einem weiteren Punkt.
Wenn Sie schon einen solchen Unsinn fabrizieren, dann
sollten Sie nicht auch noch die degressive Abschrei-
bung abschaffen. Karl Schiller – er ist dem einen oder
anderen noch bekannt – hat jahrelang dafür geworben,
dass die degressive Abschreibung nicht abgeschafft
wird, damit den Unternehmern auch der Anreiz gegeben
wird, zu investieren. Warum machen Sie diesen Unfug?
Diejenigen, die die Steuerreform an dieser Stelle kritisie-
ren, haben völlig Recht.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie wirklich zu viel Geld haben, dann geben
Sie es doch nicht den DAX-Konzernen, denen es im
Moment nun wirklich aus den Ohren läuft. Heute wird
hier ja fast ein neuer Orden gestiftet, nämlich der Orden

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(C (D er barmherzigen Brüder für die DAX-Konzerne. Sie eiden aber keine Not. Wenn Sie etwas tun wollen, dann orrigieren Sie endlich eine Ungerechtigkeit des Steuerystems, nämlich den Mittelstandsbauch im Einkomensteuertarif. Hierfür hätten Sie wirklich Gründe. ie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages er echnet hat, würde das 22 Milliarden Euro kosten. Ihr inisterium wird das auch errechnet haben. Wenn Sie egenfinanzieren wollen, brauchen Sie ja nur den Spitensteuersatz etwas anzuheben. Dadurch kommen Sie ogar noch unter die Ausfälle, die Sie bei Ihrer Unterehmensteuerreform zu gewärtigen haben. Wie kann man denn in einer Situation, in der die Unernehmen wirklich einmalige Gewinne erwirtschaften, ie Unternehmensteuer weiter senken, während bei stanierenden oder sogar zurückgehenden Realeinkommen ber zehn Jahre niemand auf die Idee gekommen ist, die leißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu entasten? Im Gegensatz zu dem, was Sie vorhaben, wäre as hier jetzt doch tatsächlich angebracht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist kein under, dass die Steuerreform eine Vorgeschichte hat. in Wirtschaftsminister, der jetzt bei einer Leiharbeitsirma angeheuert hat, ist zu Frau Christiansen geflogen. m selben Flugzeug saß der Präsident des BDI. In der endung sagte man sich gegenseitig, Deutschland habe in großes Standortproblem. Anschließend gab es den teuergipfel, an dem Frau Merkel auch beteiligt war. Der amalige Kanzler hat gesagt: Aus Gründen des Standortettbewerbs müssen wir unbedingt irgendetwas tun. Die Runde hat nur etwas übersehen, was in Deutschand seit vielen Jahren bekannt ist. Ich zitiere den Christemokraten und Chefredakteur des „Handelsblatts“, ans Mundorf. Er hat immer gesagt, die angebliche teuerüberbelastung in Deutschland ist ein Phantomchmerz. Frau Kollegin Scheel, ich möchte Ihnen noch etwas um Thema Populismus sagen. Wenn man hier sagt, entastet doch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ann ist das vielleicht Populismus. Das ist uns aber lieer als die Liebedienerei gegenüber den Unternehmererbänden, die seit Jahren die Politik bestimmen. Das Wort erhält nun der Staatsminister der Finanzen es Landes Rheinland-Pfalz, Dr. Ingolf Deubel. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der LINKEN)


(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609201900


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1609202000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die von

er Bundesregierung vorgeschlagene Unternehmensteuer-
eform, die heute zur Debatte steht, hat einen langen und
ntensiven Vorlauf. Daran haben sich auch die Länder
eteiligt. Viele Details, wie zum Beispiel Zinsschranke,
hesaurierungsrücklage, Weiterentwicklung der Gewer-






(A) )



(B) )


Staatsminister Dr. Ingolf Deubel (Rheinland-Pfalz)

besteuer, aber auch das neue Verrechnungssystem der
Gewerbesteuer mit der Einkommensteuer, gehen auf
Vorschläge der Länder zurück.

Für die offene, konstruktive und vertrauensvolle Zu-
sammenarbeit möchte ich mich beim Kollegen
Steinbrück, aber auch bei allen anderen Mitgliedern der
politischen Arbeitsgruppe ausdrücklich bedanken.

Das Reformvorhaben konzentriert sich zu Recht auf
die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Un-
ternehmensteuersystems. Wettbewerbsfähigkeit heißt
hier zum einen die Verbesserung der Standortbedingun-
gen in Deutschland und damit weitere positive Impulse
für den Arbeitsmarkt, zum anderen aber auch – und
genau das ist das Problem unseres Steuersystems –, dass
zukünftig Gewinne, die in Deutschland erwirtschaftet
werden, auch zur Zahlung von Steuern in Deutschland
führen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es nützt nichts, dass in Unternehmensbilanzen großer
Unternehmen große Gewinne ausgewiesen werden,
wenn man dann als Finanzminister, der in die steuerliche
Situation ja etwas mehr Einblick hat, feststellen muss,
dass davon nur ein sehr geringer Teil in Deutschland als
Steuern ankommt.

Ich möchte dieses Thema aber nicht vertiefen, son-
dern mich zwei anderen Aspekten widmen, nämlich den
Auswirkungen der Änderung bei der Gewerbesteuer
auf die Kommunen einerseits und auf kleine und mitt-
lere Personenunternehmen, also klassische Mittelständ-
ler, andererseits. Dass die kommunalen Spitzenverbände
die geplante Reform ungewöhnlich positiv beurteilen,
hat nicht nur damit zu tun, dass die Gemeinden finanziell
glattgestellt werden, sondern vor allem auch damit, dass
sich die Qualität der Gewerbesteuer aus kommunaler
Sicht deutlich verbessert. Sie wird durch die Verbreite-
rung der Bemessungsgrundlagen an Stetigkeit gewinnen,
und vor allem in Gemeinden mit vielen kleinen Unter-
nehmen dürfte das Aufkommen kräftig steigen.

Hierfür wird vor allem die Abschaffung des Staffelta-
rifs für Personenunternehmen sorgen, aber auch die Ein-
beziehung der Zinsanteile von Mieten, Pachten, Leasing-
raten und Lizenzzahlungen. Durch die Einbeziehung
dieser Zinsanteile wird eine Gleichbehandlung unter-
schiedlicher Fremdfinanzierungskonstruktionen erreicht,
während bisher nur Dauerschuldzinsen bei der Gewerbe-
steuer zugerechnet wurden.

Nun könnte man vermuten, dass sich die deutlichen
Verbesserungen für die Kommunen bei den Unterneh-
men als entsprechende Verschlechterungen widerspie-
geln. Dies ist jedoch keineswegs so. Zwar müssen viele
kleine und mittlere Personenunternehmen in Zukunft an
ihre Gemeinde eine höhere Gewerbesteuer abführen als
bisher, unter dem Strich wird diese Zusatzbelastung je-
doch mehr als kompensiert.

Dies liegt an der völlig veränderten Verrechnungs-
methode bei der Gewerbesteuer. Bisher hat die Gewer-
besteuer zunächst ihre eigene Bemessungsgrundlage re-

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(C (D uziert, die daraus entstehende Gewerbesteuerlast hat ann wiederum die Bemessungsgrundlage der Einkomensteuer reduziert, und am Schluss ist noch einmal ein eil der Gewerbesteuer mit der Einkommensteuerschuld errechnet worden – ein Fall für Steuerberater. Die meisen Unternehmer haben das nie verstanden. Deswegen aben diejenigen, die kaum noch durch die Gewerbeteuer belastet wurden, weiterhin über die Gewerbeteuer geklagt. Dieses komplizierte System wird nun eutlich vereinfacht. Gewerbesteuer und Einkommenteuer werden getrennt berechnet. Anschließend kommt s zu einer Verrechnung bei Personenunternehmen, und war zu einer Vollverrechnung bis zu einem Hebesatz on 400 Prozent. Im Vergleich zum bisherigen System bedeutet das icht nur einen erheblichen Zugewinn an Einfachheit nd Transparenz, sondern vor allem an Gerechtigkeit nd Mittelstandsfreundlichkeit. An Gerechtigkeit desalb, weil bisher eine Verrechnung der Gewerbesteuer war im Fall des Spitzensteuersatzes der Einkommenteuer und bei einem Hebesatz von 400 Prozent zu gut 0 Prozent, aber bei einem niedrigeren persönlichen Einommensteuersatz von zum Beispiel 15 Prozent – das ist ealität bei den meisten kleinen Unternehmen – nur zu 0 Prozent erfolgt. Im Durchschnitt aller Personenunterehmen wurden deshalb im vergangenen Jahr lediglich und 75 Prozent der Gewerbesteuer mit der Einkommenteuer verrechnet. Das heißt im Umkehrschluss, rund 5 Prozent bzw. mehr als 3,5 Milliarden Euro verblieben ls Nettobelastung durch die Gewerbesteuer bei Persoenunternehmen. Wenn der Gesetzentwurf in der jetzigen Fassung bechlossen wird, entfällt diese Belastung zumindest für ämtliche Personenunternehmen, die in Kommunen mit inem Hebesatz von 400 Prozent oder weniger ansässig ind. Sie entfällt auch unabhängig davon, ob der persöniche Einkommensteuersatz bei 42 Prozent oder bei 5 Prozent liegt. Diese Verbesserung für sämtliche Peronenunternehmen ist der eigentliche Beleg für die Mitelstandsfreundlichkeit. 3,5 Milliarden Euro sind kein appenstiel. Unabhängig davon, ob eine Ansparabschreibung oder ine Thesaurierungsrücklage in Anspruch genommen ird, es ist unter dem Strich eine Verbesserung. Desween kann man von einer Mittelstandslücke nun wahrich nicht reden. er von einer Mittelstandslücke fabuliert, sollte sich zur esseren Orientierung zuerst einmal mit den Auswirkunen der Neuordnung der Gewerbesteuer und der Geweresteuerverrechnung befassen. Dann kommt man sehr chnell zu anderen Ergebnissen. Die weiteren Beratungen werden in den nächsten Wohen hier im Hohen Hause und dann im Bundesrat stattinden. Über Details wird gesprochen werden müssen. er Änderungen wünscht, sollte gleichzeitig Gegeninanzierungsvorschläge machen. Zumindest die 5 Miliarden Euro sind eine feste Größe. Ich freue mich auf pannende und ertragreiche Beratungswochen. Staatsminister Dr. Ingolf Deubel Vielen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Otto Bernhardt für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der SPD)





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(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609202100


Otto Bernhardt (CDU):
Rede ID: ID1609202200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ausgangspunkt für die Unternehmensteuer-
reform, mit der wir uns heute in erster Lesung befassen,
ist der Tatbestand, dass Deutschland mittlerweile eine
Spitzenposition innerhalb der EU bei der nominellen
Besteuerung von Unternehmergewinnen hat. Herr
Lafontaine, Ihre Berechnungen sind falsch. Sie dürfen
nicht nur die Körperschaftsteuer sehen, sondern müssen
auch die Gewerbesteuer einbeziehen. Wenn das, was Sie
vertreten, in Deutschland Gesetz würde, wäre der Auf-
schwung zu Ende. Die Notleidenden wären nicht die
DAX-Werte, sondern die Arbeitnehmer in Deutschland.
Ich kann nur sagen: Eine solche Steuerpolitik wäre das
Ende des Wirtschaftsstandortes Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Lachen bei der LINKEN)


Der Tatbestand, dass wir zurzeit mit knapp 39 Prozent
nominell die höchsten Steuersätze haben, hängt nicht
damit zusammen, dass wir in Deutschland die Sätze er-
höht hätten. Vielmehr haben wir sie gesenkt. Das Pro-
blem ist: Andere Länder haben sie stärker gesenkt. Wir
haben eine ganze Reihe von neuen Ländern in die EU
aufgenommen, die von vornherein deutlich niedrigere
Sätze hatten. Mit einem Spitzensteuersatz von knapp
30 Prozent lägen wir in einer mittleren Position inner-
halb der EU, nicht im unteren Drittel. Das brauchen wir
bei der Qualität unseres Standortes aber auch nicht.

Meine These ist, dass die großen Firmen die vielen le-
galen Gestaltungsmöglichkeiten, die sie bei einem Steu-
ersatz von 39 Prozent natürlich genutzt haben, bei
30 Prozent nicht mehr nutzen werden. Deshalb bin ich
davon überzeugt, dass ein erheblicher Teil der Gewinne,
die heute in Deutschland entstehen, hier aber nicht
besteuert werden, in Zukunft wieder in Deutschland be-
steuert wird. Ich glaube, dass wir mit den niedrigeren
Steuersätzen – ich vermute, schon 2009, Herr Minister –
höhere Steuereinnahmen haben werden als heute und
dass diese Unternehmensteuerreform damit auch ein
Beitrag zur Sanierung der öffentlichen Finanzen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Der zweite große Punkt – Kollege Michelbach hat be-
reits darauf hingewiesen –: Wir werden die niedrigeren
Steuersätze in vollem Umfang auf die Personengesell-
schaften übertragen. Wir gehen in diesem Bereich zu
einem Steuersystem über, das wir schon einmal einige
Jahre nach dem Krieg hatten: dem System des gespalte-
nen Steuersatzes. Das bedeutet, Gewinne von Personen-

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(C (D esellschaften, die in der Firma bleiben, werden niedrier besteuert als Gewinne, die aus der Firma genommen erden. Dies ist ein toller Beitrag zur Stärkung des Mit elstandes und insbesondere der Eigenkapitalsituation im ittelstand. Dennoch besteht natürlich Diskussionsbedarf. Es gibt a den bekannten Spruch, dass noch kein Gesetzentwurf o aus dem Bundestag herausgekommen ist, wie er hieingekommen ist. (Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Der kommt vom Altmeister Peter Struck!)


as wird auch diesmal der Fall sein. Diskussionsbedarf
ich sage noch nicht Veränderungsbedarf; der kann aus
er Diskussion entstehen – besteht insbesondere bei
echs Punkten.

Der erste Punkt. Ich sage es in aller Deutlichkeit: Wir
ehmen natürlich sehr ernst, was der Nationale Normen-
ontrollrat sagt. Wir werden uns die 40 zusätzlichen
eldepflichten ganz genau ansehen, wohl wissend, dass

ich viele aus Wahlrechten bei der Besteuerung ergeben.
ir werden uns auch die 180 Millionen Euro bei den ge-

ingfügigen Wirtschaftsgütern sehr genau anschauen. Es
äre gut, wenn wir in der zweiten Lesung sagen könn-

en: Die neue Unternehmensteuerreform bedeutet unter
em Strich nicht 72 Millionen Euro mehr Bürokratie,
ondern vielleicht 20 oder 30 Millionen Euro weniger
ürokratie. An dem Ziel werden wir arbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der zweite Punkt. Ich weiß natürlich, dass leistungs-
tarke Personengesellschaften durch die Thesaurierungs-
öglichkeit viele Vorteile haben. Ich weiß auch, dass der

rößte Teil des Mittelstandes eine Besteuerung von unter
0 Prozent hat. Der erhebliche Teil davon profitiert aber
on der verbesserten Investitionsrücklage. Nun gibt es
m Handwerk und bei anderen eine Diskussion über die
10 000-Euro-Grenze. Lassen Sie uns auch hierüber
och einmal diskutieren; vielleicht finden wir noch eine
öglichkeit, in Richtung 250 000 Euro zu marschieren.

Der dritte Punkt. Die Zinsschranke ist etwas Neues.
an weiß nicht so ganz genau, wie sie in allen Berei-

hen wirkt. In den Vereinigten Staaten gibt es etwas Ver-
leichbares seit vielen Jahren. Frankreich hat eine Zins-
chranke am 1. Januar dieses Jahres eingeführt. Wir
iskutieren hier nicht über Dinge und über Probleme, die
s nicht auch in anderen Ländern gibt. Nur, wir wollen
ns die Auswirkungen der Zinsschranke auf vier mo-
erne Finanzierungsformen, die wir brauchen, noch ein-
al ganz genau anschauen: Leasing, Factoring, PPP und
rivate Equity.

Der vierte Punkt. Wir wollen, dass in Zukunft Schluss
it den Mantelkäufen ist. Firmenkäufe, die nur den
weck haben, sich den Verlustvortrag zu sichern, wollen
ir nicht. Das ist schon jetzt ganz erheblich einge-

chränkt. Wir wollen aber noch einmal über die Frage
iskutieren, wie es mit den Verlustvorträgen bei Sanie-
ungen und Umstrukturierungen in internationalen Kon-
ernen aussieht. Hier muss noch diskutiert werden; ob






(A) )



(B) )


Otto Bernhardt
wir zu Veränderungen kommen müssen, mögen wir dann
überlegen.

Der fünfte Punkt. Es ist in allen Ländern üblich, dass
Funktionsverlagerungen besteuert werden. Aber uns
interessiert noch die Auswirkung der Funktionsverlage-
rung auf den Bereich Forschung und Entwicklung. Wir
wollen nicht, dass es zu Nebenwirkungen kommt, die
keiner will, um das klar zu sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deutschland ist bei Forschung und Entwicklung an der
Spitze der Welt; wir sind da bei den großen Nationen mit
dabei:


(Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin GöringEckardt)


Dies muss auch so bleiben. Es soll nicht durch die steu-
erliche Behandlung der Funktionsverlagerung gefährdet
werden. Das sind Punkte, über die wir diskutieren. Ich
sage aber genauso deutlich, insbesondere an die Kolle-
gen von den Sozialdemokraten gerichtet: Wir werden
uns nur in einem Rahmen bewegen, der die 5-Milliar-
den-Euro-Grenze nicht überschreitet. Darauf haben wir
uns politisch geeinigt, und dabei bleibt es. Deshalb sage
ich jedem, der tolle Vorschläge hat, dass wir diese durch-
aus umsetzen können, dass aber die Gegenfinanzierung
aus dem eigenen Projekt, also im Rahmen der Unterneh-
mensteuerreform, erfolgen muss. Ich glaube, dass dann,
wenn dies zur Bedingung gemacht wird, die Wünsche
weniger werden.

Dieser Gesetzentwurf umfasst noch ein ganz wichti-
ges Thema für den Standort Deutschland – der hessische
Ministerpräsident hat darauf hingewiesen –, nämlich den
Übergang zur Abgeltungsteuer. Das ist ein Instrument,
das mit Sicherheit den Kapitalmarkt in Deutschland stär-
ken wird, es ist ein Instrument, das sicherstellt, dass wir
in Zukunft auf viele Informations- und Mitteilungsmel-
dungen verzichten können. Wer die 180 Millionen Euro
bei den geringfügigen Wirtschaftsgütern kritisiert – das
tue ich auch –, der sollte auch darauf hinweisen, dass der
Übergang zur Abgeltungsteuer Bürokratiekosten von
150 Millionen Euro erspart.

Sicher kann man darüber diskutieren, liebe Kollegen
von der FDP, ob 25 Prozent der richtige Satz sind. Ich
sage: Zum Einstieg und bei den Möglichkeiten, die wir
angesichts der Haushaltssituation haben, ist das ein Pro-
zentsatz – das sagen uns auch die Bankenvertreter –, mit
dem man einsteigen kann. Ich glaube, dass wir auch bei
diesem Instrument, ähnlich wie bei der Körperschaft-
steuer, beim Übergang relativ schnell keine Ausfälle
mehr haben werden, wie es in den Berechnungen des Mi-
nisteriums heißt, sondern dass wir durch die Erweiterung
der Bemessungsgrundlage und durch den Tatbestand,
dass weniger Geld Deutschland verlassen wird, wenn wir
das neue System haben – ich gehöre sogar zu den Op-
timisten, die erwarten, dass Geld zurückkommt –, mit der
Abgeltungsteuer ab 1. Januar 2009 einen wichtigen Bei-
trag zur Stärkung des Kapitalmarktes in Deutschland und
letztlich auch zur Sanierung der Finanzen leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Solms zulassen? Gerne. Bitte schön. Herr Kollege Bernhardt, was die Abgeltungsteuer an etrifft, so können wir als FDP – Sie haben uns angeprochen – mit 25 Prozent durchaus leben. Das ist nicht as Problem. Das Problem bei der Einführung der Abeltungsteuer, wie Sie sie vorgesehen haben, ist die esteuerung der Veräußerungsgewinne. a darf ich Sie auf ein Zusatzproblem hinweisen, welhes dringend zu beachten ist. Das wird die private ltersvorsorge beispielsweise beim Fondssparen ganz tark belasten und zu einer erheblichen Besteuerung fühen, die die Sparer nicht einkalkuliert haben, weil sie das icht wissen konnten, als sie ihre Sparverträge abgechlossen haben. Wenn es dort keine Änderung gibt, ann wird das eine echte Schwächung der privaten Alersvorsorge bedeuten. Zunächst einmal freue ich mich, dass wir darin über instimmen, dass der Übergang zur Abgeltungsteuer ein ichtiger Weg ist, den auch die FDP unterstützt. Sie seen Probleme bei der zukünftigen Besteuerung der Verußerungserlöse. Den Punkt, den Sie angesprochen haen, sehen wir auch. Es stellt sich die Frage, ob wir arüber noch diskutieren müssen. Ich habe das nicht als iebten Punkt bei mir aufgenommen. Es gibt bei uns eine iskussion über Instrumente, die vielleicht zwölf Jahre aufen und erst nach dem 60. Lebensjahr in Form von enten ausgezahlt werden. Auch das werden wir im ahmen der Anhörung sehen. Aber ein erheblicher Teil er Kritik an der Abgeltungsteuer hat in der Regel nichts it der Abgeltungsteuer zu tun, wie auch Sie eben dar estellt haben, sondern mit der Besteuerung der Veräuerungserlöse. Nur, das ist unsere politische Entscheiung, die wir schon im Koalitionsvertrag getroffen aben. Ich weiß, dass andere Länder dieses Problem zum eil anders lösen. Aber dies ist der gemeinsame Wille er Großen Koalition. Dabei werden wir bleiben. Ob wir ugunsten der privaten Altersvorsorge steuerlich noch twas machen können, ist auch bei uns noch in der Disussion. Ich möchte auch bei dieser Gelegenheit nicht vergesen, ein zweifaches Dankeschön zu sagen. Das erste ankeschön gilt unserem sozialdemokratischen Koali ionspartner. Ich weiß, dass sich die vielzitierte Basis der PD mit diesem Thema schwerer tut als unsere. Auf der nderen Seite gibt es bei uns eine Reihe von Mittelständern, die es gerne gesehen hätten, dass für den Mitteltand deutlich mehr gemacht wird. Ihnen mussten wir Otto Bernhardt immer wieder sagen: 5 Milliarden Euro ist die Grenze, zu der wir stehen. Ein besonderes Dankeschön gilt aber auch den Ministerien: zum einen dem Bundesfinanzministerium, aber auch den Landesfinanzministerien – der Minister hat sie schon genannt –, die hierbei als technische Arbeitsgruppe mitgearbeitet haben. Es war für mich faszinierend zu sehen, wie diese Zwölfergruppe kurzfristig mit umfassendem Zahlenmaterial bedacht wurde. Ich finde gut, dass uns der Fehler mit der Körperschaftsteuer und den entsprechenden Ausfällen – Sie wissen, wovon ich spreche – diesmal nicht passieren wird, weil man viele Hunderte Akten studiert hat und das, was wir jetzt vorschlagen, schon einmal durchgerechnet hat. Das heißt, wir haben uns an der Wirklichkeit orientiert. Das war natürlich nur unter Einschaltung verschiedener Bundesländer möglich. Ich kann nur sagen: Hier ist hervorragende Arbeit geleistet worden. (Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Sie haben sich an der Vergangenheit orientiert!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609202300
Otto Bernhardt (CDU):
Rede ID: ID1609202400
Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609202500
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609202600

(Joachim Poß [SPD]: Gott sei Dank!)

Otto Bernhardt (CDU):
Rede ID: ID1609202700




(A) )


(B) )


Zurück zur Unternehmensteuerreform. Dies ist mit
Sicherheit eines der ganz großen Reformvorhaben der
Großen Koalition. Um es klar zu sagen: Dieses Vorha-
ben lassen wir uns von niemandem zerreden. Alle Fach-
verbände stimmen in ihren Stellungnahmen von der
Grundtendenz her zu, auch wenn in Halbsätzen immer
wieder der Wunsch „Es könnte ein bisschen mehr sein“
geäußert wird.

Ich erinnere daran, dass die Große Koalition sich in
der Finanzpolitik zwei Ziele gesetzt hat, die sie gleich-
zeitig verwirklichen will: erstens Stärkung der Wachs-
tumskräfte der Wirtschaft. Dem werden wir mit dieser
Unternehmensteuerreform gerecht. Zweitens: Konsoli-
dierung der öffentlichen Finanzen; deshalb haben wir
eine Grenze bei 5 Milliarden Euro gezogen.

Dieses Reformvorhaben ist ein hervorragender Bei-
trag, um den Standort Deutschland zu stärken. Das
heißt ganz konkret, Herr Lafontaine: Es ist ein Beitrag
zur Sicherung vorhandener Arbeitsplätze. In diesem
Sinne werden wir dieses Projekt abschließen. Der Regie-
rungsentwurf ist schon deutlich besser als der Referen-
tenentwurf. Ich bin davon überzeugt: Das, was wir hier
am 25. Mai in zweiter und dritter Lesung verabschieden,
wird noch besser sein. Wir werden unseren Beitrag dazu
leisten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609202800

Dem Kollegen Reinhard Schultz erteile ich jetzt das

Wort für die SPD-Fraktion.


Reinhard Schultz (SPD):
Rede ID: ID1609202900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn man zwei Jahre zurückblickt, sich die Ausgangs-
positionen in der Diskussion über eine Reform der Un-

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(C (D ernehmensbesteuerung anschaut und einen Vergleich zu em zieht, was heute hier ins Parlament eingebracht urde, dann wird erst richtig deutlich, was in der Zwi chenzeit politisch geleistet worden ist und welche Interationsleistung innerhalb der Koalition erbracht worden t. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Eduard Oswald [CDU/CSU])


Zu Beginn der Diskussion hat unser Koalitionspartner
um Beispiel noch überlegt, auf die Gewerbesteuer voll-
tändig zu verzichten.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Nein, sie zu ersetzen, Herr Kollege!)


ir haben eine Diskussion über Vorschläge der Stiftung
arktwirtschaft geführt. Die Umsetzung dieser Vor-

chläge hätte dauerhafte Steuerausfälle in Höhe von
0 bis 40 Milliarden Euro mit sich gebracht. Man wollte
n vielen völlig unbekannten Stellschrauben im Steuer-
ystem drehen. Die Kollateralwirkungen wären für nie-
anden absehbar gewesen.

Die jetzt vorgesehene Steuerreform zielt darauf ab,
ass die Steuerbelastung und die Steuersätze möglichst
ahe beieinanderliegen. Der Steuersatz soll Unterneh-
en im Inland und im Ausland signalisieren, was sie tat-

ächlich zu zahlen haben.

Kollege Lafontaine, Sie haben von dem
undorf’schen Phantomschmerz geredet. Auch ich habe

en Mundorf’schen Artikel gelesen, in dem zu Recht
ieses Bild gezeichnet wird. Tatsächlich haben viele in-
ernational tätige Unternehmen über den hohen Steuer-
atz geklagt, wohl wissend, dass sie diese Steuern
iemals zu zahlen brauchen, weil es genügend Stell-
chrauben und Verschiebebahnhöfe gibt, um dafür zu
orgen, dass für sie ein ganz niedriger Steuersatz gilt.

ir haben doch eine Tabelle, aus der hervorgeht, wie die
teuerbelastung der DAX-Unternehmen trotz höchster
ewinne ist. Das einzige Unternehmen, das da wirklich

inigermaßen nahe an der Wirklichkeit und an der Steu-
rehrlichkeit war, ist – das muss man neidlos anerken-
en – BASF. Der Rest fiel deutlich ab. Zum Teil wurde
ur unter 10 Prozent dessen, was an Gewinnen ausge-
iesen wurde, hier auch tatsächlich versteuert.

Das ist nicht hinnehmbar. Das muss zurückgeholt
erden. Insofern wird mit dieser Unternehmensteuerre-

orm insgesamt ein Volumen von 30 Milliarden Euro be-
egt, wovon mindestens 25 Milliarden Euro gegenfi-
anziert sind, was sozusagen der Stabilisierung der
teuerbasis dient. Dabei geht es bei den großen Konzer-
en um die Zinsschranke. Das heißt, die Konzernbin-
enfinanzierung wird sozusagen da behindert, wo es ein
efälle in Richtung Billigsteuerländer gibt. Auch bei
unktionsverlagerungen wird darauf geachtet, dass
ochwertige Ideen, Erfindungen, Patente nicht unter
reis über die Grenze geschoben werden mit der Folge,
ass im Nachhinein hohe Lizenzgebühren entstehen, die
ewinne sozusagen ins Ausland verschieben helfen. So
ären noch viele andere Maßnahmen zur Stabilisierung

u nennen.






(A) )



(B) )


Reinhard Schultz (Everswinkel)

Unter dem Strich werden diejenigen, die in der Ver-
gangenheit ausgewichen sind, in Deutschland deutlich
mehr bezahlen als bisher – sie werden im Ausland weni-
ger, aber in Deutschland mehr als bisher bezahlen –,
während diejenigen mittelständischen Unternehmen,
die in der Vergangenheit kaum Möglichkeiten hatten,
Eigenkapital anzusparen, für Investitionen Vorsorge zu
treffen – in der Wirtschaftskrise der letzten Jahre ist das
sehr deutlich gewesen –, deutlich entlastet werden; das
hat Ingolf Deubel klar gesagt. 2,5 Milliarden Euro ist tat-
sächlich eine Menge Geld. Das geht im Wesentlichen zu-
gunsten der Stärkung von Eigenkapital und Investitio-
nen.

Von einer Mittelstandslücke kann überhaupt keine
Rede sein – das kann ich nur unterstreichen –; im Ge-
genteil. Selbst wenn man nur auf den Investitionsab-
zugsbetrag schaute und feststellte: „Es gibt einige we-
nige Unternehmen, die davon nicht betroffen sind, weil
sie zu groß sind, weil sie eine zu hohe Eigenkapitalaus-
stattung haben“, so gilt doch: Sie würden unter normalen
Bedingungen in jedem Fall etwas von den Thesaurie-
rungsvorteilen haben;


(Joachim Poß [SPD]: So ist es!)


es sei denn, sie haben eine so hohe Eigenkapitalausstat-
tung und eine so kümmerliche Eigenkapitalrendite – das
mag es auch geben –, dass man ihnen dringend raten
sollte zu überlegen, ob sie den Betrieb unter diesen Be-
dingungen überhaupt fortführen. Aber unter normalen
Bedingungen würden sie eher von der Möglichkeit der
Thesaurierung Gebrauch machen. Das heißt: Alle sind
mit im Boot. Eine Lücke ist überhaupt nicht zu erken-
nen.

Natürlich gibt es auch die Klage von sehr gering ver-
dienenden Unternehmen, sie hätten von dieser Steuerre-
form nichts.


(Joachim Poß [SPD]: Aber die zahlen auch keine Steuern!)


Die haben wir eigentlich bereits mit der Steuerreform
von 2000 erreicht. Wir wissen, dass die Personenunter-
nehmen im Schnitt nur 19 Prozent Steuern bezahlen.
Denen können wir mit solchen Maßnahmen nicht helfen,
weil wir sie bereits vor einigen Jahren erheblich entlastet
haben. Es gibt zwischen 200 000 und 300 000 Unterneh-
men, die so geringe Erträge haben, dass sie wegen der
hohen Freibeträge überhaupt keine Steuern zahlen. Für
die kann der Steuergesetzgeber natürlich nichts mehr
tun.

Uns geht es wirklich um Unternehmen, die Leistung
bringen, die investieren sollen, die Beschäftigung schaf-
fen sollen. Dann gibt es die Großunternehmen, die auf-
grund ihrer starken internationalen Verflechtungen dazu
beitragen, dass Deutschland immer wieder Exportwelt-
meister wird. Wir wollen uns die Weltmeisterschaftsprä-
mie mit diesen Unternehmen gern teilen. Davon muss
auch diese Gesellschaft etwas haben. Insofern, glaube
ich, ist die Sache rund.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Natürlich weiß auch ich: Der Teufel steckt im Detail. ir werden den Gesetzentwurf im Rahmen der weiteren eratungen auch unter dem Gesichtspunkt der Praxis auglichkeit auf den Prüfstand stellen. Möglichkeiten für eitere Entlastungen unter dem Strich sehen wir allerings eindeutig nicht; im Gegenteil: Wir sehen eher die otwendigkeit zu stabilisieren, wenn denn Möglichkei en zur Stabilisierung gegeben sind. Ich bin fest davon überzeugt: Die kommenden acht ochen werden wir gemeinsam nutzen und am 25. Mai it einem guten Ergebnis aufwarten können. Vielen Dank. Ich schließe die Aussprache. Von den Fraktionen ist Überweisung der Vorlagen auf en Drucksachen 16/4841, 16/4857 und 16/4855 an die n der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgechlagen. – Damit sind Sie einverstanden. Dann ist die berweisung so beschlossen. Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 27 a und b uf: a)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609203000
Montag, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang
Wieland, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform

(… Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung)


– Drucksache 16/3827 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Kultur und Medien

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörg van
Essen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP

Reform der Telefonüberwachung zügig umset-
zen

– Drucksache 16/1421 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien

Hierfür ist verabredet, eineinhalb Stunden zu debat-
ieren. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist so
eschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
ollegen Jerzy Montag, Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609203100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Politik sollte mit dem Erfassen und Bewerten der Wirk-
lichkeit beginnen; damit möchte auch ich anfangen. Die
Zahl der Telefonüberwachungen in Deutschland steigt
von Jahr zu Jahr rasant: 1990 waren es 2 500 Fälle, 1995
3 500, 2000 15 000, 2004 34 000, 2005 42 000. Hinter
diesen 42 000 Fällen stecken Hunderttausende, vielleicht
sogar Millionen von abgehörten Einzeltelefongesprä-
chen. Das bedeutet: Hunderttausendfach oder millionen-
fach wurde in das geschützte Grundrecht auf freie Tele-
kommunikation, auf freien Telefonverkehr eingegriffen.

Wir werden in der Diskussion das Argument hören,
Zahlen sagten für sich genommen nichts aus.


(Zuruf von der SPD: Genau!)


Natürlich ist es richtig, sich zu überlegen, wie sich die
Telekommunikation insgesamt entwickelt hat. Selbst
wenn man aber die Entwicklung der mobilen Tele-
kommunikation, die Tatsache, dass Menschen anders
und viel mehr kommunizieren – natürlich auch Verdäch-
tige oder Straftäter –, in Rechnung stellt, ist der Anstieg
nicht hinnehmbar. Dazu nur ein Hinweis: 2005 war der
Mobilfunkmarkt in Deutschland praktisch gesättigt, es
gab praktisch keinen Zuwachs mehr; trotzdem gab es bei
der Kontrolle einen Zuwachs um 25 Prozent.

Wir werden auch hören, man müsse sich damit abfin-
den, weil die Telekommunikationsüberwachung einem
guten Zweck, nämlich der Verfolgung von Straftätern,
diene.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Der Wahrheitsfindung!)


Ich sage Ihnen dazu: Laut Zahlen der Ermittlungsbehör-
den führen 60 bis 70 Prozent aller Telekommunikations-
überwachungen zu einem Ergebnis; das bedeutet, dass
30 bis 40 Prozent aller Telekommunikationsüberwa-
chungen bei Personen durchgeführt wurden, die un-
schuldig geblieben sind. Aber auch das Abhören derjeni-
gen, die verdächtig sind, jede einzelne Telefonabhörung
ist ein schwerwiegender Eingriff in ein Grundrecht. Des-
wegen ist es nicht hinnehmbar, dass die Zahl der Tele-
kommunikationsüberwachungen fortwährend wächst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben viele Jahre auf wissenschaftliche Gutach-
ten gewartet, die der Bundestag und die Bundesregie-
rung in Auftrag gegeben haben. Die Ergebnisse, die jetzt
vorliegen, sind erschreckend: Die Justiz nimmt bisher
nicht in ausreichendem Maße die Kontrollfunktion
wahr, die sie wahrnehmen sollte.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Was?)


Mehr als ein Viertel aller Beschlüsse sind entweder über-
haupt nicht oder nur formelhaft begründet worden.
Somit wird nicht ersichtlich, ob die Justiz in jedem Ein-
zelfall tatsächlich das Grundrecht auf freie Telekommu-
nikation in den Blick genommen hat, ob eine Abwägung
gegen das Strafverfolgungsinteresse stattgefunden hat.
Die Arbeit der Justiz muss also erheblich verbessert wer-
den.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


uch die Benachrichtigungspflichten, die zu einem ef-
ektiven Rechtsschutz und damit auch zur Wahrung des
rundrechts gehören, bedürfen einer Erweiterung, eines
usbaus.

Deshalb machen wir unsere Vorschläge. Wir gehen ei-
en grundsätzlich neuen Weg. Bisher gibt es einen
traftatenkatalog. Ein Straftatenkatalog ist schlimmer
ls eine Hydra, bei der erst dann zwei Köpfe anwachsen,
enn man einen abschlägt; hingegen steigt beim Strafta-

enkatalog die Zahl der Tatbestände, bei denen eine Tele-
ommunikationsüberwachung erlaubt ist, Jahr um Jahr
n. Der neueste Entwurf der Regierung der Großen
oalition sieht weitere neue Tatbestände vor.

Wir gehen einen neuen Weg, indem wir nicht mehr
ach Straftatbeständen suchen, sondern einen Kriterien-
atalog erstellen. Wir wollen eine Telekommunikations-
berwachung nur dann, wenn es sich um Verbrechen
andelt oder um Vergehen, die so schwerwiegend wie
erbrechen sind, und auch nur dann, wenn in jedem Ein-
elfall eine Prognose des Gerichts zu dem Ergebnis
ommt, dass es sich um einen schwerwiegenden Fall
andelt, bei dem wahrscheinlich eine Haftstrafe von
ber einem Jahr herauskommen wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im Rahmen dieser Debatte will ich schon jetzt sagen,
eine Damen und Herren, insbesondere in Richtung der
PD-Kolleginnen und -Kollegen, dass dieser Wechsel
rsprünglich nicht einmal eine Idee von uns Grünen war.
enken Sie in der Debatte einmal darüber nach, von
em diese Idee gekommen ist – eine glänzende Idee, die
ir übernommen haben, von der Sie aber heute offen-

ichtlich nichts mehr wissen wollen, weil Sie mit dem
alschen Koalitionspartner zusammenarbeiten.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Hellmut Königshaus [FDP]: Das ist wahr!)


Wir schützen alle Berufsgeheimnisträger gleicher-
aßen, und zwar deswegen, weil man keine Unter-

chiede hinsichtlich des Vertrauensverhältnisses des
rztes, des Verteidigers oder des Abgeordneten machen
ann. Jeder, der eine Abstufung vornehmen will, ist da-
ür begründungspflichtig; aber eine solche Begründung
ibt es nicht.

Wir schützen den Kernbereich der persönlichen Le-
ensgestaltung auf eine vernünftige, der Praxis entge-
enkommende Weise. Da, wo live abgehört wird, muss
bgeschaltet werden, und wo automatisiert abgehört
ird, sind die Ergebnisse nicht verwertbar.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, ich habe zu wenig Zeit,
m, obwohl wir den Gesetzentwurf vorschlagen, Ihnen
ll seine Elemente in meinem Redebeitrag nahezubrin-
en. Ich will nur noch auf einen Punkt kommen. Wir wa-
en, Herr Kollege Benneter, so ehrlich, in unseren Ge-
etzentwurf am Schluss hineinzuschreiben, dass es auch
lternativen gibt; sie sind aber die schlechteren.






(A) )



(B) )


Jerzy Montag
Schauen Sie sich Ihren Entwurf an. Obwohl unser Ge-
setzentwurf heute zur Debatte im Bundestag vorliegt,
schreiben Sie in Ihrem Gesetzentwurf, es gebe keine Al-
ternativen. Davon müssen Sie Abstand nehmen. Wir
werden Ihnen in der Debatte zeigen, dass es Alternativen
gibt und dass unsere die bessere ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609203200

Jetzt hat der Kollege Dr. Jürgen Gehb für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort.


Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1609203300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir be-

fassen uns heute mit zwei Anträgen: einem Gesetzent-
wurf von Bündnis 90/Die Grünen und einem Antrag der
FDP zur Telekommunikationsüberwachung. Hintergrund
sind diverse Entscheidungen des Bundesverfassungs-
gerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung,
aber auch zur Telekommunikationsüberwachung. In
diesen werden die Anforderungen an die verdeckte Er-
mittlungsmaßnahme der Überwachung festgelegt. Weil
diese Entscheidungen, auf die ich noch näher eingehen
werde, zu einem guten Teil schon etwas älteren Datums
sind, hat die Bundesregierung bereits seit längerem ange-
kündigt, ein harmonisches System der verdeckten straf-
prozessualen Ermittlungsmethoden zu schaffen.

Gestern haben wir uns darüber unterhalten, dass es
auch die Möglichkeit einer Überwachung aus präventi-
ven Gründen gibt. Heute beschäftigen wir uns aus-
schließlich mit den repressiven Gründen, die in den
§§ 100 a ff. StPO geregelt sind.

Schon in der 14. und in der 15. Legislaturperiode gab
es Ansätze. Sie konnten aber offenbar aufgrund damali-
ger Regierungskoalitionen und -konstellationen nicht
zum Erfolg geführt werden. Ich darf Ihnen vorab versi-
chern, dass die jetzige Regierungskoalition – keine
Angst, Herr Montag; die jetzige Regierungskoalition ist
schon die richtige, jedenfalls gemessen an der Bench-
mark Grüne die bessere – auf einem besseren Weg ist.
Wir werden in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen, mit
dem die verdeckten Ermittlungsmethoden insgesamt
einer Neuregelung zugeführt werden.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir gespannt!)


Wenn man sich den von den Grünen vorgelegten Ent-
wurf ansieht, dann versteht man, warum die rot-grüne
Koalition nicht zu Potte gekommen ist. Die Grünen ha-
ben offenbar wieder alles in den Gesetzentwurf hinein-
gepackt, was sie in der Zeit ihrer Mitregierung auf Bun-
desebene gegenüber der SPD nicht haben durchsetzen
können. Ich betone ausdrücklich: Das war auch gut so.


(Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der Gesetzentwurf atmet unverkennbar den Geist – wo
fällt der Blick hin? Er ruft schon dazwischen – von
Herrn Ströbele.

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(C (D (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Qualitätsmerkmal!)


Die Grünen verkennen einmal mehr, dass wir uns in
inem Spannungsfeld bewegen. Dieses Spannungsfeld
ennt doch jeder. In ihm stehen sich verschiedene Inte-
essen nahezu unversöhnlich gegenüber. Auf der einen
eite steht der Grundrechtschutz aus Art. 10 und
rt. 13 des Grundgesetzes. Auf der anderen Seite gibt es
atürlich die Pflicht des Staates zu einer effektiven
trafverfolgung, die nicht zu einem zahnlosen Tiger
erkommen darf.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will doch niemand!)


as ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfas-
ungsgerichts und wesentlicher Auftrag des staatlichen
emeinwesens.

In dieser Konstellation befinden wir uns übrigens
äufig. Gestern konnten wir es bei der Debatte über die
atientenverfügung erleben:


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gab es aber kein Strafverfolgungsinteresse!)


elbstbestimmung auf der einen Seite und Schutz des
ebens auf der anderen Seite. Die Frage ist immer, wel-
hen Ausgleich man zwischen den verschiedenen Inte-
essen findet. Man spricht in diesem Zusammenhang
om Prinzip der praktischen Konkordanz. Man muss
iese sich widerstreitenden Prinzipien, die alle im
rundgesetz stehen, irgendwie sinnvoll zum Ausgleich
ringen. Darüber streiten wir uns. Aber das ist nun ein-
al das Wesen einer Demokratie. Dass Sie immer dabei

en Kürzeren ziehen, ist das Gute an der Demokratie.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Denken Sie an die Zeit Ihrer Opposition, Herr Gehb!)


Es ist klar, dass es keinen hundertprozentigen Schutz
or Straftaten geben kann. Bei dem Gesetzentwurf der
rünen ist aber nach unserer Auffassung die genannte
bwägung misslungen. Das Strafverfolgungsinteresse
es Staates wird gegenüber dem Grundrechtschutz wei-
er zurückgesetzt, als dies nach der Rechtsprechung des
undesverfassungsgerichts notwendig wäre. Ihr Gesetz-
ntwurf weist zudem – ich komme gleich darauf zu spre-
hen; das wundert mich sehr, Herr Montag – auch hand-
erkliche Mängel auf; er ist inkonsequent bei der
erfolgung seines Anliegens und greift auch zu kurz. Ich
ill diese einzelnen Punkte nacheinander abarbeiten.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entschei-
ung vom 27. Juli 2005 klargestellt – ähnlich wie kurz
uvor bei der Entscheidung zur Wohnraumüberwachung –,
ass auch im Bereich der Telekommunikationsüberwa-
hung Regelungen zum Schutz des Kernbereichs pri-
ater Lebensgestaltung erforderlich sind. Es hat dabei
ber betont, dass insoweit nicht die im Hinblick auf die
kustische Wohnraumüberwachung erhöhten Ein-
riffsanforderungen des Art. 13 des Grundgesetzes wie
n der Wohnraumüberwachungsentscheidung, sondern






(A) )



(B) )


Dr. Jürgen Gehb
– das ist verständlich – niederschwelligere Eingriffshür-
den einzubauen sind. Deshalb ist die Eingriffsschwelle
bei der akustischen Wohnraumüberwachung höher anzu-
setzen – denn in dem Fall muss man erst in die Wohnung
eines Menschen gelangen – als bei der telefonischen
Überwachung mit ihren technischen Möglichkeiten.
Man spricht einmal von den qualifizierten Gesetzesvor-
behalten und einmal von den einfachen Gesetzesvorbe-
halten. Das ist unter Juristen unstreitig.

Im Gesetzentwurf der Grünen wird der Berufsge-
heimnisträgerschutz absolut und nicht differenziert
nach den einzelnen Berufsgruppen geregelt.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben! Das ist gut so!)


Dies gilt aber wiederum nur für die Telekommunika-
tionsüberwachung und für die Verkehrsdatenerhebung.
Das Bundesverfassungsgericht hat indessen nur für Ver-
teidiger und Seelsorger eine absolute Schutzwürdigkeit
anerkannt und hat dies aufgrund Art. 46 und Art. 47 des
Grundgesetzes auch für Abgeordnete getan. Für die übri-
gen Berufsgeheimnisträger ist ein solcher absoluter
Schutz nicht geboten. Er ist vielmehr mit dem öffentli-
chen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung un-
vereinbar.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist von uns gewollt!)


Zudem knüpft der in Ihrem Gesetzentwurf enthaltene
Berufsgeheimnisträgerschutz nicht an die Reichweite
des Zeugnisverweigerungsrechts an – obwohl Sie das in
Ihrem Gesetzentwurf schreiben –, sondern an die Person
des Trägers. Damit wären auch Gespräche einer Heb-
amme einer Abhörmaßnahme nicht zugänglich, auch
wenn es vielleicht um etwas ganz anderes geht als um
ein Gespräch über eine schwierige Zangengeburt. Es
wird also nicht an die Zeugnisverweigerungseigenschaft,
sondern nur an die Berufsgeheimnisträgerschaft ange-
knüpft.

Das hat zur widersprüchlichen Folge, dass die betrof-
fene Person darüber zwar als Zeuge aussagen müsste,
aber ein entsprechendes Telefongespräch nicht abgehört
werden dürfte.

Das gilt auch für den Nachrichtenmittler. Zum Bei-
spiel könnte der Sohn eines Rechtsanwaltes, der die An-
weisungen eines Beschuldigten für einen Betäubungs-
mitteltransport entgegennimmt, nicht mehr abgehört
werden, weil der Anschluss dem Vater gehört, der eben
als Rechtsanwalt Berufsgeheimnisträger ist. Das ist doch
eine kuriose Konsequenz. Dasselbe gilt auch für Ange-
hörige von Verdächtigen. Wenn jemand seine Ehefrau
quasi als Schutzschild auf eine Drogenkurierfahrt mit-
nimmt, kann der Fall mit verdeckten Ermittlungsmaß-
nahmen nicht mehr bearbeitet werden.


(Lachen des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


– Ja, Herr Montag, das ist zum Lachen. Aber es ist Ihr
Entwurf. Sie lachen also über Ihren eigenen Entwurf.

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(C (D (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben wieder ein christliches Familienbild!)


Jetzt kommen wir zur handwerklichen Insuffizienz.
ie Telekommunikationsüberwachung wird mit Einzel-

allregelungen zum Verfahren geradezu überfrachtet.


(Ute Kumpf [SPD]: Insuffizienz? Ich kenne nur Inkontinenz!)


Nicht Inkontinenz. Das ist etwas anderes. Darüber
önnen wir uns noch unterhalten. Auch dies ist eine be-
ondere Form der Insuffizienz; denn die Blaseninsuffizi-
nz nennt man auch Inkontinenz. Dann gibt es noch et-
as Ähnliches mit „Im…tenz“.


(Ute Kumpf [SPD]: Das lassen wir lieber weg!)


Jetzt wollen Sie Folgendes machen: Sie wollen sich
on dem enumerativen Straftatenkatalog lösen – das ha-
en Sie eben in Ihrer Rede gesagt –, obwohl dies in der
ntscheidung des Bundesverfassungsgerichts, bei der es
m die Aufhebung einer landesrechtlichen Regelung in
iedersachsen geht – ich habe sie eben angesprochen –,

usdrücklich verlangt wird.

Dann schreiben Sie in Ihrem Gesetzestext sinngemäß
ich bitte die Feinschmecker unter den Juristen, einmal
uzuhören –: Die Anordnung von Telekomüberwa-
hungsmaßnahmen soll bei Verbrechen oder – vielleicht
st irgendein Rechtskundiger im dritten Semester auf der
ribüne – bei Vergehen möglich sein, die mit einer Frei-
eitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht sind.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das sind Verbrechen!)


Der Deliktscharakter des Verbrechens ist gerade,
ass es mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bedroht
st. Nun schütteln Sie den Kopf; Gott sei Dank sehen Sie
on einer Zwischenfrage ab, Herr Montag. Sie versu-
hen, dies in der Begründung zu erklären, indem Sie sa-
en:


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nichts verstanden, Herr Kollege!)


s gibt Delikte bzw. Vergehen, deren Strafmaß unterhalb
er Mindeststrafe von einem Jahr liegt – deshalb sind es
ergehen –, die aber durch Qualifizierungen eine Min-
eststrafe von einem Jahr erforderlich machen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenigstens lesen Sie die Begründung!)


chreiben Sie das doch auch in den Gesetzestext hinein,
err Montag! Sie wissen es doch. Das ist handwerklich
ilettantisch.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es nicht verstanden!)


Nun scheint Ihr Gesetzentwurf auch verfassungs-
echtlich sehr fragwürdig zu sein. Das Bundesverfas-
ungsgericht hat in seiner bereits erwähnten Entschei-
ung vom 27. Juli 2005 gefordert, dass gesetzliche






(A) )



(B) )


Dr. Jürgen Gehb
Regelungen zur Telekommunikationsüberwachung ein
„auf die Besonderheiten der Telekommunikationsüber-
wachung zugeschnittenes gesetzgeberisches Konzept“
enthalten müssen. Es hat moniert, dass das seinerzeit
aufgehobene Landesgesetz keine abschließende Um-
schreibung der Straftaten enthalten hatte, wegen deren
nämlich Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen
angeordnet werden können.

Das ist auch logisch; denn der Gesetzgeber hat zu be-
gründen, dass die Anlasstaten den besonderen Anforde-
rungen an die Zulassung solcher Maßnahmen gerecht
werden, mithin, dass diese ein erforderliches und ange-
messenes Mittel zur Aufklärung dieser Straftaten sind.
Das heißt, wir brauchen einen Katalog und keine ro-
mantische Umschreibung, so wie Sie das wollen. Gerade
das hat keinen Bestand vor dem Bundesverfassungsge-
richt gehabt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Ahnung von Romantik!)


Ihre weitere Forderung, dass nicht von vornherein mit
einer geringeren Freiheitsstrafe zu rechnen sein darf, ist
ebenfalls völlig praxisfern.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht in der Strafprozessordnung, Herr Kollege! Das ist jetzt schon Praxis!)


So etwas kann insbesondere zu Beginn der Ermittlungen
zumeist gar nicht zuverlässig beurteilt werden.

Nun will ich mich nicht nur mit den Grünen beschäf-
tigen. Auch die FDP hat einen Antrag eingebracht. Sie
fordert, dass die Bundesregierung einen Gesetzentwurf
vorlegen möge. Insofern, Herr van Essen, sind wir, wie
man so schön sagt, ein omnimodo facturus, ein ohnehin
zur Tat Geneigter. Wir legen demnächst einen Gesetzent-
wurf vor, mit dem wir die Umsetzung der Richtlinie des
Europäischen Parlaments und des Rates zur Vorrats-
datenspeicherung vom 15. März in das nationale Parla-
ment einbringen. Sie versuchen natürlich, uns ein biss-
chen Beine zu machen. Das ist die Art einer
Oppositionspartei; dafür habe ich Verständnis. Wie ge-
sagt, wir tun dies. Wir werden eine adäquate Abstim-
mung zwischen den von mir eben schon näher dargeleg-
ten Interessenkollisionen vornehmen.

Deswegen, Herr Montag und liebe Kolleginnen und
Kollegen von den Grünen: Wenn wir in das Gesetz
schreiben: „Dazu gibt es keine Alternative“, sind natür-
lich immer taugliche Alternativen gemeint.


(Lachen des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich wünsche Ihnen allen ein schönes Osterfest und einen
schönen Freitag.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


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(C (D Herr Kollege Gehb, es kann sein, dass Sie noch wei erarbeiten müssen; denn ich erteile jetzt dem Kollegen ontag das Wort zu einer Kurzintervention. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Sonst versucht er es immer mit Zwischenfragen! Jetzt macht er es endlich mal richtig!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609203400


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609203500

Danke, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Dr. Gehb,

achdem Sie es, wie wir es von Ihnen gewohnt sind,
icht geschafft haben, sachliche Argumente und eine
achliche Auseinandersetzung von persönlich gefärbten
ngriffen zu trennen, und mich in dieser Art und Weise
ehrfach in Ihrem Redebeitrag angesprochen haben,

abe ich mich doch entschlossen, Ihnen kurz zu erwi-
ern.

Die Entscheidung, die sich auf den niedersächsischen
all bezogen hat, hat mitnichten einen Straftatenkatalog
ls verfassungsrechtliche Grundvoraussetzung für eine
erfassungsmäßige Telekommunikationsüberwachung
efordert, lieber Herr Kollege Gehb, sondern lediglich
ine ausreichende Konkretisierung der Umstände, bei
enen ein solcher Eingriff zulässig ist. Wir sind der fes-
en Überzeugung, dass das in unserem Kriterienkatalog
ichtig und ausreichend gelungen ist.

Noch schlimmer ist aber, dass in Ihrer Rede fortwäh-
end durchscheint – das scheint Ihre Überzeugung zu
ein –, dass Sie den Bürgerinnen und Bürgern dieses
taates die Grundrechte nur in dem Maße zu gewähren
ereit sind, das das Bundesverfassungsgericht als ab-
olut unterste Marke definiert hat. Das ist Grundrechts-
ewährung nach Gutsherrenart. Sie wollen nur das
eachten, was das Bundesverfassungsgericht in Abgren-
ung zur Verfassungswidrigkeit als absolut notwendig
rachtet. Sie sind gegenüber den Grundrechten der Bür-
erinnen und Bürger nicht generös. Das ist der Unter-
chied zwischen Ihrer und unserer Rechtspolitik. Jawohl,
ir gehen bewusst mit unseren Vorschlägen über das
om Bundesverfassungsgericht als absolut notwendig
eschriebene Minimum hinaus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Da bleibt Ihnen die Spucke weg, was, Herr Gehb?)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609203600

Herr Kollege Gehb.


Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1609203700

Herr Kollege Montag, uns verbindet – jedenfalls

ernab der Kameras – eine nahezu freundschaftliche Be-
iehung.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann ich bestätigen!)


ch wüsste nicht, inwiefern ich Sie eben menschlich zu
art angepackt haben könnte. Letztens – als ich in einer
ebatte das Beispiel der Montagsautos und des Mon-






(A) )



(B) )


Dr. Jürgen Gehb
tagsgesprächs genannt habe – hätte ich das noch verstan-
den.


(Heiterkeit bei der SPD)


Heute kann ich nichts dergleichen erkennen. Wenn Sie
sich dennoch etwas zu hart angegangen gefühlt haben
– es kommt schließlich immer auf den Empfängerhori-
zont an –, dann bitte ich das zu entschuldigen. Das ist nie
meine Absicht. Wie Sie wissen, fröne ich dem Grundsatz
„Suaviter in modo, fortiter in re“.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Hellmut Königshaus [FDP])


Nun zur Sache, Herr Montag. Ihr „Prä“ ist: Möglichst
viel Grundrecht und damit möglichst wenig Tauglichkeit
für die strafprozessualen Ermittlungen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


Jetzt muss man als politische Partei schon den Vorwurf
ertragen, dass man sich gerade so im Rahmen der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts bewegt. Ich
könnte den Vorwurf gerade noch verstehen, wenn man
sich außerhalb dieses Rahmens bewegt hätte. Die Gren-
zen, die uns das Bundesverfassungsgericht gezogen hat,
sind eng genug und berühren ihrerseits fast die Grenzen
der Tauglichkeit strafprozessualer Methoden.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Ich höre eine Kritik am Bundesverfassungsgericht!)


Wenn wir uns deshalb in diesem Rahmen bewegen, dann
ist es ähnlich wie bei der Ausnutzung einer Rechtsmittel-
frist: Man kann am ersten Tag, aber auch am letzten Tag
Rechtsmittel einlegen.

Wir möchten den berechtigen Interessen Rechnung
tragen. Die Ermittlung dient übrigens auch dem Bürger
und ist eine Garantiepflicht, die dem Gesetzgeber ob-
liegt. Wir würden den Menschen einen Tort antun, wenn
wir sie gegenüber dem organisierten Verbrechen ohne
Schutz ließen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609203800

In der Hoffnung, dass jetzt alle Ihre Geständnisse

über Ihre persönlichen Leidenschaften nachvollziehen
konnten,


(Ute Kumpf [SPD]: Leidenschaft? Frau Präsidentin, hören Sie auf!)


gebe ich jetzt das Wort dem Kollegen Jörg van Essen.


(Beifall bei der FDP)



Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1609203900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich werde es mir verkneifen, meine persönlichen Lei-
denschaften vorzutragen.


(Heiterkeit – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das wäre die Eisenbahn! – – e a s f g i n g D G n a R s G c e m k s I d h w n h E s s d l a f O e s D z a I I (C (D Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Da würde es hier ganz ruhig!)


Ja, genau. – Aber mein beruflicher Hintergrund ist in
iner solchen Debatte von Bedeutung. Wenn man sich
ls jemand, der 14 Jahre als Staatsanwalt bzw. Ober-
taatsanwalt in der Justiz tätig war, zu Wort meldet, dann
ließt auch der berufliche Hintergrund in die Bewertun-
en ein. Das ist selbstverständlich.

Zu meinen beruflichen Erfahrungen gehört, dass ich
n vielen Fällen solche Telefonüberwachungen vorge-
ommen und zum Teil auch an den Auswertungen teil-
enommen habe.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch nicht als Staatsanwalt! Die haben Sie beantragt!)


adurch weiß ich, wie privat solche aufgezeichneten
espräche sind. Man denkt dann darüber nach, wie ei-
em zumute wäre, wenn das eine oder andere Gespräch
ufgezeichnet worden wäre, das man selbst geführt hat.
ichtig wohl wäre einem nicht dabei.

Ich muss gestehen: Das passiert einem manchmal
ogar bei dienstlichen Gesprächen. Ich habe einmal ein
espräch mit einem Kollegen geführt, den wir überwa-

hen mussten. Hinterher stellte sich nämlich heraus, dass
r, ein Dezernent zur Verfolgung der organisierten Kri-
inalität, von ebenjener gekauft war. Ich musste ein sehr

ritisches Gespräch mit ihm führen, weil er eine Revi-
ionsbegründung ausgesprochen schlecht gemacht hat.
ch muss gestehen, dass ich in diesem Gespräch sehr
eutliche Worte gefunden habe. In diesem Zusammen-
ang habe ich gemerkt, wie sehr man darüber nachdenkt,
enn man hinterher erfährt, dass das Ganze aufgezeich-
et worden ist. Die Sensibilität, die man da entwickelt,
at jeder Bürger. Ich finde, dass wir gut daran tun, mit
ingriffen in die private Sphäre, die von der Verfas-

ung hochgehalten wird, vorsichtig umzugehen. Wir
ollten beobachten, ob der Staat in einer Weise vorgeht,
ie den rechtlichen Anforderungen genügt.

Macht man eine Lagebewertung, muss man feststel-
en: Wir haben Nachbesserungsbedarf,


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ber nicht, lieber Herr Kollege Gehb, weil die Strafver-
olgung behindert werden soll. Ich persönlich bin gerne
berstaatsanwalt gewesen, weil ich Oberstaatsanwalt in

inem Rechtsstaat war. Es dient auch der Staatsanwalt-
chaft, wenn wir uns streng an das Gesetz halten.


(Joachim Stünker [SPD]: Das ist gut!)


a die Justiz anderen vorwirft, gegen Gesetze verstoßen
u haben, ist es umso wichtiger, dass sie sich ganz streng
n die Gesetze hält.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


n den Untersuchungen verschiedener wissenschaftlicher
nstitute, zum Beispiel der Universität Bielefeld oder des






(A) )



(B)


Jörg van Essen
Max-Planck-Instituts, ist eine Menge an Kritik deutlich
zum Ausdruck gebracht worden.

Wenn wir einen Antrag auf Genehmigung einer Tele-
fonüberwachung beim Ermittlungsrichter gestellt haben
– auch hier fließen meine Erfahrungen in meine Rede
ein –, dann haben wir diesen Antrag so formuliert, dass
er nur noch unterschreiben musste. Es entspricht nun
einmal der menschlichen Natur, dass man eher bereit ist,
eine Unterschrift zu leisten, als wenn man noch eine ei-
gene Arbeitsleistung erbringen müsste. Deswegen haben
wir diese Genehmigungen in aller Regel bekommen.


(Fritz Rudolf Körper [SPD]: Herr van Essen, das ist einfach Lebenserfahrung!)


Herr Kollege Montag, ich muss ganz ehrlich sagen:
Nicht jeder Fehler, der in der Untersuchung der Univer-
sität Bielefeld aufgezeigt worden ist, bedeutet, dass die
Telefonüberwachung auch tatsächlich materiell rechts-
fehlerhaft war. Ich zum Beispiel habe in mehreren Fällen
eine von der Polizei beantragte Telefonüberwachung ab-
gelehnt, weil ich sie nicht für notwendig erachtet habe.
Es ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft, das zu prüfen.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Geht doch! – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Ihr Richter wusste: Wenn der Antrag von van Essen kommt, ist er in Ordnung!)


– Vielen Dank für die freundlichen Worte.

Lieber Herr Kollege Gehb, wir haben den Richter in
unserem Antrag bewusst als Kontrollinstanz vorgesehen.
Wenn das Ganze nur ein Durchlaufposten wäre, könnten
wir auf den Richter verzichten. Wenn wir das nicht wol-
len, müssen wir – das ist unsere Auffassung – die rich-
terliche Kontrolle stärken.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das beabsichtigen auch Sie mit Ihrem Entwurf ganz of-
fensichtlich. Weil es sich um den Eingriff in ein Grund-
recht handelt, müssen wir nach meiner Auffassung zu ei-
ner besseren richterlichen Kontrolle kommen. Das stört
die Strafverfolgung im Übrigen überhaupt nicht.


(Abg. Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Bitte sehr.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609204000

Ich gehe davon aus, dass Sie, Herr Kollege van Essen,

eine Zwischenfrage des Kollegen Gehb zulassen möch-
ten.


Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1609204100

Ja.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609204200

Bitte schön, Herr Gehb.

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(C (D Herr Kollege van Essen, Sie haben in Ihrer Rede eben icht ganz ohne Selbstbeweihräucherung gesagt, dass hre Anträge so gut waren und so ordentlich formuliert aren, dass der Richter sie eigentlich nur noch hat unter chreiben können. Drei Sätze später haben Sie gerügt, ass genau dieses Vorgehen zu einer unkontrollierten urchlaufpostenschieberei führt. Können Sie mir das erklären? Soll der Antrag so gut ein, dass man ihn nur noch zu unterschreiben braucht, der sollte man, weil man meint, man müsse es um des nderns willen noch ändern, mehr als die Unterschrift nter den Antrag setzen? Ich wollte nur fragen, ob ich ie richtig verstanden habe. Wenn nicht, lasse ich mich etzt gerne aufklären. Lieber Herr Kollege, ich weiß, dass Sie Verwaltungs ichter sind. (Heiterkeit – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und deshalb von der Sache nicht viel versteht?)

Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1609204300

(Zurufe von der FDP: Nein!)

Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1609204400

eshalb habe ich Verständnis dafür, dass das eine oder
ndere Strafrechtliche für Sie unbekannt ist.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Aber er hat doch ordentlich studiert!)


Es ist tatsächlich so, dass der Richter alle Anträge, die
ch gestellt habe, unterschrieben hat. Ich bin mir aber gar
icht sicher, ob ich in all den Fällen, in denen ich den
ntrag gestellt habe, tatsächlich die richterliche Zustim-
ung verdient hatte. Ich persönlich war davon über-

eugt, aber es gab einige Fälle, bei denen ich ehrlich sa-
en muss, dass wir überlegt haben, ob wir die
ichterliche Zustimmung bekommen oder nicht. Wir ha-
en sie bekommen, weil wir es dem Richter leicht ge-
acht haben. Darauf habe ich hingewiesen.

Ich habe zweitens darauf hingewiesen – ich unter-
treiche das noch einmal –, dass es hier um einen ganz
esentlichen Eingriff in ein Grundrecht geht. Deswegen
at der Gesetzgeber vorgesehen, dass ein Richter als zu-
ätzliche Kontrollinstanz überprüfen soll, ob das ge-
echtfertigt ist. Deshalb komme ich erneut zu der Fest-
tellung, dass wir die Routineunterschriften, die es
ffensichtlich gibt, ändern müssen, sodass es eine wirkli-
he Kontrolle durch den Richter gibt.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ch habe, wie Sie sehen, Vertrauen in Ihre richterlichen
ollegen.

Ich glaube, dass an dieser Stelle ganz erheblicher
achbesserungsbedarf besteht.

Herr Kollege Gehb, ich fahre mit Ihnen fort. Sie ha-
en Kritik am Gesetzentwurf der Grünen geübt. Ich
reue mich übrigens, dass wir jetzt endlich einen Gesetz-
ntwurf haben. Wenn man als kleine Fraktion das Hand-
)






(A) )



(B) )


Jörg van Essen
werk, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, ausübt, kann
der eine oder andere Fehler passieren. Das sollten wir
– das muss ich ganz ehrlich sagen – nicht kritisieren. Da-
hinter steht kein großes Ministerium mit 4 000 Mitarbei-
tern. Das ist handwerkliche Arbeit. Ich finde, wir sollten
es anerkennen, wenn eine kleine Fraktion einen Gesetz-
entwurf vorlegt.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Aber man muss es kritisieren dürfen!)


Der Gesetzentwurf war auch notwendig. Sie haben
gesagt: Jetzt wird er kommen. – Diesen Satz habe ich
schon drei Legislaturperioden lang gehört. Und der Ge-
setzentwurf kommt nicht.


(Beifall des Abg. Hellmut Königshaus [FDP] – Joachim Stünker [SPD]: Da haben Sie sich getäuscht!)


Deshalb muss ich sagen, dass mich das außerordentlich
ärgert. Ich kann mich noch an die Anrufe vor einiger
Zeit erinnern, als ein Referentenentwurf aus dem Bun-
desjustizministerium auftauchte und ich danach gefragt
wurde, was ich dazu sage. Ich antwortete: Ich sage lieber
erst gar nichts, weil ich das Gefühl habe, dass er gar
nicht eingebracht wird. Erst wenn etwas eingebracht ist,
werden Sie von mir eine Meinung dazu hören. – Bis
heute wurde nichts eingebracht. Das ärgert mich des-
halb, weil wir – insofern ist die Kritik des Kollegen
Montag berechtigt – wie Weihnachtskugeln an einen
Weihnachtsbaum ständig neue Straftatbestände zu dem
Straftatenkatalog, der eine Telefonüberwachung recht-
fertigt, hinzufügen.

Ich glaube trotz Ihrer Kritik, Herr Kollege Gehb, dass
der Ansatz der Grünen gut ist. Er sieht vor, dass wir von
einem Straftatenkatalog weg sollen und uns überlegen
sollen, den Bereich zu definieren, in dem eine Telefon-
überwachung zulässig ist. Aus meiner Sicht ist der An-
satz bei Verbrechen und besonders schweren Vergehen
grundsätzlich richtig.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Darüber, ob man das besser formulieren kann, wird man
sich sicherlich unterhalten können. Ich bin mir ganz si-
cher, dass der Kollege Montag dafür offen ist.

Ich finde außerordentlich wichtig – auch das haben
die Untersuchungen gezeigt –, darauf hinzuweisen, dass
die Unterrichtung derjenigen, die von der Telefonüber-
wachung betroffen sind, ganz schlecht ist. Die Verpflich-
tung besteht, aber ich muss gestehen – das ist jetzt keine
Selbstbeweihräucherung, falls Sie wieder eine Zwi-
schenfrage stellen wollen, sondern ganz im Gegenteil
eine kritische Bemerkung –,


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Nein!)


dass auch ich die Pflicht zur Benachrichtigung nicht
ernst genommen habe. Ich kann mich an Fälle erinnern,
wo man die Betroffenen hätte benachrichtigen müssen

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(C (D nd ich nicht benachrichtigt habe. Das ist ohne Konseuenzen geblieben. Derjenige, der nicht davon erfährt, ann sich nicht darüber aufregen. Aber wir wollen es aners. Er muss sich aufregen können. Ich finde, dass er as Recht hat, gegebenenfalls nachprüfen zu lassen, ob as Ganze rechtmäßig war. (Beifall der Abg. Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


In einem Punkt bin ich anderer Meinung als Sie, Herr
ollege Montag. Die Tatsache, dass die wissenschaftli-

hen Untersuchungen gezeigt haben, dass nur bei
0 Prozent der Maßnahmen hinterher Verurteilungen er-
olgt sind, wundert mich nicht. Denn dies findet im Rah-
en eines Ermittlungsverfahrens statt.


(Zustimmung des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD] und des Abg. Fritz Rudolf Körper [SPD])


as Ermittlungsverfahren dient ja gerade dazu festzu-
tellen, ob ein Tatverdacht berechtigt ist oder nicht. Das
edeutet, dass die eine oder andere Ermittlungsmaß-
ahme ins Leere geht. Ich finde eine Quote von 60 Pro-
ent eher hoch,


(Fritz Rudolf Körper [SPD]: Ja, das ist schon eine gute Quote!)


enn ich bedenke, dass etwa 70 Prozent der Ermitt-
ungsverfahren eingestellt werden, unter anderem, weil
ich herausstellt, dass der Beschuldigte oder die Be-
chuldigte unschuldig ist. Aber derjenige, der davon be-
roffen ist, hat einen Anspruch darauf, darüber informiert
u werden, insbesondere deshalb, weil wir gesehen ha-
en, wie hoch die Zahl derer ist, die betroffen sind. Die
ahl der Betroffenen von Telefonüberwachungsmaßnah-
en hat sich allein in den letzten zehn Jahren vervier-

acht.

Das hat Gründe und Ursachen, zum Beispiel dass sich
ie Struktur der Kriminalität verändert hat. Das ist insbe-
ondere auf einen Umstand zurückzuführen, der nach
einer Auffassung in der heutigen Debatte angespro-

hen werden muss: Die Telefonüberwachung dient häu-
ig dem Zweck, Strukturen aufzuklären, insbesondere im
inblick auf die organisierte Kriminalität und vor allem

n dem Bereich, in dem es kein Anzeigeverhalten gibt, in
er Dunkelfeldkriminalität. Die größten Erfolge, die wir
ach meiner beruflichen Erfahrung bei der Telefonüber-
achung gehabt haben, betreffen die Betäubungsmittel-
riminalität. Diejenigen, die Betäubungsmittel kaufen,
eigen ihren Dealer allerdings nicht an. Deswegen braucht
ie Strafverfolgung ein Mittel, um auch in diese krimi-
ellen Kreise eindringen zu können.

Für uns ist, wie gesagt, besonders wichtig, dass die
etroffenen benachrichtigt werden. Wir werden uns
uch darüber unterhalten müssen, wie das Verfahren im
inzelnen ausgestaltet wird. Es haben nämlich einige

echnische Entwicklungen stattgefunden, angesichts de-
er wir feststellen müssen, dass die bloße Überwachung
es Telefonverkehrs allein nicht mehr ausreicht, sondern
ass viele zusätzliche technische Neuerungen zu berück-
ichtigen sind. Ich habe die Hoffnung, dass Sie in dem






(A) )



(B) )


Jörg van Essen
Gesetzentwurf, dessen Einbringung von Ihnen, Herr
Gehb, heute erneut angekündigt worden ist, auch auf
dieses Thema eingehen.

Die Vorratsdatenspeicherung ist von Ihnen aus-
drücklich erwähnt worden. Auch ich will sie ansprechen,
weil ich das Gefühl habe, dass es uns außerordentlich
schwerfallen wird, dieses Vorhaben verfassungsfest um-
zusetzen. Es darf uns nicht erneut passieren, dass wir
Vorgaben von der europäischen Ebene so umsetzen, dass
uns das Bundesverfassungsgericht später bescheinigt,
dass wir das nicht in einer Weise getan haben, die verfas-
sungsfest ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Oppositions-
fraktionen der FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen
machen Ihnen Beine. Wir haben keine Geduld mehr. Wir
sind der Auffassung, dass dieses Thema dringend auf
eine gute, richtige und vor allen Dingen den heutigen
Gegebenheiten genügende gesetzliche Grundlage ge-
stellt werden muss und dabei auch die Verfassungsrechte
der Bürger geachtet werden müssen.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir sollten dieses Thema gemeinsam mit Ihnen ange-
hen, und wir sollten es schnell angehen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609204500

Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Brigitte

Zypries.


Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1609204600

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich den
Gesetzentwurf der Grünen ansieht und wenn man die
heutige Debatte verfolgt, dann muss man sagen: Im
Grundsatz sind wir uns einig.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Ja!)


Es geht nur noch darum, wie wir die Bürgerinnen und
Bürger besser vor übermäßigen staatlichen Eingriffen
schützen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir wollen heimliche Ermittlungsmaßnahmen wie
die Telekommunikationsüberwachung rechtsstaatlicher
regeln. Wir wollen das Zeugnisverweigerungsrecht bes-
ser sichern, und wir werden den Schutz des Kernbe-
reichs privater Lebensführung auch in der Strafprozess-
ordnung verankern.

Die Bundesregierung – das ist bereits erwähnt
worden – wird in Kürze einen eigenen Gesetzentwurf
vorlegen; genauer gesagt, legen wir ihn am 18. April
dieses Jahres dem Kabinett vor. Das ist notwendig. Denn
der Gesetzentwurf der Grünen enthält zwar sehr viele
richtige Ansätze, aber nicht die Regelungen, die wir uns
vorstellen. Deswegen, Herr Montag, vielen Dank für

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(C (D hre Nachsicht, dass Sie akzeptieren, dass wir einen eienen Vorschlag machen. Das, was Sie vorgelegt haben, ist nicht genau das, was ir wollen. Sie nehmen nur punktuelle Veränderungen ei den Vorschriften zur Überwachung der Telekommuikation vor. Nur dafür und für die Abfrage von Verbinungsdaten wollen Sie das Zeugnisverweigerungsrecht er Berufsgeheimnisträger neu regeln. Das ist eine Fortetzung genau des Dilemmas, das uns bereits sehr viele robleme eingebrockt hat. Wir meinen, wir sollten jetzt icht wieder an einzelnen Punkten Veränderungen vorehmen, sondern das Ganze in den Blick nehmen und ine neue, harmonische Gesamtregelung treffen, die alle eimlichen Ermittlungsmethoden umfasst. aneben brauchen wir ein Konzept zum Schutz der erufsgeheimnisträger gegenüber allen Ermittlungsaßnahmen, ganz gleich, ob verdeckt oder offen. Ein Beispiel dafür, dass Ihr Gesetzentwurf auf der aneren Seite weit über das Ziel hinausschießt, sind die egelungen zu den Berufsgeheimnisträgern. Das Bunesverfassungsgericht hat unter Anknüpfung an den ernbereichsgedanken eine absolute Schutzbedürftigeit von Strafverteidigern und Seelsorgern anerkannt. as ist völlig richtig, und das wird selbstverständlich uch beachtet werden. Für die Abgeordneten dieses auses und für die Abgeordneten der Landtage lässt sich in solcher absoluter Schutz aus dem Gedanken des rt. 47 Grundgesetz bzw. aus den entsprechenden Reeln der Landesverfassungen ableiten. Für die übrigen Berufsgeheimnisträger hat Karlsruhe agegen mehrfach ausdrücklich festgestellt, dass ein aboluter Schutz verfassungsrechtlich nicht geboten ist. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber möglich!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Möglich wohl; ich komme gleich dazu. – Hier dürfte,
as meinen wir wenigstens, das allgemeine Interesse an
iner wirksamen Strafverfolgung nicht zurückstehen.
enau das wäre aber die Konsequenz Ihres Gesetzent-
urfs, die, wie gesagt, verfassungsrechtlich nicht ge-
oten ist.

Dieser Verzicht auf einen vernünftigen Interessenaus-
leich geht noch weiter: Nicht nur in der Frage, wer ab-
oluten Schutz genießt, schießen Sie über das Ziel hin-
us, sondern auch in der Frage, wie weit dieser Schutz
eicht, fehlen Differenzierungen. Sie knüpfen nicht an
ie Reichweite des Zeugnisverweigerungsrechts an, son-
ern stellen allein auf die Person des Berufsgeheimnis-
rägers ab. Was das für Folgen hätte, will ich Ihnen ver-
eutlichen: Angenommen, ein Rechtsanwalt führt ein
elefongespräch, das mit seiner Rolle als Verteidiger
ichts zu tun hat. Dann wird es von seinem Zeugnisver-
eigerungsrecht nicht erfasst. Abhören dürfte man die-

es Gespräch nach Ihren Vorstellungen nicht; denn Sie
agen: Einen Rechtsanwalt darf man nicht abhören. – Sie
nüpfen ja nur an der Person des Anwalts an. Falsch?






(A) )



(B) )


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609204700

Frau Zypries, möchten Sie eine Zwischenfrage zulas-

sen?


Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1609204800

Nein. Wenn es falsch ist, dann werden wir das im Ver-

fahren diskutieren; das ist kein Problem.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609204900

Also nicht.


Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1609205000

Als Zeuge aussagen über dieses Telefonat müsste der

Anwalt hingegen – er hat ja in dieser Hinsicht kein
Zeugnisverweigerungsrecht. Das, glauben wir, wäre un-
systematisch. Wenn ich Sie da falsch verstanden habe,
Herr Montag, nehmen wir das gerne auf und werden das
im Verfahren erörtern.

Ein zweites Beispiel: Stellen Sie sich vor, jemand
wickelt seine kriminellen Drogengeschäfte über das Te-
lefon ab, macht das aber nicht von seinem eigenen An-
schluss aus, sondern von dem Anschluss der unter ihm
wohnenden Hebamme, die natürlich mit diesen Drogen-
geschäften gar nichts zu tun hat. Für die Hebamme be-
stünde kein Zeugnisverweigerungsrecht. Aber weil es
ihr Telefon ist, wäre dieses Telefon pauschal von Über-
wachungsmaßnahmen ausgenommen. Das kann nicht
das sein, was wir wollen.


(Jörg van Essen [FDP]: Das wollen wir auch nicht! – Hellmut Königshaus [FDP]: Noch schlimmer wäre es, wenn die Hebamme dealt!)


Aber noch einmal, Herr Montag: Wenn es nicht so ge-
meint war, dann wird es umso eher möglich sein, dass
wir uns im Verfahren in der Sache einigen.

Wir brauchen im Gesetz eine klare Regelung dafür,
bei der Verfolgung welcher Straftaten eine Telefonüber-
wachung überhaupt zulässig ist; Herr Gehb hat darauf
schon angespielt. Das leistet der vorliegende Entwurf
nach unseren Vorstellungen nur eingeschränkt. Er will
nämlich die Zahl der Abhörmaßnahmen reduzieren. Tat-
sächlich führt er aber doch zu einer erheblichen Erweite-
rung der Überwachungsmaßnahmen. Das mag von Ihnen
nicht gewollt sein, es ist aber Fakt. Die vorgeschlagene
Regelung würde zur Folge haben, dass in Zukunft über
den bisherigen Straftatenkatalog hinaus bei weiteren
320 Delikten Abhörmaßnahmen zulässig wären.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jerzy, das hast du uns aber nicht gesagt! – Heiterkeit)


Sogar bei einfachen Delikten, bei denen die Folgen
nur fahrlässig herbeigeführt werden, wollen Sie diese
Maßnahmen zulassen. Wir meinen, das ginge zu weit.
Ich vermute, dass das auch nicht die Intention der Grü-
nen gewesen sein kann.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch nicht die Folge!)


Es kann sich da nur um einen Irrtum handeln.

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(C (D Die Telefonüberwachung nicht mehr an konkrete traftaten, sondern an allgemeine Kriterien zu koppeln, st schwierig; darüber haben wir schon in der vergangeen Legislaturperiode öfter diskutiert. Wir wissen seit er Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum iedersächsischen Polizeigesetz, dass die Überlegung, olche allgemeinen Kriterien zu finden, um von der Hydra“ der Listung – wie Sie es genannt haben, Herr ontag – wegzukommen, nicht mehr möglich ist. Wir einen, dass diese Karlsruher Entscheidung so auszule en ist, dass wir darlegen müssen, inwieweit die Teleonüberwachung ein erforderliches und ein angemessees Mittel ist, um eine bestimmte Straftat zu verfolgen. Wie wollen Sie denn begründen, dass beim Tatbetand der Verleumdung oder der Zerstörung wichtiger rbeitsmittel eine Telefonüberwachung nötig ist? Ween der Höhe der Strafandrohung wäre sie nach Ihrem ntwurf in beiden Fällen zulässig. Ich glaube aber, dass as nicht die richtige Idee ist. Der von Ihnen vorgeschlagene Kriterienkatalog beitzt noch ein weiteres Manko – das hat Herr van Essen ngesprochen –, nämlich die Verurteilungsprognose. err van Essen, ich teile Ihre Ansicht. Als ehemaliger taatsanwalt wissen Sie noch besser als ich, dass die rage, wie man am Beginn eines Ermittlungsverfahrens agen will, was hinterher bei der Verurteilung herausommt, im Grunde nicht zu beantworten ist. ir alle wissen, dass in der Strafprozessordnung zwichen dem Ermittlungsund dem Hauptverfahren unterchieden wird. Erst am Ende der Hauptverhandlung ennt man alle Gesichtspunkte, die für die Strafzumesung entscheidend sind und die man gegeneinander abägen muss. Das Motiv der Tat, die Art der Ausführung, er Schaden, ein mögliches Geständnis und nicht zuletzt ie Person des Täters – alles muss berücksichtigt weren. Das können Sie natürlich nicht am Anfang eines Erittlungsverfahrens, sondern erst am Ende. Was passiert eigentlich, wenn am Ende statt der erarteten zwölf Monate nur elf Monate herauskommen? ar die Abhöraktion dann von vornherein rechtswidrig, der wie wollen wir mit solchen Fällen verfahren? ann man dann gegen diese Maßnahme bzw. das Urteil it Rechtsbehelfen vorgehen? Das alles zeigt, dass wir diese Erwägungen entweder och sehr viel gründlicher diskutieren müssen oder noch besser – doch den Entwurf der Bundesregierung ugrunde legen sollten, der, wie gesagt, nächsten Monat orgelegt werden wird. Ich meine, wir müssen mit dem Gesetz einen gerechen Ausgleich zwischen zwei widerstreitenden Interesen schaffen, nämlich zwischen dem Interesse des Einelnen am Schutz vor übermäßigen Eingriffen des taates in seine Freiheit und dem allgemeinen Interesse n einer effektiven Strafverfolgung. Ich glaube nicht, ass man das dadurch erreicht, dass man einfach postuiert, die Zahl der Überwachungsmaßnahmen solle redu Bundesministerin Brigitte Zypries ziert werden. Das ist schon deshalb verfehlt, weil es gar kein Übermaß an Telefonüberwachung gibt. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gewagte Äußerung!)


(Jörg van Essen [FDP]: So ist es!)


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Richtig!)





(A) )


(B) )


Über dieses Thema haben wir uns hier ja schon häufiger
auseinandergesetzt.

Sie alle kennen die Studie des Max-Planck-Instituts,
in der es zu dem Schluss gekommen ist, dass die Tele-
kommunikationsüberwachung – ich zitiere wörtlich –
ein wichtiges und unabdingbares Ermittlungsinstrument
ist, das in der Praxis zielgerichtet und umsichtig Verwen-
dung findet. In dieser Studie wird auch aufgezeigt, dass
es einen Rückgang der Überwachungsdichte gibt; denn
dass die Zahlen ansteigen, liegt nicht daran – das ist die
übliche Erklärung –, dass mehr Personen überwacht
werden, sondern schlicht daran, dass die einzelnen Per-
sonen mehrere Anschlüsse haben, die überwacht wer-
den.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)


– Herr Ströbele, in der Studie wird das so dargelegt, und
durch die Zahlen, die wir bei verschiedenen Kleinen und
Großen Anfragen dazu vorgelegt haben, wird das auch
belegt. Sie können jetzt sagen, dass das nicht stimmt.
Wir müssten dann diesbezüglich vielleicht einmal eine
genauere Exegese durchführen. Zumindest ist das der
Kenntnisstand, den das Justizministerium diesem Hause
seit mehreren Jahren unterbreitet.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Richtig ist allerdings – das ist schon mehrfach gesagt
worden –, dass es bei der Benachrichtigungspraxis und
bei der Kontrolle noch Defizite gibt. Wir wollen deshalb
die Benachrichtigungspflichten in dem Gesetzentwurf
ausdrücklich regeln, um das Defizit, das in dem Gutach-
ten des Max-Planck-Instituts dargelegt wurde, zu behe-
ben, und wir wollen den Richtervorbehalt stärken. Das
brauchen wir aber bei allen verdeckten Ermittlungsmaß-
nahmen.

Deshalb noch einmal der Gedanke vom Anfang: Wir
sollten zusehen, dass wir ein harmonisches Gesamtkon-
zept schaffen. Dazu werden wir, wie angekündigt, einen
Gesetzentwurf vorlegen, in dem ein fairer Kompromiss
zwischen den berechtigten Interessen der Bürgerinnen
und Bürger an einem Nichteingriff in ihr Grundrecht und
den berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger
an der Garantie ihrer Sicherheit vorgesehen sein wird.
Dass die Telefonüberwachung eine der wirksamsten Er-
mittlungsmaßnahmen schlechthin ist, wissen wir. Des-
wegen können wir gar nicht auf sie verzichten. Wir
müssen einfach nur zusehen, dass wir ihren Einsatz
sachgerecht und verhältnismäßig regeln. In diesem
Sinne – das verspreche ich Ihnen – bekommen Sie von
uns einen Gesetzentwurf.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


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(C (D Es folgt eine Kurzintervention des Kollegen Montag. Frau Bundesministerin, da Sie mir nicht gestattet ha en, eine Zwischenfrage zu stellen, will ich jetzt noch inmal kurz zu den Punkten Stellung nehmen, die Sie an nserem Entwurf kritisiert haben. Das Problem des Schutzes der Berufsgeheimnisträger önnen wir sicherlich im weiteren Verfahren diskutieren. azu kann ich Ihnen nur sagen: Sie haben unsere Forulierung offensichtlich missverstanden. Sie haben aber gesagt, eine Prognose darüber, ob eine aftstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten ist, sei u Beginn oder im Laufe eines Ermittlungsverfahrens icht oder nur sehr schwer möglich. Dazu kann ich nur agen: Eine solche Möglichkeit sieht die geltende Strafrozessordnung für einen genauso schweren oder einen ast noch schwereren Grundrechtseingriff bereits vor, ämlich für Freiheitsentziehung. Nach § 112 a StPO beteht schon jetzt die Möglichkeit, einen Haftbefehl geen einen Beschuldigten zu erlassen, wenn ein Richter ie Verurteilungsprognose stellt, dass eine Haftstrafe on mehr als einem Jahr zu erwarten ist. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das ist doch etwas ganz anderes!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609205100

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609205200

iese Prognose, Frau Ministerin, ist in der StPO schon
erankert. Wir meinen, dass eine solche Prognose auch
n den in Rede stehenden Fällen möglich sein wird.

Ein weiterer Punkt: Es ist etwas polemisch, den von
ns vorgeschlagenen neuen Ansatz sozusagen zur Hand
u nehmen und im Sinne einer Strichliste zu überlegen,
elche Straftatbestände des Strafgesetzbuches abstrakt
arunter fallen würden. Wahrscheinlich stimmt die von
hnen genannte Zahl: Ihr großes und weises Haus hat die
trichliste sicherlich sorgfältig erstellt. Aber berücksich-

igen Sie bitte, dass wir einen anderen Ansatz wählen,
ass wir durch die Kriterien, die wir bestimmen, eine
inengung vornehmen, die weiter geht als die Vor-
chläge Ihres Hauses und die auch klarer ist, als es diese
orschläge sind. Sie gehen ja sozusagen zu einer Mi-
chung über; denn nach dem Referentenentwurf gibt es
owohl einen Straftatenkatalog als auch ein Kriterium,
as sozusagen darüber hinausgeht. Im Entwurf steht,
ass über das Kriterium des Straftatenkatalogs hinaus
ur diejenigen Fälle infrage kommen, die „im Einzelfall
chwer wiegen“. Wir wollen uns auf diese schwammige
ormulierung „im Einzelfall schwer wiegen“ nicht ver-

assen. Wir wollen vielmehr, dass im Gesetz festge-
chrieben wird, dass eine Straferwartungsprognose von
indestens einem Jahr getroffen werden muss. Diese
älle wiegen nämlich wirklich schwer.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609205300

Frau Zypries, möchten Sie reagieren?






(A) )



(B) )


Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1609205400

Herr Montag, zum Thema Haftstrafe von mindestens

einem Jahr: Mir liegt der Gesetzestext nicht vor, aber
meiner Erinnerung nach geht es auch noch um weitere
Kriterien. Es geht nicht nur um die Frage, ob eine Haft-
strafe von mindestens einem Jahr zu erwarten ist.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Da ist die Tat doch schon ermittelt!)


Aber es ist wenig sinnvoll, weiter in dieser Form zu dis-
kutieren, wenn der Gesetzestext nicht vorliegt.


(Jörg van Essen [FDP]: Er vergleicht Äpfel mit Birnen!)


– Genau. – Herr van Essen sagt, Sie hätten Äpfel mit
Birnen verglichen.

Ich bin gerne gewillt, mit Ihnen über das andere von
Ihnen angesprochene Thema zu diskutieren. Wir haben
das in der letzten Legislaturperiode schon getan; das
muss man ja nicht verheimlichen. Es geht in der Tat da-
rum, eine vernünftige Regelung zu finden, da bin ich
ganz bei Ihnen.

Aber die Frage, ob das nach der Karlsruher Entschei-
dung zum niedersächsischen Polizeigesetz überhaupt
noch zulässig ist, beantworte ich offenbar anders als Sie,
nämlich sehr viel strenger. Es geht nämlich nicht nur um
die Frage, was man gerne hätte, sondern darum, was ver-
fassungsrechtlich zulässig ist. Darüber sollten wir noch
einmal eine gesonderte Auseinandersetzung anhand des
Gesetzestextes führen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gerne!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609205500

Jetzt erteile ich der Kollegin Ulla Jelpke für die Frak-

tion Die Linke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609205600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir re-

den hier über ein Thema, das jede Bürgerin und jeden
Bürger betreffen kann. Es sind nicht nur Schwerkrimi-
nelle, deren Telefone abgehört werden. 35 000 neue An-
ordnungen ergingen allein im Jahre 2005, und jährlich
werden es leider mehr. Steigerungsraten von 600 Prozent
in den letzten zehn Jahren sind wahrlich Spitzenleistun-
gen. Aber es sind extrem zweifelhafte, Frau Ministerin.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Denn betroffen sind auch Menschen, die, ohne es zu wis-
sen, mit Verdächtigen telefonieren oder von abgehörten
Apparaten aus angerufen werden. Auf 1,5 Millionen
Menschen hat das Max-Planck-Institut für ausländisches
und internationales Strafrecht die Gesamtzahl der Be-
troffenen geschätzt. Das sind 1,5 Millionen Grundrechts-
eingriffe.

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(C (D Die Telefonüberwachung widerspricht klaren Entcheidungen des Bundesverfassungsgerichtes. Es hat im ärz 2004 den großen Lauschangriff, also das Abhören on Wohnungen, kassiert. Die im Urteil dargelegten rundsätze gelten auch für die Telefonüberwachung. ber sie werden leider nicht umgesetzt. Nun wird sogar er Ruf laut, Telefonüberwachungen auf bloßen Veracht zu erlauben. Herr Schäuble plant sogar sogenannte nlinedurchsuchungen. Was technisch geht, will die Reierung umsetzen, und zwar ohne Rücksicht auf die echte der Bürgerinnen und Bürger. Die Flut der Telefonüberwachungen schwemmt die echtsstaatlichen Vorschriften regelrecht hinweg. Ersens. Die Überwachungsanträge müssen eigentlich ichterlich überprüft werden. Das ist der entscheidende unkt, Herr Gehb. Aber meistens wiederholen die Rich er nur das, was ihnen der Staatsanwalt auf den Tisch geegt hat. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Sie lesen auch nur das vor, was Ihnen Ihre Mitarbeiter aufgeschrieben haben!)


(Joachim Stünker [SPD]: Na, na, na!)


Hören Sie genau zu! – In einer Studie der Wissen-
chaftler Otto Backes und Christoph Gusy heißt es:

Das Material der Staatsanwaltschaft belässt der
Richter in 25 % der Fälle fehlerhaft, wie es ist, etwa
jeden zehnten Antrag bringt er auf gesetzeskonfor-
men Stand, oder aber er produziert selbst fehler-
hafte Beschlüsse (30 %).


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Richter sind doch keine Automaten!)


err Gehb, das heißt, die Anträge werden heutzutage
icht einmal ordentlich geprüft. Das wäre aber das Min-
este.

Zweitens. Der Rechtsschutz wird übergangen. Wer
bgehört wird, muss anschließend informiert werden,
amit er oder sie sich vor Gericht wehren kann. Aber in
wei Drittel der Fälle werden diese Informationen nicht
eitergegeben, wie Herr van Essen bereits dargelegt hat.

Drittens. Die Überwachungen sind häufig unverhält-
ismäßig. Im Bereich der Kapitalverbrechen sind laut
ax-Planck-Institut nur rund 30 Prozent der Maßnah-
en erfolgreich. Wir, die Linke, meinen dazu: Es wird

iel zu viel abgehört und fehlerhaft geprüft. Diese Ent-
icklung muss rückgängig gemacht werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Das Neue und das Entscheidende des Urteils zum
roßen Lauschangriff ist: Jede Bürgerin und jeder Bür-
er hat einen Anspruch darauf, dass er oder sie im Kern-
ereich der privaten Lebensgestaltung von staatlichen
aßnahmen verschont bleibt. Jeder hat ein Recht auf

rivatsphäre. Das gilt für die eigene Wohnung und
atürlich auch für Telefongespräche mit den engsten Fa-
ilienangehörigen. Das wollen Sie offensichtlich nicht
ahrhaben. Wenn aber das Bundesverfassungsgericht

rklärt: „Die Privatsphäre hat privat zu bleiben“, dann






(A) )



(B) )


Ulla Jelpke
muss das von diesem Haus respektiert und gesetzlich
umgesetzt werden.

Nun hat das Bundesverfassungsgericht nicht jede Ab-
hörmaßnahme für unzulässig erklärt. Aber es hat Hürden
aufgestellt. Diese werden dauernd unterlaufen. Eines ist
klar: Wenn man schon den Grundrechtsschutz für Tat-
verdächtige aufhebt, dann muss sich das auf Einzelfälle
beschränken, zum Beispiel auf Kapitalverbrechen, auf
die Höchststrafen von fünf Jahren und mehr stehen. Die
Praxis sieht mit über 42 000 Abhörgenehmigungen al-
lein im Jahr 2005 leider ganz anders aus. So viele Kapi-
talverbrechen gibt es in Deutschland nun wirklich nicht.
Wer Hanfpflanzen anbaut oder verkauft, wird heutzutage
genauso abgehört wie der Waffenschieber, der am Mas-
senmord verdient oder ihn vorbereitet. Hier muss das
Gesetz gründlich entrümpelt werden.

Meine Damen und Herren, nötig wäre endlich eine
Gesamtreform; die Ministerin hat sie heute angekündigt.
Ob Telefone oder Wanzen in Wohnungen: Der Schutz
der Privatsphäre – das kann man nicht oft genug wieder-
holen – muss gewahrt bleiben.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch auf Kuba!)


– Das ist unsachlich.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ihre Rede doch auch!)


Doch was die Grünen hier vorlegen, ist unserer Mei-
nung nach eine bürgerrechtliche Kapitulationserklärung,
Herr Montag.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Viele Punkte, die Sie in Ihrem Beitrag hier vorgetragen
haben, teile ich voll, aber Ihre Lösung geht unseres Er-
achtens am Kern der Probleme vorbei.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt bin ich gespannt!)


Die Unverhältnismäßigkeiten bei den Überwachungsan-
ordnungen bleiben bei Ihnen bestehen. Sie wollen auch
künftig Straftaten abhören lassen, die definitiv keine Ka-
pitalverbrechen sind. Das wird mit uns nicht gehen.

Dagegen enthält der FDP-Antrag einige wichtige
Punkte. Sie sagen zum Beispiel, man könne nicht immer
neue Überwachungsmethoden austüfteln, ohne die al-
ten wenigstens auf ihre Wirksamkeit überprüft zu haben.
Dem stimmen wir voll zu.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Auch die Forderung nach einer gründlichen Auswer-
tung der Überwachungen und nach einer Berichts-
pflicht der Bundesregierung teilen wir voll. Wenn es
darum geht, Bürgerrechte wiederherzustellen, dann ar-
beiten wir daran gerne mit. Wie Herr van Essen sagte:
Auch wir sind bereit, der Regierung Beine zu machen.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


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(C (D Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl für ie CDU/CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und ollegen! Lassen Sie mich beginnen mit zwei Zitaten, ie vielleicht deutlich machen, in welchem Spannungseld wir uns heute bewegen: Wenn wir angegriffen und getötet werden, dann werdet ihr definitiv – mit Allahs Erlaubnis – angegriffen und getötet. as war das erste Zitat. – Das zweite: Art. 10 GG … gewährleistet die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch einen privaten, vor der Öffentlichkeit verborgenen Austausch von Kommunikation und schützt damit zugleich die Würde des Menschen. as erste Zitat ist entnommen aus der Ihnen vielleicht ekannten jüngsten Terrordrohung, die per Videobotchaft an uns alle in Deutschland gerichtet wurde. Das weite Zitat ist ein Auszug aus dem Urteil des Bundeserfassungsgerichts – hier schon zitiert – vom Mai 2005 ur Telekommunikationsüberwachung. Diese beiden Ziate zeigen das Spannungsfeld auf, in dem wir uns beween: Der staatliche Schutz des Bürgers vor terroristischer edrohung ist das eine, der Schutz des Bürgers vor einer otalen staatlichen Telefonüberwachung des privaten Beeichs ist das andere. Nun haben wir bereits gehört – Herr Montag hat dait begonnen, Frau Jelpke hat das fortgesetzt –, wie die tatistiken zu bewerten sind. Frau Zypries hat die Zahlen nhand des Gutachtens bereits sehr stark relativiert. Wir ollten kein Zerrbild der derzeitigen Telefonüberwahungsstatistik malen, (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das waren die Zahlen des Max-Planck-Instituts!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609205700

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1609205800

ondern wir sollten die Wirklichkeit wiedergeben und
agen, was sich hinter den Zahlen verbirgt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Weil wir heute am Beginn einer ganz grundsätzlichen
ebatte stehen, bei der es nicht nur um dieses Gesetz, also
m das Thema Telefonüberwachung, geht, sondern um
ine Reform der gesamten Sicherheitsgesetze – im repres-
iven wie auch im präventiven Bereich –, und weil es da-
um geht, nicht nur verdeckte Ermittlungen am Telefon,
ondern auch Online- und Wohnraumuntersuchungen neu
u überdenken, möchte ich etwas weiter ausholen.

Natürlich muss die Rechtsprechung des Bundesver-
assungsgerichts zur Wohnraumüberwachung von uns
eachtet werden. Wir müssen aber auch zur Kenntnis
ehmen, dass sie faktisch derzeit so gut wie keine Rolle
ehr in Deutschland spielt. Wir müssen uns also fragen:
elchen Spielraum lässt uns das Bundesverfassungsge-






(A) )



(B) )


Dr. Hans-Peter Uhl
richt? Ist er durch die derzeit geltende Gesetzeslage voll
ausgeschöpft oder kann man weiter gehen? – Wir wer-
den als Verfassungsgeber Bundestag Verantwortung zei-
gen müssen, wenn es darum geht, Gesetze zum Schutz
der Bürger vor Mord und Todschlag, vor terroristischer
Bedrohung zu formulieren. Das ist verantwortungsvolles
Handeln.

Es wird natürlich auch der Schutz der Menschen-
rechte zu beachten sein, wie er vom Verfassungsgericht
formuliert wurde. Aber verantwortungsvoll handelt nicht
der, der aus alter Ängstlichkeit um seine Juristenehre vor
Karlsruhe zurückschreckt und gar nichts ändern will, son-
dern verantwortungsvoll handelt der, der die Möglichkei-
ten auslotet und die Gesetze fortschreibt, um der aktuel-
len Bedrohung in Deutschland begegnen zu können.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen wir doch!)


Wir werden also ganz generell unsere Sicherheitsge-
setze überprüfen müssen. Dabei dürfen wir weder Wohn-
raumüberwachung noch Telefonüberwachung noch
Onlinedurchsuchungen zum Tabu erklären. Diese Maß-
nahmen können lebensrettende Funktion haben. Am
9. November 2003 fand in München die Grundsteinle-
gung der neuen Hauptsynagoge statt. Zu diesem Anlass
trafen sich Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, der
damalige Bundespräsident Rau, der damals noch le-
bende Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Herr
Spiegel, und viele andere mehr. Neonazis und Rechtsex-
tremisten wollten an diesem Tag der Grundsteinlegung
der neuen Hauptsynagoge die Gäste mit allen anwesen-
den Personen in die Luft sprengen. Es war der Wohn-
raum-überwachung und anderen Ermittlungstätigkeiten
zu verdanken, dass bei den Neonazis im Vorfeld
1,7 Kilogramm TNT-Sprengstoff gefunden wurde und
dieser Anschlag verhindert werden konnte. Ich sage da-
mit: Die Maßnahmen, über die wir heute reden, können
lebensrettende Funktion haben.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber daran wollen wir doch nichts ändern! Kein Mensch will das ändern! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unstrittig!)


Bei dem Thema, um das es hier geht – Telekommuni-
kationsüberwachung in der richtigen Dosis und im Span-
nungsfeld mit den Grundwerten, die wir natürlich beach-
ten wollen –, werden wir einige technische Regelungen
finden müssen. Eine ununterbrochene automatisierte
Aufzeichnung der Gesprächsinhalte ist zur Sicherstel-
lung des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensfüh-
rung und für die Erhaltung zulässiger Daten dringend
notwendig. Nur in seltenen Fällen findet Telefonüberwa-
chung live statt. Aber auch dann, wenn sie live stattfin-
det, sollten wir dafür sorgen, dass eine automatisierte
Aufzeichnung erfolgt, und zwar schon deswegen, weil
die Gespräche häufig in ausländischen Sprachen geführt
werden und die Dolmetscher im Nachhinein bei der
Übersetzung gemeinsam mit dem Richter differenzieren
müssen, was Ausdruck des Kernbereichs privater Le-
bensführung ist und was für die jeweiligen Tätigkeiten

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(C (D es Staates, seien es präventive Maßnahmen, sei es reressive Strafermittlung, verwendet werden soll. Das eißt, wir wollen das Richterband zur Überprüfung der erwertbarkeit haben. Die Kritik, die wir aus der Praxis hören – wir alle haen Gespräche mit Praktikern der Telefonüberwachung eführt –, ist überzeugend. Eine ausufernde Benachichtigungspflicht sollte vermieden werden. Herr van ssen hat bereits gesagt, dass er zu wenig Benachrich igung festgestellt hat. Ich meine, es kann auch zu viel ein. Wir müssen den Mittelweg finden. Völlig praxisern wäre es, jeden einzelnen von Ermittlungsmaßnahen Betroffenen zu benachrichtigen. Ich denke an den eschäftsmann, der möglicherweise zu Unrecht verächtigt wurde. Wollte man alle seine Gesprächspartner enachrichtigen, hätte dies eine massive geschäftsschäigende Wirkung. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen auch wir nicht!)


Es ist gut zu hören, dass auch Sie das nicht wollen. –
enachrichtigt werden muss also derjenige, gegen den

ich die Maßnahme richtet, und diejenigen, deren Daten
rhoben und deren Gesprächsinhalte verwertet wurden.
as ist unsere Position.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Montag, ich bitte Sie, bei Ihren zukünftigen Äu-
erungen zu dem Thema, insbesondere wenn Sie sich
uf Statistiken beziehen, die Worte der Justizministerin
ur Kenntnis zu nehmen, den Vorwurf eines überpropor-
ionalen Anstiegs von Überwachungsmaßnahmen fallen
u lassen und zur Kenntnis zu nehmen, wie die Dinge
irklich liegen.

Wir müssen Telekommunikationsüberwachung dort
nwenden, wo sie erforderlich ist: bei schweren Strafta-
en wie organisierter Kriminalität, Mord, Totschlag,
auschgiftdelikten, islamistischem Terrorismus. Wenn
ie die Statistik genau anschauen, erkennen Sie, dass
0 Prozent der Telefonüberwachung in genau diesen Be-
eichen stattfindet.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 60 Prozent Drogendelikte! Bis zum kleinsten User!)


Ja, natürlich. Es geht hauptsächlich auch um Drogen-
elikte.


(Jörg van Essen [FDP]: Gerade bei Drogendelikten!)


Die veränderte Bedrohung unserer Welt durch globali-
ierte terroristische Gewalt kann nicht mit den her-
ömmlichen Mitteln bekämpft werden. Wir brauchen
ine umfassende Sicherheitsstrategie. Wir brauchen wirk-
ame verdeckte Ermittlungsmaßnahmen, natürlich unter
eachtung des Schutzes unserer Individualgrundrechte.
as heißt, wir brauchen keinen Überwachungsstaat – die
inke könnte uns übrigens mehr darüber berichten, wie er

unktioniert –,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)







(A) )



(B)


Dr. Hans-Peter Uhl
sondern einen starken Staat, der seine Bürger vor Mord
und Totschlag schützen kann.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609205900

Jetzt hat der Kollege Hans-Christian Ströbele das

Wort für das Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Herr Kollege Uhl, Sie hätten über Terrorismusbe-
kämpfung und den Einsatz von Telefonüberwachung in
diesem Bereich nicht zu reden brauchen, weil unsere Po-
sitionen da überhaupt nicht auseinanderliegen. Das fällt
sowohl nach geltendem Recht als auch nach dem Vor-
schlag der Bundesregierung und nach unserem Vor-
schlag selbstverständlich in den Bereich der Telefon-
überwachung; darüber streitet sich niemand. Das ist das
Erste.

Zweitens. Frau Kollegin, Sie haben unseren Entwurf
offenbar nicht gelesen. Sie fordern, dass die Telefon-
überwachung auf die Verfolgung von Kapitaldelikten
beschränkt wird. Genau das steht in unserem Gesetzent-
wurf: Telefonüberwachung darf immer nur dann stattfin-
den, wenn der Verdacht vorliegt, dass es sich um ein Ver-
brechen oder „um eine schwere, im Unrechtsgehalt
einem Verbrechen gleichstehende Straftat handelt“ – so
steht es in unserem Gesetzentwurf –, in allen anderen
Fällen nicht. Wenn Sie unseren Gesetzentwurf gelesen
hätten, dann wüssten Sie, dass wir Telefonüberwachung
auf ganz schwere Fälle, die, was die Wertigkeit angeht,
Kapitaldelikten gleichkommen, beschränken wollen.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das steht nicht drin! Ich habe Ihnen doch eben vorgelesen, was drinsteht!)


– Doch, natürlich. Soll ich es Ihnen vorlesen? Ich zitiere:

… im Unrechtsgehalt einem Verbrechen gleichste-
hende Straftat handelt.

Das steht in § 100 a Abs. 3 letzter Halbsatz unseres Ge-
setzentwurfs.


(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU])


– Nein:

… im Unrechtsgehalt einem Verbrechen gleichste-
hende Straftat handelt.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Gehb, Sie haben es nicht verstanden!)


Jetzt darf ich aber weiterreden.

Die Frage, ob man die Anzahl der im Gesetz aufge-
führten Straftatbestände erhöht – bisher sind es 100; Sie
haben offenbar vor, diese Anzahl auf 105, 110 oder 120
zu erhöhen – oder ob man im Gesetz eine Generalklau-

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(C (D el verankert, wie wir es in unserem Gesetzentwurf gean haben, war unter Rot-Grün zuletzt gar nicht mehr trittig. Ich erinnere mich daran, dass sowohl die Miniserin als auch der verehrte Kollege Stünker in den letzten erhandlungen, die wir kurz vor Ende der rot-grünen oalition geführt haben, heftig versucht haben, uns ein ureden, dass es bei dieser Generalklausel bleiben soll. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Idee kommt von der SPD!)


uch weil wir eingesehen haben, dass das die bessere
ösung ist, haben wir das in unseren Gesetzentwurf auf-
enommen.


(Jörg van Essen [FDP]: Ich finde den Ansatz auch sehr gut!)


Jetzt sage ich Ihnen, warum dieser Ansatz so gut ist.
enn im Gesetz Straftaten aufgezählt sind, gehen

taatsanwalt und Richter der Frage, ob sie Telefonüber-
achung im Einzelfall zulassen, in der Form nach, dass

ie schauen, ob die mögliche Straftat in einem der Para-
rafen des Gesetzentwurfs aufgezählt ist. Ist das der Fall,
ann ist das Rennen schon fast gelaufen: Staatsanwalt
nd Richter stellen fest, dass die mögliche Straftat unter
iese Regelung fällt, weswegen Telefonüberwachung
uzulassen ist. – Das wollen wir in Zukunft verhindern.
ir wollen, dass sich der Staatsanwalt – zum Beispiel
err van Essen, wenn er wieder Staatsanwalt ist – oder
er Richter, bei dem er den Antrag stellt, ganz ernsthaft
edanken darüber macht, wie schwer diese Straftat
iegt. Ist das eine Straftat, die schon nach den ihm be-
annten äußeren Umständen eine Straftat ist, die mit ei-
er Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bestraft
ird? Nur dann, nur in ganz schwerwiegenden Fällen

oll eine Telefonüberwachung angeordnet werden kön-
en. Dann darf sie beantragt und angeordnet werden.
as ist der bessere Weg.

Das führt dazu – davon gehen wir aus –, dass Telefon-
berwachung in Zukunft nicht in etwa 50 000 Anord-
ungsfällen pro Jahr stattfindet, wie es derzeit der Fall
st, sondern dass die Zahl wesentlich gesenkt wird. Ich
abe einmal gesagt: Ich wünsche mir, dass das mindes-
ens um ein Drittel heruntergeht.

Der zweite wesentliche Punkt ist für uns – den will
ch hier noch hinzufügen –: Wir haben eine Reihe von
erfahrenssicherungen eingebaut, die sicherstellen,
ass das in Zukunft auch eingehalten wird. Wir verlan-
en von den Richtern, dass sie ihre Entscheidungen, das
o zu subsumieren, in jedem einzelnen Fall ganz konkret
egründen. Wir erwarten von den Staatsanwälten, die
as dann durch ihre Ermittlungsbeamten anwenden las-
en, dass sie die Richter auch darüber unterrichten, was
us der Telefonüberwachung geworden ist, damit die an-
rdnenden Richter später gegebenenfalls sagen können:
h, da sind wir zu weit gegangen. Da haben wir uns zu
iel einreden lassen. Das werden wir in Zukunft anders
achen.

Wir verlangen ganz konsequent, anders als der Kol-
ege Uhl, dass alle, die als Anschlussinhaber davon be-
roffen gewesen sind, benachrichtigt werden. Die
,5 Millionen, die möglicherweise unschuldig in diese
)






(A) )



(B) )


Hans-Christian Ströbele
Maßnahme hineingekommen sind, die überwacht wor-
den sind, deren Lebensbeichte festgehalten worden ist,
bei denen am Telefon überwacht worden ist, wenn sie ihr
Herz ausgeschüttet haben, können nicht benachrichtigt
werden, weil das technisch kaum durchführbar ist. Aber
alle, gegen die sich die Maßnahmen konkret gerichtet
haben, also die Anschlussinhaber, sollen benachrichtigt
werden – ohne Ausnahme. Wenn das Gericht das aus ob-
jektiven Gründen nicht gleich für tunlich oder für nicht
zu rechtfertigen hält, dann soll das höchste jeweilige
Landesgericht, also das Oberlandesgericht, darüber ent-
scheiden, ob ein so seltener Fall vorliegt, dass eine Über-
wachungsmaßnahme über 18 Monate hinaus nicht mit-
geteilt wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Davon erhoffen wir uns eine wesentliche Senkung der
Anzahl der Telefonüberwachungen. Man kann stolz da-
rauf sein, dass man in einzelnen Bereichen Weltmeister
ist – das ist jetzt mein letzter Satz –, aber es gibt Welt-
meistertitel, die ich der deutschen Bevölkerung nicht
weiter zumuten möchte. Dass wir Weltmeister im Abhö-
ren sind, muss nicht sein; von diesem Titel sollten wir
uns verabschieden. Wir sollten die Zahl hier deutlich
senken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Mittelmaß in Europa! Sie sind von Faktenabstinenz gezeichnet!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609206000

Jetzt erhält Klaus Uwe Benneter das Wort für die

SPD-Fraktion.


Klaus Uwe Benneter (SPD):
Rede ID: ID1609206100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-

ginnen und Kollegen! Die Grünen haben hier zu Recht
einen Missstand aufgegriffen. Der ist aber schon lange in
der Diskussion. Die FDP rennt mit ihrem Antrag offene
Scheunentore ein; das wissen auch Sie, Herr van Essen.

Zu erkennen ist in Ihrem Entwurf – ich erkenne das
jedenfalls – die gemeinsame rot-grüne Handschrift


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Voller Sehnsucht! – Gegenruf des Abg. Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wer hat denn Sehnsüchte? – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist aber nicht wechselseitig, glaube ich!)


– am Freitag, eine Woche vor Ostern, lassen wir die
Sehnsüchte mal zurückstehen –, wenn es darum geht,
den Rechtsschutz bei verdeckten Ermittlungsmaßnah-
men zu harmonisieren und zu stärken, die Regelungen
zur Verwendung von aus solchen Maßnahmen erlangten
personenbezogenen Daten zu harmonisieren und zu er-
gänzen und die besondere Schutzwürdigkeit von Berufs-
geheimnisträgern hervorzuheben. Das sind gemeinsame
rot-grüne Anliegen gewesen. Ich denke, dass wir uns
auch hier und heute noch dazu bekennen können.

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(C (D Richtig ist: Es gibt einen Trend zur Ausweitung, eien Trend zur Zunahme der Zahl solcher Ermittlungsaßnahmen. Aber, Herr Kollege Ströbele, das hat ichts mit irgendwelchen Weltmeisterschaften zu tun. ir sind hier nicht Weltmeister. Die Anzahl der An chlüsse – nicht die Anzahl der Anschlussinhaber – hat ich merklich erhöht. Die Zunahme bei den Telekommuikationsüberwachungen betrifft insbesondere den Moilfunk-, den Internetund den E-Mail-Bereich. Das gab s früher nicht. Wenn Sie jetzt nur auf das Jahr 2005 chauen, dann ist das, denke ich, zu kurz gegriffen. Die Möglichkeiten im Zuge neuer Kommunikationsittel sind immens gestiegen, logischerweise auch bei en Kriminellen. Da wollen staatsanwaltschaftliche und olizeiliche Ermittler nicht hinterherhinken und richten hre Bekämpfungsstrategien entsprechend aus. Zu vereichnen ist auch eine Zunahme der Zahl von Betäuungsmitteldelikten. Auch das korrespondiert mit einer ntsprechenden Zunahme von verdeckten Abhörmaßahmen. Zu Recht weisen die Grünen in ihrem Entwurf darauf in, dass jede solche Maßnahme einen schwerwiegenden ingriff in Grundrechtsbereiche darstellen kann, nicht ur in das Postund Fernmeldegeheimnis, sondern auch n das Recht auf informationelle Selbstbestimmung; uch die allgemeinen Persönlichkeitsrechte sind regeläßig betroffen. Sie wissen: Wir haben schon längst vor, ein stimmies Gesamtsystem der strafprozessualen heimlichen Erittlungsmethoden zu schaffen. Es hätte also Ihres Enturfs gar nicht bedurft. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Es gibt noch keinen von Ihnen!)


Sie haben doch gehört: Er soll am 18. April kommen.
o lange werden Sie auch noch abwarten können.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1. April!)


Keiner soll gehindert werden, vernünftige Vorschläge
u machen. Was Sie allerdings hier abgeliefert haben,
erücksichtigt weder den Diskussionsstand in der Wis-
enschaft noch die Bedürfnisse in der Praxis noch die
orgaben des Bundesverfassungsgerichts.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tut weh! – Gegenruf des Abg. Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das sind Fakten!)


as, was Sie vorschlagen, ist zu einfach und zu oppor-
un, wenn nicht gar zu opportunistisch: Sie wollen sich
um Sprachrohr der Journalisten machen.

Gerade in der „Cicero“-Entscheidung hat das Bun-
esverfassungsgericht deutlich hervorgehoben, dass
ournalisten keinen absoluten Schutz vor strafrechtlicher
erfolgung für sich beanspruchen können.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber erhalten dürfen!)







(A) )



(B) )


Klaus Uwe Benneter
Das Bundesverfassungsgericht sagt ausdrücklich:

Die Bestimmungen der Strafprozessordnung mit
ihrer prinzipiellen Verpflichtung für jeden Staats-
bürger, zur Wahrheitsfindung im Strafverfahren
beizutragen und die im Gesetz vorgesehenen Er-
mittlungsmaßnahmen zu dulden, sind … als allge-
meine Gesetze anerkannt …

Sie gelten auch für Journalisten. Deshalb bleibt es dabei:

Die Verfassung gebietet es nicht, Journalisten gene-
rell von strafprozessualen Maßnahmen auszuneh-
men …


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch klar!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1609206200
Wir haben
hier nicht das unterste Level gewählt, sondern das, was
in diesem Bereich zulässig ist. Das hat auch das Bundes-
verfassungsgericht in seiner „Cicero“-Entscheidung
klargestellt.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609206300

Herr Kollege, wünschen Sie sich eine Zwischenfrage

des Kollegen Ströbele?


Klaus Uwe Benneter (SPD):
Rede ID: ID1609206400

Immer.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609206500

Bitte schön.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Benneter, stimmen Sie mir zu, dass
Journalisten schon nach geltendem Recht durchaus an-
ders behandelt werden als die Normalbürgerinnen und
-bürger? Das geschieht aus gutem Grund – nicht weil das
so nette Leute sind –: Es hängt mit ihrer Arbeit zusam-
men; die Bevölkerung muss darauf vertrauen können,
dass die Vertraulichkeit der an die Journalisten gegebe-
nen Informationen gewahrt bleibt. Die Journalisten ha-
ben zum Beispiel ein Zeugnisverweigerungsrecht, das
weit über das hinausgeht, was für die Bürgerinnen und
Bürger normalerweise gilt. Wir wollen es lediglich in der
Konsequenz auf die Telefonüberwachung ausdehnen.
Das Bundesverfassungsgericht sagt keineswegs, das
dürfe oder solle nicht sein; es hat lediglich festgestellt,
das müsse von Verfassungs wegen nicht unbedingt sein.


Klaus Uwe Benneter (SPD):
Rede ID: ID1609206600

Was Sie sagen, ist richtig. Ich habe nichts anderes be-

hauptet. Das Zeugnisverweigerungsrecht, das die Jour-
nalisten haben, soll auch in Zukunft geschützt bleiben,
natürlich auch in diesem Bereich, bei der Telekommuni-
kationsüberwachung; das ist klar. Hier ging es um die
Frage, ob es einen absoluten Schutz für Journalisten ge-
ben soll. Einen solchen sehen Sie in Ihrem Gesetzent-
wurf vor.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Das wollen wir! Das ist nicht verboten!)



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(C (D Ich habe es als opportunistisch dargestellt, wie Sie sich en Journalisten an den Bauch werfen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie wissen: Das Bundesverfassungsgericht hat in sei-
er Entscheidung zum niedersächsischen Gesetz über
ie öffentliche Sicherheit und Ordnung an mehreren
tellen darauf hingewiesen, dass nur eine besondere
uswahl von Straftaten es zulässt, eine Telekommunika-

ionsüberwachung zu veranlassen, und deshalb entspre-
hende gesetzgeberische Konsequenzen gefordert. Das
eißt, das Anliegen, das Sie hatten und das wir ursprüng-
ich geteilt haben,


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben! Sie sind von der Fahne gegangen!)


ann aufgrund der neuesten Verfassungsrechtsprechung
o nicht mehr verfolgt werden.


(Jörg van Essen [FDP]: Ich lege das Urteil nicht so aus!)


ie müssen die neuesten Erkenntnisse mit berücksichti-
en.

Bei der Auswahl der Straftaten darf nicht auf eine ab-
trakte Strafandrohung abgestellt werden, sondern muss
as Gewicht der zu schützenden Rechtsgüter im Vor-
ergrund stehen. Auch im Hinblick auf das nicht vorher-
ehbare Risiko, dass bei einer Überwachung Kommuni-
ation aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung
rfasst wird, hat das Gericht darauf hingewiesen, dass
ieses Risiko nur bei einem besonders hohen Rang des
efährdeten Rechtsgutes hinzunehmen ist. Insofern müs-
en die Rechtsgüter entsprechend normiert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das haben wir!)


Nein, eben nicht.

Unter Berücksichtigung dieser Maßgabe ist eine vor-
angig an der Höhe der Strafandrohung orientierte ab-
trakte Bestimmung von materiellen Kriterien, wie von
hnen vorgesehen, im Hinblick auf den Verhältnismäßig-
eitsgrundsatz verfassungsrechtlich bedenklich. Nichts
nderes hat Ihnen die Justizministerin hier vorgehalten.
ie hat beim Nachzählen sogar festgestellt, dass Sie
das war uns damals nicht bekannt – die Telekommuni-

ationsüberwachung auf 320 zusätzliche Straftatbe-
tände des Strafgesetzbuches und des Nebenstrafrechts
usweiten wollen. Diese Überwachungswürdigkeit er-
cheint doch wirklich mehr als fragwürdig.

Ein Eingrenzungskriterium ist für Sie die Verurtei-
ungsprognose. Herr Kollege van Essen hat schon darauf
ingewiesen, dass das kein geeignetes Eingrenzungskri-
erium sein kann, gerade weil zu Beginn eines Ermitt-
ungsverfahrens, wenn noch alles offen ist, die Abhör-

aßnahmen unter Umständen mit dazu dienen sollen,
ie Unschuld eines Betroffenen nachzuweisen,






(A) )



(B) )


Klaus Uwe Benneter

(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? So was habe ich noch nie gehört! Das ist ja ganz was Neues!)


um das Verfahren dann sehr schnell einstellen zu kön-
nen. Das hindert uns, die Verurteilungsprognose als Ein-
grenzungskriterium zu übernehmen.

Wie gesagt, die Bundesregierung und die sie tragen-
den Koalitionsfraktionen haben einen Entwurf in der
Pipeline, wie man so schön sagt.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ist verstopft!)


– Für den 18. April ist die Aufhebung der „Verstopfung“
angekündigt. Spätestens dann wird sich das Kabinett da-
mit befassen. In diesem Referentenentwurf wird dem
ganz konkreten Änderungsbedarf Rechnung getragen,
der sich aus den technologischen Entwicklungen, den
letzten Verfassungsgerichtsentscheidungen, den Schwie-
rigkeiten der Strafverfolgungsbehörden, den Vorgaben
des Übereinkommens des Europarates über die Compu-
terkriminalität und der EU-Richtlinie über die Speiche-
rung von Kommunikationsdienstedaten ergibt. Herr
Montag, wenn Sie diesen Entwurf sehen, werden Sie
sich bei Herrn Gehb entschuldigen müssen.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Darauf freue ich mich!)


Das ist keine untere Messlatte, sondern exakt das, was
uns gerade die letzten Verfassungsgerichtsentscheidun-
gen vorgegeben haben.

Wir werden das Recht der verdeckten strafprozessua-
len Ermittlungsmaßnahmen einer umfassenden Über-
arbeitung unterziehen. Unter Wahrung der bisherigen
verfahrensrechtlichen Voraussetzungen und der grund-
rechtssichernden Ausgestaltung werden wir die strafpro-
zessualen Ermittlungsmaßnahmen harmonisieren und
den ganzen Regelungskomplex übersichtlicher und
rechtsstaatlichen Geboten entsprechend gestalten, zu-
gleich aber auch den praktischen Erfordernissen Rech-
nung tragen.

Auch den neuesten technischen Entwicklungen wer-
den wir gerecht werden. Gerade bei der Bekämpfung
von schwer ermittelbarer Kriminalität sowie Transak-
tions- und Wirtschaftskriminalität und insbesondere bei
Straftaten, die unter Nutzung moderner Kommunika-
tionstechnologien begangen werden, sind die verdeckten
Ermittlungsmaßnahmen ein wirksames Instrument, das
wir übersichtlicher und normenklarer gestalten werden.

Lassen Sie mich noch auf einen weiteren Punkt hin-
weisen. Durch die Kennzeichnung der durch verdeckte
Ermittlungsmaßnahmen erlangten Erkenntnisse wird si-
chergestellt, dass die für die eingriffsintensiven verdeck-
ten Ermittlungsmaßnahmen geltenden Beschränkungen
beachtet werden. Auch das erscheint uns ganz wichtig.
Was die nachträgliche Benachrichtigung angeht: Auch
da werden Sie in diesem Entwurf all das wieder finden,
was wir schon unter Rot-Grün haben wollten und was
wir jetzt in die Praxis umsetzen.

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(C (D Wichtig ist auch: Die Umwidmung der durch vereckte Ermittlungsmaßnahmen erlangten Daten zur Verendung als Beweismittel in anderen Strafverfahren ird durch restriktive Normen erschwert. Wie gesagt, der Katalog der Anlassstraftaten wird ystematisch neu geordnet, inhaltlich überarbeitet und ann im Einzelfall auf schwere Straftaten beschränkt. er Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ird entsprechend den Vorgaben des Bundesverfas ungsgerichts auch bei der Telekommunikationsüberachung gewährleistet. Erst recht gilt dies, wenn sich iese Überwachung faktisch als eine Onlineüberachung herausstellen sollte. Auch da gilt es, den Kernereich privater Lebensgestaltung zu schützen. Genereller Vorrang der schutzwürdigen Interessen eugnisverweigerungsberechtiger Personen, etwa im alle von Pressemitarbeitern, gegenüber dem Strafverolgungsinteresse lässt sich, wie ich schon dargestellt abe, verfassungsrechtlich nicht begründen. Diese eugnisverweigerungsrechte von Presseangehörigen aben keinen unmittelbaren Bezug zum Kernbereich priater Lebensgestaltung. Deshalb geht es hier nur um die unktionsfähigkeit dieser Institutionen. Die Presse ist in wichtiges Organ, wenn es darum geht, zu informieren, u kommunizieren und damit zur Stärkung der Demoratie beizutragen. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist bei er Schaffung von Regelungen, die die Ermittlung des ahren Sachverhalts gefährden und damit zu ungerech en, weil materiell unrichtigen Verfahrensergebnissen ühren können – das wäre der Fall, wenn den Pressemitrbeitern ein umfassender Schutz gewährleistet würde –, esondere Zurückhaltung geboten. Eine wirksame Strafverfolgung im Interesse einer mfassenden Wahrheitsermittlung und die Aufklärung on schweren Straftaten sind auch ein ganz wesentlicher uftrag des Rechtsstaates. Nicht nur die Rechte von ressemitarbeitern zu wahren, sondern schwere Straftaten ufzuklären, ist dem Gesetzgeber aufgegeben. Er hat daher ei der Prüfung der Gewährung eines absoluten Vorrangs estimmter Interessen gegenüber anderen wichtigen emeinschaftsgütern den Erfordernissen einer an rechts taatlichen Garantien ausgerichteten Rechtspflege Rechung zu tragen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ralf Göbel [CDU/CSU])


Herr Kollege Montag, Sie müssen auch noch folgenden
unkt berücksichtigen. Mit Regelungen, die die Wahrheits-
rmittlung beschränken, werden nicht nur die Möglich-
eiten für die Strafermittlungsbehörden, sondern natürlich
uch die Möglichkeiten für die Betroffenen selbst einge-
chränkt, ihre Unschuld zu beweisen und einen gegen sie
rhobenen Verdacht auszuräumen. Das können solche
aßnahmen ebenfalls bewirken. Insofern müssten auch

ie ein Interesse daran haben, solche unrichtigen Ent-
cheidungen zu verhindern.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssten wir ja alles abhören zugunsten des Angeklagten!)







(A) )



(B) )


Klaus Uwe Benneter
Eine Neuregelung wird sich nicht auf den Bereich der
verdeckten Ermittlungsmaßnahmen beschränken. Sie gilt
grundsätzlich bei allen – auch bei den offenen – Ermitt-
lungsmaßnahmen. Eine Differenzierung ist hier nicht
sinnvoll, denn tragfähige Gründe sind dafür nicht er-
kennbar.

Herr Montag, ich habe Ihre Fleißarbeit bewundert.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schön!)


Nehmen Sie es nicht persönlich: Mit unserem Gesetzent-
wurf wird Ihre Arbeit zur Makulatur und damit bedauer-
licherweise überflüssig.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da täuschen Sie sich!)


Wir könnten in unseren Gesetzentwurf höchstens aufneh-
men, dass es zwar eine Alternative gibt, die aber nicht
brauchbar ist.

Frohe Ostern.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609206700

So weit sind wir noch nicht.

Jetzt spricht erst die Kollegin Petra Pau für die Frak-
tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609206800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Überwachung von Telefongesprächen ist immer ein
tiefer Eingriff in verbriefte Rechte der Bürgerinnen und
Bürger. Das hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach
betont. Es hat mehrfach gerügt, dass diese Praxis grund-
gesetzwidrig ist – so weit, so übersichtlich, so klar.

Heute liegen zwei Oppositionsanträge zur Lösung
dieses Problems auf dem Tisch. Über Mängel wurde hier
schon gesprochen. Aber immerhin haben sie zumindest
eines bewirkt: Sie haben die Regierungskoalition beflügelt,
nun die Hausaufgaben zu machen und einen eigenen
Gesetzentwurf vorzulegen.

Allerdings muss ich auch sagen: Ich bin gespannt, wie
die Bundesministerin der Justiz – die heute eine „harmoni-
sche Regelung“ angekündigt hat – ihre sehr vernünftigen
Vorstellungen, die sie heute hier vorgetragen hat, mit den
Vorstellungen der Innenminister und den Dingen, die
Herr Uhl heute in die Debatte geworfen hat, harmonisieren
will.

Stichwort: Computer-/Onlineüberwachung. Sie wol-
len heimlich ausspähen, was auf privaten Computern ge-
schieht, was dort gespeichert und dort zu finden ist.
Wenn das Reizwort „Big Brother“ an irgendeiner Stelle
zutrifft, dann genau da.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Natürlich geht es wie immer um den Kampf gegen Kri-
minelle und Terroristen. Natürlich wiegelt der BKA-

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(C (D hef Ziercke ab, der große Hackerangriff von Staats ween betreffe nur wenige. Aber das ist ein Irrtum. Er berifft alle, und er stellt den Rechtsstaat auf den Kopf; enn jede und jeder gilt als potenziell verdächtig. Derselbe Geist beseelt übrigens die sogenannte Antierrordatei, die heute von Bundesinnenminister Schäuble ffiziell in Betrieb genommen wurde. (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gestern!)


ie bewirkt, dass die Geheimdienste ermächtigt und die
ersönlichkeitsrechte erniedrigt werden. Das ist ihr Wesen.
enauso ist sie auch konstruiert.

Hinzu kommt: Wer einmal in Verdacht gerät und in
ie Antiterrordatei eingespeist wird – sei es noch so un-
erechtigt –, läuft Gefahr, zeitlebens und grenzenlos als
otenzieller Terrorist am Pranger zu stehen. Auch das
at weder etwas mit dem Rechtsstaat noch mit dem ver-
rieften Datenschutz zu tun – im Gegenteil.

Damit komme ich zu dem eigentlichen Problem. Die
undesrepublik driftet zu einer Gesellschaft ab, in der
ürgerrechte immer weniger gelten, der Staat möglichst
lles wissen will und Bürgerinnen und Bürger als poten-
ielles Risiko gelten. Deshalb sage ich den Mitgliedern
er Koalition: Sie unterhalten zwar ein Bundesamt für
erfassungsschutz. Aber Sie greifen gleichzeitig die
erfassung an und verkehren damit das Grundgesetz in
ein Gegenteil. Dagegen bin ich, und dagegen ist auch
ie Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


ie werden sehen: Wir werden Sie in diesem Gesetzge-
ungsverfahren sehr aufmerksam begleiten; denn wir
chützen die Verfassung vor Ihren Angriffen. Wir haben
ämlich etwas dazugelernt.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das würden wir gerne glauben!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609206900

Jetzt erteile ich zum Abschluss der Debatte das Wort

em Kollegen Ralf Göbel für die CDU/CSU-Fraktion.


Ralf Göbel (CDU):
Rede ID: ID1609207000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

n dieser Debatte habe ich mich immer wieder gefragt,
arum mir, wenn ich zu den Kollegen der Linksfraktion

chaue, der oscarprämierte Film „Das Leben der Anderen“
infällt. Wenn ich jetzt höre, in welcher Art und Weise
ie Kollegin Pau, die Kollegin Jelpke und gestern die
ollegin Dağdelen den bundesdeutschen Rechtsstaat
iffamieren,


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)


ann frage ich mich, ob das in diesem parlamentarischen
aum, in dem wir uns befinden, angemessen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)







(A) )



(B) )


Ralf Göbel
Die Kollegin Dağdelen hat gestern in der Debatte zur
Abschiebehaft davon gesprochen, dass es einen staatlichen
Rassismus deutscher Behörden gebe. Ich halte das für
eine unerträgliche Bemerkung. Ich finde es unerträglich,
dass auch jetzt der Eindruck suggeriert wird, als ob die
bundesdeutschen Sicherheitsbehörden nichts Besseres
zu tun hätten, als täglich die Telefongespräche unbe-
scholtener Bürger abzuhören und in ihren Wohnungen
zu lauschen.


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Warum werden denn Abgeordnete überwacht?)


Es ist unerträglich, dass Sie hier einen solchen Zustand
beschreiben. Diesen Zustand gibt es in der Bundesrepublik
Deutschland nicht. Wir sind im Gegensatz zu dem, was
Sie 40 Jahre lang in der DDR jeden Tag gemacht haben,
ein demokratischer Rechtsstaat und achten die Grund-
rechte.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Staatsanwaltschaften und Ermittlungsbehörden sind
nun einmal immer öfter darauf angewiesen, heimliche
Aufnahmen anzufertigen. Das hängt mit den Täter- und
Tatstrukturen und der voranschreitenden technischen
Entwicklung zusammen.


(Fritz Rudolf Körper [SPD]: Und mit den Telefonanschlusszahlen!)


– Ich komme noch darauf zurück. – Deswegen ist es
wichtig, dass wir unter der Berücksichtigung der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts jetzt Gesetze auf
den Weg bringen, die auf der einen Seite die polizeilichen
Ermittlungen im Bereich der schweren Kriminalität und
der Gefahrenabwehr erleichtern, die aber auf der anderen
Seite nicht überziehen, sondern das Recht des Einzelnen
auf seine Privatsphäre hinreichend achten. Dabei bewegen
wir uns auf einem schmalen Grat. Dementsprechend
streitig führen wir die Debatte und diskutieren verschie-
dene Lösungsansätze, zu denen die Linke allerdings
noch keinen Beitrag geleistet hat.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Die Polizei ist bei ihren Ermittlungen auf Hinweise
aus verschiedensten Informationsquellen angewiesen.
Die modernen Kommunikationsmittel werden selbst-
verständlich von den Tätern genutzt. Durch Handys und
das Internet hat sich die Kommunikation verändert: Sie ist
schneller und unübersichtlicher geworden. In der virtuel-
len Welt sind neue Kriminalitätsstandorte entstanden,
deren Auswirkungen aber sehr intensiv in die reale Welt
hineinreichen. Durch offene Ermittlungsmaßnahmen
allein kann das Ziel der Aufklärung von Straftaten und der
Gefahrenabwehr nicht mehr erreicht werden. Deswegen
sind die Möglichkeiten heimlicher Ermittlungen zu nutzen.

Bei den Ermittlungsinstrumenten können wir nach
meiner festen Auffassung nicht mit dem Hinweis auf die
Kosten-Nutzen-Rechnung argumentieren. Wir können nicht
auf ein Ermittlungsinstrument verzichten, weil der Nutzen
nicht von vornherein ersichtlich oder quantifizierbar
ist. Herr van Essen hat schon darauf hingewiesen: Die

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(C (D rmittlungen führen nicht immer zur Aufklärung einer onkreten Straftat; vielmehr werden dabei häufig Strukren aufgedeckt. Dafür sind gelegentlich auch heimliche berwachungsmaßnahmen notwendig, um feststellen zu önnen, wie Tätergruppen organisiert sind, wie sie arbeiten nd sich bewegen und welche Straftaten geplant sind. Bei der heimlichen Überwachung nach der Strafprozessrdnung muss ein konkreter Tatverdacht bestehen. Ob ies der Fall ist, entscheiden auf Antrag der Staatsanaltschaft die zuständigen Gerichte. Ich glaube nicht, ass mit diesem Instrument rechtsstaatswidrig umgegangen ird. Auch wenn Herr van Essen darauf hinweist, dass er eine oder andere Antrag vielleicht einfach so von einem ichter unterzeichnet wird, unterstelle ich, dass die ichter ihr Amt ordnungsgemäß wahrnehmen und einen ntrag nur dann unterschreiben, wenn sie der Auffassung ind, dass die Maßnahme gerechtfertigt ist. (Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie doch die Gutachten!)


Wenn es tatsächlich das Problem gibt, dass bei der be-
tehenden Gesetzeslage nicht alle Richter ordnungsgemäß
orgehen, dann stellt sich die Frage, ob nicht weniger
ine Gesetzesänderung als eine Verhaltensänderung der-
enigen notwendig ist, die diese Entscheidung zu treffen
aben. Nicht alle notwendigen Änderungen müssen
esetzlich geregelt werden.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Außerdem hat unser Rechtsstaat diese Fälle geregelt, was hinterher zu tun ist! Dafür haben wir das Verfassungsgericht!)


Neben den zwingenden rechtlichen Voraussetzungen
ill ich an einem Beispiel aus der Praxis verdeutlichen,
ie sich eine Telekommunikationsüberwachung in einer
ehörde darstellt, weil dadurch vielleicht transparent
ird, dass die Polizeibehörden nicht willkürlich mit diesem

nstrument umgehen. Aus meiner Zeit im Polizeipräsidium
ann ich berichten, dass wir eine Telefonüberwachung
eschaltet haben, bei der mehrere Telefonanschlüsse zu
berwachen waren. Damit war ein erheblicher Personal-
ufwand verbunden.


(Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)


ir mussten rund um die Uhr über 20 Beamte einsetzen.
inzu kamen Dolmetscher, weil die Telekommunikation
einer Fremdsprache erfolgte. Insofern ist ein erheblicher
ersoneller, materieller und finanzieller Aufwand zu leis-
n. Manche Telefonüberwachungsmaßnahme unterbleibt
llein deswegen, weil den Behörden die personellen und
inanziellen Kapazitäten fehlen. Auch das muss man zur
enntnis nehmen. Es handelt sich nicht um ein Instrument,
as jeder x-beliebige Polizeibeamte im Streifendienst
utzen kann; es ist vielmehr eine hochkomplexe Über-
achungsmaßnahme, die einen erheblichen Personalein-

atz erfordert.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Jörg van Essen [FDP]: Und teuer ist!)







(A) )



(B) )


Ralf Göbel
– Sie ist auch teuer, wie Herr van Essen zutreffend fest-
stellt.

Wann der Kernbereich verletzt ist, was nach dem
Abschalten passiert und wie man erfährt, dass wieder
einzuschalten ist, hat mein Kollege Hans-Peter Uhl bereits
erläutert. Ich finde, der Vorschlag des Richterbundes ist
geeignet, um zum einen der Rechtssprechung des Bun-
desverfassungsgerichts zum Kernbereichsschutz und
zum anderen den Bedürfnissen der Praxis, die einen ef-
fektiven Einsatz des Ermittlungsinstrumentes wünscht,
Rechnung zu tragen.

Im Zusammenhang mit den stark angestiegenen Zah-
len bitte ich, Folgendes zu bedenken: Die Täter benutzen
zunehmend nicht nur ein Handy mit nur einer Karte,
sondern viele Täter benutzen zehn, 15 oder 20 verschie-
dene Karten in einem Handy, und sie benutzen ferner das
Handy des Nachbarn, des Untermieters oder von wem
auch immer. Auch das ist ein Grund für die steigenden
Zahlen.


(Dr. Hans-Peter Uhl [CDU/CSU]: Das weiß der Herr Montag! Er verschweigt es nur!)


Die Überwachung wird schließlich nicht auf einen Täter
abgestellt; vielmehr steckt hinter jeder benutzten Karte
ein separater Anschluss, für den jeweils eine Überwa-
chungsmaßnahme angeordnet werden muss. Auch das
erklärt, warum die Anzahl der Kommunikationsüberwa-
chungen steigt.


(Fritz Rudolf Körper [SPD]: 82 Millionen Handys!)


Im Übrigen müssen wir davon ausgehen, dass das Ge-
genüber der Polizei sehr genau weiß, welche rechtlichen
und tatsächlichen Möglichkeiten die staatlichen Sicher-
heitsbehörden haben, und sich immer darauf einstellen
wird. Wir werden immer das Hase-und-Igel-Spiel haben.

In diesem Zusammenhang ist darüber nachzudenken,
ob wir das Modell der Schweiz übernehmen. Die Schweiz
stellt die Überwachung nicht auf die Anschlüsse, sondern
auf die Geräte ab. Dadurch ist ein Wechsel für die Täter
weniger leicht. Es ist zu fragen, ob es nicht sinnvoller
wäre, die Überwachung auf die Gerätenummer abzustel-
len. Die Ermittler hätten dann bessere Möglichkeiten, und
das würde insgesamt zu einer Erleichterung der Aufklä-
rungsmaßnahmen führen.

Ich will zum Schluss noch einige Worte zu den
Benachrichtigungspflichten sagen. Ich bin sehr dafür,
dass wir die Regelung zu den Benachrichtigungspflich-
ten überarbeiten.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Darauf können Sie sich verlassen!)


Das ist überhaupt keine Frage. Das muss aber mit Ver-
nunft und Augenmaß geschehen. Es darf nicht so sein,
dass Menschen, die abgehört worden sind, am Ende
durch die Benachrichtigungspflicht wirtschaftliche Schä-
den erleiden. Das würde das Ganze ins Absurde verkeh-
ren.

An die Adresse der Fraktion des Bündnisses 90/Die
Grünen muss ich sagen: Ich habe Ihren Entwurf sehr

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(C (D ründlich gelesen, auch was die Benachrichtigungsflichten betrifft. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)


as der Bundesbeauftragte für den Datenschutz in die-
em Verfahren zu suchen haben soll, weiß ich nicht. Ich
alte es gelinde gesagt für überflüssig, dass er vor einer
ntscheidung des Oberlandesgerichts gehört werden
oll.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz im Gegenteil!)


n struktureller Hinsicht ist es im Übrigen falsch; denn
enn eine Landesbehörde ermittelt, wäre konsequenter-
eise der Landesbeauftragte für den Datenschutz einzu-
eziehen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein guter Vorschlag!)


Abschließend möchte ich feststellen, dass die Große
oalition die Entscheidungen des Bundesverfassungsge-

ichts zügig umsetzen wird. Die Frau Bundesministerin
at angekündigt, dass der Kabinettsentwurf zur StPO-
eform am 18. April vorgelegt wird. Wir sind dabei, für
ie Sicherheitsbehörden im präventiven Bereich eine
egelung zu finden, die den Ansprüchen des Bundesver-

assungsgerichts und dem Schutzauftrag des Staates ge-
enüber seinen Bürgern gerecht wird.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609207100

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
en Drucksachen 16/3827 und 16/1421 an die in der Ta-
esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. –
amit sind Sie einverstanden. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun
Kopp, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Engpässe beim grenzüberschreitenden Strom-
handel abbauen – Wettbewerb auf dem Elek-
trizitätsmarkt intensivieren

– Drucksache 16/3346 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Hierzu ist verabredet, eine halbe Stunde zu debattie-
en. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist so
eschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
ollegin Gudrun Kopp für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1609207200

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen!

Wir haben heute einen weiteren Antrag der FDP-Bun-
destagsfraktion vor uns liegen, der die Stärkung des
Wettbewerbs auf dem deutschen Energiemarkt zum
Thema hat.

In den vergangenen Wochen stand die Entflechtung
von Netz und Produktion im Zentrum der Debatte. Ich
möchte heute ausdrücklich darauf verweisen, dass es
weitere Wege gibt, um auf diesem Gebiet zu mehr Wett-
bewerb zu gelangen; denn immerhin sind 90 Prozent der
Grundlastkraftwerke in den Händen der großen vier
Konzerne.

Es ist wichtig, für einen diskriminierungsfreien
Netzzugang zu sorgen. Die Bundesnetzagentur ist auf
dem richtigen Weg. Wir warten jetzt auf die Kraftwerks-
anschlussverordnung und eine dann hoffentlich pünktli-
che Anreizregulierung. Wir haben festgestellt, dass ein
wichtiges Hemmnis auf dem Weg zu mehr Wettbewerb
auf dem deutschen und europäischen Strommarkt immer
wieder das Problem war und ist, dass sich nationale
Märkte abgeschottet haben, und zwar durch unzurei-
chende Übertragungskapazitäten. Es fehlt an Kapazität,
damit neue Unternehmen überhaupt auf den Markt kom-
men können.

Von daher ist es wichtig, uns auf die Grenzkuppelstel-
len zu konzentrieren. Wir wollen mit dem heute vorlie-
genden Antrag den Handel mit Strom auf diesen liberali-
sierten Märkten ankurbeln. Wir können es nur durch
einen massiven Ausbau der Grenzkuppelstellen gestal-
ten. Das wurde bislang vernachlässigt.

Wir fordern die Bundesregierung gerade während der
EU-Ratspräsidentschaft auf, die diesbezügliche Verord-
nung zu ändern. Denn gegenwärtig ist es so, dass die
entsprechende Verordnung es den großen Netzbetreibern
erlaubt, die Einnahmen aus dem Engpassmanagement
für Preissenkungen der Netzentgelte weiterzugeben.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Petra Pau)


Das hört sich für die Verbraucher zunächst einmal posi-
tiv an. Es ist aber gar nicht positiv, weil die Kapazität
nicht weiter erhöht wird, Marktabschottung weiter er-
folgt und der Ausbau der Netze vernachlässigt wird.

Ich nenne Ihnen eine Zahl: In den Jahren 2004 und
2005 hat es Einnahmen aus dem Engpassmanagement
im Umfang von 334 Millionen Euro gegeben; vorher la-
gen sie bei 200 Millionen Euro. In einem Zeitraum von
nur drei Jahren, von 2002 bis 2005, wurden lediglich
25 Millionen Euro in den Flaschenhals Grenzkuppelstel-
len reinvestiert. Das ist einfach zu wenig.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Deshalb schlägt die FDP vor, dass Einnahmen aus
dem Engpassmanagement verpflichtend in den Ausbau
dieser Grenzkuppelstellen investiert werden sollen. Sie
können sich vorstellen, dass die Unternehmen auf dem
europäischen Markt, aber insbesondere die auf dem
deutschen Markt wenig Interesse daran haben, sich wei-
tere Konkurrenz ins Land zu holen. Deshalb ist es an

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(C (D ns, den Finger in die Wunde zu legen und zu sagen: Wir üssen hier agieren. Gleichzeitig müssen Bundesregierung, Übertragungsetzbetreiber und die Regulierungsbehörden sich für ine Änderung des Engpassmanagements an den deutchen Grenzen starkmachen. Sachgerecht wäre es, eine bkehr vom expliziten hin zum impliziten Auktionieren zw. zu Hybridverfahren an der Börse herbeiführen. Das eißt, ein Kauf von Strommengen an einer Strombörse st mit den entsprechenden grenzüberschreitenden Überragungskapazitäten zu koppeln, damit der Fluss entsprehend geregelt werden kann. Es gilt also, Hürden abzubauen, mehr Wettbewerb erzustellen und den Fokus nicht ausschließlich, wie in er Vergangenheit geschehen, auf die eigentumsrechtlihe Entflechtung zu lenken. Wir sagen ganz ausdrückich, dass das, was bisher durch die Regulierung der etze erreicht worden ist, erheblich ist: Die Netzentgelte urden im Umfang von 2,8 Milliarden Euro gesenkt, im trombereich waren es 2 Milliarden Euro, im Gasbeeich 800 Millionen Euro. Das ist ein richtiger Schritt. eitere müssen folgen. Umzusetzen ist auch das sogeannte rechtliche Unbundling; viele Unternehmen haen das schon getan. Die rechtliche Entflechtung ist gechehen bzw. sie muss bis zum Sommer stattfinden. Wir haben, was die Schaffung von mehr Wettbewerb uf dem Stromund Gasmarkt betrifft, noch einen lanen Weg vor uns. Mit dem heutigen Antrag, der zu dieem Thema der einzige ist, der von einer Bundestagsraktion ins Parlament eingebracht wurde, gehen wir inen wichtigen Schritt, nämlich den des Ausbaus der nterkonnektoren zur Schaffung von mehr Wettbewerb uf dem europäischen Energiemarkt. Ich bitte Sie, meine ehr geehrten Herren und Damen Kollegen und Kolleinnen, diesem Antrag zu gegebener Zeit zuzustimmen. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Franz Obermeier für die nionsfraktion. Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine Frage: Die Strompreise in der Bundesrepublik eutschland sind eindeutig zu hoch. Die deutschen Be riebe haben höhere Produktionskosten als ihre europäichen bzw. internationalen Konkurrenten, also erheblihe Wettbewerbsnachteile. Nach einer Statistik des DI sind die Strompreise für die deutsche Industrie von ,38 Eurocent je Kilowattstunde im Jahre 2000 auf ,1 Eurocent je Kilowattstunde im Jahre 2004 gestiegen. anach mussten die deutschen Unternehmen im Jahre 004 im europäischen Vergleich die zweithöchsten trompreise zahlen. Franz Obermeier Für die privaten Verbraucher gilt, dass wir leider eine Erblast aus vergangenen Regierungszeiten mit uns herumtragen. 40 Prozent des Strompreises sind gesetzlich gemacht. Ich möchte das alles eigentlich gar nicht aufzählen, aber es handelt sich dabei unter anderem um die Umsatzsteuer oder die Stromsteuerzuschläge aus dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und dem EEG. (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Und 3 Prozent Mehrwertsteuer drauf!)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609207300

(Beifall bei der CDU/CSU)

Franz Obermeier (CSU):
Rede ID: ID1609207400




(A) )


(B) )


– Ja, die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozent-
punkte kommt hinzu.


(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Genau!)


Das macht insgesamt rund 40 Prozent des Strompreises
aus. Wir können diese Entwicklungen in dieser Legisla-
turperiode vermutlich nicht in nennenswertem Umfang
zurückdrehen. Deswegen müssen wir uns andere Schritte
überlegen.

Aber es gibt natürlich auch eine ganze Reihe von
Hemmschuhen. In Europa findet noch kein wirklich
freier grenzüberschreitender Wettbewerb im Stromhan-
del statt; auch in dem Gespräch, das wir eben mit der
EU-Wettbewerbskommissarin geführt haben, ging es um
dieses Thema.

Ich möchte dieses Thema nicht auf die Grenzkuppel-
stellen fokussieren. Da Strom ein hochsensibles Produkt
ist, muss dieses Thema ganzheitlich betrachtet werden.
Frau Kopp, ich gebe zu bedenken, dass es zu wenige
Grenzkuppelstellen gibt und dass sie zu leistungs-
schwach sind. Damit allein kann man dieses Problem
nicht lösen.


(Gudrun Kopp [FDP]: „Allein“ habe ich auch nicht gesagt!)


Wir müssen, was die Stromdurchleitung betrifft, un-
sere Kapazitäten im Auge haben. Das heißt, dass in je-
dem Land zunächst überprüft werden muss: Welche Lei-
tungskapazitäten sind vorhanden, und wo macht es
Sinn, die Grenzkuppelstellen so zu verstärken, dass tat-
sächlich ein Markt entsteht? Die Stromnetze sind der
Schlüssel. Wir müssen die notwendigen Rahmenbedin-
gungen schaffen. Das natürliche Monopol der Netze
muss aufgebrochen werden, damit in Zukunft nicht mehr
nur wenige Unternehmer die Preise für die Durchleitung
und damit die Strompreise bestimmen.

Noch stimmt die Wettbewerbsstruktur nicht. Das
gilt vor allem für die Zahl der Wettbewerber. Je nach Be-
rechnung liegen 80 bis 90 Prozent der Stromerzeugung
in den Händen der vier großen Unternehmen. Wir müs-
sen dafür sorgen, dass Investitionen in das Netz, in Mo-
dernisierungen und in den Ausbau getätigt werden. Neue
Investitionen dürfen nicht gehemmt werden, sondern sie
sollten durch Anreize gefördert werden. Denn es gibt er-
hebliche Engpässe bei der Durchleitung durch die ver-
schiedenen Mitgliedsländer der EU.

Was können wir tun, um dem Anstieg der Elektrizi-
tätspreise Einhalt zu gebieten und den Wettbewerb in
Europa in Schwung zu bringen?

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(C (D Erstens. Es ist richtig, dass es sich beim grenzüberchreitenden Stromaustausch um ein äußerst wichtiges hema handelt. Die in den FDP-Forderungen enthalteen Ansätze sind bereits Teil des von der Bundesregieung entwickelten Konzepts zur Verwirklichung eines ettbewerbsorientierten Binnenmarktes für Energie. Die undesregierung treibt dieses Konzept im Rahmen der eutschen EU-Ratspräsidentschaft mit großem Nachruck voran. Gerade bei dem hier in Berlin stattfindenen Workshop wird dieser Diskussionsprozess forciert. ie Ergebnisse sollen als Grundlage für den für Anfang uni vorgesehenen Energierat dienen. Insofern stimme ch dem Antrag zu, dass Gespräche mit anderen europäichen Regierungen geführt werden sollten, ebenso mit en zuständigen Regulierungsbehörden und Übertraungsnetzbetreibern. Zweitens, zum Vorschlag Nr. 1 der FDP. Bevor eine nderung der Verordnung EG 1228/2003 ins Auge ge asst wird, sollte der Erfahrungsbericht der Kommision abgewartet werden, der gegenwärtig erarbeitet ird. Der Vorschlag der FDP, Einnahmen aus der Zuwei ung von Verbindungen prioritär für den Erhalt und den usbau der grenzüberschreitenden Verbindungsleitunen zu nutzen, ist etwas vorschnell, weil die ganze Gechichte nicht so einfach ist. enn man nicht gleichzeitig sicherstellt, dass die Rahenbedingungen für eine ausgewogene Verteilung der raftwerksstandorte stimmen, besteht das Risiko, dass er Engpass von heute – an den Grenzkuppelstellen – ich morgen an anderen Stellen zeigt, die wir heute noch icht kennen. (Gudrun Kopp [FDP]: Das hat aber auch der CDU-Wirtschaftsrat gefordert!)


(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: So ist es!)


Ganz wichtig ist, dass zunächst die bestehenden
etze optimal genutzt werden. Hier gibt es noch Opti-
ierungspotenzial. Vor einem Ausbau der grenzüber-

chreitenden Verbindungsleitungen muss im Übrigen
lar sein, wer die Kosten trägt und wer den Nutzen hat.
s liegt auf der Hand, dass ein Investor nur dann Geld in
ie Hand nehmen wird, wenn sich die Investition ren-
iert. Dafür sind klare Rahmenbedingungen zu schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


s ist deshalb richtig, zunächst den Erfahrungsbericht
er Kommission abzuwarten und erst dann über weitere
chritte zu entscheiden.

Drittens, zum Vorschlag Nr. 2 der FDP. Ich freue
ich, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von

er FDP-Opposition, dass Sie das von der Bundesregie-
ung mit initiierte Pentalaterale Forum positiv werten
nd eine analoge Ausweitung empfehlen. Ziel dieses Fo-
ums ist eine bessere Koppelung der Märkte. Dies lässt
ich nur erreichen, indem man Stromhandel – Händler
nd Strombörsen – auf der einen Seite und Netzsteue-
ung – Netzbetrieb und Regulatoren – auf der anderen
eite an einen Tisch bringt. Auf diese Weise soll eine in-

egrierte Handelsplattform entstehen, die durch bessere
bstimmung des Handels mit der Netzsteuerung die






(A) )



(B) )


Franz Obermeier
Nutzung der Leitungen verbessert und so zur Beseiti-
gung oder zumindest Verminderung von grenzüber-
schreitenden Engpässen beiträgt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bevor wir an eine Ausweitung denken, sollten wir
erst einmal die Erfahrungen der Gründungsmitglieder
der EWG sammeln. Die von Ihnen angesprochenen
Punkte zeigen bereits, wie vielfältig die Inhalte sind. Zu
begrüßen ist der Vorschlag der EU-Kommission, die Zu-
sammenarbeit zwischen Regulatoren und Netzbetreibern
zu verstärken, um so durch Harmonisierung mehr Wett-
bewerb in den regionalen Energiemärkten zu schaffen.
Falsch oder zumindest völlig verfrüht sind hingegen die
Vorschläge der EU-Kommission, nationale Regulie-
rungsbehörden durch einen europäischen Energieregula-
tor zu ersetzen oder „eigentumsrechtliche Entflechtun-
gen“ vorzunehmen, um funktionierenden Wettbewerb im
europäischen Strom- und Gasmarkt zu ermöglichen. In
Deutschland gibt es dagegen erhebliche verfassungs-
rechtliche und energiewirtschaftliche Bedenken.

Ich möchte hinzufügen: Wir haben die Regulierungs-
behörde kaum installiert – soweit ich weiß, ist sie perso-
nell noch gar nicht voll ausgestattet –, schon wird disku-
tiert, alles neu zu organisieren. Das halte ich für falsch.
Ich meine, wir sollten die nächsten ein, zwei Jahre ab-
warten


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie am besten: abwarten!)


und sehen, wie sich das Instrument Regulierungsbehörde
bestätigt. Dann können wir weitersehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir brauchen auch eine
gemeinsame europäische Energiepolitik nach innen
und nach außen. Warum nach außen? Für jeden, der sich
mit der Energiepolitik beschäftigt, ist klar, wie schwierig
es ist, wenn wir als Europäer und insbesondere als Bun-
desrepublik Deutschland auf den Rohstoffmärkten, auf
denen die Produkte international gehandelt werden,
praktisch nicht existieren. Hier muss sich etwas ent-
wickeln.

Daneben brauchen wir eine Waffengleichheit bei der
Stromproduktion.

Eine Schlussbemerkung. Ich denke, die deutsche
Ratspräsidentschaft unter Führung von Bundeskanzlerin
Dr. Merkel wird zur Verwirklichung eines wettbewerbs-
orientierten Binnenmarktes erfolgreiche Initiativen auf
den Energiemärkten in Gang setzen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609207500

Das Wort hat der Kollege Hans-Kurt Hill für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle en! Liebe Gäste hier im Haus! Die Infrastruktur muss esellschaftlichen Interessen und nicht den Profiten weiger Konzerne dienen. (Dr. Rainer Wend [SPD]: Sehr gut! – Franz Obermeier [CDU/CSU]: Bis jetzt stimmt es noch!)

Hans-Kurt Hill (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609207600

enau das ist das Problem im deutschen Stromsektor;
as haben Sie erkannt.

Gesetzt den Fall, dass hier überhaupt von einem
arkt geredet werden kann, stelle ich fest: Er ist natio-

al abgeschottet, kartellartig strukturiert und damit teuer
nd unfair. Da nützt es wenig, an den Symptomen he-
umzudoktern, wie es die FDP mit ihrem Antrag will.

ir müssen endlich die richtigen Konsequenzen ziehen:

Erstens: Stromerzeugung und Netzbetrieb gehören ei-
entumsrechtlich getrennt.

Zweitens. Die Marktmacht des Oligopols gehört ein-
eschränkt.

Drittens. Die Übertragungsnetze müssen in die öffent-
iche Hand überführt werden, wie wir das schon mehr-
ach betont haben.

So wäre es dann auch möglich, den grenzüberschrei-
enden Stromhandel vernünftig zu organisieren. Wir
rauchen mehr Übergänge in Europa, um einen EU-wei-
en Verbund der erneuerbaren Energien zu schaffen;
enn es geht um mehr als um bezahlbare Energie: Es
eht um Klimaschutz und um Energiesicherheit.

Natürlich brauchen wir einen Ausbau der Grenzkup-
elstellen, um Druck auf den abgeschotteten deutschen
trommarkt auszuüben. Unter den jetzigen Bedingungen
ührt das aber nur dazu, dass Eon und Vattenfall ihre ei-
enen Interessen bedienen, Frau Kopp. Sie werden nur
a ausbauen, wohin sie den Strom ihrer eigenen Kraft-
erke am besten exportieren können. Mit Wettbewerb
at das wenig zu tun. Ihre Forderungen sind einfach zu
asch, Frau Kopp. Es kann nicht darum gehen, ein wenig
n einer EU-Richtlinie und den Auktionsverfahren he-
umzuschrauben. Ziel muss es vielmehr sein, Strommen-
enauktionen an den Grenzen überflüssig zu machen.

Meine Damen und Herren der FDP, mit Ihrem Antrag
erden Sie deshalb sehr wahrscheinlich nicht viel errei-

hen. Neoliberalismus funktioniert eben nicht, wenn es
m gesellschaftliche Aufgaben geht.


(Gudrun Kopp [FDP]: Wissen Sie, was Neoliberalismus ist?)


ier geht es letztendlich um bezahlbare Energie.

Es ist typisch, dass die Liberalen die Kraft-Wärme-
opplung und die erneuerbaren Energien auch in diesem
ntrag wieder als Zusatzlasten aufzählen. Dabei wissen
ie ganz genau, dass gerade effiziente Energietechnik
nd erneuerbare Energien wirksam zur Dämpfung der
trompreise beitragen. Es ist dem Stromkunden doch
icht mehr zu erklären, dass Eon Rekordgewinne in Mil-
iardenhöhe macht und gleichzeitig den Beschäftigten






(A) )



(B) )


Hans-Kurt Hill
den Lohn kürzen will und auch noch steigende Strom-
preise ankündigt. Ich sage nur eines: Sie kümmern sich
einen Dreck um den Klimaschutz.

Immerhin hat die FDP erkannt, dass es sich bei den
Netzen um ein natürliches Monopol handelt. Ziehen Sie
wie wir, die Linken, auch die richtige Konsequenz: Die
Netze gehören in die öffentliche Hand. – Dann klappt es
auch mit dem Strompreis und den Kupplungsstellen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Rainer Wend [SPD]: Das haben wir ja in der DDR gesehen!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609207700

Das Wort hat der Kollege Rolf Hempelmann für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Rolf Hempelmann (SPD):
Rede ID: ID1609207800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

gen! Herr Hill, das, was Sie gerade gesagt haben, war ein
bisschen die alte Leier. Aber wir kennen das ja schon:
Sie versuchen zunächst, deutlich zu machen, wie viel Sie
seit dem Fall der Mauer gelernt haben, und benutzen ins-
besondere den Marktbegriff. Gleichzeitig äußern Sie
aber wieder die feste Überzeugung, dass eigentlich der
Staat die Dinge in die Hand nehmen und die Netze be-
treiben soll.


(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Darüber denkt auch die Deutsche Bahn nach!)


Wozu das führen kann, haben wir ja vor knapp 20 Jahren
gesehen: Die Infrastruktur in der ehemaligen DDR
musste praktisch völlig neu errichtet werden, weil der
Staat nicht in der Lage war, sie wirtschaftlich, effizient
und erfolgreich zu betreiben.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Antrag der FDP-Fraktion „Engpässe beim grenz-
überschreitenden Stromhandel abbauen – Wettbewerb
auf dem Elektrizitätsmarkt intensivieren“ springt aller-
dings – insoweit gebe ich Ihnen wieder Recht, Herr Hill –
tatsächlich etwas zu kurz. Frau Kopp hat gesagt, dass er
sich sozusagen in eine Kette anderer Anträge einreiht, in
denen andere Themen und Aspekte behandelt worden
sind. Das ist sicherlich richtig, aber ich will in diesem
Zusammenhang deutlich sagen, dass sich diese Bundes-
regierung – auch die Vorgängerregierung hat das getan –
seit einigen Jahren sehr intensiv dem Thema Wettbewerb
auf den Energiemärkten widmet. Deshalb wurde bei-
spielsweise im Jahr 2005 das Energiewirtschaftsgesetz
im Bundestag – mit der Zustimmung aller Fraktionen
des damaligen Deutschen Bundestages – und danach im
Bundesrat verabschiedet.

Weiter haben wir die Bundesnetzagentur gegründet,
die den Auftrag hat, für Wettbewerb im natürlichen Mo-
nopol, in den Netzen zu sorgen. Ich bin der festen Über-
zeugung – ähnlich, wie es Kollege Obermeier gerade ge-

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(C (D agt hat –, dass die Netzagentur auf einem guten Weg ist, ass sie das Instrumentarium, das wir ihr zur Verfügung estellt haben, nutzt und weiterentwickelt. Sie hat eine aire Chance verdient, zu beweisen, dass sie mit diesen nstrumenten einen diskriminierungsfreien Netzzugang rreichen kann. Ich will gar nicht verhehlen, dass wir die weitergeenden Diskussionen und Forderungen hin zu einer eientumsrechtlichen Entflechtung auch kritisch betrachen, und zwar nicht nur, weil eine solche Entwicklung erfrüht käme und wir erst einmal abwarten wollen, dass as jetzige Instrumentarium funktioniert, sondern wir aben in diesem Zusammenhang durchaus sachliche und echtliche Bedenken. Allerdings verfolgen wir mit großem Interesse die orschläge, die jetzt auf den Tisch kommen, zum Beipiel wie man regionale Kooperationen zwischen Netzetreibern organisieren kann, möglicherweise auch unter em Dach eines unabhängigen Netzbetreibers. Ich eine, alle diese Vorschläge verdienen es, ernsthaft ge rüft zu werden. Das führt uns zu dem Thema des Antrags der FDPraktion, zum grenzüberschreitenden Stromhandel und ettbewerb. Dabei sind Netze und Kuppelstellen ent cheidende Punkte. Der Fairness halber sollten wir aber, laube ich, schon sagen, dass wir in Deutschland auf dieem Gebiet nicht so schlecht sind. Wir verfügen über den rößten Anteil an Kuppelstellenkapazität in der Euroäischen Union. Mit 16 Prozent Kuppelkapazität zum usland liegen wir deutlich über dem Barcelonazielwert on 10 Prozent. Ich will damit nicht sagen, dass der ettbewerb schon funktioniert und wir damit zufrieden ein sollten. Aber zu einer sachlichen Darstellung gehört s, auch einmal den Stand der Dinge zu referieren. Und die Entwicklungen gehen weiter. Das Engpassanagement, das hier zu Recht kritisiert worden ist vor allem vor dem Hintergrund, dass es nicht in einem ünschenswerten Maße zu Netzinvestitionen geführt hat –, ird weiterentwickelt, und zwar durch die europäischen egulatoren im Dialog, also auch durch die Bundesetzagentur – ich denke, das ist auch richtig – und in der RI, der Electricity Regional Initiative. Ich meine, das st eine große Chance, dass wir im Verbund mit den euopäischen Nachbarn weiterkommen. Es gibt ganz erebliche Entwicklungen, etwa zwischen Dänemark und eutschland, die wir nicht verschweigen sollten. Es gibt uch ganz interessante Vorschläge, etwa für den Bereich wischen Deutschland, den Beneluxstaaten und Frankeich. Auch diese Entwicklungen zeigen, dass wir mit em, was wir begonnen haben, nämlich der Einrichtung er Bundesnetzagentur mit dem klaren Auftrag zur chaffung von mehr Wettbewerb nicht nur durch Netzreulierung im engeren Sinne, sondern auch durch Anreize ür Qualität und Investitionen, auf dem richtigen Weg ind. Dieser trägt bereits erste Früchte. Wir brauchen allerdings mehr. Wir brauchen zum eispiel eine funktionierende Anreizregulierung. In ürze werden wir sicherlich über einen entsprechenden Rolf Hempelmann Verordnungsentwurf des federführenden Wirtschaftsministeriums diskutieren können. Neben den Anreizen für einen kosteneffizienten Netzbetrieb brauchen wir Anreize für den Netzausbau, und zwar nicht nur an den Landesgrenzen, sondern auch im Inland; denn es zeichnet sich ab, dass dann, wenn die von uns gewünschten Kraftwerksinvestitionen getätigt werden, die Kraftwerke möglicherweise ihren Strom nicht bis zum Endkunden liefern können, jedenfalls nicht in 100-prozentigem Umfang, weil die Netzkapazitäten in Deutschland mangelhaft sind. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Bundesnetzagentur im Rahmen der Anreizregulierung der Aufgabe des Netzausbaus mit marktgerechten Instrumenten widmet, wie es im Energiewirtschaftsgesetz und in den entsprechenden Verordnungen vorgesehen ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





(A) )


(B) )


Ähnlich wichtig ist eine Kraftwerksanschlussver-
ordnung; dazu gibt es schon einen Entwurf aus dem
Bundeswirtschaftsministerium. Schließlich gilt: Noch so
gut funktionierende Netze und ein perfekter, diskrimi-
nierungsfreier Netzzugang nutzen gar nichts, wenn nicht
durch entsprechend gesicherte Anschlüsse und An-
schlussrechte gewährleistet ist, dass die neuen Kraft-
werke ihren Strom absetzen können. Dazu gibt es in der
geplanten Kraftwerksanschlussverordnung einen Lö-
sungsansatz, über den wir sicherlich in Bälde inhaltlich
differenziert diskutieren können.

Ein Instrument, über das wir mit Sicherheit schon im
April diskutieren werden, ist der Nationale Allokations-
plan zum Emissionshandel. Wir versuchen, auch in die-
sem Bereich Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass
Anreize für Investitionen in Kraftwerke im Bereich des
fossilen Mixes, also in Gas-, Steinkohle- und Braunkoh-
lekraftwerke, bestehen. Die erneuerbaren Energien wer-
den bekanntermaßen an anderer Stelle geregelt. Ich
glaube, dass es uns dadurch gelingen wird, die benötig-
ten Investitionen zu bekommen, und zwar auch für hoch-
moderne Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. Dafür wird
auch der Emissionshandel einen Anreiz setzen. Ich sage
aber ausdrücklich: Dieser Anreiz wird nicht reichen.
Deswegen werden wir uns mit einem Kraft-Wärme-
Kopplungs-Gesetz zu befassen haben.

Wie Sie sehen, ist das Thema Wettbewerb bei der
Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen in gu-
ten Händen. Es ist ein sehr komplexes Problem, das sich
nicht ausschließlich mit dem Ausbau der Grenzkuppel-
stellen lösen lässt. Wir brauchen vielmehr eine Mixtur
aus zahlreichen Instrumenten; das ist wichtig. Diese sind
auf dem Weg oder teilweise schon in der Erprobung. Ich
bin ganz sicher, dass wir in den nächsten Jahren den
Wettbewerb in Deutschland auf den leitungsgebundenen
Energiemärkten deutlich intensivieren werden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609207900

Für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat

der Kollege Hans-Josef Fell das Wort.

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(C (D Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle en! Meine Damen und Herren! Über die Intensivierung es Wettbewerbs auf dem Energiemarkt haben wir an ieser Stelle schon häufig debattiert. Allein dies ist doch in untrügliches Zeichen dafür, dass der Wettbewerb auf em Strommarkt noch immer nicht reibungslos funktioiert. In den letzten Jahren stiegen die Strompreise in er Tat kontinuierlich an und mit ihnen die Gewinne der tromkonzerne. Natürlich gibt es neben den überhöhten ewinnmitnahmen andere Ursachen für die Strompreis teigerungen. Die FDP nennt einige davon in ihrem Anrag. Allerdings bedarf diese Aufzählung einer Klarstelung. Wenn die FDP – zu Recht – die Preissteigerungen nfolge der gestiegenen Rohstoffpreise von Erdgas, ohle, Erdöl und Uran benennt, aber gleichzeitig über ie Umlagekosten für erneuerbare Energien klagt, so wie s auch Herr Kollege Obermeier getan hat, passt das icht zusammen. Die Mehrkosten für erneuerbare Energien sind margial. So muss die Industrie zum Beispiel bei einem durchchnittlichen Strompreis von 8 Cent pro Kilowattstunde ür die Umlage für erneuerbare Energien gerade einmal ,15 Cent zahlen. Dies ist ein wahrlich winziger Betrag, er aber eine große Wirkung hat; denn diese winzige trompreiserhöhung führt geradewegs aus der Abhänigkeit von fossilen und atomaren Rohstoffen, deren reise stetig steigen. Da, meine Damen und Herren von er FDP und der Union, müssen Sie sich schon entscheien, wo Sie stehen wollen. An dieser Debatte entscheiet sich, ob Ihr Bekenntnis zu den erneuerbaren Enerien glaubhaft ist. Konzentrieren wir uns auf das zentrale Thema Ihres ntrages. Noch immer haben die Oligopole Möglichkei en, den Wettbewerb auszubremsen. Zu Recht legen Sie on der FDP einen Antrag vor, der Missstände im interationalen Stromhandel benennt. Statt für ein breiteres ngebot bei der Strombeschaffung zu sorgen, dienen die uppelstellen heute bestenfalls der Netzstabilität, mög icherweise aber auch dem Marktmissbrauch. Mit Ihrer orderung, die Gewinne aus dem Betrieb heutiger Kupelstellen in den Bau neuer Kuppelstellen zu investieren, toßen Sie bei uns auf offene Ohren. Es ist wichtig, beim apazitätsmanagement ein transparentes und harmoni iertes Auktionsverfahren einzuführen. Transparenz ist in Leitthema, an das man sich gerade in so vermachteen Strukturen halten sollte. Außerdem geht es darum, ngpässe zu begrenzen. Die Verbesserung des internationalen Stromhandels st wichtig für einen funktionierenden Binnenmarkt. Sie st für alle neuen Akteure im Strombereich unverzichtar. Sie ist aber auch eine Voraussetzung für grenzüberchreitenden Transport von CO2-freiem Strom. So gibt s seit Jahren die noch nicht umgesetzten Vorschläge zur roduktion von Windstrom in Marokko oder in der ordsee oder auch von Solarstrom in Spanien oder in er Sahara. Diese Projekte werden in Zukunft immer ichtiger für eine nachhaltige Versorgung Europas mit O2-freiem Strom. Für den Ausbau dieser wichtigen Ini Hans-Josef Fell tiativen, die auch für die Armutsbekämpfung und die Entwicklung in Nordafrika sinnvoll sind, muss in der Tat der grenzüberschreitende Stromhandel verbessert werden. Voraussetzung dafür ist der Abbau aller technischen und rechtlichen Barrieren. Dieser Teil Ihres Antrages kann zur Verbesserung des Wettbewerbs, aber auch zum Klimaschutz und zur Sicherung einer bezahlbaren Stromversorgung beitragen. Zum Schluss noch ein Aspekt zu – in Anführungszeichen – „Kuppelstellen“, der in Ihrem Antrag nicht auftaucht, aber immer wichtiger ist: Ich rede von der Beeinflussung von Entscheidungsträgern durch Konzerne wie Eon und Siemens. Hier sind inzwischen Staatsanwälte tätig. Bei Eon ermitteln sie in 800 Einzelfällen gegen Politiker und Manager, wie die „Welt“ kürzlich berichtete. Bei Siemens werden Vorstandsmitglieder verhaftet. Ungeachtet dessen bestätigt die Kanzlerin den höchsten Repräsentanten des durch Korruptionspraktiken weltweit in Verruf geratenen Chefs des SiemensAufsichtsrates als Chefberater. Unglaublich, wie man daran noch festhalten kann. (Franz Obermeier [CDU/CSU]: Das ist unfair!)

Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609208000

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir sollten uns öffentlich und auch hier im Parlament
verstärkt mit dem Thema Korruption beschäftigen, ge-
rade in der konventionellen Energiewirtschaft; denn
auch die Korruption ist ein großes Hemmnis für mehr
Wettbewerb, für mehr Klimaschutz und für mehr Versor-
gungssicherheit. Wenn wir wirklich Wettbewerb wollen,
gehen wir auch an dieses Thema heran.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609208100

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/3346 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Oskar
Lafontaine, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-
KEN

Steuerpflichtige mit mehr als 500 000 Euro
Einkommen gleichmäßig und regelmäßig prü-
fen

– Drucksache 16/3699 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. – Ich

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(C (D öre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlosen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollein Höll für die Fraktion Die Linke. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! n dieser Woche konnten wir in den Zeitungen nachlesen zum Glück; denn zum ersten Mal wurde für das verangene Jahr eine individuelle Erhebung durchgeführt –, ie viel die Vorstandsmitglieder der 30 DAX-Unternehen verdienen. Verdienen? Vielleicht besser: bekomen. Ihre Bezüge sind gestiegen, allein im Vorjahr m 15 bis 20 Prozent. Herr Ackermann verdient – er beommt täglich 35 000 Euro. Wer länger als ein Jahr areitslos ist und in Hartz IV fällt, erhält im Monat 45 Euro. Das sind im ganzen Jahr 4 140 Euro an Bareistungen. 2004 gab es in der Bundesrepublik 15 600 Einkunftsillionäre. Sie haben Steuern gezahlt. Die Frage ist aber, b sie die Steuern so gezahlt haben, wie es Recht und esetz vorschreiben. Hierzu hat der Bundesrechnungsof eine Untersuchung durchgeführt. Der Bundesrechungshof ist eine Institution, welche unabhängig den esetzesvollzug kontrolliert. Er hat festgestellt, dass der teuervollzug nicht mehr gewährleistet ist. Das ist eine ituation, die wir als Linke nicht hinnehmen können. eshalb haben wir uns, nachdem wir die Bundesregie ung gefragt haben, wie sie das einschätzt – sie hat der inschätzung des Bundesrechnungshofs nicht widerprochen, aber sie hat nichts vorgelegt –, entschlossen, hnen heute einen Antrag zur Diskussion vorzulegen, in em gefordert wird, dass Steuerpflichtige mit mehr als 00 000 Euro Einkommen gleichmäßig und regelmäßig u prüfen sind. Das ist ein Gebot der Steuergerechtigeit, wonach Leistungsfähigere mehr Steuern zu zahlen aben. Der Bundesrechnungshof hat die Schuld für den manelnden Steuervollzug nicht in erster Linie bei den inanzämtern gesucht. Er weist zwar darauf hin, dass ir in den Finanzämtern Defizite, dass aber nicht die inzelnen Beamten diese zu verantworten haben, sonern dass die Defizite aus dem pauschalen Stellenabbau esultieren, der wiederum mit dem mangelnden Geld der ffentlichen Hand begründet wird. Das führt dazu, dass u wenige Finanzbeamte vorhanden sind. Der Bundesrechnungshof hat angemahnt, dass es eine neffiziente Verwendung und eine unzureichende Weiterualifizierung des vorhandenen Personals, eine mangelafte Zusammenarbeit zwischen Landesund Bundesfianzbehörden und – das finde ich besonders interessant – in sehr unterschiedliches Interesse von Landesregierunen, die Steuerprüfung bei Menschen mit einem Einkomen von über 500 000 Euro tatsächlich vorzunehmen, ibt. Die Prüfquote liegt zwischen 10 und 60 Prozent. as ist eine große Spanne. Besonders niedrig liegt die uote in den Ländern, in denen mehr Menschen wohnen, ie ein solch hohes Einkommen erzielen, also nicht in Dr. Barbara Höll Mecklenburg-Vorpommern, sondern in Bayern und Baden-Württemberg. Wir haben diese Anregung des Bundesrechnungshofes aufgenommen. Ich denke, man kann das ganz sachlich diskutieren und sofort problemlos umsetzen. Es sind Maßnahmen zu treffen, die sicherstellen, dass eine regelmäßige Außenprüfung durchgeführt wird. Das heißt, dass in einem ordentlichen Prüfrhythmus die Unterlagen geprüft werden müssen. Voraussetzung dafür ist, dass eine Aufbewahrungspflicht eingeführt wird. Diese Maßnahmen sind für die öffentliche Hand äußerst wichtig. Der Bundesrechnungshof hat uns die Zahl ins Gedächtnis gerufen: Bei den erfolgten Außenprüfungen kam es im Durchschnitt zu Nachzahlungen von 135 000 Euro pro Veranlagung. Wenn man das nur vorsichtig hochrechnet, kommt man immerhin auf 1 Milliarde Euro, die aufgrund des bisherigen Steuervollzuges der öffentlichen Hand verloren geht. Wir müssen erreichen, dass der besagte Personenkreis tatsächlich einer höheren Prüfdichte unterworfen und dass Steuerumgehung unmöglich gemacht wird. Wir halten es für erforderlich, dass die Finanzbehörden Außenprüfungen nicht mehr besonders begründen müssen, sondern dass diese zur Regel werden. Die Pflicht zur Aufbewahrung von steuererheblichen privaten Belegen habe ich schon genannt. Das heißt natürlich auch, dass wir die Finanzämter anders ausstatten müssen. Wir müssen Sorge dafür tragen – das liegt in der Verantwortung des Bundes –, dass Landesund Finanzbehörden wesentlich besser zusammenarbeiten. Diese Aufgabe muss im Rahmen der Arbeit der Föderalismuskommission II gelöst werden. Ich unterstreiche das auch vor dem Hintergrund der von Ihnen im Rahmen der Unternehmensteuerreform geplanten Abgeltungsteuer. Diese Steuer wird zu noch mehr Steuerumgehungen geradezu einladen. Während die Finanzbehörden die Einkommen von Lohnabhängigen und Rentnern automatisch prüfen, unterliegt die Abgeltungsteuer nicht dieser Kontrolle. Die Finanzbehörden werden auf die Meldungen der Banken angewiesen sein. Es entsteht quasi ein „finanzamtfreier Raum“, so bewertet es auch der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Herr Ondracek. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Nehmen Sie deshalb die Anregungen des Bundesrechnungshofes auf! Wir haben, diese Anregungen in unserem Antrag festgehalten. Frau Dr. Höll, jetzt müssen Sie bitte zum Schluss kommen. Lassen Sie uns gemeinsam handeln! Danke. U l a u i i h k s h a t s r s l w t – W n L u S b l w S f s s A s o – d p l c d i t (C (D Das Wort hat die Kollegin Antje Tillmann für die nionsfraktion. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol egen! Liebe Frau Dr. Höll, lassen Sie mich im Hinblick uf die nun anstehenden Karund Ostertage versöhnlich nd positiv beginnen. Ja, es gibt unbestritten Mängel bei der Besteuerung n Deutschland. Sowohl in der Prüfungsdichte als auch n der Qualität beim Veranlagungsverfahren gibt es ereblichen Verbesserungsbedarf. Das Steuerrecht ist ompliziert, und das Veranlagungsverfahren ist ein Maseverfahren. Da passieren Fehler. Der Bundesrechnungsof hat mehrfach darauf hingewiesen. Die Länder haben ber auch schon mehrfach Veränderungen im Verwalungsverfahren vorgenommen und die Qualität verbesert. Das ist aber leider schon alles, was ich Gutes zu Ihem Antrag sagen kann. Wir haben uns des Themas „gerechte Besteuerung“ chon vor drei Jahren im Rahmen der Arbeit der Föderaismuskommission I angenommen. Diejenigen, die dabei aren, wissen, dass wir über die Bundessteuerverwal ung sehr intensiv diskutiert haben. (Dr. Volker Wissing [FDP]: Aber ohne Ergebnis!)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
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(B) )

Petra Pau (DIE LINKE.):
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Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609208400

(Beifall bei der LINKEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
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Antje Tillmann (CDU):
Rede ID: ID1609208600

Wir haben doch ein Ergebnis erzielt, Herr Kollege:
ir haben das Finanzverwaltungsgesetz geändert. Im Fi-

anzverwaltungsgesetz sind einige Vorschläge, die die
inke in ihrem heute vorliegenden Antrag macht, längst
mgesetzt.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig!)


Wir haben zum Beispiel dem Bundeszentralamt für
teuern Mitwirkungsrechte bei der Steuerprüfung gege-
en. Das Bundeszentralamt für Steuern kann sogar ver-
angen, dass Prüfungen bestimmter Betriebe durchgeführt
erden. Noch weiter gehend: Das Bundeszentralamt für
teuern kann sogar im Auftrag Außenprüfungen durch-
ühren. Damit erledigt sich Punkt II.5. Ihres Antrags. Die-
es Gesetz ist im April 2006 in Kraft getreten. Wenn Sie
ich für dieses Thema wirklich interessieren und wenn Ihr
ntrag nicht nur Schau sein soll, dann sollten Sie sich die-

es Gesetz vielleicht einmal anschauen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Sie haben gefordert, dass dieses Thema auf die Tages-
rdnung der Föderalismuskommission II gesetzt wird
Frau Hendricks ist hier; sie kann bestätigen, dass wir

arüber sehr häufig streiten –: Das ist ebenfalls längst
assiert. Die Arbeitsgruppe der CDU/CSU zur Födera-
ismuskommission II hat es in der Kommissionsdrucksa-
he 003 zum Thema gemacht, und die Bundesregierung,
ie Sie auffordern, sich endlich dafür einzusetzen, hat es
n der Kommissionsdrucksache 005 aufgegriffen. Ges-
ern haben wir in einer ersten Runde zweieinhalb Stun-






(A) )



(B) )


Antje Tillmann
den lang unter anderem über das Thema Bundesfinanz-
verwaltung gesprochen.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Sehr richtig!)


Sie sind herzlich eingeladen, an den Sitzungen der Föde-
ralismuskommission teilzunehmen und sich kundig zu
machen, wie der Stand der Diskussion ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Volker Wissing [FDP]: Die Linkspartei hat dazu bisher nämlich nichts gesagt!)


– Darauf werde ich später in meiner Rede eingehen.

Sie haben die Bundesregierung aufgefordert, sich zu
positionieren. Mir scheint Ihr Demokratieverständnis ein
bisschen eigenartig zu sein. Wir als Bundestagsabgeord-
nete, also auch Ihr Mitglied in der Föderalismuskom-
mission, sind aufgefordert, uns zu positionieren. Die
Bundesregierung – ich bin froh, dass sie mitmacht – hat
da eigentlich nur beratende Funktion. Wir, der Bundes-
tag, und der Bundesrat werden diejenigen sein, die die-
ses Gesetz später verabschieden müssen. Sie können Ih-
ren Vorschlag aktenkundig machen. Die entsprechende
Drucksache könnte die Nummer 010 oder 011 haben.

Aber nicht nur in diesem Zusammenhang habe ich
den Eindruck, dass es Ihnen mit dem Antrag gar nicht
um steuerliche Gerechtigkeit geht, sondern um Ihr altes
Anliegen, eine Neiddebatte aufzumachen. Ihr Konzept
„Wir nehmen den Reichen etwas weg und geben es den
Armen“ passt in den Rahmen der Themen „Reichen-
steuer“, „Vermögensteuer“ und „Erhöhung der Erb-
schaftsteuer“. Ich möchte nur wenige Zahlen vortragen,
die Ihrer Behauptung, die Reichen beteiligten sich zu
wenig an der Finanzierung unseres Gemeinwesens, den
Boden entziehen. Die Steuerstatistiken weisen darauf
hin, dass 0,1 Prozent der Steuerpflichtigen – das sind die
Einkunftsmillionäre – über 11 Prozent des gesamten
Einkommensteueraufkommens zahlen.

Die Behauptung, hier würden Steuern von Steuer-
pflichtigen nicht in angemessenem Umfang gezahlt, ent-
behrt also jeglicher Grundlage.

Aber vermutlich kommen diese Zahlen bei Ihnen gar
nicht an, weil es Ihnen gar nicht um die inhaltliche Aus-
einandersetzung mit Steuergerechtigkeit geht. Schon die
Oberflächlichkeit, mit der Sie Ihren Antrag formuliert
haben, zeigt, dass es Ihnen nicht um das Thema geht.
Dabei hätten Sie den Bundesrechnungshofbericht nur
korrekt abzuschreiben brauchen. Ihnen als Mitglied des
Finanzausschusses, Frau Dr. Höll, hätte ich durchaus zu-
getraut, dass Ihnen der Unterschied zwischen Einkünften
– um die geht es im Bundesrechnungshofbericht – und
Einkommen – das wird in Ihrem Antrag erwähnt – be-
kannt ist. Es ist bedauerlich, dass Sie, obwohl Sie an
Steuergesetzen mitarbeiten, selbst diese Grundbegriffe
offensichtlich nicht auseinanderhalten können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Georg Fahrenschon [CDU/CSU])


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(C (D Die Begriffsverwirrungen in Ihrem Antrag gehen ber weiter. Wenn der Verfasser ein bisschen im Stoff esteckt hätte (Georg Fahrenschon [CDU/CSU]: Das hat Methode!)


ich weiß nun zufällig von Ihnen, dass Sie es nicht wa-
en, aber Sie sind diejenige, die es hier rechtfertigen
uss –, dann hätte er gewusst, dass die Betriebsprü-

ungsordnung, die hier erwähnt ist, keine Verordnung ist.
enn sie eine Verordnung wäre, wäre Ihre erste Forde-

ung schon erledigt. Eine Verordnung ist eine Rechtsvor-
chrift, die bundeseinheitlich anzuwenden ist. Von daher
st die erste Forderung schon in sich völlig unstimmig.

Bleiben drei Forderungen, mit denen ich mich inhalt-
ich auseinandersetzen muss.

Erstens. Sie fordern eine zwingende Anschlussprü-
ung bei Einkunftsmillionären. Diese Forderung des
undesrechnungshofs übernehmen Sie ungeprüft. Dazu
ann ich vorab nur sagen: Ich schätze viele Anmerkun-
en des Bundesrechnungshofs sehr und bin für viele An-
egungen und Hinweise der letzten Jahre auch dankbar,
ber in diesem Fall scheint mir die Forderung des Bun-
esrechnungshofs nach einer flächendeckenden Außen-
rüfung für Einkunftsmillionäre nicht hinreichend ziel-
ührend zu sein. Ich will Ihnen auch gern erläutern,
arum.

Wenn man sich die Beispiele anschaut, die der Bun-
esrechnungshof geprüft hat und aufgrund deren er diese
orderung aufgestellt hat, wird ganz offensichtlich, dass
s in den genannten Beispielen durchaus auch ohne Au-
enprüfung zur richtigen Besteuerung hätte kommen
önnen, wenn man nämlich die vor Ort ohnehin schon
orhandenen Erkenntnisse richtig ausgewertet hätte.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Georg Fahrenschon [CDU/CSU])


a geht es um Fälle, in denen ESt-PB-Mitteilungen
icht ausgewertet worden sind. Da geht es um Fälle, in
enen der Prüfer etwas weiß, was dem Veranlagungsbe-
irk nicht mitgeteilt wird. Da geht es darum, dass zufäl-
ig zu viel Nullen in der Erklärung auftauchen. Das alles
ind keine Probleme, derentwegen man eine Außenprü-
ung braucht.

Es gibt allerdings Fälle, in denen geprüft werden
uss, ob die Organisation der Finanzverwaltung in je-

em Einzelfall richtig ist; zu diesem winzig kleinen
unkt werden wir in die Diskussion gehen müssen. Das

st von Land zu Land unterschiedlich. Mit dem Thema
erden wir uns im Rahmen der Föderalismusreform II

ehr wohl befassen.

Ein weiterer Grund, warum ich meine, dass der Bun-
esrechnungshof mit seiner Forderung hier einfach irrt,
st: Viele der aufgeworfenen Fragen wären schon heute
ichtig und zufriedenstellend zu lösen gewesen.

Sie weisen darauf hin, dass das Betriebsfinanzamt in
er Regel nicht das Veranlagungsfinanzamt der Anteils-
igner ist. Daraus schließen Sie, dass die Betriebsprü-
ung unterschiedlich geführt wird. Da liegen Sie völlig






(A) )



(B) )


Antje Tillmann
daneben. Die §§ 194 und 195 der Abgabenordnung se-
hen ausdrücklich vor, dass der Betriebsprüfer, der den
Betrieb prüft, selbstverständlich auch den Anteilseigner
prüfen darf.


(Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Genau!)


Die Finanzämter müssen das nur umsetzen. Auch da
stellt sich nicht die Notwendigkeit einer zusätzlichen
Außenprüfung.

Ich frage mich ohnehin, ob Sie den Eindruck haben,
dass bei Fällen mit 400 000 Euro Einkünften weniger
Fehler auftauchen, oder ob es da weniger schlimm ist,
wenn Steuern hinterzogen werden. Die Grenze von
500 000 Euro scheint mir völlig wirr gegriffen zu sein.


(Georg Fahrenschon [CDU/CSU]: Wie der Antrag! Das passt zum Antrag!)


Aber das passt zu Ihrem Vorurteil, dass man Reiche ir-
gendwie festmachen muss. Ich finde, auch mit 400 000
Euro Einkünften ist man schon recht gutverdienend. Ich
würde Wert darauf legen, dass auch da die Steuern rich-
tig abgeführt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens. Sie fordern gleichzeitig die Abschaffung
der besonderen Begründungspflicht bei Außenprüfun-
gen. Liebe Kollegin Dr. Höll, Außenprüfungen bei Ein-
kunftsmillionären finden in der Regel im Wohnzimmer
der Betreffenden statt, weil es keine Betriebsprüfungen,
sondern eben private Prüfungen sind. Ich sage Ihnen ein-
mal, wie die Begründungsverpflichtung nach § 193 Abs. 2
ist. Danach dürfen solche Steuerpflichtigen nämlich
schon heute geprüft werden, „wenn die für die Besteue-
rung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen
und eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang
des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig ist“.
Ich frage Sie wirklich, was Sie noch brauchen.

Der Sachverhalt soll prüfungswürdig sein. Das ist
wohl Bedingung für eine Außenprüfung. Er darf nicht
von Amts wegen aufgeklärt werden können. Wenn ich
den Brief vom Finanzamt aus schicken kann, brauche
ich nicht ins Wohnzimmer des Steuerpflichtigen zu ge-
hen. Auch da ist die Begründungspflicht, glaube ich,
durchaus angemessen, zumal ich hier das Betreten priva-
ter Räumlichkeiten nach wie vor für einen Eingriff in die
Grundrechte halte. Da sollte eine Begründungspflicht
durchaus bestehen.

Drittens. Nun zu Ihrer Forderung nach einer Aufbe-
wahrungspflicht für private Belege. Auch das haben
Sie – das will ich zu Ihrer Ehrenrettung sagen – aus dem
Bericht des Rechnungshofes abgeschrieben.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich frage mich wirklich, wie sich der Bundesrechnungs-
hof das vorstellt: Denkt er, dass uns die Kontoauszüge
der Schweizer Nummernkonten vorgelegt werden, wenn
eine Aufbewahrungspflicht eingeführt wird? Es ist doch
naiv, zu glauben, dass wir damit stärker als heute Zugriff
auf Steuerpflichtige erhielten, die wirklich hinterziehen

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(C (D ollen. Ganz im Gegensatz zu Ihnen glaube ich, dass die rhebung einer Abgeltungsteuer hier der richtige Weg st. Wir haben damit einen besseren Zugriff auf die Banen, auf Kontoauszüge. Um das zu erreichen, brauchen ir keine Außenprüfung. Letzter Punkt – um wieder zum österlichen Frieden berzuleiten –: Ja, wir werden das Thema aufgreifen, wir aben das auch schon ohne Sie getan und werden es weierhin tun, zusammen mit dem Bundesfinanzministeium. Wir brauchen nämlich eine größere Effizienzsteierung und mehr Steuergerechtigkeit. Ehrlich gesagt: as gilt für große und für kleine Steuerzahler. Wir weren uns im Ausschuss mit Ihrem Antrag befassen; er war ber nicht nötig, um uns in die richtige Richtung zu weien. Danke schön. Das Wort hat der Kollege Dr. Volker Wissing für die DP-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ie Lust am Fabulieren ist in der Linkspartei kein unbeanntes Phänomen mehr. Wir wissen über Herrn afontaine: Seine „Wut wächst“, sein „Herz schlägt inks“, dass er das „Lied vom Teilen“ singt; gemeinsam it Exkanzler Schröder hat er einmal „Innovationen für eutschland“ gefordert. Sein Co-Chef Gysi steht ihm in uncto Schreiblust in nichts nach. So fragt sich Herr ysi „Was nun?“ und berichtet ausführlich über Deutschlands Zustand“ und natürlich auch über seinen igenen. Über seine Bücher wissen wir, dass er einen Blick zurück“ wirft, um einen „Schritt nach vorn“ zu achen, dass er sagt: „Das war’s noch lange nicht“. urzum: Wir wissen, dass die Lust am Fabulieren bei er Linkspartei groß ist; genau das tun Sie auch in Ihrem ntrag, den Sie uns vorlegen. Der Antrag sagt wenig – um nicht zu sagen: gar ichts – über Steuergerechtigkeit in Deutschland, aber ehr viel über Ihr Weltbild aus. Da könnte man sofort ieder einen alten Lafontaine-Schmöker ausgraben: Politik für alle. Streitschrift für eine gerechte Gesellchaft“. Ich kann nur sagen: Zum Glück entscheidet icht Herr Lafontaine, was in Deutschland gerecht ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609208700

(Beifall bei der FDP)

Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1609208800

Ihr Antrag ist nichts anderes als der populistische Ver-
uch, die Gesellschaft zu spalten; aber das wird Ihnen
icht gelingen. Wenn Sie, Frau Höll, sich mit solch ei-
em Antrag, der den Eindruck erweckt, unsinnig zu sein,
ier hinstellen und dann auch noch von „Sachlichkeit“
prechen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Das ist wirk-
ich völlig fehl am Platz.






(A) )



(B) )


Dr. Volker Wissing
Sie versuchen, den Eindruck zu erwecken – das tun
Sie immer wieder –, als hätten in Deutschland diejenigen
mit einem höheren Einkommen – die Besserverdienen-
den – eine niedrigere Belastung. Sie können Ihre These
wiederholen, aber sie wird nicht wahr. Tatsächlich zah-
len nur 7,7 Prozent der Steuerpflichtigen mehr als 40 Pro-
zent Einkommensteuer; diese 7,7 Prozent der Steuer-
pflichtigen hatten 2006 einen Anteil von 43,7 Prozent
am Einkommensteueraufkommen. Das sind die Zahlen!
Ich würde mich, da Sie von „Sachlichkeit“ sprechen,
freuen, wenn Sie das auch einmal erwähnten: 7,7 Pro-
zent der Steuerpflichtigen bringen 43,7 Prozent der Ein-
kommensteuer auf.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Das fehlt in Ihrem Freund-Feind-Schema. Deswegen ist
der Antrag nichts anderes als Populismus.

Sie sprechen über die Steuererhebungspraxis der
Länder. Ich finde, da lohnt es sich, einmal nach Berlin zu
schauen; da tragen Sie doch die Verantwortung. Ich
denke, Sie sprechen mit den Leuten. Es gibt kein Bun-
desland, das im Jahr 2005 so viel Einkommensteuer ge-
stundet hat wie das rot-rote Berlin. Berlin verzichtet in
Deutschland – verglichen mit den anderen Bundeslän-
dern – auf die meiste Einkommensteuer. Verantwortlich
ist dafür der rot-rote Senat, mit Beteiligung der Links-
partei. Sie stellen sich hier hin und erzählen uns, dass
überall alles falsch läuft. Da würde ich sagen: Die Links-
partei sollte sich an die eigene Nase fassen und schauen,
was sie in Berlin falsch macht.


(Beifall bei der FDP)


Da liegt doch das Problem: All die Dinge, die Sie hier
fordern, setzen Sie dort, wo Sie in der Verantwortung
stehen, nicht um. Deswegen sind Sie, deshalb ist Ihr An-
trag unglaubwürdig.

Welch Geistes Kind dieser Antrag ist, zeigt die For-
mulierung, es sei zwingend erforderlich,

… dass besagter Personenkreis einer Prüfungs-
dichte unterworfen wird, die eine Steuerumgehung
unmöglich macht.

Bitte sagen Sie mir: Wie soll denn so etwas aussehen?
Wollen Sie jetzt auf jeden Einkommensteuerpflichtigen
einen Prüfer ansetzen? Wollen Sie das machen? Dann
sagen Sie das! Das umzusetzen, ist sicherlich unmöglich.
Aber das kann doch nicht ernsthaft eine vernünftige
Finanzpolitik sein, Frau Kollegin.

Wir können uns gerne mit Ihrem populistischen An-
trag beschäftigen. Sie wollten ja unbedingt, dass hier
darüber debattiert wird. Aber wir werden mit Sicherheit
nicht in steuerpolitischer Hinsicht einen Überwachungs-
staat in Deutschland einführen, und wir werden uns mit
Sicherheit auch nicht an den Ergebnissen des rot-roten
Senats in Berlin orientieren, die Sie zu verantworten ha-
ben. In anderen Bundesländern läuft es besser; diese
sollten Maßstab sein. Ihre Politik ist wahrhaftig nicht
vorzeigbar.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Kollege Wissing, gestatten Sie eine Zwischenfrage er Kollegin Dr. Höll? Ja, bitte. (Georg Fahrenschon [CDU/CSU]: Jetzt kommt die Entschuldigung!)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609208900
Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1609209000


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609209100

Herr Kollege Wissing, würden Sie bitte erstens zur

enntnis nehmen, dass der Finanzsenator in Berlin, Herr
arrazin, nicht Mitglied der Linkspartei, sondern der
PD ist,


(Hellmut Königshaus [FDP]: Das ist ja überzeugend!)


weitens, dass eine Steuerstundung kein Steuererlass ist,
nd drittens, dass wir nicht gesagt haben, dass diejenigen
it einem hohen Einkommen keine Steuern zahlen. Die
orderung, die wir in unserem Antrag erheben, ist, dass
teuern so zu zahlen sind, wie es Recht und Gesetz vor-
chreiben; nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die
rüfdichte ist ein geeignetes Instrument, da bereits das
issen darum, dass man nicht einfach so durchkommt,
eil die Prüfdichte im Land nicht mehr nur bei
0 Prozent liegt, eine andere Wirkung entfalten würde.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Volker Wissing (FDP):
Rede ID: ID1609209200

Frau Kollegin Höll, das zeigt wieder einmal, dass Sie

icht regierungsfähig sind.


(Georg Fahrenschon [CDU/CSU]: Das wäre ja noch schöner!)


a sitzen Sie im rot-roten Senat und sagen, was haben
ir denn mit der SPD in Berlin zu tun.


(Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)


as ist ja unglaublich. Das muss man sich einmal verge-
enwärtigen: Sie verantworten den Zustand in Berlin
it, und es sind nicht nur Stundungen in Berlin, sondern

uch Erlasse, bei denen Sie ganz vorne mit dabei sind.


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Ich habe von den Stundungen gesprochen!)


Das gilt genauso für die Steuererlasse. Berlin ist in der
teuerverwaltung wirklich nicht gerade ein Paradebei-
piel für effektiven Vollzug. Das verantworten Sie, die
ie im rot-roten Senat sitzen, voll mit; das muss ich Ih-
en sagen. Wenn Sie behaupten, Sie hätten in Berlin
berhaupt keine Verantwortung, dann ist das unglaub-
ürdig. Wenn Sie meinen, im Bundestag glaubwürdig
pposition gegen Ihre eigene Landesregierung machen

u können, dann ist auch das unglaubwürdig. Deswegen
st Ihr Antrag ebenfalls unglaubwürdig; er führt in kei-
em Punkt weiter. Aus diesem Grund nehme ich zwar al-
es zur Kenntnis, was Sie sagen; aber peinlich ist es nicht
ür mich, sondern für die Linkspartei.






(A) )



(B) )


Dr. Volker Wissing

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Sie machen einen Fehler: Sie überlegen sich immer,
wie Sie Politik gegen bestimmte Gruppen in Deutsch-
land machen können. Das ist die Schwäche Ihres Ansat-
zes. Sie sollten sich einmal überlegen, wie Sie Politik für
die Menschen in unserem Land machen können. Anstatt
sich zu überlegen, wie Sie gegen bestimmte Gruppen
vorgehen, sollten Sie sich lieber mit der Frage beschäfti-
gen, wie Sie Verbesserungen für die Menschen erreichen
können, für die Verbesserungen erreicht werden müssen.

Wenn wir, Frau Kollegin Tillmann, in der Föderalis-
muskommission über eine effizientere Steuerverwal-
tung reden, dann tun wir das gemeinsam sachlich, auch
mit der Bundesregierung, aber nicht so, wie die Links-
partei es im Bundestag machen möchte. Es gibt sicher-
lich Effizienzreserven. Wie diese zu heben sind, werden
wir in der Föderalismuskommission auf sachliche Art
und Weise diskutieren – für die Menschen in Deutsch-
land und nicht gegen sie, wie es die Linkspartei tut.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609209300

Das Wort hat die Kollegin Gabriele Frechen für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1609209400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ihr Antrag, liebe Frau Höll – Sie haben es sel-
ber gesagt –, bezieht sich auf die Prüfung der Bearbei-
tung von Einkommensteuerfällen mit bedeutenden Ein-
künften – so hieß es in dem Bericht – durch den
Bundesrechnungshof. Ich gebe Ihnen recht, dass die
Feststellungen in diesem Bericht durchaus beunruhigend
sind. Das Parlament, die Bundesregierung und das Bun-
desverfassungsgericht sind sich einig, dass nach Art. 3
unseres Grundgesetzes eine gleichmäßige Besteuerung
erfolgen muss. Daran kann man durchaus zweifeln,
wenn man den Bericht ausführlich liest. Im Gegensatz
zu Herrn Dr. Wissing habe ich da doch Zweifel bekom-
men.

Aber ist Außenprüfung wirklich das Thema? Ich
denke, nicht. Die Finanzämter führen ein Risikomanage-
ment durch, mit dem sie die Plausibilität der Angaben in
der Steuererklärung prüfen können. Diese Prüfungen
sind Voraussetzung für eine effiziente Veranlagung, auch
eine EDV-unterstützte Veranlagung, damit es schneller
geht und Fehler ausgemerzt werden können. Diese Prü-
fungen können bei allen Steuerpflichtigen durchgeführt
werden.

Angesichts der Beispiele, die der Bundesrechnungs-
hof angeführt hat, drängt sich die Frage auf: Warum hat
in dem einen oder anderen Fall nicht eine rote Lampe
aufgeleuchet? In den meisten Fällen, die der Bundes-
rechnungshof vorgelegt hat, hätte meiner Meinung nach
der gesunde Menschenverstand gereicht, einmal nachzu-

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(C (D ragen, ob wirklich alle Einkünfte angegeben wurden der ob Einkünfte nicht versehentlich vergessen wurden. Ich gebe es zu: Unser Steuerrecht ist vielleicht ein isschen komplizierter als andere. Aber wenn es richtig ngewendet wird – ich sage ausdrücklich: wenn –, ist es erechter. Aus meiner eigenen beruflichen Erfahrung ann ich sagen, dass Geldverkehrsrechnungen mitunter chon in weniger bedeutenden Fällen durchgeführt weren. Jeder Steuerpflichtige kann erwarten, dass Steuererlärungen über bedeutende Einkünfte mindestens geauso sorgfältig und korrekt geprüft werden wie die über eniger bedeutende Einkünfte. Ich bin mir ganz sicher: m Können kann es nicht liegen. Frau Kollegin Tillmann ist schon darauf eingegangen: it dem Föderalismusreform-Begleitgesetz haben wir ie Rechtsposition des Bundes gestärkt. So ist die Einührung eines bundeseinheitlichen Verwaltungscontrolings bzw. Risikomanagements rechtlich abgesichert. ußerdem erhält der Bund mehr Einfluss auf Inhalt und erfahren bei den Außenprüfungen. Ziel kann natürlich ur ein vollelektronisches Veranlagungsverfahren mit eier bundeseinheitlichen Software sein. Darüber hinaus nützt es aber überhaupt nichts, wenn ur die Bundesseite über eine Bundessteuerverwaltung nd über zentral zuständige Betriebsprüfungen nachenkt. Das kann nur im Einvernehmen mit den Bundesändern auf den Weg gebracht werden. Deshalb müssen iese Themen auch in der nächsten Stufe der Föderalisusreform auf den Tisch gelegt werden. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Antje Tillmann [CDU/CSU])


Regelungen, die es angeblich erschweren, eine
ußenprüfung, so sie denn notwendig ist, anzuordnen,
ibt es in meinen Augen nicht. Ein BFH-Urteil vom
7. November 1992 besagt: Eine Außenprüfung nach
193 Abs. 2 Nr. 2 AO ist bereits dann zulässig, wenn
nhaltspunkte vorliegen, die es nach den Erfahrungen
er Finanzverwaltung als möglich erscheinen lassen,
ass ein Besteuerungstatbestand erfüllt ist. In den ge-
childerten Fällen hätte also problemlos eine Außenprü-
ung angeordnet werden können. Tatsächlich sieht es
ber ein bisschen anders aus. Auch das konnten wir dem
ericht entnehmen.

Nach der bundeseinheitlichen Einordnung der Grö-
enklassen ergibt sich, dass Einkunftsmillionäre als
roßbetriebe eingestuft werden und somit regelmäßig

u prüfen sind. Was regelmäßig heißt, wird nicht ausge-
ührt. An einer fehlenden Regelung – da bin ich mir ganz
icher – kann es nicht liegen. Dennoch werden nur
,5 Prozent aller relevanten Fälle geprüft. Die Band-
reite der Prüfung umfasst – abhängig vom Bundesland –
0 bis 60 Prozent. Als „regelmäßig“ würde ich das nicht
ezeichnen.

Vielleicht liegt es wirklich an fehlenden Regelungen;
as will ich gar nicht abstreiten. Vielleicht liegt es auch
n der komplexen Struktur unseres Steuerrechts, an man-
elnder Qualifikation und an Personalmangel. Es liegt
ber auch – dieser Missstand scheint mir viel leichter ab-
ustellen zu sein – an mangelnder Akzeptanz. Laut






(A) )



(B) )


Gabriele Frechen
Bericht des Bundesrechnungshofes werden in zwei Bun-
desländern Einkunftsmillionäre regelmäßig gänzlich
vom Betriebsprüfungsplan abgesetzt. Das kann ich nicht
gutheißen. Auf der anderen Seite stimme ich Ihnen na-
türlich auch nicht zu. Sie wollen, dass jedem Bezieher
von besonders hohen Einkünften – beispielsweise Ein-
künfte in Höhe von 500 000 Euro – sozusagen Fußfes-
seln angelegt werden und ihm ein Betriebsprüfer an die
Seite gestellt wird, damit er permanent geprüft werden
kann. Zwischen diesen beiden extremen Positionen muss
man eine Lösung finden.

Es ist bestimmt auch nicht hilfreich, dass in jedem
Bundesland die Zuständigkeiten anders geregelt sind. In
einem Bundesland wusste eine Stelle überhaupt nicht,
dass sie verantwortlich ist. Sie dachte, eine andere Stelle
sei zuständig. Nach der alten Fußballerweisheit „Nimm
du den Ball, ich hab ihn sicher“ fühlte sich keiner mehr
zuständig. Das führt, wie wir aus dem Stadion wissen,
nicht zum gewünschten Erfolg. Hier ist eine einheitliche
Lösung unter Mitwirkung des Bundeszentralamts für
Steuern, das in den nächsten Jahren um 500 Betriebsprü-
fer aufgestockt wird, anzustreben.

Die fehlende Pflicht zur Aufbewahrung von Belegen
ist für mich nur ein formaler, ein vorgeschobener Grund.
Die Steuerpflichtigen versuchen doch, nachzuweisen,
dass sie ein geringeres zu versteuerndes Einkommen ha-
ben. Da ist es doch in deren eigenem Interesse, die Be-
lege aufzubewahren, um das im Zweifel auch wirklich
belegen zu können. Deshalb ist das für mich nur ein ganz
formeller Grund.

Wir alle wollen, dass nach Leistungsfähigkeit besteu-
ert wird, dass starke Schultern mehr tragen und schmale
weniger. Um diesen berechtigten Anspruch des Staates
durchzusetzen, halte ich eine Außenprüfung – und dies
eher regelmäßig – im gebotenen Fall ohne Zweifel für
richtig. Denn man darf dabei die prophylaktische Wir-
kung der Tatsache, dass Außenprüfungen stattfinden
könnten, nicht unterschätzen. Zumal das bei den Außen-
prüfungen eingesetzte Personal in der Regel mehr Geld
einspielt, als es kostet.

Ich denke nicht, dass Menschen mit einem höheren
Einkommen grundsätzlich oberflächlicher oder unehrli-
cher sind als Menschen mit einem niedrigen Einkom-
men. Aber ob ich bei Zinseinkünften von 1 Million Euro
oder bei Zinseinkünften von 1 000 Euro eine Null ver-
gesse: In beiden Fällen ist es nur eine Null; die Auswir-
kungen sind natürlich ganz anders. Deshalb sollte man
auch da immer genau hinschauen.

Der Bundesrechnungshof fordert, das BMF solle auf
eine grundsätzlich lückenlose Betriebsprüfung hinwir-
ken. Das erinnert mich dann doch schon wieder an die
Fußfessel. Dem schließe ich mich nicht ganz an. Grund-
sätzlich meine ich aber schon, dass Außenprüfungen ihre
Berechtigung haben.

Ihrer Forderung, jetzt schnell eine neue gesetzliche
Regelung einzuführen, kann ich mich aber nicht an-
schließen. Sie wissen so gut wie ich, dass eine mögliche
Gesetzesänderung auf diesem Gebiet nur mit Zustim-

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(C (D ung der Bundesländer erfolgen kann. Manchmal ist ein öderaler Staat auch ein bisschen lästig. (Georg Fahrenschon [CDU/CSU]: Aber immer spannend!)


ber wir wollen ihn ja. Deshalb müssen wir mit dieser
rt von Lästigkeit leben. Ich kann die Intention des An-

rags verstehen. Auch mich treiben die Ergebnisse um;
as ist überhaupt keine Frage. Aber Ihre Begeisterung
ür immer neue gesetzliche Regelungen teile ich nicht.
a halte ich es mit Helmut Schmidt, der sagt:

Keine Begeisterung sollte größer sein als die nüch-
terne Leidenschaft zur praktischen Vernunft.

Deshalb lassen Sie uns lieber alle unsere Möglichkei-
en ausschöpfen, gemeinsam mit den Ländern und ge-

einsam mit dem BMF Wege zu finden, die gewährleis-
en, dass wir zu einer gerechten Lösung kommen. Das
esetz dazu haben wir schon.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609209500

Das Wort hat die Kollegin Christine Scheel für die

raktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609209600

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Ich finde, es ist sehr schwierig, wenn im Zusam-
enhang mit der gleichmäßigen und regelmäßigen
rüfung von Besteuerungstatbeständen ein Antrag for-
uliert wird, in dem es nur um diejenigen gehen soll, die

00 000 Euro und mehr verdienen. Ich muss der Frau
ollegin Tillmann völlig recht geben, wenn sie fragt:
as ist denn mit denjenigen, die ein Einkommen von

00 000 Euro haben?


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Oder 80 000?)


ch frage: Was ist denn mit denen, die ein Einkommen
on 100 000 oder 70 000 Euro haben? Da haben doch
er Bürger und die Bürgerin im Prinzip genauso das
echt, zu sagen: Wir erwarten, dass die Finanzbehörden
uch in diesen Fällen vernünftig prüfen.

Es ist ein sehr populistischer Ansatz – auch heute
orgen haben wir das schon erlebt –, wenn man sich al-

ein mit Einkommensmillionären – vielleicht gibt es
uch ein paar Einkommensmillionärinnen; aber die
änner Ihrer Fraktion haben es noch nicht gemerkt – be-

chäftigt. Man verliert dabei aus dem Auge, dass die
icht gleichmäßige und regelmäßige Prüfung von Be-
teuerungsgrundlagen durch die Finanzverwaltungen der
änder und Kommunen grundsätzliche Fragen der Steu-
rgerechtigkeit betrifft und nicht nur die Frage: Was ist
it denen, die 500 000 Euro und mehr verdienen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben heute bereits gehört – darauf wurde hinge-
iesen –, dass Steuerpflichtige mit einem Einkommen
on mehr als 500 000 Euro häufiger geprüft werden, als
s in Ihrem Antrag beschrieben worden ist.






(A) )



(B) )


Christine Scheel
Es war ein Fortschritt, dass dies in der Föderalismus-
kommission I insofern geändert wurde, als Bezieher von
Einkommen in dieser Höhe als Großbetrieb eingestuft
werden. Das führt automatisch zu einer größeren Prü-
fungsdichte. Die Regelung wird inzwischen in der Praxis
vollzogen.

Der Bericht des Bundesrechnungshofs 2006 hat gra-
vierende Mängel vor allem beim Vollzug der Steuerge-
setze benannt und wichtige Empfehlungen gegeben. Wir
sollten uns mit diesem Bericht auseinandersetzen und
ihn sehr ernst nehmen, wenn es um die Frage geht, wie
wir den Vollzug der Steuergesetze auf Bundesebene,
aber vor allem auch in den Ländern verbessern können.


(Dr. Volker Wissing [FDP]: Dafür brauchen wir aber diesen Antrag nicht!)


Ich halte es nicht für hinnehmbar, dass der Steuerein-
zug in den einzelnen Bundesländern höchst unterschied-
lich durchgeführt wird. In Berlin beispielsweise – darauf
wurde schon hingewiesen; damit hat der Kollege
Wissing völlig recht – gibt es eine laxere Praxis als in
anderen Bundesländern. In Bayern versteht man die
Nichtprüfung von Unternehmen als Wirtschaftsförde-
rung. Hessen sieht das ähnlich. So kann man aber auch
nicht vorgehen.

Wir müssen meines Erachtens zu Maßstäben kom-
men, die von allen gleichermaßen zugrunde gelegt wer-
den, damit Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik
nicht durch unterschiedlichen Steuervollzug unter Aus-
schluss der Öffentlichkeit betrieben wird. Denn das
schadet unserer Wettbewerbsfähigkeit und ist unfair ge-
genüber den Unternehmen, denen keine Steuerentlastun-
gen eingeräumt werden – wie es in Berlin zum Teil der
Fall ist –, sondern die ihre Steuern zahlen müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das BMF plädiert für eine Bundessteuerverwaltung.
Es ist wünschenswert, dass uns die Länderzahlen von
Bayern bis Mecklenburg-Vorpommern vorgelegt wer-
den, um die Akzeptanz hinsichtlich der Verfahrens-
grundsätze einschätzen zu können. Unsere Kleine An-
frage wurde nicht so beantwortet, wie wir Grünen es uns
gewünscht hätten. Wir werden nachbohren und genauer
nachfragen, wie das Steuersystem aussehen soll. Wir
werden uns auch mit dem Prüfungsturnus in den einzel-
nen Ländern stärker auseinandersetzen.

Es ist gut, dass die Weisungsrechte des Bundes ge-
genüber den Ländern gestärkt wurden. Die Länder soll-
ten sich im Rahmen der Föderalismusreform II mit der
Frage befassen, wie sie diese Maßstäbe in ihren Verwal-
tungen anwenden können. Das wäre der richtige Weg.
Die Erosion von Steuereinnahmen durch unterschiedli-
ches Verwaltungshandeln muss ein Ende haben. Die
Föderalismusreform II hat dabei eine Bringschuld.

Es darf nicht sein, dass der Ehrliche der Dumme ist.
Insofern brauchen wir in der gesamten Bundesrepublik
einen ordentlichen Steuervollzug.

Danke schön.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609209700

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache16/3699 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 30 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Alexander
Bonde, Winfried Nachtwei, Jürgen Trittin, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

US-Raketenabwehr und Europa – Gemein-
same Sicherheit und Abrüstung fördern

– Drucksache 16/4854 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen fünf Minuten
rhalten soll. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so
eschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
lexander Bonde.


Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609209800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

s ist dringend an der Zeit, dass der Deutsche Bundestag
u den Raketenabwehrplänen der USA auf europäi-
chem Territorium eine gemeinsame Position findet. Die
tellungnahmen der Bundesregierung zu diesem Thema
ind in sich nicht schlüssig. Die Regierungsposition ist
on parteipolitischen Widersprüchen, allgemeinen Aus-
agen und scheinbarer Unkenntnis in der Beantwortung
arlamentarischer Fragen geprägt und von widersprüch-
icher Rhetorik getragen. Das Parlament hat die Verant-
ortung, dem Herumgeeiere an diesem sicherheits-, ab-

üstungs- wie außenpolitisch zentralen Punkt ein Ende
u setzen und die deutsche Position deutlich zu machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In den letzten Tagen und Wochen haben wir einiges
rlebt. Der geschätzte Staatsminister Erler, der gerade
ingetroffen ist, hat eine Vorlage geliefert. In der Beant-
ortung unserer Kleinen Anfrage zu diesem Thema er-
lärte er, die Bundesregierung plane nicht, über das Ra-
etenabwehrsystem im Rahmen der EU zu diskutieren.
eitgleich erklärte er aber in der „Badischen Zeitung“,
nserer gemeinsamen Heimatzeitung, dass eine Befas-
ung innerhalb der EU erfolgen muss. Da fragen wir uns,
a fragt sich die Öffentlichkeit: Was ist nun die Position
er Bundesregierung?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schwankt wie die Fahne im Wind!)







(A) )



(B) )


Alexander Bonde
Wir haben ebenso wie die Verbündeten ein Recht, zu
erfahren, wie die Position der Bundesregierung aus-
sieht. Das Thema muss auf die europäische Agenda;
denn der erweiterte Schutz Europas ist keine Frage, die
man unbeantwortet lassen darf, ist keine bilaterale Ange-
legenheit zwischen den USA und unseren europäischen
Nachbarn. Es ist vielmehr eine Frage, die wir gemein-
sam beantworten müssen. Javier Solana hat recht: Die
Sicherheit Europas ist nicht teilbar, und die EU-Mitglie-
der sind bei aller Souveränität verpflichtet, die allgemei-
nen Sicherheitsinteressen der Union zu definieren und
gemeinsam darüber zu diskutieren.

Innerhalb der NATO muss man sich trotz grundsätzli-
cher Differenzen und unterschiedlicher Bedrohungswahr-
nehmungen damit auseinandersetzen. Es reicht nicht, sich
technisch an ein System, das auf widersprüchlichen Be-
drohungsannahmen basiert und im nationalen Alleingang
von einem Partner durchgesetzt wurde, anzubinden. Es
muss vielmehr darum gehen, zu gemeinsamen Auffassun-
gen zu kommen. Dazu bedarf es der gemeinsamen Wil-
lensbildung in Europa und der gemeinsamen Risikoana-
lyse. Auch Deutschland muss die Situation für sich
wirklich bewerten.

Meine Fraktion begleitet die Raketenabwehr aus ver-
schiedenen Gründen kritisch. Im Gegensatz zu anderen
lassen wir uns keinen russischen Bären aufbinden. Für
uns geht es um zentrale außen-, sicherheits- und ab-
rüstungspolitische Implikationen. Man muss sich über-
legen, was es bedeutet, wenn man versucht, ein poli-
tisches Risiko mittels eines Raketenabwehrsystems
technisch zu lösen. Abgesehen von den immensen Zwei-
feln an der technischen Machbarkeit dieses Systems ist
dieser Ansatz, wie wir wissen, immer dann zum Schei-
tern verurteilt, wenn sich das Hauptaugenmerk der Si-
cherheitspolitik auf die technische Beherrschbarkeit
richtet und nicht auf die Bildung von Vertrauen, was, wie
Herr Steinmeier richtigerweise gesagt hat, die eigentli-
che Frage ist.

Zum anderen erodiert das Raketenabwehrsystem die
ohnehin angeschlagenen Abrüstungs- und Nonprolifera-
tionsprozesse. Wir alle wissen aus der Geschichte, dass
solche technischen Systeme die Aufrüstung in der Ten-
denz nicht beenden, sondern eher Anreize setzen, um auf
der technischen Ebene Überwindungsstrategien zu fin-
den. Der Vorwurf der Aufrüstungsspirale ist insofern
schwer zu widerlegen. Wir alle wissen, dass wir zurzeit
eigentlich mehr Initiativen Deutschlands und Europas
für Abrüstung brauchen. Deshalb ist diese Diskussion
notwendig.

Ich glaube – das will ich noch sagen –, dass die Re-
gierung fahrlässig handelt, wenn sie in ihren Antworten
auf unsere Fragen so tut, als wisse sie nichts davon, dass
die amerikanischen Pläne vorsehen, dieses System im
nächsten Schritt mit der Weltraumrüstung zu verbin-
den; denn die Interviews der zuständigen US-Militärs
und der politischen Spitze zu diesem Thema sind be-
kannt. Es ist bekannt, dass im Budget der zuständigen
Institution, der Missile Defense Agency, für Tests von
weltraumbasierten Waffenkomponenten Gelder einge-
stellt werden.

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(C (D All das muss dazu führen, dass wir eine klare Position eziehen. Ich würde mich freuen, wenn die SPD ihre euerliche Friedenserweckung nicht nur in den Zeitunen und auf den Ostermärschen zum Ausdruck bringt, ondern diese Gelegenheit nutzt, dieser Position zuzutimmen. Das würde zeigen, dass Sie das, was Sie foruliert haben, ernst meinen. Sie werden erkennen, dass ich viele der richtigen Erkenntnisse Ihres Außenminisers, Ihres Staatsministers und Ihres Parteivorsitzenden örtlich in unserem Antrag wiederfinden. Wenn Herr Scholz recht hat und die SPD-Fraktion inter ihrem Parteivorsitzenden Beck steht, dann sehe ch keinen Grund, weshalb Sie seiner Position – zum eil wörtlich im Antrag formuliert – heute nicht zustimen können. Wir werden das sehr genau beobachten. laubwürdigkeit wird nicht nur durch Reden, sondern uch durch Handeln und bei Abstimmungen erlangt. Herzlichen Dank. Für die Unionsfraktionen hat der Kollege Dr. Lamers as Wort. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! as Thema Raketenabwehr hat sich in wenigen Tagen urch das Zutun vieler zu einem roten Tuch entwickelt. bwohl die Entwicklung schon seit vielen Jahren im ange ist, wird jetzt von verschiedenen Seiten der Einruck erweckt, es beginne eine neue Phase des Wettrüsens. Genau das ist in meinen Augen nicht der Fall. Ich eine, wir alle sind gut beraten, die Entwicklung zu ächst einmal vorurteilsfrei anzugehen, einzuschätzen nd zu bewerten. Für populistische Angstmacherei ist ier in meinen Augen überhaupt kein Platz. Jede Raketenund Flugkörperabwehr soll doch letztndlich nur eines erreichen: dass nukleare und sonstige assenvernichtungswaffen ihr Ziel nicht erreichen, as heißt vor dem Erreichen ihrer Ziele zerstört werden. arum geht es. Wer auch immer solche Massenvernich ungswaffen einsetzen oder mit ihrem Einsatz drohen ill, muss wissen, dass seine Waffe stumpf ist und aufrund unserer Abwehrfähigkeit ihr Ziel nicht erreichen ann. Genau darum geht es und um nichts anderes. Wir ollen nicht erpressbar werden, nicht durch den Iran, icht durch Nordkorea, durch niemanden. Raketenabwehr bedeutet nicht Wettrüsten, wie einige ns weismachen wollen. Für mich bedeutet Raketenabehr im Gegenteil die Chance zur Abrüstung der ungeeuren Potenziale von offensiven Massenvernichtungsaffen. Was macht es denn noch für einen Sinn, solche affen zu beschaffen, wenn sie keine Wirkung mehr ntfalten? Die Zeiten haben sich geändert. Nukleares ettrüsten gab es in der Tat in früheren Zeiten, im so Dr. Karl A. Lamers genannten Kalten Krieg, der allerdings ganz andere Rahmenbedingungen hatte als unsere heutige globale Sicherheitslage. In den Jahren des Kalten Krieges galt die Philosophie der Mutual-assured-Destruction, der gegenseitigen gesicherten Zerstörung. Durch Hochrüstung hielten sich die Supermächte gegenseitig in Schach, wobei jeder wusste, dass er selbst bei einem nuklearen Angriff durch einen entsprechenden Gegenschlag auch vernichtet würde. Ich frage Sie: Gilt diese Strategie auch heute noch in einer völlig veränderten Welt? Gilt dies noch in einer Zeit, in der wir es mit Terrorregimen, Suizidbombern und mit potenziell irrational Handelnden zu tun haben? Die Entwicklung von Abwehrfähigkeit könnte sich als lebensrettend für Staaten und Menschen erweisen. Das treibt mich und uns alle zurzeit bei diesem Thema um. In der laufenden Diskussion wird behauptet, das geplante amerikanische Raketenabwehrsystem bedrohe Russland und schaffe neue Instabilität. Wir alle erinnern uns an die Rede des russischen Präsidenten Putin auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Da haben manche ja gedacht, die Entwicklung dieses Systems vollziehe sich ohne die Einbeziehung Russlands. Man hatte den Eindruck, dass Putin gerade zum ersten Mal davon erfahre. Das wäre in der Tat fatal gewesen. Denn zum Glück ist es in den zurückliegenden Jahren gelungen, Russland oft einzubeziehen, mit ins Boot zu nehmen und angesichts großer gemeinsamer Bedrohungen eine Politik des Miteinanders zu vereinbaren. Aber glücklicherweise war es ja nicht so. Denn wie wir heute wissen, ist über dieses Projekt im Rahmen des NATO-Russland-Rates mehrfach gesprochen worden. Die Verteidigungsminister Russlands und der Vereinigten Staaten von Amerika haben mehrfach darüber gesprochen. An die Adresse von Präsident Putin gerichtet sage ich: Wer Transparenz bei der anstehenden Verwirklichung eines Raketenabwehrsystems verlangt, sollte auch selber Offenheit und Transparenz zeigen, wenn es um die Kommunikation über dieses Thema geht. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Thema auf den Konferenztisch der NATO gehört. Deswegen bin ich sehr froh, dass die Vereinigen Staaten von Amerika in den zurückliegenden Tagen deutlich gemacht haben, dass sie überhaupt nicht an einen Alleingang denken, sondern dass sie bereit und entschlossen sind, alle NATO-Partner in ihre Überlegungen und Pläne einzubeziehen. Denn wenn unsere NATO-Partner Polen und Tschechien einbezogen sind, geht es nicht nur um diese beiden Staaten, sondern um die NATO insgesamt und um Europa. Keiner darf die Chance bekommen, einen Keil in unsere Bündnisse zu treiben, wie es die Bundeskanzlerin – ich meine: zu Recht – gesagt hat. Uns interessiert nämlich schon, wer durch den Raketenschirm geschützt wird: ganz Europa oder nur ein Teil Europas. Für mich ist auch wichtig: Russland muss begreifen, dass zehn Abwehrraketen in Polen keine Bedrohung für das eigene Land darstellen. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum zehn Raketenabwehrsysteme R k a g d T d w T p r V h C a P b H R d A i s R w Z f E d w d w t D m g s W e S d g d T w W V d (C (D ussland um den Schlaf bringen. Das müssen wir offen ommunizieren, auch und gerade mit Blick auf Russland. Eigentlich – das habe ich eingangs gesagt – geht es uch überhaupt nicht um Russland. Es geht um etwas anz anderes, nämlich um den Schutz der Menschen unter em Raketenschirm gegenüber irrational handelnden errorstaaten. Ich bin überzeugt, dass auch Russland aran ein Interesse hat. Eine Bedrohung ist dieses Abehrsystem keinesfalls. Mit seiner Münchener Rede hat Präsident Putin dieses hema schlagartig auf die Agenda der Weltpolitik kataultiert. Wir reden jetzt im Bundestag darüber, und wir eden auch auf der Frühjahrstagung der Parlamentarischen ersammlung der NATO darüber. Diesen Vorschlag abe ich erst am letzten Wochenende beim Standing ommittee gemacht. Wir werden das tun, und das ist uch richtig. Dieses Thema gehört auf die Agenda der arlamentarier aus Europa, Kanada und Amerika. Ich egrüße es, dass die NATO auf Vorschlag von Jaap de oop Scheffer im NATO-Rat und im NATO-Russlandat offen über dieses Thema diskutieren wird. Im Übrigen will ich betonen, dass das geplante System efensiv, nicht offensiv ist. Weil es sich um ein reines bwehrsystem handelt, kann sich weder Russland noch rgendein anderer Staat davon bedroht fühlen. Eines ist icher: Der Einsatz von Massenvernichtungswaffen mit aketen und Flugkörpern wird somit nicht nur sinnlos – er ar schon immer sinnlos –, sondern verfehlt auch seinen weck und sein Ziel. Die USA haben in den letzten Jahren viel in Missile Deense investiert, um Bedrohungen von sich, aber auch von uropa abzuhalten. Auch das Raketenabwehrprogramm er NATO sollte in diesem Zusammenhang berücksichtigt erden, wenn es auch nicht damit identisch ist. Wir sollten arauf achten, dass all diese Systeme, die entwickelt erden, um Menschen zu schützen, miteinander kompa ibel sind, damit sie wie Zahnräder ineinandergreifen. ann haben wir Gemeinsamkeit, nämlich gemeinsam ehr Sicherheit. Darum geht es. Sicherheit ist unteilbar. Das ist einer der Glaubensrundsätze der NATO. Wir alle, mit und ohne Abwehrysteme, müssen uns in der zukünftigen strategischen irklichkeit wiederfinden können. Es kann und darf im uro-atlantischen Raum keine Zonen unterschiedlicher icherheit geben. Deshalb ist der Schulterschluss zwischen en Vereinigten Staaten von Amerika und der NATO erade in der Frage der Raketenabwehr unabdingbar. In einer Zeit, in der wir neuen Bedrohungen durch en internationalen Terrorismus, potenziell auch durch errorstaaten, die im Besitz von Massenvernichtungsaffen sind, ausgesetzt sind, brauchen wir auch Russland. ir müssen das in den zurückliegenden Jahren aufgebaute ertrauen weiter ausbauen. Auf genau diesem Weg befinen wir uns. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609209900

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Karl A. Lamers (CDU):
Rede ID: ID1609210000

(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)

Lassen Sie mich zum Schluss sagen, dass wir Parla-
mentarier den Kern unseres Handelns darin sehen, alles
zu tun, um den Frieden zu wahren und Bedrohungen von
unseren Völkern abzuwenden. In einer Zeit völlig neuer
Szenarien fundamentaler Bedrohungen müssen wir
umso offener sein, neue Wege zu gehen. Die Chancen,
die sich durch die Entwicklung von Defensivwaffen
auftun, ermöglichen uns, das zerstörerische Potenzial von
Offensivwaffen weiter abzubauen. Also: Das Bekenntnis
zu einem Abwehrsystem bietet die Chance größerer Ab-
rüstung.

Dies heute ist für mich der Einstieg in eine umfassende
Erörterung dieses Themas. Ich bitte alle um Sachlichkeit,
ich bitte darum, der Versuchung des Populismus zu
widerstehen und vor allem keine voreiligen politischen
Entscheidungen zu treffen, bevor wir das Für und Wider
sorgfältig gegeneinander abgewogen haben.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wen haben Sie damit gemeint? – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Lamers, da haben Sie in die falsche Richtung geguckt!)


Ich danke.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609210100

Das Wort hat die Kollegin Elke Hoff für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Elke Hoff (FDP):
Rede ID: ID1609210200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Dass wir heute zum zweiten Mal innerhalb
von zehn Tagen über die mögliche Stationierung einer
US-Raketenabwehr auf europäischem Boden diskutieren,
ist sicher ein guter Beweis für die grundlegende außen-
und sicherheitspolitische Bedeutung dieses Themas.

Daher verwundert es mich sehr, wenn vonseiten der
Bundesregierung der Eindruck erweckt wird, als sei dieses
Thema quasi vom Himmel gefallen. Denn ein Raketen-
abwehrsystem als gemeinsames Projekt der NATO
wird seit Jahren in den entsprechenden Gremien diskutiert.
Diese Diskussionen sind gekennzeichnet durch diver-
gierende Risikoeinschätzungen sowie das Fehlen einer
kohärenten sicherheitspolitischen Richtung.

Ein entsprechender US-Vorschlag liegt der NATO
schon seit 2002 vor. Deutschland hat dazu bis heute
nicht vernehmbar Stellung bezogen.


(Beifall bei der FDP)


Wenn die Bundeskanzlerin nun den Eindruck zu erwe-
cken versucht, die Diskussion über die amerikanische
Raketenabwehr auf NATO-Ebene führen zu wollen,
frage ich mich, was denn bisher im Bundeskanzleramt
angekommen ist. Ein Außenminister, der anmerkt, es
wäre besser gewesen, mit der russischen Seite früher
über das Vorhaben zu reden – das ist ein Zitat –, scheint
vor allem nicht frühzeitig genug mit seinem Fachreferat
darüber gesprochen zu haben.

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(C (D m Auswärtigen Amt weiß man sehr wohl, dass das hema einer US-Raketenabwehr auf europäischem Ter itorium im NATO-Russland-Rat bereits früh auf der agesordnung stand. Im vorliegenden Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/ ie Grünen ist eine Vielzahl von abrüstungspolitischen ielen, die wir begrüßen und auch selbst schon beantragt aben, formuliert. Dennoch findet dieser Antrag nicht nsere volle Zustimmung. Denn insbesondere die bündnisrüne Forderung nach einer vollständigen Aufgabe der uklearen Teilhabe teilen wir Liberale in der vorliegenden orm nicht. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber neu, Frau Hoff! – Zuruf von der LINKEN: Ja, das ist neu!)


(Beifall bei der FDP)


eshalb wird sich meine Fraktion bei der Abstimmung
nthalten.

Denn ein möglicher Abzug der amerikanischen
tomwaffen muss ebenso wie die Stationierung einer
öglichen Raketenabwehr eng mit den Vereinigten Staaten

nd vor allem innerhalb der NATO auf Basis einer
emeinsamen Risikoabschätzung abgestimmt werden.
ie Sicherheit Europas kann – bei allen Divergenzen –
icht losgelöst von diesen Beziehungen betrachtet werden.
elchen Gewinn soll es bringen, die nukleare Teilhabe

ufzugeben? Wir erreichten dann einen Status, in dem
ie beiden einzigen europäischen Atommächte ohne
erpflichtende Bindung an die NATO mit ihrem Atom-
otenzial verfahren würden. Wir würden damit also ein
eniger an gemeinschaftlichem Eintreten für Frieden

nd Sicherheit erreichen, kein Mehr. Außerdem muss die
rage erlaubt sein, wieso das Thema „nukleare Teilhabe“

n sieben Jahren rot-grüner Bundesregierung nie in den
ntsprechenden NATO-Gremien auf die Tagesordnung
esetzt wurde. Der NATO-Generalsekretär hat damals
eutlich zu verstehen gegeben, dass die Bundesregierung
s nur sagen müsse, wenn sie die nukleare Teilhabe thema-
sieren möchte.

Wie der vorliegende Antrag aber auch deutlich macht,
ann die US-Raketenabwehr nicht losgelöst von den ande-
en Entwicklungen in der globalen Abrüstungspolitik
iskutiert werden. Die russischen Reaktionen auf die tri-
ateralen Raketenabwehrpläne und die damit verbundene
rohung Moskaus, den INF-Vertrag zu kündigen, sind
ur ein Symptom der grundlegenden Vertrauens- und
laubwürdigkeitskrise der internationalen Abrüstung
nd Rüstungskontrolle. Das nukleare Nichtverbreitungs-
egime gerät aus den Fugen, die Genfer Abrüstungskon-
erenz blockiert sich seit Jahren selbst, und an die Stelle
on multilateralen Vereinbarungen über Rüstungskontrolle
nd Nichtverbreitung sind vielfach bilaterale Abkommen,
d-hoc-Initiativen oder sogenannte „Coalitions of the
illing“ getreten. Ein rein trilaterales Vorgehen bei der

tationierung des Raketenabwehrsystems würde diese
rise weiter verschärfen und die vertrauensvolle Zusam-
enarbeit im transatlantischen Bündnis auf die Probe

tellen.






(A) )



(B) )


Elke Hoff
Darüber hinaus ist die Debatte zum jetzigen Zeitpunkt
ein mehr als unglückliches Signal in Bezug auf die Nu-
klearambitionen Teherans. Wer einen Raketenabwehr-
schirm als zentralen Teil einer Containment-Strategie
gegenüber dem Iran betrachtet, hat sich bereits mit einer
möglichen nuklearen Bewaffnung Teherans abgefunden.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daher muss die Bundesregierung ihre Einwirkungsmög-
lichkeiten, die sie sowohl im Rahmen der EU-Ratspräsi-
dentschaft als auch durch den G-8-Vorsitz hat, durch
eine klare Linie in dieser wichtigen Angelegenheit nutzen.

Das wird dringend notwendig sein, weil die kommenden
fünf Jahre für die Zukunft sowohl der nuklearen als auch
der konventionellen Rüstungskontrolle sowie der globalen
Abrüstungsbemühungen existenziell sind. START I und
SORT stehen zur Verlängerung an. Die Überprüfungs-
konferenz des nuklearen Nichtverbreitungsregimes im
Jahre 2010 wird zum Testfall für die Zukunftsfähigkeit
der Nichtverbreitung. Der angepasste KSE-Vertrag wartet
seit 1999 auf seine Ratifizierung; ohne diese Ratifizie-
rung unterliegen die Zahlen der Streitkräfte in den neuen
NATO-Staaten auch weiterhin keiner Begrenzung.

Es ist daher dringend an der Zeit, dass die Bundes-
regierung ihre Vorstellungen über die zukünftige Abrüs-
tungspolitik mit Nachdruck in die internationalen Gremien
einbringt und mit ebensolchem Nachdruck auf eine Lösung
hinarbeitet. Unsere Unterstützung werden Sie dabei haben.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609210300

Das Wort hat der Kollege Gert Weisskirchen für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1609210400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kollegin Hoff, lassen Sie mich genau an
diesen Punkt, den Sie am Schluss erwähnt haben – erheb-
liche Teile Ihrer Bedenken, die Sie am Schluss geäußert
haben, teile ich –, anknüpfen.

Wir haben mitverfolgt, dass es beispielsweise 2005
ein vollständiges Desaster bei der Überprüfungskonferenz
gab. Schauen Sie sich darüber hinaus – Sie haben das nur
angedeutet – die Aufrüstungsbestrebungen zum Beispiel
in Großbritannien und Frankreich sowie die Überlegungen
hinsichtlich der Ersatzsprengköpfe in den USA an, wel-
che dort mit einem technologischen Projekt vorangetrieben
werden. Ich glaube in der Tat, dass wir versuchen müssen,
diese ganze Debatte, die doch sehr alarmistisch klingt,
einfach einmal vor dem Hintergrund des wirklichen Pro-
blems zu führen.

Ich denke, das wirkliche Problem liegt darin, dass der
Abrüstungsprozess nach den Verhandlungen über
START leider ins Stocken geraten ist. Im Moment sehen
wir eher die Gefahr, dass es unter dem Stichwort der
Modernisierung zu neuen Aufrüstungsprozessen kommt.

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(C (D as ist doch das eigentliche Problem, das sich dahinter ersteckt. Wenn es uns gelänge – so verstehe ich das, as der Außenminister gesagt hat –, an den Abrüstungsrozess neu anzuknüpfen, dann würden wir in dieser esamten Diskussion einen ganz neuen Impuls und chub bekommen. Daher rate ich dringend dazu, dass ir diesen Einzelpunkt, über den jetzt debattiert wird, icht alleine herausgreifen. Der Kollege Dr. Lamers hat einen ganz zentralen und olitisch wichtigen Punkt angesprochen, in dem ich ihm usdrücklich zustimme. Wir, die wir keine Atommächte ind, auch nie werden wollen, müssen die Atommächte aran erinnern – darum bitte ich –, dass sie es mit ihrem igenen Handeln in der Hand haben, dafür zu sorgen, ass die Aufrüstungsprozesse gestoppt und neue Abrüsungsprozesse in Gang gesetzt werden können. Das ist er zentrale Punkt. err Dr. Lamers, dazu gehört insbesondere das, was Sie esagt haben: Es kommt darauf an, dass wir Russland it einbeziehen und Vertrauen bilden. Wenn ich das Ergebnis des Telefongesprächs zwichen Bush und Putin richtig bewerte, dann stehen wir m Moment möglicherweise kurz davor – hier spielt der -8-Gipfel in Deutschland dann vielleicht doch eine olle –, dass sich die beiden einigen. Denn inhaltlich nd sachlich ist es ja völlig richtig, was auch Sie, Herr r. Lamers, sagen. Gesetzt den Fall, dass man rational prüfen könnte, as NMD bedeutet – das ist ja in der Tat ein Abwehr ystem –, muss man sich aber auch politisch darüber im laren sein, dass selbst Abwehrsysteme zu ganz unge hnten politischen Nebenwirkungen führen können. us diesem Grunde – und nicht nur aus technologischen ründen – hat Bill Clinton damals gesagt: Dieses Pro ekt verfolge ich nicht weiter. Vielleicht kann man in der politischen Diskussion etas Zeit gewinnen, damit sich in der amerikanischen dministration und im amerikanischen Kongress solche berlegungen wieder neu einstellen können. Ich halte as gar nicht für unmöglich. Es ist zwar richtig, dass an klare Positionen beziehen muss, aber wir können m besten dann klare Positionen beziehen, wenn durch ie Machbarkeitsstudie die von uns gestellten Fragen eantwortet werden. Es gibt keine Festlegung der Bunesregierung in diesem Punkt! Es gibt keine politische estlegung, dass wir das akzeptieren, was NMD betrifft. uch bei der neuen Variante gibt es keine Festlegungen. ir müssen die Antworten auf die Fragen sorgfältig prü en und danach eine politische Bewertung abgeben. Am Anfang hat jemand Staatsminister Erler erwähnt. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bonde war das!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Entschuldigung, Kollege Bonde, Sie waren das.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat nur zitiert, dass Herr Erler nicht weiß, was er in der Zeitung gesagt hat!)







(A) )



(B) )


Gert Weisskirchen (Wiesloch)

– Herr Erler weiß sehr wohl, wovon er spricht.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht, was er unterschreibt!)


Die Position, die er in dem Interview mit der „Berliner
Zeitung“ – darauf haben Sie offenbar Bezug genom-
men – deutlich gemacht hat, ist eine Position, die ein So-
zialdemokrat notwendigerweise beziehen muss. Denn
wir alle wollen doch gemeinsam, dass Aufrüstungspro-
zesse gestoppt und Abrüstungsprozesse in Gang gesetzt
werden.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir wollen das nicht in der EU ansprechen!)


Das wollen wir alle gemeinsam. Das, was Staatsminister
Gernot Erler zu diesem Punkt gesagt hat, findet die volle
Unterstützung der sozialdemokratischen Bundestags-
fraktion – damit das ganz klar ist.


(Beifall bei der SPD – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das, was in der Zeitung steht, oder das, was in der Antwort auf die Anfrage steht?)


Für die schnelle Abfolge der Beratungen, die in die-
sem Hause seit zwei Wochen stattfinden, gibt es keinen
wirklich plausiblen Grund. Frau Hoff, da haben Sie
recht. Die deutsche Politik steht bei diesem Thema nicht
unter Zeitdruck. Natürlich muss geklärt werden, was
möglicherweise auf uns zukommt. Das hat zum Beispiel
der Parteivorsitzende der SPD sehr klar gesagt.

Im politischen Prozess ist für uns wichtig, dass die
Bundesregierung – wie die SPD – deutlich macht: Wir
wollen weder eine neue Rüstungsspirale durch Moderni-
sierung vorhandener Waffensysteme noch eine Gefähr-
dung bestehender Abrüstungsvereinbarungen. Vielmehr
wollen wir, dass sich der Wettbewerb zwischen den of-
fensiven und den defensiven strategischen Waffen, den
es übrigens seit vielen Jahren gibt, nicht in Richtung ei-
ner Steigerung entwickeln wird. Wenn es einen solchen
Wettbewerb zwischen Abwehrsystemen und strategi-
schen Offensivsystemen geben wird, dann wird es eben
nicht zu Abrüstungsprozessen, sondern zu Aufrüstungs-
prozessen kommen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich glaube nicht, dass irgendjemand bei uns – wer auch
immer – ein wirkliches Interesse daran haben kann, dass
Aufrüstungsprozesse in Gang gesetzt oder gar durch
unseren politischen Willen getragen und vorangetrieben
werden.

Ich wünsche mir, dass wir in dieser Debatte vom
Alarmismus wegkommen. Herr Bonde hat das auch so
schön zugespitzt formuliert: Es geht hier nicht um den
Wettbewerb zwischen friedenspolitischen Orientierun-
gen, sondern darum, wie es uns gelingen kann, den his-
torischen Prozess der Abrüstung wieder neu in Gang zu
setzen. Ich wünsche mir, dass wir unsere politischen
Kräfte darauf konzentrieren, weitere Aufrüstungspro-
zesse zu stoppen. Das lerne ich aus dieser Diskussion.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609210500

Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Paul

chäfer das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Paul Schäfer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609210600

Werte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-

egen! Wir beraten über einen Antrag der Grünen. Dieser
ntrag ist nicht schlecht. Da wir auch andere Fraktionen

rmuntern wollen, sich abrüstungspolitisch zu engagieren,
erden wir ihn unterstützen. Gleichwohl werden wir ei-
en eigenen Antrag einbringen, in dem wir die Sache auf
en Punkt bringen. In dem Antrag der Grünen heißt es:
ie Pläne zur Raketenabwehr sollen erst einmal auf Eis
elegt werden. – Nein, diese Pläne müssen ad acta gelegt
erden.


(Beifall bei der LINKEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das schließt sich ja nicht aus!)


as ist eine klare Position. Ob das auch für Sie, die So-
ialdemokraten, gilt, fragen wir uns sicherlich alle in
iesem Haus. Ob es beim Nein Ihres Parteivorsitzenden
u neuen Raketen bleibt, wird man sehen. Ich glaube
war, dass Sie nicht nur auf die Wählerstimmen schauen,
ondern dass Sie echt besorgt sind. Aber wir werden se-
en, inwieweit Sie diesen Konflikt innerhalb der Koali-
ion austragen und was am Ende dabei herauskommt.
m es klar zu sagen: Es kann nicht nur darum gehen,
ass Russland etwas besser eingebunden wird, dass wir
ei den neuen Waffensystemen etwas mehr Mitsprache
im Sinne der nuklearen Teilhabe – bekommen und

ass einige offene technische Fragen geklärt werden.
ein, es muss deutlich gemacht werden: Die Bundes-

epublik Deutschland beteiligt sich an diesem neuen
üstungsprojekt in keiner Weise.


(Beifall bei der LINKEN)


Zweitens. Die Bundesregierung muss darauf drängen,
ass sich in der EU die möglichst einheitliche Haltung
urchsetzt, dass wir keine neuen Raketen in Europa ha-
en wollen. Das wäre ein Rückenwind für die zuneh-
end kritischer werdende Öffentlichkeit in Polen und
schechien. Ich finde, es ist vollkommen korrekt, wenn
enschen dort sagen: Wir wollen in unseren Ländern

in Referendum über das Raketenabwehrsystem haben. –
iese Menschen sollten wir unterstützen.


(Beifall bei der LINKEN)


Drittens. Es muss alles daran gesetzt werden, durch
ine konsequente Abrüstungspolitik bei den Massen-
ernichtungswaffen die Bedrohung erst gar nicht entste-
en zu lassen, gegen die man jetzt vorrüsten will. Die
efahr der Weiterverbreitung ist sicherlich kein Hirnge-

pinst; das sage ich ganz klar. Aber der Ausgangspunkt
st die Verbreitung der vorhandenen Waffen, also die
atsache, dass es eine Gruppe von Staaten, die Atom-
ächte, gibt, die von ihrem Monopol auf diese Terror-






(A) )



(B) )


Paul Schäfer (Köln)

waffen nicht abrücken wollen. Daher ist nach meiner
festen Überzeugung eine Nichtweiterverbreitung nur
zu erreichen, wenn alle erdenklichen Schritte eingeleitet
werden, die vorhandenen Massenvernichtungswaffen zu
ächten und loszuwerden. Das reicht vom Abzug der
Atomsprengköpfe auf deutschem Boden über die Eta-
blierung einer atomwaffenfreien Zone in Europa bis zur
verbindlichen Reduzierung der strategischen Waffenar-
senale.

Wir müssen den Grundgedanken der gemeinsamen
Sicherheit, der aus dem Kalten Krieg herausgeführt hat,
wiederbeleben. Das verträgt sich aber nicht mit Präemp-
tionsstrategien und militärischen Strategien zur Einkrei-
sung Russlands. Mit Blick auf die Überprüfungskonfe-
renz 2010 muss das vielmehr bedeuten, endlich den
Blix-Report Schritt für Schritt in die Tat umzusetzen.
Mit diesem Report liegt ein Handbuch vor, aus dem her-
vorgeht, was abrüstungspolitisch zu tun ist. Auf seine
Umsetzung müsste die Bundesregierung energisch drän-
gen.

Man könnte auch über neue Rüstungskontroll- und
Abrüstungsinitiativen sprechen, und zwar gerade mit
den Ländern, die gegenwärtig dabei sind, sich neue
Waffentechnologien zuzulegen. Dabei könnte es zum
Beispiel um einen allgemeinen Teststopp bei Raketen
mit langer Reichweite gehen. Das würde als erste
Schritte voraussetzen, mit der nuklearen Abrüstung zu
beginnen und mit den betreffenden Ländern über ihre le-
gitimen Sicherheitsprobleme zu reden. Das gilt auch für
den Iran und Nordkorea. Statt in eine neue Aufrüstungs-
spirale einzusteigen, muss nun alles getan werden, um
eine neue Abrüstungsdynamik zu entwickeln.

Die Karwoche beginnt mit dem Palmsonntag. Der
Palmzweig ist das Symbol des Friedens. Daran knüpfen
auch die traditionellen Ostermärsche an. In diesem Sinne
darf ich uns allen frohe Ostern wünschen.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609210700

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache
16/4854 mit dem Titel „US-Raketenabwehr und Europa –
Gemeinsame Sicherheit und Abrüstung fördern“. Wer
stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Der Antrag ist gegen die Stimmen der
Antragsteller und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung
der FDP-Fraktion abgelehnt.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a und b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Gehrcke, Paul Schäfer (Köln), Monika
Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der LINKEN

Einsatz des Kommandos Spezialkräfte in Af-
ghanistan beenden

– Drucksache 16/4674 –

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(C (D Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung b)

Knoche, Dr. Norman Paech, Paul Schäfer (Köln),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-
KEN

Das Mandat für die Operation Enduring Free-
dom beenden – Einsätze des Kommandos Spe-
zialkräfte in Afghanistan einstellen

– Drucksache 16/121 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
raktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. – Ich
öre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-
en.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
olfgang Gehrcke für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609210800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

er § 8 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes gibt den Ab-
eordneten des Deutschen Bundestages das Recht, ihre
ustimmung zum Einsatz bewaffneter Streitkräfte zu wi-
errufen. Dieses Recht ist, so denke ich, gleichzeitig
ine Pflicht, diese Einsätze immer wieder zu überprüfen,
ich eine Meinung dazu zu bilden und, wenn man zu der
uffassung kommt, man muss sie beenden, das hier im
arlament zu beantragen. Wenn wir beantragen, den Ein-
atz der KSK in Afghanistan zu beenden, ist unser Be-
ehren, dass das Parlament von diesem Recht Gebrauch
acht. Ich denke, man muss mehr darüber diskutieren,

b es genügt, wenn ein Parlament immer nur auf die Re-
ierung schaut und wartet, ob ein Antrag kommt, um
ann zuzustimmen oder abzulehnen, oder ob ein Parla-
ent nicht auch zu Selbsttätigkeit aufgefordert ist.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


ch denke, das Parlament ist aufgefordert. Wir wollen,
ass der Einsatz der KSK in Afghanistan beendet wird.

Dazu möchte ich ein paar Gründe nennen. Aus meiner
icht ist der Krieg in Afghanistan – nach all dem, was
an liest, hört und weiß – militärisch nicht mehr zu ge-
innen. Andere formulieren es etwas zurückhaltender;
ie Regierungskoalition sagt zum Beispiel, er sei „vor-
iegend militärisch“ nicht mehr zu gewinnen. Man
önnte zumindest sagen, der Krieg steckt in der Sack-
asse. Wir als Linke waren immer der Auffassung, dass






(A) )



(B) )


Wolfgang Gehrcke
ein Kampf gegen den Terror gewonnen werden kann,
wenn man sich um die Ursachen des Terrors kümmert,
waren gleichzeitig aber immer der Auffassung, dass die-
ser Krieg gegen den Terror nicht zu gewinnen ist.

Wenn solche Argumente nicht einmal einen Widerhall
finden, dann bitte ich Sie ganz herzlich, Ihre Erfahrun-
gen zu prüfen. Das erste Argument für diese Kriege war
immer: Es sind Kriege gegen den Terror. Ich frage Sie
heute: Ist die Gefahr des Terrors mit den Kriegen kleiner
oder größer geworden? Sie ist größer geworden, das
wird doch keiner leugnen. Das zweite Argument war im-
mer: Es sind Kriege für Abrüstung. Ich frage Sie: Sind
die Gefahr der Weiterverbreitung von Massenvernich-
tungswaffen sowie der Waffenexport und Waffenhandel
kleiner oder größer geworden? Sie sind größer gewor-
den. Das dritte Argument war: Es sind Kriege für die
Demokratie. Ich frage Sie heute, ob man den Zustand der
Demokratie in den Ländern, die mit Krieg überzogen
worden sind, so viel besser finden soll und ob es nicht so
ist, dass auch die Demokratie in unseren Staaten durch
die Art und Weise der Kriegsführung Schaden genom-
men hat.

Ich frage mich, warum es Sie nicht bedenklich stimmt
– ich sage das überhaupt nicht triumphierend –, wenn
man jetzt in den Umfragen liest, dass 60 Prozent der
Bürgerinnen und Bürger Afghanistans die Zeiten wäh-
rend der Sowjetbesatzung und der Taliban-Herrschaft für
korrekter und besser gehalten haben als die heutigen Zei-
ten. Ich frage Sie, ob es Sie nicht bedenklich stimmt,
wenn 48 Prozent der Bürgerinnen und Bürger unseres
Landes heute der Auffassung sind, dass die USA gefähr-
licher für den Frieden sind als der Iran. Wenn schon
nicht die Sachargumente Sie überzeugen, dann müssten
doch zumindest solche Argumente bei Ihnen den Ein-
druck erwecken, dass diese ganze Politik in der Sack-
gasse ist. Man muss heraus aus der Sackgasse; anders
geht es doch nicht.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Jetzt hat der Kollege Klose von der SPD vorgeschla-
gen – ich finde, in sich geschlossen ist das sogar logisch;
das ist nur nicht meine Politik –, man müsste sich darauf
einstellen, mehr Kampftruppen nach Afghanistan zu
schicken. Es liegt in der Logik: Wenn wir nicht aufhö-
ren, wird sich dieser Bundestag immer wieder damit be-
schäftigen müssen, für diesen Krieg neues Militär zur
Verfügung zu stellen. In sich ist es logisch, politisch ist
es falsch.


(Beifall bei der LINKEN)


In einem Punkt hat Herr Klose allerdings Recht, nämlich
als er gesagt hat, man solle aufhören, so zu tun, als ob
die deutschen Soldaten in Afghanistan Entwicklungshel-
fer in Uniform seien. Man solle aussprechen – und ich
will es hier aussprechen –: Deutschland führt Krieg in
Afghanistan.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Im Norden?)


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(C (D as ist die Wahrheit. Mit der muss man sich auseinanersetzen, und man darf nicht immer darüber hinwegtäuchen. (Beifall bei der LINKEN – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch! Er weiß gar nicht, was Krieg ist!)


Mit der Entscheidung, das KSK aus Afghanistan zu-
ückzuziehen, würde ein anderes Zeichen gesetzt. Das
ollen wir. Es wäre ein kleines Zeichen, aber immerhin.

Ich darf Sie noch darauf aufmerksam machen, dass
er § 6 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes die Bundes-
egierung verpflichtet, laufend und regelmäßig zu infor-
ieren. Einmal ehrlich gesagt, Kolleginnen und Kolle-

en: Außer den wenigen, die informiert werden, weiß
och keiner genau, was das KSK in Afghanistan macht.
as können Sie doch nicht leugnen. Sie wissen es ein-

ach nicht. Ich darf es Ihnen nicht sagen, weil ich zur
eheimhaltung verpflichtet bin.


(Ruprecht Polenz [CDU/CSU]: Ach, er weiß es!)


as ist doch eine absurde Situation. Ich darf Ihnen noch
icht einmal sagen, ob das KSK jetzt in Afghanistan ist.
as ich Ihnen aber sagen darf, ist, dass das KSK drin-

end mit Beschluss des Parlaments zurückgezogen wer-
en muss.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Wider besseres Wissen sagt er das!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609210900

Für die Unionsfraktion hat der Kollege Ruprecht

olenz das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1609211000

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

egen! Die Linken beantragen, das Mandat für die Opera-
ion Enduring Freedom zu beenden und das KSK zurück-
uziehen. Mit diesen Anträgen – das möchte ich ganz
eutlich sagen – verabschieden Sie sich vom Kampf der
taatengemeinschaft gegen den internationalen Terroris-
us.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


uch wenn Sie das nicht wollen – Sie werden dadurch
um Türöffner für die Taliban und al-Qaida.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN: Oh!)


Die Anträge der Linken zielen darauf ab, die Sicher-
eitslage in Afghanistan für Soldaten, zivile Aufbauhel-
er und für die afghanische Bevölkerung selbst deutlich
u verschlechtern, und sie ignorieren dabei die tatsächli-
he Bedrohungslage vor Ort völlig. Der Einsatz in Af-
hanistan, sowohl von Enduring Freedom als auch von
SAF, dient der Bekämpfung der Terroristen, die vor






(A) )



(B) )


Ruprecht Polenz
dem Sturz der Taliban – ich finde es zynisch, wenn auf
solche Umfragen hier im Bundestag Bezug genommen
wird, Herr Gehrcke – ungehindert ausgebildet wurden
und die auch nach dem Sturz vehement daran arbeiten,
in Afghanistan wieder an Einfluss zu gewinnen.

Die Taliban sind im vergangenen Jahr deutlich wie-
dererstarkt und


(Zurufe von der LINKEN)


waren in keinem Jahr seit ihrem Sturz so aktiv wie 2006.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist doch das Problem, Herr Polenz!)


Jetzt Kräfte aus Afghanistan abzuziehen, würde ihnen in
die Hände spielen. Die Taliban würden es als Zeichen
verstehen, mit ihren Anschlägen die Staaten der interna-
tionalen Gemeinschaft zum Rückzug bewegen zu kön-
nen. Damit hätten sie genau das erreicht, was sie wollen.

Die Anträge der Linken zielen außerdem darauf ab,
die Bündnissolidarität zu verletzen. Ich sage Ihnen:
Wir werden uns unserer Verpflichtung nicht entziehen.
Unsere Partner können sich auf den Einsatz auch unserer
Soldaten verlassen.


(Beifall des Abg. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg [CDU/CSU] sowie des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


Es sind 26 Nationen, die sich an der Operation Enduring
Freedom beteiligen, darunter elf, die nicht der NATO an-
gehören, beispielsweise Ägypten, Kenia, Australien und
Neuseeland. Auch diesen Ländern gegenüber sind wir
verpflichtet, wie wir in Westfalen sagen würden, hier
„Poal“ zu halten.

Die Bedrohung durch die Taliban betrifft auch uns in
Deutschland. Auch unsere Sicherheit hängt entscheidend
von der Entwicklung in Afghanistan ab; denn die Aktivi-
täten der Taliban und insbesondere von al-Qaida be-
schränken sich nicht auf Afghanistan. Die Anschläge in
London, Madrid, Istanbul und nicht zuletzt der beabsich-
tigte Kofferbombenanschlag in Deutschland illustrieren
das auf deutliche Weise. Wenn Sie, lieber Kollege
Gehrcke, in den letzten Tagen aufmerksam Zeitung gele-
sen hätten, dann dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass
der Talibanführer Mullah Obaidullah Achund auch un-
sere Soldaten vor Ort massiv mit dem Tod bedroht hat.
Ich zitiere: Keine der westlichen Truppen werde ver-
schont,

nicht die Deutschen, nicht die Briten, nicht die Ka-
nadier und schon gar nicht die Amerikaner. Wir
werden sie alle töten, wir dürsten nach ihrem Blut.

Vor diesem Hintergrund wäre es absolut unverantwort-
lich, Kräfte, die dort dem Schutz unserer Soldaten die-
nen, abzuziehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Eine wesentliche Aufgabe des KSK ist nämlich die Auf-
klärung. Wenn wir wollen, dass die Begleitschäden bei
den Kämpfen mit den Taliban durch präzise Aufklärung

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(C (D nd eine gezielte Vorgehensweise möglichst gering bleien, dann muss dort, wo Nachrichtendienste und Polizeiräfte wegen mangelnder Ausrüstung nicht eingesetzt erden können, der Einsatz von Spezialkräften möglich ein, um einen optimalen Erfolg zu erzielen. Experten sehen durch die ständig veränderten sichereitspolitischen Rahmenbedingungen in Afghanistan für ie Zukunft sogar einen erhöhten Bedarf für den Einsatz on Spezialstreitkräften; denn gerade die Schnelligkeit nd Flexibilität des KSK ermöglichen es, gegen Kräfte u operieren, die Kriegsführung mit asymmetrischen itteln betreiben. Im Übrigen war das KSK bereits auf em Balkan beim Zugriff auf Kriegsverbrecher erfolgeich. Warum wollen Sie diese Kompetenz zur Bekämpung der Taliban und zum Schutz der eigenen Soldaten on vornherein ausschließen? Es ist mir besonders wichtig, an dieser Stelle noch inmal anzumerken, dass der Einsatz von Spezialkräften ur einen Teilbereich des internationalen Engagements n Afghanistan darstellt. Der Schwerpunkt liegt eindeuig auf dem sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbau es Landes. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


m diese wichtige zivile Aufbauarbeit zu ermöglichen,
st die Sicherheitskomponente in unserer Strategie aller-
ings unabdingbar. Sollte diese Säule wegfallen, wie Sie
n Ihrem Antrag fordern, werden auch die Bemühungen
m einen erfolgreichen Wiederaufbau des Landes keine
hance mehr haben, sich gegen die zerstörerischen An-

trengungen der Taliban durchzusetzen.

Allein in den letzten zwei Jahren sind in Afghanistan
ast 100 Entwicklungshelfer ums Leben gekommen. In
ur 18 Monaten wurden über 200 Attentate auf Lehrer,
chulen und Schüler verübt. Aus einigen südlichen Pro-
inzen des Landes haben sich Entwicklungshilfeorgani-
ationen aufgrund der instabilen Sicherheitslage bereits
ollständig zurückgezogen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609211100

Kollege Polenz, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Hänsel?


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1609211200

Ja.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609211300

Bitte.


Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609211400

Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Polenz, Sie ha-

en gerade gesagt, dass angesichts der Sicherheitslage
ie Tornado-Entsendung und auch die Präsenz der Bun-
eswehr für die zivilen Entwicklungshelferinnen und
ntwicklungshelfer wichtig sind. Der Ausschuss für
irtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hatte

ine Reise nach Afghanistan geplant. Diese Reise wurde
nter anderem aus Sicherheitsgründen abgesagt. Uns,






(A) )



(B) )


Heike Hänsel
den Ausschussmitgliedern, wurde vom BKA mitgeteilt,
dass sich die Situation selbst in Kabul stark geändert hat.


(Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg [CDU/ CSU]: Klassisches Eigentor!)


Unabhängig davon, ob man der US-Fahne oder der deut-
schen Fahne zugerechnet wird, ist es in Kabul mittler-
weile so, dass man als Besatzer wahrgenommen wird.
Die Tornado-Entscheidung hat das Klima in Kabul wei-
ter verschärft.

Ich wiederhole: Unser Ausschuss – er ist eigentlich
derjenige, der für das Thema „ziviler Wiederaufbau“ zu-
ständig ist – konnte aus Sicherheitsgründen nicht nach
Afghanistan fahren, weil weder die Bundeswehr noch
das BKA unsere Sicherheit gewährleisten konnten.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Wann kommt das Fragezeichen?)


Das BKA selbst hat einen Zusammenhang zur Tornado-
Entscheidung und dazu, dass ein Journalist im Aus-
tausch freigelassen wurde, hergestellt. Was sagen Sie zu
dieser Einschätzung?


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1609211500

Zunächst einmal bedanke ich mich bei Ihnen für den

langen Vorspann, der noch einmal deutlich gemacht hat,
dass das, was ich zur Sicherheitslage ausgeführt habe,
um weitere Beispiele hätte ergänzt werden können.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das war mir wegen meiner beschränkten Redezeit aber
nicht möglich.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Das zeigt doch nur, dass der Krieg verloren ist!)


– Sie machen den Zwischenruf: „Das zeigt doch nur,
dass der Krieg verloren ist!“ Wenn Sie damit – wie in Ih-
ren Anträgen – dafür werben wollen, dass wir uns aus
Afghanistan zurückziehen, dann sollten Sie sich als Ers-
tes bewusst machen, was das für diejenigen Afghanen
heißt, die bisher mit uns zusammengearbeitet haben, um
dieses Land aufzubauen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn die Taliban an die Macht kämen, wären sie die
Ersten, die die Taliban einen Kopf kürzer machten.
Wenn Sie das unter verantwortlicher Politik verstehen
– im Grunde liegt auch Ihren Anträgen dieser Geist zu-
grunde –, dann sind Sie in der Tat völlig ungeeignet,
deutsche Außenpolitik mitzugestalten und mitzubestim-
men.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Bodo Ramelow [DIE LINKE]: Diese Außenpolitik wollen wir nicht mitverantworten! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Das ist Kriegspolitik!)


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(C (D Es kann auch nicht in unserem eigenen Interesse sein, ass alle unsere Anstrengungen zum Wiederaufbau des andes zunichte gemacht werden, wie es die Folge der trategie wäre, die uns die Linke anempfiehlt. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die machen Sie selber zunichte!)


is zum Jahr 2010 stellt Deutschland über 1 Milliarde
S-Dollar für den Wiederaufbau des Landes zur Verfü-
ung. Wir müssen mit den uns zur Verfügung stehenden
räften also auch gewährleisten, dass diese Gelder ihrer
estimmung gemäß eingesetzt werden können.

Mit Ihrem Antrag beanstanden Sie, dass die Bundes-
egierung ihrer Unterrichtungspflicht gegenüber dem
arlament nur unzureichend nachkomme. Wenn man
nterrichtung verlangt, muss man natürlich immer ein-
eziehen, um welche Gegenstände es dabei geht. Es ist
ns allen klar, dass die KSK-Einsätze ihrer Natur nach
iner besonderen Geheimhaltung unterliegen müssen,
enn sie erfolgreich sein sollen. Das muss zwangsläufig

uch Auswirkungen auf die Art und Weise der Unter-
ichtung haben. Der Vorwurf, es werde dann der Grund-
atz der Parlamentsbeteiligung – Stichwort: Bundeswehr
ls Parlamentsheer – verletzt, ist billig, wenn er diesen
achverhalt ausklammert und außer Acht lässt.

Wir hatten gerade am vergangenen Montag eine Un-
errichtung über diese Frage; Sie haben darauf hingewie-
en, Herr Kollege Gehrcke. Es gibt jetzt ein zwischen
er Bundesregierung und den Fraktionen vereinbartes
erfahren. Ich glaube, dass das auch funktionieren kann.
on daher finde ich auch diesen Teil der Begründung Ih-

er Anträge nicht schlüssig.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal festhal-
en, warum wir in Afghanistan sind. Nach den Anschlä-
en vom 11. September hat der Sicherheitsrat der Ver-
inten Nationen diese Anschläge als Bedrohung für den
nternationalen Frieden und die internationale Sicherheit
ualifiziert und das Recht zur individuellen und kollekti-
en Selbstverteidigung unterstrichen. Es ist leider so:
as Terrornetzwerk al-Qaida mit seinen lokalen und

egionalen islamistischen Strukturen ist noch nicht zer-
chlagen. Die umfassende Bekämpfung des internatio-
alen Terrorismus ist und bleibt eine zentrale Heraus-
orderung für die internationale Gemeinschaft. Deshalb
arf auch Deutschland in seinen Anstrengungen in die-
em Bündnis nicht nachlassen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ihr Vorwurf der Völkerrechtswidrigkeit ist völlig
alsch. Die Operation Enduring Freedom fußt auf einem
laren Mandat der Vereinten Nationen.


(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Ach was!)


ir folgen außerdem einer klaren Aufforderung der
SA, den Terror gemeinsam zu bekämpfen. Um in die-

em Kampf erfolgreich zu sein, ist ein breites internatio-
ales Bündnis erforderlich, an dem wir uns weiterhin be-
eiligen.






(A) )



(B) )


Ruprecht Polenz
Wenn die Position der Linken international Schule
machte, sozusagen als Beispiel auch für andere diente,
wenn sich also alle Bündnispartner so verhielten und ei-
nen Rückzug der Kräfte verlangten – die Frage muss
man sich immer stellen, wenn man hier Anträge ein-
bringt –, hieße das, vor dem Terrorismus zu kapitulieren.
Das wäre in meinen Augen im Hinblick auf unsere ei-
gene Sicherheit unverantwortbar.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609211600

Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1609211700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Schöne bei den Anträgen der Linken ist: Die ersten
drei Sätze sind immer gleich. Ich will aber Folgendes sa-
gen: Erstens. Sie bleiben in Ihrer Politik konsequent; das
muss ich Ihnen zugestehen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


– Jawohl, den Beifall ernte ich immer, wenn ich das
sage. – Zweitens. Sie sprechen Themen an, die durchaus
diskussionswürdig sind. Drittens. Sie beweisen aber je-
des Mal aufs Neue, dass Sie weder willens noch fähig
sind, zur wirklichen Problemlösung auch nur einen sinn-
vollen Beitrag zu leisten. Deshalb kommen Sie viertens
in Ihren Anträgen immer zu falschen Ergebnissen. Das
erleben wir immer wieder.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der etwas antiquarische Antrag von 2005, der sich
mit OEF beschäftigt, betrifft etwas, was wir durchaus
diskutieren. Wir haben im letzten Herbst gemeinsam
über die Verlängerung von OEF beraten. Wir haben
deutlich gemacht, dass wir das, was OEF insgesamt
macht, als sehr bedenkenswert und nachdenkenswert an-
sehen. Wir werden dieses Thema in diesem Herbst wie-
der aufnehmen und uns damit sehr ausführlich auseinan-
dersetzen.

Sie fordern heute, im März 2007, singulär, sozusagen
als Einzelthema, den Abzug des KSK aus Afghanistan.
Herr Gehrcke, in Ihrer Begründung haben Sie auf das
KSK kaum Bezug genommen. Sie haben generell Ihr al-
tes Argument gebracht, dass jede militärische Interven-
tion, jede militärische Beteiligung an der Aktion in Af-
ghanistan des Teufels ist. Das ist offensichtlich auch der
Grund für den heute neu vorliegenden Antrag.

Sie wissen wie wir, dass man nicht Teile eines Man-
dats herausnehmen kann; das ist gar nicht möglich. Sie
können das Mandat insgesamt ablehnen oder annehmen,
nicht aber nur Teile daraus. Deshalb ist der Antrag, den
Sie heute eingebracht haben – im Widerspruch zu dem,
was Sie behauptet haben –, nicht politisch, sondern po-
pulistisch motiviert. Es geht Ihnen gar nicht darum, Pro-
bleme zu lösen; es geht Ihnen darum, das KSK zu dämo-
nisieren.

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(C (D (Bodo Ramelow [DIE LINKE]: Das machen Sie schon selber!)


nsgesamt glauben Sie nicht, dass die militärische
omponente einen Beitrag – wir alle sagen, dass es nur

in Beitrag sein soll – zur Stabilisierung dieses Landes
eisten kann.


(Beifall bei der FDP – Zuruf von der LINKEN: Das sind doch Parlamentstruppen!)


Sie können doch nicht bezweifeln, dass wir zur Stabi-
isierung Afghanistans, zu der wir sehr wohl beitragen
ollen, sollen und müssen – wir alle wissen, dass wir
abei besser werden müssen –, eine militärische Kompo-
ente brauchen. Es will in Ihren Schädel nicht rein – ich
erstehe das einfach nicht –, dass das ein Teil des
esamtprojekts ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


em sollten wir hier deutlich Rechnung tragen.

Das wollen Sie nicht verstehen. Wenn ein Staudamm
ktuell durch die Taliban bedroht ist, hilft es nicht, hier
olkige Reden zu führen. Wenn ein Staudamm in der
ächsten Woche gesprengt werden soll, müssen Sie doch
ine Antwort darauf geben können, wie Sie das verhindern
ollen. Das tun Sie niemals. Nie und nimmer sind Sie
ereit, an einer wirklichen Problemlösung teilzuhaben.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)


Wir stellen uns der Verantwortung. Wir müssen unser
andeln vor unserem Volk, vor dem Bundestag verant-
orten. Jedenfalls sagen wir: Wir müssen einen Beitrag
isten. – Wir alle wissen, dass der Einsatz in Afghanistan
icht perfekt läuft; entsprechend müssen wir daran arbeiten.

Auch zu Ihnen, Herr Kollege Polenz, möchte ich sagen:
s gibt, was das KSK angeht, durchaus Diskussions-
edarf, und zwar hier in Berlin und weniger im Hinblick
uf den Einsatz in Afghanistan. Hierbei geht es – dieses
hema wurde angesprochen; es muss weiterhin ange-
prochen werden – um die Information über das, was
as KSK macht. Da gibt es nach meinem Dafürhalten
ehr wohl Diskussions- und Handlungsbedarf. Wir, die
itglieder des Verteidigungsausschusses, erhalten durch

ie Erkenntnisse, die wir dort gewinnen – ich will es
eutral sagen –, durchaus Anregungen dazu, wie wir in
ukunft mit dem KSK insgesamt umgehen sollten. Wir
arlamentarier haben hier einen erheblichen Diskussions-
edarf.

Obwohl das Parlamentsbeteiligungsgesetz in Kraft ist,
t es nach unserer Meinung immer noch vom Goodwill
er Bundesregierung abhängig, was wir, die Parlamentarier
ich spreche alle Parlamentarier an, die nicht Teil der
egierung sind –, erfahren. Das müssen wir ändern. Wir,
ie FDP-Fraktion, haben einen praktikablen Vorschlag
emacht: die Einsetzung eines Entsendeausschusses.


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Das wäre falsch!)


Lieber Kollege Siebert, ich bin mir – auch aufgrund
essen, was wir jeden Mittwochnachmittag erfahren –






(A) )



(B) )


Dr. Rainer Stinner
sehr sicher, dass wir am Ende die Situation in dieser
Frage deutlich verändern werden, dass wir zu einer prag-
matischen Lösung kommen werden,


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Das schwächt das Parlament!)


die auf der einen Seite den sehr wohl legitimen Sicherheits-
und Geheimhaltungsinteressen Rechnung trägt, auf der
anderen Seite aber uns die Möglichkeit gibt, tatsächlich
zu erfahren, was hier passiert. Dafür werden wir uns ein-
setzen.

Die Linke trägt zu solchen Überlegungen nichts bei.
Sie ist nicht bereit, konstruktiv mitzuarbeiten. Deshalb
werden wir ihre Anträge ablehnen.

Schöne Ostern.


(Beifall bei der FDP – Frank Spieth [DIE LINKE]: Aggressiv arbeiten wir nicht; das stimmt! Das hat nichts mit konstruktiv zu tun!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609211800

Das Wort hat die Kollegin Petra Heß für die SPD-

Fraktion.


Petra Heß (SPD):
Rede ID: ID1609211900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Fraktion Die Linke fordert im ersten ihrer beiden
Anträge, den Einsatz des Kommandos Spezialkräfte in
Afghanistan zu beenden. Ihre Meinung lautet:

Erstens. Das Parlament werde nur unzureichend über
die Einsätze unterrichtet.

Zweitens. Die Einsätze widersprächen dem Charakter
der Bundeswehr als Parlamentsarmee.

Drittens. Der Einsatz des KSK führe zu einer Vermi-
schung von ISAF und OEF.

Viertens. Deutschland solle sich sowieso aus verdeck-
ten Kriegshandlungen heraushalten.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Stimmt alles!)


Lassen Sie mich hierzu Folgendes sagen: Deutschland
hat sich im Rahmen der OEF verpflichtet, den Abwehr-
kampf gegen den internationalen Terrorismus mit dem
KSK, mit der Marine und mit ABC-Abwehrkräften zu
unterstützen. Das Parlament hat dieser Unterstützung
seinerzeit mit großer Mehrheit zugestimmt. Das Mandat,
dem zugestimmt wurde, umfasst explizit das KSK. Damit
hat der Bundestag aber auch den Einsatzbedingungen des
KSK zugestimmt. Die Einsatzbedingungen des KSK
sind: verdeckte Ermittlung, das Überraschungsmoment
und passgerechte Vorgehensweise.

Dennoch hat die Bundesregierung bei der letzten Verlän-
gerung der OEF zugesagt, die Informationspraxis zu ver-
bessern, nachdem Kritik an der strikten Geheimhaltung
der KSK-Einsätze laut geworden war. Die Unterrichtung
über KSK-Einsätze sieht sich dem Wesen des KSK nach
aber immer mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert,
zwischen Geheimhaltungspflicht auf der einen Seite und
Unterrichtungspflicht auf der anderen Seite zu vermitteln.

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(C (D Aber machen Sie sich bitte eines klar: dass KSKinsätze in erster Linie ausgeführt werden, um einen nformationsvorteil zu erringen. Voraussetzung hierfür ber ist, dass der Überraschungseffekt, der nun einmal esentlicher Bestandteil eines erfolgreichen Einsatzes st, nicht dem Informationsinteresse des Parlaments eopfert werden darf. Der Wunsch nach umfassenderen Informationen leibt dennoch berechtigt und nachvollziehbar. Herr ollege Stinner, die Bundesregierung wird sich auch ier an ihre Zusagen halten und zukünftig nicht nur den bleuten, sondern auch dem Parlament mehr Einblicke n die Arbeit des KSK gewähren. (Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD] – Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Da bin ich aber gespannt!)


Der erste Evaluierungsbericht zu OEF liegt vor und
urde bereits in den Fachausschüssen beraten. Aber ich

age es noch einmal: Wenn KSK-Einheiten durch
erdeckte Operationen Talibanführer aufspüren und
estnehmen, wenn sie Informationen über mögliche
nschläge und Attentate sammeln, dann gewinnen sie
chlüsselinformationen, die Leben retten können und
erden.

Der Einsatz des KSK im Rahmen von ISAF ist durch
as Mandat selber ebenfalls nicht ausgeschlossen. Er
ann beispielsweise zum Schutz der Truppe erfolgen, wenn
SK-Soldaten Schlüsselinformationen im Norden zum
eispiel über lokale Warlords sammeln. Diese Aufgabe
rgänzt die Arbeit der PRTs im Norden wirksam und erhöht
en Schutz und die Sicherheit der im Rahmen von ISAF
ingesetzten regulären Soldatinnen und Soldaten.


(Frank Spieth [DIE LINKE]: Das sind doch keine Pfadfinder!)


Das kann man doch nicht einfach beiseite schieben,
eine Damen und Herren. Der Einsatz in Afghanistan ist

efährlich, und das KSK kann durch Aufklärungsarbeit
as Leben unserer Soldatinnen und Soldaten, aber auch
er Verbündeten retten. Wenn Afghanistan gelingen soll,
ann muss die Wiederaufbauarbeit gelingen und mit ihr
ie Stabilisierung des Landes. Im Übrigen kommt mir in
er Medienlandschaft viel zu kurz, welche Aufbauarbeit
ort bereits geleistet wurde und dass sich die Bedingungen
ür die afghanische Bevölkerung in den letzten Jahren
pürbar gebessert haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch wir waren schon mehrfach in Afghanistan und
aben uns davon überzeugt. Wir haben mit afghanischen
arlamentarierinnen und Parlamentariern gesprochen.
s ist einfach so, dass sich die Lebensbedingungen für
ie Bevölkerung wesentlich verbessert haben. Die PRTs
eisten gerade im Norden einen hervorragenden Beitrag
azu. Dieser Beitrag darf aber nicht durch die immer pre-
ärer werdende Sicherheitslage in Afghanistan gefährdet
erden. Vergessen Sie bitte nicht: Beim Kommando
pezialkräfte handelt es sich um Spezialisten, die einen
norm hohen Einsatzwert besitzen, einen Wert, der, wie






(A) )



(B) )


Petra Heß
schon gesagt, Leben schützen kann und der nicht leicht-
fertig aufs Spiel gesetzt werden darf, schon gar nicht für
etwaige Profilierungsversuche.

Beide Mandate, ISAF und OEF, hat der Bundestag
2001 beschlossen, und beide Mandate wurden auch immer
wieder verlängert. Der Einsatz des KSK ist sinnvoll und
besonders wirksam, weil er als offensiver Akt unter OEF
und als fester, unverzichtbarer Beitrag zu ISAF nicht
wegzudenken ist. Die populistische, im Kern gegen die
USA zielende Forderung eines generellen Abzugs des KSK
entspricht nicht den Leistungen dieser Elite und gefährdet
zudem die Sicherheit der in Afghanistan stationierten
Soldatinnen und Soldaten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum zweiten
Antrag der Linksfraktion sagen. Selten habe ich zwei
Anträge gelesen, die so redundant waren wie die hier
vorliegenden. Zweimal die gleichen – es sind seit 2005
die gleichen – Argumente gegen das KSK; nur hält doppelt
hier nicht besser, sondern wirkt zweifach unglaubwürdig.

Aber der zweite Antrag geht noch weiter. Die Links-
fraktion hat mit dem KSK im ersten Antrag nur Anlauf
genommen, um im zweiten Antrag gleich noch die Beendi-
gung von OEF und der Operation Active Endeavour zu
fordern.


(Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])


Jetzt wird es interessant: Die Linksfraktion fordert nun
sogar, den Abzug der Bundeswehrkontingente im Rahmen
der OEF und der Operation Active Endeavour insgesamt
einzuleiten. Darüber hinaus sollen die für den militärischen
Einsatz vorgehaltenen Mittel für zivile Projekte vor Ort
verwendet werden.

Als Begründung führt die Linksfraktion die bereits im
ersten Antrag genannten Argumente an. Allerdings gip-
felt sie diesmal in der Behauptung, der Bündnisfall nach
Art. 5 des NATO-Vertrages und die ihm zugrunde lie-
gende Verteidigungssituation gemäß Art. 51 der UN-Charta
seien nicht gegeben.


(Frank Spieth [DIE LINKE]: Genau das ist der Fall!)


In der Tat beruht OEF nicht auf einem ausdrücklichen
Beschluss des UN-Sicherheitsrates, sondern auf dem
Recht zur kollektiven Selbstverteidigung der USA sowie
auf der Beistandspflicht der Bündnispartner der NATO.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Richtig!)


Art. 51 der UN-Charta gibt aber jedem Mitglied das
Recht auf Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten
Angriff, bis der UN-Sicherheitsrat geeignete Maßnahmen
zur Sicherung des internationalen Friedens getroffen hat.
Art. 5 des NATO-Vertrages wiederum sieht eine Beistands-
pflicht aller Bündnispartner vor, wenn einer von ihnen
im Sinne von Art. 51 der UN-Charta angegriffen wird.


(Zuruf des Abg. Frank Spieth [DIE LINKE])


Am 12. September 2001 hat der NATO-Rat beschlossen,
dass die Anschläge vom 11. September als Angriff auf
die USA im Sinne von Art. 51 der UN-Charta anzusehen

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(C (D ind, und bekräftige am 4. Oktober 2001 die Beistandsflicht der Bündnispartner. (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Das steht dort drin! – Bodo Ramelow [DIE LINKE]: Was hat das mit Afghanistan zu tun?)


Das hat etwas mit den Mandaten zu tun, deren Zurück-
ahme Sie fordern.

Der UN-Sicherheitsrat hat in der Resolution 1368 die
nschläge vom 11. September verurteilt und dabei aus-
rücklich das Recht zur individuellen und kollektiven
elbstverteidigung bekräftigt. In späteren Resolutionen
aben der UN-Sicherheitsrat und mit großer Mehrheit
uch die afghanische Bevölkerung die Rolle von OEF
ei der Sicherung der Wahlen in Afghanistan ausdrücklich
utgeheißen.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wie hat sie das gemacht? – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Jetzt aber nicht mehr!)


In anderen Resolutionen werden die internationalen
nstrengungen zur Bekämpfung des Terrorismus im
inklang mit der Charta der Vereinten Nationen aus-
rücklich unterstützt. Ich brauche nicht auf die weiteren
rtikel und UN-Beschlüsse einzugehen. Ich glaube, Sie
issen genau, worum es geht. Wie Sie hier vorgehen und

hren Antrag begründen, ist es die reine Heuchelei.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wie gesagt: OEF trägt dazu bei, dass ISAF gelingt.
ährend ISAF dazu beiträgt, die friedliche und demo-

ratische Entwicklung in Afghanistan zu fördern und
u festigen, gewährleistet OEF den Schutz vor einem
iedererstarken der Taliban und noch bestehender terro-

istischer Verbände. Lässt man diesen Zusammenhang
ewusst beiseite, um durch populistische Forderungen
uf sich aufmerksam machen zu können, gefährdet man
amit nicht nur den Wiederaufbau in Afghanistan, sondern
or allen Dingen die Sicherheit und das Leben unserer
m Einsatz befindlichen Soldatinnen und Soldaten. Das
eigt uns erneut Ihre außenpolitische Verantwortungs-
osigkeit.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Frank Spieth [DIE LINKE]: Wir halten sehr viel von der deutschen Verfassung!)


Im Übrigen wünsche ich Ihnen allen ein frohes Oster-
est.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609212000

Das Wort hat der Kollege Winfried Nachtwei für die

raktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609212100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

m November 2001 gab der Deutsche Bundestag den
uftrag an die Bundeswehr, sich an der Operation

Enduring Freedom“ zu beteiligen und dabei bis zu
00 Soldaten vom Kommando Spezialkräfte einzusetzen.
as galt für folgende drei Teilaufgaben: Führungs- und






(A) )



(B) )


Winfried Nachtwei
Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten,
Terroristen zu bekämpfen, gefangenzunehmen und vor
Gericht zu stellen sowie Dritte von der Unterstützung
terroristischer Aktivitäten dauerhaft abzuhalten.

Damals war uns genauso bewusst wie heute, dass eine
militärische Bekämpfung des Terrorismus natürlich
nicht die Hauptsache ist, dass es vielmehr auf viele andere
Maßnahmen – auf polizeiliche, geheimdienstliche und
strukturelle Maßnahmen – ankommt. Aber es wurde auch
deutlich, dass ein Spektrum an militärischer Bekämp-
fung unverzichtbar war angesichts des Ausmaßes der
terroristischen Infrastruktur in Afghanistan, der Unüber-
sichtlichkeit des Operationsgebietes und der Operations-
weisen dieser terroristischen Kämpfer.

Hätte man damals die Kräfte, die vor allem für die di-
rekte Terrorbekämpfung zuständig sind, nämlich Geheim-
dienstangehörige und Polizisten, dorthin geschickt, dann
wäre das absolut selbstmörderisch und verantwortungslos
gewesen. Daher kann man sagen, dass eine militärische
Bekämpfung unverzichtbar und notwendig war.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Der damals gewählte Kräfteansatz und -einsatz
machte aber deutlich, dass es mit dem großen Wort des
Bundeskanzlers Schröder von der uneingeschränkten
Solidarität, das viele zu Recht sehr unruhig gemacht hat,
in Wirklichkeit anders aussah. Das zeigt sich besonders
deutlich beim militärischen Beitrag der Bundesrepublik
zur Terrorismusbekämpfung: Der reale Beitrag ist sehr
gezielt, sehr maßvoll und sehr bedacht. Es ist immerhin
so – darauf hat schon vorhin ein Kollege hingewiesen –:
Es gibt im Grunde keine Waffengattung, mit der so prä-
zise und im Grunde so verhältnismäßig agiert werden
kann wie mit den Soldaten des Kommandos Spezial-
kräfte.

Die regierungsamtliche Totalgeheimhaltung macht
eine Bilanzierung praktisch unmöglich. Dafür leistet sie
allerdings auf der einen Seite allen möglichen Mythen
und auf der anderen Seite allen möglichen Generalver-
dächtigungen Vorschub. Jetzt müsste ich eigentlich im
Weiteren schweigen. Nur, als Politiker – Sie kennen
das – kann man nicht schweigen; man muss unbedingt
weiterreden. Ich kann immerhin ohne Geheimnisverrat
feststellen – –


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609212200

Kollege Nachtwei, gestatten Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Gehrcke?


(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Nein!)



Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609212300

Ja. Ich brauche Redezeit.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D Das dachte ich mir fast. Kollege Nachtwei, ich wollte Ihnen vor Ostern noch ine Freude machen. Deswegen frage ich Sie – ich habe xtra bis zu diesem Punkt gewartet –: Sie haben den uftrag des KSK verlesen. Ich erinnere mich daran, ass damals, als er erteilt worden ist, selbst der Auftrag ls geheim galt. Sind Sie, ohne dass Sie gegen die Geeimhaltung verstoßen, in der Lage, dem Parlament zu agen, ob das KSK seinen Auftrag, den es vom Parlaent erhalten hat, in Afghanistan eingelöst hat oder icht? Dazu möchte ich ohne Bruch der Geheimhaltungsvor chriften antworten: Es ist offenkundig, dass Führungsnd Ausbildungseinrichtungen terroristischer Kräfte usgeschaltet wurden. Wem das zuzuordnen ist, kann an nicht im Einzelnen sagen. Aber dieses erste Haupt iel wurde unstrittigerweise erfüllt. In „Spiegel“-Ausgaben aus früheren Jahren ist zu leen, dass KSK-Kräfte zur direkten Bekämpfung und Geangennahme mutmaßlicher Terroristen kaum bis gar icht beigetragen hätten. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das sagt der „Spiegel“ und nicht das Parlament!)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609212400
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609212500
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609212600

n diesem zweiten Spektrum ist das KSK nach diesen
ressemitteilungen offensichtlich weniger aktiv. Was die
ritte Frage angeht, komme ich jetzt unmittelbar dazu. –
ch danke Ihnen für diese zeitliche Beihilfe.

Bei aller grundsätzlichen Notwendigkeit der Opera-
ion „Enduring Freedom“ stellte sich nach unseren Fest-
tellungen die Art und Weise dieser Operation im Laufe
er Zeit allerdings als immer kontraproduktiver heraus.
urch die Art des Auftretens und der Operationsführung
urden Dritte eben nicht dauerhaft von der Unterstüt-

ung terroristischer Aktivitäten abgehalten. Es wurde of-
enkundig immer mehr das Gegenteil bewirkt. Deshalb
at unsere Fraktion im letzten Herbst der weiteren deut-
chen Beteiligung an „Enduring Freedom“ nicht zu-
estimmt. Dass der Verteidigungsminister – ich sage
ieder ausdrücklich: in der Öffentlichkeit – mitgeteilt
at, dass seit Oktober 2005 keine KSK-Kräfte mehr im
ahmen von „Enduring Freedom“ in Afghanistan sind,
alten wir für einen Schritt in die richtige Richtung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auf einem anderen Blatt allerdings steht der Einsatz
es Kommandos Spezialkräfte zum Schutz von ISAF-
räften im deutschen Operations- und Verantwortungs-

ereich im Rahmen von ISAF. Dieser Einsatz war und
st ausgesprochen sinnvoll und, wenn man sich bei deut-
chen ISAF-Soldaten umhört, ausgesprochen ge-
ünscht. Wie man von deutschen Soldaten in Einsatzge-
ieten hört, ist dieser Einsatz angesichts der ständigen
nschlags- und Angriffsdrohungen, denen sie ausgesetzt

ind – die Obleute des Verteidigungsausschusses haben






(A) )



(B) )


Winfried Nachtwei
das im letzten Oktober in Kabul selbst sehr nachdrück-
lich erlebt –, auch ausgesprochen erfolgreich.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


In solchen Gefährdungssituationen die Spezialfähigkei-
ten des KSK zu verweigern, ist unverantwortlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb lehnen wir die Anträge der Linksfraktion ab.

Zugleich mahne ich die Bundesregierung dringend,
die Totalgeheimhaltung in Sachen KSK auf das zum
Schutz von Operationen und Personen notwendige Maß
zu beschränken und sich mit dem Bundestag auf eine
echte und direkte Kontrolle von Spezialeinsätzen zu ei-
nigen. Das gebietet der Anspruch der Parlamentsarmee,
und es liegt nicht zuletzt im Interesse der Soldaten, von
denen die politische und militärische Führung den aller-
höchsten und riskantesten Einsatz verlangt und die nicht
im Regen stehen gelassen werden dürfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ansonsten wünsche ich nicht nur Ihnen und uns gute
Ostern, sondern in den drei vor uns liegenden sitzungs-
freien Wochen vor allem auch eine einigermaßen ruhige
Entwicklung in Afghanistan; denn die Situation ist dort
zurzeit sehr kritisch. Darin sind wir uns, wie ich glaube,
einig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609212700

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/4674 und 16/121 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf:

Aktuelle Stunde

auf Verlangen der Fraktion der LINKEN

Konsequenzen der Bundesregierung aus den
UN-Berichten des Sonderberichterstatters,
Vernor Muñoz, zum deutschen Bildungssys-
tem

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Hirsch für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Cornelia Hirsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609212800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lassen Sie mich aus dem Bericht des UN-Sonderbericht-
erstatters für das Recht auf Bildung, Vernor Muñoz, zur

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(C (D ituation des deutschen Bildungswesens zitieren. Er tellt fest: In Deutschland lebenden Mädchen und Junen wird das Recht auf Bildung vorenthalten. Wenn solch eine grundsätzliche Kritik am deutschen ildungswesen geübt wird, dann kann man nicht einfach ur Tagesordnung übergehen. Aber das ist in den Stelungnahmen der Bundesregierung leider der Fall. Als ir im Bildungsausschuss darüber diskutiert haben, hat ie Bildungsministerin erstens festgestellt, dass sie die anze Aufregung nicht verstehe; schließlich sei das echt auf Bildung formal verfassungsrechtlich abgesihert. Sie hat uns leider nicht erklärt, was das hilft, wenn uñoz in seinem Bericht feststellt, dass die Realität an ers aussieht. Die Ministerin hat zweitens festgestellt, dass die weentliche Kompetenz für die Verwirklichung des Rechts uf Bildung bei den Ländern liege. Sie hat aber auch in iesem Punkt nicht deutlich gemacht, was es hilft, nur it dem Finger auf die Länder zu zeigen, statt eigene aßnahmen zu ergreifen, wenn die bildungspolitische ituation bundesweit so fatal ist, dass das Recht auf Bilung eben nicht eingehalten wird. Der Gipfel der Ignoranz und Arroganz war die Festtellung, Muñoz habe die Situation in Deutschland nicht ichtig verstanden, insbesondere das Prinzip des geglieerten Schulsystems; insofern müsse man den Bericht icht so ernst nehmen. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Frau Hirsch, zumindest Sie haben es nicht verstanden!)


(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Von wem denn?)


Für die Linke halte ich fest: Das ist eine falsche, un-
ureichende und geradezu dreiste Reaktion, die wir in
ieser Form ablehnen.


(Beifall bei der LINKEN)


ir sind der Auffassung, dass sich auch das Parlament
er Verantwortung für eine solche grundsätzliche Kritik
tellen muss.

Ich möchte ein weiteres Zitat aus dem Bericht von
ernor Muñoz anführen. Er schreibt,

... dass hinter den Ungleichheiten im Bildungsbe-
reich eine soziale Ungleichheit steht, die über diese
hinausgeht und sie determiniert.


(Beifall bei der LINKEN)


iese soziale Ungleichheit ist nicht das Ergebnis der
chulpolitik in den Ländern, sondern sie ist das Ergebnis
onkreter politischer Entscheidungen, die Sie treffen.


(Beifall bei der LINKEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)


s ist unter anderem das Ergebnis Ihrer Steuerpolitik.
eute Vormittag haben wir über eine weitere Senkung
er Unternehmensteuer diskutiert. Man kann auch die
artz-Gesetzgebung anführen, mit der Sie darauf hin-
irken, dass immer mehr Menschen erpressbar werden






(A) )



(B) )


Cornelia Hirsch
und zu Niedrigstlöhnen arbeiten. Sie legen Regelsätze
fest, die klar zur Folge haben, dass immer mehr Kinder
und Jugendliche in diesem Land in Armut leben. Die
Zahlen sprechen für sich. In den Regelsätzen ist kein
einziger Euro für Schulsachen oder Tagesausflüge
vorgesehen. Der Regelsatz für Essen und Trinken eines
15-jährigen Mädchens beträgt nicht einmal 3 Euro pro
Tag. – Diese zutiefst unsoziale Politik lehnen wir ent-
schieden ab.


(Beifall bei der LINKEN)


Vor diesem Hintergrund muss man die Debatte über
die Schulstruktur noch einmal aufmachen. Wenn Sie sich
hier hinstellen und sagen, die Debatte über das geglie-
derte Schulsystem sei überzogen und gehöre gar nicht in
den Fokus der bildungspolitischen Diskussion, man
müsse einfach bei den einzelnen Schulformen ansetzen
und dafür sorgen, dass die Qualität jeder einzelnen
Schulform hoch ist, dann ist das einfach nur falsch und
verlogen.


(Beifall bei der LINKEN)


Muñoz hat festgestellt – das wurde auch in allen anderen
bildungspolitischen Studien über die Bundesrepublik
Deutschland immer wieder festgehalten –, dass Kinder
aus armen Schichten deutlich weniger Chancen haben,
auf ein Gymnasium oder eine Realschule zu kommen,
als Kinder aus reichen Schichten. Mit Ihrem verzweifel-
ten Festhalten am gegliederten Schulsystem versuchen
Sie nichts anderes, als die soziale Ungleichheit zu erhal-
ten und festzuzurren. Das finden wir falsch.


(Beifall bei der LINKEN)


Man kann in die Geschichte schauen, um Beispiele zu
finden, die das belegen. Wenn „Reichtum für wenige
und Ausgrenzung für viele“ nicht das gesellschaftspoliti-
sche Ziel Ihrer Politik wäre, sondern Sie Teilhabe für
alle erreichen wollten, dann bräuchte es keines geglie-
derten Schulsystems, keiner Hauptschule. Die DDR
hatte nicht ohne Grund ein integratives Schulsystem. So
wurde sichergestellt, dass alle Kinder zusammen lernen
können und keine Ausgrenzung erfolgt.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


Vernor Muñoz hat das in seinem Bericht sehr deutlich
beschrieben. Er hat gesagt, dass die Diskussion über das
mehrgliedrige Schulsystem „große Angst und Wider-
stand“ auslöst, „insbesondere Besorgnis über den Verlust
von Privilegien für diejenigen, die am meisten vom aktu-
ellen System profitieren“. Ihre Zwischenrufe bestätigen
dieses Problem.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir sind deshalb sehr froh, dass wir uns in Berlin ge-
gen die SPD durchgesetzt haben, damit es hier Modell-
projekte für ein längeres gemeinsames Lernen geben
kann.


(Jörg Tauss [SPD]: Was?)


Wowereit sagte noch im Wahlkampf, er unterschreibe
keinen Koalitionsvertrag, in dem „Gemeinschafts-

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(D chule“ steht. Wir sind froh, dass wir das jetzt trotzdem emeinsam umsetzen können. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ich kenne mich in Berlin besser aus als Sie!)


Wir wünschen uns, dass die Bundesregierung solche
ersuche unterstützt und nicht durch verlogene Argu-
ente versucht, solche Entwicklungen zu behindern.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609212900

Wir nehmen die Reden des Parlamentarischen

taatssekretärs Andreas Storm, des Kollegen Patrick
einhardt für die FDP-Fraktion, des Kollegen Jörg

auss für die SPD-Fraktion, der Kollegin Priska Hinz
Herborn) für die Fraktion des Bündnisses 90/Die
rünen und des Kollegen Marcus Weinberg für die
nionsfraktion zu Protokoll.1)

Das Wort hat der Staatsminister für Kultus des Frei-
taates Sachsen, Steffen Flath. Bitte.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1609213000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren Abgeordneten! Ich denke, es ist ganz gut, wenn
ch als Mitglied der Kultusministerkonferenz und aus
ändersicht, in deren Verantwortung die Bildungsfragen

n der Bundesrepublik überwiegend liegen, nach dieser
ede von Frau Hirsch zu dem Muñoz-Bericht einige An-
erkungen mache.

Sie müssen uns nicht mahnen. Seit Jahren beschäfti-
en wir uns in der Kultusministerkonferenz mit den Fra-
en, die Herr Muñoz – man sollte übrigens den gesamten
ericht lesen – angeführt hat.


(Jörg Tauss [SPD]: Zwar nicht immer erfolgreich, aber immerhin!)


Frau Bundesministerin, ich erinnere mich an die Zeit,
n der Sie in Baden-Württemberg Verantwortung getra-
en haben. Ich bin wahrlich nicht unglücklich darüber,
ass Sachsen nach 1990 das Schulsystem von Baden-
ürttemberg und Bayern und nicht das Schulsystem der
DR als Vorbild gewählt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ilse Aigner [CDU/CSU]: Gute Idee!)


Natürlich ist über einige Fragen, die Herr Muñoz in
einem ausführlichen Bericht aufwirft, zu reden. Das tun
ir auch. Im Zeitalter der medialen Verkürzung, in dem
ir leben, sind im Wesentlichen zwei Kritikpunkte öf-

entlich bekannt geworden; Frau Hirsch, Sie haben sie in
hrem Redebeitrag gerade stark betont. Das eine ist die
ritik am gegliederten Schulsystem. Hier sollten wir
einen Rückschritt machen. Die Kultusminister haben
ich viele Jahre sehr ausführlich über diese Frage gestrit-
en. Wir sind schon ein ganzes Stück weiter, da die Län-

Anlage 2






(A) )



(B) )


Staatsminister Steffen Flath (Sachsen)

der anerkennen, dass man, wenn Schule gut gemacht ist,
mit unterschiedlichen Schulformen zu einem sehr positi-
ven Ergebnis kommen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir in Sachsen haben nicht das dreigliedrige System;
wir haben uns für ein zweigliedriges entschieden. Wir
haben in der Mittelschule den Hauptschul- und den Real-
schulbildungsgang zu einer Schulart zusammengefasst.
Daneben haben wir die Gymnasien.


(Jörg Tauss [SPD]: Und die Welt ist nicht untergegangen!)


Damit komme ich zu dem zweiten Kritikpunkt, den
Herr Muñoz anführt, der Koppelung von Bildungserfolg
und sozialer Herkunft. Ich will mit einigem Stolz anfüh-
ren: Es ist einigen Bundesländern, unter anderem Sach-
sen, gelungen, mit der internationalen Spitzengruppe,
nämlich Finnland, Kanada und Japan, auf einer Stufe zu
stehen. Das fällt bei Ihnen, den Linken, unter den Tisch.

Jetzt erzähle ich Ihnen einmal, wie das in der DDR
war. Hätte Herr Muñoz jemals eine Schule in der DDR
besucht und dieselbe Elle angelegt, die er jetzt anlegt,


(Bodo Ramelow [DIE LINKE]: Schauen Sie sich einmal das finnische Schulsystem an!)


dann wäre er zu dem Ergebnis gekommen, dass dieses
System am Ende der DDR ein höchst sozial ungerechtes
Bildungssystem war. Ganze 10 Prozent der Arbeiter-
und Bauernkinder – so hat man damals immer gesagt –
haben noch das Abitur gemacht.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


Es war ein höchst selektives System. Man hat die Schü-
ler acht Schuljahre lang gemeinsam lernen lassen. Am
Ende der DDR hat man 8,9 Prozent der Schüler ausge-
wählt und diese dann zum Abitur geführt.


(Jörg Tauss [SPD]: Aber auch nur, wenn man nicht aufgefallen ist!)


Das ist keine Kunst. Sie sollten jetzt, bloß weil Ostern
ist, nicht so tun, als ob uns mit einer Auferstehung von
linken, ideologischen Patentrezepten geholfen wäre. Die
haben wir alle ausprobiert. Sie sind im Wesentlichen im
letzten Jahrhundert gescheitert.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es wäre erfreulich gewesen, wenn Herr Muñoz ein
bisschen gewürdigt hätte, dass wir insbesondere nach
PISA in den Ländern umfangreiche Bemühungen in die
Wege geleitet haben. Lassen Sie uns diesen Weg jetzt
unaufgeregt fortsetzen. Ich glaube, dass uns das mit un-
serem Bildungssystem gelingen kann.

Ich will hier einen kurzen Schwenk machen. Ich
durfte im letzten Jahr die Bundesrepublik beim G-8-
Treffen der Bildungsminister vertreten. Wissen Sie, was
mir in Moskau aufgefallen ist? In keinem anderen Land
dieser Erde wird so geringschätzig über das eigene Bil-
dungssystem gesprochen, wie sogenannte Bildungs-
experten in Deutschland es gelegentlich tun.

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(C (D (Bodo Ramelow [DIE LINKE]: Herr Muñoz ist kein Deutscher!)


assen Sie uns ruhig einmal mit ein bisschen mehr
elbstbewusstsein an dieses Problem herangehen!


(Beifall bei der CDU/CSU)


as würde den Schülern viel mehr Motivation geben als
mmerzu diese Schlagzeilen. Leider ist der Muñoz-Be-
icht zum Anlass genommen worden, um mehr Demoti-
ation in den Schulen zu verbreiten. Unsere Schulen,
nsbesondere die Schüler, brauchen Motivation. Daran
ollten wir arbeiten. Dann ist mir nicht bange, dass die
ingeleiteten Maßnahmen durchaus zu guten Ergebnis-
en führen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein ge-
egnetes Osterfest.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609213100

Das Wort hat die Kollegin Sevim Dağdelen für die

raktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609213200

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Da-

en und Herren! Heute vor einem Jahr haben sich die
ehrerinnen und Lehrer der Rütli-Schule an die Politik
ewandt und um Hilfe gebeten. Heute ist an der Rütli-
chule Tag der offenen Tür. Man hatte die Gelegenheit,
ich einen Überblick zu verschaffen über die schulischen
nd außerschulischen Aktivitäten, die an der Rütli-
chule angeboten werden. Man konnte sich einen direk-

en Einblick verschaffen.

Die Rütli-Schule wurde letztes Jahr zum Synonym für
as bildungspolitische Auslaufmodell in Deutschland:
as dreigliedrige Schulsystem.


(Beifall bei der LINKEN)


s hat uns eindringlich gezeigt, wozu Perspektivlosig-
eit und Armut führen können. Ich weiß, wovon ich
ede. Ich wohne nur ein paar Straßen von der Rütli-
chule entfernt.

Ich will Ihnen eines sagen, meine Damen und Herren,
or allem Ihnen, Frau Ministerin:


(Ilse Aigner [CDU/CSU]: Wer regiert denn in Berlin?)


ch kann, will und werde mich nicht damit abfinden,
ass wir in einem Land leben, in dem Zehnjährige be-
eits alle ihre Träume aufgegeben haben, weil sie wissen,
ass aus Hauptschülern in diesem Lande nichts wird.


(Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: In Berlin?)


as kann nicht unser bildungspolitischer Ansatz sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Recht auf Bildung ist nicht nur ein eigenständi-
es Menschenrecht, sondern auch ein zentrales Instru-






(A) )



(B) )


Sevim DaðdelenSevim Dağdelen
ment, um andere Menschenrechte wahrnehmen zu kön-
nen.


(Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Wie heißt der Kultusminister in Berlin?)


Umso kritikwürdiger ist es, wenn bestimmten Menschen
dieses Recht teilweise oder ganz vorenthalten wird. Ins-
besondere auf diesen Zusammenhang hat auch Herr
Muñoz in seinem Deutschlandreport deutlich hingewie-
sen. Wenn Kinder in Armut aufwachsen, ist die Wahr-
scheinlichkeit groß, dass sie in ihrer Schullaufbahn
Benachteiligungen erfahren. Umgekehrt mindert eine
geringe Bildung die Chancen der Menschen, an der Ge-
sellschaft zu partizipieren.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist völlig richtig!)


Zu den Betroffenen zählen in unserer Gesellschaft auch
die Kinder der Migrantinnen und Migranten, vor allem
die Kinder der Flüchtlinge. Sie leben in prekären sozia-
len und ökonomischen Verhältnissen.

Weil Sie das immer wieder zu leugnen versuchen,
möchte ich zur Illustration auf Folgendes hinweisen: Der
Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund, die vorzei-
tig eingeschult werden, ist um etwa ein Drittel geringer,
als es bei deutschen Kindern der Fall ist. Dagegen ist die
Zahl der Zurückstellungen bei diesen Kindern etwa dop-
pelt so hoch wie bei deutschen Kindern. Es machen dop-
pelt so viele von ihnen keinen Schulabschluss, und es
gehen doppelt so viele von ihnen auf die Hauptschule.
Das hat auch Auswirkungen darauf, wie viele von ihnen
die Fachhochschul- oder Hochschulreife erlangen, ob sie
eine Berufsausbildung machen und wie das spätere Er-
werbsleben verläuft.


(Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Wer regiert denn in Berlin?)


Ich möchte klarstellen: Die Linke teilt die Auffassung
von Herrn Muñoz, dass es sich dabei nicht um ein ethni-
sches Problem handelt, sondern um ein soziales Pro-
blem. Begreifen Sie das endlich!


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Sagen Sie den Menschen doch mal, wer in Berlin regiert!)


Dass dem so ist, das wird an den eklatanten Unterschie-
den im Hinblick auf die Lesekompetenz der Schüler
deutlich.


(Zuruf des Abg. Jörg Tauss [SPD])


– Ich möchte Ihnen eines sagen, Herr Tauss: Wenn Sie
darauf verweisen, dass Sie das schon seit PISA I und
PISA II wissen, und wenn Ihnen jetzt auch der Muñoz-
Bericht bekannt ist, dann muss ich Sie darauf aufmerk-
sam machen,


(Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Wer ist denn in Berlin Bildungssenator?)


was Brecht in „Das Leben des Galilei“ geschrieben hat:
Wer die Wahrheit nicht weiß, ist ein Dummkopf, aber
wer die Wahrheit kennt und sie einfach verleugnet, ist
ein Verbrecher.

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(C (D ch möchte Sie auffordern, diese Wahrheiten endlich anuerkennen und Konzepte zu entwickeln. (Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Wie heißt denn der Senator? Sagen Sie das doch mal! – Jörg Tauss [SPD]: Es gibt bereits Ganztagsschulen und Ähnliches!)


(Beifall bei der LINKEN)


Selbstverständlich sind auch wir für die Ganztags-
chule und für die Einführung eines Rechtsanspruchs auf
ostenlose Kita- und Kindergartenplätze, und das nicht
rst im letztem Jahr.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Macht es doch in Berlin! Das ist doch verlogen, sich hier hinzustellen und so etwas von sich zu geben!)


achen Sie uns das erst einmal nach.

Ich möchte mit Blick auf unsere lieben Zuschauerin-
en und Zuschauer sagen, dass man, wenn man sich die
iste der Rednerinnen und Redner ansieht, auf eine Un-
rt aufmerksam wird: Herr Staatssekretär Andreas Storm
st anwesend, hat seine Rede aber zu Protokoll gegeben.
err Jörg Tauss von der SPD ist anwesend, hat seine
ede aber auch zu Protokoll gegeben. Gleiches gilt für
errn Swen Schulz. – Wenn Sie hier im Parlament an-
esend sind und an dieser Debatte teilnehmen können,
ann sollten Sie auch mit uns über den überaus wichti-
en Bericht von Herrn Muñoz debattieren.


(Dr. Claudia Winterstein [FDP]: Wer hat seine Rede denn zuerst zu Protokoll gegeben? Sagen Sie das doch auch einmal, Frau Kollegin!)


Sehr geehrte Damen und Herren, es sind nicht nur die
inder der Migrantinnen und Migranten, deren Men-

chenrecht auf Bildung in Deutschland beschnitten wird.
as selektive Bildungssystem der Bundesrepublik
renzt auch Menschen mit Behinderungen aus. Herr
uñoz hat am 19. Februar 2007 einen gesonderten Be-

icht zur Situation der Schülerinnen und Schüler mit Be-
inderungen vorgelegt. Vor dem UN-Menschenrechtsrat
n Genf forderte er die deutsche Politik auf, endlich die
robleme der Ausgrenzung von Menschen mit Behinde-
ungen und des Abschiebens dieser Kinder und Jugendli-
hen in Sonderschulen aufzugreifen und geeignete
chritte zu unternehmen, um gerechte und gleiche Lern-
edingungen zu schaffen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Um für alle Kinder und Jugendlichen einen diskrimi-
ierungsfreien Zugang zu Bildung sicherzustellen, be-
arf es eines Bildungssystems, das an den individuellen
ildungsbedürfnissen anknüpft.


(Ilse Aigner [CDU/CSU]: Jetzt wissen wir aber immer noch nicht, wer in Berlin regiert! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Dann fangt doch in Berlin damit an!)


ine Abschiebung und Aussonderung der Kinder von
igrantinnen und Migranten in Sonderschulen aufgrund






(A) (C)



(B) (D)


Sevim Daðdelen

fehlender bzw. mangelhafter Sprachkenntnisse ist nicht
hinnehmbar. Ebenso ist es nicht hinnehmbar, dass Kin-
der mit motorischen Behinderungen allein deshalb, weil
die entsprechenden Vorrichtungen fehlen, abgeschoben
und ausgegrenzt werden.


(Beifall bei der LINKEN – Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Die Redezeit ist zu Ende, Frau Präsidentin!)


Ziel muss ein Bildungssystem sein, das die Individualität
und die unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder
zum Ausgangspunkt der Pädagogik macht und ihre indi-
viduelle Förderung damit verbindet, dass mit- und von-
einander gelernt wird.

Abschließend möchte ich noch kurz anmerken – –


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609213300

Das geht wirklich nicht mehr, Kollegin Dağdelen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


– Das ist kein Grund für Beifallsbekundungen, sondern
schlicht der Geschäftsordnung und der Verabredung zwi-
schen den Fraktionen geschuldet.


Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609213400

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609213500

Wir haben die Reden des Kollegen Swen Schulz


(Spandau) von der SPD-Fraktion, der Kollegin Dorothee

Bär von der Unionsfraktion, der Kollegin Gesine
Multhaupt von der SPD-Fraktion, des Kollegen Uwe
Schummer von der Unionsfraktion und der Kollegin
Renate Schmidt (Nürnberg) von der SPD-Fraktion zu
Protokoll genommen.1)

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 25. April 2007, 13 Uhr ein.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen eine
gute Heimreise, ein erfolgreiches Wochenende und na-
türlich ein wunderschönes Osterfest.