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    Plenarprotokoll 16/92 Antrag der Abgeordneten Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Unter- nehmensteuerreform für Investitionen und Arbeitsplätze (Drucksache 16/4855) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peer Steinbrück, Bundesminister BMF . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Roland Koch, Ministerpräsident (Hessen) . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg-Otto Spiller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . zur Änderung der Strafprozessord- nung) (Drucksache 16/3827) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Reform der Telefonüberwachung zügig umsetzen (Drucksache 16/1421) . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 9337 B 9337 D 9340 D 9343 A 9345 D 9347 B 9349 D 9360 C 9360 D 9361 A 9362 A 9364 C 9364 D Deutscher B Stenografisch 92. Sitz Berlin, Freitag, den I n h a l Tagesordnungspunkt 26: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Unternehmensteuer- reformgesetzes 2008 (Drucksache 16/4841) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Unternehmen leistungsge- recht besteuern – Einnahmen der öf- fentlichen Hand stärken (Drucksache 16/4857) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: O D O R T a 9337 B 9337 B Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 9351 A 9352 B undestag er Bericht ung 30. März 2007 t : skar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . r. Ingolf Deubel, Staatsminister (Rheinland-Pfalz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . tto Bernhardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . einhard Schultz (Everswinkel) (SPD) . . . . . agesordnungspunkt 27: ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Jerzy Montag, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Telekom- munikationsüberwachung (... Gesetz 9354 A 9355 D 9357 A 9358 C 9359 B Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 9365 B 9366 C II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Uwe Benneter (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralf Göbel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Engpässe beim grenzüberschreitenden Stromhandel abbauen – Wettbewerb auf dem Elektrizi- tätsmarkt intensivieren (Drucksache 16/3346) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: Antrag der Abgeordneten Oskar Lafontaine, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Steuerpflichtige mit mehr als 500 000 Euro Einkommen gleichmäßig und regelmäßig prüfen (Drucksache 16/3699) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . Gabriele Frechen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Abgeordneten Alexander Bonde, Winfried Nachtwei, Jürgen Trittin, weiterer A N w h ( A D E G P T a b W R D P W Z A d r d d C S S N 9368 B 9370 C 9371 A 9371 B 9372 C 9374 A 9375 B 9376 B 9378 B 9378 D 9380 D 9381 A 9381 D 9383 C 9384 A 9385 C 9386 B 9386 C 9387 C 9389 C 9390 C 9391 B 9392 C bgeordneter und der Fraktion des BÜND- ISSES 90/DIE GRÜNEN: US-Raketenab- ehr und Europa – Gemeinsame Sicher- eit und Abrüstung fördern Drucksache 16/4854) . . . . . . . . . . . . . . . . . . lexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU) lke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . aul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . agesordnungspunkt 31: ) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Einsatz des Kom- mandos Spezialkräfte in Afghanistan beenden (Drucksache 16/4674) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Monika Knoche, Dr. Norman Paech, Paul Schäfer (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Das Mandat für die Operation Enduring Freedom been- den – Einsätze des Kommandos Spezial- kräfte in Afghanistan einstellen (Drucksache 16/121) . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . uprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . r. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . etra Heß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . infried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 6: ktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion er LINKEN: Konsequenzen der Bundes- egierung aus den UN-Berichten des Son- erberichterstatters, Vernor Muñoz, zum eutschen Bildungssystem ornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . teffen Flath, Staatsminister (Sachsen) . . . . . evim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9393 C 9393 D 9394 C 9396 B 9397 B 9398 C 9399 A 9399 C 9399 D 9400 D 9401 D 9403 A 9404 A 9405 D 9406 C 9407 B 9408 C 9409 C 9411 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 III Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Aktuellen Stunde: Konsequenzen der Bundesregierung aus den UN-Berichten des Sonderbericht- erstatters, Vernor Muñoz, zum deutschen Bil- dungssystem (Zusatztagesordnungspunkt 6 ) Andreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Gesine Multhaupt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Schummer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD) . . . . . . . . Anlage 3 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9413 A 9413 D 9414 C 9415 C 9416 B 9417 A 9417 D 9418 C 9419 A 9419 D 9420 B 9421 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 9337 (A) ) (B) ) 92. Sitz Berlin, Freitag, den Beginn: 9.0
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    1) Anlage 2 Sevim Dağdelen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 9413 (A) ) (B) ) wegs ein „vernichtendes Urteil“, wie das bisweilen zu Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf vor- gestellt. Herrn Professor Muñoz ist für seinen Bericht zu dan- ken. Über das deutsche Bildungssystem fällt er keines- Müller-Sönksen, Burkhardt FDP 30.03.2007 Nitzsche, Henry fraktionslos 30.03.2007 Anlage 1 Liste der entschuldigt A d 2 D B f g Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 30.03.2007 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.03.2007 von Bismarck, Carl-Eduard CDU/CSU 30.03.2007 Blumentritt, Volker SPD 30.03.2007 Bulmahn, Edelgard SPD 30.03.2007 Ernst, Klaus DIE LINKE 30.03.2007 Ernstberger, Petra SPD 30.03.2007 Friedhoff, Paul K. FDP 30.03.2007 Glos, Michael CDU/CSU 30.03.2007 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 30.03.2007 Gröhe, Hermann CDU/CSU 30.03.2007 Heinen, Ursula CDU/CSU 30.03.2007 Hilsberg, Stephan SPD 30.03.2007 Hörster, Joachim CDU/CSU 30.03.2007 Humme, Christel SPD 30.03.2007 Ibrügger, Lothar SPD 30.03.2007 Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 30.03.2007 Lehn, Waltraud SPD 30.03.2007 Dr. Lötzsch, Gesine DIE LINKE 30.03.2007 Lopez, Helga SPD 30.03.2007 Mattheis, Hilde SPD 30.03.2007 Meckel, Markus SPD 30.03.2007 Merten, Ulrike SPD 30.03.2007 O P P R R S S S S T T W W A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht en Abgeordneten nlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Aktuellen Stunde: Konsequenzen der Bun- desregierung aus den UN-Berichten des Sonder- berichterstatters, Vernor Muñoz, zum deutschen Bildungssystem (Zusatztagesordnungspunkt 6 ) Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bun- esministerin für Bildung und Forschung: Im Februar 006 hat UN-Sonderberichterstatter Vernor Muñoz eutschland bereist, um sich ein Bild vom deutschen ildungssystem zu machen. Eine gute Woche war Pro- essor Muñoz seinerzeit in unserem Land. In der vergan- enen Woche hat er seinen offiziellen Bericht vor dem tto (Frankfurt), Hans- Joachim FDP 30.03.2007 ieper, Cornelia FDP 30.03.2007 ronold, Florian SPD 30.03.2007 aidel, Hans CDU/CSU 30.03.2007 unde, Ortwin SPD 30.03.2007 chäfer (Bochum), Axel SPD 30.03.2007 chily, Otto SPD 30.03.2007 chmidt (Mülheim), Andreas CDU/CSU 30.03.2007 teppuhn, Andreas SPD 30.03.2007 hiele, Carl-Ludwig FDP 30.03.2007 hönnes, Franz SPD 30.03.2007 ellenreuther, Ingo CDU/CSU 30.03.2007 olf (Frankfurt), Margareta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.03.2007 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 9414 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 (A) ) (B) ) lesen war. Er stellt vielmehr fest, dass sich seit Jahrzehn- ten die Bildungsbeteiligung und das allgemeine Bil- dungsniveau in Deutschland kontinuierlich verbessern und die Nachfrage nach höherwertigen Bildungsab- schlüssen wächst. Er betont den „hohen Entwicklungs- stand“ unseres Bildungssystems und lobt auch die Maß- nahmen von Bund und Ländern, um noch besser zu werden. Besser werden kann und muss man immer. KMK-Präsident Zöllner hat völlig recht, wenn er sagt: „Die Diskussion über Schulformen ist sekundär. Es gibt keinerlei eindeutige Belege, ob das gegliederte oder das integrierte Schulsystem besser ist. Auch das dreiglie- drige Schulsystem kann Durchlässigkeit gewährleisten. Wenn man allein Diskussionen um die Schulformen führt, kommt man in der Bildungspolitik keinen Schritt nach vorne.“ Worauf es vielmehr ankommt, ist die stärkere indivi- duelle Förderung des einzelnen Kindes. Die besonderen Anforderungen, die an unsere Schulen gestellt werden – zum Beispiel bei der Integration von Kindern und Ju- gendlichen aus sozial schwachen Familien oder jenen mit Migrationshintergrund –, kennen wir. Der im ver- gangenen Jahr von der Bundesregierung gemeinsam mit der KMK vorgelegte Nationale Bildungsbericht widmete sich ausführlich dem Thema „Bildung und Migration“. Das Recht auf Bildung für Menschen mit Behinderung setzen wir in Deutschland so gut um wie nirgendwo sonst. Und die Rolle der Sprachförderung in der früh- kindlichen Bildung haben wir auch ohne diesen Bericht erkannt. Gerade das duale System aus betrieblicher und schuli- scher Ausbildung trägt seinen Teil dazu bei. Ein Viertel der höheren Schulabschlüsse werden in der beruflichen Bildung erworben. So hat zum Beispiel Schweden jetzt ankündigt, sein international so hoch gelobtes Schulsys- tem zu reformieren. Vorbild ist das angeblich so schlechte deutsche Bildungssystem. Bildung ist die soziale Frage der Gegenwart. Bildung schafft die Voraussetzung dafür, dass niemand zum Mo- dernisierungsverlierer wird. Und zwar in zweifacher Hinsicht: Bildung ist der Schlüssel für kulturelle, sozia- le, ökonomische und politische Chancen zur Teilhabe, für individuelle Lebenschancen und für die gesellschaft- liche Entwicklung. Bildung formt nicht nur die Identität eines Menschen und gibt ihm einen kulturellen Halt in der modernen Welt. Bildung legt auch das Fundament, damit sich jeder einzelne nach seinen Fähigkeiten entfal- ten kann. Deshalb passen Bund und Länder gemeinsam unser Bildungssystem an die Herausforderungen der Zukunft an. Denn Bund und Länder haben aus den vielfältigen Studien der letzten Jahre die richtigen Schlüsse gezogen. Ich möchte hier nur die Bildungsberichterstattung nennen: Sie ist Teil eines umfassenden Monitoringsys- tems, zu dem auch Vergleichsuntersuchungen wie zum Beispiel PISA und Beiträge der Bildungsforschung ge- hören. Den nächsten Bildungsbericht erwarten wir im nächsten Jahr zum Themenfeld: „Übergänge Schule-Be- rufsausbildung-Hochschule-Arbeitsmarkt“. R d w f A n b B s e u s d d w N ü s o b w v B d d c w b D g g e u s d l K s s d d d s 6 a d s b D w s (C (D Eine Gesellschaft, die in Lernen und Leistung nur ein elikt aus alten Zeiten sieht, kann Schulen so viel Bil- ungsreformen verordnen wie sie will. Sie wird den ge- ünschten Erfolg nicht erzielen. Es kann nicht sein, dass ast jeder Zehnte die Schule ohne Abschluss verlässt. uch läuten ein Schulabschluss oder der Gesellenbrief icht das Ende des Lernens sein. Wir müssen Leistung würdigen und belohnen. Dafür rauchen wir einen Mentalitätswandel. Die Stärke eines ildungssystems hat etwas mit dem Klima in einer Ge- ellschaft zu tun. Da geht es nicht um Strukturen, da geht s viel grundlegender um den Stellenwert von Lernen nd Leistung in der Gesellschaft, da geht es um das An- ehen all jener, die sich um die Bildung und Erziehung er Kinder und Jugendlichen kümmern. Wenn der Bericht von Professor Muñoz dem dient, ann hat er einen wichtigen Beitrag geleistet. Patrick Meinhardt (FDP): Es ist schon bemerkens- ert: Da kommt ein Sonderberichterstatter der Vereinten ationen nach Deutschland, um sich einen Überblick ber unser Bildungssystem zu verschaffen. Er trifft Ent- cheidungsträger aus Politik, Lehrerverbänden, Eltern- rganisationen, Schüler und Studenten. Ein Riesenwir- el wird veranstaltet. Der Sonderberichterstatter reist ieder ab und legt nun, ein Jahr später, seinen Bericht or. Zunächst muss man feststellen, dass Muñoz in seinem ericht – ganz unabhängig von der Frage, ob der Son- erberichterstatter die deutsche Bildungslandschaft in er ihm zur Verfügung stehenden Zeit wirklich in ausrei- hender Ausführlichkeit begutachten konnte – wenig irklich Neues zu bieten hat. So wird in dem Bericht eispielsweise hinterfragt, ob es sinnvoll ist, dass in eutschland die Gliedrigkeit so unterschiedlich ist. Es ibt Länder mit einem dreigliedrigen Schulsystem, es ibt Länder mit einem zweigliedrigen Schulsystem und s gibt leider auch Länder, die den Weg wieder für die ralte und schon längst überkommene Einheitsschule be- chreiten wollen. Das Problem unseres Bildungssystems ist doch nicht ie Gliedrigkeit, sondern die häufig mangelnde Durch- ässigkeit. Wir haben die „wundervolle“ Einrichtung der ultusministerkonferenz. Die ureigenste Aufgabe die- er Konferenz ist es, für Durchlässigkeit und die gegen- eitige Anerkennung der Abschlüsse im deutschen Bil- ungssystem zu sorgen. Wenn Herr Muñoz jetzt zu dem och sehr überraschenden Schluss kommt, dass eben iese beiden Punkte bei uns nur unzureichend erfüllt ind, muss man deutlich sagen, dass die KMK seit bald 0 Jahren grandios gescheitert ist. Dieser neue Bericht zeigt deutlich: Uns fehlt es nicht n Erkenntnissen über die Mängel des deutschen Bil- ungssystems. Die sind uns alle längst bekannt. Wir müs- en endlich wegkommen von diesen ewigen Strukturde- atten. Wie häufig wollen wir eigentlich noch föderale ebatten führen? Wir brauchen Diskussionen darüber, as die Inhalte der Bildung unserer jungen Menschen ein sollen! Welches Wissen wollen wir vermitteln? Wel- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 9415 (A) ) (B) ) che Werte wollen wir vermitteln? Wie können wir den Schülerinnen und Schülern am besten Lernen beibrin- gen? Aber auch: Wie können wir Kindergärten und Kin- dertagesstätten zu wirklichen Bildungseinrichtungen ma- chen, ohne sie zu verschulen? Integrativer Unterricht, Unterricht mit stärkerem Mi- grationshintergrund, Förderung von e-learning und Fern- unterricht auch im schulischen Bereich, Stärkung einer privaten Bildungslandschaft: Die Reglementierungen in diesen Bereichen werden von uns Liberalen seit langem kritisiert. Diese Reglementierungen werden jetzt auch im Bericht von Señor Muñoz kritisiert. Wir Liberale füh- len uns dadurch bestätigt. Dass in dieser Diskussion ein Wettbewerb um die beste Bildung hilft, ist doch völlig klar. Wir brauchen keinen von oben diktierten einheitlichen Bildungsbrei. Die Chancen, dass wir die beste Bildung bekommen, sind viel höher, wenn 16 Bundesländer in einen Wettbe- werb um die beste Bildung treten, als wenn nur eine Bundesregierung daran arbeitet. Seien wir doch froh, dass die meisten Länder gerade dabei sind, die besten Modelle für sich zu finden, und lassen wir ihnen und vor allem den Schulen die Zeit, Ergebnisse zu setzen. Genau deswegen soll die Bundesrepublik Deutschland in der Schulpolitik wettbewerbsföderalistisch sein. PISA 2 hat gezeigt, dass genau dieser Grundgedanke die beste Grundlage für eine bessere Bildungspolitik ist. Hören wir endlich auf, jeden Tag neu in diesem Hohen Haus das Trauerlied auf die nicht vorhandene Bundeszustän- digkeit zu singen. Schule ist Ländersache, Schule bleibt Ländersache – Punkt. Auch die Forderung nach einer stärker pädagogischen und nicht nur fachlichen Ausrichtung der Ausbildung der „Helden des Alltags“ – wie sie unser Bundespräsi- dent genannt hat –, der Lehrer, und einem guten, wirk- lich guten Weiterbildungsangebot für Erzieherinnen und Erzieher ist bekannt. Die „Qualifizierung der Qualifizie- rer“ muss ein zentrales Thema sein. Dem fühlen wir Li- berale uns verpflichtet. Wir Liberale fühlen uns außerdem an einem ganz zen- tralen Punkt des Muñoz-Berichts bestätigt: Er stellt fest, dass die deutschen Schulen im OECD-Vergleich wesent- lich weniger autonom sind als Schulen in anderen Län- dern. In der Arbeitsübersetzung des Berichts heißt es wörtlich: „Gemessen am PISA-lndex für Schulautono- mie verfügen deutsche Schulen über eine geringere Au- tonomie als die anderen OECD-Schulen im Durch- schnitt.“ Wir fordern schon seit langem mehr Freiheit vor Ort und mehr Eigenverantwortlichkeit für die Schu- len. Die Schulen wissen in enger Kooperation mit Schü- lern und Lehrern selbst am besten, was gut für sie ist. Schulen brauchen deutlich mehr Entscheidungsfreihei- ten bei Personalangelegenheiten, Budgetfragen, sowie Unterrichtsinhalten und -methoden. Bundesländer wie Baden-Württemberg und Nord- rhein-Westfalen, Niedersachsen machen uns vor, wie er- folgreich Aufgaben von Verwaltungen von Landes- und Kommunalebene direkt auf Schulen übertragen werden können und wie so eine Diskussion in Gang gesetzt wer- den kann. Denn eines ist auch klar: Es ist bei den führen- d s m r d s s e u a d a ü n i w N g z l B R s t u e b L S d e a g d m d n s u g S c d r S K b a B g i i s s (C (D en PISA-Ländern ein klarer Zusammenhang darin zu ehen, wie gut sie abgeschnitten haben und wie viel ehr Eigenverantwortlichkeit sie ihren Schulen einge- äumt haben. Lassen wir die Strukturdebatten endlich sein. Nicht ie Menschen müssen sich dem Bildungssystem anpas- en, sondern das Bildungssystem muss sich den Men- chen anpassen. Jörg Tauss (SPD): Man sollte sich bei Herrn Muñoz ntschuldigen. Viele Reaktionen auf seine sachlichen nd konstruktiven Anregungen sind unverständlich und rrogant. Wenigstens in einem Punkt haben die vielen Kritiker es Berichts von Professor Vernor Muñoz Villalobos ber völlig recht: Der Bericht enthält wenig Erkenntnisse ber den Zustand unseres Bildungssystems, die wirklich eu sind. Das Schlimme ist nur, dass daraus noch nicht n allen Ländern die richtigen Konsequenzen gezogen orden sind. Nicht erst seit PISA, IGLU und auch dem ationalen Bildungsbericht sind die negativen Wirkun- en unseres überwiegend dreigliedrigen, früh differen- ierenden Schulsystems bekannt. Es selektiert die Schü- erinnen und Schüler viel zu früh in zumeist drei ildungsgänge, wobei die Durchlässigkeit oft nur in eine ichtung gegeben ist – nämlich nach unten. Junge Men- chen aus sozial schwachen Familien oder mit Migra- ionshintergrund haben bei uns bei gleicher Befähigung nd Begabung schlechtere Bildungschancen. Insgesamt rreichen unsere Schülerinnen und Schüler auch in den esten Bundesländern nur knapp den Durchschnitt der eistungen der Schülerinnen und Schüler in anderen taaten. Und weiterhin ist trotz intensiver Beschulung ie Integrationsquote von Menschen mit Behinderungen twa in den regulären Arbeitsmarkt viel zu niedrig. Dies alles ist nicht neu – aber eben nach wie vor Re- lität in Deutschland. Insofern sollte nicht der Überbrin- er der abermaligen schlechten Botschaft kritisiert wer- en, sondern die weiterhin bestehenden Missstände. Wir öchten Herrn Professor Muñoz Villalobos daher dafür anken, dass er das deutsche Bildungssystem mit all sei- en föderalen Untiefen und bildungspolitischen Ver- chränkungen sowie auch Stärken wie Schwächen fair nd sachorientiert erfasst hat. Es ist ihm außerordentlich ut gelungen. Weiterhin gilt es in Deutschland, die richtigen chlüsse aus den vorliegenden und zukünftigen Untersu- hungen zu ziehen. So erwarten wir im Herbst 2007 die ann dritte PISA-Untersuchung. Diese Aufforderung ichtet sich natürlich in erster Linie an die Länder, die für chulfragen zuständig sind. Die Stellungnahme der MK verweist zu Recht darauf, dass die Länder die Pro- leme unseres Bildungssystems bereits an vielen Stellen uch in Angriff genommen haben. Nicht zuletzt der und hat mit dem erfolgreichen Ganztagsschulpro- ramm, das in der Großen Koalition verlängert worden st, einen wichtigen Beitrag dazu leisten können. Er hat nsgesamt 4 Milliarden Euro für den Ausbau von schuli- chen Ganztagesangeboten bis 2009 zur Verfügung ge- tellt. Dennoch dürfen wir in unseren Anstrengungen 9416 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 (A) ) (B) ) nicht nachlassen, wenn wir es mit der Chancegleichheit in der Bildung, der Integration sowohl von jungen Mi- grantinnen und Migranten als auch von Menschen mit Behinderung ernst meinen. Dies ist nicht nur eine Frage der Zukunft der Haupt- schule, wie es gegenwärtig oft diskutiert wird. Die Se- lektivität unseres Schulsystems ist nach wir vor vielmehr ein grundlegendes Problem, das soziale Benachteiligun- gen direkt in schlechtere Bildungschancen hinein verlän- gert. Dies ist ein bildungspolitischer Skandal und kann nicht oft genug thematisiert werden. Die SPD-Bundes- tagsfraktion steht hier klar an der Seite der bildungsbe- nachteiligten Schülerinnen und Schüler und unterstützt nachdrücklich die Forderung nach einem möglichst lan- gen gemeinsamen Lernen in den Schulen. Die Empfehlungen von Herrn Professor Muñoz Villalobos sollten Bund und Länder daher ernst nehmen und auf den jeweiligen politischen Ebenen auf ihre Um- setzbarkeit prüfen. Das heißt natürlich nicht, dass wir alle Empfehlungen eins zu eins umsetzen müssen. So lehnen wir etwa den Vorschlag von Professor Muñoz Villalobos zum Homeschooling in Übereinstimmung mit der KMK ab. Kinder und Jungendliche sollten nicht in Parallelgesellschaften und Nischen aufwachsen, sondern in ihrem Schulalltag die Werte einer offenen, demokrati- schen und pluralen Gesellschaft gemeinsam erleben. Dennoch bleibt die intensive Prüfung der weiteren Emp- fehlungen unverzichtbar. Dies gebietet bereits sowohl der Respekt vor dem Auftrag des UN-Sonderbericht- erstatters als auch die unüberschätzbare Bedeutung der Chancengleichheit in der Bildung für die Zukunft vieler junger Menschen. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Zunächst einmal stimmt es mich sehr nachdenk- lich, wie so mancher politische Repräsentant dieses Lan- des sich im Umgang mit internationalen Gremien gebärdet. Da hören wir, wie sich der Sprecher des nord- rhein-westfälischen Kultusministeriums ereifert, Herr Muñoz habe „offenbar das deutsche Bildungssystem nicht verstanden“, sein Bericht sei „völlig unbrauchbar für die bildungspolitische Diskussion“. Oder der Kultus- minister des Saarlandes empört sich darüber, das deut- sche Bildungssystem sein doch „kein Fall für Amnesty International“. Hier zeigen sich Ignoranz und auch Missachtung ge- genüber einem Gremium der Vereinten Nationen, die aus unserer Sicht nicht hinnehmbar sind. Wir erwarten eine deutliche Positionierung der Bundesregierung und keine Stellungnahme à la „In unserem Bildungssystem ist schon alles in Ordnung“ wie von Herrn Steiner vor der UN. Die Bundesregierung muss klarmachen, dass sie UN-Gremien und ihre Berichterstatter ernst nimmt und Berichtsergebnisse nicht mit dem lapidaren Verweis auf „Verständnisschwierigkeiten aufgrund soziokultureller Interpretationsunterschiede“ abtut, wie die Kultusminis- terkonferenz dies in ihrem internen Bericht nach der Reise von Herrn Muñoz getan hat. Nun zum Inhalt des Berichts. Ein zentraler Kritik- punkt von Professor Muñoz ist, dass das deutsche Schul- s l W n h n E S s d D d r d k e n u d s d d l r l z d b S d l a W s m s l d g g n a w l T v d h n E d K (C (D ystem zu „selektiv sei“ und man doch die frühe Auftei- ung der Schülerinnen und Schüler überdenken solle. enn sich nun der amtierende Präsident der Kultusmi- isterkonferenz, Herr Zöllner, hinstellt und im Fernse- en verbreitet, das dreigliedrige Schulsystem böte „ge- ügend Durchlässigkeit“, so ignoriert er nicht nur die rgebnisse zahlreicher nationaler und internationaler tudien, sondern auch Resultate eines Berichts, den er elbst mit in Auftrag gegeben hat. Im Nationalen Bil- ungsbericht 2006 heißt es nämlich auf Seite 53: „Die urchlässigkeit [im deutschen Bildungssystem] ist in er Praxis eher gering sowie überwiegend abwärts ge- ichtet.“ Da hilft auch das schöne Reden von der indivi- uellen Förderung nichts, das inzwischen ja sogar die onservativen Lehrerverbände beherrschen. Individu- lle Förderung ist gut, wichtig und richtig. Aber sie ist icht umsetzbar, wenn man Kinder mit zehn Jahren auf nterschiedliche Schulformen verteilt. Auch die Bundesregierung könnte sich hier öffentlich eutlicher äußern; in ihren eigenen Berichten tut sie dies chon. So ist im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Bil- ung/Arbeit für den Integrationsgipfel, die unter der Fe- erführung von Herrn Müntefering tagte, zu lesen: Eine frühzeitige Aufteilung auf Schulformen er- schwert im weiteren Verlauf eine Integration und die Erfolgschancen von Kindern aus sozial benach- teiligten und zugewanderten Familien. Zurzeit gibt es eine Negativauslese. Sozial benachtei- igte und Migrantenkinder werden nach unten durchge- eicht. Die Ergebnisse können Sie in vielen Hauptschu- en besichtigen. Daher ist unser System nicht mehr ukunftsfähig. Heute ist es übrigens ein Jahr her, dass er Brief der Lehrerinnen und Lehrer der Rütli-Schule ekannt wurde, die die Abschaffung ihrer eigenen chule forderten. Es ist ein Fakt – das belegen alle Stu- ien über das deutsche Bildungssystem – dass der sozia- e Hintergrund den Bildungserfolg bestimmt. Hier allein uf bessere Sprachkompetenz zu setzen, reicht nicht aus. ir brauchen echte Bildungsgerechtigkeit durch umfas- ende Bildungsangebote. Muñoz kritisiert in seinem Bericht auch den Umgang it behinderten Kindern, die selten eine Regelschule be- uchen, derzeit nur 12 Prozent. Die Bundesregierung ässt durch ihren Botschafter Steiner lapidar mitteilen, as sei doch alles kein Problem. Für behinderte Kinder elte die Schulpflicht, und überhaupt hätten wir doch ute Sonderpädagoginnen und -pädagogen. Das ist zy- isch. Behinderte Kinder werden bei uns systematisch usgegrenzt, weil sie auf Sonderschulen abgeschoben erden. Diese mögen im Einzelnen eine sehr gute Arbeit eisten, aber es ist und bleibt ein Absondern, das echte eilhabe verhindert. Professor Muñoz hat unser Bildungssystem sehr wohl erstanden, auch wenn das im Föderalismus-Klein-Klein urchaus manchmal schwer fällt. Ihm zu unterstellen, er abe sich ja keinen richtigen Eindruck verschaffen kön- en, weil seine Reise nur ein paar Tage dauerte, ist frech. s ist verständlich, dass manchen die Kritik peinlich ist; enn sie ist berechtigt. Die Bundesregierung und die ultusministerkonferenz müssen endlich Konsequenzen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 9417 (A) ) (B) ) ziehen. Eine andere Struktur und eine bessere Qualität – beides ist wichtig für unser Bildungssystem. Alle Kinder werden gebraucht und müssen eine gerechte Chance auf Teilhabe in unserem Land haben. Marcus Weinberg (CDU/CSU): Lassen Sie mich einleitend einiges sagen zu der Frage, wie wir meines Erachtens mit dem Bericht des UN-Sonderberichterstat- ters umgehen sollten. Ich bin der Meinung, dass dieser Bericht wichtig ist und sich einreiht in eine Reihe von Berichten und von Vergleichsuntersuchungen über das deutsche Bildungssystem. Also sollten wir mit diesem Bericht respektvoll umgehen, aber auch kritisch. Einige Teile sind im Bericht meines Erachtens durchaus richtig dargestellt, sind allerdings schon seit geraumer Zeit, ins- besondere seit den PISA-Untersuchungen, bekannt. Hier muss das deutsche Bildungssystem nacharbeiten; das machen wir. Einige Teile im Bericht sehe ich als durch- aus problematisch und sachlich in der dargestellten Form als nicht richtig an. Deutlich muss gesagt werden, dass es auch positive Teile im Muñoz-Bericht gibt. So wird zum Beispiel er- wähnt, dass der hohe Entwicklungsstand des deutschen Bildungssystems zu begrüßen ist. Die Bildungsbeteili- gung ist kontinuierlich gestiegen, und mittlerweile haben 90 Prozent der alterstypischen Jahrgänge einen Ab- schluss der Sekundarstufe II. Auch tauchen im Bericht die zurzeit durchgeführten Reformen auf. Das deutsche Schulsystem reformiert sich in der Verantwortung der Länder, beginnend bei der Schulstruktur über die Frage von Methodik, Didaktik, Qualitätssicherung, Autonomie von Schulen, bis hin zur Frage des Ausbaus und der Qualitätsverbesserung der vorschulischen Bildung. Das deutsche Bildungssystem ist in Schwung gekommen und zieht aus den doch schlechten Daten der Vergleichs- untersuchungen die nötigen Konsequenzen. Ich teile nicht die Auffassung des UN-Sonderbericht- erstatters, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung ausgegrenzt werden. Wir haben in Deutschland ein qua- litativ hochwertiges System der sonderpädagogischen Förderung, und Kinder mit Behinderung werden in der Regel im Normalunterricht beschult. Dies erfolgt zum Beispiel über sogenannte Integrationsklassen. Es gilt im Grundsatz immer, dass die individuelle Förderung der Kinder übergeordnet betrachtet werden muss, und es gilt das Primat der integrativen Förderung. Allerdings kann es auch passieren und kommt vor, dass dies nicht möglich ist, und dann, glaube ich, haben wir in Deutschland ein sehr ausgeprägtes Angebot an anderen Bildungseinrichtungen. Richtig ist die Tatsache, dass Kinder mit Migrationshintergrund in Deutschland be- nachteiligt sind. Hier allerdings, glaube ich, haben die Bundesländer wie auch die Bundesregierung in den letz- ten Monaten wichtige Maßnahmen eingeleitet. Wir wer- den einen nationalen Integrationsplan entwickeln, der insgesamt zum Schwerpunkt hat, wie Kinder mit Migra- tionshintergrund besser gefördert werden können. Hinzu kommt, dass viele Länder – ich nenne das Beispiel Ham- burg – mittlerweile Handlungskonzepte im Bereich der Integration entwickelt haben. Hier werden die verschie- d l n K s b B P D t d d h s I i m t I r P s w l v d l a w o t a e i s b M s d b w l W k e e z s d c s d d s r (C (D enen Angebote verzahnt, und die Förderung wird deut- icher beschrieben. Aber es wird eine große Aufgabe der ächsten Jahre und Jahrzehnte sein, die Integration von indern mit Migrationshintergrund ins deutsche Schul- ystem weiter zu entwickeln. Zum Schluss noch zur sogenannten Schulstrukturde- atte. Ich teile die Auffassung von Herrn Baumerts, dem ildungsforscher, und von Herrn Zöllner, dem KMK- räsidenten, dass wir jetzt um Gottes willen nicht eine iskussion führen sollten über die Frage der Schulstruk- ur. Es ist nicht wichtig, was draufsteht, sondern was rinnen stattfindet. Das heißt, die Durchlässigkeit und ie individuelle Förderung müssen im Vordergrund ste- en. Gerade bei der Schulstruktur haben sich auch ver- chiedene Länder in den letzten Jahren massiv bewegt. n Hamburg wird es demnächst Stadtteilschulen geben, n Schleswig-Holstein sogenannte Regionalschulen. Ich ache an einem Beispiel deutlich, dass hier das födera- ive System durchaus positive Elemente mit sich bringt: n Bayern haben wir noch weitestgehend funktionie- ende Hauptschulen – diese werden reformiert mit dem rogramm Bayern 2020 –, in Hamburg haben die Haupt- chulen nicht mehr die nötigen Ergebnisse erzielt und erden deshalb aufgelöst zu sogenannten Stadtteilschu- en. Wir sehen also, dass man sich von Land zu Land erschieden dieser Problematik angenommen hat, mit urchaus auch verschiedenen Ergebnissen. Ich persön- ich bin Anhänger des Modells der Zweigliedrigkeit, ber – und das ist das Gute am föderativen System – ich ill mich nicht festlegen für Bayern oder für Sachsen der für Thüringen. Diese Länder und die Bildungspoli- iker sollen selbst entscheiden, welches Modell für sie m besten ist. Es darf auf jeden Fall nicht wieder zu inem Kulturkampf kommen zwischen verschiedenen deologisch bedingten Ansätzen des gegliederten Schul- ystems und des Gesamtschulsystems. Diese Diskussion ringt uns nicht weiter. Als Fazit bleibt festzuhalten: Der Bericht des Herrn uñoz ist wichtig, und er wird sich einreihen in die be- tehenden Berichte und Analysen über das deutsche Bil- ungssystem. Die kritischen Punkte sollten herausgear- eitet und dann auch vonseiten der Politik korrigiert erden. Ich kann für die Fraktion der CDU/CSU deut- ich sagen, dass wir diesen Bericht sehr ernst nehmen. ir machen aber dort, wo es angebracht ist, die nötigen ritischen Anmerkungen. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Dass wir die Aktu- lle Stunde über den Bericht des UN-Sonderbericht- rstatters für das Recht auf Bildung, Herrn Muñoz, nicht u einer angemessenen Zeit diskutieren, stimmt mich chon etwas traurig. Aber das eigentliche Problem ist och, dass wir für die meisten in dem Bericht angespro- hen Fragen hier im Deutschen Bundestag gar keine Zu- tändigkeit haben. Vor ein paar Jahren noch haben wir gemeinsam mit en Ländern einen kräftigen und wichtigen Impuls für ie Schullandschaft gegeben, indem wir das Ganztags- chulprogramm aufgelegt haben. Bei der Föderalismus- eform haben die Ministerpräsidenten aber darauf be- 9418 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 (A) ) (B) ) standen, dass der Bund nie mehr helfen darf, um Schule zu verbessern. Das ist grotesk! Und diesen Unfug hat auch Muñoz angesprochen. Wo wir Bundespolitiker allerdings sehr wohl noch et- was machen können, das ist der Bereich vorschulischer Bildung. Die heftige familienpolitische Debatte der letz- ten Wochen hat auch einen bedeutenden bildungspoliti- schen Aspekt. Es ist zum Beispiel in Berlin ganz klar be- legt: Kinder, die in der Kindertagesstätte sind, gehen viel besser vorbereitet in die Schule und finden sich dort schneller und besser zurecht. Insbesondere bei der Sprachkompetenz ist das deutlich. Natürlich gibt es viele Kinder, die wunderbar von den Eltern betreut und vorbereitet werden. Doch das ist häu- fig nicht möglich, nicht gegeben. Ich finde, dass wir da- bei auch einen weiteren wichtigen Aspekt nicht verges- sen sollten: Kinder brauchen Kinder! Und so viele Nachbarskinder gibt es nicht mehr an allen Orten. Die Kita ist der Ort, an dem die Grundlagen gelegt werden. Die Kita ist eine Bildungseinrichtung und muss auch so behandelt werden: hinsichtlich der Qualifikation des Personals, hinsichtlich der Ausstattung und auch hinsichtlich der Gebührenfrage. Die SPD setzt sich, ganz im Sinne von Herrn Muñoz, für ein Recht auf Bildung auch vor der Einschulung ein. Das beinhaltet, dass dieses Bildungsangebot gebühren- frei gestellt werden muss. Denn erstens dürfen Einkom- mensschwache nicht abgeschreckt werden, und zweitens wollen wir gerade eine Mischung haben und nicht durch hohe Gebühren provozieren, dass Gutverdienende aus- weichen und ihre Kinder nicht in der Kita anmelden. Wir sollten also auch und gerade als Bildungspolitiker im Deutschen Bundestag die Initiativen für Betreuung und Bildung von Kindern vor dem Schuleintritt unter- stützen. Wenn die Familienministerin der SPD folgt und einen ordentlichen Finanzierungsvorschlag macht, kom- men wir auch gegen die beharrenden Kräfte voran. Der Muñoz-Bericht spricht zu Recht ein Thema an, dass in Deutschland kaum einmal sachlich debattiert wird: die Schulstruktur. Die Frage ist, ob es richtig sein kann, nach der vierten Klasse, also mit zehn Jahren etwa, über den weiteren Schulweg zu entscheiden. Ich hatte nach der Grundschule keine klare Empfehlung für Real- schule oder Gymnasium. Meine Eltern haben es mit dem Gymnasium versucht. Ich weiß nicht, ob ich studiert hätte, wenn ich auf die Realschule gekommen wäre. Ich weiß, dass das nicht die einzige wichtige Frage der Schulpolitik ist. Aber sie gehört auf die Tagesord- nung. Wann können wir in Deutschland endlich diesen Irrglauben abräumen, dass Lernen nur in homogenen Gruppen sinnvoll ist? Das ist ständisches Denken aus vergangenen Jahrhunderten! Wenn das richtig wäre, müssten unsere Gymnasiasten die besten der Welt sein, sind sie aber nicht. Nun kann ich ja viel erzählen und Herr Muñoz viel schreiben. Aber vielleicht hat der Bundespräsident mehr Autorität? Der hat nämlich 2006 den ersten „Deutschen Schulpreis“ verliehen. Das Ergebnis war bemerkens- w G l B P u i v w d s d j e d z M o S e i d g f f d d n B d c S d t K w H S s U S M s n d 9 S l s (C (D ert. Die Preisträger waren eine Grundschule sowie vier esamtschulen. Alles Schulen, in denen gemeinsam ge- ernt wird. Was sagt uns das? Ich zitiere als Antwort den undespräsidenten. Er hat in seinem Grußwort bei der reisverleihung gesagt: Die für den Preis nominierten Schulen zeigen zum Beispiel vorbildlich, wie behinderte und nichtbe- hinderte und wie lernschwache und hochbegabte Schüler erfolgreich gemeinsam unterrichtet werden können. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Lassen Sie ns endlich vernünftig dieses Thema diskutieren anstatt mmer nur emotionale Debatten zu führen, die die Eltern erunsichern. Wenn das der Effekt des Muñoz-Berichtes äre, hätte er unglaublich viel erreicht. Dorothee Bär (CDU/CSU): Ich freue mich sehr, ass der Sonderberichterstatter der UN Deutschland be- ucht hat, um sich einen Eindruck vom deutschen Bil- ungssystem zu verschaffen. Gleichzeitig frage ich mich edoch, wie er während seines einwöchigen Besuchs zu inigen seiner Schlussfolgerungen kommt. Es gibt Bil- ungsforscher, die über Jahrzehnte ausführliche Studien u unserem Bildungssystem gemacht haben. Herr uñoz benötigt für die Erkenntnisse aus solchen Studien ffensichtlich nur einen flüchtigen Blick auf unser chulsystem. Ich möchte dennoch auf einige seiner Kritikpunkte ingehen. Er schlägt vor, das sogenannte Homeschooling n Deutschland zu stärken. Gleichzeitig möchte er aber ie Chancenungleichheit im deutschen Bildungssystem emindert sehen. Aber gerade das Unterrichten zu Hause estigt doch die Selektivität und – schlimmer noch – ührt zu Parallelgesellschaften, die wir doch alle verhin- ern wollen. Denn wo sonst als in der Schule lernen Kin- er im Austausch mit anderen unsere Werte einer offe- en, demokratischen und pluralen Gesellschaft? Widersprüchlichkeiten finden sich auch in anderen ereichen des Berichts. So stellt Herr Muñoz selbst fest, ass weder PISA noch andere internationale Untersu- hungen einen schlüssigen Zusammenhang zwischen chulsystem und Schulerfolg nachweisen. Dennoch for- ert er eine Überprüfung des dreigliedrigen Schulsys- ems und kritisiert es zudem. Außerdem kritisiert er, dass inder mit Behinderung nicht ausreichend integriert ürden. Als Vorsitzende der Lebenshilfe in meinem eimatlandkreis trifft mich dieser Vorwurf besonders. chließlich sehe ich dort, welche wertvolle und un- chätzbare Arbeit die Lebenshilfe für Behinderte leistet. nd auch die Integration von Behinderten in unser chulsystem ist seit langem gang und gäbe. Integrative odelle gibt es vom Kindergarten bis zur Schule. Völlig außer Acht lässt Herr Muñoz gleichzeitig un- er duales Ausbildungssystem, um das wir weltweit be- eidet werden und das als Vorbild gilt. In allgemeinbil- enden und beruflichen Ausbildungsgängen erwerben 0 Prozent der Jugendlichen einen Abschluss der ekundarstufe II. Der Blick des Sonderbeauftragten al- ein auf die Sekundarstufe I verengt sein Bild des deut- chen Schulsystems derart, dass es falsch wird. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 9419 (A) ) (B) ) Ich gebe Herrn Muñoz recht, dass die frühkindliche Förderung weiter verbessert werden kann. Er geht in sei- nem Bericht darauf aber leider nicht weiter ein. Insbe- sondere gezielte Sprachförderung ausländischer Kinder in vorschulischen Einrichtungen gemeinsam mit den El- tern wäre ein solcher Vorschlag, um den Zusammenhang von Herkunft und Bildungschancen zu verändern. Schließlich möchte ich noch als Berichterstatterin für das BAföG einige Worte zu Kindern mit Migrationshin- tergrund sagen. Herr Muñoz behauptet, dass sie in Deutschland besonders schlecht gestellt sein. Dem wirkt die Bundesregierung mit der Novellierung des BAföG entgegen, indem sie besonders die Förderung von Mi- granten in den Vordergrund stellt. Ausländische Auszu- bildende, die bereits langfristig aufenthaltsberechtigt sind oder wenigstens bereits lange in Deutschland leben und eine aufenthaltsrechtliche Dauerperspektive haben, sollen daher ohne Anknüpfung an eine vorherige Min- desterwerbsdauer der Eltern gefördert werden. Das deutsche Bildungssystem bietet sicherlich Ent- wicklungsmöglichkeiten. Unsere Bundesländer haben dafür nicht nur die rechtliche, sondern vor allem auch die sachliche Kompetenz. Deshalb freue ich mich auf eine angeregte Diskussion dieses Themas auf Länder- ebene. Gesine Multhaupt (SPD): Heute ist ein guter Tag für alle behinderten Menschen in Deutschland. Ungefähr zeitgleich zu unserer Plenardebatte unterzeichnet die Be- hindertenbeauftragte der Bundesregierung, Frau Karin Evers-Meyer, in New York die Menschenrechtskonven- tion und das Zusatzprotokoll über die Rechte behinderter Menschen. Damit kommt Deutschland einer Forderung aus dem Muñoz-Bericht nach. Ich freue mich sehr, dass wir also heute nicht nur reden, sondern nun auch aktuell im Interesse der behinderten Menschen in unserem Land handeln. Der UN-Sonderberichterstatter analysiert mit seinem Bericht, inwieweit in Deutschland das Men- schenrecht auf Bildung umgesetzt wird. Viele Kollegen haben bereits auf zahlreiche positive Sachverhalte im dem vorliegenden Bericht verwiesen. Bezogen auf die Bildung von behinderten Kindern sind eine Reihe von anerkennenden Punkten enthalten: Sie haben die gleichen Rechte wie nichtbehinderte Kinder. Zudem unternehmen alle Bundesländer große Anstren- gungen, um sie individuell zu fördern. Des Weiteren haben wir gut ausgebildete Sonderpädagogen, in allen Teilen unseres Landes, und unumstritten geben wir ins- gesamt viel Geld für ihre Beschulung aus. Die Anerken- nung für dieses Bemühen von vielen Menschen, die täg- lich hier ihre Arbeit tun, kommt in dem Bericht nicht zu kurz, und darum erwähne ich dies auch an dieser Stelle ganz ausdrücklich. Doch nun zu der Kritik: Herr Muñoz kritisiert meines Erachtens völlig zu recht, dass wir mit diesen Anstren- gungen insgesamt noch nicht erfolgreich genug sind. Las- sen Sie mich dazu nur zwei Zahlenbeispiele nennen: Mit unserem System von Sonder- und Förderschulen – den Rahmenrichtlinien für Körperbehinderte, für Sprachbe- hinderte, für Lernbehinderte, für Geistigbehinderte – ge- lingt es uns bundesweit nur 12 Prozent aller behinderten Kinder gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern zu un- t s S k A w h 1 r s S M t h n n u w e n s d z d T L P d u g A n a d t B s t G j d V g m e h A d b b r (C (D errichten. Allein bei unseren europäischen Nachbarn ind es im Schnitt mehr als 80 Prozent. Wer heute als chüler auf eine Sonderschule gehen muss, hat nahezu eine Chance, auf dem regulären Ausbildungs- oder rbeitsmarkt einen Platz zu bekommen. Der ganz über- iegende Anteil landet gleich in den Werkstätten für Be- inderte, aus denen statistisch gesehen nur ungefähr Prozent wieder herauskommen. Angesichts dieser Zahlen – diese sind ungeachtet zahl- eicher nationaler Absichtserklärungen seit Jahren kon- tant – ist doch die Frage mehr als berechtigt, auf welcher prosse der Leiter unser Land bei der Verwirklichung des enschenrechts auf Bildung für behinderte Kinder. denn atsächlich steht. Der Umgang einer Gesellschaft, einer Nation mit be- inderten Kindern und Jugendlichen erfordert nach mei- er festen Überzeugung immer wieder neu die Frage ach dem Menschenbild, das dem jeweiligen Bildungs- nd Ausbildungssystem zugrunde liegt. Vor diesem Hintergrund wünsche ich mir sehr, dass ir diesen Teil der Kritik aus dem Muñoz-Bericht nicht infach nur zurückweisen, so wie es viele Kollegen in ei- er ersten Reaktion getan haben. Bei der Umsetzung des Menschenrechts auf Bildung ollten wir uns ernsthaft mit diesem Phänomen auseinan- ersetzen. Schaffen wir doch gemeinsam die Vorausset- ungen für ein integratives System. Wichtig dabei ist, ass wir die immer noch bestehende und praktizierte rennung – schon in der Ausbildung von Erziehern und ehrkräften – zwischen allgemeinbildenden Pädagogen, ädagogen mit interkulturellem Schwerpunkt und Son- erpädagogen überwinden. Wenn Kinder mit Migrationshintergrund, behinderte nd nichtbehinderte Kinder sich von früh auf im Kinder- arten und in der Schule kennen lernen, schafft dies kzeptanz und die Fähigkeit, sich mit Würde zu begeg- en. Der gemeinsame Weg von klein auf ist zusätzlich uch unter volkswirtschaftlichen Aspekten interessant, a unter dem Strich viel weniger öffentliche Mittel benö- igt werden. Lassen Sie mich mit einem Zitat von unserem Alt- undespräsidenten Johannes Rau schließen: „Men- chenrecht und Behinderung: Alle Fragen, die damit zu un haben, münden letztlich in die Frage, in welch einer esellschaft wir leben wollen. Die Antwort darauf muss ede und jeder von uns Tag für Tag selber geben.“ Uwe Schummer (CDU/CSU): Das deutsche Bil- ungssystem ist differenziert. Differenzierung ist ein orteil, wenn es faire Chancen der Beteiligung für alle ibt. Menschen sind unterschiedlich. Bildungsstrukturen üssen sich diesen Unterschieden anpassen. Wir haben ine hohe Bildungsbeteiligung; das Recht auf Bildung aben wir durch die allgemeine Schulpflicht verankert. uch bei den Hauptschülern gelingt es, 85 Prozent nach er Schule in Lohn und Brot zu bringen. Die Jugendar- eitslosigkeit ist unterdurchschnittlich. In Deutschland eträgt sie 9 Prozent, in Finnland 19 Prozent, in Frank- eich 25 Prozent. 9420 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 (A) ) (B) ) Eine Woche Deutschland reichen sicher nicht, um die gesellschaftliche, kulturelle und föderative Vielfalt auf- zuarbeiten. Ein Blick aus der Distanz kann jedoch hilf- reich sein, um Entscheidungen zu prüfen. Professor Muñoz hat mit seinem Bericht die engagierte Bildungs- debatte in Deutschland weiter angetrieben. Keine ideolo- gische Systemdebatte. Die Wahrheit ist immer konkret: Wir müssen Klassengrößen verkleinern, mehr Lehrer einstellen, weniger Unterrichtsausfall organisieren – egal in welcher Schulform. Entscheidend ist die gezielte Ein- zelförderung. Deutschland hat weniger Abiturienten, weil wir mit der dualen Berufsausbildung eine eigene Form gleicher Qualifizierung geschaffen haben. Die Me- chatroniker-Ausbildung ist wie das Abitur, der Meister- brief ist wie der Bachelor zu bewerten. 43 Prozent der Schüler erreichen das Abitur nicht über das Gymnasium, sondern über den beruflichen Bil- dungsweg. Wir müssen die Eltern stärker einbeziehen; Integra- tion ist auch Hausaufgabe. Notwendig ist Breitenbildung, nicht nur Spezialisten. Das Berufsprinzip der dualen Ausbildung: Neben dem Staat finanzieren auch die Betriebe mit fast 30 Milliar- den Euro die Berufsausbildung. Von 342 Berufsbildern sind aber nur 20 offen für Hauptschüler. Zugangsbeschränkungen müssen wir be- seitigen durch eine qualifizierte Stufenausbildung nach dem Kammervorschlag. Reformen, die in die richtige Richtung gehen: Ab dem vierten Lebensjahr Sprachtest in nordrhein-westfä- lischen Kindergärten. Eine gezielte Förderung, wenn Mängel auftreten. Ferner: Ganztagsunterricht. Nicht als Zwangsveranstaltung, sondern bedarfsgerecht, um die Wahlfreiheit zu verbessern. Ebenso: Mehr Durchlässig- keit zwischen den Bildungssystemen und Kompetenzen aufwerten, egal ob sie schulisch, akademisch oder beruf- lich erworben wurden. Hierzu gibt es einen gemeinsamen Antrag zum Euro- päischen Bildungsraum. Für uns ist der Muñoz-Bericht eine gute Momentauf- nahme. Er wird in die weitere Bildungsberatung einflie- ßen. Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD): Zehn kurze Punkte zu dem Bericht von Herrn Muñoz mit seinen 108 Absätzen. In einer Stunde, die inaktueller nicht sein könnte, weil dieser Bericht landauf/landab bereits disku- tiert, kritisiert und kommentiert wurde, nur noch nicht von uns. Dennoch, ich bin ein optimistischer Mensch, deshalb: Erstens. Ich freue mich, dass dem Bericht von Profes- sor Muños hier, im Ausschuss und durch die Bundesre- gierung den Respekt erteilt wird, der ihm zukommt. Dies hebt sich wohltuend von manch anderen Äußerungen ab. Ich freue mich, dass wir diesen Respekt mit der not- wendigen Selbstkritik, aber auch mit berechtigtem Selbstbewusstsein paaren; mit Selbstbewusstsein, weil wir nicht wie einige den Eindruck erwecken wollen, bil- dungspolitisches Entwicklungsland zu sein, sondern, wie e d u f w v d S n c O A g L g s g d p z e 1 e s s w z o u B F v d h r a i f e o S e z d d M K t z U s B (C (D s auch der Muñoz-Bericht sagt, eine der führenden Bil- ungsnationen; mit Selbstbewusstsein, weil wir in einem mfangreichen Reformprozess steckern nach dem ein olgender Bericht zu besseren Ergebnissen kommen ird. Zweitens. Auch wenn vieles nach PISA/IGLU und ielen anderen Untersuchungen nicht mehr neu ist, ist ie Außensicht eines UN-Sonderbotschafters hilfreich. Drittens. Sie ist hilfreich, weil wir uns, ohne uns in trukturdiskussionen zu verlieren, fragen müssen, ob wir ach dem PISA-Schock für alle Kinder und Jugendli- hen schon die richtigen Maßnahmen eingeleitet haben. hne erste Erfolge der Länder zu schmälern, wird die ntwort lauten: In einigen Ländern ja, in anderen weni- er. Viertens: Natürlich ist es gut, wenn es in nahezu allen ändern Bildungspläne für den frühkindlichen Bereich ibt. Nur: Werden sie mit ausreichend Personal mit ent- prechender Qualifikation und genügend Zeit auch um- esetzt? In einigen Ländern ja, in anderen Ländern sind iese Pläne noch zu sehr ausschließlich gedrucktes Pa- ier. Fünftens. Es gibt den Beginn kostenloser Kitas, wie um Beispiel in Rheinland-Pfalz, anderswo gibt es nicht inmal ausreichend kostenpflichtige Plätze, um den seit 996 verankerten Rechtsanspruch für 3- bis 6-Jährige zu rfüllen, wie zum Beispiel in Niedersachsen. Sechstens. Es gibt mehr Ganztagsschulen als noch vor ieben Jahren mit individueller Förderung und rhythmi- iertem Unterricht – Rheinland-Pfalz – es gibt sie nach ie vor zu selten, und zu häufig sind sie nur die Fortset- ung des Frontalunterrichts in den Nachmittag hinein hne ausreichende Aufenthaltsräume, ohne sportliche nd Freizeitmöglichkeiten, wie zum Beispiel bei G 8 in ayern. Siebtens. Es gibt zunehmend das Ziel individueller örderung von Kindern. Existieren tut es häufig an pri- aten Schulen, seltener an öffentlichen. Es gibt mehr pä- agogische Ausbildung der Lehrer, aber immer noch zu äufig werden Fächer und nicht junge Menschen unter- ichtet. Achtens. Ja, wir strengen uns an, Migrantenkindern usreichenden Sprachunterricht zu bieten, der – hier teile ch die Kritik von Professor Muñoz nicht – der Schlüssel ür jedweden Lernerfolg ist. Aber wir sind noch weit ntfernt davon, allen Kindern, auch zum Beispiel denen hne Ausweispapiere, in ausreichendem Umfang den chulbesuch zu ermöglichen. Es wäre hoch an der Zeit, ndlich den Vorbehalt der Bundesrepublik Deutschland ur Kinderrechtskonvention zurückzunehmen. Hier sind ie Länder am Zug. Neuntens. Wir leben in Zeiten der Globalisierung, iese verlangt von jungen Erwachsenen, also den Eltern, obilität und Flexibilität. Tun wir genug, dass unsere inder und Jugendlichen dabei nicht unter die Mobili- ätsbildungsräder kommen? Was tun wir bei allem zu ak- eptierenden förderalen Bildungswettbewerb, damit der mzug der Eltern nicht regelmäßige Ehrenrunden oder ogar Schulartwechsel für ihre Kinder bedeutet? Und: rauchen wir nicht gerade in föderalen Strukturen einen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2007 9421 (A) ) (B) ) einheitlichen Bildungskern gleichlautend in allen Län- derverfassungen? Zehntens und letztens. Der Muñoz-Bericht sollte mangels Zuständigkeit auf Bundesebene nicht als Instru- ment zu einer weiteren Schlacht um das dreigliedrige Schulsystem verwendet werden. Dabei sollte aber den- noch die deutsche Einmaligkeit der sehr frühen, der zu frühen Einteilung der Schüler nach Schularten nicht nur zu denken geben, sondern auch zu Konsequenzen führen. Wir müssen uns fragen: Warum glauben nur wir im deutschsprachigen Raum, dass eine Einteilung nach Be- gabungen und zukünftig nach Elternhäusern am besten mit zehn Jahren vorgenommen wird? Und warum disku- tieren wir als Folge davon – wie es Muñoz auch anmahnt – immer wieder über Institutionen und Strukturen und viel zu selten über Bildungsinhalte, Bildungsvermittlung, Bildungslust und Bildungsaufstieg? Die Konsequenzen davon gehen uns auf Bundesebene nämlich schon etwas an. Frühe Einteilung der Kinder, ihre mangelnde individuelle Förderung und zu geringe pädagogische Lehrerausbildung bedeuten eine hohe Quote an Schulabbrechern und eine zu niedrige an Abi- turienten und Studienanfängern. Die Folgen davon trägt der Bund. Sie schlagen sich in Arbeitslosenquoten und Eingliederungsmaßnahmen, in Mangel an Akademike- rinnen und Akademikern nieder. Die Durchlässigkeit un- seres Schulsystems ist bisher noch im Wesentlichen eine Rutschbahn nach unten. Wenn ein Kind aus einer bil- dungsfernen Familie in Bayern bei gleicher Intelligenz eine sechsmal schlechtere Chance hat, das Abitur zu ma- chen, als ein Kind aus einer bildungsnahen Familie, dann ist das keine Durchlässigkeit, sondern vor allem eine der größten sozialen Ungerechtigkeiten in Deutschland. Aus diesen zehn Gründen bin ich Herrn Professor Muñoz für seinen differenzierten Bericht dankbar, er ist kein Skandalbericht, wie ihn manche darstellen wollen, er ist in seinen Augen nicht neu, er würdigt die in An- griff genommenen Reformen und er ist kein bildungspo- litisches Ruhekissen, sondern ein Auftrag, in Dankbar- keit gegenüber allen Eltern, Lehrern und Lehrerinnen, Schülern und Schülerinnen, die sich trotz manchen Wid- rigkeiten mühen, das Beste aus sich und aus unserem fö- deralen Bildungssystem zu machen, schnell und effizient zu handeln. Anlage 3 Amtliche Mitteilung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Ver- sammlung der Westeuropäischen Union/Interparlamentari- sche Europäische Versammlung für Sicherheit und Vertei- digung (WEU/IEVSV) m V P t (C (D Tagung der Versammlung vom 19. bis. 21. Juni 2006 in Paris – Drucksachen 16/2600, 16/4248 Nr. 1.1 – Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Unterrichtung durch die Bundesregierung – Zweiter Bericht über die Substitution risikoreicher durch risikoärmere Biozid-Wirkstoffe und Biozid-Pro- dukte, über den aktuellen Sachstand zur Umsetzung der Biozid-Richtlinie und des Überprüfungs-Program- mes der Altwirkstoffe sowie der aktuellen Entwicklun- gen auf EU-Ebene – Drucksache 16/2909, 16/3194 Nr. 1.1 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- orlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische arlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- ung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 16/150 Nr. 1.66 Innenausschuss Drucksache 16/4105 Nr. 2.2 Drucksache 16/4258 Nr. 2.23 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 16/150 Nr. 2.112 Drucksache 16/150 Nr. 2.174 Drucksache 16/2555 Nr. 2.108 Drucksache 16/4105 Nr. 1.6 Drucksache 16/4105 Nr. 2.24 Drucksache 16/4105 Nr. 2.25 Drucksache 16/4105 Nr. 2.28 Drucksache 16/4105 Nr. 2.88 Drucksache 16/4258 Nr. 1.6 Drucksache 16/4258 Nr. 2.11 Drucksache 16/4258 Nr. 2.21 Drucksache 16/4258 Nr. 2.61 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 16/4258 Nr. 2.46 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 16/4501 Nr. 2.8 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 16/3196 Nr. 1.43 Drucksache 16/3196 Nr. 1.46 Drucksache 16/4258 Nr. 2.50 Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Drucksache 16/2555 Nr. 1.43 Drucksache 16/4105 Nr. 1.4 92. Sitzung Berlin, Freitag, den 30. März 2007 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Jerzy Montag


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Politik sollte mit dem Erfassen und Bewerten der Wirk-
    lichkeit beginnen; damit möchte auch ich anfangen. Die
    Zahl der Telefonüberwachungen in Deutschland steigt
    von Jahr zu Jahr rasant: 1990 waren es 2 500 Fälle, 1995
    3 500, 2000 15 000, 2004 34 000, 2005 42 000. Hinter
    diesen 42 000 Fällen stecken Hunderttausende, vielleicht
    sogar Millionen von abgehörten Einzeltelefongesprä-
    chen. Das bedeutet: Hunderttausendfach oder millionen-
    fach wurde in das geschützte Grundrecht auf freie Tele-
    kommunikation, auf freien Telefonverkehr eingegriffen.

    Wir werden in der Diskussion das Argument hören,
    Zahlen sagten für sich genommen nichts aus.


    (Zuruf von der SPD: Genau!)


    Natürlich ist es richtig, sich zu überlegen, wie sich die
    Telekommunikation insgesamt entwickelt hat. Selbst
    wenn man aber die Entwicklung der mobilen Tele-
    kommunikation, die Tatsache, dass Menschen anders
    und viel mehr kommunizieren – natürlich auch Verdäch-
    tige oder Straftäter –, in Rechnung stellt, ist der Anstieg
    nicht hinnehmbar. Dazu nur ein Hinweis: 2005 war der
    Mobilfunkmarkt in Deutschland praktisch gesättigt, es
    gab praktisch keinen Zuwachs mehr; trotzdem gab es bei
    der Kontrolle einen Zuwachs um 25 Prozent.

    Wir werden auch hören, man müsse sich damit abfin-
    den, weil die Telekommunikationsüberwachung einem
    guten Zweck, nämlich der Verfolgung von Straftätern,
    diene.


    (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Der Wahrheitsfindung!)


    Ich sage Ihnen dazu: Laut Zahlen der Ermittlungsbehör-
    den führen 60 bis 70 Prozent aller Telekommunikations-
    überwachungen zu einem Ergebnis; das bedeutet, dass
    30 bis 40 Prozent aller Telekommunikationsüberwa-
    chungen bei Personen durchgeführt wurden, die un-
    schuldig geblieben sind. Aber auch das Abhören derjeni-
    gen, die verdächtig sind, jede einzelne Telefonabhörung
    ist ein schwerwiegender Eingriff in ein Grundrecht. Des-
    wegen ist es nicht hinnehmbar, dass die Zahl der Tele-
    kommunikationsüberwachungen fortwährend wächst.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Wir haben viele Jahre auf wissenschaftliche Gutach-
    ten gewartet, die der Bundestag und die Bundesregie-
    rung in Auftrag gegeben haben. Die Ergebnisse, die jetzt
    vorliegen, sind erschreckend: Die Justiz nimmt bisher
    nicht in ausreichendem Maße die Kontrollfunktion
    wahr, die sie wahrnehmen sollte.


    (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Was?)


    Mehr als ein Viertel aller Beschlüsse sind entweder über-
    haupt nicht oder nur formelhaft begründet worden.
    Somit wird nicht ersichtlich, ob die Justiz in jedem Ein-
    zelfall tatsächlich das Grundrecht auf freie Telekommu-
    nikation in den Blick genommen hat, ob eine Abwägung
    gegen das Strafverfolgungsinteresse stattgefunden hat.
    Die Arbeit der Justiz muss also erheblich verbessert wer-
    den.

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    (C (D (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    uch die Benachrichtigungspflichten, die zu einem ef-
    ektiven Rechtsschutz und damit auch zur Wahrung des
    rundrechts gehören, bedürfen einer Erweiterung, eines
    usbaus.

    Deshalb machen wir unsere Vorschläge. Wir gehen ei-
    en grundsätzlich neuen Weg. Bisher gibt es einen
    traftatenkatalog. Ein Straftatenkatalog ist schlimmer
    ls eine Hydra, bei der erst dann zwei Köpfe anwachsen,
    enn man einen abschlägt; hingegen steigt beim Strafta-

    enkatalog die Zahl der Tatbestände, bei denen eine Tele-
    ommunikationsüberwachung erlaubt ist, Jahr um Jahr
    n. Der neueste Entwurf der Regierung der Großen
    oalition sieht weitere neue Tatbestände vor.

    Wir gehen einen neuen Weg, indem wir nicht mehr
    ach Straftatbeständen suchen, sondern einen Kriterien-
    atalog erstellen. Wir wollen eine Telekommunikations-
    berwachung nur dann, wenn es sich um Verbrechen
    andelt oder um Vergehen, die so schwerwiegend wie
    erbrechen sind, und auch nur dann, wenn in jedem Ein-
    elfall eine Prognose des Gerichts zu dem Ergebnis
    ommt, dass es sich um einen schwerwiegenden Fall
    andelt, bei dem wahrscheinlich eine Haftstrafe von
    ber einem Jahr herauskommen wird.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Im Rahmen dieser Debatte will ich schon jetzt sagen,
    eine Damen und Herren, insbesondere in Richtung der
    PD-Kolleginnen und -Kollegen, dass dieser Wechsel
    rsprünglich nicht einmal eine Idee von uns Grünen war.
    enken Sie in der Debatte einmal darüber nach, von
    em diese Idee gekommen ist – eine glänzende Idee, die
    ir übernommen haben, von der Sie aber heute offen-

    ichtlich nichts mehr wissen wollen, weil Sie mit dem
    alschen Koalitionspartner zusammenarbeiten.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Hellmut Königshaus [FDP]: Das ist wahr!)


    Wir schützen alle Berufsgeheimnisträger gleicher-
    aßen, und zwar deswegen, weil man keine Unter-

    chiede hinsichtlich des Vertrauensverhältnisses des
    rztes, des Verteidigers oder des Abgeordneten machen
    ann. Jeder, der eine Abstufung vornehmen will, ist da-
    ür begründungspflichtig; aber eine solche Begründung
    ibt es nicht.

    Wir schützen den Kernbereich der persönlichen Le-
    ensgestaltung auf eine vernünftige, der Praxis entge-
    enkommende Weise. Da, wo live abgehört wird, muss
    bgeschaltet werden, und wo automatisiert abgehört
    ird, sind die Ergebnisse nicht verwertbar.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, ich habe zu wenig Zeit,
    m, obwohl wir den Gesetzentwurf vorschlagen, Ihnen
    ll seine Elemente in meinem Redebeitrag nahezubrin-
    en. Ich will nur noch auf einen Punkt kommen. Wir wa-
    en, Herr Kollege Benneter, so ehrlich, in unseren Ge-
    etzentwurf am Schluss hineinzuschreiben, dass es auch
    lternativen gibt; sie sind aber die schlechteren.






    (A) )



    (B) )


    Jerzy Montag
    Schauen Sie sich Ihren Entwurf an. Obwohl unser Ge-
    setzentwurf heute zur Debatte im Bundestag vorliegt,
    schreiben Sie in Ihrem Gesetzentwurf, es gebe keine Al-
    ternativen. Davon müssen Sie Abstand nehmen. Wir
    werden Ihnen in der Debatte zeigen, dass es Alternativen
    gibt und dass unsere die bessere ist.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Katrin Dagmar Göring-Eckardt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat der Kollege Dr. Jürgen Gehb für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Jürgen Gehb


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir be-

    fassen uns heute mit zwei Anträgen: einem Gesetzent-
    wurf von Bündnis 90/Die Grünen und einem Antrag der
    FDP zur Telekommunikationsüberwachung. Hintergrund
    sind diverse Entscheidungen des Bundesverfassungs-
    gerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung,
    aber auch zur Telekommunikationsüberwachung. In
    diesen werden die Anforderungen an die verdeckte Er-
    mittlungsmaßnahme der Überwachung festgelegt. Weil
    diese Entscheidungen, auf die ich noch näher eingehen
    werde, zu einem guten Teil schon etwas älteren Datums
    sind, hat die Bundesregierung bereits seit längerem ange-
    kündigt, ein harmonisches System der verdeckten straf-
    prozessualen Ermittlungsmethoden zu schaffen.

    Gestern haben wir uns darüber unterhalten, dass es
    auch die Möglichkeit einer Überwachung aus präventi-
    ven Gründen gibt. Heute beschäftigen wir uns aus-
    schließlich mit den repressiven Gründen, die in den
    §§ 100 a ff. StPO geregelt sind.

    Schon in der 14. und in der 15. Legislaturperiode gab
    es Ansätze. Sie konnten aber offenbar aufgrund damali-
    ger Regierungskoalitionen und -konstellationen nicht
    zum Erfolg geführt werden. Ich darf Ihnen vorab versi-
    chern, dass die jetzige Regierungskoalition – keine
    Angst, Herr Montag; die jetzige Regierungskoalition ist
    schon die richtige, jedenfalls gemessen an der Bench-
    mark Grüne die bessere – auf einem besseren Weg ist.
    Wir werden in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen, mit
    dem die verdeckten Ermittlungsmethoden insgesamt
    einer Neuregelung zugeführt werden.


    (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir gespannt!)


    Wenn man sich den von den Grünen vorgelegten Ent-
    wurf ansieht, dann versteht man, warum die rot-grüne
    Koalition nicht zu Potte gekommen ist. Die Grünen ha-
    ben offenbar wieder alles in den Gesetzentwurf hinein-
    gepackt, was sie in der Zeit ihrer Mitregierung auf Bun-
    desebene gegenüber der SPD nicht haben durchsetzen
    können. Ich betone ausdrücklich: Das war auch gut so.


    (Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Der Gesetzentwurf atmet unverkennbar den Geist – wo
    fällt der Blick hin? Er ruft schon dazwischen – von
    Herrn Ströbele.

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    (C (D (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Qualitätsmerkmal!)


    Die Grünen verkennen einmal mehr, dass wir uns in
    inem Spannungsfeld bewegen. Dieses Spannungsfeld
    ennt doch jeder. In ihm stehen sich verschiedene Inte-
    essen nahezu unversöhnlich gegenüber. Auf der einen
    eite steht der Grundrechtschutz aus Art. 10 und
    rt. 13 des Grundgesetzes. Auf der anderen Seite gibt es
    atürlich die Pflicht des Staates zu einer effektiven
    trafverfolgung, die nicht zu einem zahnlosen Tiger
    erkommen darf.


    (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will doch niemand!)


    as ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfas-
    ungsgerichts und wesentlicher Auftrag des staatlichen
    emeinwesens.

    In dieser Konstellation befinden wir uns übrigens
    äufig. Gestern konnten wir es bei der Debatte über die
    atientenverfügung erleben:


    (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gab es aber kein Strafverfolgungsinteresse!)


    elbstbestimmung auf der einen Seite und Schutz des
    ebens auf der anderen Seite. Die Frage ist immer, wel-
    hen Ausgleich man zwischen den verschiedenen Inte-
    essen findet. Man spricht in diesem Zusammenhang
    om Prinzip der praktischen Konkordanz. Man muss
    iese sich widerstreitenden Prinzipien, die alle im
    rundgesetz stehen, irgendwie sinnvoll zum Ausgleich
    ringen. Darüber streiten wir uns. Aber das ist nun ein-
    al das Wesen einer Demokratie. Dass Sie immer dabei

    en Kürzeren ziehen, ist das Gute an der Demokratie.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Denken Sie an die Zeit Ihrer Opposition, Herr Gehb!)


    Es ist klar, dass es keinen hundertprozentigen Schutz
    or Straftaten geben kann. Bei dem Gesetzentwurf der
    rünen ist aber nach unserer Auffassung die genannte
    bwägung misslungen. Das Strafverfolgungsinteresse
    es Staates wird gegenüber dem Grundrechtschutz wei-
    er zurückgesetzt, als dies nach der Rechtsprechung des
    undesverfassungsgerichts notwendig wäre. Ihr Gesetz-
    ntwurf weist zudem – ich komme gleich darauf zu spre-
    hen; das wundert mich sehr, Herr Montag – auch hand-
    erkliche Mängel auf; er ist inkonsequent bei der
    erfolgung seines Anliegens und greift auch zu kurz. Ich
    ill diese einzelnen Punkte nacheinander abarbeiten.

    Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entschei-
    ung vom 27. Juli 2005 klargestellt – ähnlich wie kurz
    uvor bei der Entscheidung zur Wohnraumüberwachung –,
    ass auch im Bereich der Telekommunikationsüberwa-
    hung Regelungen zum Schutz des Kernbereichs pri-
    ater Lebensgestaltung erforderlich sind. Es hat dabei
    ber betont, dass insoweit nicht die im Hinblick auf die
    kustische Wohnraumüberwachung erhöhten Ein-
    riffsanforderungen des Art. 13 des Grundgesetzes wie
    n der Wohnraumüberwachungsentscheidung, sondern






    (A) )



    (B) )


    Dr. Jürgen Gehb
    – das ist verständlich – niederschwelligere Eingriffshür-
    den einzubauen sind. Deshalb ist die Eingriffsschwelle
    bei der akustischen Wohnraumüberwachung höher anzu-
    setzen – denn in dem Fall muss man erst in die Wohnung
    eines Menschen gelangen – als bei der telefonischen
    Überwachung mit ihren technischen Möglichkeiten.
    Man spricht einmal von den qualifizierten Gesetzesvor-
    behalten und einmal von den einfachen Gesetzesvorbe-
    halten. Das ist unter Juristen unstreitig.

    Im Gesetzentwurf der Grünen wird der Berufsge-
    heimnisträgerschutz absolut und nicht differenziert
    nach den einzelnen Berufsgruppen geregelt.


    (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben! Das ist gut so!)


    Dies gilt aber wiederum nur für die Telekommunika-
    tionsüberwachung und für die Verkehrsdatenerhebung.
    Das Bundesverfassungsgericht hat indessen nur für Ver-
    teidiger und Seelsorger eine absolute Schutzwürdigkeit
    anerkannt und hat dies aufgrund Art. 46 und Art. 47 des
    Grundgesetzes auch für Abgeordnete getan. Für die übri-
    gen Berufsgeheimnisträger ist ein solcher absoluter
    Schutz nicht geboten. Er ist vielmehr mit dem öffentli-
    chen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung un-
    vereinbar.


    (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist von uns gewollt!)


    Zudem knüpft der in Ihrem Gesetzentwurf enthaltene
    Berufsgeheimnisträgerschutz nicht an die Reichweite
    des Zeugnisverweigerungsrechts an – obwohl Sie das in
    Ihrem Gesetzentwurf schreiben –, sondern an die Person
    des Trägers. Damit wären auch Gespräche einer Heb-
    amme einer Abhörmaßnahme nicht zugänglich, auch
    wenn es vielleicht um etwas ganz anderes geht als um
    ein Gespräch über eine schwierige Zangengeburt. Es
    wird also nicht an die Zeugnisverweigerungseigenschaft,
    sondern nur an die Berufsgeheimnisträgerschaft ange-
    knüpft.

    Das hat zur widersprüchlichen Folge, dass die betrof-
    fene Person darüber zwar als Zeuge aussagen müsste,
    aber ein entsprechendes Telefongespräch nicht abgehört
    werden dürfte.

    Das gilt auch für den Nachrichtenmittler. Zum Bei-
    spiel könnte der Sohn eines Rechtsanwaltes, der die An-
    weisungen eines Beschuldigten für einen Betäubungs-
    mitteltransport entgegennimmt, nicht mehr abgehört
    werden, weil der Anschluss dem Vater gehört, der eben
    als Rechtsanwalt Berufsgeheimnisträger ist. Das ist doch
    eine kuriose Konsequenz. Dasselbe gilt auch für Ange-
    hörige von Verdächtigen. Wenn jemand seine Ehefrau
    quasi als Schutzschild auf eine Drogenkurierfahrt mit-
    nimmt, kann der Fall mit verdeckten Ermittlungsmaß-
    nahmen nicht mehr bearbeitet werden.


    (Lachen des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


    – Ja, Herr Montag, das ist zum Lachen. Aber es ist Ihr
    Entwurf. Sie lachen also über Ihren eigenen Entwurf.

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    (C (D (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben wieder ein christliches Familienbild!)


    Jetzt kommen wir zur handwerklichen Insuffizienz.
    ie Telekommunikationsüberwachung wird mit Einzel-

    allregelungen zum Verfahren geradezu überfrachtet.


    (Ute Kumpf [SPD]: Insuffizienz? Ich kenne nur Inkontinenz!)


    Nicht Inkontinenz. Das ist etwas anderes. Darüber
    önnen wir uns noch unterhalten. Auch dies ist eine be-
    ondere Form der Insuffizienz; denn die Blaseninsuffizi-
    nz nennt man auch Inkontinenz. Dann gibt es noch et-
    as Ähnliches mit „Im…tenz“.


    (Ute Kumpf [SPD]: Das lassen wir lieber weg!)


    Jetzt wollen Sie Folgendes machen: Sie wollen sich
    on dem enumerativen Straftatenkatalog lösen – das ha-
    en Sie eben in Ihrer Rede gesagt –, obwohl dies in der
    ntscheidung des Bundesverfassungsgerichts, bei der es
    m die Aufhebung einer landesrechtlichen Regelung in
    iedersachsen geht – ich habe sie eben angesprochen –,

    usdrücklich verlangt wird.

    Dann schreiben Sie in Ihrem Gesetzestext sinngemäß
    ich bitte die Feinschmecker unter den Juristen, einmal
    uzuhören –: Die Anordnung von Telekomüberwa-
    hungsmaßnahmen soll bei Verbrechen oder – vielleicht
    st irgendein Rechtskundiger im dritten Semester auf der
    ribüne – bei Vergehen möglich sein, die mit einer Frei-
    eitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht sind.


    (Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das sind Verbrechen!)


    Der Deliktscharakter des Verbrechens ist gerade,
    ass es mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bedroht
    st. Nun schütteln Sie den Kopf; Gott sei Dank sehen Sie
    on einer Zwischenfrage ab, Herr Montag. Sie versu-
    hen, dies in der Begründung zu erklären, indem Sie sa-
    en:


    (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nichts verstanden, Herr Kollege!)


    s gibt Delikte bzw. Vergehen, deren Strafmaß unterhalb
    er Mindeststrafe von einem Jahr liegt – deshalb sind es
    ergehen –, die aber durch Qualifizierungen eine Min-
    eststrafe von einem Jahr erforderlich machen.


    (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenigstens lesen Sie die Begründung!)


    chreiben Sie das doch auch in den Gesetzestext hinein,
    err Montag! Sie wissen es doch. Das ist handwerklich
    ilettantisch.


    (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es nicht verstanden!)


    Nun scheint Ihr Gesetzentwurf auch verfassungs-
    echtlich sehr fragwürdig zu sein. Das Bundesverfas-
    ungsgericht hat in seiner bereits erwähnten Entschei-
    ung vom 27. Juli 2005 gefordert, dass gesetzliche






    (A) )



    (B) )


    Dr. Jürgen Gehb
    Regelungen zur Telekommunikationsüberwachung ein
    „auf die Besonderheiten der Telekommunikationsüber-
    wachung zugeschnittenes gesetzgeberisches Konzept“
    enthalten müssen. Es hat moniert, dass das seinerzeit
    aufgehobene Landesgesetz keine abschließende Um-
    schreibung der Straftaten enthalten hatte, wegen deren
    nämlich Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen
    angeordnet werden können.

    Das ist auch logisch; denn der Gesetzgeber hat zu be-
    gründen, dass die Anlasstaten den besonderen Anforde-
    rungen an die Zulassung solcher Maßnahmen gerecht
    werden, mithin, dass diese ein erforderliches und ange-
    messenes Mittel zur Aufklärung dieser Straftaten sind.
    Das heißt, wir brauchen einen Katalog und keine ro-
    mantische Umschreibung, so wie Sie das wollen. Gerade
    das hat keinen Bestand vor dem Bundesverfassungsge-
    richt gehabt.


    (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Ahnung von Romantik!)


    Ihre weitere Forderung, dass nicht von vornherein mit
    einer geringeren Freiheitsstrafe zu rechnen sein darf, ist
    ebenfalls völlig praxisfern.


    (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht in der Strafprozessordnung, Herr Kollege! Das ist jetzt schon Praxis!)


    So etwas kann insbesondere zu Beginn der Ermittlungen
    zumeist gar nicht zuverlässig beurteilt werden.

    Nun will ich mich nicht nur mit den Grünen beschäf-
    tigen. Auch die FDP hat einen Antrag eingebracht. Sie
    fordert, dass die Bundesregierung einen Gesetzentwurf
    vorlegen möge. Insofern, Herr van Essen, sind wir, wie
    man so schön sagt, ein omnimodo facturus, ein ohnehin
    zur Tat Geneigter. Wir legen demnächst einen Gesetzent-
    wurf vor, mit dem wir die Umsetzung der Richtlinie des
    Europäischen Parlaments und des Rates zur Vorrats-
    datenspeicherung vom 15. März in das nationale Parla-
    ment einbringen. Sie versuchen natürlich, uns ein biss-
    chen Beine zu machen. Das ist die Art einer
    Oppositionspartei; dafür habe ich Verständnis. Wie ge-
    sagt, wir tun dies. Wir werden eine adäquate Abstim-
    mung zwischen den von mir eben schon näher dargeleg-
    ten Interessenkollisionen vornehmen.

    Deswegen, Herr Montag und liebe Kolleginnen und
    Kollegen von den Grünen: Wenn wir in das Gesetz
    schreiben: „Dazu gibt es keine Alternative“, sind natür-
    lich immer taugliche Alternativen gemeint.


    (Lachen des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Ich wünsche Ihnen allen ein schönes Osterfest und einen
    schönen Freitag.

    Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


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    (C (D Herr Kollege Gehb, es kann sein, dass Sie noch wei erarbeiten müssen; denn ich erteile jetzt dem Kollegen ontag das Wort zu einer Kurzintervention. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Sonst versucht er es immer mit Zwischenfragen! Jetzt macht er es endlich mal richtig!)