Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.
Wir sind tief betroffen vom Tod unseres KollegenHans Büttner, der am Samstag, dem 18. September2004, einen Monat vor seinem 60. Geburtstag, verstarb.Geboren am 18. Oktober 1944 in Ingolstadt, blieb erseiner Heimat auch in seinem politischen Engagementimmer eng verbunden. Beständigkeit, Aufrichtigkeit undGerechtigkeitssinn: Diese Eigenschaften prägten seineArbeit als Parlamentarier und Gewerkschafter.Als grundgütig und gerecht und als sehr menschlichhaben ihn alle empfunden, die mit ihm gearbeitet haben.Zugleich setzte sich Hans Büttner seit mehr als30 Jahren für die Interessen der Menschen in den Ent-wicklungsländern, für internationale Gerechtigkeit undfür ein gewaltloses Zusammenleben ein. Sein besonde-res Engagement galt Afrika und insbesondere den Län-dern des südlichen Afrikas, die er als Entwicklungsbera-ter von 1978 bis 1982 auch persönlich kennen gelernthatte. Hans Büttner hat Afrika nicht nur intellektuell,sondern auch mit dem Herzen verstanden.Dem Deutschen Bundestag gehörte der VerstorbeneGhbthsnvHKuhKrTfRedetseit 1990 an. Auch hier hat er als Mitglied des Auswärti-gen Ausschusses, als stellvertretender Vorsitzender undals Sprecher des Unterausschusses Globalisierung undWeltwirtschaft, als Vorsitzender der Parlamentarier-gruppe für das südliche Afrika und als Sprecher seinerFraktion wichtige Akzente für die Meinungsbildung desParlaments zur Entwicklungspolitik gesetzt. Als Mitglieddes Sportausschusses nahm er sich besonders der Förde-rung des Behindertensports und der Paralympics an.Gleichgültig, ob sich Hans Büttner in Südafrika oderin seinem Wahlkreis engagierte: Wichtig war ihm stetsdie Nähe zu den Menschen und das Gespräch mit ihnen,das er als wichtige Unterstützung und als Grundpfeilerseiner Arbeit ansah. Das Wort Nein hat man vgehört. Er war immer für jeden da. Dieses uBemühen um die Sorgen und Probleme voschen hat Hans Büttner bisweilen angestrengt
Stünker, Hermann Bachmaier, Sabine Bätzing, weiterenAbgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abge-ordneten Jerzy Montag, Irmingard Schewe-Gerigk, Hans-Christian Ströbele, weiteren Abgeordneten und der Frak-tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei
– Drucksache 15/3706 –eisungsvorschlag:sausschuss
usschusshuss für Gesundheit und Soziale Sicherungon ihm nienablässigen Mitmen- und an dieÜberwRechtInnenaAussc
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Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmerb) Beratung des Antrags der Abgeordneten WolfgangBörnsen , Dirk Fischer (Hamburg), EduardOswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSU: Radverkehr fördern – Fortschrittsberichtvorlegen– Drucksache 15/3708 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für TourismusHaushaltsausschussc) Beratung des Antrags der Abgeordneten GüntherFriedrich Nolting, Dr. Werner Hoyer, Helga Daub, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mandat fürKabul und Kunduz/Faizabad trennen– Drucksache 15/3712 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungHaushaltsausschuss4. Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung desFleischhygienegesetzes und der Fleischhygiene-Ver-ordnung– Drucksache 15/2772 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses fürVerbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
– Drucksache 15/3735 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Wilhelm PriesmeierUda Carmen Freia HellerFriedrich OstendorffDr. Christel Happach-Kasanb) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von derBundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszu dem Rahmenübereinkommen der Weltgesund-heitsorganisation vom 21. Mai 2003 zur Eindämmung
– Drucksache 15/3353 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses fürGesundheit und Soziale Sicherung
– Drucksache 15/3734 –Berichterstattung:Abgeordneter Jens Spahnc) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und derFDP: Für eine parlamentarische Dimension im Systemder Vereinten Nationen– Drucksache 15/3711 –5. Beratung des Antrags der Abgeordneten Karl-Josef Laumann,Dagmar Wöhrl, Veronika Bellmann, weiterer Abgeordneterund der Fraktion der CDU/CSU: Langfristig eine einheit-liche Förderung der Selbständigkeit von Arbeitslosenschaffen– Drucksache 15/3707 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale SicherungHaushaltsausschussVon der Frist für den Beginn der Beratung soll – so-weit erforderlich – abgewichen werden.pVnzansüHdISbsanWvFwL
Arnold, Reinhold Robbe, Ulrike Merten, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPD sowieder Abgeordneten Alexander Bonde, WinfriedNachtwei, Volker Beck , weiterer Abge-ordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENDurch Transformation die Bundeswehr zu-kunftsfähig gestalten– Drucksachen 15/2656, 15/3125 –
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Vizepräsidentin Dr. Antje VollmerBerichterstattung:Abgeordnete Rainer ArnoldChristian Schmidt
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Günther Friedrich Nolting, Jürgen Koppelin,Helga Daub, weiterer Abgeordneter und derFraktion der FDPZukunftsfähigkeit der Bundeswehr herstel-len – Wehrpflicht aussetzen– Drucksachen 15/2662, 15/3127 –Berichterstattung:Abgeordnete Rainer ArnoldChristian Schmidt
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
CSUFür eine moderne Bundeswehr als Pfeiler ei-ner verlässlichen Sicherheits- und Verteidi-gungspolitik Deutschlands– Drucksachen 15/2388, 15/3126 –Berichterstattung:Abgeordnete Rainer ArnoldChristian Schmidt
d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Günther Friedrich Nolting, Helga Daub, BirgitHomburger, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der FDPWehrpflicht aussetzen– Drucksachen 15/1357, 15/2963 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Hans-Peter BartelsChristian Schmidt
e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Christian Schmidt , Ulrich Adam, Ernst-Reinhard Beck , weiterer Abgeord-neter und der Fraktion der CDU/CSUFür den Erhalt sicherheitsrelevanter Struktu-ren in der Bundeswehr– Drucksachen 15/2824, 15/3263 –Berichterstattung:Abgeordnete Rolf KramerErnst-Reinhard Beck
Über die Beschlussempfehlung des Verteidigungsaus-schusses zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit demTitel „Wehrpflicht aussetzen“ werden wir später nament-lich abstimmen.dkdWdRsdaTsrmsdkMdgAzneidudsTwntnansBsaprtdWmbL
Ich möchte heute einen anderen Weg wählen. Ichöchte meinen Dank und meinen Respekt nicht direkt,ondern indirekt zum Ausdruck bringen, und zwar da-urch, dass ich auf einige Realitäten zu sprechenomme. Dabei möchte ich ein Beispiel wählen.Wenn wir von einer jungen Frau oder einem jungenann hören, der oder die einen vollen Beruf ausübt, umen Lebensunterhalt für sich selbst und vielleicht die ei-ene Familie zu verdienen, und daneben noch eine volleusbildung oder ein volles Studium absolviert, dannollen wir ihm oder ihr häufig Respekt und Anerken-ung. Manchmal haben wir auch Sorge, ob das nicht zuiner Überforderung führt.Wenn wir hier von Realitäten sprechen, so behauptech: Exakt das ist schon seit langer Zeit die Realität iner Bundeswehr. Dort üben viele Tausende von Frauennd Männern in der Tat einen Full-Time-Job aus, seitem Jahr 1990 unter ständigen Umstrukturierungen undeit dem Jahr 2000 auch in einem Prozess der vollenransformation, der geradezu verharmlosend Bundes-ehrreform genannt wird. Nebenbei müssen sie sichoch einem außerordentlich fordernden Lernprozess un-erziehen, der mit einer kompletten Ausbildung oder ei-em kompletten Studium gleichzusetzen ist. Dabei wirduch noch ein völliges Umstellen und Umdenken aufeue Herausforderungen verlangt.Während diese Transformation in diesem Umfangtattfindet, haben wir eine Dauerhöchstbelastung derundeswehr mit aktuell 7 180 Soldaten im Dienst vonchwierigen Auslandsmissionen zu verzeichnen, aberuch – das dürfen wir nicht vergessen – mit ständig dop-elt so vielen, die sich auf einen solchen Einsatz vorbe-eiten, und ebenso vielen, die einen solchen Einsatz hin-er sich haben, ihn verarbeiten müssen, die Lehrenaraus zu ziehen haben und sich in der Regel auf eineiederholung einer solchen Herausforderung einstellenüssen.Ich habe das Bild von einem voll Berufstätigen ge-raucht, der neben seinem Beruf einen umfangreichenernprozess in Form von Ausbildung oder Studium
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Gernot Erlerdurchmacht. Das Besondere bei der Bundeswehr ist,dass es sich bei dieser Ausbildung auch noch um Neu-land handelt. Was heißt das: Neuland? Ich meine damit– lassen Sie mich das hier einmal offen sagen –, dass dieeuropäische Politik in den 90er-Jahren versagt hat, so-dass es leider zu vier blutigen Kriegen auf europäischemBoden in Südosteuropa gekommen ist. Je zweimal hat esin Bosnien-Herzegowina und im Kosovo militärische In-terventionen gegeben. Die Akte der Terroristen in Af-ghanistan haben dann zu einer militärischen Interventionan einem dritten Ort gezwungen. Im Ergebnis haben wirseit 1995 in Bosnien-Herzegowina, seit 1999 im Kosovound seit dem Jahr 2002 in Afghanistan komplizierte, for-dernde und schwierigste so genannte Nation-Building-Prozesse. Bei denen müssen mehr als 30 verschiedeneNationen, internationale Organisationen wie die Verein-ten Nationen, die NATO, die EU und die OSZE, interna-tionale Finanzorganisationen und andere in einer völligneuen Form zusammenarbeiten und bei denen muss dieBewältigung völlig neuer Aufgaben unter völlig neuenArbeitsformen erprobt werden. Das ist in der Tat Neu-land.In diese Situation haben wir die Bundeswehr prak-tisch zur Bewährung hineingeworfen, weil es nach sol-chen Interventionen eine nicht mehr abweisbare Verant-wortung für uns gibt. Wir haben ihr gesagt: Ihrübernehmt dort die Verantwortung für uns. Von euremErfolg hängt das Ansehen der westlichen Welt, ja auchunseres Landes ab – so ein bisschen nach dem Motto:Wir wissen zwar nicht genau, wie Nation-Building-Pro-zesse ablaufen; aber wir werfen euch einmal in der Hoff-nung ins kalte Wasser, dass ihr das Schwimmen schonlernt. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das istes, was wir mit der Bundeswehr als politisch Verant-wortliche machen. Wir tun das mit 1 150 Soldaten inBosnien-Herzegowina, mit über 1 300 im Kosovo undmit circa 2 400 in Afghanistan und benutzen dabei sol-che flotten Abkürzungen wie SFOR, KFOR oder ISAFund tun so, als ob wir genau wüssten, was das ist, wäh-rend wir es in Wirklichkeit nicht wissen und auch garnicht wissen können.Damit bin ich bei einem sehr aktuellen Thema, näm-lich bei den Vorgängen um die außerordentlich tragi-schen Ereignisse am 17. und 18. März im Kosovo. Dagab es Tote und Verletzte, Vertreibungen von Menschen,brennende Häuser, Kirchen und Klöster. Objektiv wardas ein schwerwiegender Rückschlag bei einem dieseraußerordentlich komplizierten Nation-Building-Prozes-se. Es hat Untersuchungen dazu gegeben. Sie haben er-geben, dass es bei diesem Rückschlag in der Koopera-tion und in der Kommunikation derjenigen, die Verant-wortung vor Ort trugen, ebenso wie bei der AusrüstungMängel gab und wahrscheinlich auch Fehler Einzelnervorgekommen sind. Es hat umfangreiche Reaktionen desMinisteriums und auch Maßnahmen zur Verbesserungder Fähigkeiten vor Ort gegeben.Der Bundesminister der Verteidigung Peter Struckverfolgt bei diesen Vorgängen eine Position der uneinge-schränkten Transparenz und Information des DeutschenBundestages.MsWmssswdamdVezsda–frNdßgmdpSkCdn
eine Fraktion unterstützt diese Politik der uneinge-chränkten Information und Transparenz nachdrücklich.ir sind der Meinung, dass dies der richtige Weg ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetztehrere Möglichkeiten. Natürlich kann das Parlamentein Recht wahrnehmen und entsprechende Mittel ein-etzen, um die Fehler Einzelner auszuleuchten und zuchauen, ob sich daraus Folgen für die politische Verant-ortungsebene ergeben. Man kann aber auch etwas an-eres tun: Man kann die Fülle von Informationen, dieuf unseren Tischen liegen, als Chance nutzen, um ein-al zu erfassen, wie die Situation bei den Nation-Buil-ing-Prozessen grundsätzlich ist und wo strukturelleerbesserungen notwendig sind. Man kann schauen, woine bessere Abstimmung und eine bessere Kooperationu organisieren ist. Auch das wäre eine Möglichkeit, un-erer politischen Mitverantwortung für diese außeror-entlich schwierigen Aufträge gerecht zu werden undnzuerkennen, unter welch schwierigen Umständenhinzu kommt der Stress durch die permanente Trans-ormation der Bundeswehr – die Soldaten die schwie-igen Aufgaben, die wir ihnen gegeben haben und dieeuland bedeuten, erfüllen müssen.Dieser ehrliche Umgang mit der Realität, der die Bun-eswehr bei ihren Einsätzen begegnet, läge einmal au-erhalb des formalen Dankes. In diesem ehrlichen Um-ang mit der Realität wäre nach meiner Auffassungehr Respekt und Dank für die Soldaten enthalten als inen üblichen formalen Dankesbekundungen. Deshalblädiere ich dafür.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Karl Lamers.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!Der Schutz Deutschlands und seiner Bürgerinnenund Bürger bleibt eine wichtige Aufgabe staatlicherSicherheitsvorsorge.o steht es im Antrag der rot-grünen Regierungs-oalition. Die Zielsetzung ist gut. Aber wie sagte schonicero: „Epistula non erubescit“ – Papier ist geduldig. Iniesem Falle muss ich sagen: sehr geduldig.
Dieser Satz in Ihrem Antrag hat einen großen Fehler,ämlich dass er offensichtlich nicht so gemeint sein
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Dr. Karl A. Lamers
kann, wie er da steht. Es handelt sich um ein reines Lip-penbekenntnis der rot-grünen Koalition. Denn faktischhaben Sie die Landesverteidigung aus dem Aufgaben-katalog der Streitkräfte gestrichen, auch wenn die Vertei-digungspolitischen Richtlinien anderes besagen – unddas in der heutigen Zeit, in der uns die Menschen zuRecht fragen, wie sie vor Ort geschützt werden.Wir fordern einen glaubhaften Schutz der Bürger vorBedrohungen aller Art, vor Bedrohungen von außen,aber auch vor Bedrohungen durch Terroristen im Innern,am Hindukusch ebenso wie in Heidelberg oder in Wein-heim an der Bergstraße.
Deutschland braucht endlich ein verteidigungspoliti-sches Gesamtkonzept. Dazu gehört ein stringenter Planfür den Einsatz deutscher Soldaten draußen in der Welt.Wir führen zurzeit eine aktuelle Diskussion über denSinn und Zweck unseres Engagements auf dem Balkan,speziell im Kosovo, und auch in Afghanistan. Damit Siemich richtig verstehen: Wir diskutieren nicht über dasOb, sondern über das Wie unseres Engagements.
Wir sind es unseren Soldaten schuldig, dass wir klarund deutlich Sinn und Ziel unserer Einsätze darlegen.Der Wehrbeauftragte war vorgestern sehr nachdenklich.Wir haben hier eine politische Bringschuld. Unsere Sol-daten müssen zweifelsfrei wissen, was sie im Einsatz ma-chen dürfen und was sie machen müssen. Was im Märzim Kosovo geschehen ist, das darf es so nicht mehr geben.Wenn die parlamentarischen Gremien jetzt daran ge-hen, diese Vorgänge zu erhellen, dann geschieht dieszum Schutz unserer Soldaten.
Durch unsere Forderung nach Klarheit ihres Auftrags,durch unsere Forderung nach einer besseren Vorberei-tung und einer sachgerechteren Ausstattung stärken wirihnen den Rücken. Hier liegt vieles im Argen. Wir wer-den dies aufklären. Das ist unsere parlamentarische Ver-antwortung und Verpflichtung. Wir dürfen unsere Solda-ten nicht im Stich lassen und wir werden dies auch nichttun.
Für die konkrete Durchführung und Einsatzgestaltungtragen Sie, Herr Minister, die Verantwortung. Für denBalkan und für Afghanistan gilt das Gleiche: Die Sinn-haftigkeit des Einsatzes ergibt sich aus der Einsehbarkeitdes Auftrags. Stabilität und Frieden werden wir auch inAfghanistan nur erreichen, wenn die Weltgemeinschaftdem Terror mit einem robusten Mandat die Stirn bietetund nicht gleich beim ersten Schuss die Segel streicht.Das Gleiche gilt für den Kampf gegen die Drogen-barone, vor deren Verbrechen wir nicht die Augen ver-schließen dürfen.
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uf der anderen Seite hat die Bundeswehr immer weni-er Geld zur Verfügung und gibt es immer weniger Sol-aten, immer weniger Standorte und zu wenig moderneusrüstung.Als NATO-Parlamentarier bin ich es langsam leid,ir insbesondere von unseren NATO-Bündnispartnern
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Dr. Karl A. Lamers
anhören zu müssen, dass wir zu wenig in Zukunfts-technik investieren. Das berührt die Zusammenarbeit imBündnis und die Interoperabilität der Bündniskontin-gente. Deshalb meine Forderung: Der Modernisierungs-stau in der Bundeswehr muss aufgelöst werden. Ichfordere eine Technologieoffensive. Nur so ist unsereBundeswehr zukunftsfähig.Deutschland braucht eine andere, eine bessere Sicher-heits- und Verteidigungspolitik im Innern und nachaußen. Das Gebot der Stunde heißt handeln. DanteAlighieri hat es auf den Punkt gebracht: „Der eine war-tet, bis die Zeit sich wandelt,
der andere packt sie kräftig an und handelt“, HerrSchmidt.
Ich weiß: Wir können nicht alles tun; aber wir müssenzumindest das tun, was wir können. Deutschland kannmehr als das, was wir jetzt erleben. Aber dazu brauchenwir eine andere Regierung. Dafür setze ich mich ein.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Winfried
Nachtwei.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Vor gut einem halben Jahr, am 11. März, debattierten wirzum ersten Mal die heute vorliegenden Anträge. Seitdemhat sich in Sachen militärischer Sicherheitspolitik Ein-schneidendes getan:Immer ernüchternder, ja katastrophaler sind die Re-sultate einer militärfixierten Art der Terrorismusbe-kämpfung. Wir sehen die katastrophalen Folgen im Irak.Die März-Unruhen im Kosovo waren nicht nur einGewaltausbruch ungeahnter Intensität und Organisiert-heit. Sie offenbarten auch massive Defizite aufseiten vonKFOR und UNMIK.Der bisher sehr breite Konsens bezüglich der gegen-wärtigen Friedenseinsätze der Bundeswehr driftet offen-kundig auseinander. In Zweifel gestellt werden zum Teilihre Notwendigkeit, ihre Wirksamkeit und ihre Verant-wortbarkeit. Einige Beispiele: Der FDP-Fraktionsvorsit-zende Gerhardt sprach in der „Frankfurter Rundschau“von „wirklich schwachen Einsätzen“ in Kunduz undFaizabad. Das ist offensichtlich ein Werturteil. – CDU-Kollege Börnsen warf ISAF und der Bundeswehr eineBegünstigung des Drogenanbaus und -handels in Afgha-nistan vor und forderte den Abzug von ISAF insgesamt.
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Auch die Niederlage der internationalen Gemein-chaft vom März im Kosovo schmälert in keiner Weiseie jahrelangen Leistungen der dort eingesetzten Solda-en, Polizisten und Zivilexperten. Sie haben zumindestin Mindestmaß an Stabilität gewährleistet.Schließlich bleibt auch die Philosophie der gegenwär-igen Friedenseinsätze richtig – trotz aller Defizite, dies gegeben hat –: ihr Ziel der Gewalteindämmung, dertabilisierung und des Nation Building, ihre Legitimitätnd Glaubwürdigkeit durch UN-Mandat und völker-echtskonformes und verhältnismäßiges Auftreten, ihreultinationalität und ihre Multidimensionalität, also dasusammenwirken von militärischen, polizeilichen undivilen Säulen. Es geht nach dem März in keiner Weisearum, dass in Zukunft von der Bundeswehr schnellereschossen wird.Ausdrücklich zu begrüßen ist, wie schnell Bundes-ehr und NATO Konsequenzen aus den März-Unruhenezogen haben. Zugleich wird deutlich, dass die Trans-ormation der Bundeswehr notwendiger denn je ist: Dieine Seite ist die neue Differenzierung der Streitkräfte,er Aufbau von Aufklärungs- und Führungsfähigkeit,on Mobilität über große Distanz, die entsprechendemrüstung. Die andere Seite – über diese wird viel zuenig gesprochen – ist, dass sich mit dem verändertenuftrag die Dienst- und Einsatzmotivation und das Fä-igkeitsprofil der Soldaten grundlegend gewandelt ha-en. Gefordert ist technische und soziale Kompetenz.efordert sind die Bereitschaft und die Fähigkeit, gege-enenfalls zu schießen, zum militärischen Kampf, zu-leich aber die Fähigkeit zur Kommunikation, zur Ko-peration, interkulturelle Kompetenz – und das nicht nureim höheren Führungspersonal mit Silber oder Golduf den Schulterklappen, sondern auch bei den Unter-ffizieren, beim Unterführerkorps. Diese Anforderungst enorm gewachsen. Es wird heutzutage eine Breite anerhaltenssicherheit gefordert, und zwar auch von deninfachen Soldaten, wie man sich dies früher nicht vor-tellen konnte.Grundlegend verschoben hat sich auch der Kern derinsatzmotivation: weg von der Abwehr existenziellerichtbarer Bedrohungen, hin zum Einsatz gegen diffuseisiken für abstraktere Werte und Sicherheitsinteressen.it dem Konzept des Staatsbürgers in Uniform sind iner Bundesrepublik Deutschland besonders gute Voraus-etzungen für diesen Wandel gegeben. Eine Bundes-ehr, die zur Krisenbewältigung im System der Verein-en Nationen beiträgt, braucht nicht weniger, sondernehr solcher Staatsbürger in Uniform.Der Auftragswandel der letzten Jahre ging mit einemchleichenden Ausstieg aus der Wehrpflicht einher. Dieentrale Begründung und Legitimation der Wehrpflicht,
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Winfried Nachtweinämlich Instrument der Massenmobilisierung, der Mas-senrekrutierung angesichts einer potenziell existenziel-len Bedrohung zu sein, ist inzwischen hinfällig gewor-den. Um Sicherheit der Bundesrepublik und der Partnerzu gewährleisten, ist sie nicht mehr zwingend notwen-dig. Damit aber ist auch der massive Grundrechtsein-griff, der mit der Wehrpflicht einhergeht, nicht mehr zurechtfertigen.
Wehrpflicht muss, so das Bundesverfassungsgericht,gleich belastende Pflicht sein. Davon kann immer weni-ger die Rede sein, wenn überhaupt nur noch ein Dritteleines Jahrgangs – Tendenz fallend – den Wehrdienst leis-tet.
Deshalb treten die Grünen und erfreulicherweise inzwi-schen also auch die FDP
für den Ausstieg aus der Wehrpflicht und für den verant-wortungsvollen Umbau in Richtung Freiwilligenarmeeein.
Es ist bekannt und auch ganz normal, dass in dieserFrage Dissens in der Koalition besteht, und zwar ebennicht einfach nur zwischen Grünen und SPD, sondernzum Teil auch innerhalb der Fraktionen. Das ist, wiegesagt, etwas ganz Normales. Wir haben uns in derKoalition eindeutig darauf verständigt, diesen Dissensgemeinsam anzugehen. Wir haben vereinbart, die Über-prüfung der Wehrform vor Ende der Legislaturperiodevorzunehmen.
Wir halten uns an diesen gemeinsamen Fahrplan. Des-halb können wir heute dem FDP-Antrag zur Aussetzungder Wehrpflicht nicht zustimmen, auch wenn wir diePosition teilen.
Aber ich sage Ihnen: Viel wichtiger als ein Abstim-mungsbekenntnis ist das, wofür wir arbeiten. Da bleibtdas Engagement der Bündnisgrünen für die Überwin-dung der Wehrpflicht unzweifelhaft, beständig und si-cherlich für manche in der Koalition auch nervig; aberdas nehmen wir alle bestimmt in Kauf.
Immer wieder wird behauptet, die Wehrpflicht garan-tiere die Integration der Bundeswehr in die Gesell-schaft. Abgesehen davon, dass hier ein Generalverdachtgegen Zeit- und Berufssoldaten mitschwingt, der jederGDIütEgassFleBmipSwoDsswghamDFRbawsrBk
Das Wort hat jetzt der Herr Fraktionsvorsitzende der
DP, Wolfgang Gerhardt.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Es gibt gar keinen Zweifel, dass die Wehrpflichtine große Konstituante in der Nachkriegsgeschichte derundesrepublik Deutschland gewesen ist; darüber mussan nicht streiten. Sie hat die Verankerung einer Armeen einer Demokratie herausgebildet, sie hat die Prinzi-ien der inneren Führung beachtet, sie hat das Bild destaatsbürgers in Uniform geprägt. Ohne die Wehrpflichtäre eine solche demokratische Tradition zweifels-hne nicht zustande gekommen.
eshalb gilt auch für uns, die wir heute den Antrag ge-tellt haben, Respekt vor denen, die anderer Meinungind als wir.Nach Überzeugung der Bundestagsfraktion der FDPar die Wehrpflicht in diesem Abschnitt der Geschichteesellschaftspolitisch überlegen; sie war auch sicher-eitspolitisch geboten. Heute aber, nach dem Ende derlten bipolaren Welt, ist sie keine überzeugende Antwortehr.
enjenigen, die sie weiter vertreten, müssen wir einigeragen stellen: Wie begründen Sie die unglaublicheessourcenbindung in der Bundeswehr? 10 000 Aus-ilder bilden 30 000 Wehrpflichtige in neun Monatenus, die wir in den Einsätzen, die immer wichtiger ge-orden sind, gar nicht einsetzen können. Dieses Res-ourcenpotenzial behindert eindeutig die Modernisie-ung der Bundeswehr.
Wer die Wehrpflicht beibehalten will, muss dazu eineudgetantwort geben. Wenn sie nicht gegeben wird,ann man die Wehrpflicht nicht mehr begründen.
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Dr. Wolfgang Gerhardt– Richtig. Dann darf ich aber ein zweites Argument indie Reihen der SPD hineintragen – in ihr werden jadurchaus mehr und mehr Stimmen kenntlich, die dieWehrpflicht argumentativ nicht mehr halten können;man spürt ja die Unsicherheit –:
Wahr ist – jeder kann große Zeugen der Zeit anführen –,dass Wehrpflicht mit Wehrgerechtigkeit verbundensein muss. Darüber kann es keinen Zweifel geben.
Helmut Schmidt hat sie als „zwei Seiten einer Medaille“bezeichnet. Der frühere Bundespräsident Roman Herzoghat in einer auch für Nichtjuristen verständlichen Spra-che ein verfassungspolitisches Gebot benannt, nach demgegenüber jeder Generation bei Einschätzung der sicher-heitspolitischen Lage die Wehrpflicht eigentlich neu be-gründet werden muss. Sie kann nicht beibehalten wer-den, nur weil sie da ist und einmal beschlossen wordenwar; jede Generation hat Anspruch darauf, dass sie ihrgegenüber unter dem Gesichtspunkt der Wehrgerechtig-keit neu begründet wird.
Wenn heute nur noch weniger als 40 Prozent der Wehr-pflicht und dem Zivildienst nachkommen und zugleich40 Prozent der jungen Generation – auch diejenigen, diewehrdiensttauglich sind – nicht mehr zum Pflichtdienstherangezogen werden, wie will man nur aus der gesell-schaftspolitischen Überzeugung heraus, man sei für dieWehrpflicht, dem Teil der jungen Generation, der einge-zogen wird, begründen, dass ein anderer Teil nicht ein-gezogen wird? Gerecht ist dies nicht.
Dies kann dann auch nicht mehr sicherheitspolitischund gesellschaftspolitisch begründet werden. Es ist ein-fach wahr, dass eine Wehrpflicht nicht akzeptabel ist,wenn sie nicht mehr mit Wehrgerechtigkeit verbundenist. Das ist die jetzige Situation. Darauf müssen auch die-jenigen Rücksicht nehmen, die, wie ich, gesellschafts-politisch lange für die Wehrpflicht eintraten und, wennsie mit Wehrgerechtigkeit verbunden wäre, ihr auchheute immer noch den Vorzug gäben. Wir können esaber aus Gründen der Gerechtigkeit nicht mehr vertre-ten.Diese Fragen müssen Sie schon beantworten. MeinGespür ist, dass diejenigen, die die Wehrpflicht befür-worten, schwächer in der Zahl und schwächer in ihrenArgumenten werden, wenn sie die Wehrpflicht vor jun-gen Menschen begründen sollen.
Wir haben eine 300 000 Mann starke Armee, diehaushaltsmäßig schwach finanziert ist und angesichtsder neuen internationalen Gegebenheiten und der welt-politischen Unebenheiten an ihre Grenzen stößt. Die Ar-mee ist vom Budget her nicht in ausreichendem MaßemtuingrwgDwdptrsBndalistäkTkagWngaAtuw–GhDdnhWg
Frau Sager, ich sage Ihnen nur eines voraus: Sie alsrüne werden im Wahlkampf 2006 das fordern, was wireute hier zur Abstimmung stellen.
iese Strategie ist nicht glaubwürdig.
Wenn man eine Überzeugung hat, dann sollte manieser Überzeugung auch Ausdruck verleihen.
Unser Antrag auf Aussetzung der Wehrpflicht istach unserer Auffassung bei der gegenwärtigen Sicher-eitslage geboten; er ist wegen des Gesichtspunkts derehrgerechtigkeit verfassungspolitisch geradezu zwin-end. Wir können jetzt das machen, wozu die Politik ja
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Dr. Wolfgang Gerhardtimmer aufgefordert wird, nämlich nach vorn zu blickenund zu sagen, wie wir in den nächsten Jahren hinsicht-lich der Strukturreform vorangehen wollen. Heute ist derZeitpunkt, zu dem wir dieses Signal geben sollten. Wirbeantragen deshalb, die Wehrpflicht auszusetzen. Wirwollen damit der Bundeswehr sagen, wie wir ihre Struk-tur in Zukunft sehen; wir wollen der jungen Generationsignalisieren, dass wir den Gedanken der Wehrgerechtig-keit ernst nehmen, und wir bitten um Zustimmung zu un-serem Antrag.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Bundesminister der Verteidi-
gung, Peter Struck.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich bin den Fraktionen des Deutschen Bundesta-ges sehr dankbar dafür, dass wir einmal in einer Kern-zeitdebatte über die Bundeswehr reden können.
Ich sage das auch im Namen meiner Soldatinnen undSoldaten, die in Auslandseinsätzen in schwierigen Mis-sionen sind.
Ich will insbesondere auf einige Punkte, die von Opposi-tionsrednern in dieser Debatte vorgebracht wurden, ein-gehen.Zunächst zu dem Thema Kosovo. Herr KollegeLamers hat das angesprochen. Dass es bei dem Einsatzder Soldatinnen und Soldaten des KFOR-Kontingents– das KFOR-Kontingent besteht aus 17 000 Soldatinnenund Soldaten, nicht nur aus den 3 000 Bundeswehrange-hörigen –
Kommunikationsprobleme mit der UNMIK, der Polizeider Vereinten Nationen, mit dem Kosovo Police Service,der eigenen kosovoalbanischen Einrichtung, gegebenhat, das ist unbestritten. Dass wir daraus Konsequenzengezogen haben, ist ebenfalls unbestritten. Wir sagendazu: Lessons learnt. Das gilt für die NATO-Ebene undfür die bundesdeutsche Ebene. Dass es manchen Solda-tinnen und Soldaten nicht im Bewusstsein war, dass einHaus, das nicht von uns überwacht wurde, das so ge-nannte Priesterseminar – das war eigentlich ein leer ste-hendes altes Gebäude, in dem sich teilweise auchObdachlose aufgehalten haben –, mit zu unserem Kon-trollbereich gehörte, das ist ein Fehler, der passiert istund den wir aufklären werden. Ich persönlich macheavmd1dbhdKmtdksmdKdaImudzuddPt–tiGIKWm
Wir werden das im Verteidigungsausschuss ordentlichereden; die Unterlagen dazu haben wir vorgelegt. Wiraben intern eigene Unterlagen zusammenstellen lassen,ie die Grundlage für die Antworten auf die Fragen derollegen insbesondere der Opposition bildeten. Manuss im Verteidigungsausschuss beraten, wie man wei-er damit umgeht. Ich habe gar keinen Zweifel daran,ass auch der Verteidigungsausschuss zu dem Ergebnisommen wird: Die Konsequenzen, die gezogen wordenind, sind die richtigen. Wenn man zusätzlich noch etwasachen muss, dann machen wir es halt. Darauf habenie Soldatinnen und Soldaten auch und gerade imosovo einen Anspruch.Ferner müssen wir auch über das Thema des Statutses Kosovo reden. Das haben wir hier schon mehrfachngesprochen, Herr Kollege Stinner.
ch will betonen, dass ich da keinen Gegensatz zwischenir und dem Außenminister sehe. Die Fragen von Statusnd Standard müssen zusammen behandelt werden;enn ich frage mich: Wie lange sollen unsere Soldatenum Beispiel noch im Dorf Novake Häuser aufbauennd die Menschen bewachen,
ie sich nicht trauen, das Dorf zu verlassen? Wir kennenieses Thema; aber wir müssen es unter außenpolitischererspektive gemeinsam mit dem Außenministerium in-ensiv beraten.
Ja, ich weiß: im Auswärtigen Ausschuss und im Ver-eidigungsausschuss.Ich will ganz kurz etwas zu Afghanistan sagen, weilch mich über Interviews, die Sie, Herr Kollegeerhardt, gegeben haben, geärgert habe.
n diesen Interviews haben Sie über Faizabad undunduz gesprochen, obwohl Sie noch nie dort waren.
ir haben Ihnen, Herr Gerhardt, angeboten, diese Orteit uns gemeinsam zu besuchen.
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Bundesminister Dr. Peter StruckWürden Sie nach Kunduz fahren und mit den Menschenin Afghanistan reden, würden Sie sehen, dass es richtigist, sich dort einzusetzen. Sehen Sie sich die Situationvor Ort doch gefälligst einmal an!
Sie müssen nur einmal mit den kleinen Kindern oderihren Lehrerinnen reden, die zur Schule gehen können,weil wir sie aufgebaut haben und schützen.
Ich halte es für falsch, einfach zu sagen: Dieses Mandatbringt nichts; brechen wir unseren Einsatz also ab.
Am kommenden Wochenende werden wir Faizabad er-neut besuchen. Auch ein Kollege von der FDP, HerrLeibrecht, fährt mit. Ich hoffe, dass es Ihnen, Herr Kol-lege, danach gelingt, in Ihrer Fraktion mehr Sensibilitätfür dieses Thema zu schaffen.Was Afghanistan angeht, muss ich sagen: DieMission in Faizabad ist auch von der Union infrage ge-stellt worden.
Ich bin sehr dankbar für die Aussage des KollegenSchäuble, der in einem Interview gesagt hat, dass dieUnion dieses Mandat natürlich unterstützt. Was ich auchbeklage, ist, dass die Beteiligung noch nicht so groß istwie auf verschiedenen NATO-Gipfeln, zum Beispiel inIstanbul, vereinbart.
Aber das heißt doch nicht, dass wir, weil sich die ande-ren nicht beteiligen, wieder nach Hause gehen sollten.So kann man doch nicht arbeiten.
Das Wiederaufbauteam – wir nennen es PRT – inFaizabad ist erforderlich. Dort arbeiten zehn bis zwölfNGOs, also Hilfsorganisationen aus dem privaten Be-reich, deren Verantwortliche sich darüber freuen, dasswir dort sind. Wir werden uns ansehen, was dort ge-macht wird. Darüber hinaus ist es gelungen – das willich auch noch sagen –, durchzusetzen, dass aus demHaushalt des Bundesministeriums für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung entsprechende Pro-jekte in Faizabad finanziert werden. Dabei handelt essich um ähnliche Projekte, wie wir sie auch in Kunduzdurchgeführt haben. Deshalb rate ich dringend dazu, sichdie Situation vor Ort anzusehen und unseren Einsatznicht infrage zu stellen. Denn auch andere NATO-Staa-ten werden noch zusätzliche PRTs in Afghanistan in-stallieren.
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ie Neuseeländer sind ebenso anwesend. Die Briten undir sind mit jeweils zwei PRTs vertreten. Außerdem sindie Amerikaner dort, allerdings im Rahmen einer ande-en Konstruktion.
Nein, die Briten haben dort zwei ordentliche PRTs, dienserem Konzept entsprechen. Es macht doch keineninn, nur auf die anderen zu warten. Man könnte zwaragen: Sollen die anderen doch machen; wir beteiligenns erst später. Aber so arbeiten wir nicht.
as Ansehen der Bundesrepublik Deutschland ist durchie Arbeit der Bundeswehr in Afghanistan uneinge-chränkt hoch. Man kann nicht hoch genug einschätzen,ie angesehen wir dort durch die Arbeit unserer Solda-n sind.
Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, den Kol-ge Lamers in seiner Rede angesprochen hat: Er hatehr Geld für die Bundeswehr gefordert.
ch wäre froh, wenn ich mehr Geld für die Bundeswehrur Verfügung hätte. Aber Sie müssen auch einmal anie Aussagen des ehemaligen Kanzlerkandidaten derDU/CSU, Herrn Stoiber, denken. Sie dürfen nicht son, als gebe es ihn nicht. Denn er wollte den Bundes-aushalt um 5 Prozent kürzen. Das würde für meinentat eine Kürzung um 1,2 Milliarden Euro bedeuten. Soann man nicht arbeiten. Man kann nicht auf der eineneite mehr Geld für die Bundeswehr und auf der andereneite Kürzungen des Haushalts fordern.
Kollege Glos, sind Sie gerade aufgewacht? Bitte spre-hen Sie lauter.
Ach so, Herr Stoiber ist nicht mehr ernst zu nehmen,der was?
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Bundesminister Dr. Peter StruckMichael Glos sagt also: Herr Stoiber ist ein Kinkerlitz-chen.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zur Serio-sität zurückkehren und ohne Polemik Folgendes sagen:Unser Haushalt hat ein Volumen von 24 MilliardenEuro. Wenn ich unterwegs bin, sagen mir viele Soldatin-nen und Soldaten: Herr Minister, ich kann Ihnen sagen,wo wir noch Geld sparen können. – Das geht Ihnensicher auch so, wenn Sie mit Bundeswehrangehörigensprechen. Jeder sagt: Da können wir noch sparen. Wirmüssen unsere Bundeswehr tatsächlich umstellen. Wozubrauchen wir 4 000 Leopard-Panzer noch? Die kostenGeld, auch wenn sie nur in den Depots stehen. Wozubrauchen wir so viele Flugzeuge? Wir haben 80 Torna-dos außer Dienst gestellt; im Rahmen der Auflösungeines Marineflieger-Geschwaders. Die neuen Aufgaben,die wir haben, sind doch gar nicht strittig. Ich bin froh,dass die Union wenigstens teilweise bereit ist, den Wegder Transformation, der Reform der Bundeswehr weitermitzugehen.Worüber wir uns nur „streiten“, ist die Frage: Sorgenwir für genügend Heimatschutz oder nicht? Nach derKonzeption, die wir vorgelegt haben – es gibt Eingreif-kräfte, es gibt Stabilisierungskräfte und es gibt Unter-stützungskräfte –, stand niemals infrage, dass die rund145 000 Unterstützungskräfte auch für den Heimat-schutz zur Verfügung stehen werden. Wer wäre ich denn,wenn ich sagen würde: Wenn wir angegriffen werden,gibt es keine Verteidigung für unsere Heimat? – Es istdoch absurd, anzunehmen, wir würden unser Land nichtverteidigen wollen. Der Streit ist also nur theoretischerNatur.Praktisch auswirken könnte sich dieser Streit aller-dings, wenn die Union ihr Konzept jetzt durchsetzenkönnte – wenn sie die Mehrheit dazu hätte –, sämtlicheStandorte aufrechtzuerhalten; ich habe das in ihren An-trägen gesehen. Ich weiß ja, dass jeder Abgeordnete sichSorgen um die Bundeswehrstandorte in seinem Wahl-kreis macht. Aber wenn wir – das ist nun einmal so –110 Standorte zu viel haben, weil wir die Bundeswehrverkleinern, müssen eben Standorte geschlossen werden;es geht doch gar nicht anders. Es sei denn, wir bekom-men mehr Geld, um Standorte aus strukturellen Gründenaufrechtzuerhalten; das ist aber nicht meine Aufgabe.Herr Kollege Lamers hat vorhin gesagt: Sie, HerrMinister, müssen handeln. – Das hat mir noch nie je-mand vorgeworfen: dass ich nicht handle. Dafür bin ichnicht bekannt – ich handle durchaus, auch kräftig undenergisch.
Ich will jetzt noch einmal zu den internationalenVerpflichtungen kommen: Zu der schnellen Eingreif-truppe der NATO, der NATO Response Force, haben wirAnmeldungen vorgenommen. Im Jahre 2005, also imnächsten Jahr, werden auch die ersten Heereseinheitendabei sein. Unsere diesbezüglichen internationalen Ver-pflichtungen können wir auch einhalten. Dann gibt esdie Eingreiftruppe der Europäischen Union. Auch dafürsahwagnBtBißssalMnsMwrzWnddtgiddMeDddsznfcamaWDwhDdÜVuA
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Christian
Schmidt.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen!Die heutige Debatte gibt tatsächlich Gelegenheit undAnlass, den Soldaten, den Soldatinnen und auch den Zi-vilbediensteten zu danken. Kollege Erler, das ist keineFormalie, die man gleich wieder vergisst. Man solltedies betonen: Menschen, die bis zum Einsatz ihres Le-bens für den Auftrag unseres Landes stehen, verdienenein Dankeschön jenseits aller Dinge, die im Operativendiskutiert werden müssen. Das empfangen und verstehendie Menschen auch so. Das sollten Sie nicht klein redenund auf die Seite stellen.
Wir sind doch auch hier, um den Einsatz möglichstoptimal zu gestalten. Es geht aber nicht nur darum. Na-türlich möchten wir den Soldaten und Soldatinnen auchsagen können, für was und warum sie diese Beschwer-lichkeit auf sich nehmen müssen, die die Einsätze undauch die Bereitschaft zu Hause in der Heimat mit sichbringen. Es ist nicht klar, welche Rolle der Bundeskanz-ler – ich wiederhole die Frage: Wo ist er eigentlich beieiner Debatte, bei der es insbesondere um die Menschenbei der Bundeswehr, um die wir uns kümmern wollen,geht? –
und der Bundesaußenminister der Bundeswehr eigent-lich zubilligen.Herr Verteidigungsminister, was das Kosovo angeht,so bin ich nicht der Meinung, dass der Außenministerund Sie beim Thema „Standards vor Status“ die gleicheZielsetzung verfolgen. Das hört sich bei Ihnen beidennicht gleich an.
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Es genügt nicht, dass er, wie gestern in einer Rede,chnell etwas zu den Auslandseinsätzen sagt. Ich habeher das Gefühl, dass hier nach dem Motto Quodlibetingekauft wird: Wenn es wieder so weit ist, dann sagenir einen Einsatz zu, sofern uns gerade danach ist. – Dasst keine Linie. Eine solche muss die Bundeswehr aberekommen.
as ist das große Defizit dieser Bundesregierung. Sieaben es in sechs Jahren nicht geschafft, das zu ändern.ie Halbzeitbilanz in dieser Legislaturperiode weist des-alb einen ganz großen Fehlposten in diesem Bereichuf. Einer Diskussion darüber können Sie nicht auswei-hen. Diese Diskussion werden wir führen, und zwartreitig.
Geändert hat sich bei der Frage, wo unsere Sicherheiterteidigt werden muss, die Tatsache, dass die Sicherheitnseres Landes nicht mehr an den Landesgrenzen vertei-igt werden muss, sondern dass Gefahren wie der Terroruch anderswo in der Welt bekämpft werden müssen.eblieben sind aber die Gefahren bei uns zu Hause, weilerrorgruppen oder bewaffnete Insurgenten auch hieruschlagen können. Verteidigung dagegen ist schwer,ber nicht unmöglich. Eine schnelle, flexible Reaktioninerseits und eine landesweit vernetzte Sicherheits-truktur andererseits müssen gestaltet werden.Sicherheit im eigenen Lande kommt nicht von selbst,arum muss man sich kümmern. Es ist deswegen falsch,ie Strukturen der bisherigen Territorialverteidigung aufas Niveau von Feierabendtreffs zu reduzieren. Die Ver-eidigungsbezirkskommandos darf man nicht komplettbschaffen, wenn man Vorsorge für zivil-militärischeusammenarbeit bei Großschadenslagen und Bedrohun-en von außen treffen will.
erade hier hat sich das Regionalprinzip bewährt. Manüsste diese Kommandos vielmehr zu Regionalbaseneimatverteidigung ausbauen und darf sie nicht aufine bloße Funktion für hierfür nicht ausgerüstete oder
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Christian Schmidt
ausgebildete Restposten derer, die gerade zu Hause sind,reduzieren.Dass Sie, Herr Verteidigungsminister, hier einenSchnitt machen, indem Sie das Messer am gesundenKörper ansetzen, ist falsch. Es kann nur mit dem Ver-such, auf Kosten der Auftragserfüllung zu sparen, erklärtwerden, dass eine der eigentlich zukunftsträchtigenStrukturen der Bundeswehr zerstört wird. Zudem werdendann noch die Reservisten als Landsturm der Vergangen-heit karikiert, obwohl wir sie als flexible Aufwuchs-kräfte für solche Aufgaben brauchen.
Das ist auch nicht mit dem Ausbruchsversuch zu be-antworten: Wir haben kein Geld, daran ist auch trotz eu-rer Aufforderung nichts zu ändern. – Das Thema derHaushaltskonsolidierung ist eine Sache. Das Thema,Schwerpunkte zu setzen und mit den Mitteln in einer Si-tuation, die Sie mit Ihren Haushalten selbst verschuldethaben, klug umzugehen, ist eine andere Sache. Es gehtdarum, die Triebe, die langsam wieder sprießen, nichtabzuschneiden. Hier findet gerade eine völlig falscheEntscheidung statt. Noch in den Verteidigungspoliti-schen Richtlinien des Verteidigungsministeriums liestman manches Zustimmenswerte zum Thema eines natio-nalen Gesamtsicherheitskonzeptes. Leider ist in der Pra-xis der Auftrag Heimatschutz unter die Räder geraten.Im Übrigen hängt dieses Thema eng mit der Zukunftder Wehrpflicht zusammen. Für Auslandseinsätze sindfreiwillig länger dienende Wehrpflichtige ein wichtigesElement. Allein damit wird man aber die Wehrpflichtnicht begründen können. Es bedarf einer klaren Zuord-nung von Aufgaben in einer gemischten Armee von Be-rufs- und Zeitsoldaten einerseits und Wehrpflichtigenmit beruflicher Erfahrung und Kenntnissen andererseits.Das relativiert allerdings, Kollege Gerhardt, Ihren Hin-weis auf die Ausbildungsnotwendigkeit. Auch der spä-tere Berufssoldat kommt als Unausgebildeter zur Bun-deswehr und bedarf der Ausbildung und Betreuung. Wirhaben bereits jetzt ein gemischtes System von Berufs-und Zeitsoldaten sowie Wehrpflichtigen. Wir könnenschließlich nicht eine eigene Teilstreitkraft Wehrpflich-tige bilden. Das wäre in der Tat das Ende der Legitima-tion der Bundeswehr.
– Wenn Sie sich die Zahlen und die wirklichen, nicht diepolitisch gefühlten Ergebnisse in den Ländern, die dieWehrpflicht gerade abschaffen oder abgeschafft haben,im Hinblick auf ihre Etatbelastung ansehen, dann wer-den Sie feststellen, dass mehr investiert werden muss.Das hat nicht nur mit der Nachwuchsgewinnung zu tun,sondern auch damit, dass die Attraktivität noch stärkererhöht werden muss. Deswegen geht diese Rechnungnicht auf.Aber nicht nur die gefühlte Sicherheit unserer Mitbür-ger, sondern auch die reale Sicherheitslage unseres Lan-des gibt guten Grund, von unseren jungen Männern ei-ndtWetsnvsbvNGDDdrmvghVsbpBgmstntdeGdgsoLpwteuEWzblhdl
Eines muss der SPD klar sein: Wer nicht einmal in derage ist, die sowieso bedürftige Einbindung der Wehr-flicht von heute in das Zahlenwerk der neuen Bundes-ehrkonzeption vorzunehmen, der wird nicht durchhal-en. Die Konzeption, die der Generalinspekteurntwickelt hat, hat einige durchaus interessante Ansätze,nd zwar im Bereich der Neugliederung der Truppe iningreif-, Stabilisierungs- und Unterstützungskräfte.er aber schon jetzt mangels Mittel höchstens 80 Pro-ent der eigentlich vorgesehenen Wehrpflichtigenstellenesetzt, der fährt in den roten Bereich. Was soll eigent-ich ein Bundeswehrplan, der schon jetzt nicht durchge-alten werden kann? Nicht die Verwendungsmöglichkeiter Wehrpflichtigen, sondern die Nutzung dieser Mög-ichkeit ist das große gefährliche Fehl in der jetzigen
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Christian Schmidt
Regierungspolitik. Wir sind bereit, im konstruktiven Ge-spräch über die Wehrpflicht zu bleiben. Vorher erwartenwir von Rot-Grün dazu aber ein faktisch ehrliches undkein politisches Lippenbekenntnis. Wir werden hierüberdiskutieren und streiten müssen.
Transformation ist ein schöner Begriff. Reform sagtman nicht mehr, weil Transformation so schön klingt,dass jeder den Begriff in den Mund nimmt, obwohl kei-ner weiß, was damit gemeint ist. Der Verteidigungs-minister hat Standortschließungen angesprochen, die wirhier nicht im Einzelnen diskutieren. Es ist in der Tat so,dass das Heimatschutzkonzept, das wir vorgelegt ha-ben, den Erhalt einiger Standorte bedeuten könnte.
Wenn wir am 1. oder 2. November die entsprechendenInformationen bekommen, dann müssen wir über diesesThema noch einmal ins Gespräch kommen. Ich bin nichtderjenige, der sich hier hinstellt und sagt: Jeder Standortkann die nächsten 100 Jahre so bleiben, wie er ist. – Seit1990 haben sich einige Veränderungen ergeben. Wo aberstrukturell Möglichkeiten zum Erhalt bestehen, müssenwir über dieses Thema reden. Wir sind der Meinung, esgibt gute Gründe, gerade auch wegen der Differenzie-rung der Truppe, die auch mit der Wehrpflicht zusam-menhängt, Standorte zu erhalten oder umzuwidmen.Man kann sagen: Wenn schon zu Hause bei der Bun-deswehr General Mangel und Oberst Fehl das Kom-mando führen, dann könnte das wenigstens bei den vie-len Auslandseinsätzen der Bundeswehr anders sein. DieVorkommnisse im Kosovo belehren uns leider einesBesseren. Die Informationen, die wir gestern erhaltenhaben, zeigen – soweit wir sie bisher auswerten konn-ten – kein überzeugendes Bild von Führung, Ausrüstungund Krisenbeherrschung. Das geht nicht gegen dieHauptfeldwebel, die hervorragende Leistungen erbrachthaben; es geht vielmehr gegen die politische Führungs-ebene. Darüber muss geredet werden.
Wir wissen gar nicht, ob wir alle Informationen erhal-ten haben. Denn die schlampige Informationspraxis in-nerhalb Ihres Hauses, Herr Minister,
– schon gegenüber ihm selbst! – und uns gegenüber gibtAnlass zur Sorge.
Ob dem mit Nachfragen oder Nacharbeiten alleine be-gegnet werden kann –
Herr Kollege Schmidt, denken Sie bitte an Ihre Rede-
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Ich weiß, dass Ihnen die Frage, die ich Ihnen jetzt
tellen werde, unangenehm ist, meine Damen und Her-
en von der Koalition. Der Verteidigungsminister ist
om Kollegen Lamers aufgefordert worden, klarzustel-
en, was er hinsichtlich der Struktur des Mandats
aizabad beabsichtigt. Im ZDF hat er am 14. September
m „Heute-Journal“ gesagt, er wisse zwar, dass es zurzeit
eine Mehrheit gebe, um die Zahl der deutschen Solda-
en aufzustocken, möglich sei jedoch, dass sich andere
ationen beteiligen. Das heißt, die anderen Nationen
ommen nicht.
Möglichkeit heißt nicht Wirklichkeit.
Ich halte es für eine Zumutung, dass der Verteidi-
ungsminister die Parlamentarier beschimpft, sie wür-
en ihm nicht mehr Soldaten bewilligen, obwohl er dies
ie gefordert hat. Gestern hat die Bundesregierung den
eschluss gefasst, die Zahl der Soldaten nicht aufzusto-
ken. Das muss aus der Welt geschafft werden. Reicht
ie Zahl der Soldaten aus oder nicht?
Herr Kollege Schmidt, jetzt muss ich Ihre Rede ab-
rechen, es sei denn, die Geschäftsführer sagen etwas
nderes.
Alle, die meinen, dieses Thema abtun zu können,erden sich wundern. Wir werden nächste Woche inten-iv über dieses Thema reden.Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Marianne Tritz.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!In den letzten Jahren haben wir es in der Sicherheitspoli-tik mit völlig neuen Herausforderungen zu tun gehabt.Mit dem Zerfall der Sowjetunion, der Erweiterung derEuropäischen Union und der NATO konnte und kannniemand mehr eine existenzielle Bedrohung unseresLandes erkennen. Niemand glaubt ernsthaft, dass wir innaher oder ferner Zukunft einen Angriff mit konventio-nellen Streitkräften auf deutschem Territorium zu erwar-ten haben.Wer die Bundesrepublik Deutschland angreifen will,wird sich dafür die weichen Ziele der Zivilgesellschaftsuchen und dafür andere Mittel wählen als eine Panzer-division. Die Bedrohung ist subtiler und perfider gewor-den. Sie ist weniger fassbar. Sie richtet sich gegen dieMenschen in unserem Land, unsere Interessen, unsereWerte und Normen. Sie gefährdet unsere offene Zivilge-sellschaft und die unserer Bündnispartner. Unsere Infor-mationsgesellschaft in ihrer Komplexität und mit ihrenvielen Abhängigkeiten benötigt eine andere Art von Si-cherheit und Verteidigung, als wir es bisher kannten.Das ist eine der Lehren, die wir aus dem11. September ziehen mussten. Eine andere ist, dass wirKrisen, Konflikten und Verteilungskämpfen möglichstim Ursprungsland begegnen müssen, wenn wir sie früh-zeitig eindämmen wollen.Wir haben mittlerweile einen erweiterten Sicher-heitsbegriff formuliert, der sich mit internationalenKonflikten, asymmetrischen Bedrohungen und demKampf gegen den internationalen Terrorismus auf ver-schiedenen Ebenen auseinander setzt. Wir setzen dabeiauf einen ganzheitlichen Ansatz, auf wirtschaftliche,politische, entwicklungspolitische, finanzielle und hu-manitäre Maßnahmen, um derartige Bedrohungen abzu-wehren.Unsere Stärken, die Stärken der BundesrepublikDeutschland, liegen eindeutig im Bereich der Konflikt-lösung. Dementsprechend werden Krisenbewältigungund Konfliktvorsorge bis hin zu Frieden schaffendenMaßnahmen mehr denn je auch zentrale Aufgaben derBundeswehr sein. Auf diesen Gebieten engagiert sichdie Bundeswehr bereits jetzt auf vielfältige Weise.Unsere internationalen Verpflichtungen, die wir zu er-füllen haben, und die Verantwortung, die wir eingegan-gen sind, haben dazu geführt, dass Anzahl, Intensität,Umfang und Dauer der Einsätze der Bundeswehr stetigzugenommen haben. Das war und ist mit der Bundes-wehr alten Zuschnitts nicht mehr zu machen. Deshalbbegrüßt meine Fraktion ausdrücklich den Transforma-tionsprozess der Bundeswehr.
Mit der Aufteilung in drei Kategorien kann die Bun-deswehr die anstehenden Aufgaben besser bewältigen.SDbrdthwsrbdOIKFBL–wtsdZovShrTBlDaKbvpmDwes
iebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSUich spreche insbesondere Sie, Herr Schmidt, an –,enn Sie ständig den Einsatz der Bundeswehr zur Terri-orialverteidigung fordern, dann müssen Sie auch einmalagen, wie das gehen soll. Wie, glauben Sie, kann unsie Bundeswehr schützen, wenn die weichen Ziele derivilgesellschaft bedroht sind? Es ist doch zweifelhaft,b zum Beispiel ein Giftgasanschlag wie in der U-Bahnon Tokio oder die Geiselnahme von Kindern in einerchule durch das Aufmarschieren einer Armee zu ver-indern gewesen wären. Herr Schmidt, die Idee, 19-jäh-ige Wehrpflichtige im Rahmen von Heimatschutz zurerrorismusbekämpfung einzusetzen, lässt mir eher daslut in den Adern gefrieren. Das ist wirklich eine gruse-ige Vorstellung.
azu bedarf es anderer Instrumente, über die wir einmaln anderer Stelle konstruktiv reden müssen.Des Weiteren möchte ich von Ihnen endlich etwasonstruktives zu Afghanistan hören. Ihre Dauer-ehauptung, für Afghanistan liege kein Gesamtkonzeptor, wird durch ständiges Wiederholen auch nicht wahr.
Ich kann mir ja lebhaft vorstellen, dass es auf der Op-ositionsbank manchmal richtig langweilig ist und dassan dabei manchmal einschläft.
as entschuldigt Sie irgendwie, aber auch nur irgend-ie. Denn während Ihrer Tiefschlafphasen scheint Ihnenntgangen zu sein, dass zwei Afghanistankonferenzentattgefunden haben
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Marianne Tritz– wunderbar! Sie haben doch etwas gelernt –, auf denenein Gesamtkonzept definiert wurde, das auch noch ineine Sicherheitsresolution umgesetzt wurde. Das bedeu-tet, dass wir nicht im luftleeren Raum agieren, sonderndass wir unseren Beitrag zu dem leisten, was die interna-tionale Staatengemeinschaft gemeinsam beschlossen hat.Ich hoffe sehr, dass Sie demnächst der Mandatsverlänge-rung für Afghanistan zustimmen werden. Alles anderewürde nämlich die Vorbereitung und die Unterstützungder Präsidentschafts- und der Parlamentswahlen unmög-lich machen und alles, was die Bundeswehr und diezahlreichen Hilfsorganisationen bisher in Afghanistangeleistet haben, infrage stellen. Ich möchte Sie dann ein-mal sehen, wie Sie das vor diesen, vor Präsident Karzaiund vor der internationalen Staatengemeinschaft recht-fertigen würden.
Ein bisschen mehr Sensibilität in bestimmten Fragenstünde Ihnen gut zu Gesicht. Die Art und Weise, wie Siepolitische Konflikte auf dem Rücken der Soldaten aus-tragen wollen, ist nicht in Ordnung. Ich finde es richtig,wenn man im Zusammenhang mit den Kosovo-Unru-hen im März dieses Jahres auf einer lückenlosen Aufklä-rung der Ereignisse besteht. Dann muss man auch aner-kennen, wenn der Minister und die Bundeswehr demnachkommen. Dann aber, wenn die Aufklärung erfolgtist und die Verantwortlichen selbst die Mängel benannthaben, einen Untersuchungsausschuss zu fordern istschon ziemlich dreist. Da liegt der Verdacht nahe, dassbei Ihnen nicht der Wunsch nach Aufklärung im Vorder-grund steht, sondern dass Sie bereit wären, die Soldatenvor Ort zu demontieren, nur um der Regierung eins aus-wischen zu können. Das finde ich billig und durchsich-tig.
– Ja, ja.An jenem Tag im Kosovo ist sicherlich vieles schiefgelaufen, aus dem man lernen muss. Das hat auch derMinister zugegeben.
Dennoch können wir davon ausgehen, dass die Soldatendamals in der aufgeheizten Stimmung alles getan haben,um den Konflikt in den Griff zu bekommen.In den letzten Jahren hat sich die Art und Weise derEinsätze der Bundeswehr verändert. Jetzt wird es Zeit,die Struktur und die Ausrüstung der Bundeswehr an dieveränderten Erfordernisse anzupassen. Wir alle wissen,was der Minister der Bundeswehr abverlangt und dass ereinige schmerzhafte Wahrheiten verkünden muss. Aberim Gegensatz zur Opposition, die ständig und in allenBereichen immer nur fordert, kritisiert und stets einKonzept oder eine Antwort schuldig bleibt, hat der Mi-nister mit dem Transformationsprozess einen wirklichmbKfsdBWissgSameddssssezdnbhaIzFvfdVBd
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Günther Nolting.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frauollegin Tritz, ich glaube, Sie haben mit Ihren Vorwür-en hier die falschen Fraktionen angesprochen. Wir wis-en, welche Verantwortung wir gegenüber unseren Sol-atinnen und Soldaten und den zivilen Mitarbeitern derundeswehr zu tragen haben.
ir tragen diese Verantwortung seit vielen Jahrzehnten,m Gegensatz zu Rot-Grün, vor allen Dingen im Gegen-atz zu den Grünen, aus deren Reihen Sie kommen. Wirtellen unsere Soldatinnen und Soldaten, die Angehöri-en der Bundeswehr nicht unter Generalverdacht, wieie es 1998 getan haben, als Sie einen Untersuchungs-usschuss bezüglich eines vermeintlichen Rechtsextre-ismus in der Bundeswehr gefordert haben. Sie warens, die die Bundeswehrangehörigen unter Generalver-acht gestellt haben. Daran sollten Sie sich erinnern.
Was ist eigentlich von dem ehrgeizigen Anspruch ausem Jahre 1998 geblieben, die größte Reform in der Ge-chichte der Bundeswehr einzuleiten? Nicht viel! Seitechs Jahren regiert Rot-Grün. Was ist passiert? Seitechs Jahren doktern Sie an der Bundeswehr herum. Ichage Ihnen: Rot-Grün bringt nicht einmal einen Struktur-ntwurf für die Streitkräfte zustande, der dieses Jahr-ehnt überlebt. Ich bedauere alle Angehörigen der Bun-eswehr in Uniform wie in Zivil: Sie wissen über Jahreicht, ob ihr Arbeitsplatz sicher ist oder ob ihr Wohnorteibehalten werden kann. Ihnen ist jede Planungssicher-eit seit 1998, seitdem Rot-Grün an der Regierung ist,bhanden gekommen.
Natürlich muss die Bundeswehr reformiert werden.hre Struktur und ihr Umfang entsprachen in keiner Be-iehung mehr den Erfordernissen der neuen Zeit. DieDP-Bundestagsfraktion hat als einzige Fraktion bereitsor Jahren ein eigenes Konzept vorgelegt. Vieles davoninden Sie im Bericht der Weizsäcker-Kommission wie-er. Wenn der damalige Verteidigungsminister diesenorschlägen doch nur gefolgt wäre, dann hätte er derundeswehr etliche Irritationen erspart und dann wäreie neue Struktur jetzt weitgehend Realität.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004 11457
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Günther Friedrich NoltingHerr Minister, Ihre Verteidigungspolitischen Richt-linien gehen in die richtige Richtung. Wir unterstützenviele Aussagen. Aber wir erwarten, dass endlich einWeißbuch vorgelegt wird. Das letzte Weißbuch gab es1994. Seit dem Jahr 2000 versprechen Sie uns solch einWeißbuch. Wir wollen wissen, wie die gesamte Bundes-regierung die sicherheitspolitische, die verteidigungs-politische Lage einschätzt und welche Konsequenzen diegesamte Bundesregierung – nicht nur der Verteidigungs-minister – daraus zieht.
Lassen Sie mich noch etwas zur allgemeinen Wehr-pflicht sagen. Der Kollege Gerhardt hat sich dazu für dieFDP-Bundestagsfraktion geäußert. Herr Minister,schauen Sie sich selbst Ihre VerteidigungspolitischenRichtlinien noch einmal an! Sie selbst schreiben, dassder Hauptauftrag nicht mehr Bündnis- und Landesvertei-digung sind, sondern im Wesentlichen die internationa-len Einsätze. Keiner hier im Hause – vielleicht bis aufwenige Ausnahmen – will Grundwehrdienstleistende insolche internationalen Einsätze schicken. Das könnenwir aufgrund fehlender Ausbildungszeiten nicht verant-worten. Wir können es aber auch grundsätzlich politischnicht verantworten.Ich will auch hier noch einmal sagen: Wehrpflicht istkein ewig währendes Prinzip. Wehrpflicht muss ständigüberprüft werden: auf die Länge, auf die Kürze oder da-hin gehend, ob sie insgesamt beibehalten werden muss.Sie muss vor allen Dingen sicherheitspolitisch begründetwerden. Alle anderen Gründe sind zwar wichtig undmüssen berücksichtigt werden, aber sie sind Sekun-därgründe und dürfen nicht zur Legitimation der Wehr-pflicht herangezogen werden.
Die sicherheitspolitische Lage im konventionellenBereich hat sich in den letzten Jahren doch verbessert;sonst säßen wir doch nicht hier, in Berlin. Die NATO hatStaaten aufgenommen, die dem ehemaligen WarschauerPakt angehört haben, die zur ehemaligen Sowjetuniongehört haben. Die NATO ist heute jedem potenziellenGegner um ein Vielfaches überlegen. Auch deswegenbrauchen wir die Wehrpflicht nicht mehr.Herr Kollege Schmidt, ich will noch einmal dasThema Wehrgerechtigkeit ansprechen. Wenn heutekeine 20 Prozent der jungen Männer eines Jahrgangsmehr Wehrdienst ableisten, dann frage ich mich, woherdie Legitimation kommen soll. Ich kenne einige, diemittlerweile den Zivildienst, den Ersatzdienst, zur Legi-timation der Wehrpflicht anführen. Das kann nicht rich-tig sein. Auch darüber werden wir in den nächstenMonaten noch streiten.
Herr Minister, Sie haben das Thema Afghanistan an-gesprochen. Eine Vielzahl der Kollegen aus der FDP-Bundestagsfraktion ist vor Ort in Afghanistan gewesen.Auch insofern haben wir keinen Nachholbedarf. Was hatsich in den letzten zwölf Monaten in Kunduz, inFPzRmISdAnagKawnwgnmedAWiegEMsSü
Herr Kollege Nolting!
Ich komme zum Schluss.
Wir sprechen von einer Parlamentsarmee. Von daher
uss das Parlament auch die Informationen erhalten, die
s benötigt, um urteilen zu können. Wir müssen uns
arauf verlassen können, dass das, was uns im
usschuss vorgetragen wird, auch richtig ist und der
ahrheit entspricht.
Vielen Dank.
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, bitte
ch allgemein darum, dass die Schlusssätze nicht noch
ineinhalb Minuten über das Ende der Redezeit hinaus-
ehen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rainer Arnold.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!igentlich ist es schade, dass bei einer Debatte, die dieenschen stärker berührt als viele Themen, die wir hieronst bereden – weil es nämlich um die Frage dericherheit jedes Einzelnen geht –, die Opposition in dieblichen Rituale verfällt.
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Rainer Arnold
Damit wird eine Chance verspielt, was den größten Per-sonalkörper angeht, für den der öffentliche Bereich Ver-antwortung trägt, mit Personal, das wir mit ganz beson-ders schwierigen Aufgaben ins Ausland schicken. DasPersonal hätte es verdient, dass wir uns seriös mit demauseinander setzen,
was im Augenblick an Transformation, an Wandel zubewältigen ist, und dass wir uns seriös und wahrheits-gemäß mit dem auseinander setzen, was die Soldatinnenund Soldaten in den Einsatzgebieten erleben.
Besonders schade ist das deshalb, weil wir uns in derAnalyse eigentlich einig sind. Die Sicherheitslage in Eu-ropa hat sich verändert. Wir haben einen euroatlanti-schen Stabilitätsraum und erkennen, dass wir gleichzei-tig mit neuen, nicht so genau definierbaren Risiken fertigwerden müssen, also andere Antworten brauchen. HerrSchmidt, bei Ihrer Rede habe ich den Eindruck gewon-nen: Sie erkennen in der Analyse zwar die Veränderun-gen richtig, aber an den Antworten, die Sie geben, zumBeispiel zur Heimatschutzkomponente – Standortesollen nur wegen dieser Komponente weitergeführtwerden –,
merken wir, dass Sie in der Union diesen Wandel mentalgar nicht wirklich vollzogen haben.
Um es klar zu sagen, Herr Lamers: Die Soldatinnenund Soldaten gestalten diese Reform nicht auf dem Pa-pier, sondern sie sind in ihrer täglichen Praxis mitten indem Wandel. Die Reform ist Realität. Wir sind in derUmsetzung. Die Soldatinnen und Soldaten sind in denKöpfen viel, viel weiter als die Politik auf Ihrer Seite.
Herr Schmidt – ich kann Ihnen wirklich nicht erspa-ren, Herr Schmidt, dass ich das sage –, die Union zeigtmit dem Finger auf die Regierung
und unterstellt vermeintliche Unterschiede in der Bewer-tung der Aufgaben. Ich habe mit Interesse gelesen, wasSie, Kollege Schmidt, in den letzten Wochen gesagt ha-ben. An einem Tag ziehen Sie das PRT in Faizabad inZweifel.AvssfbIgSnsnceömmvkSMnPwIAKdFTr
ch glaube, Sie reagieren deshalb so gereizt, weil Sieanz genau spüren, dass Sie in Fragen der Außen- undicherheitspolitik nicht vernünftig aufgestellt sind undicht konsistent argumentieren. Das ganze Themenfeldtellt eine richtig offene Flanke der Opposition dar.
Sie haben vor allen Dingen eines nicht verinnerlicht,ämlich dass Sicherheit mehr leisten muss als abschre-kende Verteidigung. Sicherheit kann doch nur in einemrweiterten Verständnis erreicht werden: Sie hat dochkonomische, ökologische, soziale und kulturelle Di-ensionen. Die Streitkräfte spielen in diesem Zusam-enhang eine wichtige, aber eben nur eine Rolle unterielen. Zu all diesen Punkten steht in Ihren Anträgeneine Zeile.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
chmidt?
Gerne.
Meine Zwischenfrage gibt doch dem Kollegen dieöglichkeit, sich noch einmal zur Sache zu äußern,achdem er dafür bisher nicht viel Zeit aufgewendet hat.Herr Kollege Arnold, wie verhält es sich nun mit demRT in Faizabad? Wie groß soll es sein? Welche Anzahläre nötig?
st es so, dass der Verteidigungsminister aufgrund vonussagen aus Ihrer Fraktion bzw. von solchen aus deroalitionsfraktion Bündnis 90/Die Grünen den Ein-ruck gewinnen konnte, die Anzahl der Soldaten füraizabad orientiere sich nicht an der Sicherheit und ameam, sondern sei aufgrund von Begehrlichkeiten derot-grünen Koalitionsparteien begrenzt worden?
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Zunächst einmal übersehen Sie, dass die Konzeptionder PRTs nicht auf nationaler deutscher Vorliebe beruht,sondern die Staatengemeinschaft insgesamt diesen Weggewählt hat. Natürlich beruht dieses Vorgehen auf einemKompromiss zwischen den beiden Polen, entweder70 000 bis 80 000 Mann nach Afghanistan zu schicken.Ich sehe niemanden, der das will bzw. leisten kann –oder allein den Weg über Nation-Building zu wählenund ganz herauszugehen. Dieses fordert ja die FDP. Dasist aber unverantwortbar gegenüber den Menschen inAfghanistan.
Deshalb stellt das jetzige Vorgehen einen Kompromissdar, für den sich die NATO mit unserer Unterstützungentschieden hat.
– Ich beantworte Ihre Frage schon konkret, HerrSchmidt. – Die zweite Frage ist, wie viele Soldaten fürein PRT nötig sind.
Diese lässt sich erst dann beantworten, wenn zuvor dieFrage geklärt wird, was ein PRT tun soll.
Wenn ein PRT auch Frieden schaffende Maßnahmen ineiner Großstadt durchsetzen soll, dann braucht man vieleHundert Soldaten. Dies soll es aber nicht. Wenn ein PRTeinzelne Objekte und Menschen in der Stadt schützen,kommunikativ Staatsgewalt aus Kabul auch in die Regi-onen tragen, Menschen zusammenbringen und mit denAkteuren reden und verhandeln soll, zugleich dabei aberein Gewehr im Hintergrund hat, damit man in dieser Ge-sellschaft als Verhandlungspartner respektiert wird,wenn das die Aufgabe des PRT ist – und das ist sie –,dann ist die Größe, die wir gewählt haben, angemessen.Wir machen dabei manchmal den Fehler, dass wir vonden Soldaten dann, wenn etwas schief läuft, plötzlichverlangen, dass sie Aufgaben erfüllen sollen, für die wirgar kein Mandat erteilt haben. So sollte man mit den Sol-daten nicht umgehen, sondern die Aktionen präzise ander vorliegenden Aufgabenbeschreibung messen.
Die Bundeswehr – das hat sich an dem PRT gezeigt –wird dieser Aufgabenstellung längst gerecht. Ich will garnicht drum herumreden: Die Ausschreitungen imKosovo haben gezeigt, dass Fehler gemacht wurden. Esist notwendig, die nationalen und internationalen Kom-munikationsketten zu überprüfen. Es wurden strukturellfalsche Einschätzungen vorgenommen. Die Schwach-stellen wurden nicht richtig erkannt, insbesondere nichtin ihrer politischen Brisanz. Das alles liegt auf demTisch. Jetzt kommt aber der entscheidende Punkt: Sietun so, als ob es, um dies zu erkennen, der Medienbe-richte im August bedurft hätte. Das ist falsch. Der dickeOldbFMizddSdrdlsvdhBovnDmkisudiwdtAndgsSuassDs
enn ich konnte erkennen, dass die Bundeswehr eineernfähige Organisation ist. Der Verteidigungsministertellt sich in dieser Frage – das ist ganz klar – zu Rechtor seine Soldaten.Ein altes Sprichwort sagt: Erfahrung hat man nichtann, wenn man sie braucht, sondern erst danach. Des-alb würde ich es für gut finden, wenn wir Politiker inerlin nicht anfangen, aus unseren warmen Büros herausperative Entscheidungen, die Soldaten treffen underantworten müssen, zu kritisieren. Und wir solltenicht meinen, wir alle könnten kleine Feldherren sein.
as ist nicht unsere Aufgabe.Verstehen Sie mich nicht falsch: Selbstverständlichuss die Politik die Auslandseinsätze unserer Streit-räfte verantwortungsvoll begleiten. Selbstverständlichst die Bundeswehr ein Parlamentsheer und die politi-che Führung hat gegenüber dem Parlament die Pflicht,neingeschränkt Bericht zu erstatten. Das hat sie auch iniesem Fall getan. Der Generalinspekteur hat uns bereitsm Mai erklärt, welche Handlungsoptionen es gibt undie die Entscheidungen aussehen. Es liegt also alles aufem Tisch.Es darf nicht passieren, dass die Politik, wenn Solda-en Fehler machen – das wird angesichts der schwierigenufgaben immer wieder vorkommen –, einen Kompa-iechef oder einen Bataillonskommandeur in den Vertei-igungsausschuss nach Berlin zitiert – solche Überle-ungen stellen Sie an –, damit er Rede und Antwortteht. Eine solche Entscheidung hätte eine völlig falscheignalwirkung für die Truppe. Sie würde die Motivationnd die Verantwortungsbereitschaft mindern. Es kommtber darauf an, dass unsere jungen Soldaten die Bereit-chaft zeigen, in schwierigen Situationen selbst zu ent-cheiden und Verantwortung zu übernehmen.
ie Soldaten werden dies nur tun können, wenn sie wis-en, dass die Politik auch dann hinter ihnen steht, wenn
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Rainer Arnoldsie in schwierigen Situationen entscheiden müssen. Dasbedeutet ganz klar: Wir alle sollten darauf bedacht sein,den jungen Truppenführern die richtigen Signale zu ge-ben.Ich sage sehr deutlich: Ihr Versuch, dieses Thema amKochen zu halten – zumindest manche in Ihren Fraktio-nen spielen mit dem „Kampfinstrument“ Untersu-chungsausschuss –, zerstört die Bereitschaft in derTruppe, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Überdie Soldaten würde im Grunde genommen Gericht ge-halten werden. So würde es jeder Soldat letztlich emp-finden. Dies können wir nicht wollen. Wir brauchen Sol-daten, die sich ihrer Verantwortung stellen.Ich füge noch hinzu: Ich habe überhaupt keinenGrund und keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass dieSoldaten die taktischen Spielräume – wie es militärischheißt –, die wir ihnen zur Erfüllung ihres Mandates ge-ben müssen, verantwortungsvoll ausfüllen. Unsere Auf-gabe ist, politische Vorgaben zu machen. Darüber kön-nen wir streiten und diskutieren. Wenn Fehler passieren,dann reden wir darüber mit dem Verteidigungsministerund mit den Inspekteuren. Aber wir sollten bitte nichtkleine Operationen, die die Soldaten jeden Tag durch-führen müssen, zum Anlass nehmen, ein Spektakel imVerteidigungsausschuss zu inszenieren; denn das schadetder Truppe insgesamt.
Herr Kollege Arnold, auch Sie bitte ich, zum Schluss
zu kommen.
Ich komme zum Ende.
Alles in allem: Die Reform der Bundeswehr ist viel
weiter, als Sie denken. Am Ende dieses Prozesses wird
die Bundeswehr eine Streitmacht sein, die zusammen
mit ihren Partnern – nicht allein – mehr Fähigkeiten hat
und im Hinblick auf die möglichen Aufgaben, die sie zu
erfüllen hat, noch besser ausgebildet ist. Sie wird am
Ende besseres und moderneres Gerät haben, als dies im
Augenblick der Fall ist. Dieser Prozess steht nicht am
Anfang; wir befinden uns mittendrin.
Herzlichen Dank für Ihre Geduld.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Ursula Lietz.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor14 Tagen haben die Außen- und Verteidigungspolitikerdieses Hauses ein Gespräch mit einem führendenNATO-Diplomaten gehabt. Zwei Sätze aus diesem Ge-spräch sind mir in Erinnerung geblieben. Der erste SatzhIDNzdmsviSetwrhRnddgnTrgddgsagBkdzwhsaPczKkeVdMdpnJd
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s gibt auch eine Mehrheit in der Bevölkerung, die keineuslandseinsätze der Bundeswehr will, sondernonfliktprävention und verstärkte Bekämpfung derrsachen von Terror und Gewalt.Die Bundesregierung regt diese Diskussion nicht an.ie verweigert sich dieser Diskussion sogar hartnäckig.
ie schickt die Bundeswehrsoldaten von einem Krisen-erd zum nächsten und setzt das Leben der Soldatenichtfertig aufs Spiel. Aus der Bundeswehr selbst ist zuören, dass diese Art der Sicherheitspolitik als „Ge-echtsfeldtourismus“ bezeichnet wird.
Die Bundesregierung hat kein sicherheitspolitischesonzept. Das letzte Weißbuch, das eine Konzeption derundeswehr enthielt, wurde 1994 von der Regierungohl vorgelegt, also vor zehn Jahren. Bekanntlich hatich seitdem einiges in der Welt grundsätzlich verändert.er ehemalige Bundesminister der Verteidigung, Herrcharping, hatte bereits für 2001 ein Weißbuch angekün-igt. Nun soll es, dem Antrag der Koalition entspre-hend, im Jahre 2005 kommen. Der Kollege Schmidton der CDU/CSU ist darauf schon kritisch eingegan-en.
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Dr. Gesine LötzschAuch das bestätigt unseren Eindruck, dass Sie dieBundeswehr in Krisengebiete dieser Welt schicken, ohnedie Folgen zu bedenken. Das ist gefährlicher Aktionis-mus.
Dies wird besonders deutlich, wenn man sich die feh-lende Strategie der Bundesregierung in Afghanistan an-schaut: Niemand weiß, wo sich Bin Laden aufhält, diealten Herrschaftsstrukturen in den Regionen sind beste-hen geblieben, der Drogenhandel blüht und die Bundes-wehr schaut weg. Afghanistan lebt nicht in Frieden undist weit von einer funktionierenden Demokratie entfernt.Die Bundesrepublik läuft Gefahr, in Afghanistan ineinen lang andauernden, blutigen und extrem kostspieli-gen Konflikt verwickelt zu werden.
Der derzeitige Präsident der USA, Herr Bush, hat bereitserklärt, dass er kein Ende des Krieges den Terrorismussieht. Ich glaube, in diesem Punkt stimmt er mit BinLaden überein. Herr Verteidigungsminister Struck er-klärt gern, dass die deutschen Interessen am Hindu-kusch verteidigt werden müssen. Aber warum definiertniemand öffentlich, worin die deutschen Interessen dortbestehen? Was Afghanistan betrifft, so sehe ich vor al-lem die Interessen der USA und der afghanischenWarlords und Drogenschmuggler.Die Bundesregierung glaubt augenscheinlich, sich beiden USA für die Nichtbeteiligung am Irakkrieg recht-fertigen zu müssen, und verkauft den USA den Afgha-nistaneinsatz als Kompensationsgeschäft. Wir müssenuns aber nicht für die Nichtteilnahme am Irakkrieg beiden USA entschuldigen oder rechtfertigen. Der Krieggegen den Irak ist illegal, wie Kofi Annan festgestellthat. Also bedarf es auch keiner Kompensationsge-schäfte.Ich will noch zu einem anderen Punkt Ihres Antragskommen. Sie fordern in Punkt 5, dass Standortentschei-dungen nach militärischen und betriebswirtschaftlichenKriterien getroffen werden. In diesem Zusammenhanghabe ich durchaus Fragen an die Grünen: Müssten nichtauch ökologische Kriterien bei Standortentscheidungeneine Rolle spielen? Wie stellen Sie sich einen transpa-renten Entscheidungsprozess unter Einbeziehung derBetroffenen vor?An dieser Stelle erinnere ich an das Bombodrom beiWittstock. Die Grünen und die lokale SPD haben sichvor den Wahlen in Brandenburg gegen das Bombodromausgesprochen. Jetzt sind die Wahlen vorbei und dieBürger fragen sich natürlich, was aus dem Engagementder Politiker geworden ist. Für die PDS kann ich allenBürgern, die sich für eine freie Heide engagieren, versi-chern, dass wir uns nach der Wahl genauso wie vor derWdmBDhnatrRztbtHi5ngwvuwwvHmagsvdA
ie Bundeswehr ist für die Landesverteidigung da; wiralten auch gar nichts von Bundeswehreinsätzen im In-eren.Zweitens. Die Zahl der Berufs- und Zeitsoldaten kannuf 100 000 reduziert werden.Drittens. Wir sind gegen jede Art von Zwangsdiens-en und dazu gehören Wehrpflicht und Zivildienst.Viertens. Bei Standortschließungen muss die Bundes-egierung ein Konversionsprogramm für die betroffenenegionen vorlegen und es aus dem Rüstungsetat finan-ieren.
Fünftens. Natürlich fordern wir den Verzicht auf Rüs-ungsprojekte, die weltweiten Militäreinsätzen dienen,zw. deren Abbruch.Meine Damen und Herren, das wäre die richtige Rich-ung für die Transformation der Bundeswehr.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Reinhold Robbe.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Im nächsten Jahr kann unsere Bundeswehr aufhre 50-jährige Geschichte – ich füge hinzu: auf eine0-jährige erfolgreiche Geschichte – zurückblicken. Imächsten Jahr wird Anlass für eine umfassende Würdi-ung all dessen sein, was mit unserer Armee verbundenird. Vor allen Dingen werden wir im nächsten Jahriele und hoffentlich auch schöne Gelegenheiten haben,nseren Soldatinnen und Soldaten Dank zu sagen.Es führte an dieser Stelle ein wenig zu weit undürde unserer Debatte heute auch nicht ganz gerecht,ollte man das vorwegnehmen, was im nächsten Jahr inielfältiger und interessanter Weise stattfinden wird.ierbei richten sich an den Deutschen Bundestag – da-it meine ich ausdrücklich nicht nur den Fachausschuss,lso den Verteidigungsausschuss – recht hohe Erwartun-en. Ich glaube, ich spreche im Namen aller, wenn ichage, dass unsere Soldatinnen und Soldaten es wirklicherdient haben, wenn im 50. Jahr ihres Bestehens sehreutlich wird, dass unsere Bundeswehr den besonderennspruch hat, eine Parlamentsarmee zu sein.
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Reinhold RobbeFür uns als Gesetzgeber und für die Bundesregierungbietet sich eine hervorragende Möglichkeit, dasJubiläum zu nutzen, um einerseits den verantwortungs-vollen Auftrag der Bundeswehr herauszustellen und umandererseits eine breite Diskussion in unserem Landemit dem Ziel anzuregen, die Sicherheits- und Verteidi-gungspolitik als gesamtstaatliche und gesamtgesell-schaftliche Aufgabe zu verstehen.Meine Damen und Herren, es ist kein Geheimnis,dass die Sicherheitspolitik und damit auch unsere Bun-deswehr in der deutschen Öffentlichkeit leider nicht sostark wahrgenommen wird, wie dies eigentlich wün-schenswert wäre. Dieses mangelnde Interesse ist aberkein deutsches Phänomen, sondern überall in Europa inunterschiedlichen Ausprägungen anzutreffen.Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Es liegt nun ein-mal in der Natur des Menschen, dass er sich lieber mitweniger komplizierten Dingen beschäftigt und deshalbentsprechend geringes Interesse für Dinge zeigt, dienicht so einfach zu durchdringen sind. Die breiten Be-völkerungsschichten verlangen zwar von den politischVerantwortlichen eine allumfassende Sicherheit, wobeinicht groß zwischen innerer und äußerer Sicherheit, zwi-schen Bundeswehr und Polizei oder zwischen Bundes-grenzschutz und Verfassungsschutz unterschieden wird.Richtig intensiv möchte sich damit aber kaum jemand inunserer Gesellschaft beschäftigen.Andererseits ist das Vertrauen in unsere Sicherheits-organe außerordentlich groß, was uns alle zusammenvor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrungen inder ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch stolz machendarf.Derzeit befinden wir uns national und international ineiner Phase des Umbruchs. Die Sicherheitslage in derWelt hat sich im Laufe der zurückliegenden Jahre voll-kommen verändert. Der Kalte Krieg ist seit 15 JahrenGeschichte. Seit etwa zehn Jahren steht die Bundeswehrpraktisch überall in der Welt in der Verantwortung. Seitder ersten echten Auslandsmission im Jahre 1995 habenwir uns daran gewöhnt, dass Verteidigungspolitik heuteanders als zu jenen Zeiten buchstabiert wird, in denenunser Land ausschließlich auf die Sicherung der nationa-len Außengrenzen fixiert war.Der Umbruch in der Sicherheitspolitik macht sichaber natürlich auch am Datum 11. September 2001 fest.Der internationale Terror zwingt uns alle zum Umden-ken. Selbst bei Clausewitz finden wir keine Antwort aufdie Frage, wie der Staat auf die Herausforderungen derasymmetrischen Bedrohungen reagieren soll. Es gibtkeine Patentlösungen für die komplizierten Fragestellun-gen mit Blick auf Selbstmordattentate, auf Geiselnah-men oder auf entführte Flugzeuge durch Terroristen.Die freie westliche Welt hat jedoch auf diese neuenHerausforderungen politisch und militärisch reagiert.Die UNO als wichtigste Trägerin des Völkerrechts hatnie ihre Bedeutung verloren. Daran hat auch die Ent-wicklung des Irakkrieges nichts geändert. Die NATOund alle Mitglieder haben mit der notwendigen Transfor-mation begonnen, die dazu dient, sowohl die NATO ins-gsdegvvkzüsPdgsuASfnUtitedsrnEhVtäedwDblisusndngEdawsdbg
Zweitens. Innerhalb des Parlaments und der im Deut-chen Bundestag vertretenen Fraktionen muss nach mei-er Auffassung stärker als bisher über die Frage nachge-acht werden, wie wir es schaffen, Sicherheitspolitikicht isoliert, sondern eingebunden in die vielen sonsti-en Politikfelder zu behandeln. Spätestens seit unseremngagement auf dem Balkan und in Afghanistan ist je-em klar geworden, dass Sicherheit und Verteidigunguf keinen Fall losgelöst von der Außenpolitik, der Ent-icklungshilfe, der Innenpolitik und weiteren Politik-chwerpunkten betrachtet werden können.Meine Damen und Herren, auch wenn ich nicht unbe-ingt denen Recht gebe, die für eine Zusammenlegungeispielsweise der Bundestagsausschüsse für Verteidi-ung, Auswärtiges und wirtschaftliche Zusammenarbeit
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Reinhold Robbeplädieren, so halte ich eine wesentlich stärkere Kohärenzauf diesem Feld für absolut notwendig.
Die komplexen und umfänglichen Fragestellungen undNotwendigkeiten in der Sicherheitspolitik sollten nichtvon formalen Argumenten oder von Geschäftsordnungs-fragen blockiert werden.Drittens. Wer mit mir hinsichtlich einer besseren Ver-ankerung der Sicherheitspolitik im öffentlichen Be-wusstsein übereinstimmen kann, kann nach meiner fes-ten und ehrlich gemeinten Überzeugung nicht für dieAbschaffung der Wehrpflicht sein.
Unabhängig von der Tatsache, liebe Kolleginnen undKollegen, dass eine Berufsarmee zurzeit gar nicht finan-zierbar wäre, trägt die Wehrpflicht ganz wesentlich dazubei, den nachfolgenden Generationen ein Bewusstseinfür den Auftrag der Bundeswehr und damit gleichzeitigauch für die sich ständig verändernden politischen Vor-gaben und Rahmenbedingungen zu vermitteln.
Vor diesem Hintergrund mutet es schon ein wenigsonderbar an – wenn ich das sagen darf –, wenn geradeeine so große und wichtige Institution wie der Bundes-verband der Deutschen Industrie in einer Denkschrift dieAbschaffung der Wehrpflicht fordert – in der, wie ichfinde, naiven Erwartungshaltung, dass bei einer Ab-schaffung mehr Finanzmittel für den investiven Bereichzur Verfügung stehen würden.
Herr Kollege, achten Sie bitte auf die Zeit.
Gerne. Ich komme sofort zum Ende, Frau Präsidentin.
Es wäre aus meiner Sicht ein gutes Signal – das sage
ich besonders an die Adresse der Kritiker der Wehr-
pflicht in allen Fraktionen –, wenn im Jubiläumsjahr der
Bundeswehr das eigentliche Markenzeichen unserer
Bundeswehr, nämlich die Wehrpflicht, langfristig festge-
schrieben werden könnte.
Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Ernst-Reinhard
Beck, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenKolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Robbe, ichdarf am Anfang sagen, dass ich persönlich den von Ih-nen genannten drei Punkten, in denen sehr präzise einePsRplusinaFwRsRdnatduVeMth2rpswStdWunWnwZ–
Zu dieser Arbeit – der Kollege Nachtwei ist geradeicht im Saal; er hat es vorhin bemerkenswerterweisengesprochen –, zum Wesen des Soldaten zählt auch dieähigkeit zum Kampf. Gerade in kritischen Situationen,ie wir sie im Kosovo hatten, verdienen sie unserenückhalt. Dies scheint mir das eigentliche Problem zuein, nämlich dass die Bundeswehr nicht genügendückhalt in dieser Bundesregierung findet. Nicht nur beien Verteidigungspolitischen Richtlinien lässt das Kabi-ett den Bundesminister der Verteidigung allein, sondernuch bei den riskanten Auslandseinsätzen unserer Solda-en fehlt vielfach der Rückhalt durch den Außenminister,urch die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeitnd Entwicklung.
om Finanzminister und vom Bundeskanzler möchte ichrst gar nicht reden.
Streitkräfte sind Instrumente der Politik und für alleängel, die dieses Instrument im Kosovo gezeigt hat,rägt die politische Führung die Verantwortung. Ich darfier vielleicht noch einmal die „Tagesschau“ vom2. September in Erinnerung rufen: Da war von gravie-enden Mängeln im Kosovo die Rede. So hätten Krisen-läne für eine solche Situation gefehlt; die Soldateneien unsicher in der Anwendung der Schusswaffen ge-esen, ihre Englischkenntnisse ungenügend und ihrechutzausrüstung unzureichend. Ich wiederhole: Dafürrägt nicht der Soldat, dafür trägt nicht die Bundeswehr,afür trägt die politische Führung die Verantwortung.enn Kritik angebracht ist, dann ist sie zu kritisierennd nicht die Soldaten.
Sehr geehrter Herr Minister Struck, Sie schulden unsoch, wie ich meine, eine Antwort auf die Frage:
ie stark muss das Kontingent für die PRTs in Afgha-istan sein?Ich zitiere eine Aussage von Ihnen: Der Ministerisse zwar, dass es zurzeit keine Mehrheit gebe, um dieahl der deutschen Soldaten aufzustocken.
Richtig.
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Ernst-Reinhard Beck
Man muss hier doch fragen: Wie viele Soldaten brau-chen Sie? Reichen die 450 oder brauchen Sie mehr, HerrMinister? Wenn es so ist, dann müssen Sie es dem Deut-schen Bundestag vorher sagen. Folgende Frage ist eben-falls wichtig: Was sollen die PRTs machen? Davon hängtes ab. Nachdem sie schon eine ganze Reihe von Mona-ten im Einsatz sind, kommt diese Frage etwas spät. Dieskann doch nicht der Punkt sein. Es kann ebenfalls nichtangehen, dass man sagt: Wir würden gern mehr tun, aberdieses Parlament gibt uns nicht die nötigen Mittel. HerrMinister, ich fordere Sie auf: Sagen Sie uns, was Siebrauchen! Diese Frage muss beantwortet sein, bevor wirin verantwortlicher Weise über die Verlängerung desMandats entscheiden können.
Notwendige Strukturveränderungen sind immer einschmerzlicher Prozess. Deshalb begleiten wir die Trans-formation mit großer Anteilnahme, aber auch mit Kritik.Ich stehe nicht an zu sagen, dass in den Verteidigungs-politischen Richtlinien nicht viel Richtiges steht unddass von der Bundesregierung und vom Bundesministerder Verteidigung nicht viel Notwendiges in Angriff ge-nommen wird. Ich konzentriere mich auf zwei Punkte,bei denen ich tatsächlich erheblichen Klärungsbedarfsehe und wo ich meine, dass die Weichen falsch gestelltsind.Sie haben zu Recht gesagt, dass die eigentlichen Fra-gen lauten: Wie wichtig und notwendig ist die Vorsorgefür den Heimatschutz? Tun wir wirklich das Notwendigefür den Schutz der Bürgerinnen und Bürger? Wie siehtdie Sicherheitsvorsorge unter den Bedingungen eines er-weiterten Sicherheitsbegriffs aus? Sind wir wirklich inausreichendem Maße auf potenzielle Gefahren vorberei-tet?Ich meine, dass wir die Weichen in zwei Bereichenfalsch gestellt haben. Der erste Bereich betrifft die terri-torialen Wehrstrukturen. Hier hat Kollege Schmidtvöllig Recht: Die VBKs sind nicht abzuschaffen, son-dern als Zentren für Heimatschutz und Landesverteidi-gung auszubauen.
Den zweiten Bereich habe ich schon mehrfach ange-sprochen: Ich warne davor, alle nicht aktiven Truppen-teile ersatzlos aufzulösen. Wenn 220 000 Reservistenden Bescheid bekommen, dass sie nicht mehr gebrauchtwerden, ist dies ein fatales Signal für die Wehrpflicht.Das sollte man bedenken.
Wie ich sehe, ist meine Redezeit bereits fortgeschrit-ten. Daher komme ich zum Schluss. Die künftige Bedeu-tung der Reservisten allein am operationellen und quan-tifizierbaren Auftrag zu messen, greift zu kurz.Überhaupt meine ich, dass von der politischen Führungüberlegt werden sollte, ob man den Aspekten der Vertei-digungsbereitschaft und der Motivation genügend Rech-nung trägt. Die Erfahrungen und das Engagement vonSoldaten lassen sich nicht mittels der Expertisen von Un-ternehmensberatungen darstellen. Hier geht es, wie auchbrSghS1tPnfKaEhblhPclwkmdHdmwgpMMnohgdEdEdMBs
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Die Wehrpflicht ist aber auch deshalb so wertvoll,weil wir nicht wollen, dass die Bundeswehr zu einem be-liebigen Dienstleister in Sachen Sicherheit wird. Geradein Zeiten, in denen unsere Soldaten in Einsätzen weit au-ßerhalb unserer Grenzen ihren Dienst tun, ist es wichtig,dass das Militärische dem Zivilen nicht fremd wird. Zu-sammen mit dem Prinzip der Parlamentsarmee gehörtdie Wehrpflicht zu den Sicherungsmechanismen, die unsdavor bewahren, das Militär leichtfertig einzusetzen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Lenke?
Aber gerne.
Herr Kollege, Sie verteidigen so vehement die Wehr-
pflicht. Ich möchte gern Ihre Definition von Ein-
berufungsgerechtigkeit hören. Wir haben ja keine
Wehrgerechtigkeit mehr. Wir haben eine eklatante Wehr-
ungerechtigkeit, weil fast jeder Zweite nicht mehr zum
Wehrdienst oder Zivildienst einberufen wird. Das heißt,
die einen jungen Leute dienen und haben in unserer Re-
publik Nachteile, andere, die sich davon freimachen
können und wegen Ihrer niedrigschwelligen Einberu-
fungskriterien nicht gezogen werden, haben zum Bei-
spiel die Möglichkeit, ein Jahr eher in den Beruf zu ge-
hen.
Sie haben von Einberufungsgerechtigkeit gesprochen.
Meinen Sie, dass jetzt, im Jahr 2004, Einberufungsge-
rechtigkeit gegeben ist? Diese Frage möchte ich gerne
von Ihnen beantwortet haben.
Frau Kollegin, um auf den Mythos Wehrungerech-tigkeit einzugehen: 100 Prozent haben wir nie gehabt,auch in Zeiten des Kalten Krieges nicht. Ich habe es ge-sagt: Wir haben im Jahr 2003 120 000 Wehrpflichtigezur Bundeswehr eingezogen; das sind die Zahlen, dieuns vorliegen. Darüber hinaus leisten 20 000 bis30 000 in den Bereichen Bundesgrenzschutz, Polizeiund Katastrophenschutz ihren Dienst für die Sicherheitunseres Landes und werden deshalb nicht zur Bundes-wehr einberufen. Darüber hinaus haben wir die Kriegs-dienstverweigerer, die Zivildienst leisten. Weit über dieHälfte der Angehörigen eines Jahrgangs leistet ihrenDienst – nicht nur Wehrdienst – für die Sicherheit derBftEBWbrdSnDZfgf–zhSZDbGgWNwkLßDsdgzdl
Ich will zu einem anderen Argument, das von Geg-ern der Wehrpflicht verwendet wird, Stellung nehmen.as ist die sicherheitspolitische Legitimation, die zueiten des Kalten Krieges da war und heute angeblichehlt. Seit die Militärblöcke entfallen sind, so heißt es,ebe es keine Legitimation mehr für die Wehrpflicht. Darage ich mich: Für die Bundeswehr auch nicht mehr?
Ich sehe das ganz anders. Herr Nolting, ich gebe Ihnenu diesem „Quatsch“ jetzt einmal eine Erklärung. Ichoffe, Sie können sie nachvollziehen.
Nach Art. 87 a unseres Grundgesetzes stellt der Bundtreitkräfte auf. Sie dienen der Verteidigung und jenenwecken, die das Grundgesetz ausdrücklich zulässt.iese Zwecke sind in Art. 24 unter anderem beschrie-en. Ich zitiere:Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedenseinem System gegenseitiger kollektiver Sicherheiteinordnen;emeinsame Sicherheit, das ist nicht Landesverteidi-ung allein. Ein solches Bündnis muss dazu dienen,eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europaund zwischen den Völkern der Welt herbei[zu]füh-ren und [zu] sichern.ir sind Mitglied solcher Bündnisse. Sie heißen UNO,ATO und EU. Auf Beschluss dieses Parlaments stellenir ihnen zur Wahrung des Friedens deutsche Streit-räfte zur Verfügung. Das ist zwar etwas anderes alsandesverteidigung, es ist aber einer der verfassungsmä-igen Daseinszwecke der Bundeswehr.
as wird oft vergessen oder unterschlagen. Deshalbprechen wir heute im Übrigen von der Transformationer Bundeswehr. Wenn es nur um Landesverteidigunginge, gäbe es nicht viel zu transformieren.Die Bundeswehr ist laut Grundgesetz ein Instrumentur Erfüllung unserer Verpflichtung, dazu beizutragen,en Frieden in der Welt zu sichern oder wiederherzustel-en. So ist es selbst in unserem Grundgesetz vorgesehen.
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Dr. Hans-Peter BartelsUm diese Bundeswehr optimal aufzustellen, habenwir nach Art. 12 a des Grundgesetzes in Deutschland dasInstrument der allgemeinen Wehrpflicht. Wir müssennicht krampfhaft nach originellen Legitimationen für dieWehrpflicht suchen.
Hier ist sie. Sie steht im Grundgesetz. Dies ist die wich-tigste sicherheitspolitische Legitimation der Wehrpflichtheute: Unser Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit, derwir uns verpflichtet haben und die wir mitgestalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,dafür müssen wir übrigens nicht extra 25 neue Heimat-schutzbrigaden aufstellen, damit der kritische Bürgersagt: Oh, Heimatschutz, das hört sich nach Landesvertei-digung an, also bleibt es bei der Wehrpflicht. Für michals Norddeutschen hört sich das eher ein bisschen nachbayerischem Tüdelkram an. Unsere Verfassungsprinzi-pien, unsere Idee von einer friedlichen Welt, unserRecht, ohne Terror zu leben, wird nicht nur in Hindelangverteidigt, sondern – wo Struck Recht hat, hat er Recht –auch am Hindukusch. So ist die sicherheitspolitischeLage heute.In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick auf dieLage in jenen NATO-Staaten, deren Abschaffung derWehrpflicht uns ein Vorbild sein soll. Weder gewinnendie Streitkräfte in diesen Ländern den besseren Nach-wuchs – eher das Gegenteil ist der Fall – noch sind diedortigen Berufsarmeen kostengünstiger.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Beck?
Ja.
Lieber Herr Kollege Bartels, Sie haben gerade von
der Aufstellung von Heimatschutzbrigaden gesprochen.
Teilen Sie meine Auffassung, dass die vorhandenen Hei-
matschutzbataillone – möglicherweise umgestaltet für
neue Aufgaben – diese Aufgabe auch wahrnehmen
könnten?
Sie meinen die Reservebataillone?
Ich meine die gekaderten Heimatschutzbataillone, die
nicht aktiven Truppenteile, plus 200 andere nicht aktive
Truppenteile der Bundeswehr.
Darüber wird man reden können, wenn es um die Re-
servistenkonzeption der Bundeswehr geht. Ich bin jeden-
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Das Argument, andere NATO-Staaten schaffen auch
ie Wehrpflicht ab und sind damit ein Vorbild, kann für
ns, wenn wir genau hinschauen, nicht gelten. Das ist
icht kostengünstiger und nicht besser. Die Wahrheit ist,
ass selbst im Umfang reduzierte Berufsarmeen höhere
osten verursachen, etwa durch erheblich höhere Inves-
itionen in Nachwuchsgewinnung und Personalbindung.
Schwierigkeiten gibt es auch bei der Gewinnung von
annschaften und Unteroffizieren. Weil die Haushalts-
öglichkeiten, junge Menschen über finanzielle Anreize
um Dienst in der Armee zu bewegen, auch bei unseren
achbarn nicht unbegrenzt sind, kommt oft die zweite
ption zum Zuge, um die Reihen zu füllen: die Senkung
er Einstellungskriterien. Das ist nicht gerade der Kö-
igsweg zur Professionalisierung der Streitkräfte.
Im Übrigen sind die FWDLer, die freiwillig länger
ienenden Wehrpflichtigen, ganz professionell an Aus-
andseinsätzen der Bundeswehr beteiligt. Sie haben ih-
en Anteil am guten Ruf unserer Soldaten in den Einsatz-
ebieten.
Die Kontinuität liegt im Wandel. Die Wehrpflicht ist
ein Dinosaurier aus den Zeiten des Ost-West-Konflikts.
ie bleibt notwendig und wird im Sinne des Transforma-
ionsgedankens ständig den neuen Erfordernissen ange-
asst. Wir unterstützen den Bundesminister der Verteidi-
ung auf diesem Weg.
Schönen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Herrmann,
DU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Am heutigen Tag debattieren wirber verteidigungspolitische Themen, die für die zu-ünftige Gestaltung der Bundeswehr und deren Auftragon elementarer Bedeutung sind.Festzustellen ist, dass sich die Situation in den zu-ückliegenden Jahren für die betroffenen Soldatinnennd Soldaten, aber auch für die „Organisation Bundes-ehr“ vollkommen verändert hat. Nach dem Zusam-enbruch des Warschauer Paktes, der Grenzöffnung under Wiedervereinigung erlebte das starre System derundeswehr, früher zielgerichtet auf den ausschließli-hen Auftrag der Landesverteidigung, einen erheblichenandel. Wie schwierig dieser Umbruch war, zeigt dieebatte über die Vorkommnisse bei den Märzunruhen
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Jürgen Herrmannim Kosovo oder die Diskussion um eine Mandatsverlän-gerung in Afghanistan. Aber gerade die heutige Diskus-sion über Fehler und Defizite ist sicherlich Anlass ge-nug, auch über die notwendigen Veränderungen undKorrekturen im Inland zu sprechen.
Um nochmals auf die veränderten Vorzeichen undAnforderungen nach dem Zusammenbruch des War-schauer Paktes zurückzukommen, muss ich feststellen,dass viele zum damaligen oder späteren Zeitpunkt ge-troffene Entscheidungen richtig waren, aus heutigerSicht jedoch fatal sind. Der Abbau von sicherheitsrele-vanten Strukturen beim Bevölkerungsschutz, angefan-gen von der Demontage von Sirenen bis hin zur deutli-chen Verringerung von Dienstposten im Bereich derBundeswehr, war Folge der sich radikal veränderndenSicherheitslage. Niemand konnte sich damals vorstellen,welche Aufgaben, Gefahren und Herausforderungen aufdie internationale Staatengemeinschaft und somit auf dieBevölkerung in Deutschland zukommen würden.Ein Agendaschwerpunkt internationaler sicherheits-und verteidigungspolitischer Aufgaben stellt sicherlichdie Bekämpfung des internationalen Terrorismus sowiedie Stabilisierung der so genannten Failed States dar. Sorichtig es ist, Sicherheitskrisen weltweit präventiv zu be-kämpfen – von der Entwicklungshilfe bis zum UNO-Mandat –, so wichtig ist es, die eigentliche verfassungs-rechtliche Grundlage der Bundeswehreinsätze – Lan-desverteidigung – nicht aus den Augen zu verlieren undsie anlassbezogen den heutigen Erfordernissen anzupas-sen.
Die Terroranschläge von New York, Washington, Istan-bul, Madrid und Beslan mahnen uns, heute zu handeln,damit wir weitere Terroranschläge verhindern könnenund bei der Bewältigung möglicher Anschläge zumin-dest ausreichend gewappnet sind.
Herr Kollege, ich darf Sie einen Augenblick unterbre-
chen.
Ich möchte den lieben Kolleginnen und Kollegen, die
noch Gespräche zu führen haben, raten, dies außerhalb
des Plenarsaales in der Lobby zu tun. Die beiden letzten
Redner haben noch zehn Minuten Redezeit und es ist un-
fair, wenn man sie nicht mehr verstehen kann.
Vielen Dank.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin.Wir dürfen somit nicht auf die Erhaltung sicherheits-relevanter, umfassender Strukturen in der Heimat ver-zichten, sondern müssen sie stärken und ausbauen. Lei-der zeichnet sich jedoch in diesem Bereich einebMRadbdmWRdsFz2zecWdmsggw–aeFIIWnSdfHmuWBRsT
Bereits im März dieses Jahres haben wir als Union diechaffung eines Organisationsbereiches „Landesvertei-igung und Heimatschutz“ in der Bundeswehr und einlächendeckendes Netz von bis zu 50 „Regionalbaseneimatschutz“ gefordert. Diese Regionalbasen solleniteinander vernetzt und jeweils bis zu 500 Soldatinnennd Soldaten stark sein. Dafür können bis zu 80 Prozentehrpflichtige vorgesehen werden, die von Zeit- underufssoldaten geführt werden. Die Verwendung voneservisten soll im Falle eines Einsatzes einen umfas-enden Aufwuchs ermöglichen. Die Ausbildung dieserruppe soll katastrophenschutznah erfolgen. Die Soldaten
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Jürgen Herrmannsollen nach ihrer Grundausbildung besondere Fähigkei-ten in Objektsicherung, Fernmeldewesen, ABC-Abwehr,Pionier- und Sanitätswesen erwerben.Eine flächendeckende Verteilung der Regionalbasengewährleistet die schon angesprochene Zusammenarbeitmit zivilen Behörden des Katastrophenschutzes. Daherist es besonders wichtig, die Diskussion über unsinnigeStandortschließungen sowie die Auflösung von VBKszu beenden; denn gerade der Verbleib der Bundeswehr inder Fläche erlaubt es, ohne Zeit- und Reibungsverlusteeine erforderliche zivil-militärische Abstimmung vorzu-nehmen.
– Ich habe Ihnen eben gesagt: Wir haben damals auchFehler gemacht. Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht.
Bei den vorliegenden Vorschlägen geht es darum, un-ter Einbindung aller Kräfte ein Gesamtverteidigungs-und Heimatschutzkonzept zu verwirklichen, das denbestmöglichen Schutz unserer Bevölkerung gewährleis-tet. Hierbei sollen die Kräfte für innere und äußereSicherheit eng miteinander verschränkt werden, diezivil-militärische Zusammenarbeit zwischen Bund, Län-dern und Gemeinden gestärkt und Hilfsorganisationenwie THW und Rotes Kreuz stärker in den Katastrophen-schutz eingebunden werden. Dafür brauchen wir Struk-turen, Ansprechpartner und eine verlässliche Zeitpla-nung.Die Bundeswehr muss endlich in die Lage versetztwerden, Aufgaben jenseits der Kriminalitätsbekämpfungoptimal wahrnehmen zu können, und zwar dort, wo Poli-zei, Technisches Hilfswerk und Rotes Kreuz allein nichtmehr weiterkommen. Die hierfür erforderliche Grundge-setzänderung würde von uns getragen und ist im Übrigenin diesem Jahr durch einen Gesetzentwurf unserer Frak-tion zur Diskussion gestellt worden.Sicherheitspolitik muss sich an den aktuellen Ereig-nissen orientieren und nicht an Haushaltsfragen. Ichkann uns nur den guten Rat geben, jetzt vorzusorgen, da-mit wir in Zukunft Situationen, auf die wir keinen Ein-fluss haben, meistern können.Herzlichen Dank.
Letzter Redner ist der Kollege Hans Raidel, CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Wir erleben zum wiederholten Maledie Aufführung des Theaterstücks „Die heile Welt vonRot-Grün in der Außen- und Sicherheitspolitik“.
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ie Regierung übernimmt immer mehr internationaleufträge, die die Bundeswehr erfüllen muss. Gleichzei-ig schrumpft die Bundeswehr, die Armee wird verklei-ert, Standorte werden aufgelöst, Rüstungsprogrammeerden gestrichen oder gestreckt, die Reservisten an denand gedrängt und die Wehrpflicht infrage gestellt. Deratalog ließe sich fortsetzen.
Wo aufgrund einer seriösen Sicherheitsanalyse einetabile Armee geformt werden müsste, wird gestutzt. Woeld für Forschung, Entwicklung, Beschaffung und Ra-ionalisierung gegeben werden müsste, um die Attrak-ivität der Bundeswehr zu erhöhen, wird gekürzt.Eines ist klar: Deutschland braucht eine tragende undlar definierte Sicherheitsstrategie dringender denn je.o stehen wir und wohin wollen wir? Unsere Interessenüssen eindeutig formuliert werden. Dazu müssenigene Beiträge geleistet werden.Deutschland muss seinen politischen Willen zururchsetzung dieser Ziele unter Beweis stellen. Dafürrauchen wir eine verlässliche Finanzplanung für dieundeswehr, eine Anschubfinanzierung für Investitio-en und Planungssicherheit. Darüber hinaus ist ein inte-riertes Gesamtverteidigungskonzept notwendig, inem auch die Aufgaben der Bundeswehr im Heimat-chutz definiert werden.Unsere Bundeswehr hat Anspruch auf die bestmögli-he Ausrüstung. Deshalb brauchen wir auch eine her-orragend aufgestellte wehrtechnische Industrie. Wir be-rüßen in diesem Zusammenhang die Schaffung deruropäischen Rüstungsagentur, weil wir der Auffassungind, dass Europa eigenständige und gemeinsame rüs-ungstechnologische und -industrielle Fähigkeiten
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Hans Raidelbraucht. Das setzt aber den politischen Willen zum Er-halt der Schlüsseltechnologien und Kernfähigkeiten derdeutschen wehrtechnischen Industrie voraus. Hier be-stehen meiner Meinung nach bei der Regierung Defizite.Wir müssen die Rüstungsindustrie wieder werthaltigmachen, damit sie beispielsweise mit Frankreich oderEngland mithalten kann, sodass Fähigkeitslücken zwi-schen uns und der NATO bzw. den USA verkleinert wer-den können.
Wenn wir nicht umfassend investieren und rationali-sieren, dann wird sich nichts ändern und wir werden diemilitärische Transformation nicht zum Erfolg führenkönnen. Wenn wir nicht bereit sind, umzudenken und dienotwendigen Mittel in einem mittel- und langfristigenZeitrahmen zur Verfügung zu stellen, dann wirdDeutschland in sicherheitspolitischer Hinsicht in diezweite Liga absteigen. Das können wir alle nicht wollen.Der von Rot-Grün eingeschlagene Weg ist nicht kon-sequent. Wort und Tat stimmen, wie so häufig, nichtüberein.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Tagesordnungspunkt 3 a: Wir kommen zur Abstim-mung über die Beschlussempfehlung des Verteidigungs-ausschusses auf Drucksache 15/3125 zu dem Antrag derFraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mitdem Titel „Durch Transformation die Bundeswehr zu-kunftsfähig gestalten“. Der Ausschuss empfiehlt, denAntrag auf Drucksache 15/2656 anzunehmen. Werstimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenpro-be! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mitden Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen beiGegenstimmen der CDU/CSU, der FDP und der beidenPDS-Abgeordneten angenommen.Tagesordnungspunkt 3 b: Beschlussempfehlung desVerteidigungsausschusses auf Drucksache 15/3127 zudem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Zu-kunftsfähigkeit der Bundeswehr herstellen – Wehrpflichtaussetzen“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag aufDrucksache 15/2662 abzulehnen. Wer stimmt für dieseBeschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltun-gen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmender SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen, der CDU/CSUund der beiden PDS-Abgeordneten gegen die Stimmender FDP angenommen.Tagesordnungspunkt 3 c: Beschlussempfehlung desVerteidigungsausschusses auf Drucksache 15/3126 zudem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel„Für eine moderne Bundeswehr als Pfeiler einer verläss-lichen Sicherheits- und Verteidigungspolitik Deutsch-lands“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag aufDrucksache 15/2388 abzulehnen. Wer stimmt für dieseBeschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltun-gvPamaFsdAfnvusmSFSdSlsamlSVd„BDBgdC1)2)
Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Druck-ache 15/1357 abzulehnen. Es ist namentliche Abstim-ung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen undchriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist derall. Ich eröffne die Abstimmung.Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seinetimmkarte noch nicht abgegeben hat? – Das ist nichter Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte diechriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-ung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Ab-timmung wird Ihnen später bekannt gegeben.2)Wir setzen die Abstimmungen fort. Deshalb bitte ichlle Kolleginnen und Kollegen, ihre Plätze einzuneh-en. – Ich bitte insbesondere die Kolleginnen und Kol-egen im Mittelgang, sich zu ihren Plätzen zu begeben.onst können wir nicht weiter abstimmen.Tagesordnungspunkt 3 e: Beschlussempfehlung deserteidigungsausschusses auf Drucksache 15/3263 zuem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem TitelFür den Erhalt sicherheitsrelevanter Strukturen in derundeswehr“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag aufrucksache 15/2824 abzulehnen. Wer stimmt für dieseeschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltun-en? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmener Koalition und der FDP gegen die Stimmen der CDU/SU angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:Beratung des Antrags der AbgeordnetenJohannes Singhammer, Karl-Josef Laumann,Dagmar Wöhrl, weiterer Abgeordneter und derFraktion der CDU/CSUArbeitsmarktstatistik aussagekräftig gestal-ten – Ausmaß der Unterbeschäftigung ver-deutlichen– Drucksache 15/3451 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
RechtsausschussAnlagen 2 bis 4Siehe Seite 11475 C
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeJohannes Singhammer, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Eine korrekte Politik braucht korrekte Arbeits-marktzahlen. Falsche Zahlen führen zwangsläufig zu ei-ner fehlerhaften Politik und zu fehlerhaften Entscheidun-gen. Jedermann in Deutschland weiß,
dass es keine krummeren, keine falscheren, keine un-sinnigeren, keine kritikwürdigeren Zahlen gibt als die inder Arbeitslosenstatistik, die uns derzeit vorliegt.Wir haben es mit folgender bizarrer Situation zu tun:Die Bundesregierung preist Monat für Monat Erfolge inder Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Als Beleg führtsie diesen Zahlensalat an. Gleichzeitig sehen wir, dasssich die Menschen – vor allem in den neuen Bundeslän-dern – Tag für Tag schwerer tun, einen Job zu bekom-men. Nirgendwo wird so geschönt, geföhnt, frisiert, ge-färbt wie bei der Arbeitsmarktstatistik. Das besteBeispiel sind die 80 000 Arbeitslosen, die zu Jahresbe-ginn in Trainingsmaßnahmen waren. Man hat sie im Ja-nuar mit einem Federstrich aus der Statistik entfernt. Al-lerdings ist keiner der 80 000 Menschen, die aus derStatistik entfernt worden sind, zu einem Job gekommen;das Statistikwunder hat nicht zu einem Jobwunder ge-führt.Diese Manipulationen, dieses Schönreden der Statis-tik hat Tradition: 400 000 arbeitsfähige ältere Arbeits-lose über 58 Jahre sind nach § 428 SGB III aus der Sta-tistik entfernt worden, weil man sagt: Na ja, die haben ehkaum noch Chancen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fas-sen. Sie sind zwar aus der Statistik herausgenommenworden, aber sie haben keinen Job. 670 000 arbeitsfä-hige Rentner, die ihr Altersgeld nicht aufgrund des Errei-chens der Altersgrenze, sondern wegen Arbeitslosigkeitbereits vor dem 65. Lebensjahr erhalten, sind ebenfallsaus der Statistik gestrichen worden. Einen Job hat vondiesen Menschen kein Einziger gefunden.Von den Teilnehmern an längerfristigen Maßnahmender aktiven Arbeitsmarktpolitik – Sie preisen sie immeran –, wie JUMP, JUMP plus, aber auch ABM, tauchtniemand in der Statistik auf, obwohl es sich gerade beiihnen um klassische Arbeitslose handelt. Warum sindsolche Menschen denn in einer Fortbildungsmaßnahme?Gerade weil sie keine Arbeit haben. Dennoch tauchensie in der Statistik nicht auf.Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der ge-samtwirtschaftlichen Entwicklung – wenn Sie uns schonnicht glauben, dann glauben Sie zumindest diesem vonIhnen eingesetzten Gremium – schätzt deshalb zu Recht,dass die verdeckte Arbeitslosigkeit bei rund 1,7 Millio-nv6BwhlileMbsMEUgbceis7smPwssLsdhgSsSvzmspnbKSddrsg
An die Bundesregierung gerichtet sage ich – Herrtaatssekretär Andres, geben Sie es dem Herrn Wirt-chaftsminister Clement weiter –: Wer sich bei diesertatistik etwas in die Tasche lügt und Deutschland etwasorlügt, zerstört Vertrauen und gewinnt kein Vertrauenurück.
Der Vorgänger von Minister Clement, Herr Bundes-inister Riester, hat kurz vor der Bundestagswahl in die-em Hohen Hause erklärt, er wolle eine klare und trans-arente Statistik. Herr Staatssekretär Andres, wirehmen die Bundesregierung gern beim Wort. Wir ha-en mit unserem Antrag einen Vorschlag vorgelegt, derlarheit schaffen kann. Er wird Klarheit schaffen, wennie ihn übernehmen.Das geht nicht nach dem Ritual, das viele kennen undas den Bürgern schon unerträglich erscheint, nämlichass die Opposition die Zahlen grundsätzlich als zu nied-ig ansieht und die Regierung die Zahlen gern etwaschönredet, sondern wir schlagen Ihnen vor, zukünftig einanz klares Zahlenpaar zu verwenden, ein Zahlenpaar,
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Johannes Singhammerdas exakt über den Zustand unserer Wirtschaft Auskunftgibt und das die Schicksalszahlen der Nation – das sinddie Arbeitslosenzahlen – ganz klar und auch nachvoll-ziehbar dokumentiert.Wir beginnen mit einer positiven Zahl. Die positiveZahl ist in dem Fall die Zahl der Erwerbstätigen, alsoderjenigen, die einen Job haben, sei es abhängig beschäf-tigt, sei es selbstständig. Sie liegt derzeit bei38 Millionen. Sie wissen, dass es dazu noch eine andereZahl gibt, nämlich die der sozialversicherungspflichtigBeschäftigten. Diese Zahl ist niedriger. Sie liegt bei26 Millionen und ist in den letzten Jahren stark gesun-ken. Also zunächst die positive Zahl! Wir wollen die Si-tuation nicht ständig schlechtreden, sondern wir begin-nen mit der positiven Zahl, der der Erwerbstätigen.Dem stellen wir die Zahl der Beschäftigungslosengegenüber, also nicht mehr die Zahl der Arbeitslosen, dieSie in der Vergangenheit so verunstaltet haben. Dazu be-darf es einer entsprechenden Änderung im Sozialgesetz-buch III; dort brauchen wir eine andere Definition, die einrealistisches Bild ermöglicht. Mit dieser klaren und ein-deutigen Definition, nämlich dass derjenige, der arbeitenwill und arbeiten kann, dann, wenn er keine Arbeit findet,als beschäftigungslos gezählt wird, wird ein realistischesBild der Situation in unserem Land gezeichnet. Damitwird auch wieder eine Vergleichsmöglichkeit zum Vor-monat, aber auch zum Vorjahr geschaffen. Durch dieständigen Veränderungen der Statistik, die Sie vorgenom-men haben, ist ein Vergleich mit den Vorjahresdaten undden Vormonatsdaten immer weniger möglich und sinn-voll, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die Statistik ist das eine; die tatsächliche wirtschaft-liche Entwicklung ist das andere. Wir wollen neben ei-ner realistischeren Statistik auch bessere Zahlen, damitden 7 Millionen Beschäftigungslosen in unserem Landund den vielen anderen, die nicht wissen, ob sie von die-sem Schicksal betroffen werden, endlich wieder einePerspektive geboten wird. Wenn Sie also wirklich einebessere Statistik vorlegen wollen, müssen Sie auf Wirt-schaftswachstum setzen. Wir brauchen ein Wirtschafts-wachstum, das deutlich höher liegt als die 2 Prozent, dieSie ansteuern und mit viel Glück vielleicht erreichen.Wir brauchen ein Wirtschaftswachstum, das bei3 Prozent oder höher liegt. Nur dann wird es zu spürba-ren Bewegungen auf dem Arbeitsmarkt kommen. So-lange wir, wie auch in diesem September, noch jedenTag 1 000 Arbeitsplätze verlieren, wird sich trotz allerÄnderungen, die Sie in der Statistik noch vorhaben, realüberhaupt nichts bewegen. Wir brauchen eine Wirt-schaftspolitik, die zu einem Aufwuchs von Arbeitsplät-zen führt, die statt einem Verlust von 1 000 Arbeitsplät-zen pro Tag jeden Tag 1 000 Arbeitsplätze neu schafft.Damit wären wir auf einem guten Weg. Dann könntenSie auch in der Statistik bessere Werte erzielen.Ich danke Ihnen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Aussagekräftig soll die Statistik ge-taltet werden; Unterbeschäftigung soll verdeutlichterden. Richtig ist: Die Statistik ist aussagekräftig undir verdeutlichen die Unterbeschäftigung. Wir verdeutli-hen sie nicht nur, sondern wir tun auch etwas dagegen,ass die Unterbeschäftigung in diesem Land zurückge-ührt wird.
Also, um es klarzustellen: Wir tun etwas dafür, dassie Unterbeschäftigung in diesem Land zurückgeführtird. Das unterscheidet uns von der Arbeit der Opposi-ion in den vergangenen Jahren.Der Antrag der CDU/CSU – ich glaube, meine Da-en und Herren, das ist gerade sehr deutlich geworden –ill nichts anderes als Verunsicherung schaffen. Das istus meiner Sicht bedauerlich, ja, das ist sogar scheinhei-ig.
Das nehme ich nicht zurück, weil ich es auch belegenann, lieber Herr Hinsken.Bedauerlich ist es, weil wir für das Gelingen derrbeitsmarktreformen Vertrauen brauchen. Auch dieamen und Herren von der Union sind im Übrigen bes-er beraten, ihre Energie darauf zu verwenden, dass ge-au dieses Vertrauen hergestellt wird, denn die Wahlenm letzten Sonntag sollten uns alle eine Lehre sein undeutlich machen, dass solch ein Populismus, wie ihn ge-ade Herr Singhammer wieder vorgelebt hat, nicht dazuührt, dass die demokratischen Kräfte in diesem Landestärkt werden.
as nämlich, was Sie gesagt haben, heißt nichts anderes,ls dass Sie die Manipulationen, die Sie in der Vergan-enheit vorgenommen haben, jetzt gesundreden wollen.Scheinheilig an Ihrem Antrag, meine Damen underren, ist, dass Sie uns auffordern, Regelungen zurück-unehmen, die Sie einst selbst vorgenommen haben. Sieordern, Teilnehmer in Maßnahmen sollen in die Ar-eitslosenquote eingehen. Sie zählen hier ein buntes Al-erlei an Maßnahmen auf: Trainingsmaßnahmen, Perso-al-Service-Agenturen, JUMP-Programm, ABM, alsolle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die man sichorstellen kann.
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Klaus BrandnerDabei wissen Sie genau, dass all diese Personen in dermonatlichen Statistik der Bundesagentur für Arbeitauftauchen.
Die monatlich erscheinende Arbeitslosenquote beziehtsich auf diejenigen, die dem Arbeitsmarkt auch tatsäch-lich zur Verfügung stehen. Personen in Maßnahmen wer-den gesondert erfasst.Ich will Ihnen dazu nur noch sagen: Alle Abgeordne-ten bekommen jeden Monat ein riesiges Kompendiumvon der Bundesagentur für Arbeit geliefert. Sie lesen esoffenbar nur bis zur Seite 4.
Wenn Sie darüber hinaus weiterlesen würden, würdenSie genau diese differenzierte Auflistung all dieser Maß-nahmen finden. Wir könnten uns diese Debatte hier spa-ren. Es handelt sich um nichts anderes als heiße Luft,was Sie hier losgelassen haben, Herr Singhammer. Es istbedauerlich, dass ich Ihnen das so deutlich sagen muss.
– Es passt uns nicht, weil die Fakten anders sind.Sie fordern zum Beispiel: Die Zahlen von älterenArbeitslosen aus der so genannten 58er-Regelung sol-len in die Arbeitslosenquote eingehen. Das ist schon be-merkenswert. Nur zu Ihrer Erinnerung: Norbert Blümhat in den 80er-Jahren bestimmt, dass dieser Personen-kreis eben nicht zu den Arbeitslosen gezählt wird.
– Ja, er hat einen Fehler gemacht. Aber die FDP hat da-bei mitgeholfen. Heute lehnen Sie die Verantwortung da-für ab. Aber genau das ist Ihre Politik gewesen.
Ganz abgesehen davon führen wir diesen Personen-kreis in der Statistik auf. Ich sage ganz deutlich unddrastisch: Was von Herrn Singhammer vorgetragenworden ist, ist in der Sache gelogen. Er hat behauptet,dass genau die Maßnahmen, die ich gerade vorgetragenhabe, nicht in der Statistik auftauchen. HerrSinghammer, ich muss Ihnen sagen: Sie tauchen auf.Entweder haben Sie es nicht gewusst oder Sie hier ha-ben bewusst gelogen. Das muss in diesem Hohen Hauseeinmal gesagt werden.
Sie werfen uns Schönfärberei der Statistik vor.
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Herr Singhammer hat ein Beispiel für Populismuseliefert. Er hat gesagt, Manipulation und Schönredenätten Tradition in dieser Regierung. Hier ist der Beleg:anipulation und Schönreden haben Tradition in derDU/CSU.
Ich will mich an diesem Punkt nicht in Ihren Fehlernerlieren, sondern nur kurz an eine Sache erinnern. Imahljahr 1998 haben Sie kurzfristig die Zahl der ABM-tellen – Sie wissen es – um fast 400 000 erhöht. Sie ha-en damit versucht, die Wählerinnen und Wähler zu täu-chen. Diese Irreführung ist Ihnen zum Glück nicht ge-ngen. Der rot-grünen Koalition und mir ist es einnliegen, dass eine ehrliche und transparente Arbeitslo-enstatistik vorgehalten wird.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Singhammer?
Nein, jetzt nicht.Arbeitslosenzahlen sind keine wahltaktische Manö-riermasse. Es ist unsere tiefe Überzeugung, dass hintereder einzelnen Zahl in der Statistik ein menschlichesinzelschicksal steckt. Dessen sind wir uns bewusst undeshalb handeln wir auch so konkret.
Wir wollen in der Statistik alle arbeitssuchenden Per-onen erfassen. Das haben wir in der Vergangenheit ge-an und das werden wir auch in Zukunft tun. Wir warens, die mit den Programmen JUMP und JUMP plus vie-en Jugendlichen, die nicht in der Statistik erfasst wa-en, erstmals eine berufliche Perspektive gegeben ha-en.
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Klaus Brandner
Herr Singhammer, natürlich wissen wir, dass 20 Prozentnicht in der Statistik erfasst waren. Das bedeutet, dasswir die Menschen sozusagen aus der Versenkung geholthaben. Aber Sie werfen uns heute vor, wir würden sieverstecken. Wir haben ihnen geholfen. Diesen Erfolg ha-ben Sie kleingeredet. Herr Schäuble hat davon gespro-chen, dass es um nichts anderes gehe, als die Menschenaufzubewahren. Wir haben den Menschen Perspektivengegeben und haben ihnen weitergeholfen. Das war not-wendig, weil die Arbeitslosigkeit in diesem Land grö-ßere Ausmaße hatte, als wir es 1998 bei Übernahme Ih-rer Zahlen erwarten mussten.Die Erfassung der Arbeitslosen ist wichtig. Denn nurwenn die entsprechenden Zahlen vorliegen, können wirdas tatsächliche Ausmaß der Arbeitslosigkeit erkennenund entsprechend gegensteuern. Uns sind konkrete Hil-fen und Engagement wichtiger als vorteilhafte Zahlenund Politikgerangel.Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfeund Sozialhilfe wird die Arbeitslosenstatistik zum 1. Ja-nuar ebenfalls ein ganzes Stück ehrlicher: Bislang warenviele der erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger ebennicht bei der Arbeitsagentur gemeldet. Es handelt sichschätzungsweise um 300 000 bis 400 000 Personen, diejetzt ohne Arbeit sind, aber – wie gesagt – nicht in derStatistik erfasst sind. Dieser Personenkreis wird dann derArbeitsagentur gemeldet werden. Trotz der medialenAusschlachtung – es wird von einem starken Anstieg derArbeitslosenzahlen gesprochen werden –, die wir zum1. Januar 2005 erwarten, wird deutlich werden, dass diesein richtiger Schritt ist. Dabei ist nichts anderes gefragt,als dass wir die Kraft und den Mut haben, den Umfangder Arbeitslosigkeit in diesem Lande ehrlich darzustel-len.
Das sollten Sie loben und nicht scheinheilig zerreden.
Ehrlichkeit zahlt sich langfristig aus, und zwar nicht nurfür uns als Regierungspartei, sondern auch – darum gehtes mir in erster Linie – für die Arbeitslosen, für diejeni-gen Menschen, die ohne eine Arbeitsperspektive sind.Lassen Sie mich noch auf einen letzten Punkt in Ih-rem Antrag eingehen. Sie von der Union fordern in Ih-rem Antrag, die stille Reserve der Arbeitssuchendenbesser zu erfassen. Das ist ein wichtiger Punkt; aller-dings ist er, so wie er formuliert wurde, populistisch. Diemonatliche Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur fürArbeit kann natürlich nur diejenigen erfassen, die sicharbeitslos melden. Eine stille Reserve zeichnet sich je-doch genau dadurch aus, dass sie „still“ ist.Zur stillen Reserve gehören in großem UmfangFrauen, die sich nach der Erziehungsphase nicht wiederbei der Bundesagentur gemeldet haben. Uns ist dieserPMsleicTDBvneAwbsStiEavunwga„gvgdmoWkskzzFgmdnmruPhud
as Statistische Bundesamt wird, wie Sie wissen, mitefragungen arbeiten und nicht wie die Bundesagenturon der Registrierung ausgehen.Warum machen wir das eigentlich? Erstens. Wir kön-en dadurch die stille Reserve besser erfassen und uns soin Bild davon machen, wie viele Personen tatsächlichrbeit suchen. Zweitens. Unsere Arbeitsmarktzahlenerden mit dieser Ergänzung international vergleich-ar – und das, denke ich, fordern doch auch Sie. Deshalbollten Sie diesen weiteren Präzisierungsschritt in dertatistik im Kern begrüßen.Für uns steht fest: Eine ehrliche Statistik, eine Statis-k ohne Manipulation ist nicht nur irgendein Ziel. Dierstellung einer solchen Statistik werden wir vielmehruch leisten und eine solche Statistik werden wir auchorhalten. Bei allen Diskussionen um die Richtigkeitnd Wichtigkeit von Statistiken dürfen wir aber am Endeicht aus dem Auge verlieren, was wirklich zählt: Wirollen und müssen die Zahl der Arbeitslosen senken,anz gleich, ob und in welcher Form sie in der Statistikuftauchen.Arbeitslosigkeit ist unser aller Problem. Wenn ichalle“ sage, meine ich nicht nur die rot-grüne Bundesre-ierung, sondern auch Sie, meine Damen und Herrenon der Opposition. Ich meine Unternehmen und Arbeit-eber ebenso wie die Gewerkschaften und all diejenigen,ie in irgendeiner Form an der Umsetzung der Arbeits-arktreformen mitwirken.Wir sollten uns gemeinsam an einem Leitgedankenrientieren, den uns die Hartz-Kommission mit auf deneg gegeben hat, nämlich dass wir einen Baustein stär-er gemeinsam bearbeiten müssen: Es darf keinen Nach-chub für Nürnberg geben. Ich meine damit ganz kon-ret, dass eine Facette der Politik sein muss, viel dafüru tun, dass neue Arbeitsplätze entstehen. Diesen Pro-ess müssen wir unterstützen und begleiten. Die andereacette ist: Wir müssen alles dafür tun, dass die derzeiti-en Arbeitsplätze in diesem Land erhalten bleiben. Wirüssen die handelnden Parteien dazu auffordern, dies inas Zentrum ihres Handelns zu rücken und den Perso-alabbau nicht leichtfertig und leichtsinnig hinzuneh-en.Wir alle müssen uns darum bemühen, Vertrauen zu-ückzugewinnen. Das gilt nach den Wahlen in Sachsennd in Brandenburg ganz besonders für die etabliertenarteien. Darum sollten wir uns solche Beiträge, wie sieeute von der Opposition kamen und die allgemeine Ver-nsicherung schaffen, lieber versagen. Wir sollten statt-essen konkrete Sachpolitik betreiben.
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Klaus BrandnerEdelgard BulmahnGustav HerzogPetra HeßGabriele Lösekrug-MöllerDirk ManzewskiWilhelm Schmidt
Heinz Schmitt
Hans Martin BuryMarco BülowDr. Michael BürschSabine BätzingMarion Caspers-MerkDr. Peter DanckertKarl DillerPeter DreßenDetlef DzembritzkiDr. Herta Däubler-GmelinMartin DörmannSebastian EdathyGisela HilbrechtGabriele Hiller-OhmStephan HilsbergJelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Eike HovermannChristel HummeKlaas HübnerGerd HöferLCHMUPUAUGMCothar Markaren Marksilde Mattheisarkus Meckellrike Mehletra-Evelyne Merkellrike Mertenngelika Mertensrsula Moggesine Multhauptichael Müller
hristian Müller
Olaf ScholzWilfried SchreckOttmar SchreinerGerhard SchröderBrigitte Schulte
Reinhard Schultz
Swen Schulz
Dr. Angelica Schwall-DürenDr. Martin SchwanholzRolf SchwanitzAxel Schäfer
Ulla Burchardt Monika Heubaum Tobias Marhold Carsten Schneider
sen in diesem Land mehr.ass die Demokratie stabi-chten und teilweise auchnst wird.fmerksamkeit.dem BÜNDNIS 90/EN)gedz„sSbfiegmund Ehrmannans Eichelarga Elserernot Erleretra Ernstbergerarin Evers-Meyernnette Faßelke Fernerabriele Fograscherainer Fornahlabriele Frechenagmar Freitagilo Friedrich
is Gleickeünter Gloserenate Gradistanacngelika Graf
ieter Grasedieckonika Griefahnerstin Grieseabriele Gronebergchim Großmannolfgang Grotthauswe Göllnerarl-Hermann Haack
ans-Joachim Hackerettina Hagedornlaus Hagemannlfred Hartenbachichael Hartmann
ina Hauerubertus Heileinhold Hemkerolf Hempelmannr. Barbara HendricksLBJKRJUDUHKHADWKRAENADVHHDDFCCCWDEGEDVizepräsidentin Dr. h. c. SIch komme zu Tagesordnunebe das von den Schriftführerrmittelte Ergebnis der namentie Beschlussempfehlung des Vu dem Antrag der FraktionWehrpflicht aussetzen“ –achen 15/1357 und 15/2963timmen 573. Mit Ja haben geen gestimmt 44, Enthaltungenehlung des Ausschusses ist damothar Ibrüggerrunhilde Irberann-Peter Janssenlaus-Werner Jonasenate Jägerohannes Kahrslrich Kasparickr. h.c. Susanne Kastnerlrich Kelberans-Peter Kemperlaus Kirschnerans-Ulrich Klosestrid Klugr. Bärbel Kofleralter Kolbowarin Kortmannolf Kramernette Krammernst Kranzicolette Kresslngelika Krüger-Leißnerr. Hans-Ulrich Krügerolker Kröningorst Kubatschkaelga Kühn-Mengelr. Uwe Küsterr. Heinz Köhler
ritz Rudolf Körperhristine Lambrechthristian Lange
hristine Lehderaltraud Lehnr. Elke Leonhardckhart Leweringötz-Peter Lohmannrika Lotzr. Christine LucygaFDVDDHHJJDFDKGDWRDKMOMGRTAGRBSHHUSD
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11476 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004
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r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbacherbert Frankenhauserr. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritzochen-Konrad Frommer. Michael Fuchsans-Joachim Fuchtelr. Jürgen Gehborbert Geisoland Gewaltberhard Giengereorg Girischichael Gloste Granoldurt-Dieter Grilleinhard Grindelichael Grosse-Brömeranfred Grundarkus Grübelermann Gröhearl-Theodor von und zuGuttenberglav Guttingalf GöbelDJPDHGKHUSUMJBEPRKHJSDDBSIBSVGEJJMHTRMGGDDWNDHBKWPUWEDPDDESDDWr. Reinhard Göhnerosef Göppeleter Götzr. Wolfgang Götzerolger-Heinrich Haibacherda Hasselfeldtlaus-Jürgen Hedrichelmut Heiderichrsula Heineniegfried Heliasda Carmen Freia Hellerichael Hennrichürgen Herrmannernd Heynemannrnst Hinskeneter Hintzeobert Hochbaumlaus Hofbauerubert Hüppeoachim Hörsterusanne Jaffker. Peter Jahrr. Egon Jüttnerartholomäus Kalbteffen Kampeterrmgard Karwatzkiernhard Kaster
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004 11477
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ken darüber machen, ob sollten: hin zu einemhe Ausmaß der Unter-Mitmachen und an-rantworten!)sich nachher einmal denrotokoll ansehen. Es han-inen freudschen Verspre-ss Sie alles dafür tun, dasALndsKpidabdJWblWm14Sr. Karlheinz Guttmacheroachim Günther
r. Christel Happach-Kasanlaus Hauptlrich Heinrichirgit HomburgerECVusmaß der Unterbeschäftigunesen Sie das einmal nach! Iicht ernst gemeint. Halten Sieeckt!
e Ausmaß der Unterbe- weil es das notwendige finanzieller Mittel undig steuern zu können. Recht, wenn er sagt, dassesagentur für Arbeit überzelnen Personengruppenen aber nicht in der Ar-tslosenquote aber ist es,sschau“ und im „Heute-h in den Zeitungen steht.rierte Arbeitslose. Zudemen in Eignungsfeststel-n, 140 000 in beruflicherin Arbeitsbeschaffungs-rückungsgeldempfänger,ründungszuschüsse undie Regelung nach § 428Gruppen hinzurechnen,Wolfgang Zöller Krista Sager Dr. Wolfgang Gerhardt Dr. Volker WissingHeinz SeiffertBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnErika SteinbachChristian von StettenGero StorjohannAndreas StormMatthäus StreblThomas Strobl
Lena StrothmannMichael StübgenAntje TillmannEdeltraut TöpferArnold VaatzVolkmar Uwe VogelAndrea Astrid VoßhoffMarko WanderwitzPeter Weiß
Gerald Weiß
Ingo WellenreutherAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschMatthias WissmannWerner WittlichElke WülfingDagmar WöhrlWolfgang ZeitlmannWilli ZylajewCornelia BehmBirgitt BenderMatthias BerningerGrietje BettinAlexander BondeEkin DeligözDr. Thea DückertJutta Dümpe-KrügerFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellKatrin Göring-EckardtAnja HajdukWinfried HermannPeter HettlichThilo HoppeMichaele HustedtUlrike HöfkenFritz KuhnUndine Kurth
Markus KurthRenate KünastDr. Reinhard LoskeAnna LührmannKerstin Müller
Winfried NachtweiChrista NickelsFriedrich OstendorffSimone ProbstClaudia Roth
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und sich bei der Bundesagentur nur deshalb arbeitssu-chend melden, weil dann die Ausfallzeiten bei der Renteangerechnet werden. Es gibt diejenigen, die einen Ar-beitsplatz haben, diesen aber vielleicht erst in zwei Wo-chen antreten und für die Zwischenzeit keinen anderenArbeitsplatz annehmen werden. Sie müssen sich in die-ser Zeit arbeitslos melden, um den Leistungsbezugsicherzustellen. Das sind keine Unterbeschäftigten. Eshandelt es sich um eine normale Friktionsarbeitslosigkeitaufgrund des Wechsels des Arbeitsplatzes, die sogar teil-weise wünschenswert ist. Diese Menschen müssen in derStatistik nicht aufgeführt werden.Warum nehmen Sie nicht den Vorschlag des KollegenSinghammer auf und vergleichen die Zahl der tatsäch-lich Beschäftigten, und zwar nicht nur die Erwerbstäti-gen, sondern auch das geleistete Arbeitsvolumen alsHauptkriterium für ein mögliches Wirtschaftswachstumin Deutschland, mit der Zahl der Nichtbeschäftigten, diein Arbeit kommen wollen? Das wäre der richtige Wegund würde ein Stück weit wieder zu Vertrauen auch indie etablierten Parteien führen. Das wäre eine großeChance.
Was das Vertrauen nicht fördern wird, ist das vom Ka-binett beschlossene System der parallel geführten ILO-Statistik. Man kann Statistiken natürlich auf zweierleiArt manipulieren: einmal, indem man bestimmt, wer er-fasst wird, und einmal, indem man bestimmt, wie erfasstwird. Aufgrund der ILO-Kriterien gilt jemand, der eineStunde in der Woche arbeitet, nicht als arbeitslos. IchhemEklnsp–PSmvWzezEAmdcfeslzcMlVßncusiisMI–
s ist doch für jeden, der einigermaßen gerade denkenann, völlig klar, dass jemand mit einer Stunde wöchent-icher Arbeitszeit unterbeschäftigt ist. Das kann alsoicht das Kriterium sein, nach dem wir arbeiten.Natürlich wird jetzt die Regierung behaupten – dastimmt auch zu Beginn –, sie lasse die ILO-Statistik nurarallel erheben. Wir wissen aber aus der Vergangenheit das mag es auch in Zeiten, in denen ich noch nicht imarlament war, gegeben haben –, dass parallel geführtetatistiken irgendwann die erste Statistik ablösen, zu-indest teilweise. Hier wird ein riesengroßer Betrugs-ersuch gestartet, der dazu führen soll, Ihre vermurksteirtschaftspolitik hinterher als glorreichen Erfolg dar-ustellen. Das machen wir mit Sicherheit nicht mit.
Entscheidend in diesem Land ist es, überhaupt erstinmal Beschäftigungsmöglichkeiten für die Menschenu schaffen.
igentlich ist der große Skandal doch gar nicht, wie dierbeitslosenstatistik aufgebaut oder erhoben wird; viel-ehr besteht der große Skandal in diesem Land docharin, dass wir überhaupt eine Arbeitslosenstatistik brau-hen. Also brauchen wir, um diesen Skandal zu bekämp-en und um den Menschen, der arbeiten kann und will,ine Chance dazu zu geben, eine andere Steuer-, Wirt-chafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik, als sie in denetzten sechs Jahren durchgeführt worden ist.
Damit Betriebe und Private Geld zum Investieren undum Konsumieren haben, brauchen wir eine klare, einfa-he, gerechte und transparente Steuerreform, die denenschen und den Betrieben mehr Geld in der Tascheässt.
Damit die Wirtschaft atmen kann, brauchen wir eineeränderung des Arbeitsrechts. Wir brauchen einen grö-eren Spielraum, um all das flexibel handhaben zu kön-en, was Entlassung und Einstellung betrifft. Wir brau-hen mehr Flexibilität bei der Lohnfindung innterschiedlichen Regionen. Wir brauchen wenigertarre Vorgaben. Wir müssen zu einem System kommen,n dem Bürokratie ab- und nicht aufgebaut wird, wie esn der gesamten Zeit der rot-grünen Bundesregierungtattgefunden hat. Da wird groß geredet und von einemasterplan Bürokratieabbau getönt; passiert ist nichts.m Endeffekt sind die kleinen Betriebe diejenigen, diefür den Staat kostenfrei – Statistik und Verwaltungsar-
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Dirk Niebelbeiten zu erbringen haben. Das geht zulasten von Ar-beitsplätzen und das haben Sie zu verantworten.
Wenn Sie, die beiden immer kleiner werdendenVolksparteien,
sich darauf einigen könnten, dass wir diesen Weg gehensollten, dann sollten wir das möglichst schnell tun; dennallein Transparenz hinsichtlich der Frage, wie viel Ar-beitsvolumen in Deutschland erbracht wird und wie vielUnterbeschäftigung es in Deutschland gibt, wird dasVertrauen der Bevölkerung in die deutsche Arbeits-marktpolitik zurückbringen. Dann haben wir auch dieMöglichkeit, mithilfe der anderen Vorschläge, die ichhier angesprochen habe, Chancen zu eröffnen, damit dieRattenfänger in der Bundesrepublik nicht mehr den Zu-griff auf andere Menschen haben.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Fritz Kuhn, Bündnis 90/Die
Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Singhammer, ich war doch etwas erstaunt, wie we-nig Sie bei Ihrer Rede zur Einbringung des Antrags rotgeworden sind, denn so etwas, wie Sie es hier heute ver-anstaltet haben, habe ich noch nicht erlebt:
Sie sagen hier, wir sollten systematisch all diejenigen zu-sammenrechnen, die keine Arbeit haben, inklusive derstillen Reserve, die man übrigens nie genau bestimmenkann. Damit wollen Sie den Eindruck erwecken, die Ar-beitslosigkeit – im Volk draußen wird das Wort weiterverwendet werden – läge bei 7 Millionen. Sie glauben,wir seien so blöd, dieses Spiel mitzumachen. Sie greifendas dann im Wahlkampf auf und plakatieren: Arbeits-losigkeit um 2 Millionen gestiegen. So einfach machenSie es sich; das haben wir in vielen Wahlkämpfen gese-hen. Das hat keinen Sinn.
Jetzt einmal ganz praktisch, Herr Singhammer: DieArbeitslosenquote wird anhand derjenigen Menschenerrechnet, die keine Arbeit haben, bereit sind zu arbeitenund dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. So war esin der Vergangenheit. Deswegen sind die stille Reserveund diejenigen Menschen, die in Maßnahmen beschäf-tigt sind, nicht in die Quote eingerechnet. Im Übrigen istdie Statistik der Bundesagentur viel restriktiver als etwadie der ILO auf der europäischen Ebene; Kollege Niebelhat es gesagt.zwEnLbleWgbdwDsliWdNSbnS–bSsukaztiwdcskisEew
ann wären wir bei 2 Millionen Arbeitslosen. An die-em Beispiel können Sie doch sehen, wie absurd Ihr An-egen ist.
enn wir auf dieser Schiene noch etwas kreativer wür-en, rechneten wir Ihnen die Zahl der Arbeitslosen aufull.
ie sehen also, dass das, was Sie hier vorgeschlagen ha-en, eine Absurdität ist.Wer wie die Union 1998 systematische Manipulatio-en betrieben hat, etwa mit den 150 000 Wahl-ABM, dieie damals kreiert haben
zusammen mit der FDP; bitte der lieben Ordnung hal-er keine Zwischenrufe von der Regierungsbank, Herrtaatssekretär, obwohl der Zwischenruf gut war –, derollte doch insgesamt mit solchen Anträgen vorsichtigernd zurückhaltender sein.Hinsichtlich der Fragestellung, was wir eigentlich tunönnen, damit die Arbeitslosigkeit in Deutschland ganzktuell stärker abgebaut wird – wir alle wissen, dass wirusehen müssen, dass auf dem Binnenmarkt mehr inves-ert wird und die Leute mehr Geld ausgeben,
eil wir uns beim Export an der äußersten Grenze befin-en –, möchte ich zwei Punkte in den Vordergrund rü-ken, die mich mehr interessieren als der singhammer-che Schnickschnack, den wir jetzt verhandelt haben.Erstens. Die Preistreiberei, die uns von den Energie-onzernen in den letzten Wochen angekündigt wordent, darf nicht stattfinden. Es geht nicht an, dass man dennergiepreis weit oberhalb der realen Kostensituation ininer Größenordnung zwischen 3 und 4 Prozent anhebenill. Wer dies tut, setzt ein klares Signal gegen die
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Fritz KuhnBinnenmarktentwicklung und droht, die tatsächlicheWirkung der Steuersenkung, die wir zum 1. Januar 2005vornehmen werden, kaputtzumachen. Wer Arbeitslosig-keit bekämpfen will – dies richte ich an das ganze Haus –,der muss schauen, dass diese Preiserhöhungen unterblei-ben.
Zweitens. Auch die angekündigten Preiserhöhungenbei der Bahn wirken nicht anders als Kosten treibendund damit den Binnenmarkt schwächend. Ich gehe da-von aus, dass nach unseren gestrigen Beschlüssen, diezum Inhalt hatten, dass der Börsengang nicht in demZeitraster kommen wird, wie es Herr Mehdorn vorgese-hen hat, die Preiserhöhungen noch einmal überdachtwerden.
Die Preiserhöhungen sind von der Seite der Energie-preise her höchstens in einer Größenordnung von 0,4 bis0,5 Prozent vertretbar. Der Rest war eine Preiserhöhung,die allein wegen des Börsengangs vorgesehen wurde,um schnell zu einer stabilen schwarzen Null zu kommen.Meine Fraktion fordert also die DB AG konkret auf,nicht nur den Börsengang zu verschieben, sondern auchauf diese Preiserhöhung zu verzichten.
Wenn wir die neuen Instrumente von Hartz I bis IVwirklich effektiv umsetzen, dann werden wir auch einenpositiven Impuls für den Arbeitsmarkt bekommen. Da-bei ist mir ein Punkt wichtig, den ich hier auch an dieAdresse der Bundesregierung anmerken will, HerrStaatssekretär: Bei der Umsetzung von Hartz IV und beider Einrichtung der Jobcenter kommt es entscheidenddarauf an, dass so dezentral gearbeitet werden kann, wiewir es in den Hartz-Reformen vorgesehen haben. Es sollalso das regional jeweils Beste gemacht werden undnicht das, was sonst wo entschieden wird. In diesem Zu-sammenhang stelle ich Ihnen ein Beispiel vor, angesichtsdessen ich mir wirklich Sorgen mache, ob das, was wirvorgesehen haben, funktionieren wird. Ich rufe in Erin-nerung: Je dezentraler wir vorgehen, desto mehr Arbeits-lose können wir in Jobs unterbringen.Heute schreibt der „Tagesspiegel“, dass man in Berlinimmer noch Probleme mit den Gebäuden für die neuenJobcenter hat.
Im Bezirk Charlottenburg/Wilmersdorf wurde für dasneue Jobcenter ein Gebäude zur Verfügung gestellt, dasnun von Nürnberg mit der Begründung abgelehnt wird,„die Verteilung der Steckdosen, die Türklinken, dieOberlichter in den Räumen und die Fliesenhöhen in denToilettenräumen“ entsprächen nicht dem Pflichtenheftder Nürnberger Zentrale.
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ber es ist auch ein symbolisches Beispiel für eine Denk-eise, die wir überwinden müssen, wenn wir eine dezen-rale Arbeitsorganisation wollen. Dies betrifft auch dieegeln, was in den Jobcentern gemacht wird, wie geför-ert wird, welche Beschäftigungsverhältnisse eingegan-en werden, wie die 1-Euro-Jobs ausgestaltet werdennd wie dies in der Region abgestimmt und mit den Un-ernehmern und Gewerkschaften besprochen wird.Im Klartext: Wir werden die positiven Instrumenteartz I bis IV nur praxiswirksam nutzen können, wenns gelingt, eine echte Dezentralisierung zu praktizieren.m dies zu erreichen, müssen wir den Mist verhindern,er sich in dem von mir vorgelesenen Zitat widerspie-elt.
Herr Niebel, mit Ihrem – wie soll ich es nennen? – li-eralen Chaotenanarchismus kommen wir natürlichicht weiter. Sie sagen einfach: Weg mit dem Mist, auf-ösen, abschaffen! Aber Sie haben überhaupt keine kon-reten Vorschläge gemacht, wie stattdessen die schwie-ige Arbeit geleistet werden soll, die vielen Arbeitslosenn Jobs zu bringen und auch die Dauerarbeitslosen zu ak-ivieren. Da können wir nicht einfach liberal oder pseu-oliberal mit den Schultern zucken und sagen: Da ma-hen wir den Laden dicht.Ich komme zum Schluss.
Kollege Kuhn, der Herr Kollege Niebel würde Ihnen
ern eine Zwischenfrage stellen.
Nein, das machen wir jetzt nicht. Ich hatte genügendedezeit. Herr Niebel, das wäre nicht nötig gewesen.ielen Dank!
Herr Singhammer, das, was Sie heute veranstaltet ha-en, ist, glaube ich, in die Hosen gegangen. Ich hoffe,ass Sie beim nächsten Mal wieder mit mehr Intelligenz,ehr Faktenwissen und mehr Kreativität die Debatte be-eichern können.Ich danke Ihnen.
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Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort dem
Kollegen Niebel.
Sehr geehrter Kollege Kuhn, nur mit grünem Gebläse
können Sie die Fakten natürlich nicht vom Tisch wehen.
Sie wissen ganz genau, dass ein Antrag der FDP-Bun-
destagsfraktion, in dem die Neuordnung der Bundes-
agentur durch Auflösung konkret dargestellt wird, in
diesem Hause vorliegt. Auch wenn Sie die Mär verbrei-
ten, dass es dann hinterher keine Betreuung der Arbeits-
losen gäbe – das ist trotzdem falsch.
Die Auflösung der Bundesagentur für Arbeit, die
in ihrer jetzigen Form schlicht nicht reformierbar ist, ist
ein Terminus technicus. Durch die Auflösung besteht die
Behörde eine juristische Sekunde lang nicht mehr. Das
heißt, Sie können effektive Strukturen, übrigens auch die
von Ihnen geforderten dezentralen Strukturen, einziehen,
weil Sie die Vorschriften der Behörde nicht mehr be-
rücksichtigen müssen, weil der Verwaltungsrat mit Frau
Engelen-Kefer nicht mehr da ist, weil die Beamten ver-
setzt werden können, weil Angestellte mit Änderungs-
kündigungen neue Strukturen einnehmen können. Damit
kann man ein Drei-Säulen-System aufbauen, mit dem
man den Arbeitsmarkt ordentlich ausgleichen und den
Menschen helfen kann.
Das wäre eine schmale Versicherungsagentur, die
nichts anderes als die Lohnersatzleistungen bearbeitet,
bei denen der Arbeitgeberanteil ausgezahlt wird, um An-
reize für Wahltarife zu schaffen. Es wäre eine kleine Ar-
beitsmarktagentur mit ungefähr 200 Mitarbeitern, in der
das überregional Notwendige gemacht wird, in der man
sich insbesondere um die Transparenz der offenen Stel-
len und die bundesweite Vermittlung, aber auch um
Werkvertragsabkommen mit osteuropäischen Staaten
kümmert und in der entscheidungskompetente An-
sprechpartner für Landesprojekte zur Verfügung stehen.
Vor Ort, in kommunaler Trägerschaft, würde, steuerfi-
nanziert und im Grundgesetz abgesichert, die aktive Ar-
beitsmarktpolitik betrieben, weil die Menschen, die die
Arbeitsmarktpolitik brauchen, vor Ort sind und weil die
Arbeitsplätze in aller Regel ebenfalls einem konkreten
Ort zuzuordnen sind.
Von daher: Tun Sie nicht so, als hätten wir kein Kon-
zept! Wir haben jede einzelne Aufgabe der heutigen
Bundesagentur kleinklein unter der Fragestellung durch-
dekliniert: Muss sie überhaupt noch gemacht werden?
Wenn sie gemacht werden muss: Von wem muss sie ge-
macht werden? Das liegt hier in diesem Hause vor.
Wenn Sie die Bundestagsdrucksachen nicht lesen, dann
sollten Sie gegenüber der Bevölkerung nicht so tun, als
gäbe es sie nicht, nur weil Sie Ihre Arbeit offenkundig
nicht richtig machen.
Herr Kollege Kuhn, Sie haben das Wort.
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eswegen haben wir die Hartz-Gesetze gemacht und dieielen Reformen eingeleitet. Wir sind der Überzeugung,ass auch diese Behörde mit 90 000 Beschäftigten, dieundesagentur für Arbeit, reformierbar ist. Wir sind fer-er der Überzeugung, dass das am besten in der Kon-truktion, wie wir sie heute haben, geschehen kann.iese sieht ja übrigens auch die Beteiligung von Unter-ehmen und Gewerkschaften vor. Da haben wir einfachine andere Grundüberzeugung; es ist letztlich eine an-ere ordnungspolitische Auffassung.Ich habe darauf hingewiesen, dass diese Reform nurann funktionieren kann, wenn in Zukunft wirklich de-entral vorgegangen wird und wenn sich die Nürnbergerentrale auf das absolut notwendige Kerngeschäft derereinheitlichung beschränkt und nicht vor Ort sagt, wasm Einzelnen gemacht werden muss. Das ist eine absolutndere Konzeption, als Sie sie haben. Ich bin sehr skep-isch, ob Ihre Konzeption in der Praxis wirklich funktio-ieren würde, weil die ideelle Sekunde, mit der Sie ar-umentieren, eine Art Zerschlagung der bestehendentruktur bedeutet. Diese Zerschlagung hätte die einzel-en Mitarbeiter verunsichert und nicht die Möglichkeiteschaffen, die neuen Reformen jetzt wirklich umzuset-en. Deswegen gehen wir einen anderen Weg.Ich bin nicht überzeugt, dass es hilfreich ist, wenn Sieetzt immer von der Zerschlagung der Bundesagenturprechen.
Auflösung der Bundesagentur. Sie kommen ja aus demaden.
eswegen erstaunt mich auch Ihr Frohsinn bei demhema. Sie müssen sich vorstellen, dass da jetzt0 000 Leute sitzen – dazu kommt noch die schwierigeonstruktion, dass man in den Ländern nicht einen Was-erkopf belassen hat –, die die neue Konzeption umset-en müssen. Da hilft es überhaupt nichts, wenn wir hiern Berlin von Auflösung oder Zerschlagung sprechen.ielmehr müssen wir einen Umbau in Richtung einerchnellen, dezentralen Reform anstreben. Für den Wegaben wir uns entschieden. Dieser Weg wird auch ge-angen, ganz egal, wie lange Sie noch von der Auflö-ung der Bundesagentur reden.
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Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Fuchs, CDU/
CSU-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! LiebeKollegen! Herr Kuhn, eigentlich müsste man eine Redehalten, die ausschließlich an Ihre Adresse gerichtet ist;denn es ist enorm, wie viel Falsches Sie in so kurzer Zeitvorgetragen haben. Wenn Sie davon sprechen, dass wirhier Wahlkampf machen, muss ich Ihnen sagen: Das,was Sie hier getan haben, war nichts anderes. Es machtkeinen Sinn, so unredlich miteinander umzugehen, wieSie es getan haben.
Sie sagen, den kleinen Leuten soll mehr Geld gegebenwerden. Warum bitte schön tun Sie das denn nicht?Der Strompreis in Deutschland besteht mittlerweilezu 40 Prozent aus staatlich ordinierten Kosten.
Das haben Sie zu verantworten. Im Wesentlichen war esdie Politik der Grünen, die dazu geführt hat,
dass jetzt dafür gesorgt werden muss, dass die Leutemehr Geld in der Tasche haben. Durch Ihre Politik be-kommen sie aber nicht mehr Geld. Deswegen sollten SieIhre Politik ändern.Nun ein Wort zu Ihnen, Herr Niebel. Aus meinerSicht sollte die Bundesagentur für Arbeit nicht aufgelöstwerden. Aber ebenso man darf sie nicht mit zusätzlichenAufgaben befrachten, wie es jetzt durch Hartz IV getanwird. Deswegen haben wir immer dafür plädiert, dassseine Umsetzung auf kommunaler Ebene durchgeführtwerden soll. Herr Kuhn, von diesem Standpunkt warenSie gar nicht weit entfernt, als Sie gesagt haben, dassdiese Arbeit auf lokaler Ebene geleistet werden muss,weil dort die entsprechenden Kenntnisse vorhanden sindund man näher bei den betroffenen Menschen ist. Es tutmir Leid, dass Sie das, was Sie in Ihrer Rede im Prinzipselbst gefordert haben, nicht umgesetzt haben. Nichts-destotrotz brauchen wir eine Bundesagentur, die dasGanze regelt, die aber nicht als Moloch mit zusätzlichenAufgaben befrachtet werden darf.
Nun will ich auf die Statistik zu sprechen kommen.Auf dem Papier steht, dass derzeit 4,35 Millionen Men-schen arbeitslos sind. Das ist wirklich nur die halbeWahrheit; Kollege Singhammer hat das eben erklärt.Denn wenn man die stille Reserve berücksichtigt – demFrankfurter Institut zufolge liegt sie bei 1,7 Millionen –,sind in Wirklichkeit über 6 Millionen Menschen arbeits-los. Diese Statistik zu manipulieren, halte ich für verant-w„wFfloälegmD7TupDWsnbrdiwSmZvnsTMdusmnbLms
Lassen Sie mich Ihnen zwei Zitate ins Gedächtnis ru-en: „Ziel des Masterplanes ist es, die Zahl der Arbeits-sen in drei Jahren um 2 Millionen zu reduzieren.“ Soußerte sich Peter Hartz am 16. August 2002. Der Kanz-r sagte in seiner nebulösen Art: „Wir müssen aus demroßen Wurf … eine neue Wirklichkeit für Deutschlandachen.“
iese großen Ziele haben Sie verkündet; das ist genau69 Tage her. Seitdem ist die Zahl der Arbeitslosen proag um durchschnittlich 460 gestiegen, Herr Brandner,nd 1 550 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze sindro Tag verloren gegangen.
as sind die Folgen Ihrer Politik.
enn wir das, was Herr Hartz verkündet hat, nochchaffen wollen, dann müssten ab jetzt pro Tag 6 415eue Jobs geschaffen werden, damit die Zahl der Ar-eitslosen bis Ende dieses Jahres um 2 Millionen zu-ückgeht.
Sie reden von „saisonbereinigter“ und „witterungsbe-ingter“ Arbeitslosigkeit. Wir müssten Ihre Politik vondeologischen Vorstellungen bereinigen; denn dadurchird den Arbeitslosen kein bisschen geholfen.
ie arbeiten mit Tricks. Herr Clement kommt miranchmal vor wie ein Zauberer. Während allerdings einauberer immer nur eine einzige Dame in einer Kisteerschwinden lassen kann, hat Herr Clement einmal inur einer Nacht 81 000 Menschen aus der Statistik ver-chwinden lassen. Das waren diejenigen, die sich inrainingsmaßnahmen befunden haben. Diese Art deranipulation der Statistik kann nicht richtig sein; dennadurch wird kein einziger Arbeitsloser wieder in Lohnnd Brot gebracht. Das müsste aber unsere Aufgabeein.Herr Brandner, wir müssen uns Gedanken darüberachen, dass wir Wachstumszahlen in einer Größenord-ung von 2 Prozent brauchen, um überhaupt neue Ar-eitsplätze schaffen zu können. Warum das in anderenändern schon bei einem Wachstum von nur 0,5 Prozentöglich ist, ist mir bis jetzt verborgen geblieben. Daranollten wir arbeiten. Wir sollten uns aber nicht damit
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Dr. Michael Fuchsbeschäftigen, die Arbeitslosenzahlen zu manipulieren.Und nichts anderes tun Sie.Das wahre Ausmaß der strukturellen Krise, die wir inDeutschland haben, kommt doch durch eine andere Zahlviel besser zum Ausdruck – deswegen ist es richtig, wasder Kollege Singhammer gesagt hat, und deswegen gehörtdiese Zahl für mich in die Statistik rein –, nämlich durchdie Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.Im Juni hatten wir gerade noch 26,4 Millionen.
Leider bekommen wir diese Zahl nicht zeitnäher, HerrBrandner. Das wissen Sie. Durch Ihre Politik sind in denletzten zwei Jahren 1,2 Millionen sozialversicherungs-pflichtige Arbeitsplätze verloren gegangen.
Das sind pro Monat 46 000 Arbeitsplätze. Frau Dückert,das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Das ist der Beweisfür das Scheitern Ihrer Politik.
1,2 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätzesind verloren gegangen. Nichts belegt die strukturelleKrise, in der sich unser Land befindet, so sehr.Daran zeigt sich für mich auch, dass wir das Systemder Sozialversicherungen, das circa 70 Millionen Men-schen umfasst, so mit ziemlicher Sicherheit nicht sanie-ren können. Deswegen sind die gesamten Versuche, dieSozialsysteme auf diesem Weg zu sanieren, nicht gelun-gen und werden auch nicht gelingen.Ich möchte noch einen Aspekt hinzufügen, der ausdiesen ganzen Statistiken auch nicht hervorgeht, aberdennoch ein Beweis für Ihre gescheiterte Politik ist: ProJahr scheiden mittlerweile circa 200 000 bis 250 000Personen mehr aus dem Erwerbsleben aus, als eintreten.Dieser demographische Effekt hätte in den sechs JahrenIhrer Regierung ja eigentlich zu einer Reduzierung derZahl der Arbeitslosen um circa 1,2 Millionen Menschenführen müssen. Nichts ist davon zu spüren: Die Arbeits-losigkeit steigt permanent. Das kann einem hier schonganz gewaltig die Laune verderben.
Wie verhält sich dabei Ihr Bundeswirtschaftsminis-ter? Er ist ja heute bei einer so wichtigen Debatte, in deres um Arbeitslosigkeit, um die Schicksale der Menschengeht, nicht einmal im Parlament und schickt HerrnAndres vor, von dem wir ja gleich noch einiges hörenwerden. Er lässt sich von solchen Zahlen nicht einmaldie Laune verderben. Die Manipulationen an der Ar-beitsmarktstatistik bezeichnet er als „notwendige Klar-stellung“. Wenn man 81 000 Menschen in der Trickkisteverschwinden lässt, ist das also eine „notwendige Klar-stellung“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dafür fehlenmir die Worte! Dann sagt er in demselben Statementweiter, dass er hoffe, dass sich die KonjunkturerholungafEwsdMvBwüfa1wArgmfzddwdSmf–BdLdtiDhgDprksuWd
Schauen Sie sich das bitte einmal selbst an, Herrrandner, dann werden Sie es auch kapieren.Ich sage Ihnen noch eines voraus: Demnächst kommtie nächste Manipulation. Im Oktober sollen 100 000angzeitarbeitslose mit Sprachkursen beschäftigt wer-en. Die werden wir dann auch nicht mehr in der Statis-k finden.
emnächst wird auch noch jeder, der einen 1-Euro-Jobat, aus der Statistik verschwinden; dann haben wirleich 600 000 Arbeitslose weniger.
as kann doch nicht die Lösung unserer Arbeitsmarkt-robleme sein. Gehen Sie bitte hin und suchen Sie denichtigen Weg.Es war nicht in Ordnung – lieber Herr Brandner, ichann lauter schreien als Sie; ich habe ein Mikrofon –, dassich der Bundeskanzler am letzten Wochenende hingestelltnd den Menschen Mitnahmementalität vorgeworfen hat.er verursacht denn diese Mitnahmeeffekte? Wer schafftenn überhaupt die Möglichkeit dazu? Das sind doch Sie
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11484 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004
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Dr. Michael Fuchsals Gesetzgeber. Sie können es doch verhindern. Be-schimpfen Sie nicht die Leute, die die Gesetze so anwen-den, wie Sie sie gemacht haben, sondern machen Sie dieGesetze so, dass sie vernünftig und sauber angewendetwerden können! Alles andere ist doch unsauber.
Ich darf Ihnen vielleicht die Antwort der Bundesre-gierung auf unsere Kleine Anfrage zur Wahrheit undKlarheit der Arbeitsmarktstatistik vorlesen: Die einzigwahre Arbeitslosenzahl kann es angesichts unterschied-licher Erkenntnisinteressen nicht geben. So hat die Bun-desregierung auf unsere Anfrage geantwortet. Es ist eineUnverschämtheit, uns so zu antworten. Einen besserenBeweis als diesen kann es nun wirklich nicht geben. Wirsollten hier wirklich dafür sorgen, dass vernünftige Poli-tik gemacht wird, anstatt mit Nebelkerzen zu werfen.Sie sollten Ihre Kräfte auf die Arbeitsmarktpolitikkonzentrieren. Tun Sie endlich das Richtige! BekämpfenSie die Arbeitslosigkeit und verschönern Sie nicht dieStatistik!Vielen Dank.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär für
Wirtschaft und Arbeit, Gerd Andres.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Während ich hier die ganze Zeit zugehört habe,ist mir durch den Kopf gegangen, dass das wahrschein-lich meine dreißigste oder vierzigste Debatte über Ar-beitsmarktstatistik hier im Bundestag ist.
Ich muss Ihnen einmal sagen, was mich langsam rich-tig anödet, nämlich dass in diesen Debatten nie dieWahrheit gesagt, sondern je nach Interessenlage argu-mentiert wird. Man gaukelt sich etwas in einer Art undWeise vor, dass es überhaupt nicht mehr auszuhalten ist.
Herr Fuchs, Sie waren ein beredtes Beispiel dafür.
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ie können das bewerten, wie Sie wollen. Ich empfehlehnen nur, in Ihrer Rede nachzulesen.Sie sagen, die sozialversicherungspflichtig Beschäf-igten müssten in die Arbeitslosenstatistik aufgenom-en werden. Ich empfehle Ihnen, sich ein einziges Maline solche Statistik anzuschauen.
ch habe eine dabei. Die offizielle Statistik der Bundesagen-r für Arbeit beginnt mit dem geschätzten Sachstand amnde eines jeden Monats bezogen auf sozialversicherungs-flichtig Beschäftigte. Für Juni stehen dort 26 440 800.err Fuchs, das, was Sie hier beklagen, ist also längstirklichkeit.Damit haben Sie ein schönes Beispiel dafür geliefert,ass die Statistikdebatten häufig sehr verlogen sind. Ichage Ihnen ganz offen: Ich kenne das selbst, da ich langenug in der Opposition war. Ein Interesse der Opposi-ion ist es immer, der Regierung ständig vorzuwerfen,ass die Statistik manipuliert wird. Es werde alles he-ausgerechnet, was nicht hineingehöre, und
s sei alles ganz schlimm. Die Arbeitslosenzahl wirdann auf 5 Millionen, 6 Millionen oder 7 Millionen auf-eblasen. Wer hat noch mehr zu bieten? Ich habe michewundert, dass hier noch niemand 8 Millionen gesagtat.
Herr Singhammer, eines kann ich Ihnen sagen: Lesenie in Ihrer Rede nach! Alles, was Sie darin aufgelistetaben, würde ich daraufhin überprüfen, ob das nicht zu-älligerweise Herr Blüm eingeführt hat.
Um das hier abzuschließen: Ich streite sehr gerne da-über, ob die Teilnehmer an Trainingsmaßnahmen inie Arbeitslosenstatistik gehören oder nicht. Für meineegriffe sind das keine Arbeitslosen. Deswegen sind sieort nicht hineinzurechnen. Darüber kann man aber
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Parl. Staatssekretär Gerd Andressach- und fachgerecht diskutieren. Das Schöne ist: Wennman unter Fachleuten außerhalb der Öffentlichkeit, alsointern diskutiert – Karl-Josef Laumann nickt –, dann ge-ben sich alle gegenseitig Recht. Die Debatte hier wirdaber zu einer Schauveranstaltung genutzt. Dass die Men-schen, die hier zuhören oder das an den Fernsehgerätenmitbekommen, dadurch ein Stück weit Vertrauen in diePolitik verlieren, kann ich sehr gut verstehen.
Die Arbeitslosenzahlen der Bundesagentur für Arbeitsind ein wichtiger Indikator zur Beobachtung desArbeitsmarktes.Wir alle sind es gewohnt, Monat fürMonat auf diese Zahlen zu warten und der überwiegendeTeil der Öffentlichkeit nimmt diese Arbeitslosenzahlenals alleinigen Indikator zur Beurteilung der Arbeits-marktentwicklung. Dabei sollte zumindest der überwie-gende Teil derjenigen, die hier sitzen, wissen, dass dieVorgänge am Arbeitsmarkt viel zu vielschichtig undkomplex sind, um sie mit einer einzigen Zahl beschrei-ben zu können. Daher ist es natürlich unverzichtbar, wei-tere Statistiken heranzuziehen. Dies gilt zum Beispiel fürdie Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven Arbeits-marktpolitik und Personen im Vorruhestand, aber auchfür Zu- und Abgänge in und aus Arbeitslosigkeit sowiedie offenen Stellen und die Ausbildungsplatzsituation.Ich sage noch einmal ausdrücklich: Wir haben uns an-gewöhnt, monatlich immer nur eine Zahl zu erfahren,nämlich die der Arbeitslosen von zurzeit 4,35 Millionen.Wer einmal genauer hinschaut, der weiß, dass diese mo-natlich veröffentlichte Zahl ganz wenig aussagt. Nurdann, wenn man weiß, dass sich im vergangenen Jahr7,7 Millionen Menschen neu arbeitslos gemeldet habenund knapp 150 000 weniger aus der Arbeitslosigkeit he-rausfanden, sieht man, wie viel Bewegung auf dem Ar-beitsmarkt ist. Solche Zahlen beschreiben viel mehr alsdie Bestandszahl am Monatsanfang.Um die Datenlage zum Arbeitsmarkt weiter zu verbes-sern, hat die Bundesregierung mit Zustimmung des Bun-desrates im Frühjahr dafür gesorgt, dass das StatistischeBundesamt demnächst monatliche Arbeitslosenzahlennach dem international vergleichbaren ILO-Standard er-heben wird. Hierzu werden pro Monat 30 000 Bürgerper Telefon befragt. Die Umfrage hat am 10. Septemberdieses Jahres begonnen. Die ersten veröffentlichungsfä-higen Ergebnisse wird das Statistische Bundesamt vo-raussichtlich im Februar 2005 für den MonatJanuar 2005 veröffentlichen.Mit dieser neuen monatlichen Statistik werden wirneue Einsichten über Umfang und Struktur der Arbeits-losigkeit gewinnen. Das Statistische Bundesamt will dieneue Umfrage außerdem dazu nutzen – sehr gut zuhören,Herr Fuchs –, aktuelle Erwerbstätigenzahlen ohne War-tezeit zu veröffentlichen. Die bisherige Wartezeit vonzwei Monaten entfällt. Damit steht dieser wichtige Kon-junkturindikator künftig unmittelbar und zeitnah zurVerfügung.dszcsNAftWpsrmwImvStsvfssanzbrrFtudddezSwHAbtiSKuJHdrb
ie hat dies mit ihrer ausführlichen Antwort auf dieleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur Wahrheitnd Klarheit der Arbeitsmarktstatistik Ende März diesesahres schon getan. Daraus stammt das Zitat, das Sie,err Fuchs, benutzt haben. Ich sage Ihnen ganz aus-rücklich: Dieses Zitat ist richtig und die Bundesregie-ung hat damit Recht. Die Standardzahl zur Beschrei-ung der Arbeitslosigkeit gibt es nicht. Es benutzt jeder
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Parl. Staatssekretär Gerd Andresdie Zahl, die er gerade gebrauchen kann. Dafür warenSie in dieser Debatte ein leuchtendes Beispiel.
Natürlich steht die Bundesregierung auch mit demSachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung – auch das ist angesprochenworden, Herr Singhammer – und den führenden Wirt-schaftsforschungsinstituten in Kontakt. Zur Vorberei-tung der Herbstprognosen wird die Bundesregierung mitihnen in der nächsten Woche unter anderem die Arbeits-marktentwicklung und mögliche Indikatoren und Verän-derungen der Arbeitsmarktstatistik diskutieren.
Zu Ihrer Aufforderung, wir sollten doch wenigstens demSachverständigenrat glauben, dann sage ich Ihnen: Herz-lichen Glückwunsch, Herr Singhammer, aufgewacht.Vielleicht haben Sie das auch schon begriffen. Das hatübrigens auch die alte Bundesregierung jedes Jahr ge-macht. Sie hat jedes Jahr über den Arbeitsmarkt undüber die Statistik diskutiert. Eine Ihrer Forderungen istalso erledigt. Die können Sie abhaken.
Eine Diskussion der Arbeitslosigkeitsdefinition desSGB III führt allerdings nicht weiter, da sich diese Defi-nition auch weiterhin am Leistungsrecht des SGB IIIorientieren muss. Ich sage ganz deutlich: Letztendlichmüssen wir damit leben, dass es die eine wahre Zahl derArbeitslosen nicht gibt, sich die Öffentlichkeit dennochgern an eine einzige Zahl klammert. Die neue Statistiknach ILO-Standard bietet die Chance, dies zu ändern.Die Bundesregierung wird diese Chance gemeinsam mitdem Statistischen Bundesamt und der Bundesagentur fürArbeit nutzen.
Die Bundesregierung lehnt den Antrag der CDU/CSU-Fraktion aus den genannten Gründen ab. Was IhrenZwischenruf betrifft, Herr Singhammer, so lesen Siedoch die Antwort auf die Kleine Anfrage.
– Sie wissen es doch. Das ist ein großer Packen.
– Das glaube ich auch.Ich habe für die Bundesregierung geantwortet. Einefreundliche Diskussion über Statistik hilft überhauptnicht weiter. Das zeigt das Beispiel von heute Morgenauch wieder. Wir werden so weitermachen, wie wir be-gonnen haben. Das halten wir für richtig.CldSdnmlugDmdgdvzsnsZsrFdvISlA
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Meckelburg,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Herr Andres, auch Ihre Rede trägt nicht unbedingtazu bei, dass man weiterkommt.
ie wirken immer ziemlich rechthaberisch und erweckenen Eindruck, als ob alles außer dem, was Sie sagen, kei-en Sinn habe. So einfach geht das nicht, Herr Andres.
Ich will an den Anfang stellen – ich hoffe, dass zu-indest darin Übereinstimmung besteht –: Wer Arbeits-osigkeit bekämpfen will, muss Arbeitsplätze schaffennd darf nicht die Statistik nach oben oder unten bereini-en. Darin sollten wir uns einig sein.
iese Diskussion ist wirklich so alt, wie es die Arbeits-arktstatistiken gibt. Ich will eine Äußerung des Bun-eskanzlers aus dem Jahr 1998 zitieren. Damals hat eresagt, die Bundesregierung sei sich völlig im Klarenarüber, dass sie ihre Wahl wesentlich der Erwartungerdanke, die Arbeitslosigkeit wirksam zurückdrängenu können. Genau dieser Herausforderung werde sie sichtellen. Er hat auch einmal gesagt, eine Regierung würdeicht wieder gewählt, wenn sie das nicht schaffte. 2002ah es so aus, als ob nichts passiere. Damals wurde dieahl von 3,5 Millionen Arbeitslosen genannt. Davonind wir weit entfernt geblieben.Es sah wirklich so aus, als ob es zu einem Regie-ungswechsel hätte kommen können. Aber dann kam dielut. Die Flut ist wieder gegangen, aber Schröder undie Arbeitslosigkeit sind geblieben, und das auf einemerstetigten Niveau. Das ist das Problem.
ch will auf den demographischen Effekt hinweisen.eit dem Antritt der Regierung Schröder scheiden jähr-ich etwa 200 000 bis 250 000 Menschen mehr aus demrbeitsmarkt aus, als junge Menschen nachrücken. Das
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Wolfgang Meckelburghat jedoch keinen Effekt. Die Zahl der Arbeitslosen liegt– bei steigender Tendenz – nach wie vor bei über4 Millionen.Es ist in der Tat richtig, dass die Arbeitslosenstatistikständig frisiert wird. Es ist auch richtig, das Zusammen-bringen der einzelnen Gruppierungen zu diskutieren undin den Blick zu nehmen, wer wirklich arbeitslos ist. Da-bei ist insbesondere darauf zu achten, wer von den Ar-beitslosen im ersten Arbeitsmarkt unterkommt.Es gibt in der Tat viele längerfristige Maßnahmender aktiven Arbeitsmarktpolitik. Der Kollege Niebelhat sie eben aufgezählt; ich möchte nur einige Beispielenennen. Wer beispielsweise an einer Arbeitsbeschaf-fungsmaßnahme teilnimmt, wird in der Statistik nichtmehr geführt. Hinzu gekommen sind auch JUMP undJUMP plus. Diese Programme gab es noch nicht, als wiran der Regierung waren.
– Ja, aber es kommen ständig neue Maßnahmen hinzuund die Betroffenen fallen aus der Arbeitslosenstatistikheraus. Wir sollten uns in dieser Hinsicht nichts vorma-chen, sondern die Frage beantworten, wie groß die Lü-cke zwischen der Zahl der Menschen, die im ersten Ar-beitsmarkt tätig sind, und der Zahl derjenigen ist, diewirklich arbeitslos sind. Ich habe den Eindruck, dass dieStatistik dazu tendiert, diese Lücke ständig zu verrin-gern.
Sie haben diese Tendenz fortgesetzt.Das schlagendste Beispiel dafür sind die Eignungs-feststellungs- und Trainingsmaßnahmen – das ist einschöner Name –, die am 1. Januar neu hinzugekommensind. Das sind doch klassische Maßnahmen, an denenman teilnimmt, damit man eine Stelle bekommt. Mithilfeder Statistik wird aber so getan, als hätten die80 000 Teilnehmer bereits einen Job.
Sie nehmen jedoch deshalb an diesen Maßnahmen teil,weil sie einen Job suchen und dabei Hilfe benötigen.Statistisch nimmt die Zahl der Teilnehmer an arbeits-marktpolitischen Maßnahmen ständig zu. Das wird auchaus der Antwort auf die Kleine Anfrage deutlich. DieStatistik weist inzwischen 1,4 Millionen Menschen aus,die an längerfristigen Maßnahmen der aktiven Arbeits-marktpolitik teilnehmen. Nimmt man die anderen Kate-gorien noch hinzu, ist die Zahl derjenigen, die aus derStatistik wegretuschiert wurden, unwahrscheinlich hoch.In diesem Punkt ist eine größere Klarheit notwendig,weil sonst in den nächsten Wochen und Monaten sicher-lich noch ganz andere Zahlen diskutiert werden.w4MZfgnMesudZuwwkSrZ6lmvrrdawmebeEsuznwlgsAg–
us aller Herren Länder zusammenkommen. Möglicher-eise gibt es Länder, in denen es entscheidend ist, oban eine Stunde in Arbeit ist. Aber in Deutschland kanns doch für die Beurteilung, ob jemand nicht mehr als ar-eitslos gilt, nicht ausschlaggebend sein, ob er mehr alsine Stunde gearbeitet hat. Was die Erwartungen desinzelnen an den Arbeitsmarkt angeht, sollten wir un-ere Standards beibehalten.
Lassen Sie mich noch etwas zu den Hartz-Gesetzennd ihren Auswirkungen anmerken. Wir alle wissen in-wischen, dass die Hartz-Gesetze für den Arbeitsmarkticht sehr viel bringen. Es ist alles groß angekündigtorden. So sollten die Personal-Service-Agenturen jähr-ich 350 000 sozialversicherungspflichtige Jobs brin-en. Sie bringen aber real – selbst an dieser Stelle stelltich die Frage, ob das tatsächlich der Fall ist – im erstenrbeitsmarkt nur 15 600 dieser Jobs. Das ist doch keinroßer Erfolg.
Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.
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Wolfgang MeckelburgDes Weiteren wurde angekündigt, dass es durch Exis-tenzgründungen im Rahmen der Ich-AGs jährlich500 000 Arbeitslose weniger geben werde. Bis jetzt gibtes aber nur 180 300, wobei noch abzuwarten ist, wieviele von diesen das zweite und dritte Jahr überstehenwerden. Außerdem wurde versprochen, dass durch dasProgramm „Kapital für Arbeit“ jährlich 120 000 neueJobs entstünden. Entstanden sind bis jetzt gerade einmal12 862. Das, was von den Hartz-Gesetzen bisher wirk-sam ist, hat also für den ersten Arbeitsmarkt relativ we-nig gebracht. Aber was hat das für die Statistik gebracht?Aus der Statistik sind viele Menschen herausgefallen. Eswird so getan, als ob die Arbeitslosigkeit zurückgegan-gen wäre. Das kann man eigentlich nicht sagen.An das, was von Hartz IV noch zu erwarten sein wird,sollten wir mit Spannung herangehen.
Erstes Beispiel: Zu den 1-Euro- und 2-Euro-Jobs– derjenige, der diesen Begriff erfunden hat, mussschlecht geträumt haben; denn welche Wirkung hat wohldie Vorstellung auf Menschen, für 1 oder 2 Euro zu ar-beiten? –: Vor allem die Kommunen sollen Jobs einrich-ten, in denen man 1 oder 2 Euro stündlich verdienenkann.
– Es ist völlig klar, dass es sich hier um eine Hinzuver-dienstmöglichkeit handelt. – Wir wollen uns aber nichtsvormachen. Die Menschen, die solche Jobs haben, sinddoch nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt untergekommen.Wenn die Inhaber von 1-Euro- bzw. 2-Euro-Jobs imnächsten Jahr aus der Statistik herausfallen, dann sinktdie Zahl der Arbeitslosen auf einen Schlag um 600 000.So stellt sich Minister Clement das vor. Aber wollen wiruns wirklich vormachen, dass diese Menschen auf demersten Arbeitsmarkt untergekommen sind? Doch wohlnicht! Die Statistik wird aber dann vortäuschen, dass dieZahl der Arbeitslosen um 600 000 gesunken ist.Zweites Beispiel für die mögliche Wirkung vonHartz IV – das ist schon angesprochen worden –: EinTeil derjenigen, die bisher nicht als arbeitslos registriertsind, wird sich sicherlich arbeitslos melden, weil sie hof-fen, dadurch etwas mehr zu bekommen. Das führt mögli-cherweise dazu, dass die Zahl der Arbeitslosen steigt.Drittes Beispiel – das hat noch niemand ange-sprochen –: Wie viele Menschen werden die 15 Seitenumfassenden ALG-II-Formulare nicht ausfüllen? Einigewerden es sicherlich nicht rechtzeitig schaffen oder nichtin der Lage sein, diese Formulare auszufüllen. Die Zahldieser Menschen wird wahrscheinlich nicht sehr hochsein. Andere wiederum werden sich sagen: Ich gebe die-ses Formular nicht ab, weil ich dort so viel angebenmuss, obwohl ich letztendlich nichts zu erwarten habe.Auch dadurch wird sich in der Statistik einiges verän-dern.Ich glaube, es kommt für uns darauf an, das alles imBlick zu behalten. Wir müssen aufpassen, dass die Sta-tistik nicht dauernd frisiert wird und dass nicht ständignu4lHhsptincWIScPDlddimgmNvgIeVgEdtvusBsdwckbES
Herr Fuchs, ich schätze Sie als einen Kollegen, der,as die Zustandsbeschreibung angeht, häufig der glei-hen Meinung ist wie ich. Aber die ganze Statistikdis-ussion hat mit den Zuständen in der Weimarer Repu-lik wirklich nichts zu tun. Das ist absoluter Unsinn.inen solchen Eindruck sollte man noch nicht einmal impaß erwecken.
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Walter Hoffmann
Der Redlichkeit halber muss hier noch einmal er-wähnt werden, dass Sie die entsprechenden gesetzlichenGrundlagen des Begriffs „Arbeitsloser“ in den 80er- undin den 90er-Jahren zehnmal geändert haben. Die Ergeb-nisse waren immer wieder die gleichen:Erstens. Wer nicht verfügbar war, wurde aus der Sta-tistik herausgenommen.Zweitens. Ganze Gruppen des Arbeitsmarktes wurdenmithilfe gesetzlicher Änderungen schrittweise aus derStatistik herausgenommen.Jetzt machen Sie auf einmal eine Wendung um180 Grad, also eine Kehrtwendung. Das ist vielleichteine Neuorientierung Ihrer Politik; aber glaubwürdig,meine Damen, meine Herren der Opposition, ist das inder Tat nicht.
Staatssekretär Andres hat gesagt – ich will das einmalein bisschen flapsig formulieren –: Die einen wollen einegroße Zahl, die anderen wollen eine kleine Zahl. Ichdenke, darauf kommt es im Prinzip nicht an. Wir allewissen: Hinter der Statistik stehen individuelle Schick-sale und Lebenssituationen. Genau deshalb ist so eineVergröberung und Vereinfachung der Statistik, wie Siesie fordern, von der Sache her unsinnig und bringt über-haupt keine weiteren Erkenntnisse.Sowohl ältere Menschen, die dem Arbeitsmarkt viel-leicht nicht mehr voll zur Verfügung stehen wollen, alsauch junge Menschen, die gerade versuchen, zum Bei-spiel durch eine Trainingsmaßnahme den Wiedereinstiegin den regulären Arbeitsmarkt zu finden, haben ein Er-werbsproblem. Daher ist es wichtig, die entsprechendenArbeitsverhältnisse und die damit verbundenen Pro-bleme differenziert zu betrachten. Darauf kommt esletztlich an. Da der Arbeitsmarkt komplex ist, brauchenwir unterschiedliche Modelle zur Lösung des Problemsder Arbeitslosigkeit. Es hilft nichts, alles in einen Topfzu werfen, umzurühren und dann in die Welt hinauszu-gehen und über die hohen Arbeitslosenzahlen zu klagen.Das führt uns in der Tat nicht weiter.
Übrigens, es ist auch international üblich – auch dasmuss hier deutlich gesagt werden –, Personen, die an ei-ner Fortbildung teilnehmen, für die Dauer dieser Maß-nahme aus der Statistik herauszunehmen. Sie müssensich im Grunde genommen entscheiden, was Sie wollen:Wollen Sie Zahlen, die einen internationalen Vergleichermöglichen, oder wollen Sie Zahlen, die den Eindruckvermitteln, dass Deutschland im internationalen Ver-gleich möglichst schlecht abschneidet, weil im Grundegenommen alle Gruppen völlig undifferenziert in dieStatistik hineingepresst werden?Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen, der inden bisherigen Reden nicht thematisiert wurde. Mir istdieser Punkt wichtig, auch wenn er keinen rechtlichenumnE1dBVSdssPissÖPgWherGrerünstiMdWsDawzttagewkngmd
Meine persönliche Auffassung ist, dass Sie diese Per-onengruppe mit einer solchen Maßnahme auch in derffentlichkeit stigmatisieren. Sie stigmatisieren dieseersonen, die gerade aktiv geworden sind und auf einemuten Weg sind, ihre Probleme selbstständig zu lösen.enn Sie Menschen, die in solchen Beschäftigungsver-ältnissen tätig sind, fragen, ob sie sich als arbeitslosmpfinden, dann werden Sie im psychologischen Be-eich gewaltige Sperren feststellen.Ich denke, wir müssen auch aus psychologischenründen – ich sage noch einmal, dass das weder einechtliches noch ein politisches Argument ist, sondernin sehr persönliches – bedenken, dass das Umsetzen Ih-er Forderung Millionen von Menschen dauerhaft, alsober eine lange Zeit, stigmatisiert und bei den Betroffe-en auch einen Demotivierungsprozess herbeiführt. Wirollten den Menschen eher sagen, dass sie auf einem gu-en Weg sind und dass sie sich anstrengen müssen. Dasst nach meiner Auffassung der richtige Weg.Ich bin ein Anhänger unserer Statistik – bei allenängeln, bei allen Kritikpunkten und bei allen Notwen-igkeiten, sie zu verbessern. Diese Einschätzung fußt imesentlichen auf drei Aspekten:Der erste Aspekt. Sie wissen, dass die Basis für un-ere Arbeitsmarktzahlen die Registerdateien sind.iese Registerdateien werden jeden Monat mit Zahlenus den regionalen Arbeitsagenturen gefüllt. Das heißt,ir bekommen relativ zeitnah die aktuellen Zahlen, dieu einem realistischen Bild unserer Arbeitsmarktsitua-ion zusammengeführt werden. Das ist übrigens der Un-erschied zur Erhebungsstatistik, die auf Stichprobenufbaut und die ab 1. Januar für uns relevant wird.Der zweite – positive – Aspekt ist die so genannte re-ionale Tiefe. Meine Damen und Herren, wenn Sie sichinmal die Statistiken anderer Länder anschauen, dannerden Sie feststellen, dass man dort nicht ermittelnann, wie die Arbeitslosigkeit zum Beispiel in einer klei-eren Kommune aussieht. Das funktioniert nicht. Dasing auch bei uns bis in die 70er-Jahre nicht. Wir habenit der Bundesagentur heftige Kämpfe ausgefochten, bisas endlich auch technisch umgesetzt wurde. Nun ist es
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Walter Hoffmann
möglich, die Daten von der Gemeindeebene über dieKreisebene und die Landesebene – alle Regionen, bisauf die kleinste Einheit – nach Einzelaspekten zu erfas-sen. So können wir genaue Analysen durchführen undgenaue Aussagen treffen.Der dritte Aspekt ist die enorme Dynamik des Ar-beitsmarkts. Die Zahlen verschleiern im Grunde in derDiskussion. Es gibt eine enorme Bewegung in diesenProzessen. Bei 5 Prozent Arbeitslosigkeit heute und5 Prozent Arbeitslosigkeit in drei Monaten – theoretischdie gleiche Zahl – werden die Personen komplett ausge-wechselt sein. Diese Dynamik statistisch zu erfassen istsehr schwierig. Wenn Sie alles das in einen Topf werfenund umrühren, kommt dabei nichts heraus.Unser Ziel muss es sein, die vorhandenen Daten bes-ser zu differenzieren. Die ILO-Statistik ab Januar gibtuns die Chance, Veränderungen von Erwerbsverhältnis-sen endlich ein bisschen genauer zu erfassen. Das istsehr schwierig. Deswegen ist die Ergänzung eine sinn-volle und richtige Sache.Wir haben in den letzten Wochen, Monaten und Jah-ren schon eine ganze Menge gemacht. Herr Niebel, nochein Hinweis: Sie wissen – vielleicht haben Sie es aberauch übersehen –, dass seit dem Jahr 2003 für Eltern, dieKindergeld in Anspruch nehmen, eine Meldung bei derBundesagentur ausreicht. Das kommt nicht mehr in dieStatistik hinein. Das haben wir im Jahr 2003 Gott seiDank geändert. Es war viel zu umständlich und gab auchin der Sache ein völlig falsches Bild.Wir haben eine ganze Reihe von Änderungen durch-gezogen. Ich habe leider nicht mehr die Zeit, das alleshier darzustellen. Wir haben eine neue Statistik zurTeilzeitarbeit, zu Minijobs, zu sozialversicherungs-freien Jobs usw. Wir können uns bei dieser Debatte si-cherlich auf die Aussage verständigen, dass nicht dieStatistik das Entscheidende ist, sondern eine aktive, of-fensive Arbeitsmarktpolitik. Wir sind gerade mittendrin.Dabei können Sie uns weiterhin helfen.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage aufDrucksache 15/3451 an die in der Tagesordnung aufge-führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisungso beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 23 a bis 23 g sowiedie Zusatzpunkte 3 a bis 3 c auf:23 a) Beratung des Antrags der BundesregierungFortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-scher Streitkräfte an dem Einsatz einer Inter-nationalen Sicherheitsunterstützungstruppe inAfghanistan unter Führung der NATO aufGrundlage der Resolutionen 1386 vom20. Dezember 2001, 1413 vom 23. Mai
vom 17. September 2004 des Sicher-
gebrachten Entwurfs eines EinundzwanzigstenGesetzes zur Änderung des Bundesausbil-dungsförderungsgesetzes
– Drucksache 15/3655 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
InnenausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugendc) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpas-sung von Verjährungsvorschriften an das Ge-setz zur Modernisierung des Schuldrechts– Drucksache 15/3653 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschussd) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zurÄnderung des Transfusionsgesetzes und arz-neimittelrechtlicher Vorschriften– Drucksache 15/3593 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherunge) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset-zung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäi-schen Parlaments und des Rates vom
– Drucksache 15/3641 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschussf) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-rung des Patentgesetzes und anderer Vor-schriften des gewerblichen Rechtsschutzes– Drucksache 15/3658 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmsg) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bil-dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
gemäß § 56 a der Geschäftsord-
nungTechnikfolgenabschätzunghier: Monitoring „Maßnahmen für eine nach-haltige Energieversorgung im Bereich Mobili-tät“– Drucksache 15/851 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungZP 3 a)Erste Beratung des von den AbgeordnetenJoachim Stünker, Hermann Bachmaier, SabineBätzing, weiteren Abgeordneten und der Fraktionder SPD sowie den Abgeordneten Jerzy Montag,Irmingard Schewe-Gerigk, Hans-ChristianStröbele, weiteren Abgeordneten und der Frak-tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes über dieRechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs
– Drucksache 15/3706 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
InnenausschussAusschuss für Gesundheit und Soziale Sicherungb) Beratung des Antrags der AbgeordnetenWolfgang Börnsen , Dirk Fischer
, Eduard Oswald, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der CDU/CSURadverkehr fördern – Fortschrittsbericht vor-legen– Drucksache 15/3708 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für TourismusHaushaltsausschussc) Beratung des Antrags der Abgeordneten GüntherFriedrich Nolting, Dr. Werner Hoyer, HelgaDaub, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder FDPMandat für Kabul und Kunduz/Faizabadtrennen– Drucksache 15/3712 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungHaushaltsausschussEs handelt sich um Überweisungen im vereinfach-ten Verfahren ohne Debatte.dt1Vsa–aWgAsg2skddbe
Ja.Ich lasse zunächst über den Antrag auf Aussprachebstimmen. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –er enthält sich? – Dann ist der Antrag abgelehnt.Somit können die Vorlagen, wie interfraktionell vor-eschlagen, an die in der Tagesordnung aufgeführtenusschüsse überwiesen werden. Sind Sie damit einver-tanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisun-en so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a und 24 c bis4 m sowie die Zusatzpunkte 4 a bis 4 c auf. Es handeltich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu deneneine Aussprache vorgesehen ist.Tagesordnungspunkt 24 a:Zweite Beratung und Schlussabstimmung desvon der Bundesregierung eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zu dem Europäischen Überein-kommen vom 19. August 1985 über Gewalttä-tigkeit und Fehlverhalten von Zuschauern beiSportveranstaltungen und insbesondere beiFußballspielen– Drucksache 15/3354 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-schusses
– Drucksache 15/3736 –Berichterstattung:Abgeordnete Tobias MarholdDorothee MantelSilke Stokar von NeufornGisela PiltzDer Innenausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/3736,en Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, dieem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe-en. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetz-ntwurf ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 24 c:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Verkehr, Bau- undWohnungswesen zu der Unter-richtung durch die BundesregierungVorschlag für eine Richtlinie des EuropäischenParlaments und des Rates über die Verwen-dung von Frontschutzbügeln an Fahrzeugen
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmsund zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWGdes RatesKOM 586 endg.; Ratsdok. 13693/03– Drucksachen 15/2028 Nr. 2.16, 15/3540 –Berichterstattung:Abgeordnete Heidi WrightDer Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrich-tung durch die Bundesregierung eine Entschließung an-zunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-lung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be-schlussempfehlung ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 24 d:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Verkehr, Bau- undWohnungswesen
– zu der Unterrichtung durch die Bundesregie-rungVorschlag für einen Beschluss des Ratesüber die Unterzeichnung und vorläufige An-wendung eines Abkommens in Form einesBriefwechsels zwischen der EuropäischenGemeinschaft und der Republik Slowenienüber das vorläufige Punktesystem für Last-kraftwagen im Transit durch Österreichvom 1. Januar 2004 bis zum 30. April 2004Vorschlag für einen Beschluss des Ratesüber den Abschluss eines Abkommens inForm eines Briefwechsels zwischen der Eu-ropäischen Gemeinschaft und der RepublikSlowenien über das vorläufige Punktesystemfür Lastkraftwagen im Transit durch Öster-reich vom 1. Januar 2004 bis zum 30. April2004KOM 835 endg.; Ratsdok. 5100/04– zu der Unterrichtung durch die Bundesregie-rungVorschlag für einen Beschluss des Ratesüber die Unterzeichnung und vorläufige An-wendung einer Verwaltungsvereinbarung inForm eines Briefwechsels zwischen derEuropäischen Gemeinschaft und derSchweizerischen Eidgenossenschaft über dasvorläufige Punktesystem für Lastkraftwa-gen im Transit durch ÖsterreichVorschlag für einen Beschluss des Ratesüber den Abschluss einer Verwaltungsver-einbarung in Form eines Briefwechsels zwi-schen der Europäischen Gemeinschaft undder Schweizerischen Eidgenossenschaft überdas vorläufige Punktesystem für Lastkraft-wagen im Transit durch ÖsterreichKOM 836 endg.; Ratsdok. 5102/04– zu der Unterrichtung durch die Bundesregie-rungVorschlag für einen Beschluss des Ratesüber die Unterzeichnung und vorläufige An-tzlsoB
zu der Verordnung der Bundes-
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– Drucksache 15/3608 –Berichterstattung:Abgeordnete Erika SimmIch gehe davon aus, dass Sie den Bericht zur Kenntnisgenommen haben. – Das ist der Fall.Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Pe-titionsausschusses. Das sind die Tagesordnungspunkte24 g bis 24 m.Tagesordnungspunkt 24 g:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 138 zu Petitionen– Drucksache 15/3685 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-hält sich? – Sammelübersicht 138 ist einstimmig ange-nommen.Tagesordnungspunkt 24 h:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 139 zu Petitionen– Drucksache 15/3686 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-hält sich? – Sammelübersicht 139 ist ebenfalls einstim-mig angenommen.Tagesordnungspunkt 24 i:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 140 zu Petitionen– Drucksache 15/3687 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-hält sich? – Sammelübersicht 140 ist einstimmig ange-nommen.Tagesordnungspunkt 24 j:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 141 zu Petitionen– Drucksache 15/3688 –hmgFghdChdgLlAd
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11494 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004
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– Drucksache 15/3353 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Gesundheit und Soziale Sicherung
– Drucksache 15/3734 –Berichterstattung:Abgeordneter Jens SpahnDer Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherungempfiehlt auf Drucksache 15/3734, den Gesetzentwurfanzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent-wurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstim-men? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit denStimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU/CSU-Fraktion gegen die Stimmen der FDP-Fraktion ange-nommen.Zusatzpunkt 4 c:Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD,der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN und der FDPFür eine parlamentarische Dimension im Sys-tem der Vereinten Nationen– Drucksache 15/3711 –Wer stimmt für diesen Antrag? – Gegenstim-men? – Enthaltungen? – Der Antrag ist einstimmig an-genommen.Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktionen der SPD und desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENPositive Entwicklung des Gewerbesteuerauf-kommens bei den KommunenIch eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-nerin der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. BarbaraHendricks das Wort.BHnAusHggmuggz–SnvFKSku1nz–D–lKdDwD
ufgrund der positiven konjunkturellen Entwicklungnd zahlreicher Maßnahmen des Bundesgesetzgebersind nämlich die Gewerbesteuereinnahmen im erstenalbjahr im Verhältnis zum ersten Halbjahr des vergan-enen Jahres um brutto 12,8 Prozent bundesweit gestie-en. Das sind im ersten Halbjahr 1,5 Milliarden Euroehr als im ersten Halbjahr des vorigen Jahres.
Übrigens ist das Aufkommen in den alten Ländernm 11,6 Prozent und das in den neuen Ländern – zuge-ebenermaßen auf niedrigem Niveau – um 27 Prozentestiegen. Wir sehen also: Hier setzt sich der Aufholpro-ess fort. Das kann man an dieser Stelle beobachten.
Die Zahlen, Herr Kollege Seiffert, stimmen.
ie sind im Monatsbericht des Bundesfinanzministeriumsachzulesen, der am 20. September, also vor drei Tagen,eröffentlicht worden ist. Er ist Ihnen als Mitglied desinanzausschusses sowie auch allen Kolleginnen undollegen und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich.ie werden die Zahlen nicht bestreiten können.Es kam also in den neuen Ländern zu einem Mehrauf-ommen von 27 Prozent und bundesweit von 12,8 Prozentnd dies führte im ersten Halbjahr zu Mehreinnahmen von,5 Milliarden Euro. Dies sind Bruttoeinnahmen; das hatoch nichts mit der veränderten Gewerbesteuerumlageu tun.
Es kann sein, dass sie das noch nicht begriffen haben.as werden wir dann gleich in den Erwiderungen hören. Die Gewerbesteuerumlage wird ja in diesem Jahr zu-asten des Bundes und der Länder und zugunsten derommunen in einer Größenordnung von 2,5 Milliar-en Euro gesenkt.
as geschieht unabhängig von der konjunkturellen Ent-icklung und den übrigen gesetzlichen Maßnahmen.eswegen ist dies daneben als positiv zu betrachten
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Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricksund nicht mit der Verbesserung der Lage der Kommunenzu verwechseln, die wir aufgrund der positiven konjunk-turellen Entwicklung und anderer gesetzlicher Maßnah-men der Bundesregierung im ersten Halbjahr beobachtenkönnen. Selbst Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen vonden Oppositionsparteien, werden wohl oder übel nichtvollständig die Augen davor verschließen können undbeobachten müssen,
dass die Entwicklung positiv ist.
Wie Sie wissen, steigt also im nächsten Jahr und fort-laufend allein wegen der Absenkung der Gewerbesteuer-umlage zugunsten der Kommunen die Entlastung derKommunen auf 3 Milliarden Euro an. Dieses Jahr wer-den es 2,5 Milliarden Euro und ab dem Jahr 20053 Milliarden Euro sein. Dies ist für die Kommunen aufjeden Fall gesichert.Darüber hinaus haben wir, wie Sie alle wissen, denKommunen im Zusammenhang mit der Zusammenle-gung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe mit festenÜberprüfungsdaten – –
– Davon kann auch noch nichts angekommen sein, weilsich diese Aufgabe erst zum 1. Januar 2005 ändert.
Herr Kollege Fromme, ich weiß aus Ihrem Lebenslauf,dass Sie einmal Kreisdirektor waren. Eigentlich müsstenSie wissen, wie öffentliche Finanzströme fließen unddass man drei oder vier Monate im Vorhinein, bevor sichalso die Aufgabe tatsächlich ändert, nämlich ab Januar,keine Entlastung gewähren kann.
Wie Sie wissen, haben wir den Kommunen Überprü-fungsdaten fest zugesagt; dies steht im Gesetz. Die Ent-lastung von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr ist garantiert.Das heißt, schon im nächsten Jahr wird sich bei denKommunen eine Entlastung von 5,5 Milliarden Euro er-geben. Zusammen mit anderen Maßnahmen, die ich Ih-nen schon nannte und die einen weiteren Aufwuchs derMittel mit sich bringen, kann man ab dem Jahre 2007 imVergleich zum laufenden Jahr von einer Besserstellungder Gesamtheit der Kommunen in der BundesrepublikDeutschland von 7 Milliarden Euro pro Jahr – und dieswiederkehrend – ausgehen.
Herr Kollege Merz ist ja als nächster Redner ange-kündigt worden. Deswegen erlaube ich mir, schon ein-msEwd–te–frOAisLßWleIdbWdLaimliSnSisegdDSs
Es ist ja auch nicht schwierig, Ihre einfach strukturier-n Gedanken zu lesen.
Herr Kollege Austermann, das können Sie allerdingsür meine klar strukturierte Rede, die auf klar struktu-ierten Gedanken beruht, nun wirklich nicht behaupten.
der wollten Sie das Gegenteil nachweisen?Herr Kollege Merz wird also sicherlich wiederum derbschaffung der Gewerbesteuer das Wort reden. Dieset ja wie so vieles andere auf dem CDU-Parteitag ineipzig im November des vergangenen Jahres unter gro-em Jubel beschlossen worden.
ie von so vielem anderen wird sich die Union davonise weinend, hinterrücks und heimlich verabschieden.m November des vergangenen Jahres war natürlich aufem Leipziger Bundesparteitag der CDU eine große Ju-elfeier angesagt.
enn sich dann der eine oder andere aus Ihren Reihen,er hier oder da, etwa auf der kommunalen oder auf deränderebene, oder der, wenn er genau nachdenkt, auchuf Bundesebene Verantwortung trägt, die Beschlüsse Einzelnen ansieht, stellt er fest, dass zu dem 100-Mil-arden-Risiko, das schon von Ihrem Kollegen Horsteehofer für die Politik der Union beziffert worden ist,och die Abschaffung der Gewerbesteuer käme, wofürie überhaupt keinen Ausgleich geschaffen haben. Dast eine Größenordnung, die nach aktuellen Zahlen nochinmal etwa 25 Milliarden Euro – und dies wegen deruten konjunkturellen Entwicklung mit steigender Ten-enz – beträgt.
iese 100 Milliarden Euro, die Ihnen schon Ihr Kollegeeehofer vorausgesagt hat, werden also durch die Ab-chaffung der Gewerbesteuer noch einmal um etwa
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Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks25 bis 27 Milliarden Euro erhöht werden. Sie sind alsoein Sicherheitsrisiko für den öffentlichen Gesamthaus-halt. Das darf man wohl so sagen.
Nun werden Sie, Herr Kollege Merz, sicherlich sagen,dass Sie die Gewerbesteuer nicht ersatzlos streichenwollen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie auf diese Ideekommen.
Dann werden Sie aber auch klar sagen müssen, wer statt-dessen die Steuerlast in Höhe von 25 Milliarden Europro Jahr zu tragen hat, auf welche Schultern Sie das zu-künftig verteilen wollen. Darauf sind Sie bisher jedeAntwort schuldig geblieben. Das werden Ihnen die Bür-gerinnen und Bürger nicht durchgehen lassen. Auch daswird von Ihnen vor der Bundestagswahl hoffentlich nochklargestellt werden; denn im Schlafwagen kommt manbekanntlich nicht an die Macht.
All die Risiken, die in Ihrer unausgegorenen und insich nicht abgestimmten Politik offenbar werden, wer-den durch die Abschaffung der Gewerbesteuer noch po-tenziert. Deswegen kann ich die Menschen nur davorwarnen, sich von so genannten Einfachsteuerkonzeptenund der Abschaffung ganzer Steuerarten blenden zu las-sen. Sie haben keine Lösung dafür, was Sie an die Stelleder Gewerbesteuer setzen, und wenn Sie eine Lösunghaben, dann sind Sie nicht bereit, sie im Vorhinein zunennen, weil damit offenbar würde, dass Sie die Belas-tungen auf die Bürgerinnen und Bürger verschieben wol-len, möglicherweise über eine Erhöhung der Mehrwert-steuer, was Sie hier und da schon einmal andeuten. DieBürgerinnen und Bürger werden Ihnen diese Politik, vonder Sie denken, sie über die nächsten zwei Jahre durch-halten zu können, und von der Sie vielleicht sogar erwar-ten, damit mehrheitsfähig sein zu können, nicht durchge-hen lassen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Friedrich Merz von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Wir haben uns gestern gefragt, warum die SPD aus-gerechnet für heute diese Aktuelle Stunde beantragt hat.Im Verlaufe Ihrer Rede, Frau Kollegin Hendricks, wurdedeutlich, dass es der letzte Versuch zu sein scheint, deniSnwdeswhbdmdhdDsgdggbMldGSDgssda2glwfbdMmWidnbdt
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Friedrich MerzDazu gehört auch eine grundlegende Reform bezüglichder Kommunalfinanzen. Das wissen Sie; sonst würdenSie nicht vor sich hin lächeln, Frau Staatssekretärin.Ohne die Integration der Gewerbesteuer in das Ertrag-steuersystem können Sie den Anspruch einer grundle-genden Vereinfachung unseres Systems nicht realisieren.
Wer umgekehrt auf Beibehaltung der Gewerbesteuerin ihrer heutigen Ausprägung besteht, der muss dannauch sagen, dass eine wirklich grundlegende Vereinfa-chung des Steuersystems nicht möglich ist; um diesenSachverhalt geht es.Wenn Sie heute so sehr darauf bedacht sind, die Ein-nahmeseite für die Kommunen zu sichern, dann sage ichIhnen: Dafür haben Sie unsere Zustimmung und uns aufIhrer Seite. Die Städte und Gemeinden in Deutschlandbrauchen eine sichere finanzielle Grundlage für die Er-füllung der Aufgaben, die ihnen der Landesgesetzgeberund in noch stärkerem Maße der Bundesgesetzgeber auf-erlegt. Es ist unstreitig, dass die Städte und Gemeindenin Deutschland eine solche finanzielle Grundlage brau-chen. Sie brauchen sie dauerhaft; sie müssen sich daraufverlassen können, dass das, was der Bundesgesetzgebermacht und entscheidet, von Dauer ist. Vor allen Dingenmüssen sie vor der Übertragung ständig neuer, zusätzli-cher Aufgaben sicher sein, die sie nicht finanzieren kön-nen. Diesem Anspruch ist die rot-grüne Bundesregie-rung bis zum heutigen Tage nie gerecht geworden.
Ein zweiter Punkt: Frau Hendricks, Sie wissen – Siesind viel vernünftiger, wenn man mit Ihnen mal im Aus-schuss oder unter vier Augen redet, als Sie sich heuteMittag hier dargestellt haben;
jedenfalls sagen mir das meine Kolleginnen und Kolle-gen, die mehr mit Ihnen zu tun haben als ich; ob das einVorteil ist, sei dahingestellt –, dass die Gewerbesteuer inDeutschland im internationalen Kontext keine Zukunfthat. Wenn wir uns daran begeben, die steuerliche Bemes-sungsgrundlage in den Mitgliedstaaten der EuropäischenUnion zu vereinheitlichen, wenn wir uns daran begeben,eine wettbewerbsfähige Einkommensteuer, ein wettbe-werbsfähiges Unternehmensteuerrecht in Deutschland sozu konzipieren, dass dies nicht nur bei der Höhe derSätze, sondern auch in der Ausgestaltung des Systemswettbewerbsfähig und mit dem in anderen Staaten derEuropäischen Union vergleichbar ist, dann hat die Ge-werbesteuer gegenwärtigen Zuschnitts in Deutschlandkeine Zukunft. Sie wissen, dass das so ist.Noch einmal: Unstreitig ist, dass an die Stelle der Ge-werbesteuer in ihrer heutigen Form eine Beteiligung derGemeinden an den Ertragsteuern treten muss und dassauch eine Beteiligung der Gemeinden an der Umsatz-steuer erforderlich ist. Dazu kann man nun an verschie-denen Stellschrauben drehen; man kann verschiedeneVarianten und Variablen in das System einbauen. Des-wegen sage ich Ihnen noch einmal: Wenn Sie und wir ineinen Wettbewerb eintreten mit dem Ziel, für Deutsch-ldemasnzSgbBMhzwdDbeS1bgbigPekE2hs–Kwd
Die Senkung der Gewerbesteuerumlage ist Teil einesrogramms für die finanzielle Stärkung der Kommunen;in anderer Teil ist Hartz IV, das 2004 noch nicht greifenann, aber 2005 greifen wird. Von Hartz IV erwarten wirntlastungswirkungen bei den Kommunen in Höhe von,5 Milliarden Euro. Wenn die Union nun behauptet, sieabe diese 2,5 Milliarden Euro bei Hartz IV durchge-etzt, so ist auch das falsch.
Rot-Grün hat von Anfang an gesagt: Entlastung für dieommunen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Das habenir durchgesetzt, weil für uns die finanzielle Entlastunger Kommunen an erster Stelle stand.
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Kerstin AndreaeVor allem haben wir eine Revisionsklausel durchge-setzt, also eine Klausel, nach der die Kommunen Spitzauf Knopf abrechnen und sagen können, ob das Geldreicht oder nicht reicht, und nach der erforderlichenfallsnachgeschossen wird.
Also: Das, was derzeit in manchen Bundesländernpassiert, ist unvereinbar mit der Aussage, man wolle dieKommunen stärken. In Baden-Württemberg wird in die-sem Jahr eine Mehreinnahme bei der Gewerbesteuer vongrob gerechnet 320 Millionen Euro prognostiziert. Wasmacht Ministerpräsident Teufel? Er kürzt den Kommu-nen Zuschüsse in einer Größenordnung von 132 Millio-nen Euro. Dies hat nicht direkt etwas mit Hartz IV zutun; aber indirekt hat es natürlich etwas damit zu tun,wenn man im Vermittlungsverfahren sagt, man gebe dasGeld weiter, und dann an anderer Stelle kürzt. Geld istGeld! Hier handelt es sich um ein unsägliches Verhaltender Bundesländer.
Es verstößt gegen die Vereinbarungen, die im Ver-mittlungsausschuss getroffen wurden. Es ist genau daseingetreten, was die Kommunen meinten, als sie daraufhinwiesen, sie hätten Angst vor der Politik der klebrigenFinger der Länder. Nach einer Pressemitteilung vonheute kürzt Thüringen Zuweisungen um 35 Millio-nen Euro. So ist nicht gewettet worden; das ist ein Un-ding! Ich kann nur an Sie appellieren, an Ihre Landesre-gierungen heranzutreten und sie daran zu erinnern, dassetwas anderes ausgemacht war: Wir wollten die Kom-munen finanziell unterstützen und stärken. Stellen Siesich aufrecht hin und setzen Sie das durch, was im Ver-mittlungsverfahren vereinbart wurde.Die Revisionsklausel ist eingeführt worden, um klar-zumachen, dass wir den Kommunen die finanzielle Ent-lastung wirklich verschaffen werden. Nun steigt die Ge-werbesteuer. Im Gesetzentwurf war im Übrigen davondie Rede, dass bei den Kommunen Gewerbesteuer-einnahmen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zusätzlichverblieben. Nimmt man von den 1,5 Milliarden Euro80 Prozent, dann ist man zur Jahresmitte fast exakt beider prognostizierten Wirkung der Gewerbesteuer, näm-lich bei 1,25 Milliarden Euro. Was also die prognosti-zierten finanziellen Wirkungen für die Kommunen an-geht, bringen die Gesetze im steuerlichen Bereich das,was wir gesagt haben: Die Kommunen werden entlastet.Auch bei Hartz IV bringt es die Entlastung, von der wirgesprochen haben.
– Natürlich hätten wir gern ein besseres Konzept bei derGemeindefinanzreform gehabt. Natürlich wären wir lie-ber weiter in die Richtung der Vorschläge der kommuna-len Spitzenverbände gegangen, was die AusgestaltungdemgAdaawFsSIksPHsbikdiwduh8tIzddeervzge
Mein letzter Punkt ist auch hier wieder ein Appell.ls Nächstes wird der Subventionsabbau anstehen, umie Kommunen finanziell zu stärken. Natürlich wissenlle, dass ein konsequenter Subventionsabbau am Endeuch auf die Kommunen durchgreift. Auch hier muss ichieder sagen: Beim Subventionsabbau wirkt das Sankt-lorians-Prinzip perfekt: Oh, heiliger Sankt Florian, ver-chon mein Haus, zünd andere an! Wo es um die eigenenubventionen geht, wird nichts durchgesetzt.
ch appelliere daher an Sie, mit uns zusammen einenonsequenten Subventionsabbau durchzusetzen. Dastärkt auch die Kommunen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Professor Andreas
inkwart von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Wenn wir über die Verbesserung der Gewerbe-teuereinnahmen für die Kommunen sprechen, dann ha-en wir es mit drei Wirkungsbeziehungen zu tun, denench hier nachgehen werde.Die erste Wirkungsbeziehung besteht in der Absen-ung der Gewerbesteuerumlage. Dadurch erhöhen sichie Nettogewerbesteuereinnahmen der Kommunen. Dasst gut so.Ich halte hier aber fest – das ist mir wichtig, zumalir es auch in Form einer namentlichen Abstimmungokumentiert haben –, dass sich die Fraktionen von SPDnd Grünen im vergangenen Jahr einer Hilfe verweigertaben, als das Defizit der Kommunen mit,4 Milliarden Euro am höchsten lag, in einer Zeit deriefsten Depression für die Kommunen in Deutschland.ch will nur erinnern: Noch 1998 haben Sie einen Finan-ierungssaldo von plus 2,1 Milliarden Euro vorgefun-en. Im vergangenen Jahr gab es zwei Abstimmungen iniesem Hause zu diesem Thema. Anfang des Jahres, alss um einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion ging, hießs noch, man könne hier viel fordern, wenn der Bundes-at dem nicht zustimme, mache es auch keinen Sinn, diesonseiten der Regierung zu unterstützen. Aber dann kamu einem Zeitpunkt, als in den Kommunen die Not amrößten war – und dies war auch für Sie erkennbar –,ine Bundesratsinitiative, die zum Gegenstand hatte, die
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Dr. Andreas PinkwartGewerbesteuerumlage abzusenken. Über den entspre-chenden Antrag wurde hier namentlich abgestimmt. DieAbgeordneten von SPD und Grünen haben dagegen ge-stimmt. Wir müssen also festhalten: Als Sie im vergan-genen Jahr die Kommunen um über 2 Milliarden Euroentlasten konnten, haben Sie nicht geholfen. Heute wol-len Sie sich mit fremden Federn schmücken.
Der zweite Punkt betrifft die Konjunktur. Natürlichspielt auch die Konjunktur mit hinein. Das wollen wirgar nicht in Abrede stellen. Es ist auch gut, dass es we-nigstens ein kleines bisschen wieder bergauf geht. Dasist vor dem Hintergrund von 4,3 Millionen offiziell aus-gewiesenen Arbeitssuchenden dringend notwendig. Wirmeinen, das ist noch viel zu wenig an Dynamik. Wennsich das in wie aus einem tiefen Tal kommenden, stei-genden Einnahmen auch in diesem Bereich widerspie-gelt, kann uns das alle nur freuen.Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren – HerrMerz hat es angesprochen –, die Wahl des Zeitpunkts fürdiese Aktuelle Stunde hat ja möglicherweise auch etwasmit dem kommenden Sonntag zu tun. Wenn Sie höhereKommunaleinnahmen auf das Wachstum zurückführen,müssen Sie sich auch mit den Zahlen konkret auseinan-der setzen. Sie sagen, dass die Gewerbesteuereinnahmenim Bundesdurchschnitt um über 12 Prozent angestiegensind. Wir wollen uns doch einmal anschauen, wie siesich in den einzelnen Bundesländern entwickeln. Wennwir daraus Wachstumsdynamik ableiten, freue ich mich,hier für die FDP-Fraktion feststellen zu können: Sach-sen-Anhalt plus 49,8 Prozent, Niedersachsen plus25,6 Prozent, Rheinland-Pfalz plus 24,1 Prozent, Baden-Württemberg plus 22,7 Prozent. Diese Länder liegenalso ganz erheblich über dem Durchschnitt.Jetzt kommen wir zu Nordrhein-Westfalen, wo Rotund Grün seit neun Jahren in der Verantwortung sind.Hier haben Sie eine ganz extrem unterdurchschnittlicheEntwicklung mit einem Zuwachs von gerade einmal5,6 Prozent. In Schleswig-Holstein haben sich die Ge-werbesteuereinnahmen sogar negativ entwickelt, in ei-nem Land, in dem Sie seit Jahren Verantwortung tragen.Das ist doch die Bilanz Ihrer Wachstumspolitik.
Lassen Sie mich einen dritten Wirkungsfaktor anfüh-ren. Wenn wir zu nachhaltigem Wachstum kommen wol-len – und das sollte unser Interesse sein –, dann müssenwir ein Steuerrecht schaffen, das es den Unternehmenauch erlaubt, ihren Beitrag für Wachstum und Beschäfti-gung tatsächlich leisten zu können. Das heißt, wir müssendie Unternehmen von einer Steuer befreien, die sichnachweislich – auch, weil international unbekannt – wett-bewerbsverzerrend auswirkt. Diese Steuer schwächt denStandort, statt ihn zu stärken, und ist darüber hinaus einzentraler Hinderungsfaktor bei unserem Bestreben – auchalle wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute indiesem Land empfehlen das dringend –, endlich zu einemSteuerrecht zu kommen, das einfach, niedrig und gerechtiteduwszdguwdmdSrdbIWdldtlEtdWwnrB
as die kommunalen Einnahmen konjunkturunabhängi-er machen würde, das Verhältnis zwischen Wirtschaftnd Kommune und das zwischen Bürger und Kommuneieder auf eine vernünftige Grundlage stellen würde undas es erlauben würde, dass wir in diesem Saal nicht per-anent über Steuervereinfachung nur reden, sondernass dies in Deutschland endlich auch Wirklichkeit wird.
Das Wort hat der Kollege Bernd Scheelen von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Herr Kollege Pinkwart, wenn man Zahlen vorträgt,ann sollte man sie auch vollständig vortragen. Sie ha-en sich die Länder ausgesucht, die Ihnen gerade passen.ch nenne Ihnen auch noch einige andere.
enn Sie daraus, wie das Gewerbesteueraufkommen inen einzelnen Ländern wächst, Rückschlüsse hinsicht-ich Ihrer Regierungsbeteiligung ziehen, dann heißt das,ass Sie meinen, dass Sie dort eine gute Wirtschaftspoli-ik gemacht haben. Das widerspricht dem, was der Kol-ege Merz vorhin vorgetragen hat.
r hat nämlich gesagt, mit Wirtschaftswachstum und gu-er Wirtschaftspolitik habe das gar nichts zu tun. Aber inem Punkt stimme ich Ihnen ja zu: Es hat mit der gutenirtschaftspolitik des Bundes zu tun; deswegen habenir die guten Zahlen.
Ich nenne einige Länderregierungen, an denen Sieicht beteiligt sind, und die entsprechenden Wachstums-aten: Berlin-West plus 11,2 Prozent – auch nicht übel –,remen plus 31,3 Prozent. Bremen ist fast Spitzenreiter.
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Bernd ScheelenJetzt nenne ich Ihnen die Zahlen für zwei ausschließlichvon der CDU regierte Länder. Fangen wir einmal mitHessen an, dem hoch gelobten Hessen: plus 1,9 Prozent.Das ist außergewöhnlich schwach und weit unterdurch-schnittlich. Der gerade wiedergewählte Peter Müller hatminus 0,1 Prozent zu verzeichnen. Also hören Sie auf,hier Rosinenpickerei bei den Zahlen zu betreiben unddaraus etwas abzuleiten. Insgesamt gilt: Wir haben eineSteigerung bei den Gemeindefinanzen und insbesonderebei der Gewerbesteuer festzustellen. Es geht mit den Ge-meindefinanzen aufwärts und das ist gut so.
Besonders interessant ist die Dynamik dieser Ent-wicklung: Zwar verlief bereits das erste Quartal diesesJahres sehr gut, das zweite war aber fast doppelt so gut.Im ersten Quartal betrugen die Mehreinnahmen bundes-weit etwa 8,4 Prozent, im zweiten Quartal 16,7 Prozent.Es wäre schön, wenn sich diese Entwicklung fortsetzenwürde. Selbst der Deutsche Städtetag, der mit seinenSchätzungen vorsichtig ist, geht davon aus, dass am Jah-resende Mehreinnahmen aus der Gewerbesteuer in Höhevon etwa 9 bis 10 Prozent zu verzeichnen sein werden,was etwa 26 Milliarden Euro entspricht. Dann hätten wirfast wieder das Niveau des Jahres 2000 erreicht, in demes die höchsten Gewerbesteuereinnahmen gab, die indieser Republik jemals zu verzeichnen waren. Daranzeigt sich, dass wir mit unseren Reformvorhaben aufdem richtigen Wege sind.
An den Kollegen Merz gerichtet möchte ich sagen:Wir sind stolz darauf, dass wir die Gewerbesteuer vor Ih-nen gerettet haben.
Ihre CDU-Oberbürgermeister, -Bürgermeister und -Land-räte
danken uns auf den Knien, dass wir das getan haben.
Denn sie trauen Ihrem Konzept, dem Konzept der CDU/CSU, überhaupt nicht. Ich erinnere nur an die geplanteDemonstration in Bayern. Letztendlich ist sie zwar ausanderen Gründen abgesagt worden. Aber die Oberbür-germeister in Bayern hatten vor, nach München zu mar-schieren und vor der Staatskanzlei für das Kommunal-modell zu demonstrieren, das Rot-Grün Ihnen vorgelegthat, das wir beschlossen haben und durch das die Ge-meindefinanzen wirklich nachhaltig stabilisiert wordenwären.
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ber das Entlastungsvolumen in Höhe von,5 Milliarden Euro hat sehr unsystematische Konse-uenzen: Dadurch werden die Kommunen mit einer star-en Wirtschaftskraft begünstigt und diejenigen benach-eiligt, die sich in strukturschwachen Gebieten befinden.nsere Lösung wäre deutlich besser gewesen und hätten allen Kommunen zu sehr stabilen Einnahmen geführt.Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Einbeziehung derreiberufler und Selbstständigen in die Gewerbesteuer-flicht hätte deutlich mehr Stabilität in das Gewerbesteu-raufkommen gebracht. Dieses Vorhaben haben Sie ab-elehnt, obwohl Sie wussten, dass mit der Einbeziehunger Freiberufler und Selbstständigen für diese Personen-reise keine zusätzlichen Belastungen verbunden gewe-en wären.
enn Sie wissen, dass gleichzeitig eine Regelung einge-ührt worden wäre, die für Personengesellschaften heuteereits im Gewerbesteuerrecht gilt:
ass die Gewerbesteuer mit der Einkommensteuer ver-echnet werden kann.
Dieses System hätte dazu geführt, dass wir Einnah-en aus der Einkommensteuer in den Bereich der Ge-erbesteuer hätten verschieben können. Das hätte fürie Gemeinden den Vorteil gehabt, dass sie diese Ein-ahmen in bestimmten Bandbreiten auch selbst hätteneeinflussen können. Bei der Einkommensteuer könnenie dies nicht,
ber bei der Gewerbesteuer können sie ihre eigene Fi-anzsituation über die Absenkung bzw. Anhebung derebesätze beeinflussen. Das wäre ein deutlicher Vorteilnseres Reformvorschlages gewesen,
em Sie leider nicht gefolgt sind.
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Bernd ScheelenDie aus der Absenkung der Umlage resultierendenEinnahmen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro sind zuge-sagt und werden dieses Jahr erzielt. Hinzu kommt, dassaufgrund der besseren Gewinnerwartungen der Unter-nehmen höhere Vorauszahlungen fällig werden, HerrGötz. Das sage ich, um auf das zurückzukommen, wasdie Kollegin Kerstin Andreae von Ihnen zitiert hat. Denndiese Mehreinnahmen haben mit der Absenkung der Ge-werbesteuerumlage nichts zu tun. Es ist so: Die Gewer-besteuereinnahmen haben ein gewisses Volumen. Davonwird ein bestimmter Prozentsatz auf die Länder und denBund umgelegt. Dieser Prozentsatz ist aber unabhängigdavon, ob die Einnahmen 20, 30 oder 100 MilliardenEuro betragen, immer gleich. Wenn die Einnahmen stei-gen, kommt allerdings tatsächlich mehr Geld in denkommunalen Kassen an.Meine Redezeit ist gleich leider vorbei.
Zum Schluss möchte ich noch sagen: Ihr Modell wirdmit uns keine Zukunft haben. Wir werden Ihrem Modellniemals zustimmen, weil es verschiedene Probleme mitsich bringt. Ich möchte nur zwei dieser Probleme anfüh-ren, von denen eines eben angesprochen worden ist – –
Herr Kollege Scheelen, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ja, Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Bei der
Verlagerung der Zahllast von Unternehmen auf Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer und der Verstärkung der
Stadt-Umland-Problematik werden wir nicht mitmachen.
Deshalb sage ich Ihnen: Denken Sie sich ein neues Mo-
dell aus, das zu stabilen Gewerbesteuereinnahmen führt.
Dann haben Sie uns an Ihrer Seite.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dietrich Austermann von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die So-zialdemokraten versuchen offensichtlich, mit der Aktuel-len Stunde das Trugbild aufzubauen: Die Gewerbesteuer-einnahmen steigen, deswegen geht es den Kommunengut. Richtig ist, dass die Gewerbesteuereinnahmen überdenen des Vorjahres liegen. Die Ursache ist deutlich ge-macht worden: Das Ganze hängt vor allen Dingen mit derAbsenkung der Gewerbesteuerumlage zusammen.
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ir liegen jetzt, im Jahre 2004, nach Schätzung derommunalverbände bei einem Minus von 8,5 Mil-iarden Euro. Die Differenz zwischen diesem Minus von,5 Milliarden Euro und dem Plus von 2,5 Milliar-en Euro kann sich jeder ausrechnen. Jetzt unterstellech einmal, die Gewerbesteuereinnahmen wären nichtestiegen. Dann wäre es zu einem weiteren Abfall ge-ommen. Für jedermann ist offenkundig, dass die So-ialdemokraten und die rot-grüne Regierung gemeinsaminen Verfall der Kommunalfinanzen zu verantwortenaben, den es in der Geschichte der Bundesrepublik bis-er nicht gegeben hat.
Jetzt den Eindruck zu erwecken, dass deshalb, weilie Gewerbesteuereinnahmen im ersten halben Jahr imergleich zum Vorjahr angezogen haben, erstens dieirtschaft brumme und es zweitens den Kommunenesser ginge, ist völlig aus der Luft gegriffen. Jetzt sagech Ihnen die konkreten Zahlen, damit Sie nachvollzie-en können, was die tatsächliche wirtschaftliche Ent-icklung ist und welche Effekte auf die Entscheidungur Änderung der Gewerbesteuerumlage zurückgehen.ir hatten im letzten Jahr Gewerbesteuereinnahmen derommunen von 17,05 Milliarden Euro. Es werden iniesem Jahr möglicherweise 20 Milliarden Euro sein.as hört sich so an, als gebe es eine Verbesserung umMilliarden Euro. Wenn Sie aber das abziehen, wasurch die wieder abgesenkte Gewerbesteuerumlage dast, bleibt nicht mehr viel übrig.
Sie können das auch nachvollziehen:
chauen Sie sich doch bitte einmal die Situation derassenkredite an! Das sind die Kredite – der Normalbür-er nennt das „Dispo“ –, die man in Anspruch nimmt,amit man überhaupt die Masse hat, um die Gehälter zuezahlen und bescheidene Maßnahmen, etwa im Bereicher Schulsanierung, durchzuführen. Das Volumen dieser
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Dietrich AustermannKassenkredite hat sich in Nordrhein-Westfalen – vondort kamen die Vorredner der SPD ja alle – seit 1998verzehnfacht, auf einen Betrag von 5,6 Milliarden Euro.Den Schluss zu ziehen, dass es den Kommunen gutginge, nur weil die Gewerbesteuereinnahmen im erstenHalbjahr dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr ein bis-schen angestiegen sind, ist offensichtlich falsch.
Nun hat der Herr Müntefering darauf hingewiesen,dass sich die Situation der Kommunen verbessert habe;das sei insbesondere auch deshalb so, weil im nächstenJahr gewaltige Milliardenleistungen vom Bund an dieKommunen gingen. Er hat vor allen Dingen den Aus-gleich Ost einbezogen, der seit vielen Jahren in gleicherHöhe läuft. Ich fühlte mich an eine Feststellung erinnert,die der Kollege Rüttgers einmal getroffen hat: dass das,was der Kollege Müntefering sagt, einer Wahrheitsprü-fung mit einem Detektor selten standhält. In diesem Fallwar es genau das Gleiche: Die Situation der Finanzender Kommunen hat sich in den letzten Jahren – ich habedas deutlich gemacht – dramatisch verschlechtert. DieZuwendungen des Bundes an die Kommunen haben sichnicht erhöht. Insofern hat Herr Müntefering wieder einefalsche Aussage gemacht. Diese falsche Aussage hatdrei Tage vor der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfa-len natürlich ein besonderes Ziel; das ist bei dem ehema-ligen Landesvorsitzenden der SPD in Nordrhein-Westfa-len auch ganz verständlich.Ich sage es noch einmal deutlich: Wir können, wirdürfen den Bürgern keinen Sand in die Augen streuen,was die tatsächliche Lage in unserem Land betrifft. WennSie die Beschäftigungsentwicklung ansehen, wenn Siedie Lage auf dem Arbeitsmarkt ansehen, wenn Sie dieSteuereinnahmen insgesamt betrachten, nicht nur einenkleinen Teil davon – demnächst beantragen Sie hier viel-leicht eine Aktuelle Stunde zum Thema Biersteuern –,
werden Sie feststellen, dass die Entwicklung seit vielenJahren stagniert und dass Bund, Länder und Gemeindenin der Summe für dieses Jahr von weniger Steuereinnah-men ausgehen als im Vorjahr. Das trifft über den kom-munalen Finanzausgleich, über viele Schienen natürlichauch die Kommunen. Deswegen werden Sie mit IhrerPolitik die Lage der Kommunen nicht verbessern. Undmit Gesundbeterei erreichen Sie das schon gar nicht.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Christine Scheel vom
Bündnis 90/Die Grünen.
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as, was Sie hier heute wieder geboten haben, zeigt,ass Sie weder die Statistik vernünftig interpretierenönnen noch in der Lage sind, zu reflektieren, welcheeränderungen es in den letzten Jahren gegeben hat.
Schauen Sie sich die absoluten Zahlen an. Die Finanz-innahmen der Kommunen sind für viele Kommunenmmer noch nicht befriedigend.
ür viele Städte sind sie gut, für manche Landkreise undanche kleinen Kommunen ist die Situation aber immeroch schwierig. Das muss man ehrlicherweise sagen. Al-erdings – auch das muss man sehen – haben wir vonot-Grün gesetzliche Vorgaben gemacht, die zu wesent-ich mehr Stabilität beigetragen hätten, wenn Sie sich imundesrat und im Vermittlungsverfahren anders verhal-en hätten.
Man muss an dieser Stelle einmal ganz klipp und klaragen, dass die Strategie der Union nicht funktioniert:uf der einen Seite sagt sie, dass die Kommunen ver-ünftige Einnahmen haben sollen, während sie auf dernderen Seite nur bestrebt ist, die großen Konzerne zuchützen. Die Leute draußen sind nicht blöd. Herr Merztellt sich hin und sagt, dass die Entwicklung der Gewer-esteuereinnahmen nichts mit der Konjunktur zu tunabe. Alle wissen, dass sich das wirtschaftliche Bild inen letzten Monaten langsam positiver gestaltet hat. Dasüssen Sie einfach konstatieren, auch wenn Ihnen das inirklichkeit politisch – mit Blick auf die gesamtstaatli-he Verantwortung sieht das wahrscheinlich anders aus –ielleicht nicht gefällt.
Wir müssen auch sehen, in welcher Situation wir unsefinden: Über Jahre hinweg hatten sich bei der Steuer-erechnung Strukturen entwickelt, die man in Deutsch-and nicht akzeptieren konnte. Ich nenne ein Beispiel:er Bundeshaushalt hat eine Größenordnung von roundbout 260 Milliarden Euro. Die Verlustvorträge der
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Christine ScheelUnternehmen in der Bundesrepublik Deutschland betra-gen geschätzte 370 Milliarden Euro; manche sagen, esist sogar noch mehr.
Ich frage Sie, ob es angesichts eines solchen Verhältnis-ses nicht legitim ist, dass die Politik sagt: Wer Gewinnemacht, muss wenigstens einen Teil dieser Gewinne ver-steuern, darf sich steuerlich nicht immer auf Null rech-nen können.
Dies geht nämlich zulasten aller Ebenen, zulasten desBundes, der Länder und der Kommunen. Deswegenstellt sich nicht die Frage, ob man die Wirtschaft zu starkbelastet. Viele Unternehmen zahlen nämlich überhauptkeine Steuern. Auch die Wirtschaft ist in der Pflicht undsie akzeptiert das ja auch.Mittlerweile fließen wieder mehr Steuern. Wir allewissen, dass neben der anspringenden Konjunktur dieEinschränkung der steuerlichen Gestaltungsmöglichkei-ten ursächlich für die Zunahme der Gewerbesteuerein-nahmen ist. Wir stehen dazu, wir müssen dazu aber auchgesamtstaatlich stehen.Sie sagen, die Gewerbesteuer sei international nichtkonkurrenzfähig, in den anderen Ländern gebe es sienicht. Das stimmt nicht; denn auch in anderen Länderngibt es sie in vergleichbarer Art. Sie wird dort allerdingsnicht als Gewerbesteuer, sondern anders bezeichnet. Esgibt dort aber auch Kommunalsteuern.
Das gilt für viele Länder, mit denen wir uns wirtschafts-politisch immer vergleichen.Sie überlegen, die Gewerbesteuer abzuschaffen undin das Ertragsteuersystem zu integrieren. Dadurch wirdman veranlasst, darüber nachzudenken, ob das Sinnmacht. Im Rahmen dieser Überlegungen müssen Sie derEhrlichkeit halber sagen: Wenn man den Betrag von20 Milliarden Euro – so viel sollte dieses Jahr an Gewer-besteuereinnahmen hereinkommen – in ein anderes Sys-tem integrieren will, dann führt das natürlich zu Steuer-erhöhungen an anderer Stelle: bei der Einkommensteuer,bei der Körperschaftsteuer und, je nachdem, wie Sie dasverteilen wollen, auch bei der Umsatzsteuer.
Man muss den Menschen sagen, dass dies keine Steuer-entlastung ist, sondern eine Umschichtung.
Das bedeutet eine höhere Belastung für die Unterneh-men und eine Entlastung für Normalverdiener und Rent-ner. Das ist die Wahrheit. Das ist die andere Seite derMedaille. Wir können gerne darüber diskutieren – daswerden wir im Wahlkampf auch tun –wmkdadCMmFlHvGmsUSPkSMaf–KhsDwJF
elches System besser ist. Aber wenn Sie schon argu-entieren, dann seien Sie bitte ehrlich und sagen ganzlar, dass es hier nur um eine Umschichtung geht, beier diejenigen stärker belastet werden, die heute davonusgenommen sind, dafür aber diejenigen entlastet wer-en, die heute ihren Beitrag für das Gemeinwohl leisten.Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Götz von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!eine sehr geehrten Damen und Herren! Die Städte, Ge-einden und Kreise befinden sich in ihrer schwersteninanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutsch-and.
err Scheelen und Frau Scheel, es ist schon mutig, hierorne genau das Gegenteil zu behaupten. Ich habe dasefühl, Sie haben schon lange nicht mehr mit den Kom-unalpolitikerinnen und -politikern geredet.
Der Silberstreif im Bereich der Gewerbesteuer, derich jetzt am Horizont abzeichnet, hat ohne Frage vielersachen. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschentädte- und Gemeindebundes, das geschäftsführenderäsidialmitglied Dr. Landsberg – Herr Scheelen, Sieennen ihn –, hat heute in der Presse erklärt: Einechwalbe macht noch keinen Sommer. – Recht hat derann. Was hier herumfliegt, ist eine Schwalbe. Was wirber brauchen, sind verlässliche Rahmenbedingungenür die Kommunen.
Entschuldigung. Sie inszenieren wenige Tage vor denommunalwahlen diese Aktuelle Stunde. Das, was Sieier geboten haben, ist
chwach, durchsichtig und transparent für alle, die dieseebatte heute erleben.
Ich nehme das Beispiel der Gewerbesteuerumlage,eil sie in jedem Redebeitrag eine Rolle gespielt hat.ahrelang haben Sie die Rücknahme dieser anerkanntenehlentscheidung verweigert, eine Entscheidung, die
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Peter Götzzulasten der kommunalen Haushalte geht. Lesen Sie ein-fach die Debatten der letzten Jahre. Oder soll ich Ihnenvorlesen, wer in namentlicher Abstimmung unseren An-trag auf Rücknahme der Erhöhung der Gewerbesteuer-umlage abgelehnt hat?
Es sind die Namen der Kolleginnen und Kollegen derSPD und der Grünen.Es geht bei der Rücknahme der Gewerbesteuerum-lage nicht um Geld, das der Staat den Kommunen gibt,sondern es geht darum – und das ist nicht neu –, denKommunen das zu belassen, was ihnen gehört und wasSie den Kommunen seit 2000 weggenommen haben.
Ich will einen zweiten Punkt ansprechen. Seit Jahrenverteilt Rot-Grün Wahlgeschenke und lässt die Kommu-nen dafür bezahlen. Das ist unanständig. Die Ausgabenfür soziale Leistungen im kommunalen Bereich steigendramatisch. In 2000 waren es 26 Milliarden Euro, mitt-lerweile sind es 30 Milliarden Euro mit wesentlich stei-gender Tendenz. Gleichzeitig sinken die kommunalenInvestitionen mit allen negativen Folgen. Schulen, Bä-der, aber auch andere öffentliche Einrichtungen verfal-len. Was aber genauso schlimm, wenn nicht nochschlimmer ist: Das mittelständische Handwerk vor Ortbricht weg. Das heißt, eine der Krisen unserer Wirtschaftliegt unter anderem darin begründet, dass das mittelstän-dische Handwerk vor Ort keine Chance mehr hat, kom-munale Aufträge zu erhalten, weil sich die Kommunenkeine Investitionen mehr leisten können.
Die Schere zwischen kommunalen Einnahmen undAusgaben geht immer weiter auseinander. Der KollegeDietrich Austermann hat dies anhand einer Skala ein-drucksvoll aufgezeigt.
Das kommunale Defizit, das wir jetzt beklagen, ein-schließlich der Berücksichtigung der Veränderung imBereich der Gewerbesteuer steigt gegenüber dem ver-gangenen Jahr trotzdem weiter. Das sollten Sie einfachzur Kenntnis nehmen.Schauen wir nach Nordrhein-Westfalen; das war jader Anlass Ihrer Aktuellen Stunde. Wenige Tage vor denKommunalwahlen lassen sich die Menschen nicht täu-schen. Wie sieht die Situation konkret aus? In Nordrhein-Westfalen waren im Jahr 2002 insgesamt 78 Städte undGemeinden der Haushaltssicherung unterworfen. Einegroße Zahl! Im Jahr 2003 waren es 139. Nach einer aktu-ellen Untersuchung des Städte- und Gemeindebundessind es in diesem Jahr 180 Städte und Gemeinden, dieder Haushaltssicherung unterliegen. Das als erfolgreichePolitik verkaufen zu wollen ist ein durchsichtiges Manö-ver.SDgsctDwKwrALiSlkslmudpndznnedDdvdrgzIS
chönreden nimmt Ihnen schon lange niemand mehr ab.iese Schönrederei schadet Ihnen selbst.Die Forderung des SPD-Parteivorsitzenden Münteferingestern im „Handelsblatt“, die Länder sollten zur Lö-ung der kommunalen Krise die Fesseln der Haushaltssi-herung lockern, ist ein Offenbarungseid rot-grüner Poli-ik.
as ist die gleiche Nummer, Frau Kollegin Andreae, alsenn der Finanzminister öffentlich erklärt, dass dieonvergenzkriterien von Maastricht nicht eingehaltenerden können, und er versucht, die Konvergenzkrite-ien zu verändern. Das sind falsche Signale. Mit dieserrt von Politik treiben Sie die Kommunen und unserand noch weiter nach unten. Das haben die Menschenn unserem Land nicht verdient.Lassen Sie mich die Gelegenheit dieser Aktuellentunde nutzen, den vielen ehrenamtlichen und hauptamt-ichen Kandidatinnen und Kandidaten, die sich um einommunales Mandat bemühen, zu danken. Diese Per-önlichkeiten, die sich dafür zur Verfügung stellen, wol-en in ihrer Heimatgemeinde, in ihrer Stadt aktiv Kom-unalpolitik gestalten. Von diesem Engagement lebtnsere Demokratie. Wir sollten dafür dankbar sein undiese Menschen unterstützen. Lassen Sie uns deshalbolitische Rahmenbedingungen setzen, damit kommu-ale Selbstverwaltung vor Ort überhaupt wieder stattfin-en kann. Ich fordere Sie deshalb auf, sich nicht zurück-ulehnen, sondern konstruktiv an einer dringendotwendigen Gemeindefinanzreform mitzuwirken, ei-er Reform, die den Namen verdient. Die Rücknahmeiner Fehlentscheidung ist noch keine Reform. Ich biner festen Überzeugung: Wenn es den Kommunen ineutschland wieder gut geht und sie investieren können,ann wird es in Deutschland wieder mehr Arbeitsplätzeor Ort geben. Daran sollten wir arbeiten.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Ingrid Arndt-Brauer von
er SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-en! Ich danke meinem Vorredner ausdrücklich für dieuten Wünsche für die Kommunalwahl, denn ich gehöreu denen, die zurzeit draußen im Land unterwegs sind.
ch bin gar nicht so erfreut, dass wir jetzt diese Aktuelletunde haben, weil ich lieber zu Hause wäre, um einige
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Ingrid Arndt-BrauerMissverständnisse auszuräumen, die unter anderem vonIhren Kollegen in Nordrhein-Westfalen verursacht wer-den.
In der letzten Woche gab es in meinem Heimatort einCDU-Plakat, auf dem eine leere Kasse abgebildet war,über der stand: Rot-Grün plündert die kommunalen Kas-sen.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Wir tun eine ganze Mengein diesem Wahlkampf, aber wir würden nie die Unver-schämtheit besitzen, solche Lügen zu verbreiten.
Es ist durch meine Vorredner ganz klar zum Ausdruckgekommen, was wir für die Kommunen getan haben.Trotzdem ist es notwendig, dass wir all das den Leutenpermanent erzählen. Wir sind bei den Leuten draußen imLand. Ich erzähle den Leuten, was wir alles mit unsererSteuerpolitik für sie getan haben. Nehmen Sie zurKenntnis, dass eine Familie mit zwei Kindern im Jahr2005 erst dann Steuern zahlen muss, wenn ihr Bruttoein-kommen 37 000 Euro übersteigt.
Diese Familie hat 1998 2 900 Euro Steuern gezahlt. Dasist ein sehr großer Fortschritt und widerspricht dem, wasSie uns unterstellen.
Das Problem, das wir haben, ist, dass die Stimmungdurch Ihre Parolen nach unten gedrückt wird und wir mitMühe und Not dagegen anreden müssen. Die Entlastungder privaten Haushalte beträgt seit 1998 mehr als 40 Mil-liarden Euro. Das müssen wir den Leuten immer wiedersagen. Wir müssen sie zum Konsum anregen, damit sienicht der Verunsicherung erliegen, der Sie sie aussetzen.
– Nein, wir haben den Eingangssteuersatz und den Spit-zensteuersatz und damit die gesamte Tarifkurve gesenkt.Sie wissen das ganz genau. Sie sollten endlich aufhören,etwas anderes zu erzählen. Wir haben dafür gesorgt, dassIhre Klientelpolitik endlich aufhört, und gegen den mas-siven Widerstand von Union und FDP unsere steuerpoli-tischen Maßnahmen durchgesetzt.Jetzt komme ich zu den Kommunen. Es ist schon ge-sagt worden, dass wir diesbezüglich umfangreiche Maß-nahmen gestaltet haben. Wir hatten dabei das Problem,ab einem gewissen Zeitpunkt gegen den Bundesrat agie-ren zu müssen. Das war nicht immer erfolgreich. Wir ha-bagmfnddggrd–wdnMliuehEWIdHrimgsCIvR
Nein, das haben wir ihnen nicht weggenommen. Sieissen genau, dass es den umfassenden Konsens gab,ass jeder seinen Anteil leistet. Wir haben die Kommu-en davon entlastet.Was wir jetzt zusätzlich tun, halte ich für sehr wichtig.it dem Geld, das wir durch Hartz IV einsparen, 2,5 Mil-arden Euro, tun wir endlich etwas für die Kinderbetreu-ng in diesem Land. Sie haben es jahrelang versäumt,in Thema wie die Ganztagsbetreuung anzugehen. Wiraben das jetzt getan und dafür insgesamt 4 Milliardenuro in die Hand genommen.
ir haben die tausendste Ganztagsschule eingeweiht.ch denke, das ist ein Riesenerfolg.Wir werden in den nächsten Jahren mit den Geldern,ie bei den Einsparungen im Zusammenhang mitartz IV übrig bleiben, die Betreuung der unter Dreijäh-igen ausbauen. Ich denke, das ist ein Erfolg, auf den wir Nachhinein stolz sein können. Dann werden die Bür-er auch merken, dass es ein Riesenunterschied ist, obie CDU/CSU oder Rot-Grün wählen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Heinz Seiffert von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ichhre Redebeiträge höre, liebe Kolleginnen und Kollegenon Rot-Grün, dann frage ich mich, wie weit Sie von derealität entfernt sind.
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Heinz SeiffertUnterhalten Sie sich nie mit Ihren Genossen, die als Bür-germeister, Gemeinderäte oder Oberbürgermeister inden Rathäusern Verantwortung tragen?
Von ihnen müssten Sie doch hören, wie die Lage drau-ßen ist. Oder glauben Sie ihnen nicht? Halten Sie die allefür Schwarzmaler oder Pessimisten?Es ist doch leider eine Tatsache, dass den Kommunendie finanzielle Basis dramatisch weggebrochen ist. DieSteuereinnahmen waren in den vergangenen Jahrenrückläufig. Die Ausgaben – vor allem im sozialen Be-reich – sind explodiert, und die Investitionen, die für diemittelständische Wirtschaft und das Handwerk so wich-tig sind, befinden sich im freien Fall.Die große Mehrheit der Städte und Gemeinden kannseit drei Jahren im Verwaltungshaushalt die gesetzlicheMindestzuführungsrate nicht mehr erwirtschaften. Vielemussten Vermögen veräußern und neue Schulden ma-chen, nur um die ordentliche Kredittilgung leisten zukönnen.Ich will das am Beispiel der Stadt Ulm, die in meinemWahlkreis liegt, deutlich machen. Ulm ist eine Universi-tätsstadt mit gemischten Gewerbestrukturen, 115 000 Ein-wohnern und einem SPD-Oberbürgermeister.1995 betrug das Gewerbesteueraufkommen 44 Mil-lionen Euro netto. 2004 werden nach den erzielten Ver-besserungen voraussichtlich wieder 44 Millionen Euronetto erreicht. 2005 sollen es sogar 47 Millionen Eurowerden. Aber – das ist der springende Punkt – 1995 be-trug die Nettoinvestitionsrate 15,5 Millionen Euro; nachden vorläufigen Planungen für 2005 liegt sie bei minus5,1 Millionen Euro. Die Stadt wird also neue Schuldenmachen müssen – vielleicht kann sie auch noch etwasvon ihrem Vermögen verscherbeln –, nur um die ordent-liche Tilgung erbringen zu können. Ulm ist leider keinEinzelfall, sondern kommunale Normalität.
In vielen kleineren Gemeinden kommt noch hinzu,dass die Kreisumlagehebesätze so angestiegen sind, dasssie den Kommunen völlig die Luft zum Atmen nehmen.Das ist die kommunale Wirklichkeit, nicht die Schönfär-berei, die Sie hier bisher geboten haben!Durch die Politik von Rot-Grün ist die kommunaleSelbstverwaltung zur reinen Worthülse verkommen. Wassoll denn ein Stadtrat noch entscheiden, wenn ihm vomBund finanziell das Wasser so abgegraben wird? EinStadt- oder Gemeinderat hat doch nur noch die Wahl,welche Grausamkeit als erstes beschlossen werden soll.Das ist doch in den von Ihnen regierten Städten genauso.Sie aber kündigen jetzt goldene Zeiten an.Gestern Abend hat BundeswirtschaftsministerClement öffentlich davon gesprochen, dass die Kommu-nen 2005 um insgesamt 8 Milliarden Euro entlastet wer-den. Das würde für die bereits beispielhaft angeführteStadt Ulm – umgerechnet auf die Einwohnerzahl – einEinnahmeplus von 11,2 Millionen Euro bedeuten. SchönwIlibkldWswG–m2garksHBgswdMEnsfrewwnDrsSKL
Natürlich ist es so. – Drei Jahre haben Sie den Kom-unen ohne jeden sachlichen Grund jährlich etwa,2 Milliarden Euro vorenthalten bzw. aus den Kasseneraubt. Jetzt wollen Sie gefeiert werden, nur weil Sieuf unseren massiven Druck das Diebesgut wieder zu-ückgeben.
Die Gewerbesteuer ist ein Relikt von gestern. Sie istein Finanzierungsinstrument, auf das man sich verlas-en kann, und sie ist auch nicht aufkommensgerecht.err Kollege Scheelen, das möchte ich Ihnen wieder ameispiel der Stadt Ulm darlegen. In Ulm gibt es 8 500ewerbesteuerpflichtige Betriebe. Von diesen zahlen tat-ächlich nur 1 550 Betriebe Gewerbesteuer. Von dieseniederum bestreiten ganze 118 Betriebe über 75 Prozentes Gewerbesteueraufkommens. Das sind hauptsächlichittelständler, die ihre Gewinne nicht verlagern können.ine solch schmale Gewerbesteuerbasis gibt doch kei-em Kämmerer Planungssicherheit. Hier hilft auch eineystematisch völlig blödsinnige und volkswirtschaftlichalsche Mindeststeuer nicht weiter.
Wir brauchen eine komplette Neuordnung des Steuer-echts. Dabei muss zu einer Einkommensteuerreformine Reform der kommunalen Finanzen hinzukommen,ie es vom Kollegen Friedrich Merz bereits dargestelltorden ist. Das ist die Lösung. Dieser sollten Sie sichicht länger verschließen. Solche rückwärts gewandteniskussionen, wie Sie sie heute angezettelt haben, füh-en nicht weiter und bringen Ihnen – darauf können Sieich verlassen – keine Stimmen in Nordrhein-Westfalen.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Simone Violka von der
PD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Schlechte Nachrichten verbreiten sich wie einauffeuer. Aber auf gute Nachrichten muss man immer
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Simone Violkaund immer wieder hinweisen, damit sie überhaupt wahr-genommen werden. Damit bin ich bei dem Grund für dieheutige Aktuelle Stunde. Es geht nämlich um gute Nach-richten, um die steigenden Einnahmen bei der Gewerbe-steuer.
– Herr Fromme, die Lautstärke garantiert noch nicht dieQualität und die Richtigkeit des Inhaltes.
Die Nachrichten von den steigenden Einnahmen beider Gewerbesteuer haben nicht nur wir, sondern auch dieKommunalvertreterinnen und -vertreter gern gehört. DieLänder haben diese guten Nachrichten ebenfalls positivaufgenommen. So äußerte sich zum Beispiel der nochamtierende sächsische Finanzminister Metz, der erstaun-licherweise der CDU angehört, wie folgt – wenn manHerrn Austermann und Herrn Merz genau zugehört hat,dann weiß man, dass sie Herrn Metz schon im Vorhineinals inkompetent bezeichnet haben –:Die sächsischen Kommunen können 2004 gegen-über der Novemberschätzung 2003 mit 89 Millio-nen Euro höheren Steuereinnahmen rechnen. Für2005 sind es 81 Millionen, für 2006 sind es 111 Mil-lionen mehr als bei der letzten Maischätzung prog-nostiziert. Für die Kommunen werden 2005 um 5,7höhere Steuereinnahmen geschätzt als bei derMaischätzung 2003. Das sind positive Nachrichtenfür die sächsischen Kommunen.So weit Herr Metz. Ich frage Sie: Wie passt denn dieseÄußerung eines Ihrer Kollegen zu den Äußerungen IhrerKollegen hier? Ist der Mann nun inkompetent oder sindes Ihre Redner?
Ich sage: Recht hat Herr Metz. Aber ich frage michschon, warum er nicht dafür gesorgt hat, dass die künf-tige finanzielle Lage in den Kommunen noch besser aus-sieht. Die Einnahmen könnten nämlich noch besser sein,wenn die Union die Einbeziehung der Freiberufler in dieGewerbesteuer und unseren Vorschlag zur Mindestge-winnbesteuerung, eine 50:50-Regelung, verhindert hätte.
Nicht zu vergessen, dass die jetzigen spürbaren Ent-lastungen der Kommunen überhaupt nur gegen den mas-siven Widerstand von Union und FDP durchzusetzenwaren. Sie wollten die Gewerbesteuer sogar komplettabschaffen.
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Hätte die Unionsmehrheit dem Steuervergünstigungs-bbaugesetz und dem Haushaltsbegleitgesetz 2004 in deron uns beschlossenen Fassung im Bundesrat zuge-timmt, hätten alle Gebietskörperschaften in denahren 2004 bis 2006 insgesamt 25 Milliarden Euroehr in ihren Kassen gehabt. Warum Sie dagegen wa-en, müssen Sie den Kommunalvertretern einfach einmalrklären. Das ist Geld, das alle Ebenen dringend brau-hen, auch für Zukunftsinvestitionen.Ganz besonders drollig ist die FDP. Sie brüstet sichm Internetportal damit, dass die Gewerbesteuereinnah-en überall dort, wo sie mitregiert, angeblich besondersoch seien. Gleichzeitig fordert sie aber – ich zitiere –die Abschaffung des Bürokratiemonsters Gewerbe-teuer“. Ja, was denn nun?
hre Alternative, das ruinöse Konzept, das Sie hier vor-estellt haben und das Sie so nebulös durch die Landeragen, ist nun wahrlich keine ernst zu nehmende Lö-ung.
Sie müssen den Leuten aber auch sagen, welche Steu-rerhöhungen auf sie zukommen. Sie können nicht im-er nur sagen, wo Sie entlasten wollen. Sie müssen auchie Finanzierung klarstellen.
enn Sie das nicht tun, dann ist Ihre Vorgehensweiseebulös und unseriös.
Kommunen brauchen verlässliche und stabile Steuer-innahmen. Die Gewerbesteuer ist nun einmal dieauptfinanzierungsquelle der Kommunen. Müssten sieich einzig und allein auf Zuweisungen aus den Ländernerlassen, so wären sie in vielen Fällen verlassen. Ichrauche nur noch einmal nach Sachsen zu schauen: Derreistaat brüstet sich mit einer niedrigen Verschuldung,ässt aber völlig außen vor, wie die Verschuldung in denreisen und Kommunen aussieht. Deren Verschuldungommt aber nicht durch die Verschwendungssucht vonürgermeistern und Landräten zustande, sondern durchas finanzielle Ausbluten durch den Freistaat. Er kürztn allen möglichen und unmöglichen Zuweisungen und
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Simone Violkaüberträgt immer mehr Landesaufgaben auf die kommu-nale Ebene – natürlich ohne finanziellen Ausgleich.
Das geschieht häufig auch dort, wo Gelder aus Berlin fürsolche Aufgaben zur Verfügung gestellt werden.Aber die klebrigen Finger so manchen Finanzminis-ters sorgen regelmäßig dafür, dass diese Gelder ebennicht zu 100 Prozent, wie von Berlin abgeschickt, beiden entsprechenden Stellen ankommen. Vorhin kameinmal der Einwurf, auch der Bund habe den Kommu-nen nicht mehr Geld zur Verfügung gestellt. Ich fragemich schon: Ganztagsschulenprojekt, Fluthilfe,Goldener Plan Ost, Stadtumbau Ost – schon vergessen?Damit kommen den Kommunen ganz erhebliche Gelderdirekt zugute, die sie dringend brauchen. Gerade auf denFreistaat Sachsen kann man sich in dieser Beziehungüberhaupt nicht mehr verlassen.
Frau Violka, kommen Sie bitte zum Schluss.
Wir brauchen die Kommunen als Investitionskraft
und als unverzichtbaren Partner für den Mittelstand. Hö-
ren Sie einfach auf, die zarten Pflänzchen namens „wirt-
schaftliche Erholung“ und „Aufschwung“ verbal zu zer-
treten, noch bevor daraus Pflanzen werden konnten. Das
nützt niemandem, erst recht nicht den Kommunen, die
als letztes Glied in der Kette Ihre politischen Fehlent-
scheidungen häufig auszubaden haben.
Das Wort hat die Kollegin Elke Wülfing von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esist schon interessant, wie hier argumentiert wird undwelche Themen hier vor oder nach Wahlen behandeltwerden. Wenn es so ist, dass die SPD und die Grünendiese Aktuelle Stunde wegen der Kommunalwahl inNordrhein-Westfalen beantragt haben,
dann frage ich mich natürlich ganz besorgt: Wo sinddenn all die 60 Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, diehier eigentlich sitzen sollten? Das ist doch etwas merk-wusddimrDvAMWdbuFrgu2wm–BSmwdD
an kann, glaube ich, nicht sagen, dass Nordrhein-estfalen da ein gutes Renommee hat.
Ich bin inzwischen wirklich der Meinung, dass beien kommunalen Finanzen etwas geschehen muss. Ichin lange Zeit, 15 Jahre, Kommunalpolitikerin gewesennd ich weiß, wie schwierig es ist, die kommunaleninanzen in den Griff zu bekommen. Ich bin erfreut da-über, dass es der Deutsche Städte- und Gemeindebundenauso sieht wie wir, dass nämlich die Gewerbesteuer-mlage auf unsere Initiative hin von 28 Prozent auf0 Prozent gesenkt worden ist. Von den steigenden Ge-erbesteuereinnahmen oder -vorauszahlungen – so mussan ja sagen – zahlen die Kommunen nicht 28 Prozentdas war Ihr Bier –, sondern 20 Prozent; das ist unserier.
ie wissen sehr genau, dass Sie diese Senkung in na-entlicher Abstimmung – Herr Götz hat es vorhin er-ähnt – abgelehnt haben.Ich darf dazu noch einmal Herrn Dr. Landsberg inieser Pressemeldung zitieren:Ein großer Teil der zusätzlichen Gewerbesteuerein-nahmen resultiert aus der vom DStGB seit langemgeforderten Senkung der Gewerbesteuerumlage anBund und Länder von 30 % auf 20 %.as können Sie im Ticker nachlesen.
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Elke WülfingDas ist gut für die Kommunen. Wir haben dafür ge-sorgt, dass von dem, was sich die Kommunen selbst er-wirtschaften, wirklich etwas bei ihnen bleibt.Betrübt stimmt mich, dass man die Bemessungs-grundlage für die Unternehmen derart verbreitert hat,und zwar gegen unseren erklärten Willen. Um eine Sen-kung der Gewerbesteuerumlage für die Kommunen zuerreichen, mussten wir uns auf diesen Pfad begeben.Durch die Gesetzgebung aus den Jahren 2002/2003 und2004 ist die Grundlage für die Bemessung von Steuernbei den Unternehmen verbreitert worden, FrauHendricks, und dadurch ist ihnen eine zusätzliche Belas-tung von immerhin fast 8 Milliarden Euro entstanden.Das sind Ihre Zahlen aus dem Finanzministerium, veröf-fentlicht heute mit der Broschüre vom BDI.Man kann mit Fug und Recht sagen, dass das in dergegenwärtigen wirtschaftlichen Situation für die Kom-munen natürlich nicht günstig ist. Das ist nicht gut fürArbeitsplätze. Lassen Sie doch die Unternehmen inRuhe!
Natürlich ist es so, dass steigende Gewerbesteuerzahlenfür die Kommunen gut, aber für die Unternehmenschlecht sind. Deswegen hat man dabei immer ein la-chendes und ein weinendes Auge.Alles, was Arbeitsplätze schafft, ist sozial.
Deswegen ist es wichtig, denke ich, dass die Kommunenin Deutschland wieder investieren können. Deshalb darfman ihnen vorher nicht alles Mögliche abgraben, vor al-lem nicht das Geld,
das sie dringend für Investitionen brauchen. Investitio-nen schaffen Arbeitsplätze. Dann haben auch die Kom-munen wieder stetige Gewerbesteuereinnahmen.Wenn Sie nachlesen wollen, wie nach unserer Vorstel-lung eine Gemeindefinanzreform aussehen soll, dannschauen Sie bitte in unseren Antrag. Friedrich Merz hatdas vorhin erwähnt. Er hat ihn ausgearbeitet und er istvon der CDU und CSU gemeinsam in den Bundestageingebracht worden. Machen Sie es so, wie es da steht!Ein Beteiligungsmodell mit Hebesatzrecht ist eine sehrvernünftige Lösung, die wir gemeinsam mit den Kom-munen erarbeiten sollten. Damit hätten wir eine sichereFinanzgrundlage für die Kommunen und nicht eine der-artig volatile Grundlage wie die Gewerbesteuer, die mitder Konjunktur ständig rauf und runter geht. Das werdenwir noch erleben –
Frau Kollegin Wülfing, kommen Sie bitte zum
Schluss.
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Was haben wir denn, Frau Kollegin Wülfing? Wirtellen fest: Die Gewerbesteuereinnahmen haben sich imrsten Halbjahr 2004 deutlich positiv entwickelt.
un können wir darüber streiten, woran das im Einzel-en gelegen hat. Dass es aber eine deutlich positive Ent-icklung, wenn auch regional durchaus differenziertdas ist bei der Gewerbesteuer ja immer so gewesen –,egeben hat, ist unstrittig. Eines ist auch klar – das warine Forderung der kommunalen Spitzenverbände –:enn wir die Gewerbesteuer zu einer dauerhaften undragfähigen kommunalen Einnahmequelle machen wol-en, dann reicht es nicht aus, nur die Umlage zu senkenwir haben frühzeitig signalisiert, dass wir dazu bereitären, wenn es innerhalb eines Gesamtkonzeptes er-olgt –,
ondern dazu gehört auch die Verbreiterung der Bemes-ungsgrundlage. Das schafft Verlässlichkeit und Stabili-ät auch für die kommunale Seite.
Ich komme auch noch auf Sie zurück.Wir haben nun Mehreinnahmen bei den Kommunen.as ist zu begrüßen. Wir haben Ihnen mit dieser Aktuel-en Stunde die kleine Chance gegeben, zu sagen: Auchir als Opposition haben im Vermittlungsverfahren
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Horst Schildetwas dazu beigetragen, dass die Kommunen heute bes-ser dastehen als im letzten Jahr.
Nun gut, Sie wollten das nicht.Dann müssen wir uns aber über einen anderen Punktunterhalten: Sie negieren, dass es den Kommunen bessergeht und malen die kommunale Situation schwarz.
– Niemand sagt ja, dass wir aus dem Gröbsten heraussind. – Nun schauen wir uns aber einmal an, was einigeBundesländer machen, und erklären Sie mir einmal, wiedas vor dem Hintergrund dieser katastrophalen finanziel-len Situation in den Kommunen zu verantworten ist. DasLand Thüringen geht hin und kürzt den kommunalenFinanzausgleich im nächsten Jahr um 35 Millionen.
Kollegin Andreae hat vorhin gesagt, das Land Baden-Württemberg geht hin und kürzt den kommunalenFinanzausgleich um 123 Millionen. Nun geht das LandNiedersachsen hin und kürzt den kommunalen Finanz-ausgleich um 150 Millionen.
Wenn eine Regierung die Verantwortung für ein Landträgt, dann kann sie nicht den Gemeinden so ohne weite-res einmal 150 Millionen wegnehmen.
Das sehen ja nicht nur wir so. Den Kollegen Fromme,der sich mit seinen Zwischenrufen inzwischen völligverausgabt hat, möchte ich wenigstens lobend als einender verantwortlichen Kommunalpolitiker im Lande Nie-dersachsen erwähnen, der vehement kritisiert hat, dassdie niedersächsische Regierung, an der die FDP beteiligtist, den kommunalen Finanzausgleich gekürzt hat. Aufdiese Weise fallen natürlich die positiven Effekte, diewir den Kommunen zukommen lassen, wieder weg,wenn Sie Geld an anderer Stelle streichen.
Nachdem der Kollege Seiffert von Diebesgut gespro-chen hat, das wir zurückgegeben haben, sollten Sie sicheinmal selbst überlegen, wie Sie den Fischzug einigerCDU-geführter Landesregierungen klassifizieren wol-len, die den Kommunen an anderer Stelle das wiederwegnehmen, was wir ihnen gerade haben zukommenlassen.Kollege Fromme, ich hoffe, Sie behalten noch ein biss-chen von dem Engagement, das Sie bei meinen Vorred-nern durch Zwischenrufe an den Tag gelegt haben, zu-rück, damit Sie noch genügend Kraft haben, um Seit anSdKvMskA–KHn–WwddggHBelCm–nUdw
Ich will noch zwei, drei Sätze sagen: Hier wird dochon der CDU/CSU das Konzept vertreten – der Kollegeerz hat das auch wieder getan –, dass sie Gewerbe-teuer in der jetzigen Form nicht mehr wollen. Darüberann man ja gegebenenfalls reden.
ber dann muss man eine Alternative haben.
Herr Kollege Pinkwart, Sie haben sie nicht. In Ihremonzept ist eine Umverteilung bei der Umsatzsteuer inöhe von 12 Prozentpunkten enthalten. Sie haben aberirgendwo gesagt, woher das Geld kommen soll.
Gerechnet reicht nicht. Irgendeiner muss doch zahlen.
enn Sie den Kommunen 12 Prozentpunkte mehr gebenollen,
ann müssen Sie diesen Anteil dem Bund und den Län-ern wegnehmen. Aber diesen Punkt lassen Sie offen.Das Gleiche gilt für das, was der Kollege Merz vorhinesagt hat. Er hat in verräterischer Weise von der Beteili-ung der Gemeinden gesprochen. Was gilt denn nun:ebesatzrecht oder Beteiligung?
leibt es bei Art. 28 des Grundgesetzes? Was wollen Sieigentlich?Weiterhin muss man fragen, wie Sie die Stadt-Um-and-Problematik lösen wollen. Die Mehrheit der CDU/SU-regierten Länder im Bundesrat ist unseren Wegitgegangen, weil sie in kluger Vorausschau wusstenauch Herr Faltlhauser hat das gesagt –, dass Ihr Modellicht ausgereift ist und dass damit die Probleme Stadt/mland nicht zu lösen sind.Ich bitte Sie: Wenn Sie schon Vorschläge machen,ann feilen Sie sie so aus, dass nicht mehr Fragen aufge-orfen als beantwortet werden.Ich danke Ihnen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004 11511
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Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Sehr geehrte Gäste, ich bin Abgeordnete der PDS.
Die „taz“ titelte am Dienstag im Bezug auf die SPD
sehr zutreffend: „Wahlverlierer in Siegerlaune“. Ein biss-
chen empfinde ich auch diese Debatte so. Sie, meine
Damen und Herren von der SPD, tun so, als hätten Sie
die Gemeinden aus ihrer Finanznot gerettet. Es müsste
Ihnen doch aufgefallen sein, dass die Vertreter der Kom-
munen die von der Bundesregierung verbreitete Eupho-
rie nicht teilen können.
Am Mittwoch hat Bundesminister Stolpe viele warme
Worte zum Stand der deutschen Einheit und zur wirt-
schaftlichen Entwicklung im Osten gesagt; die Bundes-
regierung hat gar die wirtschaftliche Wende entdecken
wollen. Das Konjunkturbarometer des Instituts für Wirt-
schaftsforschung in Halle spricht jedoch eine andere
Sprache. Die Wirtschaft in Ostdeutschland hat im ersten
Halbjahr mit der konjunkturellen Entwicklung im Wes-
ten Deutschlands und im Ausland nicht mithalten kön-
nen. Der gravierende Unterschied zwischen den Kom-
munen in Ost und West bleibt. Die Steuereinnahmen
ostdeutscher Kommunen erreichen im Vergleich mit de-
nen westdeutscher Städte und Gemeinden nur ein Ni-
veau von 30 Prozent.
Aber auch die westdeutschen Kommunen leiden
finanzielle Not. Es kann doch wohl nicht als Erfolg ver-
rechnet werden, dass die kommunalen Investitionen im
vergangenen Jahr weiter gefallen sind und um ein Drittel
unter dem Stand des Jahres 1992 lagen. Ganz im Gegen-
satz zu den gesunkenen Investitionen sind die Sozialaus-
gaben in den Kommunen dramatisch gestiegen. Ich
nehme noch einmal das Jahr 1992 als Bezugspunkt, ob-
wohl ein Redner neulich gesagt hat, dass man mit dem
Nennen jeder neuen Zahl ein Drittel seiner Zuhörer ver-
liert:
Im Jahr 2004 werden die Sozialausgaben der Kommu-
nen um 45 Prozent über dem Niveau von 1992 liegen. Es
gibt also eine totale Schieflage.
Ich glaube, es ist eine gefährliche Illusion, zu glauben
– das wird verbreitet –, dass im Ergebnis von Hartz IV
die Kommunen entlastet werden. Das Gegenteil wird der
Fall sein.
Auch deshalb gehört Hartz IV grundlegend korrigiert.
Die Folgekosten von Hartz IV werden die Kommunen
empfindlich belasten.
Wenn jetzt der Anstieg der Einnahmen aus der Ge-
werbesteuer im letzten halben Jahr als Erfolg gefeiert
wird, halte ich das für kurzsichtig. Dem stellvertretenden
Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeinde-
tages ist zuzustimmen, wenn er sagt: „Kassensturz wird
erst zum Jahresende gemacht.“
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as lassen wir Ihnen wirklich nicht durchgehen. Dazuraucht man auch keine rosarote Brille.
Ich selbst bin bis vor anderthalb Jahren 20 Jahre langommunalpolitikerin, Bürgermeisterin und Amtsvorste-erin gewesen; Herr Kollege Kampeter, Sie wissen das.
nsofern betrachte ich die Kommunalfinanzen mit gro-em Interesse. Ich weiß, dass es im Hinblick auf dieommunalfinanzen grundsätzlich noch keine Entwar-ung gibt.
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11512 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004
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Bettina HagedornAber da gleich mehrere Ihrer Redner fälschlicher-weise gesagt haben, dass die Gewerbesteuerumlagesen-kung irgendetwas mit der jetzigen Botschaft von den gu-ten Zahlen zu tun habe, müssen wir wirklich an Ihremfinanzpolitischen Sachverstand zweifeln.
Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen sagen, dasses natürlich unbestritten ist – dies wird in einem Artikelim „Handelsblatt“ vom 16. September dieses Jahresbestätigt –, dass die konjunkturelle Entwicklung dereigentliche Faktor für die jetzt positiven Zahlen ist.
Im Zusammenhang mit der Gemeindefinanzreform, diewir gemeinsam im Vermittlungsausschuss beschlossenhaben, zeitigt die Mindestgewinnbesteuerung, die derKollege Merz vorhin als eine zusätzliche Steuererhö-hung gegeißelt hat, jetzt bei den Kommunen erste Er-folge.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Siesollten sich schon entscheiden: Auf der einen Seite kriti-sieren Sie öffentlich vor Mikrofonen – ich muss Sie da-ran erinnern –, dass ein Großunternehmen wie Vodafoneversucht, die Verluste aus den Vorjahren mit dem Ge-winn zu verrechnen. Auf der anderen Seite geißeln Sieunsere Mindestgewinnbesteuerung als eine Steuererhö-hung. Sie sollten sich überlegen, wie Sie das den Bürge-rinnen und Bürgern erklären wollen.
Darüber hinaus ist es völlig unbestritten, dass sich ne-ben den Einnahmen aus der Mindestgewinnbesteuerungund den Auswirkungen der positiven Konjunktur dieSenkung der Gewerbesteuerumlage bis zum Jahresendebei den Kommunen positiv bemerkbar machen wird. Da-bei ist mit 2,5 Milliarden Euro zu rechnen.
Es hätte natürlich aus unserer Sicht noch viel besserkommen können; an uns hat es aber nicht gelegen. Wennman in die Gewerbesteuerreform, so wie wir sie gewollthätten, zusätzlich die Freiberufler einbezogen und mandie Bemessungsgrundlage verbreitert hätte, dann wärengerade in Kommunen in strukturschwächeren Regionenmehr Gelder angekommen.
Ich möchte aber Ihren geschätzten Blick ein bisschendarauf richten, dass für das kommende Jahr unter ande-rem im Zusammenhang mit Hartz IV eine zusätzlicheVSndEnrdSd–sKttbEeBifdH1uFddUsdnDA
in entscheidender Punkt ist: Was machen die Kommu-en jetzt mit diesem Geld? Wenn sie nämlich auf Sie hö-en, die Sie unseren Standort weiter schlechtreden,
ann wird dieses Geld in erster Linie – dies ist von Ihrereite bereits angekündigt worden – zur Entschuldunger Kommunen genutzt.
Nein, das ist völlig unvernünftig. Es ist nämlich nichto, dass wir als Bund in unsere Tasche greifen, damit dieommunen dann letzten Endes eine Entschuldungspoli-ik betreiben. Nein, das Geld wird für öffentliche Auf-räge vor Ort bzw. zur Ankurbelung der Wirtschaft ge-raucht.
s wird, Herr Kampeter, wenn ich mir diese Bemerkungrlauben darf, vor allen Dingen zur Verbesserung vonildung und Betreuung in den Kommunen gebraucht; dast sich Rot-Grün mit der Wirtschaft vollkommen einig.
Auch da hören wir schon, dass die Kommunen dieeste Vereinbarung, die es hier gegeben hat, nämlich vonen 2,5 Milliarden Euro, die im Zusammenhang mitartz IV bei den Kommunen verbleiben werden,,5 Milliarden Euro insbesondere in die Betreuung dernter Dreijährigen zu investieren, nicht einhalten wollen.ür dieses Programm haben wir in Deutschland nicht nurie Unterstützung der Wirtschaft, sondern auch führen-er gesellschaftlicher Kräfte und im Übrigen auch dienterstützung vieler Frauen aus Ihren Reihen.
Nun bringen wir in diesem Zusammenhang einen Ge-etzentwurf in den Bundestag ein. Frau Gönner aus Ba-en-Württemberg hat ja schon angekündigt, das Gesetzicht in Kraft treten lassen zu wollen.
azu muss ich Ihnen sagen: Damit stellen Sie sich einrmutszeugnis aus.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004 11513
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Bettina HagedornVon den über 6 Milliarden Euro, mit denen die Kommu-nen ab dem kommenden Jahr durch die Kombinationvon Gewerbesteuerreform, Hartz IV und anderen Geset-zen besser gestellt werden
– ich kann Ihnen die Zahlen einmal in Ruhe darlegen,Herr Kampeter –, sollen 1,5 Milliarden Euro für die Be-treuung der unter Dreijährigen bereitgestellt werden. Wirstreben nach dem Gesetz 230 000 zusätzliche Betreu-ungsplätze bis zum Jahr 2010 an, 60 000 im nächstenJahr und durchschnittlich 34 000 in den Folgejahren. DieKommunen sind frei in der Gestaltung, in welchem Um-fang sie diese Plätze pro Jahr bereitstellen werden.Der entscheidende Punkt ist, dass wir bei der Schaf-fung der 230 000 zusätzlichen Plätze auf die Finanzsi-tuation der Kommunen Rücksicht genommen haben.
Frau Kollegin Hagedorn!
Wenn im nächsten Jahr 400 Millionen Euro investiert
werden, verbleiben noch 1,1 Milliarden Euro –
Sie haben Ihre Redezeit weit überschritten. Ich muss
leider intervenieren.
– bei den Kommunen, um die Erfüllung öffentlicher
Aufträge zu gewährleisten bzw. um im Rahmen der
Ganztagsbetreuung – wir haben 4 Milliarden Euro für
bessere Bildung und Betreuung zur Verfügung gestellt –
ergänzend tätig zu werden.
Vielen Dank, Frau Kollegin.
Ich appelliere an die Kommunen, das Geld in die
Hand zu nehmen –,
Vielen Dank!
und zwar zugunsten der Familien.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:
A
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d
S
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, Jörg Tauss, Doris Barnett, weiterer
, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter
, weiterer Abgeordneter und der
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11514 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004
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Das würde mich an sich nicht weiter stören. Sie wollendas aber natürlich auf Kosten der Steuerzahler machen.Das bereitet Probleme, die Sie nicht lösen können, ja,leider auch gar nicht erst lösen wollen. Sie werden nichterklären, woher das Geld für die Programme der be-mannten Raumfahrt kommen soll. Sie merken es: Ichsage auch voraus, was Sie nicht sagen werden.Diese inhaltliche Lücke wird Sie aber nicht daran hin-dern, die Regierungskoalition anzugreifen, weil für dieRaumfahrt, insbesondere im Rahmen des nationalenProgramms, zu wenig Geld zur Verfügung gestelltwerde.Der Reihe nach: Über die Bedeutung der Raumfahrtmuss ich hier wohl nicht mehr viel sagen.
Sie ist von großer strategischer Bedeutung, Motor deswissenschaftlichen und technologischen Fortschritts,schafft Arbeitsplätze und hilft, Probleme auf der Erde zulösen: vom Umweltschutz über Kommunikation und Na-vigation, Katastrophenschutz usw.Wir brauchen aufgrund der Bedeutung der Raumfahrt ei-nen eigenen, einen unabhängigen Zugang zum Weltraum.Wir dürfen uns in diesem Schlüsselbereich nicht von an-deren Staaten abhängig machen. Die bringen doch dieeigene Konkurrenz nicht in den Weltraum, und wenn,dann nur zu härtesten Bedingungen.Natürlich schaffen wir Deutsche das nicht allein. Wirbenötigen die enge Zusammenarbeit mit unseren europäi-schen Freunden. Wir wollen darum – das ist einer derwichtigen Punkte unseres Antrages – die EU stärker ein-beziehen. Damit erhalten wir eine breitere Basis für dieeuropäische Raumfahrt und können insbesondere die an-wendungsorientierten Aktivitäten durch Beteiligung derNutzer bei Konzeption und Finanzierung stärken.
Wir dürfen darüber aber nicht die nationalen Anstren-gungen vernachlässigen. Wir können nicht einfach sotun, als ob Europa das alles für uns erledige. Nur wer inder ersten Reihe mitmischt, wird auch richtig von derRaumfahrt profitieren können.
zkürRgglwfsZiBluARdwreDDdnduDlnUsfdImtevhbmd
undesministerin Bulmahn hat in diesem Feld ein wirk-ich glanzvolles Verhandlungsergebnis erreicht
nd den Trägerbereich neu strukturiert, die deutschenusgaben begrenzt und darüber hinaus den Abbau desückflussdefizits vereinbart. Ich fürchte, das gehört zuen wichtigen Dingen, die die CDU/CSU verschweigenird.
Galileo bietet eine riesige Chance für Europa und ge-ade auch für Deutschland. Die Bundesregierung hat hierinen weiteren tollen Erfolg zu verzeichnen, denn sie hateutschland die Führung des Projektes erstritten.
och wir dürfen uns damit nicht zufrieden geben, son-ern müssen die daraus resultierenden Möglichkeitenutzen. Wir müssen das System auf die Beine stellen undarauf achten, dass die Zusammenarbeit von öffentlichernd privater Seite funktioniert und dass Unternehmen ineutschland Nutzen daraus ziehen.Bei dem vielleicht Schwierigsten, der internationa-en Raumstation ISS, können wir derzeit allerdingsicht viel mehr machen als warten: warten auf dieSA, darauf, ob die Vereinigten Staaten zu ihrem Worttehen und die Raumstation mit dem Space Shuttle an-liegen und dann die ISS mit unserem Forschungsmo-ul Columbus fertig stellen. Erst dann können wir dieSS auch richtig nutzen.Um auch von den Finanzen her die Dimension klar zuachen: Deutschland ist der größte europäische Bei-ragszahler für die Raumstation. Jährlich werden dafürtwa 100 Millionen Euro aus deutschen Steuermittelnerwendet. Insgesamt wurden dafür von uns bereitseute über 1 Milliarde Euro ausgegeben. Das kann manegrüßen oder auch kritisch sehen; das ist aber nichtein Punkt. Mein Thema ist, dass es vollkommen vonen USA abhängt, ob unsere Ausgaben irgendwann auch
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004 11515
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Swen Schulz
einmal einen Nutzen bringen. Wir bauen Columbus unddas Teil wartet in irgendeiner Halle darauf, dass sich derUS-Präsident erbarmt und es mit nach oben auf dieRaumstation nimmt.
Ich will mich nicht zu lange mit den Fehlleistungen derRegierung Kohl aufhalten; wir können das heute nichtmehr ändern. Wir sind vertragstreu und fordern auch dieUSA dazu auf.
Dafür allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen vonder CDU/CSU, dass Sie nach dieser Erfahrung jetzt mitden Amerikanern offenbar ein neues Abenteuer der be-mannten Raumfahrt eingehen wollen, fehlt mir jedesVerständnis.
Sie stellen sich hier hin, befreit von jedwedem lästigenRealitätssinn, und fordern, dass wir im Himmel einenJahrmarkt veranstalten. Das geht nicht.
Sie wissen dabei genau, dass wegen des Aufwandes fürSicherheit und Überlebenssysteme die Kosten fürbemannte Raumfahrt um ein x-faches höher sind alsfür unbemannte Raumfahrt. Aber selbst wenn Sie denganzen Aufwand bewältigen, die technischen Problemelösen und alles bezahlen können, stellt sich immer nocheine kleine, aber nicht ganz unwichtige Frage: Wenn Sieeinen Menschen auf den Mars gebracht haben, was sollder dann da bitte schön machen? Die europäische Fahnein roten Sand rammen und dann wieder nach Hause flie-gen?
Ich bitte alle: Bleiben Sie auf dem Teppich! Die Kos-ten-Nutzen-Relation der unbemannten Raumfahrt istnicht zu schlagen. Es steht das schöne Wort von Bundes-ministerin Bulmahn: Die Amerikaner können ja gernezum Mars fliegen – unser Roboter wird ihnen die Türaufmachen.
Sie mögen einwenden, dass wir Visionen brauchten.Okay, aber leider verwechseln Sie wie so oft Visionenmit Spinnerei
und kümmern sich dabei nicht darum, dass wir zunächstdie real vor uns liegenden Herausforderungen bewälti-gen müssen. Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche,wir stellen die Grundlage her, auf der dann neue Vorha-ben verantwortbar konzipiert werden können, keinefragwürdigen Prestigeprojekte, sondern effiziente For-schung, Entwicklung und Anwendung.Zum Abschluss natürlich noch ein paar Worte zumGeld. Gestern im Ausschuss haben wir gehört, dass Sie3bSDangbDtmaidBfnhidecsdEetdfmhCDdAwks
as hörte sich nicht mehr so gut an und vertrüge sich na-ürlich auch nicht mit Ihren ständigen Forderungen nachehr Ausgaben.Wir haben einen Weg vorgeschlagen, der nicht leicht,ber tatsächlich gangbar ist, nämlich in die Köpfe anstattn Beton zu investieren. Wir geben heute Milliarden fürie Eigenheimzulage aus, Geld, das wir dringend fürildung und Forschung benötigen, auch für die Raum-ahrt.In unserem Antrag steht, dass insbesondere die natio-ale Raumfahrt finanziell gestärkt werden muss; ichatte schon auf ihre Bedeutung hingewiesen. Wir habenn dieser schwierigen Haushaltslage eine Stabilisierunger Ausgaben erreicht. Aber es ist richtig, wir benötigeninen Aufwuchs. Ich schlage Ihnen daher eine Abma-hung vor: Sorgen Sie dafür, dass die CDU/CSU der Ab-chaffung der Eigenheimzulage zustimmt, und ich sorgeafür, dass die Ausgaben für die Raumfahrt steigen.
ine solche Zusage von Ihnen würde mich freuen,benso, wenn Sie hier erklärten, dass Sie keine Aben-euer fordern, oder wenigstens sagten, woher die Milliar-en kommen sollen. Es würde mich überraschen, aberreuen. Dann könnte ich auch verschmerzen, dass es miteinen hellseherischen Fähigkeiten doch nicht so weiter ist.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Georg Nüßlein von der
DU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Ich finde es zunächst spannend,ass der geschätzte Kollege Schulz hier Astrologie undstronomie vermischt hat. Nicht spannend finde ich das,as Sie uns vorhergesagt haben, weil hier im Hause be-annt ist, dass Sie die Probleme und Schwierigkeitenehr wohl kennen, nur nicht an deren Lösung arbeiten.
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11516 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004
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Dr. Georg NüßleinAngesichts dessen sind Vorhersagen alles andere als eineKunst.Nun sind Vorhersagen hier auch deshalb nicht schwie-rig gewesen, weil wir uns bei der letzten Debatte schein-bar weitgehend und fraktionsübergreifend über die Be-deutung der Raumfahrt einig waren. Natürlich muss manbei so viel Einigkeit ein bisschen zwischen den Zeilenlesen. Es spricht Bände, wenn der Kollege Hettlich vonden Grünen in der letzten Debatte relativiert hat:Die technologischen Fortschritte durch die Raum-fahrt wurden und werden auch heute noch etwasüberschätzt.
– Nein, das haben Sie nicht gesagt. Das ist im Protokollnachzulesen.Ich bin froh, dass trotzdem die Schlussfolgerungen al-ler Beteiligten ähnlich ausfallen: Wir wollen den natio-nalen Etat aufstocken, kleine und mittlere Unternehmennach wie vor an der Raumfahrt beteiligt wissen, den wis-senschaftlichen und technischen Nachwuchs fördern unddie europäische und internationale Zusammenarbeit aus-bauen. Nun ist es ein halbes Jahr her, dass wir an dieserStelle diskutiert haben. Daher dürfen wir die Frage stel-len, was in diesem halben Jahr passiert ist.
Die Regierung hat ziemlich zeitgleich mit der letztenDebatte eine Innovationsoffensive angekündigt.
Dass seit sechs Jahren keine innovativen Impulse aus derPolitik kommen, bildet sich mittlerweile in der Wirt-schaft deutlich ab. Im Jahr 1999 waren 60 Prozent derUnternehmen mit Produktinnovationen auf demMarkt, 2002 waren es nur noch 53 Prozent. Bei den Pa-tentanmeldungen wurde Deutschland nach 13 JahrenVorreiterrolle im Jahre 2003 erstmals von Japan überrun-det. Der Anteil forschungsintensiver Erzeugnisse am Ex-port sinkt. Im Jahr 2000 importierte Deutschland im Be-reich der Spitzentechnologie erstmals mehr, als esexportierte.
– Auf diese Bemerkung komme ich noch zurück.Ihre Innovationsoffensive, meine Damen und Herren,ist und bleibt eine Ankündigungsoffensive. Mir persön-lich stellt sich die Frage, was Sie noch ankündigen könn-ten, wenn Sie all das, was Sie in den letzten sechs Jahrenangekündigt haben, auch umgesetzt hätten. Gar nichts!Genauso viel ist passiert. Als ein Stichwort nenne ich dieEliteuniversitäten. Es wäre gut, wenn wir uns um dieEliten kümmerten. Allein am Deutschen Luft- undRaumfahrtzentrum rangeln momentan 400 Doktorandenum eine Festanstellung, die sie nicht bekommen werden.Die Frage, wohin sie gehen werden, ist schnell beant-wmNWla–zzrdsfEdnlein–aReaDwkimkHSfcüwUJvmd
ach aktuellen Umfragen sind 70 Prozent der deutschenissenschaftler in den USA nicht gewillt, nach Deutsch-nd zurückzukommen.
Das ist so wie mit dem Schwarzgeld: Nur zum Steuer-ahlen, Herr Tauss, kommt niemand nach Deutschlandurück.
Die Innovationsoffensive nimmt man dieser Regie-ung nicht ab. Wer bei der Kernenergie Experten ausem Land treibt oder die Grüne Gentechnik im Keim er-tickt, dem nimmt man so etwas nicht ab. Bei der Raum-ahrt habe ich – auch nach Ihrer Rede, Herr Schulz – denindruck, dass es gerade einmal darum geht, bestehen-en internationalen Verpflichtungen nachzukommen, abericht darum, weiterzudenken und sich die Frage zu stel-n, wie man in diesem Bereich der Spitzentechnologie Deutschland langfristig vorankommt.
Daran arbeiten Sie schon sechs Jahre.Wir haben das letzte Mal eine langfristige Strategiengemahnt. Da kam reflexartig der Verweis auf Ihraumfahrtprogramm. Das ist nichts Langfristiges; dasndet im Jahr 2006. Die Raumfahrt denkt aber in ganznderen Zyklen.
as wissen Sie. Die Rosetta-Mission zum Beispielurde Mitte der 80er-Jahre gestartet. Der Start der Ra-ete war heuer und die Landung auf dem Kometen wird Jahre 2014 stattfinden. Heutige Haushaltsschwierig-eiten sind nicht die Haushaltsschwierigkeiten vonelmut Kohl; das sind Ihre Haushaltsschwierigkeiten.
ie können nicht die Strategie in der Luft- und Raum-ahrt auf alle Zeiten dominieren.Es geht doch um Fragen der kompetenten Standortsi-herung, um Wachstum. Ich muss mir doch, wenn ichber Strategie rede, erst einmal die Frage stellen: Woill ich hin?
nd dann: Mit welchen Mitteln kann ich das erreichen?etzt sage ich einmal etwas Positives – das haben Sieorhin ja angemahnt; ich hätte es aber auch so ge-acht –: Deshalb finde ich es gut, Frau Ministerin, dassas Ministerium und das DLR am Freitag darüber disku-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004 11517
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Dr. Georg Nüßleintieren werden. Ich bitte Sie nur: Machen Sie keinenDauerlutscher daraus, nicht etwas, was ewig dauert, son-dern etwas, was auch zu konkreten Ergebnissen führt.Denn die Wirtschaft braucht ganz dringend Verlässlich-keit der Politik. Das gilt besonders für die kleinen undmittleren Unternehmen, die in der schwierigen Situationsind, dass auf der einen Seite Impulse des Staates undder Politik für den Bereich der Raumfahrt fehlen unddass auf der anderen Seite die wirtschaftlichen Rahmen-bedingungen in Deutschland momentan so schlecht sind,dass man sich schwer tut, durch Anwendungsorientie-rung Standbeine zu schaffen.
– Ich weiß nicht, was die Eigenheimzulage mit derRaumfahrt zu tun hat.
Ich sage Ihnen eines:
Wenn Sie ein Wohnungsbauprojekt auf dem Mond pla-nen würden, dann wäre das visionär. Mit dieser Eigen-heimzulage – das ist die einzige diesbezügliche Debatte,die wir momentan im Bundestag führen – versuchen Sie,alle Probleme, die sich im Haushalt aufgetürmt haben,zu lösen.
Die Größenordnung, um die es sich bei der Eigenheim-zulage handelt, ist dafür überhaupt nicht geeignet.
Im letzten Jahr wollten Sie mit diesem Geld nicht for-schen; im letzten Jahr wollten Sie noch konsolidieren.Heute wollen Sie forschen. Ich bin gespannt, was Sieübermorgen mit der Eigenheimzulage machen wollen.So können wir natürlich die Probleme in diesem Landnicht lösen.
Neben der Eigenheimzulage gibt es auch noch einenanderen Punkt: Wenn Ihnen nichts mehr einfällt, dannfordern Sie immer die Mitverantwortung der Industrieund der Wirtschaft ein.
Pflicht ist offenbar, meine Damen und Herren, das, wasSie von den anderen erwarten. Ich sage: Tun Sie IhrePWltetRPrmsdjddaeIfihddvDzEddfrkbdrdrlPFdAi
Ich sage auch deutlich, warum wir hier darüber disku-ieren. Ich bin der Überzeugung, dass auf dem Gebiet deraumfahrt der Staat in ganz besonderer Weise in derflicht ist. Ich habe schon bei der letzten Debatte da-über versucht, zu betonen, dass es Grenzen der Kom-erzialisierbarkeit gibt. Das gilt für die Grundlagenfor-chung – da sind wir uns einig –; das gilt aber auch füren Bereich der Anwendungsorientierung.Sie haben das Stichwort Galileo gebracht. Da geht esa auch weiter. Wir erkennen den Erfolg sehr wohl an,er sich darin zeigt,
ass der Sitz von Galileo Industries in München ist –uch deswegen, weil ich aus Bayern komme. Ich sehebenfalls, dass in den neuen Bundesländern Leute aufmpulse rechnen, etwa auf ein Geoforschungszentrumür Potsdam. Das sind alles wichtige Themen. Aber dasst nicht das Allheilmittel für die Raumfahrt.Die Arbeitsplätze, die im Rahmen von Galileo entste-en, werden im Endgerätebereich entstehen. Wir tun unsabei noch etwas schwer mit der Umsetzung. Es kannoch niemand genau sagen, ob die Investition 2,6, 2,7 oderielleicht sogar 3,5 Milliarden Euro ausmachen wird.as ist aufzubringen, wenn man absehen kann, dass esu Rückflüssen kommen wird, dass Geld verdient wird.s können nicht die Autofahrer allein sein, die das überas Navigationssystem bezahlen werden. Weitere Kun-en könnten sein: die Bahn, die Schifffahrt und die Luft-ahrt. Aber wir werden auch das Militär benötigen.Da sind wir schon an einem Punkt, an dem wir unseichlich schwer tun. Das Militär nutzt noch bis 2015ostenlos GPS. Wir werden in diesem Haus die Frageeantworten müssen, was uns die Unabhängigkeit vonen USA in diesem Bereich wert ist. Der Staat wird da-über hinaus sicherstellen müssen, dass dieses Signalauerhaft vorhanden ist, dass Galileo also dauerhaft füh-end ist. Das ist nur durch staatliche Bürgschaften mög-ich. Insofern wird sich der Staat hier nicht aus derflicht nehmen können.Sie haben angesprochen, dass all dies eine Frage derinanzierung ist. Das ist richtig. Es ist nicht so, dass wiriesen Aspekt ausblenden. Aber ich sage ganz deutlich:n der Finanzmisere, in der wir uns momentan befinden,st einzig und allein diese Regierung schuld.
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Dr. Georg NüßleinSie haben sie zu verantworten.
– Durch die Streichung der Eigenheimzulage kann manan dieser Situation, allein aufgrund der Größenordnung,null Komma nichts ändern.
– Herr Schulz, nachdem Sie nun sechs Jahre an der Re-gierung sind, können Sie nicht immer noch nach der Ma-nier „Haltet den Dieb!“ verfahren und sagen, die Regie-rung Kohl sei schuld.
Ich sage Ihnen: Schaffen Sie finanz- und wirtschaftspoli-tische Rahmenbedingungen, die zu Wachstum führen!Nun konkret zum Haushalt: Wir waren einhellig derMeinung, dass das nationale Programm gestärkt wer-den muss, weil es der Schlüssel ist, mit dem in Europamehr Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden kann. Aberwie sieht die Realität aus? In Deutschland beträgt dasVerhältnis zwischen den Mitteln für das nationale Pro-gramm und dem ESA-Beitrag 20 zu 80. In Frankreich istdas Verhältnis umgekehrt, 65 zu 35, und zwar auf deut-lich höherem Niveau. In Italien beträgt es etwa 50 zu 50.Unsere Partner bereiten sich auf die neuen EU-Kom-petenzen schlicht und einfach besser vor. Ich habe denEindruck, wir wollen all unsere Probleme und Ein-schränkungen wieder „wegeuropäisieren“ bzw. weghar-monisieren. Aber wir werden erleben, dass der Wettbe-werb der Volkswirtschaften auch in einem geeintenEuropa bestehen bleibt. Das wird auch für die Luft- undRaumfahrt gelten.Was ist also aus unserer gemeinsamen Forderungnach Aufstockung des nationalen Programms geworden?Herr Schulz, meine Prognose war richtig: Die Fraktio-nen von SPD und Grünen fordern eine Aufstockung desnationalen Raumfahrtprogramms, die Regierung aberstockt die Schulden auf.
Seit dem Regierungswechsel im Jahre 1998 erodiertdas nationale Programm zunehmend: Die Mittel wurdenvon 167 Millionen Euro im Jahr 1998 scheibchenweiseauf 138,3 Millionen Euro reduziert.
Jetzt werden Sie zwar einwenden, dass sie im Moment145,5 Millionen Euro betragen. Aber ich sage Ihnen:Von diesen 145,5 Millionen Euro sind derzeit noch18 Millionen Euro gesperrt. Gelder, die im Oktobereines Jahres noch gesperrt sind, stehen faktisch nicht zurVerfügung. Das ist reine Augenwischerei und Makulatur.Das muss man in dieser Deutlichkeit sagen.ävsgmE5Draüu2isiPsdgd–sdsuDSmmMtDlr2dddspBga
Wenn sich am nationalen Programm künftig nichtsndert, dann stellen sich die Fragen: Wie sollen wir dieon der EU geforderte Kofinanzierung aufbringen? Wieollen wir im Rahmen des 6. Forschungsrahmenpro-ramms erfolgreich sein? Dann zieht auch der Einwand,it dem ich eigentlich gerechnet habe, nicht, dass derSA-Beitrag seit 1998 von 494,4 Millionen Euro auf61,75 Millionen Euro aufgestockt wurde.
enn abgesehen davon, dass dieser Betrag nicht aus-eicht, werden sich durch Galileo, ISS und Launcherußerordentlich hohe Mehrkosten ergeben.Im nächsten Jahr wollen Sie den ESA-Beitrag gegen-ber der Anforderung des BMBF um 10 Millionen Eurond gegenüber dem Finanzplan für das Jahr 2003 um0 Millionen Euro reduzieren. Man könnte sagen: Dasst wunderbar! Das war unser Vorschlag. Es ist ja nichto, dass wir keine Finanzierungsvorschläge machen. Dasst ein Vorschlag, wie man die Mittel für das nationalerogramm schrittweise anheben könnte. Aber was pas-iert? Genau das Gegenteil: Die Einsparungen kommener Aufstockung des nationalen Programms nicht zu-ute. Die Millionen verschwinden im schwarzen Loches rot-grünen Haushalts.
Geld ist nicht alles und die Zurufe von Herrn Taussind es Gott sei Dank auch nicht. Es ist schon traurig,ass der liebe Gott Sie mit so einer lauten Stimme ausge-tattet hat. Da sieht man, dass unser Herrgott auch nichtnfehlbar ist.Es ist nicht immer nur eine Frage des Geldes, meineamen und Herren. Diese Erfahrungen haben der Herrtaatssekretär Dudenhausen und einige Kollegen ge-einsam mit mir bei einem Raketenstart in Kourou ge-acht. Es gab dort erst nach Drängen der CDU/CSU-itglieder eine deutsche Führung. Die Franzosen konn-en oder wollten nicht erklären, welche Raketenteile auseutschland kommen. Jetzt kann man sagen: Das ist al-es entschuldbar. Nur eines muss man klar sehen: Frank-eich finanziert etwa 27 Prozent der ESA, wir etwa5 Prozent. Deshalb ist eine französische Dominanz iniesem Ausmaß nicht gottgegeben und wir sollten allesaransetzen, daran etwas zu ändern. Das ist eine Fragees Auftretens, der Ansprüche und des Selbstbewusst-eins.Mir ist daran gelegen, dass wir unsere Wettbewerbs-osition verbessern und ausbauen und dass wir unserenlick nicht zu sehr einschränken. Wir dürfen unsere sehrute Ausgangsposition, wie ich meine, nicht leichtfertigufs Spiel setzen,
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004 11519
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Dr. Georg Nüßleininsbesondere mit Blick auf die internationale Raumsta-tion ISS, an deren Nutzung Deutschland ein außeror-dentliches Interesse haben muss.Unabhängig davon, wie ernst man Ankündigungenvon Präsident Bush nimmt: Die bemannte Basis auf demMond mag teuer und visionär sein, ich weiß aber, dasssie hier im Saal manchem weniger zu teuer als vielmehrzu visionär ist. Dennoch sollten wir nicht von vornhereinThemen ausschließen, nur weil nicht sein kann, was inden Augen von Rot-Grün nicht sein darf.
Meine Damen und Herren, Herr Tauss, als die Loko-motive erfunden wurde, haben skeptische Mathematikerpräzise nachgewiesen, dass sie nicht auf glatten Schie-nen fährt, weil die Räder durchdrehen. Präzise falsch.Vielen herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Peter Hettlich, Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! In einem sind wir uns sicherlich einig: Die
Raumfahrt ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzuden-
ken. Sie hat in den vergangenen Jahrzehnten in vielen
Bereichen, manchmal sogar unbemerkt, unverzichtbare
Funktionen übernommen, sodass es uns heute gar nicht
mehr möglich ist, zum Beispiel ohne Wetter-, Telekom-
munikations- oder Fernsehsatelliten auszukommen. Eng
verknüpft ist damit die Raumfahrtforschung, die durch
ihre technologische und wissenschaftliche Arbeit vielen
Innovationen auch den Weg in andere Technologiefelder
bereitet hat. Aber – das möchte ich Herrn Nüßlein ins
Stammbuch schreiben – die bemannte Raumfahrt konnte
viel dazu beitragen, weil es in erster Linie um die Ver-
lässlichkeit von Bauteilen ging! Das war nämlich lebens-
notwendig für die Astronauten. Die Technologie von
Apollo und dem Space Shuttle ist zum Teil auch heute
noch regelrecht archaisch.
Die Raumfahrt leistet aber auch einen unverzichtba-
ren Beitrag zur Beantwortung der Menschheitsfragen
nach der Entstehung und Zukunft unserer Welt oder un-
seres Universums. Von zentraler Bedeutung ist dabei
auch die Frage, ob es Leben – in welcher Form auch im-
mer – außerhalb unseres Planeten gibt bzw. gegeben hat,
womöglich sogar in unserem Sonnensystem. Als lang-
jähriger engagierter und begeisterter Amateurastronom
verfolge ich über das Internet beinahe täglich die aktuel-
len Expeditionen auf dem Mars und am Saturn. Die Pro-
duktion täglich neuer, fantastischer Bilder des Mars Ex-
press, des Mars Rover oder der Saturnsonde Cassini ist
nur die eine Seite.
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Machen wir, gerne, vielleicht sogar im Bundestag.
Ich bin einmal gespannt, welche Redezeiten die Frak-
ionen dafür anmelden.
Diese Missionen haben uns darüber hinaus bereitsetzt einen riesigen Erkenntnisgewinn gebracht – ichann es nur jedem empfehlen, diese Internetseiten ein-al aufzurufen –: So haben uns die Bilder des Marsover „Opportunity“ nicht nur die faszinierende Welter Landestelle „Meridiani Planum“ näher gebracht,ondern mithilfe des an Bord befindlichen Mössbauer-assenspektrometers auch den Nachweis führen kön-en, dass in diesem Gebiet vor langer Zeit eine großeagune mit salzhaltigem Wasser existiert haben muss.en Beweis, dass es tatsächlich Leben auf dem Mars ge-eben hat, sind uns diese Sonden zwar noch schuldig ge-lieben, aber ein bisschen spannend darf es aber ruhigoch bleiben: Schließlich regt das die Fantasie an.
Warum bin ich jetzt etwas ausführlicher auf diese ak-uellen Missionen eingegangen? Sie sind für mich zuminen ein Beweis dafür, dass deutsche und europäischeaumfahrttechnologie und -forschung absolute Welt-pitze darstellen, und zum anderen zeigen diese Missio-en deutlich, dass wir zur Erforschung ferner Welteneine bemannten Missionen brauchen.Das vorgenannte Mössbauer-Massenspektrometer aufem US-amerikanischen Mars Rover wurde beispiels-eise von der Universität Mainz entwickelt und gebaut.ie jetzt schon legendäre Stereokamera auf der europäi-chen Mars-Express-Sonde stammt aus der Schmiedeon Professor Neukum von der FU Berlin. Auch an deraturnmission Cassini ist Europa – und damit aucheutschland – mit dem Mondlander Huygens beteiligt.
Diese ausgewählten Beispiele sind nur ein kleinerusschnitt, aber ein Beweis für die hohe Anerkennung,ie deutsche und europäische Raumfahrtexperten inter-ational – auch bei den Amerikanern – genießen. Sie zei-en uns aber auch, dass wir trotz einer von uns gewolltennd geförderten gemeinsamen europäischen Raumfahrt-olitik weiterhin ein nationales Raumfahrtprogrammenötigen. Daher ist es auch wichtig, dass wir in unse-em Antrag fordern, dass wir unsere mittelfristige Fi-anzplanung auf eine Neuorientierung der programmati-chen Zielsetzung des nationalen Raumfahrtprogrammsit dem Ziel einer Verstetigung des Mittelflusses undamit einer Absicherung und des Erhalts deutscherompetenzen abstimmen.
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11520 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004
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Peter HettlichIch will an dieser Stelle aber betonen: Wir könnenund wir werden uns nicht in einen nationalen Wettlaufmit anderen Staaten begeben. Es kommt vielmehr aufdie Konzentration auf diejenigen Kerngebiete an, die mitBlick auf unsere Fähigkeiten und kommerziellen Pers-pektiven die höchsten Potenziale bieten. Dabei ist eswichtig, dass wir die Kompetenz kleiner und mittelstän-discher Unternehmen in der Raumfahrtindustrie erhal-ten. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass ihre Interes-sen bei der Vergabe von Entwicklungsprogrammen undAufträgen auch im europäischen Rahmen angemessenberücksichtigt werden.
In den vergangenen Monaten habe ich diesbezüglicheinige Gespräche geführt. Dabei habe ich die Erkenntnisgewonnen, dass deutschen Unternehmen in den USAzum Teil fairere Chancen bei der Mitwirkung gebotenwurden als im Rahmen von europäischen Projekten. An-gesichts unseres hohen finanziellen Beitrages zur ESA-Finanzierung hat es nichts mit nationalem Egoismus zutun, wenn ich an dieser Stelle die Forderung nach einemfairen Projektzugang in den Raum stelle.Die Gemeinsame Initiative für einen starken Luft- undRaumfahrtstandort in Ostdeutschland – StaatssekretärStaffelt hat sie ins Leben gerufen – soll deutlich machen,dass wir ein großes Potenzial für ein drittes Zentrum derRaumfahrtindustrie neben Hamburg/Bremen undMünchen an den Standorten Berlin-Adlershof, Jena oderim Raum Dresden haben. Ziel muss es sein, eine über-greifende Zusammenarbeit und eine stärkere Vernetzungder bestehenden Kompetenzzentren anzuregen und zuorganisieren. Das könnten wir mit der anstehenden Neu-ordnung der Förderinstrumente beim Aufbau Ost übri-gens gezielt unterstützen. Das bedeutet für mich auch,dass die beiden westdeutschen Standorte nicht in allenFällen und bei allen Projekten die erste Geige spielenmüssen.Die Frage des unabhängigen europäischen Zugangszum Weltall und die europäischen Trägersysteme habeich bereits im Februar angesprochen. Dazu muss ichheute nichts mehr sagen. Swen Schulz hat ja auch aus-führlich etwas dazu gesagt.An dieser Stelle will ich noch einmal explizit auf diebemannte Raumfahrt eingehen. Wir leisten mit demeuropäischen Beitrag an der ISS bereits einen großenBeitrag zum Aufbau dieser Orbitalstation und stehenauch zu den erheblichen internationalen Verpflichtun-gen.
Allerdings stellt sich für mich zunehmend die Fragenach dem Sinn der bemannten Raumfahrt, wenn sogardie Raumfahrtnation Nummer eins, die USA, erfolgrei-che Projekte wie das Hubble-Space-Telescope für zwei-felhafte Zukunftsprojekte wie zum Beispiel eine be-mannte Marsexpedition regelrecht opfern will. Für unslag und liegt die Zukunft daher in der unbemanntenRaumfahrt. Wer die bemannte Raumfahrt weiterhin for-dvwSrnSeddRsemuSkFTdmlgIJdmDiPmdmkDsn
Zum Schluss noch etwas in eigener bündnisgrünerache: Wenn wir als Bündnisgrüne einmal der Stationie-ung von deutschen Soldaten im Kosovo und in Afgha-istan zugestimmt haben – zugegebenermaßen unterchmerzen –, dann stehen wir auch dazu, dass wir damitine Verwendung von Raumfahrttechnologie im Rahmenes Dual Use, zum Beispiel bei der Luftüberwachung,er Luftaufklärung sowie der Kommunikation und imahmen des Global Positioning Satellite Systems bzw.päter bei Galileo, akzeptiert haben.Mit Blick auf die aktuelle Situation und die Pläne fürine noch weiter gehende Militarisierung des Weltallsöchte ich aber deutlich sagen: Wir wollen diese nichtnd erteilen daher insbesondere der Entwicklung undtationierung von Waffensystemen im Weltraum einelare Absage.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun die Kollegin Cornelia Pieper, FDP-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herrauss, der Kollege von der SPD-Fraktion möchte aufen Mars fliegen. Ich dachte, Sie sind gegen die be-annte Raumfahrt.In dem Bericht des Ausschusses zu den Anträgen al-er hier im Haus vertretenen Fraktionen, den Sie vorlie-en haben, wird anerkennend hervorgehoben, dass dienitiative der FDP-Bundestagsfraktion, die jetzt über einahr zurückliegt, der Förderung der Raumfahrtstrategieient und eine intensive Raumfahrtdebatte hier im Parla-ent überhaupt erst ermöglichte.
as ist gut so. Dazu haben wir eine intensive Diskussionm Forschungsausschuss gehabt. Es gab zu strategischenunkten große Übereinstimmung, die ich hier noch ein-al hervorheben möchte.Was uns offensichtlich alle eint, ist die Auffassung,ass Raumfahrt und Raumfahrtforschung aus unsererodernen Wissensgesellschaft nicht mehr wegzuden-en sind. Dabei ist uns allen klar, wie wichtig es füreutschland als eine der weltweit führenden Wirt-chaftsnationen ist, mit seinen europäischen Partnern ei-en eigenen Zugang zum Weltraum zu besitzen. Wir alle
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Cornelia Piepersind der Meinung, dass Europa über das autarke und sehrpräzise Satellitennavigationssystem Galileo verfügenmuss, um einerseits die zivilen Möglichkeiten der Satel-litennavigation für neue innovative Technologien breitzu nutzen und um andererseits den Sicherheitsbedürfnis-sen Europas Rechnung zu tragen.
Aber auch der Beitrag Deutschlands für friedenser-haltende und Frieden schaffende Maßnahmen der Ver-einten Nationen erfordert ein störungsfreies, zeitgenauesund präzises System. Ich freue mich deswegen auch,dass alle Fraktionen dieses Hauses ihr Bekenntnis füreine Ausweitung von Galileo auf die militärische Nut-zung satellitengestützter Technologien abgelegt haben.Ich anerkenne in diesem Zusammenhang auch die kon-sequente Haltung der Bundesregierung beim Streit mitden Vereinigten Staaten von Amerika um die Frequenz-frage und den gefundenen Kompromiss, der die berech-tigten sicherheitspolitischen Interessen beider Seiten be-rücksichtigt.
Ich möchte auf ein weiteres gemeinsames Ziel, das imAusschuss zwischen allen Fraktionen diskutiert und dasauch schon angesprochen wurde, hinweisen: Wir alle an-erkennen die Rolle der Weltraumforschung und -technikim Rahmen des nationalen Raumfahrtprogramms undfordern dessen Stärkung und anschließende Versteti-gung. Das haben alle Redner vor mir zum Ausdruck ge-bracht. Ich kann hier nur mit Erich Kästner sagen: Esgibt nichts Gutes, außer man tut es.
Ich kenne außer dem Antrag der FDP-Bundestagsfrak-tion keinen weiteren Antrag zur Aufstockung des natio-nalen Programms im Haushalt, der gerade in den Aus-schüssen beraten wird. Wir haben gefordert, dass dasnationale Programm um mindestens die Beträge aufge-stockt wird, um die Sie es in den letzten vier Jahren ge-kürzt haben.
Alles andere würde bedeuten, dass wir die Spitzenfor-schung und unseren Technologievorsprung in der Raum-fahrt aufgeben.Doch dieses Bekenntnis allein – das sage ich nocheinmal – nutzt recht wenig. Schauen wir uns doch ein-mal den Einzelplan 30 für 2005 an. Das nationale Pro-gramm ist für die Regierungskoalition ein Steinbruch fürhaushaltspolitische Kürzungen. Im laufenden Haushalts-jahr muss das nationale Programm nicht nur eine globaleMinderausgabe von 8,2 Millionen Euro verkraften.Nein, es wurden vom Haushaltsausschuss zugleich noch10 Millionen Euro gesperrt. Der Ansatz für 2005 ist wie-der zu gering und gefährdet unserer Auffassung nach dieKernfähigkeiten der deutschen Raumfahrtforschung undRaumfahrtentwicklung.nJissnsnodWJaiFddzFsfLmibsbsRzsmWmmlsstUgputk
Er lässt keinerlei Spielraum für die Vorbereitungeuer Projekte nach dem Auslaufen des Programms imahre 2006; auch das will ich hier einmal sagen. Für unsst es ungeheuer wichtig, dass wir den Technologievor-prung in bestimmten Kernfeldern und die Spitzenfor-chung, die wir in der Raumfahrt erreicht haben, auchach 2006 halten. Wir regen eine strategische Diskus-ion an, wie es mit dem deutschen Raumfahrtprogrammach 2006 weitergehen soll. Ich glaube, dass das außer-rdentlich wichtig ist.
Herr Tauss, wir sind bereit, über alle Subventionen,ie es gibt, nachzudenken.
ir sind bereit, hier in diesem Haus auch im nächstenahr Initiativen für den Haushalt zu starten, so wie wir esuch bisher gemacht haben, um die Mittel für Zukunfts-nvestitionen zu erhöhen, insbesondere für den Haushaltorschung und Entwicklung.Die FDP hat Sie bei der mittelfristigen Finanzplanungafür kritisiert – das haben wir sehr deutlich gemacht –,ass Sie das große und strategische Ziel, bis 2010 3 Pro-ent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung undorschung bereitzustellen, haushaltspolitisch nicht um-etzen. Das wird auch beim Ansatz für die Raumfahrt-orschung wieder einmal deutlich. Ich kann nur sagen:ippenbekenntnisse reichen hier nicht aus. Wir brauchenehr.
Lassen Sie mich auf Folgendes hinweisen: Wir stehenm Wettbewerb mit anderen, auch hier in Europa. Sie ha-en einen Bogen darum gemacht. Frankreich und Italienetzen klare Schwerpunkte bei ihren nationalen Vorha-en, was die Raumfahrt anbelangt. Frankreich zum Bei-piel gibt 63 Prozent der Gesamtaufwendungen für dieaumfahrt für nationale Vorhaben aus, Italien 57 Pro-ent. In Deutschland sind es lediglich 31 Prozent.Das alles hat auch etwas mit der Stärkung des Wirt-chaftsstandortes Deutschland zu tun. Das alles hat auchit der Stärkung insbesondere der mittelständischenirtschaft zu tun. Ich will darauf hinweisen, dass es im-er unser Anliegen war, insbesondere die kleinen undittelständischen Unternehmen am Standort Deutsch-and mit Projekten und Aufträgen aus diesem Bereich zutärken. Ich sage bewusst auch im Interesse der ostdeut-chen Standorte: Es geht überhaupt nicht darum, zulas-en von Bayern oder Bremen, wie es im Antrag dernion formuliert worden ist, Standorte aufzugeben. Eseht vielmehr darum, die Vernetzung der Raumfahrtka-azitäten der neuen Bundesländer mit den nationalennd europäischen Forschungs- und Entwicklungskompe-enzen herzustellen und zu effizienten Strukturen zuommen.
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Cornelia PieperIch glaube, dass wir diese Diskussion brauchen. Wirladen Sie dazu ein, diese Diskussion im Ausschuss fort-zuführen. Bitte stimmen Sie dem Antrag in den Haus-haltsberatungen zu. Dann werden Sie das umsetzen kön-nen, was Sie selber gefordert haben.Vielen Dank.
Das Wort hat nun die Bundesministerin EdelgardBulmahn.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungund Forschung:Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Raumfahrt fasziniert die Menschenheute noch genauso wie bei der Landung des erstenMenschen auf dem Mond. Das war in der Debatte hierim Deutschen Bundestag gerade sehr deutlich spürbar.Das war auch am Tag der Raumfahrt am letzten Wo-chenende und bei der Nacht der langen Sterne spürbar,die von Hunderttausenden von Menschen genutzt wor-den sind. Hunderttausende von Menschen haben sichvoller Faszination und Begeisterung mit den Ergebnis-sen und den neuen Erkenntnissen, die wir durch dieWeltraumforschung gewonnen haben, auseinander ge-setzt. Ich sage ausdrücklich: Das gilt sowohl für Jung alsauch für Alt.Herr Nüßlein, lassen Sie mich eine Bemerkung hinzu-fügen. Wenn Sie Deutschland so schildern, als ob Wis-senschaft und Forschung keine Bedeutung hätten, dannleben Sie offensichtlich in einer anderen Welt.
Das, was man am Wochenende erleben konnte, zeigtganz deutlich, wie begeistert viele Menschen in unseremLand von Wissenschaft und Forschung sind und mitwelch hohem Interesse und großer Neugier sie die Mög-lichkeiten nutzen, diese kennen zu lernen.
Gestatten Sie mir noch eine zweite Bemerkung, auchwenn sie nicht direkt zum Thema gehört. Wenn Sie, HerrNüßlein, sich hier hinstellen und beklagen, dass derWettbewerb der Spitzenuniversitäten noch nicht ge-startet sei,
dann frage ich mich, welch ein gespaltenes Bewusstseinjemand besitzen muss, dessen eigene Partei verhindert,dass dieser Wettbewerb startet. Wenn es nach der Bun-desregierung und den SPD-geführten Ländern gegangenwäre, dann hätten wir den Wettbewerb im Juli diesesJahres starten können.
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ir haben hier im Parlament alle mit großer Entschie-enheit für die Einführung der Juniorprofessur gestrit-en, am Anfang auch Sie. Irgendwann haben Sie sichann still und heimlich davon distanziert. Sie wolltenas nicht so richtig offen tun. Das gilt nicht für die FDP.
as gilt für die CDU. Dann haben drei Ihrer Länder da-egen geklagt. Wir haben Jungwissenschaftler über dieuniorprofessur wieder vom Ausland zurückgewonnen.er Anteil der Berufungen aus dem Ausland beträgt5 Prozent. Das stellen Sie wieder infrage. Dazu mussch sagen: Schaffen Sie Ordnung in Ihrer eigenen Partei!ann können wir weiterreden.
Natürlich ist Raumfahrt nicht nur Faszination derissenschaft. Raumfahrt ist heute Triebfeder für wissen-chaftliche und technologische Entwicklungen und einichtiger Eckpfeiler auch des Industriestandortseutschlands. Für Märkte mit Milliardenumsätzen istie Raumfahrttechnologie inzwischen unverzichtbar.as gilt nicht nur für die Fernsehbilder, die uns übermit-elt werden, sondern auch für die gesamte weltweite Da-enkommunikation.Die Informationsmöglichkeiten, die das Internet bie-et, sind ohne Satellitenkommunikation nicht denkbar.as gilt für die Kenntnisse, Bilder und Daten im Zusam-enhang mit Wetterentwicklungen – zum Beispiel dieege, die ein Hurrikan nimmt –, über die wir inzwi-chen verfügen, wie auch für Informationen, die wirurch Erdbeobachtung über Waldbrände, die Umwelt-erschmutzung der Meere etc. erhalten. Die Raumfahrt-echnologie ist also nicht mehr wegzudenken. Das alleseigt, dass die Raumfahrt inzwischen Bestandteil unse-es Alltags geworden ist.Die drei vorliegenden Anträge zur Raumfahrtpolitikeigen – das ist erfreulich –, dass es ein großes Maß anbereinstimmung zwischen allen Parteien gibt. Das istielleicht in den Redebeiträgen nicht so deutlich gewor-en wie in den Anträgen.
eines Erachtens zeigt sich auch, dass Sie durchaus dasnerkennen, was die Bundesregierung in den vergange-en Jahren in der Raumfahrtpolitik erreicht und durchge-etzt hat. Tatsache ist, dass wir inzwischen eine guterundlage für die Weiterentwicklung der Raumfahrt ineutschland geschaffen haben.)
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Bundesministerin Edelgard BulmahnMit den Entscheidungen der ESA-Ministerkonfe-renz in Paris unter deutschem bzw. meinem Vorsitz hatdie Bundesregierung den europäischen Trägersektorwieder auf eine solide Basis gestellt.
Diese solide Basis gab es leider in den 90er-Jahren nichtmehr. Wir haben sie wieder geschaffen.
Frau Ministerin, der Kollege Tauss möchte Ihnen
überraschenderweise gerne eine Zwischenfrage stellen.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:
Meinem Kollegen Tauss würde ich niemals eine Zwi-
schenfrage verwehren.
Nun ist die Verblüffung komplett und der Kollege
Tauss erhält das Wort zu einer Zwischenfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielen herzlichen Dank. – Sie haben die verlässlichenGrundlagen angesprochen, Frau Ministerin. Der KollegeDr. Nüßlein hat uns in beeindruckender Weise von sei-nem Ausflug nach Kourou berichtet. Wir freuen uns da-rüber, dass er wieder zurückgekehrt ist. Das ist anderen,die früher auf der Teufelsinsel waren, nicht gelungen.Ich komme zurück zum Ariane-Start und den verläss-lichen Grundlagen, die Sie angesprochen haben. KönnenSie angeben, welche Finanzplanungen Sie bei IhremAmtsantritt im Zusammenhang mit der Ariane und derinternationalen Raumfahrt vorgefunden haben?Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungund Forschung:Ich habe eine Finanzplanung vorgefunden, derzu-folge der Raumfahrttitel in den Jahren 1992 bis 1998 von824 Millionen auf 661 Millionen DM gekürzt wordenist.
Das hat im Ergebnis zu dem großen Problem geführt,dass Deutschland in der ESA keine wichtige Rolle mehrspielte. Das gilt zum Beispiel auch für die Reorganisa-tion, die dringend notwendig war. Ich habe das geändert.Wir haben durch sehr schwierige und zähe Verhand-lungen – das sage ich ganz offen – erreicht, dass zum ei-nen die Industrie jetzt mehr Verantwortung trägt unddass es zum anderen in der ESA klare Entscheidungs-strukturen gibt. Das war und ist eine sehr wichtige Vo-raussetzung dafür, dass die Ariane nicht nur in technolo-gischer Hinsicht ein Erfolg wird, sondern auch ihrePosition am Markt behauptet. Das haben wir durch diekwhmbnWOtlmDdwmgtmAeEwefvHgKddVrWstdDeBtrk
ir brauchen dazu aber auch die Bereitschaft derpposition, die Mittel aus dem weitaus größten Subven-ionstitel im Bundeshaushalt, nämlich der Eigenheimzu-age, zugunsten von Forschung und Bildung umzuwid-en.
ie Mittel werden dringend für die Forschung und Bil-ung benötigt. Das gilt für den Bundeshaushalt genausoie für die Länderhaushalte. Deshalb ist das für Sie,eine Damen und Herren von der Opposition, die Na-elprobe, ob Sie hier etwas fordern, das Sie in der Reali-ät aber nicht ernst meinen, oder ob Sie es wirklich ernsteinen und bereit sind, diesen Schritt mitzugehen. Dasngebot von unserer Seite steht. Ich hoffe, Sie nutzens.
Wir haben es mit diesen Entscheidungen auf derSA-Ministerkonferenz in Paris geschafft, die Arianeieder zukunftssicher zu machen. Wir haben aber nochtwas anderes geschafft. Wir haben das deutsche Rück-lussdefizit, das sich unter der Kohl-Regierung überiele Jahre bei der ESA gebildet hatte – der Kollegeettlich hat darauf bereits hingewiesen –, wieder ausge-lichen. Wir haben jetzt also eine ausgeglichene Bilanz.urz gesagt: Unter der SPD-geführten Regierung wer-en mit den Steuergeldern, die an die ESA gezahlt wer-en, Standorte in Deutschland gestärkt. Das war meineerhandlungszielsetzung und das haben wir auch er-eicht.
ir haben es nach harten Verhandlungen ebenfalls ge-chafft, für die Entwicklung des europäischen Satelli-ennavigationssystems Galileo die Systemführung unden Sitz des Unternehmens nach Deutschland zu holen.ie Federführung für das wichtigste Zukunftsprojekt deruropäischen Raumfahrt liegt damit in Deutschland.Der konkrete Nutzen für die Menschen steht für dieundesregierung im Vordergrund ihrer Raumfahrtpoli-ik. Wir werden uns in Zukunft in der nationalen Förde-ung noch stärker auf die deutschen Kernkompetenzenonzentrieren. Ich befinde mich zurzeit darüber im
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Bundesministerin Edelgard BulmahnGespräch mit der Wissenschaft und der Industrie. Ich bingerne bereit, darüber auch im Forschungsausschuss mitden Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren. Deutsch-land besitzt eine ganze Reihe von Stärken. Genau diesewollen wir weiterentwickeln, um nach entsprechenderUmsetzung in der europäischen Raumfahrtpolitik dieFrüchte zu ernten.
Wir wollen weiterhin dafür sorgen, dass die Ergeb-nisse der Raumfahrtforschung zügig in Anwendungenüberführt werden. Auch hier sind wir erheblich vorange-kommen. Mit Projekten in Public Private Partnershipwie zum Beispiel Terra-SAR und Rapid-Eye haben wirzusammen mit der Forschung den Einstieg in die Kom-merzialisierung der Erdbeobachtung eingeleitet. SolchePartnerschaften sind nicht nur für gute Forschungsergeb-nisse, sondern auch für kommerzielle Markterfolgeentscheidend. Mit dem Projekt GATE stellen wir eine inEuropa einzigartige Infrastruktur bereit, die beste Vo-raussetzungen dafür schafft, Anwendungen für Galileozu entwickeln und sie kommerziell zu nutzen. Davonwerden wir profitieren. Einen weiteren Schwerpunkt set-zen wir bei der Telekommunikation, die schon jetzt derkommerziell wichtigste Bereich im Zusammenhang mitder Raumfahrt ist.Kurz gesagt: Raumfahrtgestützte Infrastruktur ist be-reits heute die Grundlage für zahlreiche kommerzielleAnwendungen auf Hochtechnologiemärkten, die weiterwachsen werden. Da wir unsere entsprechenden Mög-lichkeiten in vollem Umfang ausschöpfen wollen, brau-chen wir einen weiteren Investitionsschub. Deshalb istdie Umwidmung von Mitteln, beispielsweise für die Ei-genheimzulage, in Mittel für die Forschungsförderungund in Bildungsinvestitionen so notwendig und wichtig.
Lassen Sie mich noch eine kurze Anmerkung zurNeuordnung der europäischen Forschungspolitik ma-chen; denn ich glaube, wir stehen hier vor einer wichti-gen Entscheidung, über die auch im Parlament diskutiertwerden sollte. Sie wissen, dass die EU-Kommission mitdem Weißbuch zur Raumfahrt einen Aktionsplan vorge-legt hat, der die Raumfahrt für die Bürger Europas bes-ser nutzbar machen soll. Bisher ist dieser Plan – leider –teilweise nicht viel mehr als eine große Wunschliste, diesehr viele Felder enthält, auf denen die Kommission ak-tiv werden möchte. Ich halte es für entscheidend undwichtig, dass wir sicherstellen, dass der Ansatz einerstarken Anwendungsorientierung der gemeinschaftli-chen Raumfahrtpolitik in der Kommission verfolgt wird.Dafür ist Folgendes wichtig: Erstens. Zwischen der ESAund der EU muss es nicht nur eine enge Zusammenar-beit, sondern auch eine klare Arbeitsteilung geben.
Es darf nicht sein, dass wir Infrastruktur- und Anwen-dungsprojekte parallel über die ESA und die EU fördern.Es ist nicht sinnvoll und nicht hilfreich. Das ist sicher-lich auch nicht im deutschen Interesse.ssItVdWeaNCSeRhGisthWs–ndDEwWh
Zweitens. Wir brauchen realistische Finanzierungsan-ätze. Drittens. Auch in der EU ist eine klare Prioritäten-etzung erforderlich. Viertens. Schließlich muss diendustriepolitik die Besonderheiten der Raumfahrtindus-rie berücksichtigen.Ich bin sehr optimistisch, dass das mit Kommissarerheugen, der künftig auch für die Raumfahrtpolitiker EU zuständig sein wird, gelingen wird.
ir werden gut kooperieren. Ich freue mich deshalb aufine sehr engagierte Diskussion – zumindest im Fach-usschuss, wenn nicht auch hier im Parlament – über dieeustrukturierung der europäischen Raumfahrtpolitik.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort der Kollegin Ilse Aigner, CDU/
SU-Fraktion.
Das weiß ich schon. – Sehr geehrter Herr Präsident!ehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am Anfang ists schon angebracht, herauszustellen, dass gerade dieaumfahrtpolitik über viele Jahre ein gemeinsames Zielatte. Ich glaube, dass die Zusammenarbeit auf diesemebiet gut war. Man sieht auch an den Anträgen, dass esm Prinzip sehr viele Gemeinsamkeiten gibt.Ich will einige Aspekte der jetzigen Situation, insbe-ondere was die haushaltstechnische Ausstattung be-rifft, ansprechen.Es sei mir erlaubt, auf die Eigenheimzulage einzuge-en. Es ist wirklich beachtlich, wie oft Sie die durch denegfall der Eigenheimzulage frei werdenden Mittelchon verbraten haben.
Wenn Sie mich ausreden lassen, dann kann ich es Ih-en erklären. – Ich weiß, dass in den gesamten Haushaltieses Jahres schon 95 Millionen Euro eingestellt sind.avon entfallen allein 63 Millionen Euro auf deninzelplan 30. Egal wie es mit der Eigenheimzulageeitergeht: Am Raumfahrtetat wird sich nichts ändern.enn die Eigenheimzulage nicht wegfällt, dann – dasat das Berichterstattergespräch über den Haushaltsplan
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Ilse Aigneram Dienstag gezeigt – werden die gemeinsamen Mittelfür den Hochschulbau abgesenkt. In jedem Fall wirdkein Cent mehr in die Raumfahrt fließen.
– Herr Schulz, Sie müssten vielleicht einmal mit IhrenHaushältern sprechen. Sie müssen sich irgendwann ent-scheiden, wofür Sie die durch den Wegfall der Eigen-heimzulage frei werdenden Mittel verwenden wollen.Sie können sie nicht zehn- oder 15-mal verwenden. Dasfunktioniert einfach nicht.
– Sie sollten einmal mit den Haushältern reden. Die kön-nen es Ihnen genau erklären.Unabhängig davon gilt in Bezug auf die bisherigeFinanzplanung auf dem Gebiet Raumfahrt – die Minis-terin weiß das sehr genau –: Beim ESA-Budget wurdeum 20 Millionen Euro gekürzt, während im nationalenBereich um 3 Millionen Euro aufgestockt wurde. DieFinanzplanung – auf sie verlassen sich letztendlich auchdiejenigen, die das Ganze irgendwie umsetzen sollen –sieht also 17 Millionen Euro weniger vor. Was dieFinanzplanung bis 2010 angeht – ich habe alle infragekommenden Zahlen vorliegen; auch Sie kennen sie –,gehen für den Bereich Raumfahrt insgesamt 170 Millio-nen Euro verloren. Frau Ministerin, ich kann es Ihnenvorrechnen: Für die ESA sah der Finanzplan fünfmal582 Millionen Euro vor; in der mittelfristigen Finanzpla-nung ist der entsprechende Betrag auf 552 Millio-nen Euro abgesenkt worden. Man kann eine Hochrech-nung vornehmen und erkennen, wie es um diese Geldersteht.Ich will Ihnen verdeutlichen: Die Raumfahrt ist einelanglebige Geschichte. Man kann nicht nach dem Motto„Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ vorge-hen. Man muss auch längerfristig planen können.
Projekte im Bereich der Raumfahrt gehen – der KollegeNüßlein hat schon darauf hingewiesen – über vieleJahre. Deshalb ist eine Strategie nötig. Wenn man Mittelabzieht, dann muss man sagen, wo man einsparen will.Es macht keinen Sinn, überall häppchenweise zu kürzen;vielmehr muss man auch Schwerpunkte setzen. Dass Siedas tun, kann ich beim besten Willen nicht erkennen.
Man muss den Zusammenhang der ESA mit der EUsehen. Wie Sie selbst wissen, wächst die Bedeutung derEU immer mehr: zunächst Galileo, danach GMES usw.usf. Bei der EU ist allein die Wettbewerbsfähigkeit aus-schlaggebend. Deshalb ist dieses nationale Programmfür uns so wichtig. Umso trauriger ist es, dass Sie dieMittel, die Sie der ESA nicht mehr zukommen lassen,nicht in das nationale Programm investieren.fsaa2igEdrhaAwbDrfIüSmtesSPteDzliwtiP1ürPnnleud
iese Kompetenzen erhalten wir durch diese Politik ge-ade nicht.Frau Ministerin, ich erkenne durchaus an, dass Sie da-ür gesorgt haben, dass die Rückflüsse verstärkt werden.
ch glaube, das war im Interesse der Raumfahrt. Das istberhaupt keine Frage.Ich erkenne auch an, dass Sie mit der Ariane dietruktur verändert haben. Das ist ein gemeinsames Be-ühen gewesen. Dabei haben wir Ihnen meines Erach-ns auch nichts in den Weg gelegt,
ondern Sie unterstützt. Dass die Ariane in diesechwierigkeiten gekommen ist, ist nicht die Schuld derolitik, sondern ein Ergebnis der Marktentwicklung; Sa-llitenmärkte sind eingebrochen usw. usf.
afür kann die Politik nichts.Noch einmal: Diese Herausforderungen sind auf unsugekommen. Natürlich sind zusätzliche Mittel erforder-ch. Momentan schaut es so aus – Frau Ministerin, dasissen auch Sie genau –, dass es bei der ESA eine krea-ve Haushaltsführung gibt, sodass wir nach der jetzigenlanung in 2005 bei der ESA insgesamt mit über70 Millionen Euro in der Kreide stehen.Diese Bugwelle – das ist das Nächste – schieben wirber viele Jahre vor uns her. Das heißt, dass wir in späte-en Jahren eine Dauerlast haben. Was hier passiert, ist imrinzip nichts anderes als eine verdeckte Kreditauf-ahme. Das wird uns irgendwann einholen, vielleichticht mehr Sie, vielleicht eine andere Regierung, viel-icht eine andere Ministerin; ich weiß es nicht. Es wirdns auf alle Fälle einholen und das ist das eigentlich Be-auerliche.
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11526 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 126. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. September 2004
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Ilse AignerEs ist schon über Schwerpunkte gesprochen worden.Herr Schulz, Sie haben irgendetwas davon erzählt, dasswir auf den Mars fliegen wollen. Ich weiß nicht, worausSie das entnehmen.
– Ich kann Ihnen daraus vorlesen. Da steht nur „an derbemannten Raumfahrt festzuhalten und ISS zu stützen“.Ich weiß nicht, ob Sie das nicht auch für sinnvoll halten.
Ich glaube, dass die bemannte Raumfahrt wichtigist. Wenn wir mit vielen Mitteln, auch Steuermitteln,eine Raumstation aufgebaut haben, dann müssen wir dieauch entsprechend nutzen. Deshalb werden wir auf die-sem Gebiet weiter forschen müssen; sonst wäre es einziemlicher Blödsinn.
Dass das Columbus-Modul momentan auf dem Bo-den steht, bedauern wir alle sehr. Es hätte nach den Pla-nungen im Oktober starten sollen. Für diese Situationkönnen wir nichts. Dafür können auch Sie nichts. Dassder Shuttle abgestürzt ist, ist wirklich ein bedauerlicherUnfall. Aus forschungstechnischer Sicht schmerzt unsmassiv, dass wir dieses wunderbare Modul, das wir obenfür Forschungsaktivitäten einsetzen könnten, momentannicht nutzen können.Abschließend will ich noch etwas sagen, weil immerso getan wird, als wenn wir irgendwelche Waffensys-teme im All stationieren wollten; ich glaube, der Kollegevom Bündnis 90/Die Grünen hat darauf hingewiesen;möglicherweise haben Sie es auch getan.
– Ich habe das so verstanden, dass uns das unterstelltwird –. Wir sind uns aber doch insgesamt darüber einig,glaube ich, dass die Raumfahrt aus der bloßen For-schungsecke raus muss, dass es eine Nutzung über alleBereiche der Politik geben muss, die hier in Deutschlandvertreten sind.
Das geht von der Verteidigung über die Umwelt bis zurLandwirtschaft; da kann man sich alles Mögliche vor-stellen.Da kann ich mich eigentlich nur an den StaatssekretärStaffelt wenden – er ist der Koordinator für die Luft- undRaumfahrt; er wird nach mir sprechen –; wir sind uns,glaube ich, weitestgehend einig. Ich wünsche Ihnen,Herr Staffelt, noch etwas mehr Macht innerhalb der Bun-desregierung,svIibladdFsleezarSdHrRzdSuanmtCS
odass Sie die Kollegen aus den anderen Ressorts akti-ieren könnten, mehr Gelder zur Verfügung zu stellen.ch glaube nämlich, dass manche Anwendungsproblemen anderen Bereichen mittels der Raumfahrt wesentlichesser und effektiver gelöst werden könnten. Sie habeneider das Problem, dass Sie die anderen Minister nichtnzapfen können. Dass Sie es könnten, würde ich mir iner Hinsicht manchmal wünschen.Das gemeinsame Ziel aber können wir, glaube ich, inen Vordergrund stellen. Raumfahrt ist wichtig für dieorschung, aber auch in vielen Nutzungen für die Men-chen auf der Erde. Ohne Raumfahrt könnten wir mitt-erweile viele Probleme nicht mehr lösen. Wenn wirinen Tag alle Satelliten usw. ausschalten würden, würdeiniges auf der Erde nicht mehr funktionieren. Das alleineigt schon, wie wichtig die Raumfahrt auch für uns hieruf dem Boden ist.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun der Koordinator der Bundesregie-
ung für die Luft- und Raumfahrt, der Parlamentarische
taatssekretär Ditmar Staffelt.
Dr
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Zunächst durften Sie, Herr Nüßlein, eben erfah-en, dass jene, die Erfahrung in den Fragen der Luft- undaumfahrt haben, ein sehr viel sachlicheres Verhältnisu den Dingen haben, als das in Ihrer Rede zum Aus-ruck gekommen ist.
ie müssen eines wissen: Diejenigen, die in der Luft-nd Raumfahrt zu Hause sind, können sich in der Sacheuseinander setzen, aber sie verlieren den roten Fadenicht. Bei Ihnen habe ich schwerste Bedenken – dasuss ich ganz ehrlich sagen –, ob Sie wirklich zum rich-igen Tagesordnungspunkt geredet haben.
Ich habe mir Ihren Antrag, den Antrag der CDU/SU, noch einmal angesehen. Darin steht – das solltenie laut und deutlich sagen –:Auch die deutsche Raumfahrt kann auf eine vielfäl-tige Erfolgsgeschichte zurückblicken. Ihr Beitragzum gemeinsamen europäischen Erfolg, vor allembei Ariane, war beachtlich und verdient Anerken-nung.
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Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar StaffeltDeutsche Ingenieurleistungen … haben wesentlichzum Ruf des made in Germany beigetragen.
Deutschland ist an den oben aufgeführten europäi-schen Raumfahrtinitiativen als zweitgrößter Bei-tragszahler der ESA und in der industriellen Füh-rungsrolle bei Galileo in wesentlichem Umfangbeteiligt und spielt nach wie vor eine tragende Rollein der europäischen Raumfahrtpolitik.Völlig richtig beschrieben! Das teilen wir voll und ganz.
Deshalb wäre es viel richtiger gewesen, Sie hätten bei al-ler Kritik und der Sorge, die man immer äußern kann,erst einmal diesen Aspekt in den Mittelpunkt Ihrer Redegestellt. Wenn Sie in Kourou ähnlich verwirrt geredethaben sollten, kann ich verstehen, dass die französischenIngenieure Ihnen keine Geheimnisse der Ariane-Raketehaben preisgeben wollen.
Ich füge hinzu, dass eine solche Äußerung im deutschenParlament wirklich nicht akzeptabel ist. Ich ärgere michdarüber, denn wir haben eine hervorragende Koopera-tion mit den Franzosen und den französischen Ingeni-euren. Es gibt überhaupt keinen Grund, in einem deut-schen Parlament die Vermutung zu äußern, dass hieretwa so genannte Geheimnisse nicht preisgegeben wor-den wären. Sie hätten sich schlicht und einfach informie-ren sollen.
Das ist ja überhaupt kein Thema. Darüber hätte Sie näm-lich auch die deutsche Industrie vorher informiert. Diewissen da ebenso wie die Frau Ministerin ganz genauBescheid. Sie sollten hier also wirklich noch ein Stückhinzulernen. Das kann ich Ihnen nur raten.
– Passen Sie einmal auf, ich will Ihnen eines sagen: Siewaren bei der Rede vorhin nicht dabei.
So etwas, was uns hier vorgetragen worden ist, habe ichim Bereich der Luft- und Raumfahrt, Kolleginnen undKollegen, bisher noch nicht gehört: weit entfernt vonden Realitäten, weit entfernt von dem, was wir wollen.Wir wollen nämlich, dass Deutschland eine wichtigeRolle spielt. Das wollen wir mittragen und auch gegen-über der Öffentlichkeit in positiver Weise darstellen, da-mMdlaFmAumSFSksKttihSEugDnnZdfsubgdÜhliseBbR6fcF
Wir haben heute gehört – das ist mir sehr wichtig –,ass wir die Systemführung bei Galileo haben. Deutsch-nd hat, wie ich denke, ein gewichtiges Wort bei derormulierung des EU-Forschungsrahmenprogrammesitzusprechen. Die „Ariane“ ist saniert. Wir haben einenuftragnehmer, der diese Sanierung auch voranbringt,nd zwar erfolgreich. Darüber hinaus gibt es die Zusam-enarbeit im Trägersektor mit den Russen; hier werdenynergieeffekte erzielt. Das ist ein ganz wesentlicheseld, das mit dazu beigetragen hat, dass hier auch eintückchen mehr betriebswirtschaftliche Vernunft ein-ehrt. Hinzu kommt die strategisch-politische Dimen-ion dieses Unterfangens. Wir sind dabei, ein Stück mehrommerzialisierung und damit auch mehr Verantwor-ung der Privatwirtschaft in die Raumfahrt zu implan-eren – ein ganz wichtiges Thema. Darüber hinausaben wir von der Ministerin gehört – bitte vergessenie das nicht –, es geht heute um Straffung undffizienzsteigerung bei der ESA-Programmplanungnd -durchführung. Hier hat Frau Bulmahn in den ver-angenen Monaten eine ganz gewichtige Rolle gespielt.as können Sie doch nicht einfach wegdiskutieren.
Meine Damen und Herren, es steht auch überhaupticht infrage, dass wir in Deutschland nach wie vor ei-en harten Kampf um Workshares in der internationalenusammenarbeit führen. Da sollte nun gerade jemand,er aus Bayern kommt, nicht allzu große Beschwerdeühren, denn eine Vielzahl der Investitionen, die vontaatlicher und insbesondere von bundesstaatlicher Seitenterstützt werden, kommt genau in Ihrem Lande an. Ichin überhaupt nicht dagegen, um das einmal klar zu sa-en. Ihr Land hat große Kompetenzen, aber Sie solltenas auch einmal berücksichtigen. Herr Wiesheu hätte imbrigen mit der Rede, die Sie hier gehalten haben, über-aupt nichts anfangen können. Er sieht die Dinge näm-ch in sehr viel besserem Licht, als Sie es hier darge-tellt haben.
Noch ein Wort zu den Zahlen. Frau Aigner, ich habeben noch einmal Rücksprache mit Frau Ministerinulmahn genommen. Eines ist klar: Die BMBF-Ausga-en für die ESA und für den nationalen Bereich deraumfahrt werden von 2005 bis 2008 stabil bei97,3 Millionen Euro bleiben. Die Voraussetzung hier-ür ist – so hat die Ministerin mir gesagt –, dass entspre-hende Regelungen bei der Eigenheimzulage, die derreisetzung von Ressourcen dienen und die hier schon
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Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar Staffeltangesprochen worden sind, von Ihnen mitgetragen wer-den.
Möchten Sie Ihre Redezeit durch die Beantwortung
einer Zwischenfrage der Kollegin Aigner verlängern?
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Ja, bitte schön, wenn sie möchte.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, dass
ich mich auf die Finanzplanung 2005 bis 2008, die in
dem Haushaltsgesetz 2004 enthalten ist, bezogen habe?
Für die ESA sind demnach Ausgaben in Höhe von
572 Millionen Euro in 2005 und 582 Millionen Euro in
den Folgejahren vorgesehen. Aber die aktuelle Finanz-
planung – ich habe eine entsprechende Liste gestern be-
kommen – sieht für das Jahr 2005 und auch für die fol-
genden Jahre Ausgaben in Höhe von 552 Millionen Euro
vor. Das sind also 30 Millionen Euro weniger pro Jahr.
Ich habe nichts anderes gesagt, als dass im Vergleich zur
Finanzplanung des letzten Jahres ein Minus von
170 Millionen Euro besteht. Können Sie mir das bestäti-
gen?
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Mir liegt die gleiche Zahl vor. Ausgaben in Höhe von
551,8 Millionen Euro für die ESA und in Höhe von
145,5 Millionen Euro auf der nationalen Ebene ergeben
zusammen 697,3 Millionen Euro. Das ist die Zahl, die
mir Frau Ministerin Bulmahn zur Klarstellung mit auf
den Weg gegeben hat. Wenn Sie auf der Grundlage von
100 Jahren rechnen würden, dann würde das Defizit
noch weiter wachsen. Wir können dies natürlich tun,
aber es wäre nicht hilfreich. Nichtsdestotrotz ist eines
klar: Es wird Jahr für Jahr um Ansätze gerungen werden.
Frau Kollegin Aigner, wir sind uns in folgendem
Punkt doch völlig einig. Wir wissen, dass es auf diesem
Gebiet weltweit einen harten Wettbewerb gibt. Wir wis-
sen auch, dass sich die Europäer auf diesem Feld stre-
cken müssen. Wir tun alles, was wir tun können. Aber
wir müssen Prioritäten setzen; wir werden sie auch set-
zen. Auch was die Budgetbemessung angeht, ist die
Raumfahrt bei Frau Ministerin Bulmahn in guten Hän-
den. Lassen Sie uns gemeinsam über die Frage reden,
wie wir die Ansätze weiter hochfahren können. Wir alle
gehen doch vom gleichen Kuchen aus. Diese Tatsache
sollten Sie in Ihren Betrachtungen einmal mit berück-
sichtigen.
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Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus-es für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät-ung auf der Drucksache 15/3539. Der Ausschuss emp-iehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung, den Antrager Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü-en auf Drucksache 15/2394 mit dem Titel „Deutsche unduropäische Raumfahrtpolitik zukunftsorientiert gestal-n“ in Kenntnis der Unterrichtung durch die Bundesre-ierung auf der Drucksache 15/2373 Nr. 2.2 anzunehmen.er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wertimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dieeschlussempfehlung ist angenommen.Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss, den Antrag derraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/2334 mitem Titel „Stärkung der wissenschaftlichen Zukunfts-nd wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit des Raum-ahrtstandorts Deutschland in Europa“ in Kenntnis dernterrichtung durch die Bundesregierung abzulehnen.er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wertimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Auchiese Beschlussempfehlung ist mehrheitlich angenom-en.Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seinereschlussempfehlung auf der Drucksache 15/3539, denntrag der Fraktion der FDP auf der Drucksache 15/1230
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Vizepräsident Dr. Norbert Lammertmit dem Titel „Stärkung der europäischen Raumfahrtpo-litik – Gewinn für den Wirtschafts- und Forschungs-standort Deutschland“ in Kenntnis der Unterrichtungdurch die Bundesregierung abzulehnen. Wer stimmt fürdiese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Auch diese Beschlussempfehlung istmit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen derFDP bei Enthaltung der CDU/CSU-Fraktion angenom-men.Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 6 auf:Beratung der Großen Anfrage der AbgeordnetenKarl-Josef Laumann, Dagmar Wöhrl, VeronikaBellmann, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der CDU/CSUAnerkennung von Berufsqualifikationen vonHandwerk, freien Berufen und Industrie– Drucksachen 15/1378, 15/2236 –Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Dazuhöre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-sen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-nächst dem Kollegen Ernst Hinsken für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnenund Kollegen! Bereits im Juli 2003, also vor eineinvier-tel Jahren, hat meine Fraktion die heute zur Debatte ste-hende Große Anfrage gestellt, um frühzeitig die Positionder Bundesregierung in Erfahrung zu bringen. Die Ant-wort kam sachgemäß im Dezember des gleichen Jahres.Seit dem haben wir schon wieder eine neue Situationund dies deshalb, weil die Europäische Kommission imFrühjahr einen geänderten Richtlinienvorschlag vorge-legt hat.Ich möchte gleich vorweg anmerken: Es war richtig,dass die Bundesregierung im Europäischen Rat zusam-men mit Griechenland gegen diese Richtlinie gestimmthat. Dies war auch deshalb richtig, weil die Qualitätsprü-fungen bei der Anerkennung von Berufsqualifikationengerade beim Handwerk nicht weit genug gehen. Deshalbmeine ich, dass sich die Bundesregierung in unserem In-teresse im weiteren Verfahren nachhaltig einbringenmuss und hierzu eine ganze Reihe von Hausaufgaben zuerledigen hat. Herr Dr. Staffelt, Sie als ParlamentarischerStaatssekretär und Vertreter der Bundesregierung stehenin der Pflicht, entschieden für die deutschen Interesseneinzutreten.
Die EU will die Anerkennung von Berufsqualifikatio-nen vereinfachen. Das ist zwar verständlich; das Ergeb-nis ist aber das genaue Gegenteil: Die überarbeiteteRichtlinie ist noch komplizierter, noch bürokratischer undnoch unverständlicher geworden, als sie es ohnehin schonwdvHdmhfAumEmvwtmdnwaIwEzjerkbArnsdlaKjewtiMuisisedzrA
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ach deutschem Vorbild müssen sie in den Richtlinien-
ext aufgenommen werden. Dazu gehört, dass vor allen
ingen auch weiterhin die Voraussetzungen geschaffen
erden, bei der beruflichen Qualifikation nicht nur zu
erlangen, man müsse wissen, was Sache ist; vielmehr
uss die Grundlage für uns sein, darauf zu drängen, dass
an sich sprachlich etwas näher kommt. Wenn das der
all ist, dann ist mir nicht bange, dass man auch die an-
eren Herausforderungen leichter bewältigen kann, als
s bislang der Fall ist.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Es wäre ja zu schön, wenn die Geschäftsführer ihrenednern die gleichen Redezeiten angeben könnten wie
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Vizepräsident Dr. Norbert Lammertdem Präsidenten, um die Unstimmigkeiten, die es in denjeweiligen Vorgaben gibt, in Grenzen zu halten.Als nächstem Redner erteile ich dem KollegenChristian Lange, SPD-Fraktion, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da-
men und Herren! Lieber Kollege Hinsken, leider war Ihre
Rede wieder einmal ein Beitrag zum Politikverdruss.
Erstens haben Sie den Eindruck erweckt, als hätten
wir vonseiten der Regierungskoalition den Zeitpunkt für
diese Debatte hinausgezögert. Das ist falsch. Sie haben
das Aufsetzungsrecht.
Im Dezember 2003 kam die Antwort. Sie hätten also seit
Januar dieses Jahres diese Debatte hier führen können.
Zweitens haben Sie den Eindruck erweckt, als gäbe es
eine Differenz zwischen Bundesregierung, SPD-Frak-
tion, Grünen-Fraktion, CDU/CSU-Fraktion, FDP-Frak-
tion und den Verbänden in Deutschland zur Position der
Bundesregierung;
denn Sie haben einen ganz wichtigen Punkt verschwie-
gen: dass wegen ihrer Argumente, die sie hier vorgetra-
gen hat, die politische Einigung im Wettbewerbsfähig-
keitsrat am 18. Mai 2004 mit qualifizierter Mehrheit
gegen die Stimmen der deutschen und der griechischen
Delegation erzielt worden ist.
Meine Damen und Herren, ich frage mich wirklich,
warum wir diese Debatte, wenn wir sie schon führen
müssen, an dieser Stelle in dieser Form führen, da wir
uns doch in der Sache einig sind. Ich hätte zumindest er-
wartet, dass Sie die Einigkeit, die in diesem Hohen
Hause besteht, entsprechend betonen und darstellen.
Darf Ihnen der Kollege Hinsken eine Zwischenfrage
stellen, Herr Kollege Lange?
Ja.
Bitte schön.
Ich bin dankbar, Herr Präsident, dass ich diese Zwi-
schenfrage stellen darf, weil ich zu meinem großen Be-
dauern feststellen muss, dass die schlechte Qualifizie-
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Die Handwerksordnungsnovelle wollte auch durchehr Freiheit und Wettbewerb die Attraktivität desandwerks gerade für junge Leute erhöhen. Was wurdeislang erreicht? Die Zahl der Ausbildungsverträgeahm im August 2004 um 2,4 Prozent gegenüber demorjahresmonat zu. Das ist, denke ich, ohne Zweifel einrfolg des Ausbildungspaktes – da ist insbesondere dasandwerk ganz positiv hervorzuheben –, aber auch dereuen Handwerksordnungsnovelle. Trotz nach wie vorchwacher Handwerkskonjunktur und einer beispiello-en Verunsicherungskampagne steht fest: Das neueandwerksrecht wirkt und zeitigt bereits nach kurzereit beachtliche Erfolge.
Aber Herr Kollege, Sie haben doch sogar zugestimmt.
ch bitte Sie, wenigstens nachdem Sie zugestimmt haben hier im Deutschen Bundestag haben die Fraktionenon CDU/CSU und FDP zugestimmt –, zu den Erfolgenu stehen, die wir gemeinsam auf den Weg gebracht ha-en. Ich gehe sogar so weit, dass ich mich bei Ihnenerzlich dafür bedanke, dass Sie diesen Weg zur Novel-ierung der Handwerksordnung und damit zur Öffnunges deutschen Handwerks nach Europa mitgegangenind. Das ist ein guter Weg und Ihnen gebührt eigentlichank dafür, dass Sie ihn mitgegangen sind. Diesen Wegollten wir gemeinsam vertreten, so wie wir ihn auch ge-einsam beschlossen haben.
Meine Damen und Herren, ich möchte außerdem dar-uf hinweisen, dass die Diplomanerkennungsrichtlinieerade im Handwerk vor dem Hintergrund der EU-sterweiterung von Bedeutung war. Die Richtlinie wirdach ihrer Verabschiedung zum gemeinschaftsrechtli-hen Besitzstand zählen und muss somit auch von deneuen osteuropäischen EU-Mitgliedsländern umgesetzterden. Dass es an dieser Stelle zu keinen weiteren Un-timmigkeiten mit dem Handwerk kam, liegt auch maß-eblich an der Durchsetzung von Übergangsfristen imereich der Arbeitnehmer- und Dienstleistungsfreiheiton bis zu sieben Jahren durch die Bundesregierung. Fürie sonstigen Berufsgruppen ist aber vorgesehen, dassei der erstmaligen Dienstleistungserbringung ein Nach-eis über die rechtmäßige Niederlassung im Herkunfts-taat sowie Unterlagen über die Berufsqualifikation underufserfahrung gefordert werden können.Lassen Sie mich noch festhalten, dass das Diploman-rkennungsrecht keinen Einfluss auf das jeweilige na-ionale Bildungssystem hat. Das in der Richtlinie festge-egte Anerkennungssystem dient lediglich dazu, dassrotz der unterschiedlichen Bildungssysteme in den Mit-liedstaaten die Freizügigkeit auf dem Wege der gegen-eitigen Anerkennung von Qualifikationen und des Aus-
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Christian Lange
gleichs wesentlicher Unterschiede gesichert wird. Sokönnen die nationalen Eigenheiten bewahrt werden undstellen gleichzeitig kein Hindernis auf dem Wege derLiberalisierung des Dienstleistungsverkehrs und derNiederlassungsfreiheit in Europa dar.Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass ich fürchte– auch deshalb habe ich mit dem Satz angefangen, dasswir hier einen Beitrag zum Politikverdruss haben –, dasswir uns noch in einem Verfahren befinden.
Das heißt, auch das, worüber wir heute diskutieren– Herr Kollege Hinsken, Sie haben das vorhin schon kri-tisiert –, ist wieder nur ein Zwischenstand. Denn wirwissen: Gegen Ende 2004 wird mit der Vorlage des ge-meinsamen Standpunktes des Rates gerechnet, der danndem Europäischen Parlament zur zweiten Lesung vorge-legt wird. Es ist nicht auszuschließen, dass sich daran einVermittlungsverfahren zwischen Rat und EuropäischemParlament anschließt.Die Positionen der Bundesregierung und des HohenHauses sind klar: Wir ziehen an einem Strang. Das soll-ten wir auch heute zum Ausdruck bringen.
In diesem Sinne freue ich mich auf einen konstruktivenVerlauf der weiteren Debatte.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun die Kollegin Gudrun Kopp, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Da-men! Für die FDP-Bundestagsfraktion kann ich erklären,dass unsere Beurteilung des heute vorliegenden Zwi-schenstandes hinsichtlich der Anerkennung von Berufs-qualifikationen von Handwerk, freien Berufen und In-dustrie recht positiv ausfällt. Es ist zu erkennen, dass ander Richtlinie bis zum heutigen Tag entscheidende Ver-besserungen vorgenommen worden sind.Wer möchte, dass die EU bis zum Jahr 2010 zumdynamischsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschafts-raum wird, der muss für Liberalisierungen offen sein,die für den Binnenmarkt zu mehr Wettbewerb, auch beiden Qualifikationen, führen – allerdings nicht ohneGrenzen, auch nicht völlig uferlos und schon gar nichtum den Preis von Qualifikationsdumping. Das wollenwir nicht.
Aber wir müssen sagen: Es geht um die Flexibilisie-rung der Arbeits- und Dienstleistungsmärkte im Binnen-markt. Wir vermerken positiv, dass 15 EinzelrichtlinienzVkVtahssBLsHfsdKwbBdhwbUmhblBtddaGl18AME–E
n allen Firmenneugründungen haben.
estern haben wir im Wirtschaftsausschuss diesbezüg-ich eine sehr interessante Zahl gehört: Bislang sind57 000 Ich-AGs gegründet worden, für die im Haushalt50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden.
llein im August 2004 sind 6 200 dieser Ich-AGs vomarkt verschwunden.
ine seriöse Evaluierung nach Branchen und Bestandohne staatliche Subventionierung – steht noch aus.
s ist sehr fraglich, wie das aussehen wird.)
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Gudrun KoppIch möchte an dieser Stelle noch einmal an uns selbst,insbesondere aber an die rot-grüne Bundesregierung ge-richtet sagen, dass die Tragfähigkeitsbescheinigung, diejetzt eingefordert wird – also etwas Ähnliches wie einBusinessplan, der von den Kammern auszustellen ist –,ein ganz wichtiges Element immer noch nicht enthält,nämlich die Notwendigkeit für Ich-AGler, sich selbst ge-gen Regressansprüche zu versichern. Wir erleben der-zeit Betriebsgründungen, ohne dass bedacht würde, dassRegressansprüche abgesichert sein müssen. Das istwichtig für den Menschen, der sich selbstständig macht,aber auch wichtig für seine Kundschaft. Hierauf wird zuwenig Sorgfalt verwendet.Ich sage abschließend: Grundsätzlich sehen wir dieBeratungen zu dieser Richtlinie in der Tendenz positiv.Wir müssen natürlich abwarten, was hier noch folgt.Aber ich sage auch noch einmal, dass sich die rot-grüneBundesregierung wirklich anstrengen muss,
um eine bessere Wirtschaftspolitik für den Mittelstandzu machen. Wir brauchen passende Rahmenbedingun-gen, nämlich Kostensenkungen. Wir müssen darauf ach-ten, dass wir tatsächlich Entbürokratisierung schaffen.Diesbezüglich ist es mit der Reformfähigkeit dieser Re-gierung immer noch nicht weit her. Mittelständische Un-ternehmen müssen sich am Markt wirklich entfaltenkönnen. Es geht um echte Existenzen von Dauer und vonQualität. Hier bleibt für Sie noch sehr viel zu tun.Vielen Dank.
Das Wort hat nun die Kollegin Grietje Bettin, Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Wohl kaum jemand möchte heute den freien Waren-fluss zwischen den Ländern der EU missen. Als export-orientierte Nation profitieren wir auch volkswirtschaft-lich davon: Rund 60 Prozent unserer Exporte gehen indie EU. Wir können uns freuen über offene Grenzüber-gänge ohne Warteschlangen und inzwischen auch überdas Ende der Wechselstuben.Mit dieser positiven Grundhaltung sollten wir auchweitere Chancen, die uns die Europäische Union bietet,ergreifen. So sollten wir es auch mit der gegenseitigenAnerkennung von Berufsqualifikationen in Europa hal-ten. Bisher regelt ein Wust von EU-Richtlinien die Aner-kennung von Berufsqualifikationen. Die Kommissionwill dies nun endlich ändern und mehr Transparenz undMobilität für Dienstleistungen erreichen. Aus europapo-litischer und wettbewerbspolitischer Sicht ist dieses An-liegen grundsätzlich begrüßenswert. Die Frage ist jetzt,inwieweit die geplante Regelung den Verbraucherschutz,die Qualitätssicherung – zum Beispiel im Gesundheits-bereich – und faire Wettbewerbsbedingungen für die An-bieter gewährleistet.vipRvtRhncewlDbkgdsNhEsFvPgAlNswEtgdALNiDuaDliGfFrdd
ie Anmeldung bei gewünschter Niederlassung undei grenzüberschreitenden Dienstleistungen erfolgtünftig im Aufnahmeland und nicht, wie ursprünglicheplant, im Herkunftsland. Die Kontrollmöglichkeitenes Aufnahmelandes werden dadurch erheblich verbes-ert. Ob eine grenzüberschreitende Tätigkeit oder eineiederlassung vorliegt, entscheiden die zuständigen Be-örden des Aufnahmelandes wie bisher im konkreteninzelfall. Sie behalten den erforderlichen Ermessens-pielraum. Das ist viel besser als eine starre zeitlicheristsetzung, wie sie die EU-Kommission ursprünglichorgeschlagen hatte. Die Behörden werden sich bei derrüfung, ob eine Tätigkeit als gelegentlich oder vorüber-ehend einzustufen ist, wie bisher daran halten, ob derntragsteller noch fest in der Wirtschaft des Herkunfts-andes verankert bleibt. Die bewährten Regelungen zuriederlassung bleiben nach dem jetzigen Verhandlungs-tand weitgehend unberührt: Der Aufnahmestaat hateiterhin das Recht zur Qualifikationsprüfung, wenn einuropäer die Niederlassung beantragt.Für Menschen, die grenzüberschreitende Dienstleis-ungen anbieten, wird die neue Richtlinie dagegen eineroße Erleichterung sein. Für die meisten Berufe giltann nicht mehr das Qualifikationsprüfungsrecht desufnahmelandes. Dienstleister aus einem anderen EU-and müssen nur noch den Nachweis ihrer rechtmäßigeniederlassung im Herkunftsland sowie Unterlagen überhre Berufsqualifikation und Berufserfahrung vorlegen.avon ausgenommen werden die Bereiche Gesundheitnd öffentliche Sicherheit. Wir Grüne halten das durch-us für richtig.Die aktuelle Diskussion um die Qualität der Pflege ineutschland zeigt, dass wir hier besonders auf die beruf-che Qualifikation achten müssen. Dort, wo es um dieesundheit der Menschen geht, müssen wir gegebenen-alls Anpassungsmaßnahmen fordern können, wie etwaortbildungslehrgänge für Pflegekräfte.Nicht ausgenommen sind dagegen 41 Handwerksbe-ufe, die in Deutschland aus sicherheits- und/oder ausbil-ungstechnischen Gründen an den Meisterbrief gebun-en sind. Unserer Meinung nach muss dies auch nicht so
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Grietje Bettinsein. Für einige Berufe wäre eine Ausnahme zwar durch-aus begründbar gewesen, aber nicht für alle 41.Bei der Liberalisierung der Dienstleistungen in derEU sollten wir nicht ängstlich auf die Konkurrenz ausanderen EU-Staaten schauen. Die gemeinsame Regelungzur Anerkennung von Berufsqualifikationen nützt auchdeutschen Dienstleistern. Das betrifft etwa Physiothera-peuten und andere Anbieter im Gesundheitsbereich undin Handwerksberufen, die in manchen EU-Staaten eineakademische Ausbildung erfordern.Europa bedeutet mehr als nur freier Warenfluss undfehlende Wechselstuben. Bei dieser Neuregelung geht esum die Schaffung einer gemeinsamen Arbeitswelt fürdie Menschen. Wir alle in diesem Haus wollen die Be-rufsausbildung in Deutschland fit für Europa machen.Dafür müssen wir den europäischen Weg in der Berufs-anerkennung aber auch konsequent gehen.Danke schön.
Letzter Redner in der Aussprache zu diesem Tages-
ordnungspunkt ist der Kollege Gunther Krichbaum,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Diegegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationenspielt für die wirtschaftliche Entwicklung der EU unbe-strittenermaßen eine herausragende Rolle. Aus diesemGrund sollen Berufsqualifikationen in der EU automa-tisch anerkannt werden. Gerade für uns als exportorien-tierte Nation ist es wichtig, dass wir nicht nur unsereWaren in andere Länder ungehindert liefern, sonderndort auch Dienstleistungen erbringen können.
Gerade hier haben wir Deutsche Nachholbedarf, da wirhier hinter den USA und Großbritannien liegen. Umge-kehrt gilt freilich, dass auch Dienstleister aus anderenLändern der EU hier tätig werden können.Das Handwerk und die freien Berufe haben bei unseine jahrzehntelange Tradition und sind zwei der tragen-den Säulen unserer Wirtschaft. Gerade das Handwerkunternimmt in einer Zeit, in der Ausbildungsplätzeknapp sind, enorme Anstrengungen, um jungen Leuteneine Berufsqualifikation zu vermitteln und ihnen damiteine Zukunftschance zu geben. Das kann nicht oft genuggewürdigt werden.
In einer zunehmend europäisch werdenden Wirtschaftbrauchen sie deshalb verlässliche Rahmenbedingungenund uns als politische Partner.Seit nunmehr über zwei Jahren wird in Brüssel an einerRichtlinie gearbeitet. Die in zahlreichen EinzelrichtlinieneBlsUdMggvgdGwnsDSsdIldglsNgdDawdvnGnFuGwscaznR
Vonseiten der CDU/CSU-Fraktion haben wir bereitsitte letzten Jahres einen erheblichen Klärungsbedarfesehen und mit einer Großen Anfrage an die Bundesre-ierung den Fokus vor allem auf drohende Wettbewerbs-erzerrungen und Gefahren für den Verbraucherschutzelegt. Bedingt durch den Umstand, dass zeitgleich auchie Dienstleistungsrichtlinie verhandelt wird, drohenrenzziehungen zu verwischen und ein Kompetenzwirr-arr zu entstehen. Gerade bei der Dienstleistungsrichtli-ie sind noch manche Fragen offen. So ist in dieser bei-pielsweise das Herkunftslandprinzip vorgesehen.amit wäre der Herkunftsstaat für eine Kontrolle seinertaatsangehörigen im ausländischen Tätigkeitsstaat zu-tändig. Kontrollen liefen damit aber ins Leere, weshalbadurch allenfalls die Schwarzarbeit begünstigt würde.
nsoweit besteht bei der Dienstleistungsrichtlinie erheb-icher Klärungsbedarf.Soweit der Vorschlag der Kommission im Rahmener Anerkennungsrichtlinie das Ziel verfolgt, die Freizü-igkeit qualifizierter Personen im Binnenmarkt zu er-eichtern, ist dagegen nichts einzuwenden. Die Unionteht einer Liberalisierung der Dienstleistungs- undiederlassungsfreiheit positiv gegenüber. Schließlichilt es, im Rahmen der Lissabonner Strategie für eineynamischere EU-Wirtschaft die Erbringung vonienstleistungen zu erleichtern. Hierbei müssen aberuch bestimmte und bewährte Standards eingehaltenerden.
Als Union legen wir deshalb erheblichen Wert darauf,ass Dienstleister aus anderen EU-Staaten den qualitati-en Anforderungen entsprechen, die wir unseren eige-en Erwerbstätigen abverlangen. Ansonsten laufen wirefahr, eine unzulässige Inländerdiskriminierung vorzu-ehmen.
ür die Berufe in den Bereichen des Gesundheitswesensnd der öffentlichen Gewalt ist dies bereits gelungen.leiches muss aber auch für die freien Berufe, beispiels-eise der Rechts- und Steuerberater wie auch der Wirt-chaftsprüfer, gelten. Im Interesse eines aktiven Verbrau-herschutzes fordern wir deshalb die Bundesregierunguf, in den weiteren Gesprächen alle Möglichkeiten aus-uschöpfen, um dieser Interessenlage nachhaltig Rech-ung zu tragen.
Keinesfalls sollte es genügen, dass wir uns mit deregelung eines Nachweises entsprechender Berufshaft-
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Gunther Krichbaumpflichtversicherungen begnügen, die bei einer mangel-haften Leistung Schäden der Verbraucher ausgleichensollen. Allein diese Sichtweise ist schon verkehrt; dennes geht hierbei um mehr. Es geht darum, dass wir unsereQualitätsstandards, auf die unsere Verbraucher seitJahren vertrauen, sicherstellen. Die Güte der Beratungs-und Dienstleistungen darf nicht zum Spielball im Feldder europäischen Harmonisierungsbestrebungen werden.Für jene, die sich hier in Deutschland dauerhaft nie-derlassen wollen, sieht Art. 14 der Richtlinie vor, dassder Staat, in dem sich der Dienstleistende niederlässt,eine entsprechende Eignungsprüfung oder wahlweiseentsprechende Lehrgänge verlangen kann. Es ist deshalbwichtig, dass die Bundesregierung schon jetzt entspre-chende Vorkehrungen trifft, damit nach Verabschiedungder Richtlinie eine zügige Umsetzung erfolgen kann.Leider ist es in den Verhandlungen nicht gelungen,eine Regelung durchzusetzen, um die eben beschriebe-nen Maßnahmen auch auf jene anwenden zu können, diesich nur zeitlich befristet hier bzw. in einem anderenMitgliedstaat aufhalten. Wie eben erwähnt, ist dies nurfür Gesundheitsberufe und die Berufe im Bereich der öf-fentlichen Gewalt gelungen. Diese Einschränkung ist imInteresse der deutschen Verbraucher zu bedauern. Von-seiten der CDU/CSU-Fraktion hätten wir uns hier mehrgewünscht. Gleichwohl wissen wir, dass dieses Ansin-nen nicht an der Bundesregierung, sondern vielmehr amWiderstand der Kommission und anderer EU-Partner-staaten scheiterte.Wir begrüßen es, dass die Mitgliedstaaten in Zukunftdie Möglichkeit haben, von Dienstleistern aus anderenEU-Staaten vor ihrer erstmaligen Leistungserbringungeine Anmeldung zu verlangen. Dabei gehen wir davonaus, dass ein entsprechendes Meldeverfahren tatsäch-lich installiert wird, das auf unbürokratische, aber effi-ziente Weise den Schutz der Verbraucher in Deutschlandsicherstellt.Schließlich sei noch das Problem der so genanntengemeinsamen Plattformen erwähnt, wonach in Zukunftausschließlich die Berufsverbände den Katalog für einenVerzicht auf die oben erwähnten Ausgleichsmaßnahmen– sprich: Qualifikationstest oder Lehrgang – bestimmenkönnen. Hierbei bestünde nach dem jetzigen Richtlinien-vorschlag kein Mitspracherecht des Parlaments mehr,also weder des Bundestages noch des Europäischen Par-laments. Hierbei besteht nun die Gefahr, dass der Anfor-derungskatalog der europäischen Verbände hinter unse-ren qualitativen Standards zurückbleibt. Dies bedeuteteinerseits, dass wir den hiesigen Handwerkern und Frei-beruflern Standards abverlangen, die ein EU-Dienstleis-ter nicht erbringen müsste, und es zu einer Benachteili-gung inländischer Dienstleister käme. Andererseits darfdieser Umstand nicht dazu führen, dass wir uns mit un-seren Qualitätsstandards nach unten orientieren und da-mit das Dienstleistungsniveau abgesenkt würde.
Ein „race to the bottom“ darf es nicht geben.AEadddtekdsrLsuttDgttPa–te–r–
Ich finde gut, dass Sie behalten haben, dass ich das öf-r sage. Das war auch meine Absicht.
Bei manchen muss man es oft wiederholen, bei ande-en weniger oft. Sie haben es behalten und das ist okay.
Ministerin! So viel Zeit muss sein.
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Bundesministerin Renate KünastZum anderen geht es um die Futtermittel. Die meis-ten oder nahezu alle Lebensmittelskandale haben ihrenAusgang bei Futtermitteln genommen. Das heißt, dass inder Futtermittelwirtschaft etwas falsch gelaufen ist. Dashatten die Bauern zumindest bei den Preisen auszuba-den. Mit jeder neuen Hiobsbotschaft haben die Verbrau-cherinnen und Verbraucher Vertrauen verloren.Wir haben deshalb – ich weiß, dass das zu großen Tei-len gemeinsam und fraktionsübergreifend geschehen ist –die Organisation des Lebensmittelbereichs auf den Prüf-stand gestellt. Wir haben die Prävention und den Vorsor-gegedanken beim Verbraucherschutz als Leitbild ver-ankert. Wir haben damit dem VerbraucherschutzPriorität eingeräumt, weil das Problem so groß war, dasser vor kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen Vorranghaben musste. Ich betone: kurzfristigen; denn langfristiglebt jeder davon, dass man auf die Verbraucher und ihreGesundheit Rücksicht nimmt. In der Konsequenz bedeu-tet das, dass das Lebensmittelrecht am gesundheitlichenVerbraucherschutz ausgerichtet wird.Zudem haben wir mit dieser Vorlage ein einheitlichesKonzept im Lebensmittelbereich, das die gesamte Le-bensmittelherstellung vom Acker – das betrifft die Be-standteile des Futters oder auch des Brotes – über dieVerarbeitung bis hin zur Theke und den Teller umfasst.Das entspricht übrigens auch den Grundsätzen des Weiß-buchs der Europäischen Union.Mit unserem Gesetzentwurf leisten wir auch einenBeitrag zur Entbürokratisierung und Vereinfachung,weil wir aus elf Gesetzen eines machen. Das erleichtertin Zukunft die Rechtsfindung. Wir alle reden davon, dieSituation für die Wirtschaft einfacher zu machen. Fürmich heißt das, dass man gut beraten ist, aus elf Geset-zen eines zu machen.Wir haben mit diesem Gesetzentwurf einen Paradig-menwechsel vollzogen. Futtermittel werden als erstesGlied der Lebensmittelherstellungskette verstanden undkonsequent in diese einbezogen. Spätestens seit BSEweiß das jedes Kind. Damit entspricht der Gesetzent-wurf den hohen Erwartungen der Verbraucherinnen undVerbraucher an gesunde Lebensmittel in der gesamtenKette.Er trägt übrigens auch dem Recht auf InformationRechnung, weil wir in den Gesetzentwurf eine ArtVerbraucherinformationsgesetz implementieren. Dadie Opposition angekündigt hat, dass sie sich in Zukunftauch um die Verbraucherinnen und Verbraucher – undzwar alle; auf dem Land wie in der Stadt – kümmernwill, dürfte dies in den weiteren Beratungen, auf die ichmich freue, kein Problem darstellen. Möglich ist allen-falls, dass Sie mehr fordern. Aber dann sollten Sie nichtimmer sagen „Später in Brüssel“. Sie sollten es hier aufErden statt später im Himmel fordern.
Der vorliegende Gesetzentwurf zur Neuordnung desLebensmittel- und des Futtermittelrechts schafft einheit-liche Standards und wird bis hin zu der Straf- und Buß-geldbewehrung von der Wirtschaft begrüßt. Er greift denglrgbGbgtLdCD–DtgsSwsDetmsIdRdbde
Ich erteile der Kollegin Marlene Mortler von der
DU/CSU-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenamen und Herren!Man kann sagen, er der Gesetzentwurf –ist ein weiterer Meilenstein für mehr Lebensmittel-sicherheit in Deutschland.iese Aussage von Ministerin Künast ist maßlos über-rieben.Tun Sie doch nicht immer so, als ob es erst seit Be-inn Ihrer Regierungszeit in diesem Land Verbraucher-chutz gäbe.
ie täuschen mit diesen Aussagen, die mit der Lebens-irklichkeit und den Bedürfnissen der Menschen in un-erem Land wenig zu tun haben, die Verbraucher.
enn mit der formalen Verschmelzung von bisherigenständigen Gesetzen in den Bereichen Lebensmit-elhygiene, Futtermittel, Bedarfsgegenstände und Kos-etika in einem Gesetzbuch wird die Lebensmittel-icherheit nicht automatisch erhöht.
m Gegenteil: Die Art und Weise der Zusammenlegunger verschiedenen Regelungen erleichtert weder dieechtsanwendung noch erhöht sie die Transparenz.Es ist abzusehen, dass sich in der praktischen Anwen-ung des neuen Gesetzes ähnliche Schwierigkeiten wieeim Vollzug des Arzneimittelgesetzes ergeben, in demie Bereiche Humanarzneimittel und Tierarzneimittelbenso undurchsichtig wie praxisfern geregelt sind.
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Marlene MortlerEine andere Gestaltung des Gesetzbuches – nämlichein Aufbau mit mehreren in sich geschlossenen Kapitelnfür die Regelungsbereiche Lebensmittel, Futtermittelund Bedarfsgegenstände – würde aus meiner Sicht füralle Betroffenen die Durchführung erheblich vereinfa-chen.Einen einfachen Weg ist in diesem Zusammenhangwieder einmal Österreich gegangen. Österreich fühltsich dem gemeinschaftlichen Konzept „Vom Acker biszum Teller“ genauso verpflichtet wie wir. Das Lebens-mittelgesetz und das Futtermittelgesetz wurden dortnicht verschmolzen, sondern jeweils an das EU-Rechtangepasst.Mag auch der Ansatz der Zusammenführung von Le-bensmittel- und Futtermittelrecht nach dem Konzept desEU-Weißbuchs 2000 geboten sein und eine echte Juris-tenseele erfreuen, so ist doch eines klar: Keine Verbrau-cherin und kein Verbraucher wird sich je ohne fachjuris-tischen Beistand in dem Labyrinth des einschlägigenEU-Lebensmittel- und -Futtermittelrechts, des vorlie-genden Gesetzentwurfs und der darauf gestützten natio-nalen Durchführungsverordnungen zurechtfinden kön-nen.
Wenn das aber unbestreitbar ist, dann sollten Sie, FrauMinisterin, nicht das Gegenteil behaupten, erst rechtnicht in der Gesetzesbegründung und mit demselbenWortlaut in der Gegenäußerung der Bundesregierungzur Stellungnahme des Bundesrats. In beiden Texten istnämlich zu lesen:Für die Verbraucherinnen und Verbraucher, dieWirtschaftsbeteiligten und die Verwaltung wird eseinfacher, die geltenden nationalen Vorschriften imLebensmittel- und Futtermittelbereich zu ermitteln;die Rechtsanwendung wird so erleichtert.Der geneigte Leser fühlt sich getäuscht, wenn nicht so-gar verhöhnt. Sollten wir nicht endlich ehrlich zugeben,dass das Ganze kein Volkslesebuch werden kann?
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Dr. Priesmeier?
Bitte.
Bitte, Herr Dr. Priesmeier.
Frau Kollegin Mortler, da Sie die Österreicher so lo-
ben, ist Ihnen sicherlich bekannt, dass Teile der öster-
reichischen Regelungen vor allem betreffend das In-Ver-
kehr-Bringen und die Kennzeichnung letztendlich
keinen Bestand gehabt haben. Wenn Sie also ausländi-
sche und insbesondere österreichische Regelungen als
Vorbild darstellen, kann ich nur sagen: Gemach, ge-
mach! Gehen Sie in dieser Ansicht mit mir konform?
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Leider weicht der vorliegende Gesetzentwurf an vie-en Stellen bei Begriffsdefinitionen und materiellen Re-elungen unnötigerweise von den einschlägigen EU-ichtlinien ab. Solche Abweichungen führen zu Ausle-ungsschwierigkeiten und beeinträchtigen die EU-weiteinheitliche Anwendung der gemeinschaftsrechtlichenorschriften. Weitere Wettbewerbsverzerrungen zulastennserer Wirtschaft sehe ich hier vorprogrammiert.
Die teilweise von Rot-Grün geschürte BSE-Hysteriest schon lange abgeklungen. Die Diskussion hat sich in-wischen versachlicht. Deswegen wird es aus meinericht allmählich Zeit, zu überprüfen, ob das allein ineutschland gültige Verbot der Verfütterung tierischerette beibehalten werden sollte; denn es ist doch deripfel der Schizophrenie, wenn solche Fette in der Ver-ütterung verboten, aber für die menschliche Ernährungugelassen sind. Nach wissenschaftlichen Erkenntnis-en steht fest, dass von der Verfütterung tierischer Fetteeine Gefahr für die menschliche oder die tierische Ge-undheit ausgeht. Ansonsten wäre ein solches Verfütte-ungsverbot auch auf EU-Ebene erlassen worden.
Ich will damit erklären, dass das wieder ein nationalerlleingang ist, liebe Frau Wolff.Andererseits gehen in Deutschland verbotene Lebens-ittel aus anderen EU-Ländern mit niedrigeren Stan-ards über unsere Ladentheken. Das ist weder logischoch fair.Bei allen Meinungsverschiedenheiten bezüglich Auf-au, Gliederung und Ausgestaltung sollten wir in einembereinstimmen: Entscheidend für den vorbeugendenesundheitlichen Verbraucherschutz sind die Anwen-ung und die Kontrolle der lebensmittel- und der fut-ermittelrechtlichen Vorschriften. Es ist nicht ihre Zu-ammenführung zwischen zwei Buchdeckeln.
Ich komme zum Schluss. Was eine effizient arbei-ende amtliche Lebensmittelüberwachung leisten kann,eigt der soeben vorgestellte Jahresbericht des Bayeri-chen Landesamtes für Gesundheit und Lebens-ittelsicherheit in Erlangen. Danach sind bayerischeebensmittel ausgesprochen sicher. Nur 0,46 Prozenter 79 000 untersuchten Lebensmittel und Bedarfsge-enstände waren als gesundheitsschädlich einzustufen.
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Marlene MortlerDiese geringe Quote ist ein deutlicher Beleg für eine gutfunktionierende Lebensmittelkontrolle und entzieht je-der Panikmache die Grundlage.Vielen Dank.
Nun erhält das Wort die Kollegin Gabriele Hiller-
Ohm, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr ge-ehrte Frau Kollegin Mortler, auch wenn Sie es nichtgerne hören: Die Neuordnung des Lebensmittel- und desFuttermittelrechts ist verbraucherpolitisch ein wichtigerund konsequenter Schritt hin zu mehr Lebensmittel-sicherheit in Deutschland.
Wir begrüßen diese Initiative ausdrücklich.
Was ist neu an dem Gesetz? – Ich greife drei wesentli-che Änderungen heraus:Erstens. Lebensmittel- und Futtermittelrecht werdenin ein Gesetzbuch zusammengeführt. Nach dem Motto„Aus elf mach eins“ wurden elf bisher eigenständige Ge-setze zusammengefasst. Überflüssige Passagen wurdenherausgenommen oder an anderer Stelle geregelt. Von200 Paragraphen sind jetzt nur noch 70 übrig geblieben.Das nenne ich Transparenz! Das nenne ich Abbau vonBürokratie!
Zweitens. Durch die Zusammenführung des Lebens-mittel- und Futtermittelrechts machen wir den Weg füreine ganzheitliche Betrachtungsweise der Lebensmittel-kette frei. Das war bisher nicht der Fall: Futtermittel undLebensmittel wurden als eigenständige, voneinander ge-trennte Bereiche betrachtet. Das ist jetzt anders: Futter-mittel werden im neuen Gesetzbuch als erstes Glied inder Kette der Lebensmittelherstellung manifestiert. Wa-rum ist dieser Paradigmenwechsel so wichtig? – Erin-nern wir uns – es wurde schon darauf hingewiesen – andie Lebensmittelskandale der Vergangenheit! Die Ursa-che lag häufig bei den Futtermitteln, zum Beispiel beimBSE-Skandal, aber auch beim Dioxin- und beim Nitro-fenskandal.Jetzt haben wir einen neuen, einen ganzheitlichen ver-braucherpolitischen Ansatz: „From stable to table“. AufHochdeutsch: Vom Stall bis auf den Teller. Dieser neueAnsatz bietet den Bundesländern die Möglichkeit, ihreZuständigkeiten in diesem Bereich besser zu koordinie-ren. Die Bundesländer sind für die Lebensmittel- undFuttermittelkontrollen zuständig. Sehr geehrte Frau Kol-lnGclmBrbvrtbmlisGtgIwdddwzDsaSDaovssBdgV
randenburg hat diesen Schritt bereits getan. Die ande-en Länder müssen diesem Beispiel nun folgen.
Drittens. Der Schutz der Verbraucherinnen und Ver-raucher vor Täuschung bei Bedarfsgegenständen wirderbessert. Irreführende Bezeichnungen und irrefüh-ende Werbung sollen zukünftig per Verordnung verbo-en werden. Das heißt, der Schmuckhändler, der die Ver-raucher mit angeblich nickelfreien Ohrsteckern täuscht,acht sich strafbar. Ebenso ist es dem Spielzeugherstel-er verboten, damit zu werben, dass Spielzeug PVC-freist, wenn dies irreführend ist.Inzwischen hat sich auch der Bundesrat in erster Le-ung mit dem neuen Gesetzbuch befasst. Er begrüßt imrundsatz die Neuordnung des Lebensmittel- und Fut-ermittelrechts. Das ist schon einmal eine gute Aus-angslage für eine Einigung. Es gibt aber auch Kritik.ch nenne drei Kritikpunkte:Erstens. Das Gesetz sei zu unübersichtlich und nur et-as für Experten. – Wir nehmen die Kritik aus dem Bun-esrat in der Regel sehr ernst. An dieser Stelle ist sie je-och für uns nicht nachvollziehbar. Das Gesetz – da hater Bundesrat sicherlich Recht – liest sich nicht so leichtie ein Krimi, doch ich kenne, ehrlich gesagt, kein ein-iges Gesetz, das diesem Anspruch Genüge tun würde.as neue Gesetzbuch zeichnet sich doch gerade durcheine Übersichtlichkeit und durch seine klare Gliederungus. Frau Mortler, ich empfehle Ihnen wirklich: Werfenie einen Blick in das neue Gesetzbuch!
ann werden Sie sehen: Diese Kritik ist wirklich nichtngebracht.
Zweitens. Der Gesetzentwurf enthalte zu viele Ver-rdnungsermächtigungen. Das führe zu einem Macht-erlust des Bundestages. – Es ist schon interessant, dassich ausgerechnet der CDU/CSU-dominierte Bundesrato große Sorgen um unsere Handlungsfähigkeit hier imundestag macht. Oft genug ist es gerade der Bundesrat,er unsere Handlungsfähigkeit einschränkt.Was hat es nun mit den Verordnungsermächtigun-en auf sich? Verordnungsermächtigungen geben dererwaltungsebene Spielräume,
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Gabriele Hiller-Ohmzum Beispiel dem Bundesministerium für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft. Es wird ermäch-tigt, in bestimmten, im Gesetz fest umrissenen BereichenVerordnungen zu erlassen. Warum ist das notwendig?Können wir darauf verzichten? Nein, das können wirnicht. Verordnungsermächtigungen sind erstens wichtig,um schnelles Handeln sicherzustellen. Von der EU wirdauch immer wieder eingefordert, dass wir schneller wer-den. Durch die Verordnungsermächtigungen können wirzweitens flexibler auf neue Anforderungen der EU-Ge-setzgebung reagieren, ohne jedes Mal das Gesetz ändernzu müssen.Wir freuen uns natürlich über die Fürsorglichkeit desBundesrates uns Parlamentarierinnen und Parlamentari-ern gegenüber, finden es aber doch schon erstaunlich,dass die Kritik gerade jetzt angebracht wird. Laut Minis-terium wurden – vom Bereich Fleischhygiene abgesehen –überhaupt keine neuen Verordnungsermächtigungen inden Entwurf aufgenommen. Es gibt sie also fast alleschon. Sie sind im neuen Gesetzbuch lediglich zusam-mengeschoben worden. Sie haben sich nicht vermehrt,aber durch das Zusammenschieben erhalten wir einenviel besseren Überblick.Drittens. Der Bundesrat meint, die Verbraucherin-formation komme in dem neuen Gesetz zu kurz. Washeißt das? Für den Fall etwa, dass eine größere Mengevon Lebensmitteln in Verkehr gekommen ist, die zumVerzehr nicht geeignet sind, fordert der Bundesrat nachdem Vorbild Baden-Württembergs das Recht, die Öf-fentlichkeit zu informieren. Wir werden diese Anregungaus dem Bundesrat sehr genau prüfen. Natürlich – das istdoch ganz klar – sind auch wir an guter, an besserer Ver-braucherinformation interessiert. Gerade aus diesemGrund haben wir doch in der letzten Legislaturperiodewie die Löwen für ein eigenständiges umfassendes Ver-braucherinformationsgesetz gekämpft. Fast hätten wir esauch hinbekommen. Sozusagen in letzter Sekunde ist esam Widerstand der CDU/CSU im Bundestag und vor al-lem nachher im Bundesrat, also an Ihnen, meine Damenund Herren von der Opposition, gescheitert.
Sie waren es, die das Verbraucherinformationsgesetzund damit mehr Rechte für Verbraucherinnen und Ver-braucher ausgebremst haben.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Heinen?
Sie hat nachher die Möglichkeit, sich zu äußern. Ich
möchte jetzt weitermachen.
Sich jetzt hier hinzustellen, den dicken Maxen zu ma-
chen und mehr Informationsrechte einzufordern, wirkt
nicht sehr überzeugt, meine Damen und Herren.
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Frau Kollegin Heinen, ich hoffe aber, dass uns in die-
er Legislaturperiode doch noch der große Wurf gelin-
en wird und wir ein eigenständiges Verbraucherinfor-
ationsgesetz gemeinsam auf den Weg bringen.
nsere Verhandlungsbereitschaft steht.
Geben Sie sich also einen Ruck, meine Damen und
erren von der CDU/CSU! Helfen Sie mit, Ihre Kolle-
innen und Kollegen im Bundesrat zu überzeugen! Die
erbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland wer-
en es Ihnen danken.
Wie geht es nun mit der Neuordnung des Lebensmit-
el- und Futtermittelrechts weiter? Im Ausschuss für Ver-
raucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft haben
ir in dieser Woche eine Anhörung zu diesem Themen-
omplex beschlossen. Sie soll am 20. Oktober stattfin-
en. Dann können die Fraktionen Änderungsanträge ein-
ringen. Im Januar 2005 soll das neue Gesetz in Kraft
reten.
Ich hoffe sehr, dass wir diese Zeitschiene halten wer-
en und dass uns der Bundesrat nicht wieder die Suppe
ersalzt. Wir brauchen die Neuordnung des Lebensmit-
el- und Futtermittelrechts. Das ist ganz wichtig, um den
orsorgenden Verbraucherschutz in Deutschland weiter
ach vorn zu bringen.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Christel Happach-
asan, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ch will doch noch einmal in dieser Diskussion daran er-nnern: Es ist Aufgabe der Landwirtschaft wie auch derrnährungsindustrie, gesunde Lebensmittel zu produzie-en. Sie tun dieses, und zwar, Kollegin Mortler, nicht nurn Bayern. Sie tun das im gesamten Bundesgebiet. Lobafür gebührt den Betrieben und nicht der Politik, dieeine weitere Aufgabe als die der Kontrolle hat.
Ich will weiter daran erinnern, alle angeblichen Skan-ale der letzten Jahre – nehmen wir Nitrofen, nehmenir Acrylamid – haben die Gesundheit der Menschenicht gefährdet. Diese so genannten Skandale habenichts weiter als ein Rauschen im Blätterwald erzeugtnd sind nur ein Ausdruck der Unsicherheit der Men-chen,
ber nicht von Unsicherheiten der Nahrungsmittel. Dieseind sicher. Alle Institute, auch die von dieser Bundes-
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Dr. Christel Happach-Kasanregierung beauftragten, bestätigen uns dies. Wer Men-schen schützen will, muss sie auch davor schützen, sichum die falschen Dinge Sorgen zu machen. Die wirkli-chen Gefahren liegen nicht in der Qualität der Lebens-mittel, sondern in der Auswahl der Lebensmittel. EineDiät aus Chips und Cola ist nicht gesund, auch wenn dieProdukte einwandfrei sind. Wir sind uns bewusst, dassdie Gesetzgebung darauf allenfalls minimalen Einflusshaben kann.In einem zusammenwachsenden Europa ist es konse-quent, die Lebensmittel- und Futtermittelgesetzge-bung zu vereinheitlichen. Die in der EU entwickelteStrategie „vom Acker auf den Teller“ ist ein umfassen-der Ansatz, der griffig beschreibt, was wir wollen. Dergesunde Jungbulle soll einmal als saftiges Steak, dieMohrrübe in einem knackigen Salat auf dem Teller lan-den. Dafür sind wir alle.
– Wie ich sehe, hat mein Kollege sie schon vor Augen.Die Regierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, derverschiedene Gesetze bündelt. In der Zielbeschreibungheißt es: Das Lebensmittelrecht soll transparenter, dieAnwendung vereinfacht werden. Dieser Zielsetzungstimmen wir zu. Die Anhörung wird zeigen, ob dies tat-sächlich erreicht wird. Für die FDP will ich auch nocheinmal hinzufügen: Wir wollen in einem solchen Gesetzkeine den Wettbewerb verzerrenden Vorschriften. Siesind durch nichts zu rechtfertigen.Wir müssen leider feststellen: Wie immer versucht dieBundesregierung unter dem Deckmantel der Umsetzungeiner EU-Richtlinie, den Wettbewerb verzerrende Vor-schriften und Sonderregelungen einzuführen. Genau die-ses lehnen wir ab.
Wir haben ein sehr hohes Maß an Lebensmittelsi-cherheit. Frau Hiller-Ohm, ich hätte mich gefreut, Siewären auch darauf einmal eingegangen, denn um unsereLebensmittel geht es. Jeder, der dieses leugnet, zerstörtbestehendes Vertrauen und verunsichert die Menschen.Das kann nicht Ziel eines Verbraucherschutzes sein, derdie Eigenverantwortung der Bürger stärken will.
Alle Betriebe der Landwirtschaft und der Ernährungsin-dustrie sind sich ihrer hohen Verantwortung bewusst.Das ist der beste Garant für eine durchgängig hohe Qua-lität der Lebensmittel. Wir können nämlich nicht allesprüfen. Wir müssen darauf setzen, dass die Betriebe ih-rer Verantwortung gerecht werden.Vor diesem Hintergrund gibt es keinerlei Begründungfür die Einführung von Sonderregelungen in Deutsch-land, die die Position unserer Betriebe im Wettbewerbschwächen. Wir brauchen vielmehr Rahmenbedingun-gen, die die Betriebe stärken, die so zum Erhalt der be-stehenden Arbeitsplätze beitragen und die Möglichkeiteröffnen, neue zu schaffen. Es entsteht einmal wiederdggLr–ItsgW1sVdmDVm–fzcewwslEiÖstvgd
Das Thema ist ein wenig umfangreicher, als Sie es inhrer Gläubigkeit an die Regierung überhaupt erfassen.
Das vorliegende Gesetz umfasst 150 Einzelermäch-igungen für Verordnungen. Teilweise sollen durch Ge-etze geregelte Tatbestände zukünftig über Verordnun-en geregelt werden. Das lehnen wir ab.
ir können erstens nicht erkennen, dass ein Gesetz mit50 Verordnungen die Rechtsanwendung erleichtert. Wirind zweitens der Auffassung, dass eine so umfassendeerlagerung der Regelungskompetenz vom Parlament inie Hände der Regierung eine Entmachtung des Parla-ents bedeutet. Dem können wir nicht zustimmen.
rittens haben wir – das will ich auch hinzufügen – keinertrauen darin, dass diese Regierung mit dieser Er-ächtigung ordentlich umgeht.
Das ist kein Unfug, sondern ein Erfahrungstatbestand.Im Hinblick auf die Rechtsanwendung ist überhauptraglich, ob die vorgenommene Bündelung von Geset-en wirklich zu mehr Transparenz und einer Vereinfa-hung der Anwendung führt. Sollte nicht beispielsweisein originäres Gesetz für Tabakerzeugnisse entwickelterden, das im Namen deutlich macht, was geregeltird? Ist die Einbeziehung der Kosmetika in diesem Ge-etz im Hinblick auf den Anwender des Gesetzes wirk-ich zielführend? Weiterhin haben wir eine Fülle voninzelregelungen, die im Vergleich zu Formulierungenn anderen Ländern – es wurde schon auf das Beispielsterreich verwiesen – komplizierter sind und das Ver-tändnis des Gesetzes erheblich erschweren.Die FDP fordert eine sehr sorgfältige Gesetzesbera-ung mit einer umfangreichen Anhörung, um das Gesetzollzugsfähig zu gestalten. Nur so kann es seinem Zielerecht werden, nämlich Transparenz zu schaffen undie Rechtsanwendung zu erleichtern.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Höfken,
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Ich bin manchmal sozusagen ganz
platt, wenn ich sehe, mit welcher unglaublichen Arro-
ganz die Kolleginnen und Kollegen der FDP in ihren Re-
den real existierende Probleme ignorieren und sich über
den Verbraucherschutz hinwegsetzen. Wollen Sie Anar-
chie und großes Chaos? Genau das ist die Politik der
FDP.
So etwas darf es in der Verbraucherpolitik nicht geben.
Frau Mortler, wir wollen keine blühenden Landschaf-
ten versprechen. Wir wollen auch kein Buch, das man,
wie Gustav Herzog sagt, beim Einkaufen mitnimmt.
Dieses Gesetz für den Bereich des Lebensmittel- und
Futtermittelrechts stellt eine Anpassung an EU-Vorga-
ben dar. Es bedeutet sowohl eine deutliche Rechtsverein-
fachung
als auch eine Strukturreform.
Selbstverständlich brauchen wir darüber hinaus wei-
tere Maßnahmen. Frau Künast hat in diesem Zusammen-
hang einen langfristig angelegten und vorbeugenden
Verbraucherschutz skizziert. Er wird mit diesem Ge-
setz geschaffen: mit mehr Transparenz und mehr Sicher-
heit. Dieses Instrument ist Teil einer konsequenten Stra-
tegie, die wir gemeinsam fahren.
Darüber hinaus geht es natürlich um die Herkunft,
Herstellungsbedingungen und die Verwendung von Zu-
satzstoffen. In Bezug auf die Allergene muss es bis zum
November ebenfalls zu einer Umsetzung ins nationale
Recht kommen. Auch bei den Health Claims müssen wir
endlich vorankommen. Wichtig ist daneben die AVV
RÜb. Damit komme ich auf den Bundesrat zu sprechen.
Es kann doch angesichts der globalen Märkte einfach
nicht sein – da müssen Sie Farbe bekennen, sehr geehrte
Damen und Herren der Opposition –, dass die Länder
weiterhin Eigenbrötelei betreiben. Auch von Ihrer Seite
wird doch angesichts der globalen Märkte die Import-
problematik immer wieder aufgezeigt. Wir teilen Ihre
Auffassung, dass es in der Lebensmittelüberwachung ei-
nen ungeheuren Koordinationsbedarf gibt. Genau dieser
Bedarf soll mit der AVV RÜb gedeckt werden. Damit
schaffen wir endlich – das war schon längst überfällig –
einheitliche Untersuchungsstandards. Ich bitte Sie in-
ständig, morgen im Bundesrat Ihren Einfluss geltend zu
machen, dass wir diesen Teil des Verbraucherschutzes
endlich beschließen können.
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Das Wort hat die Kollegin Uda Heller, CDU/CSU-
raktion.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herrenuf den Tribünen! Neuordnung des Lebensmittel- unduttermittelrechts – das klingt wie eine Verheißung undeckt große Hoffnungen, dass endlich vernünftigetrukturen in das Dickicht dieses unübersichtlichen undomplexen Bereichs kommen.Wir alle wissen aus vielen Lebensmittel- und Futter-ittelskandalen nur zu gut um die Komplexität diesesereiches unserer Arbeit und die Schwierigkeiten, hierernünftige Eingriffsmöglichkeiten des Gesetzgebers zuchaffen. Die Folge ist eine schier unüberschaubare Fluton Richtlinien, nationalen und europäischen Gesetzen,erordnungen und anderen gesetzlichen Regelungen,m diesen Bereich in den Griff zu bekommen. Hinzuommt, dass diese Regelungen international abgestimmterden müssen.So ist der zugrunde liegende Gedanke dieses Geset-es, dass das Herstellen von Futtermitteln ganz amnfang der Produktionskette von Lebensmitteln steht,urchaus richtig und nachvollziehbar. Klar und unbe-tritten ist auch, dass dem Futtermittelhersteller damitie gleiche Verantwortung für die Sicherheit und die Be-chaffenheit unserer Nahrungsmittel zukommt wie dempäteren Lebensmittelhersteller. Dennoch ist fraglich, oban diese beiden bislang eigenständigen Bereiche, dieuch in der Praxis, im Vollzug, in der Rechtsprechung, iner Rechtsberatung und auch in der Überwachung deut-iche Unterschiede aufweisen, einfach zusammenfügenann und soll, so wie Sie dies in dem vorliegenden Ge-etzentwurf getan haben.
Ich weiß sehr wohl, Frau Ministerin Künast, wiechwierig für Sie und Ihre Mitarbeiter die Aufgabe war,ie beiden großen Bereiche Futtermittel und Lebensmit-el mit ihrer Vielzahl von Einzelregelungen in ein kom-lexes Gesetzeswerk zusammenzufügen, das sämtlichetufen in der Lebensmittelkette erfassen soll. Dennochei angemerkt, dass dies durchaus schon früher und letzt-ich auch besser hätte geschehen können.
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Uda Carmen Freia HellerIn diesem Bereich sind einige Bundesländer schon wei-ter, insbesondere Baden-Württemberg.Den hochgesteckten Zielen einer Anpassung an dasGemeinschaftsrecht sind Sie nach dem ersten Eindruck,den Experten gewinnen konnten, leider nicht nachge-kommen. Noch immer hapert es für viele Anwender ander Transparenz und der Verständlichkeit; Frau Hiller-Ohm, hier haben wir unterschiedliche Meinungen.Ein weiterer Kritikpunkt sind die von Ihnen im Geset-zestext verwandten Definitionen. Hier weichen Sie desÖfteren von den im europäischen Recht verwendetenDefinitionen ab, beispielsweise bei kosmetischen Mit-teln oder bei Verarbeitungshilfsstoffen. Hierdurch sindProbleme bei der Abstimmung des nationalen Rechts mitdem europäischen Recht abzusehen, liebe Kollegen vonder Koalition. Besonders möchte ich hierbei die Hygie-nevorschriften erwähnen, für die Brüssel die Maßstäbefestsetzt und nicht Berlin. Deshalb unsere Forderung andie Bundesregierung: Gleichen Sie diese Vorschriftenunbedingt mit denen aus Brüssel ab! Ansonsten ist dasChaos vorprogrammiert und davon haben wir zurzeit ei-gentlich genug.
Allein eine Orientierung an den in der EU-Verordnungfestgelegten Sicherheitsstandards würde die Übersicht-lichkeit der Rechtsanwendung in einem ausreichendenMaße gewährleisten.Ein wenig Augenwischerei sehe ich bei diesem Ge-setz aus einem Guss in einem weiteren Punkt: Auchwenn Sie das neue Lebensmittel- und Futtermittelrechtaus elf früheren Gesetzen geformt haben, so darf dasnicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie einen Großteilbisheriger gesetzlicher Vorschriften einfach auf dieEbene von Verordnungen heruntergeholt haben; das ha-ben auch schon einige Vorredner so gesehen. Hier störtnicht nur uns die Flut von unklar gefassten Ermächti-gungsgrundlagen zum Erlass von Rechtsverordnungen.Man kann hierbei, wie ich meine, sicher nicht von Trans-parenz sprechen. Vielmehr sollten wir die Verordnungs-ermächtigungen auf ihre Erforderlichkeit hin überprü-fen. Frau Hiller-Ohm, Sie haben gesagt, das sei nichtnötig. Ich denke aber, Frau Happach-Kasan hat es richtigdargestellt: 150 Einzelermächtigungen sind einfach zuviel.
Sie verlagern damit zudem in bedenklicher Weise Re-gulierungskompetenzen von der Legislative zur Exeku-tive und schalten damit bei den so wichtigen Fragen desVerbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit denBundestag einfach aus. Dies wird nicht nur von der Le-bensmittelwirtschaft durchaus kritisch gesehen, FrauMinisterin. Auch wir als Parlamentarier haben hier einWörtchen mitzureden. Ich denke, hierüber wird in derAnhörung im Oktober noch zu sprechen sein.Unübersichtlich ist auch, dass sich in Ihrem Entwurfwesentliche und zum Teil gleich gelagerte materielleVsdrvvdsEtssfim–DVuluheAtisrPHidmmbdFF
Ich bin noch nicht fertig.
enn der Gesetzentwurf geht entschieden zu weit. Imorwort Ihres Gesetzes steht das Ziel der Vereinfachungnd Erleichterung. Diesem Ziel wird Ihr Gesetzentwurfeider nicht gerecht, im Gegenteil.Wir sollten uns im weiteren Gesetzgebungsverfahrenm mehr Übersichtlichkeit und Verständlichkeit bemü-en, damit dieses neue Gesetz für Anwender tatsächlichine Erleichterung in ihrer Arbeit bringt. Auf Ihrergenda, meine Damen und Herren der Regierungsfrak-onen, steht doch das Wort „Entbürokratisierung“. Las-en Sie uns dies an diesem Gesetz beispielhaft durchfüh-en. Wir arbeiten gern mit.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Wilhelm
riesmeier, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe, alsch mir Gedanken darüber gemacht habe, was heute zuiesem Gesetzentwurf zu sagen ist, rückschauend aufeine eigene Biografie geblickt: Vor 24 Jahren habe ichich mit der gleichen Problematik beschäftigt. Damalsefand ich mich im Staatsexamen und habe mich mitem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz, demuttermittelgesetz, dem Lebensmittelbuch und demleischhygienegesetz beschäftigt. Für viele war es
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Dr. Wilhelm Priesmeierwirklich ein Grauen, sich mit dieser Materie auseinandersetzen zu müssen.
Einige meiner damaligen Kommilitonen sind aus diesemGrunde gar nicht erst zur Prüfung angetreten. Ich haltees von daher schon für einen erheblichen Fortschritt,dass sich die zukünftigen Kolleginnen und Kollegenmeines Berufsstandes im nächsten Jahr nur noch mit ei-nem einzigen Gesetz zu beschäftigen haben.Aber Spaß beiseite. Kommen wir nun, abweichendvon den Debattenbeiträgen, die wir heute gehört haben,zum eigentlichen Kern der Angelegenheit und lassen wirdie politischen Plattitüden einmal ein bisschen außenvor.
– Das ist eine Aufforderung, die im Allgemeinen gilt.Ich selber habe vielfach erlebt, welche dramatischenAuswirkungen gerade Kontaminationen von Futtermit-teln haben, und zwar lange vor BSE. In meiner Praxiszum Beispiel hat es einen Fall mit Lindan gegeben. Da-von waren, wie ich glaube, zehn Betriebe betroffen; siekonnten dauerhaft keine Milch abliefern. Damals gab eskeine entsprechenden gesetzlichen Regelungen, zumBeispiel keine vernünftigen Höchstgrenzen für Futter-mittel. Das ist zwar schon einige Jahre her – zwischen-zeitlich ist in diesem Bereich einiges in der Gesetzge-bung erfolgt –, zeigt aber, dass sich letztendlich auch dergesetzgeberische Prozess, den wir hier zu vollziehen ha-ben, den Gegebenheiten anpassen muss. Dies ist dieFolge dessen, was wir im Rahmen der Futtermittelskan-dale und auch von BSE erlebt haben.Wer sich das Weißbuch der EU angesehen hat, derweiß, dass dies die Grundlage für all das ist, was wir um-setzen. Es ist auch die Grundlage für die Betrachtungs-weise, die wir zwischenzeitlich entwickelt haben. Wirsehen die einzelnen Bereiche auch im Rechtssystemnicht mehr solitär, sondern fassen die verschiedenen Be-reiche zusammen, weil es sinnvoll ist, vom Anfang biszum Ende zu denken. Bei Ihnen habe ich manchmal dasGefühl, dass Sie gelegentlich nicht über den Anfang hi-naus denken.
Wer sich die Komplexität dieser Materie anschaut,der erkennt, dass man die Vorgaben, die man vereinfa-chen möchte, nicht zu viel vereinfachen kann. Ansonstenwird es bei der Umsetzung ein Problem geben. Wirhaben in diesem Zusammenhang kein Problem bei derGesetzgebung. Das Problem liegt ganz woanders. DasProblem liegt in der Umsetzung vor Ort, in der Überwa-chung, also im Wesentlichen auf der Ebene der Länder.Darüber können wir uns lange unterhalten.Ich nenne als Beispiel die AVV RÜb. Wir haben langedarüber gestritten und es wird immer noch darüber ge-stritten. Ich nehme einmal an, dass es jetzt zu einem gu-ten Ende kommen wird. – In diesen Bereichen steckt dasebgmKdLbdwhesWmDgTswmsaollAbneiRsFajDggVrdbkwSrmzzari
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Vonseiten der Bundesregierung ist in dieser Legislatur-periode bislang nichts dergleichen erfolgt. Wir stehen zuGesprächen darüber bereit,
aber Sie scheinen es tatsächlich nicht zu wollen.
Aber da uns jetzt ein Gesetzentwurf vorliegt, hat dasLand Baden-Württemberg in der Bundesratsdebatte ei-nen Vorschlag zur Verbraucherinformation gemacht, denman aufnehmen kann. Dieser Vorschlag umfasst einewesentlich umfassendere Informationsregelung, als dasheute der Fall ist; denn im vorliegenden Entwurf ziehtsich die Bundesregierung auf EG-Recht zurück und sagt,eine Information der Öffentlichkeit unter Nennung vonProdukt- oder Herstellernamen sei nur als Maßnahmezur Gefahrenabwehr möglich, also nur dann, wenn derhinreichende Verdacht eines Risikos für die Gesundheitvon Mensch oder Tier besteht. Namens des Landes Ba-den-Württemberg schlägt Minister Stächele wiederumvor, jetzt Vorschriften in das Gesetz aufzunehmen, diesich bereits seit 1991 im Verwaltungsvollzug beispiels-weise in Baden-Württemberg bestens bewährt haben.Dies ist auch in der Stellungnahme des Bundesrates zulbbpehDsespsvftmfeKldL–rdidS7mcsg
Ich nenne Ihnen gern ein Beispiel, das auch meineollegin Mortler eben schon erwähnt hat und das deut-ich macht, wie schwierig es für die Verbraucher wird,ieses Gesetz zu lesen. Am Anfang des Gesetzes werdenebensmittel definiert:Lebensmittel sind Lebensmittel im Sinne desArtikels 2 der Verordnung Nr. 178/2002.
Haben Sie das verstanden, Herr Herzog? Dann erklä-en Sie es mir doch bitte einmal.
Wenn Sie diesen Gesetzentwurf so verabschieden,ann muss der Verbraucher bzw. der Lebensmittelbetriebmmer einen Juristen an der Hand haben, der ihn durchieses Gesetz führt.
ie werben mit einer Verringerung von 200 auf2 Paragraphen. Aber selbst diese wenigen Paragraphenüssen auch von den Unternehmen und den Verbrau-hern, also von den Anwendern, verstanden werden. An-onsten ist die vorgebliche Vereinfachung nur eine Mo-elpackung.
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Ursula Heinen
Die Einzelermächtigungen sind schon erwähnt wor-den. Hier findet eine Beteiligung des Parlaments nichtstatt. Das ist Ihr Demokratieverständnis. Aber auch hiergibt es eine Ihnen nahe stehende Organisation, die dieskritisiert. Ich zitiere Foodwatch, die nicht uns nahe ste-hen, sondern eher für die Grünen als Beispiel herhalten:Der Gesetzentwurf enthält großzügige ministerielleVerordnungsermächtigungen.
– Ich zitiere weiter; hören Sie gut zu.Ob ein höheres Schutzniveau erreicht wird, hängtdamit von Verwaltungsakten ohne parlamentarischeKontrolle ab.Dies sagt Foodwatch.
Nun noch ein letzter Punkt: Zurzeit gibt es noch einerhebliches Durcheinander von faktisch nebeneinanderstehenden Aufhebungen und vorläufigen Fortgeltungenvon Gesetzen. So heißt es einmal, das Säuglingsnah-rungswerbegesetz werde aufgehoben, wenig später wirdes für fortbestehend erklärt, bis von der Verordnungser-mächtigung Gebrauch gemacht worden ist. Sie sehen,dieses Gesetz ist in der jetzt vorliegenden Fassung einwirkliches Durcheinander, das überhaupt nicht zur Klar-heit beiträgt.
Deshalb gibt es jetzt auch Kritik von allen Seiten: vonFoodwatch über die Verbraucherzentralen bis hin zumBauernverband.
Sie alle haben Ihnen schon oft geschrieben, wo es schiefläuft.
Daher kann ich Ihnen zum Schluss nur empfehlen, dieVorschläge anzunehmen, die der Bundesrat in einer um-fangreichen Stellungnahme gemacht hat. Wir sind bereit,sie mit Ihnen entsprechend einzuarbeiten.
Die Verbraucherinnen und Verbraucher würden es Ihnendanken, wenn es zu einem anwender- und leserfreundli-chen Gesetz käme.Danke schön.
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Ansonsten verlieren wir im internationalen Wettbe-werb entscheidend an Boden, zumal unsere Flughafen-kapazitäten schon jetzt nicht mehr ausreichend sind. Dasgilt besonders für das Drehkreuz Frankfurt.Eine Studie der Boston Consulting Group warntgleichzeitig aber auch davor, unkoordiniert öffentlicheMittel in Regionalflughäfen zu investieren. Der Grund:Die meist dort ansässigen Billigfluggesellschaften sindin ihrer Flugplangestaltung nicht stetig. Dementspre-chend ist es für die Regionalflughäfen schwierig, über-haupt in die Gewinnzone zu kommen. Wir beobachtenzurzeit, dass überall dort, wo früher Militärflughäfen wa-ren, die Gemeinden glauben, durch die Ansiedlung vonBilligfliegern ein Geschäft zu machen. Das wird aufDauer nicht gehen.
Da ist natürlich die Regierung gefragt, da ist der Bundgefragt. Wir fordern deswegen die Bundesregierung auf,im Rahmen der Luftverkehrsinitiative Deutschland einenMasterplan vorzulegen. Das Ziel muss eine bundesweite,mit den Ländern abgestimmte, verbindliche Flughafen-planung sein.Nachdrücklich unterstützen wir auch das Vorhaben,das Fluglärmgesetz von 1971 zu novellieren. Die darinfestgelegten Grenzwerte werden dem veränderten Ver-kehrsaufkommen und dem gestiegenen Lärmbewusst-sein der Menschen nicht mehr gerecht. Sie müssen ange-passt werden, zumal auch deutsche Gerichte dieGrenzwerte schon längst für unzureichend erklärt haben.Allerdings kommt die Bundesregierung ihrem 1998 ab-gegebenen Versprechen, das Gesetz endlich zu novellie-ren, bis heute nicht nach. Offensichtlich kann sich dasKabinett seit sechs Jahren nicht auf einen gemeinsamenVorschlag einigen. Auch der jetzt vorliegende Referen-tenentwurf ist bisher nicht abgestimmt. Er trägt einmalmehr die einseitige, ideologische Handschrift des HerrnTrittin. Die CDU/CSU-Fraktion jedenfalls wird diesemEntwurf nicht zustimmen.
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as ist nachweislich falsch.Richtig ist hingegen, dass sich der Luftverkehr alsinziger Verkehrsträger ausschließlich nach dem Nutzer-rinzip über Gebühren und Entgelte finanziert und da-urch seine Kosten für die Benutzung von Flughäfen, fürie Flugsicherung und den Wetterdienst abdeckt. Dieinführung einer Kerosinsteuer würde daher zu eineroppelbelastung des Luftverkehrs durch Gebühren undteuern führen. Das würde die deutschen Luftverkehrs-nternehmen benachteiligen, Arbeitsplätze kosten undetztlich auch die Fluggäste belasten. Kurzum: Die Ein-ührung einer Kerosinsteuer wäre ein Desaster für dieeutsche Luftverkehrswirtschaft und für die deutscheirtschaft insgesamt. Zudem wäre Deutschland dannas einzige Land, in dem es diese Steuer gibt.Durch unseren Antrag wollen wir den Luftverkehrs-tandort sichern. Wir wollen erreichen, dass die deutscheuftverkehrswirtschaft ihre internationale Bedeutungestigen und ausbauen kann. Wir wollen erreichen, dasser Luftverkehr seine Schlüsselfunktion für den Exportichern und ausbauen kann. Wir wollen erreichen, dassie deutsche Luftverkehrswirtschaft ihre nationale Rollels Wohlstands- und Jobmotor verstetigen und ausbauenann.
aher bitte ich Sie, meine Damen und Herren von deregierungskoalition, um Ihre Unterstützung. Stimmenie unserem Antrag zu!
Nächste Rednerin ist die Kollegin Nina Hauer, SPD-
raktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen von den Unionsfraktionen!ie haben einen netten Antrag vorgelegt.
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Nina HauerDarin fordern Sie die Bundesregierung auf, sich für denAusbau des Frankfurter Flughafens einzusetzen. Siesagen, dies sei eine „Infrastrukturmaßnahme von natio-naler Bedeutung“.
Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Diese Auffassungteile ich.
Denn der Flughafen Frankfurt ist, wenn man die Zahlder Passagiere zugrunde legt, der zweitgrößte Flughafenin Europa; er ist der größte Frachtflughafen, den es inEuropa gibt, und mit den 62 000 Menschen, die dort ar-beiten, die größte Arbeitsstätte Deutschlands.Ich bin eine Abgeordnete, die aus der Rhein-Main-Region kommt. Ich unterstütze den Ausbau des Flug-hafens ausdrücklich.
Denn in dieser Region lebt die Hälfte der Menschen inHessen. Zwei Drittel der hessischen Arbeitsplätze beste-hen dort und drei Viertel des hessischen Bruttosozialpro-dukts werden in der Rhein-Main-Region erwirtschaftet.An dieser wirtschaftlichen Leistung hat der FrankfurterFlughafen als Verkehrsdrehkreuz und als Wirtschafts-motor erheblichen Anteil. Der Ausbau des Flughafenswird diesen Umstand zusätzlich befördern.Aber Sie verkennen völlig den Adressaten Ihres An-trags. Sie fordern die Bundesregierung auf, sich dafüreinzusetzen, dass der Flughafen ausgebaut wird. Dabeiist die Bundesregierung für das Planungsverfahren nichtverantwortlich.
Verantwortlich dafür ist das CDU-geführte LandHessen.
Auch ist die Bundesregierung nicht für die erheblichenPlanungsfehler, die dort gemacht werden, verantwort-lich. Verantwortlich dafür ist das CDU-regierte LandHessen.
Ebenfalls ist die Bundesregierung nicht verantwortlichdafür, dass Verzögerungen eingetreten sind, die demFlughafenausbau schon seit zwei oder drei Jahren imWege stehen. Verantwortlich dafür ist die CDU-Regie-rung in Hessen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der hessische Mi-nisterpräsident Roland Koch ist der eigentliche AdressatIhres Antrags. Denn er und nicht die BundesregierunghfmdmfNFengVcuJeaLfNnisEKWtDVgladtWzVHgnwLWsvgNRid
r hat ja vorgeschlagen, die Eigner zu enteignen. Liebeollegen von der CDU/CSU, da kann ich nur sagen:enn das die „neue soziale Marktwirtschaft“ Ihrer Par-eivorsitzenden ist, dann wünsche ich viel Vergnügen.
er hessische Wirtschaftsminister hat zu diesem ganzenerfahren nichts anderes zu sagen als „Gründlichkeiteht vor Schnelligkeit“. Das ganze Verfahren ist gründ-ich verdorben, lieber Herr Rhiel. Darunter leiden wirlle, vor allen Dingen das Bundesland Hessen, aber auchie Bundesrepublik Deutschland. An diesem Infrastruk-urprojekt zeigen Sie, dass Sie nicht in der Lage sind,irtschaftspolitik so zu gestalten, dass ein Land auchukunftsfähig wird.Ein weiteres Beispiel sind die neuerlichen Urteile deserwaltungsgerichtshofs zu Planung und Ausbau deralle für den Airbus A380. Auch das haben Sie verzö-ert, in diesem Falle durch juristische Schlampereien in-erhalb des hessischen Wirtschaftsministeriums. Dasird zu einer neuerlichen Debatte darüber führen, ob dieufthansa ihre Halle nicht lieber gleich in Bayern baut.enn Sie dem bayerischen Ministerpräsidenten Wirt-chaftshilfe leisten wollen, kann ich das aus Ihrer Sichterstehen – aus hessischer Sicht kann ich das nicht be-rüßen. Ich plädiere dafür, dass Sie sich an die eigenease fassen und dafür sorgen, dass Ihr Parteifreundoland Koch dieses Verfahren so gestaltet, dass wir unsn Zukunft darauf verlassen können, dass die Planung or-entlich läuft. Wir brauchen den Ausbau des Flughafens,
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Nina Hauerfür Hessen, aber auch für die Bundesrepublik Deutsch-land.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Horst Friedrich,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich kann für die FDP dem, was Sie, Herr Kollege
Königshofen, über die Bedeutung der Luftfahrt in
Deutschland gesagt haben, in weiten Teilen vorbehaltlos
zustimmen. Ich gebe allerdings zu, ich habe ein paar
Probleme mit den von Ihnen aufgestellten Forderungen.
Auch wenn Kollegin Hauer die Tatsachen, was den
Flughafen Frankfurt angeht, geschickt verdreht hat, so
muss Folgendes schon nachdenklich machen: Als die Er-
weiterung des Chemiewerkes anstand, hat der Gutachter
die Frage, ob der Flughafen ein Gefahrenpotenzial dar-
stellt, im Planfeststellungsverfahren verneint; jetzt, da
umgekehrt der Flughafen eine neue Landebahn plant,
stellt derselbe Gutachter das bestehende Chemiewerk
auf einmal als große Gefahrenquelle dar – und das, ob-
wohl schon bei der bestehenden Situation über das Che-
miewerk angeflogen wird. Da feiert die Ideologie natür-
lich fröhliche Urständ. So einseitig sollte man es nicht
darstellen.
Völlig unabhängig davon ist die Entscheidung, wo die
Lufthansa letztendlich ihre Hallen für den Airbus A380
platziert. Das ist natürlich zum einen eine Entscheidung
des Flughafens, aber es ist auch eine Entscheidung des
Unternehmens. Die Flugzeuge der Typklasse A380 wer-
den dort stationiert werden, wo die Wartungshalle in ab-
sehbarer Zeit installiert werden kann. Das muss man na-
türlich abwägen. Wenn das Land Hessen, wie gesagt
– insofern teile ich Ihre Meinung, Frau Hauer –, nicht zu
einer rechtzeitigen Planfeststellung kommt, ist niemand
daran zu hindern, schon gar nicht die Lufthansa, zu über-
legen, ob sie diese Hallen nicht zum Beispiel am zweiten
Hub in Deutschland, in München, installiert. Das ist aber
eine Entscheidung, die das Unternehmen treffen muss.
Nun bin ich im Detail bei den Überlegungen der Kol-
legen von der Union. In mehreren Spiegelstrichen stellen
Sie in dem zu debattierenden Antrag Forderungen auf,
so zum Beispiel:
den Ausbau des Flughafens Frankfurt/Main als In-
frastrukturaufgabe von nationaler Bedeutung zu un-
terstützen.
Was heißt das, liebe Freunde? Sollen wir das planungs-
rechtlich machen? Das können wir nicht. Dafür haben
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Das Wort hat der Kollege Winfried Hermann, Bünd-
is 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Lassen Sie mich mit einem für manche von Ih-en vielleicht überraschenden Bekenntnis beginnen:uch wir Grünen wissen, dass Flugverkehr in modernenesellschaften wichtig und notwendig ist.
ch verrate Ihnen ein Geheimnis: Die meisten von unsissen, dass man nicht mit dem Fahrrad nach Amerikaommt,
nd kaum einer fährt mit dem Zug von Berlin nachstanbul.
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Winfried HermannEin solches Bekenntnis muss sein. Sie haben Recht, dieLuftfahrt ist ökonomisch bedeutungsvoll.Ich komme jetzt zu unserem Herzensanliegen. Wennman über den Flugverkehr in Deutschland spricht, ist esnicht angemessen, dies ausschließlich aus der Perspek-tive und durch die Brille einer Standortpolitik zu tun. InIhrem Falle kommt noch hinzu, dass Sie einen Antraggeschrieben haben, in dem manche Sätze identisch sindmit den Ausführungen des Vorsitzenden der Fraport, dieer im Verkehrsausschuss getätigt hat. Ich muss sagen:Das ist ein völlig falsches Verständnis von Verkehrspoli-tik, eine einseitige und verkürzte Sichtweise auf dieStandortinteressen und auf die Wirtschaft. Sie blendendabei das aus, was auch zum Flugverkehr gehört, dassFlugverkehr nämlich umweltbelastend ist, dass dieMenschen, die im Umfeld von Flughäfen wohnen,schwere Belastungen beim täglichen Leben erfahren unddass Luftverkehr auch klimaschädliche Aspekte hat.Darüber müssen wir genauso reden.Wenn wir über eine Perspektive nachdenken – ichteile hierbei Ihre Einschätzung, dass es in den nächstenJahren zu einem weiteren starken Wachstum des Flug-verkehrs kommen wird –, kann diese nur lauten: Wirmüssen den Flugverkehr nachhaltig, sozialverträglich,umweltverträglich und ökonomisch sinnvoll gestalten.
Was heißt das jetzt? Ich komme nun zu den Vorschlä-gen in Ihrem Antrag. Ich bin wie Sie durchaus der Mei-nung, dass es ein wichtiger Schlüssel zur Lösung desProblems ist, die Verkehrsmittel – Schiene und Flughä-fen – besser miteinander zu verzahnen. Die Flughäfenmüssen auch über die Schiene besser miteinander ver-bunden werden. Es gibt einige gute Aspekte – das giltbeispielsweise für die Strecke Frankfurt–Köln –, es gibtaber auch noch einiges zu tun.
– Es ist ein teures Beispiel, da haben Sie Recht; es istaber kein schlechtes Beispiel.
Ich teile Ihre Einschätzung, dass wir einen Master-plan brauchen; das ist keine Frage. Durch einen Master-plan müssen wir dafür sorgen, dass endlich Schluss mitdem Provinzialismus gemacht wird, dass nämlich jederLandrat auf irgendeinem ehemaligen Militärflughafen-gelände einen eigenen privaten oder regionalen Flugha-fen entstehen lässt. Wir brauchen nicht noch mehr Regio-nalflughäfen.
Es muss auch Schluss mit der unsinnigen Konkurrenzunter den Flughafenbetreibern und mit billiger Standort-pnFvEaIcEtrMzVsbDsWSgwSDsknFhdlFTwKdgvaMgdnsuakw
s geht darum, die verschiedenen Verkehrsträger besserufeinander abzustimmen und dafür die entsprechendennstrumente zu entwickeln.Jetzt komme ich zu dem Punkt, der schon angespro-hen wurde, nämlich dass wir Grünen wieder einmal dieinführung der Kerosinsteuer fordern. Es ist doch uner-äglich, dass die Autofahrer und selbst die Bahnfahrerineralölsteuer und Ökosteuer zahlen, also einen finan-iellen Beitrag für die Belastung der Umwelt durch denerkehr leisten. Aber der Verkehrsträger, der die Atmo-phäre, in Relation betrachtet, am meisten belastet undesonders klimaschädlich ist, ist von der Steuer befreit.as kann ökologisch und auch ökonomisch nicht gutein.
ir müssen dem Flugverkehr die externen Kosten eintück weit anlasten.Ich komme zu der Behauptung, die immer wieder auf-estellt wird: Der Flugverkehr trägt sich doch selber,ährend für den Ausbau der Infrastruktur bei Bahn undtraße immer wieder Geld zur Verfügung gestellt wird.azu kann ich nur sagen: Da gibt es einen kleinen Unter-chied. Das Geniale beim Fliegen ist, dass in den Wol-en keine Infrastruktur benötigt wird, die daher auchicht bezahlt werden muss. Für das Fliegen wird nur derlughafen gebraucht, das entspricht in etwa dem Bahn-of. Für den Flughafen ist zwar die Zufahrt wichtig, aberie entsprechende Infrastruktur ist in der Regel öffent-ich. Insofern ist es nicht ehrlich, zu sagen, dass sich derlugverkehr selbst trägt. Die Zufahrt zum Flughafen isteil der öffentlichen Infrastruktur, die gefördert wird. Esäre gut, wenn die Flugwirtschaft selber einen Teil derosten dadurch bezahlt, dass sie sich daran beteiligte.
Wir sind auch der Meinung, dass die Privilegierunges Flugverkehrs bei der Mehrwertsteuer endlich auf-ehoben werden muss. Wir haben zwar im Bundestagerabschiedet, dass die Privilegierung aufgehoben wird,ber Sie haben die Umsetzung im Bundesrat mit Ihrerehrheit blockiert. Hier können Sie für Gleichheit sor-en. Sie können etwas für die Bahn tun, indem Sie auchen Flugverkehr belasten. Wir würden das dann einge-ommene Geld gerne dafür verwenden, den Mehrwert-teuersatz für die Bahn zu senken.
Es gibt ein schönes Projekt, das wir vom Bundestagnterstützen können. Ich meine das Projekt Atmosfair,uf dessen Internetseite mit dem Emissionsrechner dielimaschädlichen Wirkungen des Fliegens dargestellterden können. Einen Teil der durch das Fliegen verur-
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Winfried Hermannsachten Schäden kann man über Investitionen in Pro-jekte, die einen Ausgleich herbeiführen sollen, finanziellkompensieren. Übrigens liegt beim Bundestagspräsiden-ten der Antrag eines Kollegen vor, dass sich der Bundes-tag insgesamt daran beteiligt.Lassen Sie mich zum Schluss in aller Kürze noch et-was zum Fluglärmgesetz sagen.
Herr Kollege, bitte fassen Sie sich wirklich kurz; Ihre
Redezeit ist vorbei.
Das ist schade, weil der Kollege Willsch gerade eine
Zwischenfrage stellen will.
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage, weil die Re-
dezeit abgelaufen ist. Herr Kollege, Sie müssen zum
Schluss kommen.
Gut, ich komme zum Schluss. – Ich kann zum Flug-
lärmgesetz nicht mehr viel sagen, ich möchte nur noch
darauf hinweisen, dass dieses Fluglärmgesetz in Arbeit
ist, wir voraussichtlich noch in diesem Jahr einen Ent-
wurf einbringen werden und wir gerne mit Ihnen über
einen ausgewogenen Ansatz diskutieren würden, der die
Interessen der Bewohner und der Umwelt auf der einen
Seite und der Flugwirtschaft auf der anderen Seite be-
rücksichtigt. Aber da müssen Sie sich bewegen; denn Sie
haben bisher im Wesentlichen nur die Position der Flug-
wirtschaft vertreten.
Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Klaus Minkel, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Verehrte Frau Hauer, ich kann mir überhaupt nicht vor-stellen, dass Sie an das glauben, was Sie hier vorgetra-gen haben. Sie haben vergessen, zu erwähnen, dass sichder frühere hessische Ministerpräsident Eichel mit seinerrot-grünen Regierung acht Jahre lang um das ThemaFlughafenerweiterung herumgedrückt hat.
– Es wurde nur geschwätzt, aber es wurde nicht ge-schafft.nrlkHFpLwdRsWEllebWhClshgwsSHSDfsWbsMWup–
ätte es in diesen Gremien eine Unterstützung für denlughafen gegeben, dann hätte die Landesregierung dierozessualen Schwierigkeiten vermeiden können. Dieandesregierung ist aber dabei, diese Hürden zu über-inden.Es wird ein neuer Landesentwicklungsplan erarbeitet,er auch die planungsrechtliche Seite umfasst. Von denisiken im Zusammenhang mit dem Ticonawerk ver-prechen sich manche Flughafengegner mehr, als dieseserk halten kann.
s ist nämlich geplant, künftig die Abflüge wegfallen zuassen und sie durch Anflüge zu ersetzen. Die gefähr-ichsten Chemikalienbehälter können für wenig Geldingekapselt werden. Dann wird die Sicherheitslage dortesser als zuvor sein und nicht schlechter.
as die Wartungshalle für den A380 anbelangt, soabe ich höchstpersönlich mit meinen Kollegen von derDU und der FDP in der regionalen Planungsversamm-ung im Abweichungsverfahren die Hand zugunsten die-er Wartungshalle gehoben. Wenn wir das nicht getanätten, hätte es für diese Wartungshalle keine Mehrheitegeben. Denn die Grünen waren dagegen und die SPDar nur zur Hälfte dafür. Das ist die Wahrheit.
Die Rhein-Main-Region ist durch Rot-Grün wirklichchon genug geschädigt worden. Es war eine hessischepezialität, vor jeder Wahl einen kleinen Störfall bei deroechst AG hochzuziehen, damit man sich hinterher alschützer von Mensch und Umwelt produzieren konnte.as Ergebnis davon ist, dass die einst größte Pharma-irma der Welt ins Ausland verduftet ist. Das Auslandtellt künftig die teuren Rechnungen an Deutschland aus.
ir müssen aufpassen, dass uns beim Luftverkehr undeim Flughafenstandort Frankfurt nicht dasselbe pas-iert.
it dem Frankfurter Flughafen spielen wir noch in dereltliga mit. Wir müssen alles daran setzen, dass wirns diesen Trumpf erhalten und das nicht alles verstol-ern.
Wer hier kaspert, will ich Ihnen gleich erläutern.
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Klaus MinkelSchauen wir uns einmal die Wirklichkeit an. DieK-Gruppen und die Putztruppen waren mit ihren bürger-kriegsähnlichen Umtrieben die entschiedensten Gegnerder Startbahn West. Diese Kasper sind bei den Grünensehr spät sozialisiert worden. Inzwischen haben sich ge-rade die Grünen in Berlin zu Vielfliegern entwickelt.Joseph Fischer, Herr Trittin, Frau Künast, RezzoSchlauch und Cem Özdemir können gar nicht genug vonder Fliegerei bekommen, wenn es sie nichts kostet undes auf Staatskosten geht.
Unter solchen Verhältnissen gehen wir von der CDU/CSU-Fraktion selbstverständlich davon aus, dass auchdie Grünen unserem guten Antrag zustimmen. Alles an-dere wäre Heuchelei und scheinheilig.
Natürlich hat auch der Gesamtstaat einen Anteil andiesem Projekt. Die Bundesrepublik Deutschland hatnämlich den rechtlichen Rahmen für Großprojekte allerArt geschaffen. Die Wirklichkeit ist, dass wir einenRechtsstaat haben wollten, aber im Grunde genommeneinen Rechtsmittelstaat bekommen haben.
Das heißt, die wahren Kosten entstehen nicht wegen derVerfahren, sondern aufgrund der langen Verfahrens-dauer. Wir, der Bundestag, sind aufgerufen, diese lang-wierigen Abläufe zu reformieren, damit es in diesemLande schneller vorangeht und damit wir keinen Tempo-verlust erleiden. Denn das Ausland schläft nicht. Es war-tet darauf, dass wir unsere Pflicht und Schuldigkeit nichttun.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Hans-Günter Bruckmann,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Kollege Minkel, wir habenjetzt hessisches Lokalkolorit gehört. Wir haben gehört,wie Sie über den Rechtsmittelstaat gesprochen haben,wir haben gehört, wie Sie die Bürgerinteressen, diewahrgenommen worden sind, im Grunde genommen adabsurdum geführt haben,
aber wir haben wenig darüber gehört, wie man den Luft-verkehr in seiner Gesamtheit organisiert und unter wel-chen Rahmenbedingungen wir das zu tun haben.DHks–taSskzb2EiddrIwkMwhgvgibbEnDmd„kdwfmvzZdwl
eshalb werden Sie jetzt von mir hören, sehr geehrtererr Minkel, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass vornapp 100 Jahren die Gebrüder Wright mit ihrem Motor-egler Luftfahrtgeschichte geschrieben haben.
Das ist genau 100 Jahre her. – Damals war man skep-isch, was die Fortbewegung eines Menschen in der Luftngeht. Heute ist der Luftverkehr – das wird von alleneiten dieses Hauses bestätigt – ein fixer Bestandteil un-erer Mobilität. Aufgrund dieser Tatsache hat der Ver-ehrsträger Luftfahrt ein enormes Wachstum zu ver-eichnen.In der Luftverkehrsbranche war eine Reihe von Pro-lemen im Zusammenhang mit dem 11. September001, mit SARS und dem Krieg im Irak zu verzeichnen.ine Reihe von Luftverkehrsgesellschaften – vor allemn den Vereinigten Staaten, aber auch in Europa – wariesen Schwierigkeiten nicht gewachsen. In der Frageer Sicherheit stehen wir vor ganz anderen Herausforde-ungen – die wir gemeinsam zu meistern haben –, als eshren Redebeiträgen in dieser Debatte zu entnehmenar.Ein Blick auf die aktuelle Situation und in die Zu-unft zeigt die Wachstumsraten und die Anzahl derenschen, die direkt oder indirekt in der Luftverkehrs-irtschaft beschäftigt sind. Der Kollege Königshofenat bereits die richtige Zahl von 750 000 genannt. Ichehe nun noch etwas weiter und betrachte die Perspekti-en. Ich greife das auf, was Winfried Hermann deutlichemacht hat, nämlich dass ein Wachstum im Luftverkehrn den nächsten Jahren auch unter veränderten Rahmen-edingungen zu erwarten ist und dass in diesem Bereichis zu 100 000 neue Arbeitsplätze entstehen können.Ich gehe davon aus, dass wir als Land in der Mitteuropas mit einer sehr hohen Wirtschaftskraft und ei-em hohen Exportanteil diese Infrastruktur brauchen.eshalb begrüßen wir, dass die Luftverkehrswirtschaftit der Frage an das Ministerium herangetreten ist, obie Bundesregierung bereit ist, sich an der InitiativeLuftverkehr für Deutschland“ zu beteiligen. Der Ver-ehrsminister hat, vertreten durch die Staatssekretärin,ie Schirmherrschaft für die Initiative der Luftverkehrs-irtschaft „Luftverkehr für Deutschland“ übernommen.
Wenn es darum geht, die Weichen für einen zukunfts-ähigen und nachhaltigen Luftverkehr zu stellen, dannüssen wir uns neben den positiven Aspekten der Luft-erkehrswirtschaft auch mit der Frage auseinander set-en, welche negativen Folgen auftreten. Ohne jedenweifel hat die Luftverkehrstechnik dazu beigetragen,ass trotz des Wachstums eine Verringerung der Um-eltbelastung erfolgt ist.Im Ergebnis bietet die Luftfahrtindustrie allen Betei-igten gleichermaßen eine Perspektive. Das gilt zum
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)Hans-Günter Bruckmanneinen für die Menschen, die vom Luftverkehr betroffensind, und zum anderen für diejenigen, die ihn nutzenwollen.Eben ist vom Fluglärmgesetz gesprochen worden. Inder vorletzten Woche wurden die Verbände angehört.Wir werden die Ergebnisse dieser Anhörung auswertenund dann zu entscheiden haben. Wir werden sehen, in-wiefern Sie und wir die Belange der Menschen, die inden Einflugschneisen wohnen, berücksichtigen. Auf dereinen Seite steht die Wirtschaft und auf der anderenSeite stehen die Interessen der Menschen. Beidem mussman gleichermaßen gerecht werden.Was die Frage angeht, wie die Verkehrsträger mit-einander vernetzt werden, greife ich die Äußerung desKollegen Hermann auf, es mache Sinn, die unterschied-lichen Stärken der Verkehrsträger miteinander zu vernet-zen, damit der Luftverkehr stattfinden könne. Es machtauch Sinn, den Kurzstreckenluftverkehr auf die Schienezu verlagern; das steht außer Frage. Die dadurch freiwerdenden Slots können möglicherweise von denjenigengenutzt werden, die den Luftverkehr als Carrier organi-sieren.
Wir wissen selber, dass eine optimale Vernetzungden Ausbau von Flughäfen nicht ersetzen kann. Abersollte dies nur deutschlandweit oder darüber hinauseuropaweit erfolgen? Diese Frage betrifft die deutscheEbene, auf der wir uns zu organisieren und unsere Inte-ressen zu vertreten haben. Das gilt gleichermaßen fürden europäischen Rahmen. Es reicht nicht aus, interna-tionale Drehkreuze zu fördern. Es geht vielmehr auchum die Erstellung eines länderübergreifenden Konzepts.Hier sind wir auf der Bundesseite genauso gefordert wiedie Länder selbst.In diesem Zusammenhang möchte ich einen Aspektder heutigen Diskussion aufgreifen. Es ist davon gespro-chen worden, dass es im Regionalverkehr teilweiseKannibalismus gibt. Dieser mag vielleicht aus örtlicherSicht nachvollziehbar sein. Aber für uns bedeutet das,dass es unbedingt notwendig ist, die Initiative „Luftver-kehr für Deutschland“ dahin gehend zu unterstützen,dass es einen abgestimmten Masterplan für den Luftver-kehr in Deutschland gibt. Lieber Horst Friedrich, ichteile deine Einschätzung. Es macht Sinn, wenn wir darü-ber reden und uns abstimmen. Es macht aber auch Sinn,beispielsweise auf die Kommunen zuzugehen, die in ih-ren Bebauungsplänen eine so flughafennahe Bebauungvorsehen, dass der schon vorhandene Protest automa-tisch verstärkt wird.Wir unterstützen die Initiative „Luftverkehr fürDeutschland“ und das Bemühen der Bundesregierung, indieser Frage zu einem Konsens zu kommen. Nach unse-rer Meinung macht es Sinn, das Ganze auf der Bundes-und der Landesebene so abzustimmen, dass wir zu ei-nem Masterplan für den Luftverkehr kommen, der einFlughafenkonzept einbindet.Frau Präsidentin, ich sehe, dass ich zum Ende kom-men muss. Das werde ich gerne tun. – Nur noch so viel:WdemVIFDfvsAkgKSidDWgvrgdusG
zu dem Antrag der Abgeordne-
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Ich betrachte deshalb den Erhalt des kulturpolitischenGestaltungsspielraums eines Mitgliedstaates angesichtsdes fortschreitenden Liberalisierungsdrucks und der zu-nehmenden Globalisierung als vorrangige Aufgabe. Dasist übrigens auch Konsens im Kulturausschuss des Bun-destages. Wir haben diesen Punkt auch in die EU-Verfas-sung eingebracht, denn Europa gestaltet sich geradedurch die Einheit in der Vielfalt. Genau das ist unsereStärke und das müssen wir hierbei auch zeigen.
Bei den Verhandlungen im Rahmen der World TradeOrganization und im Zusammenhang mit dem „GeneralAgreement on Trade in Services“, dem berühmtenGATS, halte ich deshalb eine kontinuierliche und ange-messene Berücksichtigung der Besonderheiten des Kul-turbereiches für unverzichtbar. Deshalb muss für die EU,die in den GATS-Verhandlungen mit einer Stimmespricht, die Einstimmigkeit in den Kulturfragen erhaltenbleiben. Es darf wie gesagt nicht wieder auf dem Basarder Begehrlichkeiten hin- und hergeschoben werden.
Wir brauchen deshalb in der UNESCO-KonventionMindestanforderungen an die Kulturverträglichkeit, dievölkerrechtlich und bindend festgeschrieben und mit denGkhwfnämnSngkRhfldZDAvvfsBKRuRemlaUDwausWdspdntdzSgsv
ivilgesellschaft und Wirtschaft in Europa sollen in deniskussionsprozess eingebunden werden. Ich glaube, dierbeit der bundesweiten Koalition, die sich für die Kon-ention zur kulturellen Vielfalt engagiert, ist wichtig.Eine wichtige Frage ist mit der Vielfalt der Medienerbunden. Besonders der öffentlich-rechtliche Rund-unk kann sehr gefährdet sein. Es wird nämlich ange-ichts sich ändernder Kommunikationsgewohnheiten derevölkerung und der Nutzung des Internets und andererommunikationstechnologien immer wichtiger, ihreolle klar zu definieren. Wir erleben gerade die Debattem die Neustrukturierung des öffentlich-rechtlichenundfunks. Bei aller Diskussion um die Gebühren mussines sicher bleiben: Der öffentlich-rechtliche Rundfunkuss den freien Fluss von Ideen in Wort und Bild in al-en Bereichen gewährleisten. Er stellt sicher, dass sichlle Kulturen ausdrücken und bekannt machen können.nter diesem Gesichtspunkt novellieren wir gerade daseutsche-Welle-Gesetz. Das ist ganz wichtig.Was kann aber passieren? Wir dürfen in der Fortent-icklung der Ergebnisse der GATS-Verhandlungen nichtn einen Punkt kommen, an dem das gegenseitige Gebennd Nehmen auf dem Basar dazu führt, dass zum Bei-piel die Zulässigkeit unserer Rundfunkgebühren vonTO-Regeln bestimmt wird. Das würde dazu führen,ass in dem Fall, dass sich ein anderer Staat über uns be-chwert, ein Expertenpanel der WTO, das aus drei Ex-erten besteht, entscheiden könnte, ob unsere Gebührenem internationalen Handelsrecht entsprechen odericht. Wird ein Verstoß festgestellt und wir bestehenrotzdem auf unseren Gebühren, so kann der Beschwer-eführer gegen uns Handelssanktionen verhängen, undwar in jedem Bereich.Das muss man sich einmal lebhaft vor Augen führen.olch eine Entwicklung müssen wir abwenden. Deswe-en ist unsere gemeinsame Erklärung, die wir im Aus-chuss verabschiedet haben und heute hier gemeinsamerabschieden werden, auch ein Stück weit Rückenwind
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Monika Griefahnfür die Bundesregierung in ihren Verhandlungen im Zu-sammenhang mit dem GATS, mit den EU-Dienstleis-tungsrichtlinien sowie mit der UNESCO-Konvention zurkulturellen Vielfalt. Ich freue mich, dass wir das gemein-sam verabschieden können.
Nächster Redner ist der Kollege Hans-Joachim Otto,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
Kollegin Griefahn, ich will es vorwegnehmen: In der Tat
unterstützen wir von der FDP-Fraktion diesen Antrag.
Wir halten es für unerlässlich, dass der Bundestag in die-
ser kulturpolitisch wirklich wichtigen und folgenreichen
Frage international mit einer Stimme spricht.
Die nationale Allianz, die Sie eben beschworen haben,
steht also.
Ich möchte meine drei Minuten Redezeit nutzen, um
ein bisschen vor Übertreibungen zu warnen. Ich warne
insbesondere davor – das habe ich auch schon im Aus-
schuss getan –, die wirtschaftlichen Überlegungen und
Interessen, die in dieser Frage betroffen sind, völlig über
Bord zu werfen. Die Bedenken, die die Länder USA,
Großbritannien, Niederlande und Australien gegen eine
UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Viel-
falt erheben, müssen wir ernst nehmen. Was sie im Blick
haben, ist in bestimmtem Umfang durchaus auch in un-
serem Interesse. Wenn wir den Handel, den Kunsthan-
del, dadurch lähmen würden, dass der Schutz der kultu-
rellen Vielfalt zu starr ist, dann hätte niemand etwas
davon. Eine solche Regelung wäre kontraproduktiv.
Wir sollten eines nicht vergessen: Es gibt nicht nur öf-
fentlich geförderte Kultur, sondern es gibt auch Kultur-
wirtschaft. Die Kulturwirtschaft schafft mehr Arbeits-
plätze als die öffentlich geförderte Kultur. Deswegen
sind die Bedenken der vier genannten Länder ernst zu
nehmen.
Sie haben folgende Forderungen: Erstens. Die Han-
delbarkeit von Kulturgütern und Dienstleistungen muss
gesichert bleiben. Das sollten wir akzeptieren und auch
übernehmen. Zweitens. Die geplante Konvention darf
keine neuen Hürden für Kulturaustausch und Informa-
tionsfluss aufbauen. Drittens. Die Marktmechanismen zur
Sicherung kultureller Vielfalt müssen ebenso anerkannt
werden wie staatliche Intervention. Wir dürfen also nicht
vergessen, dass Kultur und Wirtschaft keine Gegensätze
sind, sondern miteinander in Einklang gebracht werden
müssen.
Eines möchte ich noch zu bedenken geben. Vielfalt,
die wir alle wollen, setzt Austausch voraus. Liberalisie-
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ationale Quoten aber bauen Mauern auf und behindern
ternationalen Kulturaustausch.
Liebe Frau Vizepräsidentin, Sie erhalten nach mir das
ort. Sie können sich dann äußern.
Wir haben in der nächsten Woche im Ausschuss eine
ffentliche Anhörung zum Thema einer Quote für
usik in Deutschland. Wenn es um gesetzliche Quoten
eht – liebe Frau Vollmer, Sie haben sich schon im Vor-
eld für gesetzliche Quoten ausgesprochen –, müssen wir
afür sorgen, dass Kulturaustausch dadurch nicht behin-
ert wird. Um das klarzustellen: Wir wollen nicht einen
inheitsbrei von amerikanischen Charts in den Radio-
endungen. Aber Vielfalt bedeutet das Bekenntnis zu in-
ernationaler Vielfalt, das heißt kein Einheitsbrei, son-
ern internationale Mischung. Die schafft man nicht
wangsläufig durch Mauern oder Quoten, sondern durch
iberalisierung und durch offene Auseinandersetzung.
Zusammengefasst Folgendes – meine Redezeit ist lei-
er zu Ende; das ist mir bewusst –: Wir müssen einen
usgleich zwischen den Interessen der Wirtschaft und
en Notwendigkeiten für Kultur schaffen. Ich bin nicht
o blauäugig, zu glauben, dass die Interessen der Kultur
ine stärkere Durchsetzungskraft haben als die Interes-
en der Wirtschaft. Weil das so ist und weil wir alle uns
atürlich für eine Stärkung der Kultur einsetzen, setzen
ir uns auch für diese Konvention ein. Aber wenn sie
um Erfolg führen soll, dürfen wir die Bedenken der ge-
annten Länder nicht über Bord werfen. Wir brauchen
iese Länder zur Durchsetzung der UNESCO-Konven-
on. Ich möchte an sie appellieren, mitzumachen, damit
s wirklich zu dieser UNESCO-Konvention kommt.
Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Antje Vollmer, Bünd-
is 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!nsere einzigartige Kulturlandschaft schützen wir bishern unterschiedlicher Form. Wir schreiben zum Beispielilmpreise aus, unterstützen durch staatliche Finanzie-ung Museen, Theater und Opern, unterhalten staatli-herseits Projekte und Institutionen, steuern und fördernurch rechtliche Rahmenbedingungen – zum Beispielurch die Buchpreisbindung tragen wir dazu bei, dass esine eigene Literatur gibt – und richten möglicherweiseuch Quoten ein. Herr Otto, wenn neu erschienene Mu-ik, die hier produziert wurde, 1 Prozent der Sendezeitnserer Sender, und zwar der öffentlich-rechtlichen und
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Dr. Antje Vollmerder privaten, ausmacht, haben wir eine Einheitsquotevon 99 Prozent dagegen. Dagegen müssen wir, wie ichglaube, vorgehen.Möchten Sie eine Frage stellen? Von mir aus sehrgerne, denn dann bekomme ich Zeit.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Otto?
Ja, gerne.
Liebe Frau Vizepräsidentin bzw., da Sie ja in dieser
Eigenschaft nicht sprechen, liebe Frau Dr. Vollmer, wä-
ren Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass alle Unter-
suchungen, die es gibt – die werden wir ja sicherlich in
der Anhörung noch einmal präsentiert bekommen –, auf
wesentlich höhere Anteile von in Deutschland produ-
zierter und sogar von deutschsprachiger Musik in den
Radiosendungen hier in Deutschland kommen? Ich bitte
Sie also, die Ergebnisse der Anhörung, die wir am Mitt-
woch nächster Woche haben werden, nicht vorwegzu-
nehmen.
Sind Sie also bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es
sich um einen zigfach höheren Anteil handelt als dieses
eine Prozent?
Ich bin sehr gerne bereit, mit Ihnen dann über diekonkreten Zahlen zu streiten. Wir werden ja auch sehen,auf welcher Basis diese verschiedenen Untersuchungenberuhen. Da ich mich nun schon sehr lange intensiv mitdiesem Thema beschäftige wie übrigens auch Ihr FDP-Kollege Koppelin, der ein großer Befürworter der Quoteist
und im Gegensatz zu Ihnen etwas von dem Markt ver-steht, weil er darin so lange gearbeitet hat, glaube ich,dass wir zu guten Ergebnissen kommen werden.
Die Globalisierung aller Bereiche der Gesellschaft,nicht zuletzt durch die modernen Wege der Kommunika-tion, hat ihre Vorzüge und ihre Nachteile. Über die Vor-züge haben wir schon sehr viel diskutiert, gerade überdie im Informationsbereich. Es gibt aber auch die Gefahrder Vereinheitlichung und Nivellierung der Kulturen.Die Tendenz dazu gibt es schon jetzt. Allein durch diestarken Einflüsse der USA sind die einzelnen unter-schiedlichen Kulturen der Nationen in ihrem Bestand ge-fährdet. Am größten ist jedoch die Gefahr, die von derVereinnahmung der Kultur durch wirtschaftliche Interes-sesmwVmdergBmzlsglerlMmMGfBMsukszufsadMShseklkdawwdw
Eindrucksvoll war ja für alle Kollegen das Beispielexikos, das 1994 mit seinem Beitritt zur Nordatlanti-chen Freihandelszone auch seine gesamte Filmindustriend Verlagslandschaft unumkehrbar der blanken Markt-onkurrenz ausgeliefert hat. Als Mexiko hinterher ver-ucht hat, diese Gebiete durch nationale Gesetzgebungu schützen, durfte es das nicht mehr. Mexiko stellt fürns ein warnendes Beispiel dar. Kanada, übrigens eben-alls Mitglied der NAFTA, war da viel weitsichtiger undchaffte es, den Kultursektor von diesen Verhandlungenusdrücklich auszuklammern. Ich muss offen sagen,ass für viele Kollegen aus dem Kulturausschuss geradeexiko ein warnendes Beispiel ist und wir gesagt haben:o darf es uns bei den GATS-Verhandlungen nicht erge-en.
Die Globalisierungsbewegung ist sehr stark. Um ge-ellschaftliche Bereiche davon auszunehmen, bedarf esiner weltweit flächendeckenden Information, einer star-en Lobby und vor allen Dingen der Aufmerksamkeit al-er verhandelnden Parteien. Nicht zuletzt deswegen dis-utieren wir hier darüber. Wir möchten nämlich nicht,ass die Kultur zu einer Verhandlungsmasse wird undm Ende der Verhandlungen Zugeständnisse gemachterden, um andere Ziele durchsetzen zu können. Wirollen gemeinsam mit Ihrer Unterstützung klarstellen,ass wir in diesem Punkt keine Abstriche hinnehmenollen.
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Dr. Antje VollmerWir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wederunser Antrag noch die UNESCO-Konvention eine welt-weit rechtliche Bindungswirkung entfalten können. Siekönnen nur als Referenz für Argumentationslinien undals Grundlage für nationale Verhandlungsprinzipien die-nen. Um aber diese minimale Wirkung zu entfalten, istes sehr wichtig, dass wir nicht auf die Forderungen derangelsächsischen Länder eingehen.Ich möchte noch einmal ausdrücklich betonen: Kul-turgüter dürfen eben nicht anderen Handelsgüterngleichgestellt werden.
Gerade im Kulturbereich müssen wir Hürden undHemmnisse aufbauen dürfen, die wir in der sonstigenWirtschaft nicht mehr haben wollen; denn jedes Landhat seine eigene kulturelle Tradition. Soweit es möglichist, muss die Konvention auch eine völkerrechtliche Bin-dungswirkung haben. Genau über diese Punkte wird ge-stritten. Deswegen wünschen wir uns, dass mithilfe dergroßen Unterstützung des Parlaments unsere Verhand-lungsführer in diesen Punkten Rückgrat zeigen können.Das ist der Sinn dieser Debatte.Vielen Dank.
Der Kollege Günter Nooke, CDU/CSU-Fraktion, hat
seine Rede zu Protokoll gegeben.1) Der nächste Redner
ist der Kollege Siegmund Ehrmann, SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine Damen und Herren! Frau Vollmer hates gerade angesprochen: Es ist wichtig und ein gutesZeichen, wenn der heute zu beschließende Antrag vonallen Fraktionen des Deutschen Bundestages getragenund unterstützt wird.
Das wird unsere Position in der internationalen Gemen-gelage sicherlich stärken.Nach den doch etwas relativierenden Ausführungenvon Herrn Otto möchte ich in dieser Debatte Gelegenheitnehmen, einige grundsätzliche Positionen meiner Frak-tion zu skizzieren, die sich auch in diesem Antrag wider-spiegeln.Bei aller Bedeutung der Kulturwirtschaft ist Kulturmehr als ein Wirtschaftsfaktor. Sie haben zu Recht dieBedeutung der Kulturwirtschaft hervorgehoben. Kul-tur, Bildung und Medien sind als öffentliche Güter we-sentliche Elemente unseres Staatsverständnisses. Sie le-gitimieren sich nicht ausschließlich nach den Regeln vonAcluDkdVIrÜAfrsvramim„wsHKmlicetudtuTpakkutuDmTks1) Anlage 5
eshalb müssen die staatlichen Gestaltungsmöglich-eiten gewahrt bleiben. Ob Buchpreisbindung, Filmför-erung oder auch das Gemeinnützigkeitsrecht – Kolleginollmer hat bereits darauf aufmerksam gemacht –: Diesenstrumente sichern, dass sich gewachsene nationale undegionale Kulturlandschaften weiter entwickeln können.ber die UNESCO-Konvention müssen daher nationaleusgestaltungsmöglichkeiten völkerrechtlich „wetter-est“ gemacht und gegenüber lupenreinen Liberalisie-ungsstrategien abgefedert werden.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die von mirkizzierte grundsätzliche Position stellt nicht darauf ab,ermeintliche Besitzstände in Strukturen und Finanzie-ungsmodalitäten zu wahren. Die Praxis der Kultur-rbeit belegt, dass hier vieles im Fluss ist und sich im-er wieder neu legitimieren muss. Dies beobachten wir Übrigen in der Arbeit unserer Enquete-KommissionKultur in Deutschland“ sehr genau.Es ist gut, dass diese Debatte hier und heute geführtird. Aber ebenso wichtig ist, dass sich die Zivilgesell-chaft ebenfalls in dieses Thema einklinkt.
erzlichen Dank an die Initiatoren der „Bundesweitenoalition zur kulturellen Vielfalt“, die Mitte des Jahresit einer Auftaktveranstaltung das Thema in die Öffent-chkeit getragen hat. Dies fördert den zivilgesellschaftli-hen Diskurs. Diese Initiative ist weltweit vernetzt. Ichrhoffe mir, dass die anstehenden internationalen Bera-ngen von einer kritischen Öffentlichkeit begleitet wer-en.Im Oktober wird die „Bundesweite Koalition zur kul-rellen Vielfalt“ in einem weiteren Fachgespräch dashema vertiefen. Nach Durchsicht des Veranstaltungs-rogramms bin ich sehr sicher, dass wir aus dieser Ver-nstaltung sehr viel Honig für unsere Debatte saugenönnen. In Köln geht es unter anderem darum, solcheultur- und medienpolitischen Prinzipien, Instrumentend Marktanreize zu sichten und zu entwickeln, die kul-relle Vielfalt sichern und erzeugen.
Dabei wird es nicht um eine abstrakte akademischeebatte gehen; auch das mag ganz interessant sein. Viel-ehr werden aus der Sicht vieler kommunaler und freierräger, aber auch aus der Sicht der Kulturwirtschaft kon-rete Fallbeispiele betrachtet. Das wird sicherlich einepannende Veranstaltung.
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Siegmund EhrmannZur EU-Binnenmarktrichtlinie ist zwar bereits einigesgesagt worden; aber auch ich will zum Schluss daraufeingehen. Erwähnt wurde, dass diese Richtlinie auch diegrenzüberschreitenden audiovisuellen und kulturellenDienstleistungen erfasst. Im Übrigen wird in dieserRichtlinie klargestellt, dass nicht marktbestimmte, vomStaat erbrachte soziale, kulturelle und bildungspolitischeTätigkeiten nicht unter diese Richtlinie fallen. Dies giltallerdings nicht für den Rundfunk. Vor dem Hintergrundder Debatte um die UNESCO-Konvention ist die deut-sche Forderung an die EU, audiovisuelle Dienstleistun-gen – ob Fernsehen, Hörfunk oder Film – aus dieserRichtlinie herauszunehmen, zwingend.
Andernfalls wäre die besondere meinungsbildende undVielfalt sichernde Funktion dieser Medien extrem ge-fährdet.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Kultur und Medien auf Drucksache 15/3584
zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnis-
ses 90/Die Grünen mit dem Titel „Schaffung eines inter-
nationalen Instruments zum Schutz der kulturellen Viel-
falt unterstützen“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag
auf Drucksache 15/3054 in der Ausschussfassung
anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hauses an-
genommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart,
Carl-Ludwig Thiele, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP
Reform der Umsatzsteuer – Durch Umstellung
von der Soll- auf die Istbesteuerung Umsatz-
steuerbetrug wirksam bekämpfen und unnö-
tige Liquiditätsbelastungen der Wirtschaft
vermeiden
– Drucksache 15/2977 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
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uf den Weg gebracht.
o haben wir der Finanzverwaltung in unseren Augenirksame Instrumente zur Bekämpfung des Umsatzsteu-rbetrugs in die Hände gegeben.
ie Länder, die sie konsequent anwenden, könnenurchaus Erfolge vorweisen, zum Beispiel Rheinland-falz, aber auch Nordrhein-Westfalen. Ich kann alleänder nur auffordern, über den Schatten des Länder-inanzausgleichs – an dem hängt es oft – zu springen undie Umsatzsteuersonderprüfungen hinreichend zu ver-tärken. Dabei geht es nicht nur ums Geld, sondern auchm ein Signal an die kriminellen Elemente, dass dertaat sich nicht einfach ausplündern lässt.
Richtig ist, dass die Betrugsanfälligkeit im jetzigenystem selbst begründet ist.
eshalb zielt Ihr Antrag, Kolleginnen und Kollegen auser FDP-Fraktion, auf eine Reform der gesamten Um-atzsteuer. Darüber haben wir schon verschiedentlichm Finanzausschuss und im Sommer auch hier im Ple-um geredet. Es gibt schon seit einiger Zeit das Modellon Finanzminister Gernot Mittler, das die Umsatzsteuerrst auf der Endverbraucherstufe erheben will. Alle an-eren Lieferungen und Leistungen im zwischenunter-ehmerischen Bereich erfolgen danach steuerfrei.Dieser Lösungsansatz hat wirklich beträchtlichenharme, da er nicht nur die zurzeit gebräuchliche Steu-rhinterziehung unterbindet, sondern natürlich auch be-rächtliche Steuervereinfachungspotenziale für die Un-ernehmen und für die Verwaltung enthält. Allerdingstößt dieses Modell durchaus nicht überall auf Begeiste-ung, weder hier in Berlin noch und besonders in Brüs-el. Ohne Zustimmung des Bundesrates und der
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Lydia Westricheuropäischen Ebene können wir neues Recht im Be-reich Umsatzsteuer leider nicht umsetzen. Natürlich hatdieses Modell auch seine Tücken, die gründlich durch-dacht werden müssen.Der Vorschlag der FDP-Seite, von der Soll- auf dieIstbesteuerung überzugehen, wird seit geraumer Zeit imFinanzministerium überprüft.So wie Finanzminister Mittler bereits 2001 mit seinenneuen Überlegungen seinen Beitrag zur Bekämpfung desUmsatzsteuermissbrauchs geleistet hat, gibt es auchschon seit diesem Zeitpunkt, nämlich seit 2001, eineBund-Länder-Expertengruppe, die an der Entwicklungdes Reverse-Charge-Modells arbeitet, das die Umkehrder Steuerschuldnerschaft beinhaltet. Das Modell wurdeder EU-Kommission bereits vorgetragen; Eichel hat hierseine Arbeit also schon geleistet. Derzeit läuft ein Plan-spiel zur Folgenabschätzung. Mitte 2005 werden wir unsmit dessen Ergebnissen beschäftigen können. Wie Siewissen, hat die Wirtschaft ein hohes Interesse daran undsie ist in die Arbeit eingebunden.Das Gleiche gilt auch für das zweite Modell, die vonIhnen geforderte Istbesteuerung. Auch daran arbeitenbereits Experten des Bundes und der Länder, des Bun-desrechnungshofes und der Wirtschaft. Die EU ist überdiese Konzeption natürlich ebenfalls informiert worden.Das heißt, Sie laufen mit Ihrem Antrag nicht nur beiuns, sondern sicherlich auch bei den Kollegen aus derCDU/CSU-Fraktion offene Türen ein,
soweit es die Überlegungen als solche betrifft. Außer-dem hatten wir uns bereits im Sommer verabredet, dasswir uns diesem Thema im Ausschuss ausführlich wid-men. Was soll dann jetzt dieser Schnellschuss mit In-Kraft-Treten zum 1. Januar 2005?
Das ist doch wirklich Populismus pur.
Die Umsatzgrenze, die Sie in Ihrem Antrag eingezo-gen haben, betrifft 94 Prozent aller Unternehmer. Selbstdie Wirtschaftsverbände reden von einer grundlegendenReform und warnen vor erheblichen Kontrollproblemenbei einer Umstellung, die natürlich auch sie selbst beträ-fen; Sie aber fordern, das in wenigen Wochen durchzu-ziehen. Ich weiß nicht, wie das machbar sein sollte. Dasist nicht ernst zu nehmen,
sondern wirklich nur – das ist schade – rein populistisch,ganz abgesehen von der erforderlichen Sondergenehmi-gung durch die EU, die wir vielleicht erhalten, aber nurdann, wenn wir nachweisen, dass die neue Regelung derBekämpfung von Steuermissbrauch dient. Das jedochkönnen wir alle nur vermuten; wir können es im MomentnkgsnnkdmheSepgseeWsAdGcdkradfdSnFHsEqisc
Selbst das Ifo-Institut, dessen Studie Sie vorhin zitiertaben, hat zur besseren Sicherung der Staatseinnahmenmpfohlen, alle Kontrollmöglichkeiten des bisherigenystems erst einmal auszuschöpfen. Sie halten das fürine bessere Methode, als auf die Schnelle neue, uner-robte Systeme einzuführen, die dann natürlich an ir-endeiner anderen Stelle auch wieder betrugsanfälligein werden.Wenn Sie wirklich die Sicherung der Umsatzsteuer-innahmen im Sinn haben, dann kann ich Ihnen nurmpfehlen, diesen Antrag zurückzuziehen.
ir können uns im Ausschuss im Wege der Selbstbefas-ung sehr schnell über den Stand der derzeit laufendenrbeiten informieren lassen. Wir können die Meinunger EU-Kommission dazu einholen. Wir können uns miternot Mittlers Modell befassen. Wir können in Gesprä-hen mit der Wirtschaft, dem Bundesrechnungshof unden Experten im Haus das Planspiel und die Machbar-eitsstudie begleiten. Wir haben für den November be-eits entsprechende Gespräche dazu geplant.Wir alle haben ein hohes Interesse daran, die betrugs-nfällige Sollbesteuerung im Umsatzsteuerbereich aufen Prüfstand zu stellen und neue Lösungsansätze zuinden. Ein Hauruckverfahren, wie Sie es jetzt wollen,ient weder den Interessen der Wirtschaft noch dentaatseinnahmen. Deshalb müssen wir diesen ungeeig-eten Antrag jetzt leider ablehnen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Peter Rzepka, CDU/CSU-
raktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Umsatz-teuer mit einem Aufkommen von etwa 137 Milliardenuro im Jahre 2003 gehört zu den wichtigsten Steuer-uellen des Staates. Obwohl das Bruttoinlandsproduktn den Jahren 2000 bis 2003, wenn auch bescheiden, ge-tiegen ist, ist das Umsatzsteueraufkommen im glei-hen Zeitraum entgegen allen Prognosen gesunken. Die
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Peter Rzepkaneuesten Statistiken aus dem Bundesfinanzministeriumzeigen, dass sich dieser Trend auch 2004 fortsetzen wird.Als eine der Ursachen für diese negative Entwicklunggilt die Hinterziehung von Umsatzsteuer, insbesonderedurch den Umsatzsteuerkarussellbetrug, der hier schonangesprochen worden ist.Durch Umsatzsteuerbetrug werden dem Fiskus jähr-lich Beträge in zweistelliger Milliardenhöhe entzogen;allein für 2003 wird der Betrag für die BundesrepublikDeutschland und ihre Gebietskörperschaften auf über17 Milliarden Euro geschätzt. Die Berichte des Ifo-Insti-tuts und des Bundesrechnungshofs sind uns allen be-kannt; wir hatten bereits Gelegenheit, darüber im Ple-num und in den Ausschüssen zu diskutieren.Schwächen im Umsatzsteuersystem werden von Be-trügern ausgenutzt. Der Bundesrechnungshof hat ermit-telt, dass Vorsteuern geltend gemacht werden, denenkeine Erwerbsgeschäfte mit entsprechenden Umsatz-steuerzahlungen gegenüberstehen, Firmen als Subunter-nehmer sich vor der Zahlung von Steuern und Sozialab-gaben dem Fiskus entziehen, während die AuftraggeberVorsteuern und Betriebsausgaben abziehen, Scheinunter-nehmen nur zum Zweck der Ausstellung von Rechnun-gen gegründet werden, Scheinunternehmen gezielt in dieInsolvenz geschickt werden, um bei der Rückabwick-lung von Geschäften die ausgezahlten Vorsteuern behal-ten zu können, Scheinunternehmen in der Insolvenz Um-satzsteuern aus ausgestellten Rechnungen nicht bezahlenkönnen, für die die Abnehmer Vorsteuern bereits geltendgemacht haben, und Unternehmen zwar Rechnungenausstellen, die geschuldeten Steuern aber nicht erklärenund abführen.Vor dem Hintergrund der dramatischen Haushaltslagedes Bundes ist dies ein unerträglicher Zustand.
– Ich stelle fest, dass wir alle uns in diesem Hause einigsind. Geschädigt werden nicht nur Bund, Länder undKommunen; betroffen sind auch alle ehrlichen Unter-nehmen, die letztlich die hohe Steuerlast tragen müssen,durch gesetzgeberische Maßnahmen zur Bekämpfungdes Umsatzsteuerbetrugs mit zusätzlicher Bürokratieund Haftungsrisiken überzogen werden und von Wettbe-werbsverzerrungen betroffen sind. Ziel einiger Täter wares, eine marktbeherrschende Stellung zu erlangen, um sodie Konkurrenz auszuschalten. Eine solche Entwicklungschädigt unsere Volkswirtschaft und beeinträchtigt dieSteuermoral, denn der Ehrliche meint, wieder einmal derDumme zu sein.
Zu dem Thema des Umsatzsteuerbetrugs habe ich be-reits mehrmals Stellung bezogen. In meiner Rede vom26. September 2003, also vor fast genau einem Jahr,habe ich in diesem Hause dargelegt, dass es meines Er-achtens lohnenswert sein dürfte, zur Bekämpfung desUmsatzsteuerbetrugs über die Ausweitung der Istbe-steuerung nachzudenken. Wir haben dazu vor kurzerZeit auch Ansätze vorgelegt. Damals ging es mir übri-grekgnsrIVsAmSisdmgRnudiddreEgdfeumgwlgdtlseddnk
Nach dem geltenden Steuerrecht ist die Umsatzsteuerrundsätzlich nach vereinbarten Entgelten, der so ge-annten Sollbesteuerung, zu berechnen. Die Steuer ent-teht also schon mit Ablauf des Voranmeldungszeit-aums, in dem die Leistung ausgeführt wurde. Bei derstbesteuerung entsteht die Steuer dagegen erst mit derereinnahmung des Entgelts, also regelmäßig zu einempäteren Zeitpunkt.Allerdings war mein damaliger Hinweis, über dieusweitung der Istbesteuerung nachzudenken, so ge-eint, dass vor einem Systemwechsel mit hinreichendericherheit feststehen muss, dass die beabsichtigten Zielen der Praxis auch erreichbar sind und der Systemwech-el nicht zu unverhältnismäßigen bürokratischen Anfor-erungen an die Finanzverwaltung und an die Unterneh-en führt.Drei Tage nach der Debatte vom September des vori-en Jahres hat Frau Staatssekretärin Hendricks in einerede auf einer Gemeinschaftskonferenz des Finanzmi-isteriums Rheinland-Pfalz und des Ifo-Instituts, als esm das Thema „Mehrwertsteuerhinterziehung und Mo-ellansätze zu ihrer Vermeidung“ ging, dargelegt, dassm Finanzministerium ebenfalls über einen Wechsel voner Soll- zur Istbesteuerung nachgedacht wird, verbun-en mit dem elektronisch unterstützten Kontrollverfah-en eines Cross-Checks. Dabei wird der Ausgangsumsatzines leistenden Unternehmens mit dem entsprechendeningangsumsatz aufseiten des Leistungsempfängers ab-eglichen, um festzustellen, ob die Voraussetzungen füren Vorsteuerabzug vorliegen.Hinsichtlich der Einführung des Cross-Check-Ver-ahrens hat die Staatssekretärin schon damals auf denrheblichen technischen Aufwand für Finanzverwaltungnd Unternehmen hingewiesen, diese aber damals nochit dem Interesse an einer sichereren Steuererhebungerechtfertigt. Im Juni dieses Jahres wurden in den Ant-orten auf meine Fragen im Finanzausschuss die dama-igen Aussagen allerdings relativiert. Vor dem Hinter-rund einer laufenden Machbarkeitsstudie – aucharüber war hier schon die Rede – teilte die Staatssekre-ärin mit, dass das Cross-Check-Verfahren voraussicht-ich nicht umsetzbar sei. Insgesamt kam der Finanzaus-chuss einvernehmlich zu dem Ergebnis, dass nochrheblicher Beratungsbedarf im Zusammenhang mitem Umsatzsteuerbetrug besteht.Der vorliegende FDP-Antrag ist danach weder beson-ers originell,
och berücksichtigt er den gegenwärtigen Stand der Dis-ussion. Es wäre besser gewesen, das Ergebnis der
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Peter Rzepkalaufenden Machbarkeitsstudie abzuwarten; denn die Pro-bleme liegen in der Kontrolle, ohne die eine Umstellungkeinen Sinn machen würde, wenn das Ziel, den Umsatz-steuerbetrug wirksam zu bekämpfen, erreicht werdensoll.
In der Beschlussvorlage der FDP-Fraktion heißt es dannauch, dass der Anspruch auf Vorsteuerabzug erst dannentstehen solle, wenn der Unternehmer eine Rechnungnachweislich gezahlt habe – nachweislich. Die FDP-Fraktion bleibt uns aber mit ihrem Antrag eine Antwortauf die Frage schuldig, wie diese Nachweise in der Pra-xis erbracht und geprüft werden sollen.Es geht also um die praktische Durchführung und dieist nach meiner Einschätzung nur mit erheblichem büro-kratischen Aufwand in der Finanzverwaltung und inden Unternehmen zu leisten.
Die „Financial Times Deutschland“ zitiert in einem Be-richt vom 20. September einen Datenexperten, der min-destens 1 000 zusätzliche Beamte in der Finanzverwal-tung für erforderlich hält. 60 Millionen Kontrollenmüssten, wenn Rechnungen ab 5 000 Euro geprüft wür-den, im Jahr bewältigt werden. Erwartet wird eine rie-sige Bugwelle von Zweifelsfällen, die die Finanzämtervor sich herschieben würden. Auch aufseiten der Unter-nehmen wird – nach allem, was wir wissen – mit einererheblichen Komplizierung der Buchhaltung gerechnet,sodass zusätzliche Personalkapazitäten vorgehalten wer-den müssten, um diese Aufgaben zu bewältigen.Dass die Umstellung auf die Istbesteuerung im Übri-gen nicht nur Liquiditätsvorteile für die Unternehmenmit sich bringt – wie Sie von der FDP offenbar meinen –,sondern auch zu Liquiditätsnachteilen führen kann,möchte ich nicht unerwähnt lassen. Dies gilt für die Un-ternehmen, die bisher Vorsteuerüberhänge geltend ma-chen können.Schließlich müssten alle Unternehmen zur Durchfüh-rung des Cross-Checks zur monatlichen Abgabe vonUmsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet werden, wasbei Unternehmen, die bisher nur jährlich oder viertel-jährlich die Umsatzsteuer anmelden müssen, zu zusätzli-cher Bürokratie führen und damit den sonst immer be-tonten Intentionen der FDP zuwiderlaufen würde.Ich schlage deshalb vor, dass wir erst einmal abwar-ten, zu welchen Ergebnissen die Bund-Länder-Kommis-sion gelangt
und ob die Kommission einen praktikablen Lösungswegaufzeigt. Zudem sollten wir unsere Vorgehensweise mitder EU-Kommission und den europäischen Partnern ab-stimmen; denn die Systemumstellung setzt die Zustim-mung der EU-Kommission voraus, wie Sie wissen undoffenbar auch in Ihrem Antrag voraussetzen und unter-stellen.mpÜtsdFncdngtSeggNmbtdhnwdweeiaerwcSmbwwsfutokrrDn
Die Union fordert die Bundesregierung deshalb er-eut auf, das bestehende System betrugssicher zu ma-hen, das geltende Recht konsequent anzuwenden undie jetzt möglichen Kontrollen durchzuführen. Es wirdotwendig sein, die Finanzverwaltung dafür mit bessereschultem und zusätzlichem Personal sowie mit neues-er Technik auszustatten. Möglicherweise macht es auchinn, eine auf Bundesebene angesiedelte Ermittlertruppeinzurichten, wie sie die Deutsche Steuer-Gewerkschaftefordert hat. Sie könnte länderübergreifend effektiv ge-en international operierende Banden vorgehen.Die Bundesregierung ist weiterhin aufgefordert, mitachdruck an einem bundeseinheitlichen EDV-Risiko-anagement zur Unterstützung der Umsatzsteuersach-earbeitung und an einer Ergänzung des bestehenden au-omatisierten Besteuerungsverfahrens im Hinblick aufie Umsatzsteuer zu arbeiten. Entscheidend ist, dass ge-andelt wird und dass die personellen Ressourcen der Fi-anzverwaltung auf diese wichtige Aufgabe konzentrierterden.Unseres Erachtens könnte die Finanzverwaltung beier Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs wesentlichirksamer sein, wenn sie durch eine entscheidende Ver-infachung des Steuerrechts von anderen Aufgabenntlastet würde. Denn schon jetzt sind die Fehlerquotenn den Finanzämtern Untersuchungen zufolge, die wirlle kennen, unerträglich hoch. Deshalb brauchen wirndlich eine umfassende Reform des deutschen Steuer-echts, wie sie von den Unionsparteien vorgeschlagenorden ist. Helfen Sie mit, unser Steuersystem einfa-her, unbürokratischer und damit gerechter zu machen!ie entlasten dadurch auch die Finanzbeamten und er-öglichen es ihnen, sich verstärkt den wichtigen Aufga-en wie der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs zuzu-enden.
Während man in unseren Nachbarstaaten, beispiels-eise in den Niederlanden, an ausgefeilten Risikoanaly-esystemen gearbeitet hat, mit denen man selbst Schein-irmen bei uns in Deutschland aufdecken und damitnseren Ermittlungsbehörden Anhaltspunkte für ein Tä-igwerden geben kann, ist in der Bundesrepublik nichtsder zu wenig geschehen. Das ist Ihnen, Frau Staatsse-retärin, immer wieder durch die Berichte des Bundes-echnungshofes bestätigt worden. Dies hat der Bundes-echnungshof auch schon im Jahre 2000 beanstandet.ennoch haben wir von einer gesetzgeberischen Maß-ahme abgesehen, die unseres Erachtens nur zusätzliche
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Peter RzepkaBürokratie mit sich bringen würde, aber das Thema anseiner eigentlichen Wurzel nicht bewältigen könnte.Die Bundesrepublik Deutschland scheint sich zu ei-nem Eldorado für Umsatzsteuerbetrüger zu entwickeln.Es gibt Befürchtungen, dass sich durch die Erweiterungder EU neue Betätigungsfelder für Umsatzsteuerhinter-ziehung eröffnen, wodurch zusätzliche Risiken für dendeutschen Fiskus entstehen können.Einerseits ist ein Rechtsstaat, der gegen Steuerbetrug,der zu Steuerausfällen in zweistelliger Milliardenhöheführt, nicht effizient vorgeht, unglaubwürdig. Anderer-seits dürfen aber die Maßnahmen, die wir gegen derar-tige Betrügereien anwenden, nicht unverhältnismäßigsein. Wir werden den Antrag der FDP-Fraktion im Fi-nanzausschuss intensiv beraten. Die Union bietet jedeHilfe bei einer effektiven Bekämpfung des Umsatzsteu-erbetruges an. Schon heute einen Systemwechsel bei derUmsatzsteuer zu beschließen ist aus unserer Sicht jedochnicht verantwortbar.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Kerstin Andreae vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Trotz eines jährlichen Umsatzsteuerbetrugs inder Größenordnung von 20 Milliarden Euro sieht es soaus, als wären die Abgeordneten dieses Hauses an dieserThematik nicht sehr interessiert. Wir sind hier unter uns,wie man auch im Finanzausschuss unter sich ist. Viel-leicht liegt das daran – Kollege Rzepka hat das auf be-eindruckende Weise dargelegt –, dass über diesen Antragim Augenblick noch ohne ernsthaften Hintergrund, überden wir seitens des BMF noch unterrichtet werden sol-len, diskutiert wird. Deswegen sage ich gleich zu Be-ginn, dass er auch von uns abgelehnt wird.Richtig ist aber: Die Finanzierung staatlicher Aufga-ben soll gerecht erfolgen. Dafür ist nicht nur die Steuer-gesetzgebung verantwortlich, sondern das muss auchdurch die tatsächliche Um- und Durchsetzung des Steuer-rechts durch die Finanzverwaltungen erfolgen. Der jährli-che Umsatzsteuerbetrug in Höhe von 20 Milliarden Euroentspricht ungefähr dem Fünffachen des jährlichen Erb-schaftsteueraufkommens. Dabei handelt es sich also umeine enorme Größenordnung. Der durch Umsatzsteuerbe-trug entstehende volkswirtschaftliche Schaden ist enorm.Gäbe es diesen Betrug nicht, würde das deutsche Defizitdeutlich unter dem Maastricht-Kriterium von 3 Prozentliegen; das muss man ja auch sehen.Das Ausmaß der kriminellen Energie, die hier aufge-bracht wird, ist enorm. Eine Aufzählung macht deutlich,wo die Kontrolle und vor allem Zusammenarbeit – natio-nal und international – vonnöten ist, um wirksam einzu-greifen: Wir bekommen fingierte Rechnungen. Schein-firmen werden in dem einen Bundesland gegründet undin dem anderen sofort wieder abgemeldet; bis die LänderdktJtZagsEdotdgsgntawdbhAvgPdmkFddPsaIwabwZbgt
nsofern ist es absolut richtig, sich die Zeit zu lassen, dieir brauchen, um das zu prüfen. Im Moment gibt esuch noch keine geeignete Software. Wir werden darü-er zusammen intensiv diskutieren; wir liegen ja nichteit auseinander.Unser Fazit: Umstellung der Besteuerung – ja. – Dieseielsetzung ist unserer Ansicht nach richtig. Gleichzeitigrauchen wir ein effizientes Kontrollverfahren. Das eineeht nicht ohne das andere. Wir müssen die interna-ionale Zusammenarbeit ebenso wie die nationale
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Kerstin AndreaeZusammenarbeit verbessern. In diesem Zusammenhangmüssen wir eine Verlagerung von Kompetenzen auf dieBundesebene prüfen. Wir unterstützen das Ministeriumin seinem Vorgehen und halten die effektive und wirk-same Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs für eine derganz großen Aufgaben, die wir in der kommenden Zeithaben werden. Ich bin mir sicher, dass wir da gut zusam-menarbeiten können, aber mit der nötigen Zeit und Ruhe.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 15/2977 an die in der Tagesordnung aufge-führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisungbeschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuge-staltung des UIG– Drucksachen 15/3406, 15/3680 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
InnenausschussAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Bundesminister Jürgen Trittin das Wort.Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie siehteigentlich die Kosten-Nutzen-Rechnung für die weitereVertiefung der Elbe aus und wie verändert sie sich, wennman den Jade-Weser-Port in Betrieb nimmt? Dazu gibtes eine Studie im Verkehrsministerium. Künftig wirddiese Studie für jedermann einsehbar sein.Ich nenne ein anderes Beispiel. Was steht in demPflege- und Entwicklungsplan – ein schrecklicher Be-griff – für das Naturschutzvorhaben Spreewald? Daskönnen Sie schon heute im Bundesamt für Naturschutznachlesen. Künftig wird das Bundesamt verpflichtetsein, diesen Pflege- und Entwicklungsplan im Internetzu veröffentlichen. Das ist eine Folge des Umweltinfor-mationsgesetzes, durch das der Zugang der Bürgerinnenund Bürger zu Umweltinformationen verbessert wird.Künftig gilt: Wir erweitern den Kreis der informa-tionspflichtigen Stellen. Nicht nur das Umweltministe-rium, sondern auch das Verkehrsministerium und dasWirtschaftsministerium müssen also umweltrelevanteInformationen herausgeben. Wir verkürzen die Frist,whkfwItfswitAgnPdH1wzbstrReisqgandllnVuguMgsaabB
In einem Punkt sind die Länder aber noch in derflicht: Sie müssen nämlich genau das gleiche Recht undie Richtlinie bei ihnen in ein Landesgesetz umsetzen.ier stehen wir wieder einmal vor dem Problem, dass6 Bundesländer das Gleiche machen. Ich würde mirünschen, dass wir diesen Zustand, 16-mal das Gleicheu machen – 17-mal, wenn man den Bund hinzunimmt –,eenden. Eine einheitliche Kompetenz für die Umweltollte ein gemeinsames Anliegen als Ergebnis der Bera-ungen der Föderalismuskommission sein, um solche bü-okratischen Verfahren bei der Umsetzung europäischenechts zu unterbinden.
Ich glaube, man täte dem Gesetz Unrecht, wenn mans über das Verfahren, durch das es zustande gekommenst, beurteilen würde. Wir brauchen dieses lebendige Ge-etz für Transparenz. Es führt dazu, dass sich die Bürgerualifiziert und erfolgreich an öffentlichen Entscheidun-en beteiligen können und dass sie schon im Vorfeld,lso bereits während der Entscheidungsfindung, Einflussehmen können. Hier kommt es zu einer Wirkung aufas Verwaltungshandeln: Eine gut informierte Öffent-ichkeit spornt die Verwaltung nämlich zu anspruchsvol-em Handeln an. Für mich ist der Zugang zu Informatio-en ein Schlüssel zu dem, was wir in internationalenerfahren oft Good Governance nennen. Wir wollen dasmsetzen. Je informierter ein Bürger ist, desto umwelt-erechter wird er sich verhalten. Wer teilhat, kooperiertnd gehorcht nicht; er nimmt eben teil.Insofern wird durch dieses Gesetz Schluss mit demissstand gemacht, dass für die Umwelt engagierte Bür-er vor den verschlossenen Türen des Amtsgeheimnissestehen. Mit dem Umweltinformationsgesetz setzen wiruf ein neues Verständnis von Verwaltung. Wir setzenuf transparente Dienstleistung anstatt auf Fortschrei-ung des alten preußischen Amtsgeheimnisses.Ich diesem Sinne wünsche ich uns allen produktiveeratungen.
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Das Wort hat jetzt der Kollege Eberhard Gienger von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Politisches Handeln setzt ineiner Demokratie Urteilsfähigkeit des Bürgers voraus.Davon kann aber nur dann ausgegangen werden, wenndieser die Möglichkeit hat, sich umfassend über staatli-che Zusammenhänge zu informieren. Durch die Neufas-sung des Umweltinformationsgesetzes wird der Zugangzu Umweltinformationen für Bürgerinnen und Bürgerdeutlich verbessert.
So werden alle Stellen der öffentlichen Verwaltungdes Bundes zur Herausgabe von Umweltinformationenverpflichtet, unabhängig davon, ob sie nun im Bereichdes Umweltschutzes spezielle Aufgaben wahrzunehmenhaben. Der Informationsbegriff wird wesentlich erwei-tert. Die Fristen für die Beantwortung von Anfragen zuUmweltinformationen werden halbiert und dürfen in derRegel nur noch einen Monat betragen. In begründetenAusnahmefällen kann es aber auch bis zu zwei Monatendauern.Außerdem wird die Bundesverwaltung verpflichtet,umfassender als bisher von sich aus aktiv Umweltinfor-mationen zu verbreiten, zum Beispiel indem Verzeich-nisse mit Übersichten von zugänglichen Informationenveröffentlicht oder öffentlich zugängliche Informations-netze und Datenbanken eingerichtet werden. Das Inter-net soll hierbei ein schnelles und modernes Medium seinund zunehmend genutzt werden. Um damit wirklich einbreites Spektrum in der Bevölkerung zu erreichen, müs-sen bei der Bereitstellung von Informationen die techni-schen Anforderungen berücksichtigt werden. Minimal-voraussetzungen müssen ausreichen, um an dieseInformationen gelangen zu können.Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden für dieBundesverwaltung die Anforderungen der neu gefasstenUmweltinformationsrichtlinie vom 14. Februar 2003 derEuropäischen Gemeinschaft umgesetzt. Mit der Neufas-sung des Umweltinformationsgesetzes werden zugleich dieVerpflichtungen des von Deutschland 1998 unterzeichnetenAarhus-Abkommens über den Zugang zu Umweltinforma-tionen erfüllt. Diese Aarhus-Konvention – nach der däni-schen Stadt benannt, in der 1998 das Abkommen unter-schrieben wurde – ist der erste völkerrechtliche Vertrag,der jeder Person Rechte im Umweltschutz zuschreibt.Informationen und Zugang zu den entsprechenden Infor-mationen sind der Schlüssel zur Bürgergesellschaft. Nurwer als Bürger informiert ist, kann auch öffentliche Ent-scheidungen mittragen, sich beteiligen, die Verwaltungenwirksam kontrollieren und Entscheidungen nachvollzie-hen. Ich möchte an die Adresse der Bundesregierung sa-gen, dass ich diese Bürgernähe bei einigen Ihrer Gesetzevermisse.SHuAwEwgSAbvksdDemgrBdUucnoswgdgddsDKkSERdkghsZ
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Es ist noch nicht einmal die genaue Zuständigkeitzwischen Bund und Ländern geklärt, wer konkret fürdie Regelung der Informationspflicht für bestimmte pri-vate Stellen unter Kontrolle des Bundes zuständig ist.Diese Zersplitterung beeinträchtigt den Anspruch desnach Informationen suchenden Bürgers. Die Regelunghinsichtlich der auskunftspflichtigen Privatunternehmen,etwa der Telekom als Betreiberin von Mobilfunksende-masten, soll laut Gesetzentwurf selbst dann ausschließ-lich den Ländergesetzgebern überlassen bleiben, wennsie der Kontrolle der Bundesbehörde unterliegen. DieRegelungskompetenz für die Telekom liegt aber beimBund. Es ist mir aus diesem Grunde nicht ganz begreif-lich, einen solchen Fall der Ländergesetzgebung zu un-terwerfen.In dem Gesetzentwurf stecken gute Ansätze. Wir vonder CDU/CSU werden dem Gesetzentwurf gerne nähertreten. Es besteht aber nach wie vor erheblicher Diskus-sionsbedarf.Schönen Dank.drEdBtAnaBRETdEkzmdtrdUsmIsIPs2DHwtßfrvdwsUmfww
Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Bierwirth von
er SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Innerhalb deruropäischen Union ist in den vergangenen Jahren vielafür getan worden, die Mitwirkungsmöglichkeiten derürgerinnen und Bürger und Nichtregierungsorganisa-ionen im Umweltbereich Schritt für Schritt auszubauen.ngefangen hat dieser Trend 1985 mit der UVP-Richtli-ie. Wir erinnern uns sicherlich alle an die noch nichtllzu lange zurückliegenden Diskussionen im Deutschenundestag im Zusammenhang mit der Umsetzung derichtlinie in nationales Recht. Mit dem vorliegendenntwurf des Umweltinformationsgesetzes wird dieserrend fortgesetzt.Der Entwurf eines Umweltinformationsgesetzes dienter Umsetzung der Umweltinformationsrichtlinie derU vom Januar 2003 über den Zugang der Öffentlich-eit zu Umweltinformationen und der weiteren Umset-ung der Anforderungen der Aarhus-Konvention in Ge-einschaftsrecht. Die Aarhus-Konvention ist 1998 voner Bundesregierung gezeichnet worden. In der Koali-ionsvereinbarung von 2002 wurde ihre zügige Ratifizie-ung festgelegt. Ich denke, dass wir mit dem vorliegen-en Entwurf sehr gut im Zeitplan liegen.Deutschland hat auf dem Gebiet der Information übermweltdaten gegenüber den Bürgern allerdings heutechon einiges vorzuweisen. Ich denke in diesem Zusam-enhang zum Beispiel an das Internetportal gein.de.hre Bedenken, dass es kostenaufwendig ist, digitali-ierte Pläne ins Internet zu stellen, teile ich nicht. In demnternetportal gein.de können Sie schon heute auf solcheläne zurückgreifen. Das Umweltinformationsnetz be-teht seit Juni 2000. Hinter diesem Angebot stehen über50 000 einzelne Webseiten und neun Schnittstellen zuatenbanken. Es ist von Bund und Ländern unter deroheit des Umweltbundesamtes gemeinsam erarbeitetorden. Wenn Sie dieses Informationsnetz näher be-rachten, dann werden Sie erkennen, dass kein allzu gro-er Arbeitsaufwand erforderlich ist, um dem Umweltin-ormationsgesetz gerecht zu werden.Ein weiteres Beispiel ist das Schadstofffreisetzungs-egister, mit dem der Öffentlichkeit Emissionsberichteon Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Füren Bürger ist es interessant, zu erfahren – das kennenir auch aus unserer eigenen Arbeit –, welche Schad-toffe in welcher Konzentration aus dem Schornstein desnternehmens von nebenan ausgestoßen werden.Vergleicht man das bereits bestehende Umweltinfor-ationsrecht mit der neu gestalteten Gesetzgebung, soallen einige Verbesserungen auf: Alle Stellen der Ver-altungen des Bundes werden zur Herausgabe von Um-eltinformation verpflichtet. Das gilt also nicht mehr
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Petra Bierwirthnur für das Umweltministerium, sondern beispielsweiseauch für die Verkehrsbehörden. Die Fristen für die Be-antwortung von Anfragen der Bürgerinnen und Bürgerwerden verkürzt. Die Anfragen müssen künftig inner-halb von einem Monat beantwortet werden. Des Weite-ren werden die Bundesverwaltungen verpflichtet, Um-weltinformationen ausführlicher als bisher zum Beispielauf ihren Webseiten darzustellen und zu verbreiten. DieAuskunftspflichten von Landesbehörden werden in lan-desrechtlichen Vorschriften zur Umsetzung der neuenUmweltinformationsrichtlinie geregelt.Auch der Bundesrat hat schon sehr intensiv über denEntwurf des Umweltinformationsgesetzes diskutiert. DieLänderkammer hat vorgeschlagen, die Informations-pflicht auf private Stellen, die unter der Kontrolle desBundes stehen, auszudehnen. Damit werden – das wurdebereits angesprochen – in Zukunft auch die Telekom unddie Deutsche Bahn auskunftspflichtig in Bezug auf Um-weltbelange. Wir begrüßen das sehr und unterstützendiesen Vorstoß der Bundesländer.
Ohne die Bereitstellung zuverlässiger Daten und wis-senschaftlich fundierter Informationen ist es für die Bür-gerinnen und Bürger nicht möglich, sich ein eigenes Ur-teil über den Zustand ihrer Umwelt zu bilden. Das neueUmweltinformationsgesetz schafft die Voraussetzungendafür; denn nur wer Informationen über den Zustand derUmwelt bekommt, kann sich aktiv für den Schutz derUmwelt einsetzen. Wir wissen aus unserer Arbeit, dassdie Bürgerinnen und Bürger von diesem Recht sehr aktivGebrauch machen.Der leichte Zugriff der Öffentlichkeit auf umweltrele-vante Daten und Informationen bildet meiner Ansichtnach eine unverzichtbare Grundlage für eine bürger-nahe und transparente Umweltpolitik. Ich freue michdeshalb auf die Diskussion über den vorliegenden Ge-setzentwurf im Ausschuss. Ich denke, wir werden dasGanze zu einem positiven Abschluss bringen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Kauch von
der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der
Neugestaltung des Umweltinformationsgesetzes wird
das UIG nicht nur an die Vorgaben der EU-Richtlinie
angepasst. Es wird vielmehr auch ein Schritt zur Umset-
zung der Aarhus-Konvention getan. So wird die Verwal-
tung verpflichtet, die Verbreitung von Umweltinforma-
tionen aktiv zu betreiben, und zwar gerade durch den
Einsatz moderner elektronischer Mittel. Die Öffentlich-
keit kann somit umweltrelevante Entscheidungen wirk-
samer als bisher beurteilen. Wir Liberalen begrüßen
diese Zielsetzung ausdrücklich.
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Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Katherina
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsReiche, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder CDU/CSUGesamtkonzept zur Abwehr bioterroristischerGefahren vorlegen– Drucksache 15/3487 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Auswärtiger AusschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitVerteidigungsausschussAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungb) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. MaxStadler, Jörg van Essen, Gisela Piltz, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion der FDPEvaluierungsbericht zu dem Gesetz zur Be-kämpfung des internationalen Terrorismusvorlegen– Drucksache 15/3386 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Auswärtiger AusschussRechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-nerin das Wort der Kollegin Beatrix Philipp von derCDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist keinangenehmes Thema, mit dem wir uns hier befassen müs-sen. Die letzten Monate und Jahre haben gezeigt, dass esfür terroristische Anschläge keine geographische Be-grenzung und – was noch bedeutsamer ist – keine mora-lischen Hemmschwellen mehr gibt. Der neue Typ desTerroristen, dem das eigene Leben nichts wert ist, lässtmögliche Katastrophenszenarien zu wahren Horrorvor-stellungen werden. Es hat auch nichts mit Panikmachezu tun, wenn wir im Bundestag das Thema „Bioterror“thematisieren und debattieren. Im Gegenteil: Es ist un-sere Pflicht gegenüber den Menschen in unserem Land,offen und ehrlich, aber auch schonungslos sachlich überdie Probleme in diesem Bereich zu sprechen.Wir alle wissen, dass es fast unmöglich ist, terroristi-sche Anschläge völlig auszuschließen. Wir müssen unsaber damit befassen und darauf vorbereitet sein. Wirmüssen also auch für den Fall eines Terrorangriffs mitbiologischen und chemischen Stoffen gewappnet sein.Wir sind es nicht. Deshalb fordern wir die Bundesregie-rung auf, endlich ein Gesamtkonzept vorzulegen.
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s bedarf daher eines gemeinsamen Einsatzzentrums desundes und der Länder, damit wirklich alle Kräfte unse-es Landes optimal und ohne Koordinierungsverlusteum Einsatz kommen können. Wir haben schon in einemnderen Zusammenhang darüber gesprochen, etwa beier Flutkatastrophe. Dort gab es Tausende von helfendenänden, aber es gab zu viele Köpfe. Das könnte auch be-onders auf solche kaum denkbaren Großschadensereig-isse zutreffen.
Das angesprochene Einsatzzentrum muss als überre-ionaler, gemeinsamer Führungsstab die notwendigen,ut ausgestatteten Arbeitsplätze und Führungsmittel vor-alten, die zum gemeinsamen Einsatz erforderlich sind:lle Kräfte des Bundes, zum Beispiel der Bundeswehr,es Bundesgrenzschutzes und des Technischen Hilfs-erks, alle Kräfte der Länder, zum Beispiel Polizeiennd Feuerwehren.
Ich finde es toll, dass wir uns hier so einig sind. Ichann dann eine kürzere Rede halten und wir können überen Antrag gleich beschließen. Dann hätten wir die Sa-he gleich erledigt. Ich habe aber das Gefühl, dass esoch Unterschiede in den Auffassungen darüber gibt,as notwendig ist und vor allem darüber, was bezahlterden muss, wenn man solche Vorbereitungen treffenill. Wie immer steckt der Teufel im Detail. Natürlichekommen wir das, was wir brauchen, nicht kostenlos.Schließlich brauchen wir – neben den Kräften deränder, also den Polizeien und Feuerwehren – natürlichuch die Kräfte der zahlreichen nicht staatlichen Hilfs-rganisationen, der Malteser, der Johanniter, des Rotenreuzes usw.Die Betonung liegt in diesem Zusammenhang aufgemeinsam“. Ausnahmsweise sind für entsprechendeegelungen Gott sei Dank keine Grundgesetzänderun-en erforderlich. Das würde uns daran hindern, hier ak-v zu werden.Zweitens. Damit solche sofortigen Reaktionen über-aupt möglich werden, muss zwingend auch einundesweiter Sofortmaßnahmen- und Einsatzplan
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Beatrix Philipperstellt werden. Dazu gehören die Erstellung von Impf-plänen, die Ausweisung von Quarantänegebieten, even-tuell Stufen der Beschränkung der Mobilität der Bevöl-kerung usw. Wenn man in seinem Büro sitzt und nichtweiß, wie man sich ablenken soll, kann man einmal imInternet schauen, wie die Amerikaner das auf ihrenHomepages darstellen. Mit unseren Vorbereitungen sindwir meilenweit davon entfernt. Wir haben noch nicht ein-mal alles bedacht, was dort schon ausgeführt worden ist.Drittens. Die aufgestellten Notfallpläne müssen unterEinbeziehung der gemeinsamen Führung mit allen betei-ligten Hilfskräften richtig geübt werden. Auch darüberist hier schon einmal gesprochen worden. Erinnern Siesich an die Debatte um das Flugzeug, das über Frankfurtflog! Nur durch den Mut der handelnden Person konnte– nicht durch Gesetze abgedeckt – das Schlimmste ver-hindert werden. Hilfreich war, dass der Flieger nichtwirklich Böses im Schilde geführt hat. Großübungensind nicht angenehm, aber sie müssen durchgeführt wer-den, um derartige Ereignisse zu simulieren.
– Herr Reichenbach, Sie sagen immer, dass für alles ge-sorgt ist. Wenn Ihrer Meinung nach alles in Ordnung ist,dann müssten wir mit solchen Dingen bereits befasstworden sein. Das ist leider nicht der Fall. Selbst wennman nachschaut, egal ob auf der Homepage der Bundes-regierung oder auf der Seite des Robert-Koch-Instituts,erkennt man nur, dass große Defizite vorliegen.Großübungen sind also erforderlich, um die Wirk-samkeit der Planung zu überprüfen und Schwachstellenoffen zu legen. Sie werden doch wohl nicht ernsthaft be-haupten, dass wir auf all das, was wir in unserem Antragerwähnen, vorbereitet sind. Streuen Sie den Leuten kei-nen Sand in die Augen! Bei uns schaffen Sie das schoneinmal gar nicht, weil wir mit der Sache befasst sind.Viertens. Bei den Großkatastrophenszenarien, vondenen wir hier sprechen, ist auch die unverzüglicheWarnung und Information der Menschen in unseremLande von essenzieller Bedeutung. Die Bundesregierungverweist jetzt auf das satellitengestützte Warnsystem.Wir halten eigentlich von den altbekannten Alarmsire-nen sehr viel mehr. Wir haben solche Sirenen in Düssel-dorf wieder eingeführt, weil die Leute eben nicht – Siebehaupten das – immer in geschlossenen Räumen oderauf der Straße anzutreffen sind. Ich kann nur sagen: DieInstallation solcher Sirenen ist nicht einmal teuer, abersie muss angeordnet oder angeregt werden. Es ist jeden-falls notwendig, in diesem Bereich zu handeln.
Fünftens. Wir brauchen auch ein Konzept für die Ver-sorgung einer großen Zahl Schwerstinfizierter oderdurch chemische Stoffe geschädigter Menschen. Daraufsind wir nicht vorbereitet. Die Krankenhäuser haben ausunterschiedlichen Gründen Bettenabbau in großer Zahlbetreiben müssen. Wenn man einmal in den einzelnenStädten nachfragt, wie viele Notfallbetten vorgesehensind, dann kann einem angesichts der Zahlen nur angstund bange werden. Wenn es zutrifft, was heute Morgenidldcwn3dgwshstudMdgAn–QlszDnudrimdnSov
enn es sich nun gar nicht vermeiden lässt –, aber die per-önliche Schutzausstattung der Helfer, Herr Staatssekretär,at – das wird immer wieder betont – große Mängel. In die-em und im kommenden Jahr werden 6 250 Schutzausrüs-ngen beschafft. Herr Reichenbach, 78 000 wären notwen-ig.
an höre und staune: Die Innenministerkonferenz hatas Ende 2002 auch beschlossen. Jetzt muss es nur nochemacht werden.
uf Jahre hinaus also sind die Katastrophenschutzhelfericht ausreichend geschützt.
Sie können das alles gleich vom Mikrofon aus sagen.uaken Sie nicht immer dazwischen! Das ist ja fürchter-ich.Der Bedarf an Fahrzeugen für den Katastrophen-chutz wird von der Bundesregierung selbst auf 1 363 Fahr-euge beziffert. Beschafft werden 95.
eswegen finde ich den Zwischenruf: Es ist alles in Ord-ung! schlichtweg – um es ganz vorsichtig auszudrückennd mir keine Rüge einzuhandeln – nicht in Ordnung.Last, but not least: Die Zusammenarbeit von Kräftenes Katastrophenschutzes mit den Streitkräften muss vo-angetrieben werden. Frau Tritz – Sie sind im Moment Präsidium –, Sie haben sich heute Morgen auch zuieser Frage geäußert. Ich hatte das Gefühl, dass Sieicht verstanden haben, worum es geht.
ie meinten ausführen zu müssen, dass es zweifelhaft ist,b zum Beispiel ein Giftgasanschlag wie in der U-Bahnon Tokio durch das Aufmarschieren einer Armee zu
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Beatrix Philippverhindern wäre. So blöd sind wir alle nicht! Wenn Siesich einmal mit den Folgen auseinander setzen, dann er-kennen Sie, was eigentlich alle wissen – vielleicht kanndas von Ihnen noch dazugelernt werden –: Wir brauchenauch die Hilfe der Bundeswehr für die Folgen eines sol-chen Anschlages.Ich bedanke mich herzlich.
Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär
Fritz Rudolf Körper.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich willeinen Zielsatz formulieren: Umfassenden Schutz zu bie-ten und Vorsorge zu treffen ist das Ziel und die Aufgabeunseres politischen Handelns im Bereich des Zivil- undKatastrophenschutzes. – An dieser Stelle, liebe Kolle-ginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, er-warte ich eigentlich Applaus.
– Das war aber ein bisschen wenig.
– Sehr schön.Es liegen heute zwei Anträge zu diesem Thema vor.Der FDP-Antrag „Evaluierungsbericht zum Gesetz zurBekämpfung des internationalen Terrorismus vorlegen“ist relativ schnell abzuhandeln. Lieber Herr Stadler, wirwerden in Kürze einen solchen Bericht vorlegen. Ichbitte aber um Verständnis dafür, dass wir ein Stück Ge-setzespraxis brauchen, um einen solchen Bericht in guterQualität vorlegen zu können. Wir alle wissen genau, seitwann diese gesetzlichen Maßnahmen in Kraft sind. Wirbrauchen einfach ein Stück praktischer Erfahrung. Daswird erledigt. Wir hätten keine Aufforderung gebraucht.
Aber sie schadet auch nicht. Wir machen es trotzdemZum CDU/CSU-Antrag. Ich will an ein paar Beispie-len deutlich machen, dass dieser Antrag eigentlich amGeist der Zeit vorbeigeht.
Man hat nicht zur Kenntnis genommen oder hat nicht zurKenntnis nehmen wollen, was in diesem Bereich vor-handen ist. Ich mache das nur kurz und stichwortartig.In dem Antrag wird beispielsweise eine umfassendeGefährdungsanalyse gefordert. Meine Damen und Her-ren, die Aufgabe einer Analyse möglicher Gefährdungendurch den internationalen Terrorismus wird längst durchdas Bundeskriminalamt erledigt. Dabei werden bei-sAbgzEsWlBwdraSzpsdssseAgdSsLwLBEaDmrdfavBÜr
s wird also eine umfassende Gefährdungsanalyse er-tellt.
ir gehen auch einen Schritt weiter, indem wir das Ana-yse- und Informationszentrum des BKA und des BfV inerlin-Treptow einrichten. Entsprechende Maßnahmenurden also getroffen.Dann, liebe Frau Philipp, habe ich die herzliche Bitte,ass Sie zur Kenntnis nehmen, dass es in unserem föde-alen System eine Aufgabenteilung zwischen dem Bunduf der einen Seite und den Ländern auf der andereneite gibt. Der Bund ist für den so genannten Zivilschutzuständig, die Länder für den so genannten Katastro-henschutz. Da muss man auch die Mitarbeit und Zu-ammenarbeit von den Ländern einfordern. Ich denke,as ist dringend notwendig.
Sie haben das Thema Zivilschutzfahrzeuge ange-prochen. Ich kann nur festhalten: Wir haben 650 Zivil-chutzfahrzeuge angeschafft. Darauf ist diese Regierungtolz. Wir sagen dem Haushaltsgesetzgeber Dank, dassr das zugelassen hat. Wir haben eine hervorragendeusstattung im Bereich von ABC-Erkundungsfahrzeu-en. Jetzt kommt es konzeptionell darauf an, diejenigen,ie solche Fahrzeuge bedienen, mit entsprechendenchutzanzügen auszustatten. Dieser Bereich stellt in die-em Haushalt einen Beschaffungsschwerpunkt dar.iebe Frau Philipp, das ist hervorragend. Danke, dassir das auch umsetzen können.
Wir haben weiterhin ein Gemeinsames Melde- undagezentrum in Bonn im Rahmen des Bundesamtes fürevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe eingerichtet.in solches Gemeinsames Melde- und Lagezentrum istllerdings nur so gut, wie es die Beteiligten zulassen.eswegen appelliere ich an die Länder, hier auch mitzu-achen. Das ist, wie ich denke, ganz wichtig.
Wenn Sie, liebe Frau Philipp, sagen, es werde nichtichtig geübt, dann kann ich Ihnen nur raten, sich einmalie Arbeit unserer Akademie für Krisenmanagement, Not-allplanung und Zivilschutz in Bad Neuenahr-Ahrweilernzuschauen. Da geht es genau darum, Großübungenorzubereiten und sie sorgfältig umzusetzen sowie alleeteiligten, nicht nur die auf Bundesebene, bei diesenbungen mit einzubeziehen. Das ist, wie ich denke, derichtige Weg. Dass wir diesen beschreiten müssen, hängt
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Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körpermit den föderalen Strukturen zusammen. Innerhalb die-ses Systems ist aber genau das der richtige Weg.Wir waren es schließlich, die das Bundesamt fürBevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe eingerich-tet haben. Dass dieses Amt nur eine koordinierendeFunktion wahrnehmen kann, liegt doch nicht an derBundesebene, also an der Bundesregierung und amDeutschen Bundestag, sondern daran, dass die Länder esnicht zugelassen haben, dass uns auch nur ein Hauchoperativer Kompetenzen zugestanden wird.
– Das muss man hier sagen und das kann man nicht oftgenug sagen. – Nehmen Sie das doch bitte einmal zurKenntnis. Ich bin stolz darauf, dass uns zumindest dieserSchritt gelungen ist.
Ich gehe auch noch einmal auf das Technische Hilfswerkein. Schauen Sie sich einmal die Haushaltsansätze an!Trotz schwierigster Situation der öffentlichen Haushalteauf Bundesebene sind wir stolz darauf, dass wir zwar nurleicht, aber immerhin steigende Haushaltsansätze haben.Dass uns das möglich ist, darauf sind wir stolz. Der Be-weis dafür, dass das richtig ist, wird dadurch erbracht,dass das Technische Hilfswerk eine hervorragende Ar-beit leistet. Auch das muss man hier einmal deutlich ma-chen.
Letzte Bemerkung: Sie haben das Alarmierungs- bzw.Warnsystem angesprochen. Ich rufe Ihnen da einmal inErinnerung, dass es unsere Vorgängerregierung und diesie tragenden Fraktionen gewesen sind, die zwar die Si-renen abgeschafft, aber nicht für eine Alternative gesorgthaben.
Wir haben für eine Alternative gesorgt. Am 15. Oktober2001 haben wir ein erstes System installiert. Wir werdenweiter daran arbeiten.Leider ist meine Redezeit abgelaufen. Ich könnte Ih-nen noch eine Menge Beispiele nennen, die Ihre Kritikwiderlegten. Ich glaube aber, auch das bisher Gesagtereicht dazu aus.Schönen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Max Stadler von
der FDP-Fraktion.
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s müsste eigentlich ein selbstverständliches Anliegenein, dass eine Politik der inneren Sicherheit betriebenird, die sich auf die Auswertung von Fakten und Tatsa-hen stützt und nicht nur auf Meinungen.
Wir haben den Antrag auch deswegen gestellt, weilir mit der Art und Weise der Gesetzgebung in deretzten Zeit nicht zufrieden sein können. Es gibt ganzindeutig eine anlassbezogene Gesetzgebung. Wennbedauerlicherweise – etwas Schlimmes passiert, dannommt die Gesetzgebungsmaschinerie in Gang und diearteien überbieten sich mit Vorschlägen für neue Ge-etze. Das ist die Situation. Wir wollen aber eine ratio-ale und an den Rechtstatsachen orientierte Innenpoli-ik. Dies zu erreichen ist der tiefere Grund unseresntrags.
Ich darf daran erinnern, wie das Verfahren nach denurchtbaren Anschlägen vom 11. September 2001 gewe-en ist. Die bis dato umfangreichste Änderung der Ge-etze zur inneren Sicherheit ist von Rot-Grün im Bun-estag mit einem raschen Tempo – weitgehend mitustimmung der CDU/CSU – verabschiedet worden.abei hat es sich nicht nur um eine umfangreiche quanti-ative Änderung der Gesetze, sondern auch um eineualitative Änderung unseres Rechtsstaates gehan-elt. Ich sage das nicht bewertend; es ist vielmehr einaktum. Denn wir sind im Polizeirecht von der klassi-chen Aufgabe der Verfolgung begangener Straftatender der Verhütung von konkret bevorstehenden Strafta-en weggekommen hin zu einem auf Prävention ausge-ichteten Staat,
n dem die Polizei immer mehr eingreift, ohne dass esafür konkrete Anlässe gibt.
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Dr. Max StadlerVielleicht ist dies notwendig. Aber es muss im Zugeeiner Evaluierung einmal geklärt werden, was dieseMaßnahmen gebracht haben
und wo vielleicht Lücken sind. Diese Evaluierung mussnatürlich ergebnisoffen sein und sie muss jetzt stattfinden.Denn die Debatten, die damals geführt worden sind, ent-wickeln sich fortlaufend weiter. Ich nenne einige Bei-spiele.Erstes Beispiel ist die zukünftige Rolle des Bundes-kriminalamtes. Herr Schily will, dass es mehr Kompe-tenzen bekommt.
Die Länder sagen, dass es die von Schily behaupteten Si-cherheitslücken nicht gibt.
Das ist ein typisches Beispiel für einen Fall, in dem maneine Evaluierung braucht.
Ich nenne als weiteres Beispiel den Grundsatz derTrennung von Geheimdiensten und Polizei. Dies istseit 50 Jahren ein eherner Grundsatz des Rechtstaates. Erwird heute leichterhand zur Disposition gestellt.Ich nenne weiterhin die Debatte um die Sicherheits-architektur. Wir von der FDP sagen, dass wir im Zugeder Maßnahmen für die Aufrechterhaltung der innerenSicherheit dem Staate das geben, was des Staates ist –nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Um dies rational zu klären, brauchen wir – um mitden Worten von Erhard Denninger, dem bekanntenFrankfurter Staatsrechtler, zu sprechen – nicht nur eineÜberprüfung der schon geltenden Gesetze auf ihre Effi-zienz und auf ihre Lücken hin, sondern auch eine Über-prüfung unter dem Gesichtspunkt, ob die Balance voninnerer Sicherheit und Freiheit noch gewährleistet ist.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Silke Stokar vonNeuforn, Bündnis 90/Die Grünen.GlsnDslursedfddsVinnDtwrdtBmwgwdhtnpearBdsw
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Eva-uierung der Sicherheitsgesetze – da können Sie sicherein, Herr Kollege Stadler – liegt unserer Fraktion ge-auso am Herzen wie Ihnen.
eswegen haben wir damals diese Möglichkeit im Ge-etz aufgenommen. Es ist für uns völlig selbstverständ-ich, dass wir die Gesetze, die wir hier beschließen, auchmsetzen. Seien Sie versichert, es wird an der Evaluie-ung der Sicherheitsgesetze gearbeitet. Für uns ist völligelbstverständlich: Eine Evaluierung bedeutet, dass dasrgebnisoffen ist.In den Abendstunden des Donnerstags, in denen wirie Debatten zu Themen der inneren Sicherheit häufigühren, wird mir immer wieder deutlich: Ich bin froh,ass Rot-Grün eine verlässliche Innenpolitik macht undass wir eine stabile Mehrheit für die Durchsetzung un-erer Politik, unserer Konzepte und unserer Ideen haben.öllig klar ist: Die CDU/CSU hat für die Durchsetzunghrer Vorstellungen keinen Partner. Die CDU/CSU isticht mehrheitsfähig und das wird sie auch nach 2006icht sein.
eswegen, Herr Kollege Stadler: Unterstützen Sie wei-er den Bürgerrechtsansatz der Grünen! Dann tun Sie et-as Gutes. Rot-Grün wird weiter eine verlässlicheechtsstaatliche Innenpolitik mit Augenmaß machen.Meine Damen und Herren, ich komme zum Antrager CDU/CSU; wir debattieren ja heute über zwei An-räge. Wir sind uns in der Analyse einig: Angriffe mitiowaffen sind eine reale Bedrohung. Aber ich denke,an muss in diesem Zusammenhang auch einmal sagen,o diese Bedrohung angefangen hat. Richtig ist: Biolo-ische Waffen haben wir nur, weil insbesondere dieestlichen Regierungen irgendwann entschieden haben,iese Waffen zu entwickeln.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch fest-alten: Seit der Unterzeichnung der Biowaffenkonven-ion im Jahre 1972 wird erfolglos über Kontrollmecha-ismen verhandelt. Die USA haben eine Gewehrgranateatentieren lassen, die zum Abschuss von Biowaffen ge-ignet ist. Ich denke, wir sollten in unserer Außenpolitikuch deutlich machen, dass die Biowaffen, die uns heuteeal bedrohen, nicht in Bagdad, aber mit Sicherheit inaltimore in den USA zu finden sind.
Welche tollen Maßnahmen die rot-grüne Regierungurchgeführt hat, hat Herr Körper ausführlich darge-tellt. Ich gehe darauf nicht weiter ein, da ich nur nochenig Redezeit habe.
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Silke Stokar von NeufornLassen Sie mich daher ein anderes Reizthema anspre-chen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz, das wireingerichtet haben, muss sich derzeit auf die Planungund Koordinierung von Maßnahmen im Bereich des Zi-vilschutzes beschränken. Ansonsten haben wir es hiermit 16 Ländern, 16 unterschiedlichen Gesetzen und16 unterschiedlichen Qualitäten in der Umsetzung dieserGesetze zu tun, weil die Länder für den Katastrophen-schutz zuständig sind. Wenn wir uns schon einig darinsind, dass wir eine neue Bedrohungslage haben, dannsollten wir meiner Meinung nach auch darin überein-stimmen, dass die Zweiteilung einerseits in den Zivil-und andererseits in den Katastrophenschutz nicht mehrzeitgemäß ist. Diese Zweiteilung wird den neuen He-rausforderungen nicht gerecht.Was den Zivil- und Katastrophenschutz angeht,sage ich: Wir brauchen uns hier nicht über einen erwei-terten Einsatz der Bundeswehr im Innern zu unterhalten;das ist für diese Bereiche geregelt. Aber die Unvernunftdes Föderalismus wird gerade durch die Aufteilung desZivil- und Katastrophenschutzes deutlich. Sie fordernhier etwas von der Bundesregierung, was unsere Verfas-sung überhaupt nicht zulässt. Ich habe noch immer diegute Hoffnung, dass in der Föderalismuskommissiondoch noch sachliche Gespräche über Grundgesetzände-rungen in Bezug auf den Zivil- und Katastrophenschutzgeführt werden.
Ich hoffe, dass auch das Land Bayern über seinen Schat-ten, über seine föderale Eigensinnigkeit springt, damitwir gemeinsam für die Gewährleistung der Sicherheitunserer Bevölkerung sorgen können.Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Kollege Helmut Heiderich von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen!Die Bekämpfung des Bioterrorismus ist eine Aufgabe,die nicht nur die organisatorischen und Zuständigkeitsre-geln angeht, sondern auch die technologischen Grund-sätze betrifft. Auf diesen Bereich möchte ich an dieserStelle einmal eingehen. Ich meine, dass die Bundesregie-rung an dieser Stelle bisher eindeutig nicht ausreichendaufgestellt ist.Es geht nicht nur um vorhandene Waffensysteme, diemeine Vorrednerin in den Mittelpunkt gestellt hat. Eskann doch gar nicht davon abgelenkt werden – und wirsind uns doch alle darüber im Klaren –, dass es noch zukeiner Zeit zuvor technisch machbar war, so umfassendeVeränderungen an Organismen gezielt vorzunehmen.DlrpzwfHnkevtniSDsAdbuwlhm7dedUzmmFeaAclwrNDsnsnJgEt
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as wurde bereits getan und wird ständig optimiert.Haben Sie sich nicht mit dem Konzept „Neue Strate-ien zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland“ be-asst, das ein Jahr vor Ihrem Antrag auf Initiative desundesinnenministers auf den Weg gebracht und voner IMK verabschiedet wurde? Ich frage mich und frageie: Weshalb befassen Sie sich in Ihrem Antrag vor die-em Hintergrund isoliert mit den Gefahren des Bioterro-ismus?Ich habe Ihren 19 Punkte umfassenden Forderungska-log genau geprüft und bin zu dem Ergebnis gekom-en, dass vonseiten des Bundes kein Punkt mehr zu er-digen ist. Alles ist geplant oder läuft bereits.Um die wirklichen Probleme bei der Abwehr terroris-ischer Gefahren drücken Sie sich. Die Verbesserunger Sicherheitsstrukturen erwähnen Sie mit einemalbsatz, drücken sich aber davor, überhaupt Forderun-en aufzustellen, weil Sie erstens wissen, dass Sie beien Ländern damit auf Granit stoßen, und es zweitenseine abgestimmte Position innerhalb der CDU/CSUibt.
as Rüttgers-Papier vom März 2004 lässt sich mit Posi-ionen von Herrn Beckstein, CSU, nie und nimmer ininklang bringen.Bundesinnenminister Otto Schily und die Innen- undechtspolitiker der Koalitionsfraktionen drücken sichicht um dieses Thema. Wir tun uns zugegebenermaßenchwer, zu einer gemeinsamen Linie zu finden, wir drü-ken uns aber nicht. Wir diskutieren und suchen nochach einer vernünftigen Lösung. Dabei könnten Sie mit-elfen. Erfüllen Sie Ihre Aufgaben, statt Feuerchen zuchüren. Halten Sie sich doch noch einmal die Folgewir-ungen vor Augen, die die mit Anthraxsporen kontami-ierten Briefsendungen in den USA hier bei uns hatten.
n Deutschland gab es 4 000 Verdachtsfälle und7 Festnahmen von Tatverdächtigen, ohne dass Anthraxachgewiesen wurde.Ich appelliere an Ihre Verantwortung, mit einem der-rtig heiklen Thema nicht zu spielen und kein parteipoli-isches Süppchen zu kochen. Spielen Sie nicht mit demeuer!Ich danke Ihnen.
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Ich schließe die Aussprache.
Die Rede der Kollegin Petra Pau nehmen wir zu Pro-
tokoll.1)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 15/3487 und 15/3386 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offensichtlich
der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 24. September 2004,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.