Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-
zung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
für heute vorgesehene Beratung des Tagesordnungs-
punktes 8 – Für eine nachhaltige Rohstoff- und Energie-
politik der Weltbank – auf Donnerstag, nach Tagesord-
nungspunkt 23, verschoben werden. Außerdem sollen
von der verbundenen Tagesordnung Tagesord-
nungspunkt 22 – Sozialgerichtsgesetz – und Tagesord-
nungspunkt 24 – Ratsvorschlag zur Erlangung von Sa-
chen, Schriftstücken und Daten zur Verwendung in
Strafverfahren – abgesetzt werden. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so
beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Beratung der Verordnung der Bundesregierung
Dreizehnte Verordnung zur Durchführung des
– Drucksache 15/3420 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
h
n
s
B
d
G
d
n
–
n
K
v
s
m
g
G
F
u
e
z
z
D
i
Redet
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Interfraktionell ist vereinbart, dass keine Aussprache
erfolgen soll. – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.
Wir kommen damit gleich zur Überweisung.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/3420 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der he
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Ge
Durchsetzung der Gleichstellung von So
und Soldaten der Bundeswehr.
Metadaten/Kopzeile:
10608 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10609
)
)
Metadaten/Kopzeile:
10610 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10611
)
)
Jetzt die Kollegin Widmann-Mauz.
Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort auf
die Frage meiner Kollegin Eichhorn ausgeführt, dass bei
Auslandseinsätzen die besondere Situation von Alleiner-
ziehenden zu berücksichtigen ist. Ich gehe aber sicher-
lich recht in der Annahme, dass Sie im Gleichstellungs-
gesetz keine Regelungen bzw. Ansprüche für allein
erziehende Mütter in der Familienphase vorgesehen ha-
ben, um zum Beispiel von einem Auslandseinsatz zu-
rückgestellt zu werden, bis ihre Kleinkinder in einem Al-
ter sind, in dem sie außerhäuslich betreut werden
können. Es ist also willkürlich und liegt im Ermessen der
Spitze des Hauses, ob eine Genehmigung erteilt wird
oder nicht. Es gibt aber keine rechtliche Besserstellung
von Frauen – insbesondere von Alleinerziehenden – bei
der Einziehung zu Auslandseinsätzen.
H
Frau Kollegin, Sie wissen, dass sich diese Bundesre-
gierung hinsichtlich der Kinderfreundlichkeit von nie-
mandem übertreffen lässt. Wir werden dafür sorgen, dass
dieses Problem entsprechend gelöst wird; es bleibt nicht
der Willkür des Hauses überlassen.
d
d
t
K
B
e
m
e
d
c
F
g
s
d
b
s
B
s
A
d
v
d
s
r
w
c
K
d
c
S
g
t
s
G
r
f
B
r
f
n
P
Metadaten/Kopzeile:
10612 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10613
)
)
Welchem Haushaltstitel entstammen die zusätzlichen Zu-
wendungen in Höhe von jährlich rund 1,4 Millionen Euro an
die Stiftung Weimarer Klassik und von 500 000 Euro für die
Ausstellung „Ihre kaiserliche Hoheit – Maria Pawlowna“, de-
ren Bereitstellung die Beauftragte der Bundesregierung für
Kultur und Medien, Staatsministerin Dr. Christina Weiss, in
einer Pressemitteilung vom 10. Juni 2004 angekündigt hat,
bzw. an welcher Stelle des Bundeshaushaltes werden die ge-
nannten Mittel eingespart?
Frau Staatsministerin Weiss, bitte schön.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Otto, im Jahre 2004 werden für diese zusätzli-hen Mittel von 1,4 Millionen Euro in Kap. 04 05 fol-ende Haushaltsstellen in Anspruch genommen:Aus Tit. 894 22 „Investitionen für nationale Kultur-inrichtungen in Ostdeutschland“ wird ein Betrag von50 000 Euro eingesetzt. Aus dem Tit. 894 11 „Substanz-rhaltung und Restaurierung von unbeweglichen Kultur-enkmälern von nationaler Bedeutung“ wird ein Betragon 270 000 Euro bewilligt. Außerdem werden Selbst-ewirtschaftungsmittel aus dem früheren ProgrammKultur in den neuen Ländern“ in Höhe von95 000 Euro in Anspruch genommen. – Das betrifft dasahr 2004.Für 2005 und 2006 ist bei Tit. 685 21, der die Zweck-estimmung „Kulturelle Einrichtungen und Aufgabenm Inland“ hat, eine Erhöhung der institutionellen För-erung der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsamm-ungen vorgesehen. Die genauen Erhöhungsbeträge sindür 2005 1,374 Millionen Euro und für 2006 1,517 Mil-ionen Euro.Die Ausstellung zu Maria Pawlowna wird 2004 ausit. 684 12 mit der Zweckbestimmung „Projektförderung
Metadaten/Kopzeile:
10614 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Staatsministerin Dr. Christina Weissim Rahmen der deutschen Vereinigung und internationa-ler sowie nationaler Repräsentation“ gefördert.
Kollege Otto, bitte.
Frau Staatsministerin, teilen Sie meine Einschätzung,
dass sich für einen Abgeordneten dieses Hauses, der Ih-
ren Haushalt 2004 gelesen hat, daraus überhaupt keine
Anhaltspunkte dafür ergeben, welchen Haushaltstiteln
das nunmehr entnommen wurde, und teilen Sie meine
Einschätzung, dass das Verfahren nicht besonders trans-
parent ist?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Haushaltstitel haben entsprechende Bezeichnun-
gen – ich habe sie eben vorgetragen – und gestatten es,
das Geld nach bestimmten Prioritäten an bestimmte Ein-
richtungen zu geben. Es hat etwas mit der Verteilung an
– zugegebenermaßen – miteinander konkurrierende
Institutionen zu tun.
Bitte schön, Kollege Otto.
Trifft es zu, dass in diesen Haushaltstiteln weder die
Ausstellung zu Maria Pawlowna – das ist eine schöne
Ausstellung; das will ich gar nicht in Abrede stellen –
noch die Stiftung Weimarer Klassik in irgendeiner Weise
erwähnt werden?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Titel sind etwas allgemeiner gehalten. Ich habe
sie vorgelesen. Wenn Sie möchten, kann ich sie gern
wiederholen.
Nein, nein. Ich werde das dem Protokoll entnehmen.
Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Otto
auf:
Welches Konzept verfolgt die Bundesregierung bei der
Konsolidierung der Stiftung Weimarer Klassik und welche
Strukturveränderungen hält sie für geboten?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auf die Frage 4 antworte ich Ihnen wie folgt:
Mit der Konsolidierung soll die seit 2003 bestehende
Unterfinanzierung der Stiftung Weimarer Klassik und
Kunstsammlungen dauerhaft beseitigt werden. Die Kon-
solidierung kann aber nur gelingen, wenn zusätzlich zur
Erhöhung der Fördermittel, die bisher nur auf Bundes-
seite erfolgt ist, auch die Strukturen verändert werden.
D
z
E
d
N
s
f
d
L
K
d
b
l
M
h
z
A
k
e
k
m
w
s
W
F
e
a
w
p
d
e
s
a
p
d
e
E
d
s
S
l
U
f
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10615
)
)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Metadaten/Kopzeile:
10616 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10617
)
)
Metadaten/Kopzeile:
10618 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10619
)
)
Metadaten/Kopzeile:
10620 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
werden kann“ versehen werden, und, wenn ja, welchen
Zweck verfolgt die Bundesregierung mit diesem Einleitungs-
satz?
Bitte, Frau Staatsministerin.
K
Asyllageberichte und Einzelstellungnahmen in Asyl-
sachen werden mit der Maßgabe an Behörden und Ge-
richte weitergeleitet, dass sie strikt vertraulich zu ver-
wenden sind. Nur bei Einhaltung dieser Vertraulichkeit
können die Gutachten ohne außenpolitische Rücksicht-
nahme erstellt werden, nur so können Quellen in den
Herkunftsländern, zum Beispiel dort tätige Menschen-
rechtsorganisationen, dafür gewonnen werden, kontinu-
ierlich Informationen zur Verfügung zu stellen, die in die
Gutachten einfließen.
Die Vertraulichkeit der Asyllageberichte und Einzel-
stellungnahmen ist somit Voraussetzung für ihre unbe-
einflusste Sachlichkeit und sollte daher im Interesse aller
Verfahrenbeteiligten liegen. In Einzelfällen kann die
Vertraulichkeit zudem auch im Interesse der persönli-
chen Sicherheit der Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes
geboten sein. Asyllageberichte sind deswegen stets als
„Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ einge-
stuft, und zwar mit einem ausführlichen Hinweis hierauf
im Vorwort.
Der Hinweis auf die Anwaltliche Berufsordnung
wurde nach Prüfung der Rechtslage im Jahre 2002 auf-
genommen, nachdem mehrere Fälle aufgetreten waren,
in denen Asyllageberichte und Einzelstellungnahmen öf-
fentlich bekannt gemacht worden waren.
Kollegin Pau, bitte.
Danke, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin, ich
frage Sie, ob die Bundesregierung beabsichtigt, berufs-
rechtliche Verfahren gegen Rechtsanwälte anzustrengen,
die diese Lageberichte beruflich an Kolleginnen und
Kollegen weitergeben, bzw. ob Sie solche Verfahren in
der Vergangenheit angestrengt haben.
K
Meines Wissens können wir solche Verfahren gar
nicht selbst betreiben. Das Auswärtige Amt hat aber im
Herbst 2002 die Bundesrechtsanwaltskammer ange-
schrieben und gebeten, durch geeignete Maßnahmen si-
cherzustellen – das ist ihre Aufgabe –, dass die Anwaltli-
c
b
e
n
m
k
s
i
w
d
t
a
r
z
F
a
u
h
f
s
w
A
v
n
m
r
j
s
a
r
a
l
e
w
D
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10621
)
)
Metadaten/Kopzeile:
10622 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10623
)
)
Als neuer Außenminister hat er kürzlich vor dem Dritten
Europäischen Kohäsionsforum in Brüssel deutlich da-
rauf hingewiesen, dass seine Regierung den Haushalt der
EU auf Sparsamkeit hin ausrichten will. Insofern denke
ich, dass das weiterer Verhandlungen bedarf.
Es gibt zwei Nachfragen; zunächst von Kollegin
Mayer, dann vom Kollegen Adam.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
trifft es zu, dass der Bund, wie die Parlamentarische
Staatssekretärin Frau Caspers-Merk in der „BZ“ vom
23. Juni verkündete, die Kooperationsprojekte von Inter-
reg an Oberrhein und Bodensee künftig direkt bezu-
schussen wird? Gibt es hinsichtlich dieser Vorgehens-
weise schon eine Abstimmung mit Frankreich?
K
Frau Kollegin, ich höre gerade von der zuständigen
Quelle, die Sie eben zitiert haben, dass sie das prüfen
wird.
n
d
j
F
r
a
a
d
w
d
m
k
d
u
d
M
P
K
W
s
R
H
E
M
r
f
d
n
z
e
w
k
z
e
d
d
d
L
w
z
d
m
Metadaten/Kopzeile:
10624 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
hen finanziellen Rahmen und b) auf welche Programme
an sich auf der EU-Ebene verständigt.
Kollege Weiß.
Herr Kollege Diller, können Sie mir denn bestätigen,
ass zum Beispiel das Interreg-Programm, das aus EU-
itteln finanziert wird, von seiner Zielsetzung her nie
ls ein Programm zur Angleichung von Lebensverhält-
issen, wie das vielleicht für Gebiete an den neuen
ußengrenzen der Fall ist, sondern immer als ein Instru-
ent zur Integration Europas gedacht war, und dass auch
on dem von der Bundesregierung erneut vorgeschlage-
en EU-Kommissar Verheugen ein großes Interesse an
olchen Beispielen modellhafter Kooperation an europäi-
chen Binnengrenzen geäußert worden ist und es deswe-
en durchaus eine sachliche Rechtfertigung gibt, auch an
en so genannten alten Binnen- und Außengrenzen
renzüberschreitende Projekte, zu denen die Europäi-
che Union einen Finanzierungsbeitrag leistet, fortzu-
ühren?
K
Dass die Projekte fortgeführt werden sollen, stehtußer Zweifel. Die Frage ist, ob die EU sie weiter för-ern muss. Werfen wir doch einmal gemeinsam einenlick auf die Fakten.Im Bereich des Oberrheins, der Sie besonders betrifft,ibt es folgende Interreg-Programme für die grenzüber-chreitende Zusammenarbeit: Es gibt den Bereich „Al-enrhein-Bodensee-Hochrhein“. Betroffen sind Öster-eich, Deutschland, die Schweiz und Liechtenstein.afür sind insgesamt 36,2 Millionen Euro veranschlagt.iese 36,2 Millionen Euro sind aber nicht für ein Jahr,ondern für den Zeitraum 2000 bis 2006, mithin siebenahre, veranschlagt. Davon finanziert die EU überFRE-Mittel – ich runde kaufmännisch – 17,5 Millionenuro.Vom Programm Interreg III A „Oberrhein Mitte-Süd“ind Deutschland, Frankreich und die Schweiz betroffen.afür sind 70,6 Millionen Euro veranschlagt. DieFRE-Mittel betragen 31,6 Millionen Euro für eineange Zeitachse.Im Bereich des Bundeslandes, aus dem ich komme,ibt es das Programm „Pamina“ für die Region Süd-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10625
)
)
Parl. Staatssekretär Karl Dillerpfalz, Oberrhein Mitte, nördliches Elsass. Davon sindFrankreich und Deutschland betroffen. Dafür sind29,5 Millionen Euro veranschlagt, davon EFRE-Mittelin Höhe von 14,8 Millionen Euro.Ich bin in der Tat der Auffassung, dass in Abwägungdessen, was prioritär ist, die Regionen zusammen mit ih-ren Bundesländern ihrerseits Anstrengungen unterneh-men können, um diese Programme fortzusetzen.
Kollegin Mayer, bitte.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie, ob Sie sich der wi-
dersprüchlichen Haltung der Bundesregierung bewusst
sind, nämlich dass Staatssekretärin Caspers-Merk einer-
seits verkündet, der Bund wolle die Kooperationspro-
jekte weiterführen und finanzieren, während Sie ande-
rerseits zwar angeben, man wolle die Projekte
weiterführen, aber keine Zusage machen können bzw.
offensichtlich nicht wissen, wie die Finanzierung weiter-
hin erfolgen soll.
K
Frau Kollegin, darf ich Sie bitten, zu dieser Frage mit
meiner Kollegin in Kontakt zu treten?
Danke schön. – Kollege Niebel.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
wenn sich im Sinne Ihrer Ausführungen die Förderung
bis zu den neuen EU-Binnen- und Außengrenzen erstre-
cken soll, ist dann auch sichergestellt, dass die Mittel der
Europäischen Union weiterhin in unveränderter Höhe in
die Bundesrepublik Deutschland fließen werden?
K
Herr Kollege, ich weise noch einmal darauf hin, dass
uns ein Positionspapier der Kommission vorliegt, zu
dem es eine Stellungnahme der Bundesregierung gibt,
und dass wir noch in die Verhandlungen über das weitere
Prozedere und alle damit verbundenen Konsequenzen
eintreten werden. Insofern ist es verfrüht, eine Aussage
zu treffen, auf welche gemeinsame Grundlage man sich
einigen wird und welche Mittel in welcher Größenord-
nung in welche Region fließen können. Das alles wird
man erst dann festlegen können, wenn der Programm-
rahmen einvernehmlich beschlossen worden ist. Es tut
mir Leid, aber das ist Faktum. Gedulden Sie sich noch!
In zwölf Monaten wissen wir vielleicht mehr.
F
b
d
a
T
F
u
c
b
i
g
d
d
v
h
w
d
i
h
g
t
P
n
b
e
g
Metadaten/Kopzeile:
10626 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Danke schön. – Wir kommen zu Frage 27 des Kolle-
gen Hermann Otto Solms:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Parlamenta-
rischen Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen,
Dr. Barbara Hendricks, in der Fragestunde vom 16. Juni 2004,
der von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Zusammenarbeit
mit der Heritage Foundation, dem Center for Freedom and
Prosperity und der Stiftung Marktwirtschaft veranstaltete Tax
Competition Roundtable habe den Zweck gehabt, „Geldwä-
sche und kriminelle Aktivitäten an den Finanzmärkten“ zu
schützen, und die Auffassung, „dass die Zielrichtung der Ge-
genkonferenz ist, dass auf gesetzlicher Basis keine Auskünfte
erteilt werden, und dass diese Intention natürlich darin be-
gründet ist, Steuerverkürzer, Steuerhinterzieher, Geldwäscher
und andere letztlich zu schützen“ – Plenarprotokoll 15/113,
Seiten 10292 B, 10294 B –, und, wenn ja, auf welchen Tatsa-
chen ist diese Meinung der Bundesregierung begründet?
Bitte, Herr Staatssekretär.
K
Herr Kollege Solms, die OECD hat im Jahr 1998einen Bericht zum Problem des schädlichen bzw. unfai-ren Steuerwettbewerbs in einem globalen Umfeld he-rausgegeben. Ziel dieses Berichts, dem alle OECD-Mit-gliedstaaten mit Ausnahme der Schweiz undLuxemburgs zugestimmt haben, ist es, schädlichen bzw.unfairen Steuerwettbewerb einzudämmen. Nach demBericht handeln Staaten oder Gebiete unfair, die Rah-menbedingungen schaffen oder beibehalten, die es nichtansässigen Personen ohne weiteres ermöglichen, der Be-steuerung in ihrem jeweiligen Ansässigkeitsstaat zu ent-gehen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Finanzge-schäfte über Briefkastengesellschaften abgewickeltwerden können, über deren tatsächliche Eigentümer aufErsuchen ausländischer Steuerbehörden keine Auskunfterteilt wird, oder wenn für Besteuerungszwecke kein Zu-gang zu Bankinformationen besteht. Staaten und Ge-biete, die solche Rahmenbedingungen zur Verfügunghalten, erschweren es anderen Staaten, ihre Steuerge-setze durchzusetzen, und sie begünstigen damit bewusstoder unbewusst – das sei dahingestellt – Steuerhinterzie-hsaNOSGTDPsiDnOwBtOlddthmAzk3FenFGarAiAFgvPAvRaswB–d
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10627
)
)
Bitte schön, Kollege Solms.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
sind Sie also bereit, zu bestätigen, dass bei einer Podi-
umsdiskussion, an der verschiedene Initiatoren teilneh-
men, natürlich unterschiedliche Meinungen dargetan
werden – das ist ja der Sinn einer Podiumsdiskussion –
und dass nicht alle Teilnehmer für die Äußerungen ande-
rer Teilnehmer verantwortlich gemacht werden können?
Sind Sie in diesem Zusammenhang bereit, zur Kennt-
nis zu nehmen, dass diese Podiumsdiskussion auf Initia-
tive der Heritage Foundation zustande gekommen ist? An
dieser Diskussion haben natürlich auch das von Ihnen an-
gesprochene Center for Freedom and Prosperity, aber
auch die Stiftung Marktwirtschaft und die Friedrich-
Naumann-Stiftung teilgenommen. Die Heritage Founda-
tion ist ein hoch angesehener Thinktank in den Vereinig-
ten Staaten und steht außerhalb jeder Diskussion.
Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass auf-
grund dieser Zusammensetzung und aufgrund der Betei-
ligten, die von der Friedrich-Naumann-Stiftung entsandt
worden sind, nämlich hoch angesehene Finanzwissen-
schaftler, beispielsweise von der Humboldt-Universität
oder vom Institut für Weltwirtschaft an der Universität
Kiel, die Verdächtigungen, die Frau Hendricks gegen-
über der Friedrich-Naumann-Stiftung ausgesprochen
hat, völlig fehl am Platze waren?
K
Herr Kollege Solms, dem ersten Teil Ihrer Frage ist
im Grundsatz zuzustimmen. Was den zweiten Teil Ihrer
Frage angeht, möchte ich noch einmal darauf hinweisen,
dass die Kollegin Dr. Hendricks die Friedrich-Naumann-
S
m
d
I
S
b
l
F
s
e
m
s
d
t
d
d
m
c
t
Z
a
B
w
s
b
e
d
H
S
u
Z
v
d
l
d
k
l
d
i
n
d
Metadaten/Kopzeile:
10628 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10629
)
)
Damit kommen wir zur Frage 32 des Kollegen
Leibrecht:
Werden weitere Anfragen von Indonesien nach Waffen,
inklusive Dual-Use-Güter, genehmigt und, wenn ja, hat sich
aus Sicht der Bundesregierung die Lage in der Provinz Aceh
deutlich gegenüber den letzten Jahren verbessert?
Herr Staatssekretär, bitte.
Dr
Schönen Dank, Herr Präsident. – Ausfuhrgenehmi-
gungsanträge für Rüstungs- und Dual-Use-Güter, die
von deutschen Exporteuren gestellt werden, werden auf
der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen des Au-
ßenwirtschaftsgesetzes, der Außenwirtschaftsverord-
nung, der EG-Dual-Use-Verordnung, gegebenenfalls des
Kriegswaffenkontrollgesetzes sowie der politischen
Grundsätze der Bundesregierung für den Export von
Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern geprüft.
Nach denselben Kriterien wird auch über Verkäufe von
ausgesondertem Bundeswehrmaterial an ausländische
Streitkräfte entschieden. Bei den jeweiligen Entschei-
dungen werden alle Umstände des Einzelfalls berück-
sichtigt, wobei die innere Lage und die Beachtung der
Menschenrechte im Empfängerland eine wichtige Rolle
spielen. Diese Grundsätze werden auch bei Anfragen
von Indonesien beachtet.
Über Einzelfälle können aus rechtlichen Gründen
– Geheimhaltungspflicht gemäß § 30 – keine Auskünfte
gegeben werden. Insofern wird auf den jährlich erschei-
nenden Rüstungsexportbericht verwiesen, in dem nach
Empfängerländern aufgeschlüsselte Angaben über er-
teilte Ausfuhrgenehmigungen einschließlich der jeweili-
gen Genehmigungswerte gemacht werden. Die Lage in
A
n
S
s
e
S
M
s
d
A
i
n
d
E
g
n
f
d
f
G
g
2
im
s
G
s
v
S
d
a
s
w
f
l
w
d
D
d
w
r
d
1) Die Antworten lagen bei Redaktionsschluss nicht vor und werden
zu einem späteren Zeitpunkt abgedruckt.
Metadaten/Kopzeile:
10630 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10631
)
)
Metadaten/Kopzeile:
10632 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10633
)
)
Metadaten/Kopzeile:
10634 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
– Herr Kollege von Klaeden, wenn Sie eine Frage haben,
melden Sie sich bitte ordnungsgemäß. Ich bin gern be-
reit, sie zu beantworten.
Herr Kollege Spahn, ich verstehe Ihre Fragestellung
nicht. Wir haben den Versandhandel in einem parteiüber-
greifenden Konsens im GKV-Modernisierungsgesetz zu-
gelassen. Wir waren uns darüber hinaus einig, dass wir
Regelungen für den europäischen Versandhandel mit
Medikamenten brauchen, die den gleichen Sicherheits-
standard wie in Deutschland sichern. Die Liste stellt eine
Information für die Patientinnen und Patienten und die
Bürgerinnen und Bürger dar. Sie ist nicht notwendig, um
den Versandhandel zu erlauben. Deswegen liegen uns
auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass die Umset-
zung des Versandhandels rechtlich schwierig ist.
Zweite Nachfrage, Herr Kollege Spahn.
Selbst wenn sie nur – in Anführungsstrichen – der In-
formation der Patientinnen und Patienten diente, wäre es
doch schön, wenn es diese Liste gäbe; denn auch die In-
formation der Patientinnen und Patienten liegt uns allen
gemeinsam am Herzen. Ich möchte insbesondere mit
Blick darauf, wie lange dieses Gesetz schon in Kraft ist,
sehr darum bitten, zumindest einen ersten Entwurf dieser
Liste endlich zu veröffentlichen.
Meine Zusatzfrage lautet: Wie bewertet die Bundesre-
gierung europa- und kartellrechtlich den Umstand, dass
insbesondere den ausländischen Versandapotheken der
Herstellerrabatt von 16 Prozent von großen Teilen der
Pharmaindustrie im Moment nicht gewährt wird, und die
Absprache des Großhandels, die ausländischen Ver-
sandapotheken nicht zu beliefern?
B
s
r
p
w
M
m
w
d
t
e
a
k
a
W
d
B
ü
v
B
N
B
H
k
s
s
F
m
s
t
r
j
d
z
B
B
E
d
n
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10635
)
)
Metadaten/Kopzeile:
10636 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10637
)
)
Metadaten/Kopzeile:
10638 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Das Wort hat jetzt der Kollege Stefan Müller von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine werten Kolleginnen und Kolle-gen! Frau Violka, Sie haben natürlich Recht: Es gibtSchätzungen – genaue Daten oder Zahlen kann manschwer ermitteln –, dass etwa eine halbe Million Men-schen in unserem Lande ohne ein eigenes Girokontoüber die Runden kommen muss. Dabei lässt sich treff-lich darüber philosophieren, welches die Gründe dafürsind – sie sind sicherlich vielfältig –, warum diese Men-schen kein eigenes Girokonto haben.Ohne Zweifel – in diesem Punkt sind wir einig – istdie Verfügung über ein eigenes Girokonto eine wesentli-che Voraussetzung für die Teilnahme am wirtschaftli-chen und gesellschaftlichen Leben. Wer kein Girokontohat, hat zumindest Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zubekommen, er bekommt Schwierigkeiten bei der Anmie-tung einer Wohnung und selbst der Bezug von Sozial-leistungen ist ohne ein Girokonto erheblich erschwert.Das heißt, es ist wichtig, dass jeder Verbraucher und je-der Bürger in Deutschland die Möglichkeit hat, ein eige-nes Girokonto – und sei es nur auf Guthabenbasis – zueröffnen. Zweifellos ist es aber auch richtig und wichtig,dass wir bei klaren Missbrauchsfällen oder aus Gründender Unzumutbarkeit den Kreditinstituten die Möglich-keit geben, eine Kontoeröffnung abzulehnen.sdiklt1vWzdlsVkSaamfVsfZnddwsnnfatamrSmsbbvvssSemdgzltP
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10639
)
)
ine sichtbare Verbesserung der Situation kann nämlichicht bestätigt werden.Umfragen und Stichproben, die die Verbraucherver-ände durchgeführt haben – die auf dieser Ebene übri-ens anderes Datenmaterial zusammentragen konnten –,assen vermuten, dass Tausende von Bürgerinnen undürgern in Deutschland unverschuldet kein Girokontoesitzen. Meine Kollegin Violka hat eben dargelegt, dassas Girokonto ein Teil des modernen wirtschaftlichenebens ist. Über das Internet kann man nichts beziehen,enn man kein Girokonto besitzt; in anderen Bereichenird es dadurch sehr erschwert. Insofern handelt es sichm eine massive Ausgrenzung von Menschen aus demormalen Wirtschaftsleben. Das kann nicht im Sinne vonns allen sein. Ich nehme an, dass wir uns auch aus die-em Grund auf einen gemeinsamen Antrag einigenonnten.Es geht uns darum, dass jemand, der Schulden, einenegativen Schufa-Eintrag oder eine Kontopfändung vor-eist, nicht mit demjenigen gleichgestellt wird, der einonto missbraucht. Diesen Generalverdacht erheben dieanken nämlich. Auf diese Art und Weise entledigen sieich Kunden, an denen sie nicht allzu viel verdienenönnen. Das geht nicht an.Selbstverpflichtungen können zwar ein gutes Instru-ent sein; aber eine Selbstverpflichtung, die sozusagenhrem eigenen Anspruch nicht genügt, konterkariert mei-es Erachtens dieses Instrument und macht es unglaub-ürdig. Der Wirtschaft müsste klar sein, dass es auch einchlechter Weg ist, wenn man nicht zu den eigenen Ver-prechen steht.Auch für uns ist eine gesetzliche Lösung nur dieweitbeste; denn wir wissen, dass sich mit einemontrahierungszwang rechtliche Auseinandersetzun-en nicht immer verhindern ließen und dass solche Aus-inandersetzungen für die Betroffenen – das sind zu-eist Menschen, die nicht gerade zu den Gewinnernehören – nicht leicht wären. Vor diesem Hintergrundöchten wir das Instrument der Selbstverpflichtung wei-er nutzen und stärken, aber auch einfordern.Auf Initiative der Fraktion der Grünen liegt deshalbin interfraktioneller Antrag vor, in dem die Bundesre-ierung aufgefordert wird, auf die Kreditwirtschaft ineeigneter Weise einzuwirken, die notwendigen Daten
Metadaten/Kopzeile:
10640 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Ulrike Höfkenwie gefordert vorzulegen oder Vorschläge zu machen,wie sie diese auf andere Weise erhalten kann, falls esProbleme gibt, und alle Elemente der Selbstverpflich-tung umzusetzen. Wir freuen uns, dass die Oppositiondiesmal mitmacht und damit endlich einmal eine lebens-nahe Position eingenommen hat. Die Kreditwirtschaft istgut beraten, die Zeit bis zum nächsten Bericht zur Um-setzung zu nutzen. Wir machen ebenfalls deutlich, dassdies die letzte Chance der Kreditwirtschaft ist, ihre ei-gene Selbstverpflichtung endlich umzusetzen. Solltedies weiterhin nur unzureichend erfolgen, werden wiruns auf jeden Fall dafür einsetzen, dass den Verbrauche-rinnen und Verbrauchern das Recht auf ein Girokontogesetzlich eingeräumt wird.Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Kollege Professor Dr. Andreas
Pinkwart von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Vorredner haben in ihren Ausführungen
deutlich gemacht, dass der zur Beratung stehende Tages-
ordnungspunkt, der auch Gegenstand des Berichts der
Bundesregierung ist, für viele und insbesondere für die
Schwächsten in diesem Land wichtig ist. Umso bedauer-
licher finde ich es angesichts der Tragweite – diese ist
auch bei den Rednern der Koalitionsfraktionen zum
Ausdruck gekommen –, dass die Bundesregierung noch
nicht einmal mit Parlamentarischen Staatssekretären an
dieser Debatte teilnimmt, und zwar weder das Verbrau-
cherschutz- noch das Finanzministerium. Das zeigt, wie
wichtig die Bundesregierung diesen Tagesordnungs-
punkt offensichtlich nimmt.
Wir nehmen ihn jedenfalls sehr ernst und haben das
wiederholt zum Ausdruck gebracht. Wir tragen auch den
gemeinsamen Antrag mit, und zwar insbesondere des-
halb, weil er eine freiwillige Selbstverpflichtung zum
Gegenstand hat. Wir begrüßen sehr, dass in diesem Falle
auch die Koalitionsfraktionen – jedenfalls bis jetzt – ei-
ner freiwilligen Selbstverpflichtung den Vorrang gege-
ben haben. Schließlich darf man nicht vergessen, dass
die SPD-Fraktion mit Unterstützung der Grünen Mitte
der 90er-Jahre eine gesetzliche Regelung beantragt hatte.
Die damalige Regierung hat dann der Vernunft zum
Durchbruch verholfen und darauf gedrungen, zu einer
Selbstverpflichtung zu kommen.
Wir können heute feststellen, dass sicherlich Fort-
schritte auf diesem Gebiet erzielt worden sind, dass wir
aber weitere Fortschritte sehen wollen. Wer jedoch Fort-
schritte erzielen will – das wollen wir –, der muss auch
sicherstellen, dass freiwillige Selbstverpflichtungen
d
m
d
d
t
t
t
w
d
s
f
c
e
m
t
m
B
–
j
n
v
z
d
d
s
s
D
v
h
S
i
G
e
t
r
d
F
M
b
s
l
B
u
a
G
D
Sie sitzen überall, das ist sehr schön. Aber Sie merken
a selber, wie eindrucksvoll die Präsenz ist. Sie dürfen
icht vergessen, dass Sie den Bericht eingebracht und zu
ertreten haben.
Sie haben vor allen Dingen einen anderen Sachverhalt
u vertreten – das möchte ich hier mit einer abschließen-
en Bemerkung deutlich machen –: Die Vorlagen, über
ie wir heute beraten, stehen im Kontext mit einer wach-
enden Zahl von privaten Haushalten, die überschuldet
ind, und einer wachsenden Zahl privater Insolvenzen.
as ist – das steht in einem jüngst erschienenen Bericht
on Creditreform – insbesondere das Ergebnis einer zu
ohen Arbeitslosigkeit in diesem Land. So wichtig die
chaffung der Voraussetzungen dafür ist, dass Menschen
n dieser Weise am Wirtschaftsleben teilnehmen: Die
rundvoraussetzung dafür, dass sie das dauerhaft aus
igener Kraft machen können, ist, dass sie eine Beschäf-
igung in diesem Lande finden. Hier steht die Bundes-
egierung allemal noch im Wort.
Das Wort hat die Kollegin Gabriele Hiller-Ohm von
er SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keinerage: Geldinstitute nehmen eine wichtige Stellung imarktgeschehen ein. Sie sind die Schlüsselzentralen imargeldlosen Zahlungsverkehr. Wir können zwar zwi-chen den einzelnen Banken wählen; doch zum bargeld-osen Zahlungsverkehr selbst gibt es keine Alternative.anken bestimmen darüber, wer ein Girokonto bekommtnd wer nicht. Sie tragen damit eine große soziale Ver-ntwortung; denn wer in unserer Gesellschaft keinirokonto besitzt, ist deutlichen Benachteiligungen undiskriminierungen ausgesetzt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10641
)
)
Gabriele Hiller-OhmWird die Kreditwirtschaft ihrer sozialen Verantwor-tung gerecht? Nein, das wird sie nicht.
Kunden werden je nach Einkommenslage unterschied-lich behandelt. Wohl dem, der hohe, regelmäßige Ein-nahmen auf seinem Konto hat. Banken belohnen diesmit großzügigen Überziehungsrahmen und niedrigenoder überhaupt keinen Kontoführungsgebühren.Weniger wohlhabende Menschen werden hingegen oftmit höheren Kontogebühren belastet. Auf den Punkt ge-bracht: Wer arm ist, muss für die gleiche Leistung oftmehr zahlen. Das allein ist schon ungerecht und schlimmgenug. Hinzu kommt, dass Kreditinstitute Kundinnen undKunden mit geringen und unregelmäßigen Einkommenoder verschuldeten Verbraucherinnen und Verbrauchernhäufig sogar schon die Einrichtung eines Girokontos ohneÜberziehungsrahmen schlichtweg verweigern. Privat-banken scheinen hier besonders wenig Skrupel zu haben.Hat man kein Girokonto, so führen Bareinzahlungenund Überweisungen zu spürbaren finanziellen Nachtei-len. Nach Schätzung der Arbeitsgemeinschaft derSchuldnerberatungen der Verbände gibt es in Deutsch-land über eine halbe Million Menschen, die unverschul-det kein Girokonto hat.Die Verweigerung eines Kontos hat nicht nur finan-zielle Auswirkungen für die Betroffenen, sondern bringtim gesamten Alltagsleben erhebliche Probleme, zumBeispiel auf dem Arbeitsmarkt. Ein Arbeitnehmer ohneGirokonto? Das ist heute undenkbar und zwingt Men-schen in oft folgenschwere Erklärungsnöte gegenüberdem Arbeitgeber. Benachteiligt sind auch Menschen imländlichen Raum. In der Stadt hat man vielleicht nochdie Chance, sein Konto bei einer anderen Bank zu eröff-nen. Auf dem Land gibt es aber in der Regel nur eine,nicht mehrere Banken.Verbraucherzentralen und Schuldnerberatungsstellenschätzen: 90 Prozent der Kontokündigungen sind unzu-lässig. Wie kann das angehen? Viele Banken halten mitwichtigen Kundeninformationen hinter dem Berg. Oderwussten Sie, dass es die Möglichkeit eines außergericht-lichen kostenfreien Beschwerdeverfahrens für Kundin-nen und Kunden gibt?Auch an anderer Stelle erschweren es die Banken ih-ren Kunden, zu ihrem Recht zu kommen: Wird ein Giro-konto gekündigt oder gar nicht erst eingerichtet, so er-fahren dies die Kundinnen und Kunden in der Regel nurmündlich. Deshalb gibt es bisher keine genauen Zahlenund Fakten, sondern nur Schätzungen über das Ausmaßder Kontoverweigerungen und Vermutungen über dieGründe dafür.Damit muss Schluss sein! Wir werden die politischenRahmenbedingungen so gestalten, dass sich Banken ih-rer Verpflichtung in unserer Gesellschaft nicht längerentziehen können. Benachteiligung und Diskriminierungvon armen und verschuldeten Bevölkerungsschichten andieser Stelle darf es nicht länger geben.
eZcdaKMADSzcdssrSsuWisUGstmbKAvwgKBgsPsn
Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Pau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!er kein Girokonto hat, ist benachteiligt. Dieser Befundst Allgemeingut und scheint auch im Bundestag unum-tritten zu sein. Wenn dem aber so ist, dann gilt auch diemkehrung: Wer Girokonten verweigert, grenzt aus.
enau darum geht es heute. Besser gesagt: Es geht uminnvolle Maßnahmen gegen Ausgrenzung und Benach-eiligung Hunderttausender durch Banken und andere.Die These, dass Girokonten gewissermaßen Lebens-ittel sind, wird übrigens durch die Geldinstitute selbstestätigt. So wirbt zum Beispiel die Sparkasse jungeunden mit dem Slogan „Ohne Girokonto läuft nichts“.ndere Kunden, vornehmlich solche aus ärmeren odererschuldeten Verhältnissen, gehen aber leer aus. Ihnenird das Konto gekündigt oder von vornherein verwei-ert. Das kommt sowohl die Betroffenen als auch dieommunen oder Sozialämter teuer zu stehen; denn derargeldverkehr ist erheblich aufwendiger als der bar-eldlose Zahlungsverkehr.Über alle diese Probleme haben wir hier im Plenumchon ernsthaft diskutiert, zuletzt im Januar 2002. DieDS-Fraktion im Bundestag hatte seinerzeit eine ge-etzliche Regelung gefordert. Jede und jeder sollte ei-en Rechtsanspruch auf ein Girokonto erhalten. Die
Metadaten/Kopzeile:
10642 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Petra PauRegierungsfraktionen lehnten das seinerzeit genau wieheute ab. Sie verwiesen auf die freiwillige Selbstver-pflichtung der deutschen Kreditwirtschaft. Die SPDwollte den Fortgang beobachten und – ich zitiere dieKollegin Violka – eine gesetzliche Regelung erst verab-schieden, wenn es keine weitere spürbare Verbesserunggibt. – Ich finde: Dieser Punkt ist heute erreicht.
Es gab keine weitere spürbare Verbesserung.Sie alle kennen die Untersuchungen der Arbeitsge-meinschaft Schuldnerberatung. Demnach ist die freiwil-lige Lösung gescheitert. Sie kennen auch die Einschät-zung des Bundesverbands der Verbraucherzentralen.Darin heißt es wörtlich: Wir haben es bei der Kontolo-sigkeit mit einem nach wie vor erheblichen Problem mitwieder steigender Tendenz zu tun. – Das ergab übrigensauch eine aktuelle Blitzumfrage der Berliner Schuldner-beratungsstellen in den vergangenen 14 Tagen. Umge-kehrt mehren sich Fälle, in denen Kreditinstitute gegenRegeln der eigenen Verpflichtung verstoßen. So wider-sprechen 90 Prozent der Kontokündigungen und 93 Pro-zent der -verweigerungen den selbst gestellten Kriterien.Auch das spricht für eine gesetzliche Regelung.Schließlich möchte ich noch auf ein Urteil des Lan-desgerichts Berlin vom 24. April letzten Jahres verwei-sen. Demnach kommt die Selbstverpflichtung der Geld-institute einem Rechtsanspruch auf ein Girokonto fürjede und jeden gleich. Wenn das so interpretierbar ist,dann kann und sollte der Bundestag das auch eindeutigin die Form eines Gesetzes fassen. Die PDS rät dringenddazu. Das würde Klarheit für alle und Hilfe für die vie-len Ausgegrenzten schaffen.Danke.
Das Wort hat jetzt der Kollege Otto Bernhardt von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über99 Prozent der Deutschen, die ein Konto haben wollen,haben auch ein Konto. Damit sind wir Spitzenreiter inder Welt. Ich glaube, mit dieser Feststellung sollte manbeginnen und der deutschen Kreditwirtschaft ein Dan-keschön dafür sagen, dass sie bereits vor zehn Jahreneine Selbstverpflichtung eingegangen ist,
die letztlich dazu geführt hat – ich wiederhole es –, dassmehr als 99 Prozent der Deutschen ein Konto haben.
vmWsmfzFdvKemiiWiKWdIKKBindSvcWRbsncAgnwgosmwslsbSg
ir sind uns hier im Hause in drei Punkten einig:Erstens. Wir lehnen gemeinsam eine gesetzlicheegelung ab. Das finde ich prima. Dabei sollte es blei-en, denn wenn wir eine gesetzliche Regelung schaffen,o werden wir, wie ich glaube, die Türen bei den Bankenicht weiter öffnen, sondern eher das Gegenteil errei-hen.Zweitens. Die Dokumentation soll besser werden.uch in diesem Punkt hat sich der Sachverstand durch-esetzt, indem wir in einem Halbsatz die Aussage „abericht mit sehr viel zusätzlichem bürokratischen Auf-and“ aufgenommen haben. Lassen Sie es mich klar sa-en: Um herauszubekommen, ob es sich um 204 000der 210 000 Betroffene handelt, lohnt sich ein be-timmter Aufwand nicht mehr. Dennoch sollte die Doku-entation insgesamt verbessert werden. Das ist einichtiger Punkt.Drittens wollen wir den Kreditinstituten – das verur-acht noch erhebliche Arbeit, aber wir tragen dieses An-iegen mit – empfehlen oder es ihnen vielleicht auch vor-chreiben, in Zukunft jede Ablehnung schriftlich zuegründen und in dem Schreiben auf die kostenlosechlichtung hinzuweisen. Das könnte uns in den weni-en Fällen – ich sage es noch einmal –, in denen eine
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10643
)
)
Otto BernhardtAblehnung unberechtigt ist, etwas weiterhelfen. Aberder Glaube, man könnte dafür sorgen, dass 90 Prozentvon den 200 000 bis 300 000, um die es hier geht, einKonto bekommen können, geht an den Realitäten vorbei.Deshalb, meine Damen und Herren, sage ich ab-schließend den Banken nochmals ein Dankeschön dafür,dass über 99 Prozent ein Konto haben. Ich bitte sie zu-gleich, unsere Empfehlung, die wir jetzt einstimmig ver-abschieden werden, ernst zu nehmen. Die Situation fürKontoinhaber in Deutschland ist nicht schlecht, kannaber natürlich noch verbessert werden.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Finanz-
ausschusses zu dem Bericht der Bundesregierung zur
Umsetzung der Empfehlungen des Zentralen Kreditaus-
schusses zum Girokonto für jedermann, Drucksachen
15/2500 und 15/3274. Der Ausschuss empfiehlt, in
Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung anzuneh-
men. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge-
genstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist die Beschluss-
empfehlung mit den Stimmen aller Fraktionen bei
Enthaltung einer fraktionslosen Abgeordneten angenom-
men.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:
Beratung des Antrags des Bundesministeriums
der Finanzen
Entlastung der Bundesregierung für das
Haushaltsjahr 2003 – Vorlage der Haushalts-
– Drucksache 15/2884 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es
Widerspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin der Kollegin Brigitte Schulte von der SPD-Frak-
tion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Re-gelmäßig im März stellt die Bundesregierung den Antragan den Bundestag, die Haushalts- und Vermögensrech-nung des Vorjahres parlamentarisch zu beraten. Dies ge-schieht, wenn der Bundesrechnungshof seine Bemer-kungen dazu erstellt hat, was zum Beispiel für dasHaushaltsjahr 2002 erst im November 2003 erfolgte.Heute hätten wir normalerweise die Entlastung fürdas Jahr 2002 vorgenommen. Wir hätten über die Kritik-punkte des Rechnungsprüfungsausschusses und desHerdsssdajndwtHBHzagNtiGsmHglanswSduDuaUCwavknm
enn die sorgfältige und zum Glück noch von Partner-chaft geprägte Arbeit des Rechnungsprüfungsausschus-es verdient eine eigene Debatte. Hätten wir diese in die-er Woche geführt, dann wäre anschließend der Antrages Bundesministers der Finanzen vom 31. März 2004uf Entlastung der Bundesregierung für das Haushalts-ahr 2003 an den Haushaltsausschuss und den Rech-ungsprüfungsausschuss überwiesen worden, zumal jaie Vorlage des Bundesrechnungshofes – das ist ganzichtig – noch nicht vorliegt. Grundlage unserer Bera-ungen über die Entlastung der Bundesregierung für einaushaltsjahr sind nämlich immer die Anmerkungen desundesrechnungshofes und die kommen regelmäßig imerbst, wenn das Parlament seine Haushaltsberatungenum aktuellen Haushalt gerade beendet hat.Wir wissen natürlich, dass 2002 wie 2003 und leideruch 2004 die Steuereinnahmen niedriger und die Aus-aben für den Arbeitsmarkt höher waren, dass dieettokreditaufnahme in allen drei Jahren die Investi-onen überschritt und dass das gesamtwirtschaftlicheleichgewicht dadurch – das haben wir anerkannt – ge-tört ist. Aber dass daraus eine Rabatzveranstaltung ge-acht wird, heute Nachmittag die wichtige Arbeit desaushaltsausschusses unterbrochen wird und wir eineanze Reihe von Mitarbeitern der Ministerien wartenssen,
ur damit Sie etwas feststellen, was wir alle schon wis-en, das ist erstaunlich.Im Haushaltsausschuss des Bundestages haben wirieder einmal erlebt, dass Sie überhaupt keine Ideen zuranierung der Finanzen des Bundes, der Länder under Kommunen haben
nd nichts anderes vorhaben, als uns die Zeit zu stehlen.abei sind uns die Sorgen der Bürgermeister, Landrätend kommunalen Parlamente in unseren Wahlkreisen,uch den Ihrigen, natürlich nicht verborgen geblieben.ns belasten auch die Steuerausfälle in den CDU- undSU-geführten Ländern. Ich darf nur daran erinnern,as die CSU in Bayern vor den Wahlen im letzten Jahrlles versprochen hatte und was dort jetzt an Kürzungenorgenommen wird, damit sie mit ihrem Haushalt klar-ommt.Diese Umstände verlangen, dass wir gemeinsam ver-ünftig darüber nachdenken, wie wir wichtige Refor-en voranbringen. Aber Sie wollen ja gar nicht handeln.
Metadaten/Kopzeile:
10644 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Brigitte Schulte
Die Vorschläge, die Sie vorgelegt haben, sind Luftnum-mern, Herr Kollege.
In die Abteilung Täuschen und Tarnen gehören dieDebatte über eine einfache Steuergesetzgebung, für de-ren Durchführung Sie 16 Jahre lang Zeit gehabt hätten,und das Geschrei nach weiteren Steuersenkungen – diesalles vor dem Hintergrund, dass wir eine niedrigeSteuer- und Abgabenquote haben, wodurch wir dieWirtschaft und die Verbraucher entlastet haben, aller-dings auf Kosten der öffentlichen Haushalte.Ich wünsche mir deshalb, dass Sie so schnell wiemöglich zur Sacharbeit zurückfinden und wir miteinan-der darüber nachdenken, wie wir die Investitionen inDeutschland erhöhen und die Verschuldung herunterfah-ren können.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Steffen Kampeter von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die Kollegin Schulte hat gerade gesagt, dasseine öffentliche Debatte über die unsoliden Staatsfinan-zen, über die Täuschung der Öffentlichkeit,
über die Zukunft der öffentlichen Haushalte und über dieRekordverschuldung nach dem Zweiten Weltkrieg Zeit-stehlen sei. Der wirtschaftliche Rückschlag, den diesesLand durch Ihre Regierungspolitik ereilt, wird uns Jahrestehlen und uns um Jahre zurückwerfen.
Die Union hat beantragt, von der üblichen Art undWeise, den Haushalt nachträglich zu behandeln, abzu-weichen. Denn mit dem Haushaltsentwurf 2003 hat einneues Zeitalter begonnen, nämlich das Zeitalter der Täu-schungen in der Haushaltspolitik durch die Bundesregie-rung.
Wir erleben bei jeder Beratung eines Haushaltsent-wurfs, wie der Bundesfinanzminister das Haushaltsjahrin rosa Zahlen malt. Er nimmt ein hohes Wachstum undniedrige Ausgaben an. Mit der Arroganz der Machtweist er die Anregungen und Hinweise aus der Opposi-tion ob dieser unsoliden Annahmen zurück. Im Laufedes Jahres gelangt die Wahrheit nach und nach an dieÖffentlichkeit. Schritt für Schritt gesteht der Bundesfi-nanzminister ein, dass die Annahmen, die wir schon beidotZdNadsÖütdwdGdwhBzamuzfheEwEVhsitwWfhds
Eine solch unsolide Haushaltspolitik führt auch dazu,ass der Haushaltsausschuss nicht mehr das gestaltenderemium der deutschen Haushaltspolitik ist, sondernass er zu einer Versammlung von Konkursverwalternird, dessen Mitglieder – insbesondere auf der Mehr-eitsseite – nur noch Befehlsempfänger der rot-grünenundesregierung mit ihren falschen Vorgaben sind.
Ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass sichu Beginn dieser Legislaturperiode ein Untersuchungs-usschuss mit den Wahltäuschungen beschäftigenusste
nd dass das Verbreiten von falschen Informationen hierum Prinzip erhoben wird.Ich will außerdem darauf hinweisen, dass der Bundes-inanzminister versucht hat, uns in Bezug auf den Haus-alt 2003 zu täuschen, indem er erklärte, man könne mitiner Nettokreditaufnahme in Höhe von 15 Milliardenuro auskommen. Wir haben schon vor der Bundestags-ahl gesagt, dass 40 Milliarden Euro realistischer seien.r hat dies abgestritten. Aber bereits zwei Monate nacherabschiedung des Haushaltes 2003 musste er eingeste-en, dass er die Öffentlichkeit getäuscht hatte. Der Ab-chluss des Jahres 2003 mit einer Nettokreditaufnahmen Höhe von knapp 40 Milliarden Euro ist eines der bes-en Beispiele für eine unsolide Haushaltspolitik. Dasollen wir heute darlegen.
Der Bundesfinanzminister hat ignoriert, dass seineachstumsannahmen zu hoch waren. Er hat unsere Auf-assung ignoriert, dass die Steuereinnahmen nicht sooch sein werden. Er hat den Einwand weggewischt,ass die Bundesagentur für Arbeit einen höheren Zu-chuss braucht. Er darüber hinweggesehen – wir hatten
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10645
)
)
Steffen Kampeteres schon zum Zeitpunkt der Haushaltsberatung eindeutigausgerechnet –, dass wir Milliarden Euro mehr brauchenfür die Ausgaben des Arbeitsministeriums. Er hat da-rüber hinaus in ignoranter Art und Weise Mittel einge-stellt – ich nenne beispielsweise die Steuer auf Kapital,das auf der so genannten Brücke in die Steuerehrlichkeitzurück nach Deutschland transferiert wird –, von denener schon wusste, dass sie nicht entsprechend fließen wer-den, als der Haushalt vom Parlament beraten wurde.Wir haben darauf bereits im Mai des Jahres 2003 mitunserem Vorschlag eines Nachtragshaushalts hingewie-sen, indem wir gesagt haben: Wir müssen jetzt umsteu-ern, damit die Ausgaben reduziert werden und die Schul-denaufnahme im Interesse der Bürgerinnen und Bürgergeringer ausfällt. Hans Eichel hat diesen Vorschlag zu-rückgewiesen. Erst im November, als das Kind schon inden Brunnen gefallen war, hat er gleichsam als Notar ei-nen Nachtragshaushalt vorgelegt und unter dieses elen-dige Kapitel mit einer Aufnahme von knapp40 Milliarden Euro Schulden einen traurigen Schluss-strich gezogen. Dies möchten Sie, Frau KolleginSchulte, gerne verschweigen. Das lassen wir Ihnen abernicht durchgehen.
Wir erwarten, dass bei der Überprüfung durch denRechnungsprüfungsausschuss auch die Anregungen, jadie fordernden Hinweise der Rechnungshofpräsidentin-nen und -präsidenten aller Bundesländer und des Bundesaufgenommen und diskutiert werden. Sie schlagen vor– dieser Vorschlag wurde vor wenigen Tagen an die Ab-geordneten des Deutschen Bundestages verschickt –, diePlanung der öffentlichen Haushalte realitätsnäher zugestalten. Ich zitiere: Es sei nicht akzeptabel, wennHaushalts- und Finanzpläne bereits kurz nach ihrer Ver-abschiedung riesige Haushaltslöcher in Form von Ein-nahmeausfällen und Mehrausgaben aufwiesen und sichhinterher hierdurch die bereits eingeplanten Finanzie-rungslücken noch einmal drastisch erhöhten.Die Rechnungshofpräsidenten aller 16 Bundesländerund des Bundes teilen vollinhaltlich die Kritik der Unionan Ihrem Etatbegehren. Die Kritik muss vom Rech-nungsprüfungsausschuss wahrgenommen und in einenentsprechenden Beschlussvorschlag an das Parlamentumgesetzt werden.
Unsolides Haushalten ist ein Verrat insbesondere ander jungen Generation, die die Schulden abbezahlenmuss.
Der unsolideste Haushälter dieser Bundesregierung,Hans Eichel, ist verantwortlich für den Etat 2003. Wirwerden seine politische Verantwortlichkeit deutlich ma-chen, obschon die Leere der Regierungsbank darauf hin-deutet, dass all diejenigen, die jetzt nicht anwesend sind,feiern, dass einer der wenigen kompetenten Staatssekre-täre der Bundesregierung, der ein wirklicher Haushalts-staatssekretär war, heute in den Ruhestand gegangen ist.VcDDBrtsdhaFtndaselEuWDDsSasNg
akt ist, dass dieser Entwicklung eine konjunkturelle Si-uation zugrunde liegt, die mit einem Wachstum von mi-us 0,1 Prozent zu beschreiben ist.An dieser Stelle ist es mir wichtig, zu erwähnen, dasser Haushalt im Wesentlichen an zwei Stellschraubenus dem Ruder gelaufen ist – diese Stellschraubenchränken die Worte „aus dem Ruder laufen“ deutlichin –: Wir haben im Bereich Arbeitsmarkt große zusätz-iche Ausgaben und auf der Steuerseite eine eklatanteinnahmeschwäche zu verzeichnen. Das ist für die Be-rteilung der Haushaltspolitik im engeren Sinne wichtig.
Daran erkennt man, dass ein solides und sehr knappesirtschaften in den anderen Bereichen wichtig war.azu haben Sie in der Regel keinen Beitrag geliefert.as kann man an Ihren Anträgen, die Sie zum Haushalttellen, deutlich ablesen. Aber Selbstkritik ist auf Ihrereite ja nicht sehr ausgeprägt. Wir werden Ihnen dasber noch in diesem Herbst beibringen.
Schlicht falsch ist, zu behaupten, dass Hans Eicheleit zwei Jahren die Situation schönmale.
ein, Hans Eichel hat deutlich gesagt: Wir sind in eineranz schwierigen haushalterischen Situation.
Metadaten/Kopzeile:
10646 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Anja HajdukAuch wir von den Regierungsfraktionen haben das ge-sagt. Wir hatten nämlich Grund dazu. Wir mussten aufder Oppositionsseite um staatspolitische Verantwortungwerben, darum, dass Sie mit Ihrer Verantwortung imBundesrat die Haushaltslage ernst nehmen und beimSubventionsabbau mitmachen. Da haben Sie im Jahr2003 und erst recht im Jahr 2004 eklatant versagt.
Wenn Sie es unheimlich klasse finden, wenn Unionspoli-tiker sagen, wir würden abkassieren, dann nehmen Siedoch einmal ernst, was der von Ihnen sehr geschätzteneue Präsident der Bundesbank sagte: Wir hätten dieSteuern gesenkt, wir werden zum Jahr 2005 weiter Steu-ern senken, aber das verpflichtet auch, gerade mit Blickauf die junge Generation, beim Subventionsabbau nichtzu blockieren. Wir haben Vorschläge gemacht, aber Sievon der CDU/CSU müssen mitmachen.
Ich möchte auf einen weiteren Aspekt eingehen, HerrKampeter. Ich finde es direkt ein bisschen witzig, wennSie von dem gestaltenden Gremium Haushalts-ausschuss sprechen. Wir tragen dort eine große Verant-wortung. In diesem Zusammenhang muss ich daran erin-nern, was Sie als Unionsfraktion im letzten Herbst imHaushaltsausschuss abgeliefert haben. Da hat sich dieOpposition verabschiedet. Sie haben zum Schluss keineAnträge, sondern weiße Blätter eingebracht.
Das hat die FDP, die jetzt zu Recht interveniert, etwasanders gehandhabt.
Die große Oppositionsfraktion aber hat sich bei der letz-ten Haushaltsberatung verabschiedet mit der Begrün-dung, erst müsse der Bundesrat entscheiden und dannmüsse im Vermittlungsausschuss verhandelt werden.
Ihre Ministerpräsidenten müssen Ihnen erst einmal sa-gen, wo es längs geht. Da sieht man, was aus Ihnen ge-worden ist. Die Haushalthälter der CDU/CSU habenkeine eigene Gestaltungsmacht, noch nicht einmal alsOppositionskraft.
DtwtmswsbhrvDbbdWkFbdJN„ehifDidagewSwcd
Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf. Im Herbstird diese Republik neben dem Haushalt bei einem wei-eren wichtigen Thema beweisen müssen, ob sie trotzancher politischer Konkurrenz zu großen Reform-chritten fähig ist. Auch Sie werden daran gemessenerden, wie konstruktiv Sie sich ab heute, nach Ab-chluss der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss,ei der Umsetzung der Zusammenlegung von Sozial-ilfe und Arbeitslosenhilfe beteiligen werden. Dieseot-grüne Regierung packt nämlich eine ganze Mengeon dem an, was 16 Jahre liegen geblieben ist.
amit sind manchmal auch handwerkliche Fehler ver-unden. Aber wenn handwerkliche Fehler als Ausredeenutzt werden, eine Hängepartie daraus zu machen, istas unverantwortlich. Ihre Verantwortung wächst weiter.ir geben den Ton an und ich hoffe, Sie begleiten unsritisch weiterhin in der Opposition.Schönen Dank.
Das Wort hat der Kollege Jürgen Koppelin von der
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichin schon etwas erstaunt. Das sage ich, nachdem ich nuniese Debattenbeiträge gehört habe, als jemand, der zehnahre Mitglied im Rechnungsprüfungsausschuss ist.ormalerweise wird unter dem TagesordnungspunktEntlastung der Bundesregierung“ – in diesem Falle ists eine Überweisung, aber es träfe auch zu, wenn wireute auch die Entlastung für 2002 behandeln würden –n erster Linie die Zusammenarbeit im Rechnungsprü-ungsausschuss gelobt, die wirklich hervorragend ist.ie Debattenbeiträge spiegeln unsere Zusammenarbeitm Rechnungsprüfungsausschuss nicht wider, wenn ichas einmal sagen darf.Es kommt etwas anderes hinzu und das sage ich jetztn alle, die bisher gesprochen haben. Bisher war es ei-entlich nicht üblich, zu diesem Tagesordnungspunktine Haushaltsdebatte zu führen. Für diejenigen, die,as diesen Tagesordnungspunkt angeht, nicht ganz imtoff sind, was ich verstehen kann, möchte ich sagen,orum es geht. Es geht eigentlich um die Frage: Ist einhaotischer Haushalt buchhalterisch richtig geführt wor-en?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10647
)
)
Jürgen Koppelin
Niemand wird sagen können, es seien buchhalterischFehler gemacht worden. In der Politik sind Fehler ge-macht worden. Aber das ist heute nicht unser Thema.Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um die buchhal-terische Entlastung der Bundesregierung. Deshalb soll-ten wir zur Sachlichkeit zurückkehren.Kollegin Hajduk, zu Beginn Ihrer Rede habe ich nochgedacht: tolle Rede. Es hätte eine Oppositionsrede seinkönnen und unsere Zurufe machten das ja auch deutlich.Sie gehören aber der Koalition an. Das ist übrigens dasTalent der Grünen: Sie gehören der Koalition an und tundraußen so, als wären sie in der Opposition. NachdemHerr Eichel seinen Haushaltsentwurf für 2005 vorgelegthat, haben alle Haushälter von den Grünen regelrechtkrakeelt – die Kollegin Hermenau an der Spitze der Be-wegung – wie furchtbar dieser Haushalt sei.
Dann kam Fritz Kuhn. Aber anschließend haben IhreMinister dem Haushalt im Kabinett zugestimmt. Dawundert man sich schon. Aber das ist die Strategie derGrünen. Die Sozialdemokraten leiden darunter. Wir ha-ben jedoch kein Mitleid mit ihnen; das wissen Sie.
Man kann sich nur fragen: Warum sind keine Haus-haltssperren eingeführt worden? Warum sind be-stimmte Empfehlungen nicht berücksichtigt worden? Ichdenke dabei an Empfehlungen, die uns bereits zu unsererKoalitionszeit gegeben wurden.Mich ärgert schon, dass der Rechnungsprüfungsaus-schuss jedes Mal – so wird es auch für 2003 geschehen –beschließen muss, Maßnahmen zur Steigerung der Wirt-schaftlichkeit unter Berücksichtigung der Entscheidungdes Ausschusses einzuleiten. Seit zehn Jahren beschlie-ßen wir das, egal wer die Regierung gestellt hat. Manch-mal habe ich den Eindruck, Sie haben sich wenig darumgekümmert; das sage ich in alle Richtungen. Hier gibt eserhebliche Mängel.
Kollegin Schulte, Sie haben aufgefordert, zur Sachar-beit zurückzukehren. Dazu muss ich Ihnen wegen derArt und Weise, in der Sie Ihre Rede gehalten haben, sa-gen: Sie können von uns nicht erwarten, dass wir IhreArbeit als Sacharbeit bezeichnen und einen Bundesfi-nanzminister unterstützen, der in seiner Amtszeit fast200 Milliarden Schulden gemacht hat. Das können Siedoch nicht als Sacharbeit bezeichnen. Dafür werden Sieunsere Unterstützung nicht bekommen.
Einfach ausgedrückt heißt das – damit komme ichzum Schluss – : Kommende Generationen werden schonMühe haben, unsere Renten zu bezahlen. Mit der Politikvon Rot-Grün, mit der Haushaltspolitik und mit denSadtizmgsSg2cdFVaAhKdEFuSuEzkDgdGtidvkw
ber ich sage Ihnen: Der Schuss wird nach hinten losge-en.Es war Scheinheiligkeit, mit der der Kollegeampeter einen heute ausscheidenden Staatssekretär be-acht hat.
s handelt sich um einen Staatssekretär, der schon unterranz Josef Strauß, Gerhard Stoltenberg, Theo Waigelnd bis jetzt auch unter Hans Eichel gedient hat und denie 20-mal gern in die Wüste geschickt hätten,
nd das jeden Monat.
inen solchen Staatssekretär für diese Debatte zu benut-en halte ich schlichtweg für scheinheilig. Es ist ein star-es Stück, was Sie sich hier erlauben. Das hat Herrr. Overhaus nicht verdient.
Sie beantragen eine Finanzdebatte und wissen ganzenau, dass Sie für die finanzielle Situation, in der sichie öffentlichen Haushalte, in der sich Bund, Länder undemeinden befinden, in hohem Maße Verantwortungragen. Ich rede nicht nur von Ihrer Hinterlassenschaftm Jahre 1998. Sie haben die Blockadehaltung im Bun-esrat als Ihr Konzept ausgegeben. Sie haben den Abbauon Steuersubventionen aus kleinkalibrigem Parteikal-ül torpediert. Sie haben unserem Land geschadet, Sieollen es nur nicht zugeben. Durch Ihre Blockade sind
Metadaten/Kopzeile:
10648 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Walter SchölerMaßnahmen zur Haushaltsverbesserung, die der Finanz-minister vorgeschlagen hatte, überhaupt nicht ins Gesetzgekommen. Das hatte auch Auswirkungen auf die Ein-haltung der Maastricht-Kriterien.
– Je lauter Sie schreien, Kollege Kampeter, umso mehrbeweisen Sie mir, dass ich Recht habe und Sie Unrecht.Ich will Ihnen vor der Öffentlichkeit die Größenord-nung vor Augen führen, die Sie ausschließlich beimSteuervergünstigungsabbaugesetz zu verantworten ha-ben.
– Kollege Fromme, ich hatte eben gehört, Sie würdennoch reden. Dürfen Sie jetzt nur noch Zwischenrufe ma-chen? Sehr interessant!Von dem Abbauvolumen in Höhe von 15,6 MilliardenEuro im Entstehungsjahr, das wir auf den Weg gebrachthatten, haben Sie nur magere 2,4 Milliarden Euro imVermittlungsverfahren passieren lassen. Der Bund hatdadurch 5,5 Milliarden Euro verloren; bei den Ländernwaren es 5,3 Milliarden Euro und bei den Gemeinden2,4 Milliarden Euro. Dank der Union! Das muss man derÖffentlichkeit sagen.
Unsere finanzpolitischen Grundsätze lauten: Zu-kunftsinvestitionen statt Subventionen,
weniger Steuern, für mehr Wachstum und eine sparsameHaushaltspolitik.
Wir haben das in den letzten Jahren belegt.
Wir haben mehr Mittel für Forschung und Bildung, fürdie Betreuung und für die Familien ausgegeben. Wir ha-ben überkommene Subventionen abgebaut;
Sie können sich demnächst bei der Eigenheimzulage be-weisen. Ein anderes Beispiel ist die Kohle. Wir haben in-nerhalb von zehn Jahren, von 1998 bis zum Ende der Fi-nanzplanung in 2008, eine Kürzung der Subventionenum rund 55 Prozent vorgesehen. Hätten Sie das in denJahren gemacht, in denen Sie Regierungsverantwortungtrugen,
uitsa8EW7wlssDUlnwzkKmiSkrtiHm2tdS
tünde der Bundeshaushalt heute ganz anders da. Sieber waren dazu nicht in der Lage.Der Personalbestand beim Bund liegt heute, mit2 Millionen Einwohnern, unter dem vor der deutscheninheit mit 53 Millionen Einwohnern.
ir haben also auch Personalausgaben eingespart.Weitere steuerliche Entlastungen in Höhe vonMilliarden Euro erfolgen zum 1. Januar. Diese hättenir ein Jahr früher haben können. Sie haben es abge-ehnt, diese Entlastung bereits 2004 einzuführen.Wir haben den Eingangssteuersatz und den Spitzen-teuersatz auf ein Rekordtief von 15 bzw. 42 Prozent ge-enkt.
as haben Sie nie geschafft, Herr Fromme.
nsere Steuerquote von 22 Prozent ist im internationa-en Vergleich die niedrigste; das wissen Sie ganz genau.
Der Finanzminister hat Ihnen im Haushaltsausschussoch einmal deutlich gemacht, dass das Ausgaben-achstum bis 2008 auf durchschnittlich ein Viertel Pro-ent pro Jahr begrenzt wird. Nach den Vereinbarungenönnte es bis zu 1 Prozent steigen. Wir aber setzen denonsolidierungskurs auch in schwierigen Zeiten, die Sieit zu verantworten haben, fort.
Ich komme noch einmal zur Ausgabenseite und hiernsbesondere zum Subventionsabbau: Wir haben dieubventionen von 1998 bis heute um 40 Prozent ge-ürzt. In der Finanzplanung bis 2008 ist eine Reduzie-ung um weitere 20 Prozent vorgesehen.Zur Streichung der Eigenheimzulage: Ihr Vizefrak-ionsvorsitzender hat verkündet, das seien im Jahr 2005nsgesamt bloß 250 Millionen Euro und entspreche deröhe der Zinszahlungen für zwei Tage. Er soll doch ein-al sagen, was das für die Jahre 2006, 2007, 2008 oder012 und 2013 sowie die darauf folgenden Jahre bedeu-et. Dann sind es Milliardenbeträge. Sie und niemand an-eres haben das bisher verhindert. Schauen Sie in denpiegel!
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10649
)
)
Walter SchölerWir finanzieren Zukunftsinvestitionen:
700 Millionen Euro bis 2008 an zusätzlichen Mitteln fürdie Spitzenuniversitäten,
4 Milliarden Euro bis 2008 für bis zu 10 000 Ganztags-schulen, Unterstützung der Kommunen bei der Kinder-betreuung mit 6 Milliarden Euro, Azubiplätze usw.Einen Tag vor dieser Debatte habe ich gelesen:Haushalt: Union will Regierung im Bundestag nichtentlasten.Der Kollege Austermann kann gleich begründen, warumer das nicht tun will. Ich vermute aber, er wird keineHaushaltsrede zu den Jahren 2002 oder 2003 halten wol-len, sondern zu den Jahren 2004, 2005 und für die Zu-kunft.
Lieber Kollege Austermann, überlegen Sie sich ganz ge-nau, was Sie sagen, wenn Sie von „betrügerischemHaushalt“ reden. Der Untersuchungsausschuss hat etwasanderes festgestellt
und das müssen Sie wahrnehmen.Im gleichen Presseartikel in der „Welt“ werdenGründe aufgezählt. Es geht dabei um die Förderung desErwerbs von Appartements mithilfe von Bundesmitteln,in denen Gäste eines Zuwendungsempfängers unterge-bracht werden sollten, was auch der Bundesrechnungs-hof kritisiert hat. Ich zitiere:Die Appartements wurden jedoch als Ferienwoh-nungen vermietet.– Das sollte eine Bildungseinrichtung sein. –Im Bereich des Innenministeriums kam es zu einemähnlichen Vorgang. Für den Erwerb einer Bildungs-stätte erhielt eine Stiftung 4,2 Milliarden Euro. DieBildungsstätte wurde in Wirklichkeit als Hotel ge-führt.
Ich würde mir genau überlegen, was ich sage. Wennich bereit bin, zu helfen, diese Dinge aus der Welt zuschaffen, dann nennen Sie in diesem Fall auch Ross undReiter und sagen Sie, dass eine solche Stätte mit KonradAdenauer und der Union in Verbindung stehen könnte,dass eine solche Bildungsstätte irgendwo am Comer Seeliegen könnte usw. Seien Sie bitte ehrlich!Wir bemühen uns hier in einem hohen Maß, mit IhnenKompromisse zu finden. Aber bemühen Sie sich bitteauch, zur Sachlichkeit zurückzukehren und diese De-bh–nd–it–icsnMsddSmd2nssRlZde–Rnü
Als letzter Redner – –
Sie haben sich nicht angemeldet. Sie möchten anschei-
end eine Kurzintervention machen und wollen, dass ich
as genehmige? Dann müssen Sie mich schon fragen.
Der Geschäftsführer hätte das anmelden können. Das
st, mit Verlaub gesagt, der übliche Weg.
Aber bitte schön, Sie haben das Wort zu einer Kurzin-
ervention.
Sehr kurz.
Bitte schön.
Herr Präsident, ich danke für die Großzügigkeit, dassch auf den Kollegen Schöler, der mich direkt angespro-hen hat, erwidern kann. Er hat die Tagesordnung kriti-iert und die Tatsache, dass wir das Thema Jahresrech-ung hier zur Debatte stellen.Herr Kollege Schöler, Sie sind im Volkshandbuch alsitglied einer Fülle von Vereinen ausgewiesen und wis-en als Mitglied jedes dieser Vereine, dass man am Endees Jahres eine Jahresrechnung vorlegt und dass dannie Hauptversammlung dem Vorstand Entlastung erteilt.Wenn nun in einem der zahlreichen Vereine, in demie sind, die Jahreshauptversammlung zur Kenntnis neh-en müsste, dass der Vorstand entgegen dem Beschlusser Jahreshauptversammlung im vergangenen Jahr statt50 000 sagen wir 350 000 Euro ausgegeben hat, kön-en Sie sich dann vorstellen, dass die Mitgliederver-ammlung sagt: Das ist okay? Würde die Mitgliederver-ammlung nicht genauso reagieren wie wir, wenn dieegierung, die einen Haushalt aufstellt, der mit der Rea-ität nichts zu tun hat, nach Ablauf des entsprechendeneitraums ankommt und sagt: Wir haben leider ganz an-ere Daten, als wir beabsichtigten. Aber lassen wir dasinmal unter den Tisch fallen.
Moment einmal: Eben wurde doch gesagt, wir würdenabatz machen. Nein, es handelt sich um einen ganzormalen Vorgang, der in jedem Taubenzüchtervereinblich ist: dass man sich nach Ablauf des Jahres damit
Metadaten/Kopzeile:
10650 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Dietrich Austermannbefasst, wie die Regierung gewirtschaftet hat. Er hatkonkrete Beispiele angeführt, wie die Regierung gewirt-schaftet hat. Wenn die Regierung so wirtschaftet, dannsagen wir: In diesem „Taubenzüchterverein“ stinkt derFisch offensichtlich vom Kopf. Deswegen gibt es vonuns keine Entlastung, damit das ganz klar ist.
Zur Erwiderung hat der Kollege Schöler das Wort.
Lieber Kollege Austermann, wenn ich die Debatten-
beiträge der Kollegen Ihrer Fraktion höre, fühle ich mich
manchmal wirklich – ohne diese Vereine beleidigen zu
wollen – in einen Taubenzüchterverein versetzt. Aber
wir sind hier im Deutschen Bundestag; das will ich Ih-
nen als Erstes sagen.
Zur Klarstellung will ich noch auf das Volkshandbuch
hinweisen: Da steht nicht, dass ich Mitglied zahlreicher
Vereine bin, sondern dass ich ehrenamtlich tätig bin bei
der Allgemeinen Wohnungsgenossenschaft Tönisvorst
– damit hatte ich die Chance, dieses gemeinnützige
Wohnungsbauunternehmen hier bekannt zu machen –,
dass ich ehrenamtlich stellvertretender Beiratsvorsitzen-
der des Deutschen Medikamentenhilfswerkes action me-
deor, Tönisvorst, bin – es hat vorige Woche sein 40-jäh-
riges Jubiläum gefeiert
und leistet im Übrigen an 9 000 Stellen dieser Welt se-
gensreich Hilfe; für mich springt dabei im Rahmen der
Beiratssitzungen eine Tasse Kaffee heraus – und dass ich
auch noch stellvertretender Vorsitzender des Bundesver-
eins zur Förderung des Genossenschaftsgedankens e. V.
bin, auch das ehrenamtlich. 22 Millionen Deutsche sind
in Genossenschaften organisiert,
im Übrigen – soweit ich weiß – mehr Unionsmitglieder
als SPD-Mitglieder.
Aber zur Sache selbst: Das Verfahren, das über Jahre
gegolten hat, ist, dass die Bundesregierung nach dem
Vorlegen der Jahresrechnung einen Entlastungsantrag
stellt. Dieser Entlastungsantrag wurde in all den Jahren
in einem Parlamentsverfahren ohne Debatte an die zu-
ständigen Ausschüsse überwiesen
und die zuständigen Ausschüsse haben dann eingehend
beraten. Das soll auch in Zukunft so geschehen. Sie wol-
len aber schon jetzt über diese Punkte diskutieren; das
haben auch die Wortbeiträge der Vorredner der Oppositi-
onsfraktionen gezeigt.
S
h
n
j
C
F
D
O
G
V
n
P
r
d
r
A
f
R
s
r
h
S
e
h
b
h
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
etzt der Kollege Jochen-Konrad Fromme von der CDU/
SU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
rau Kollegin Schulte, natürlich ist das eine besondere
ebatte; denn erstmalig wird die Entlastung durch die
pposition verweigert und das hat gute inhaltliche
ründe.
Meine Damen und Herren, wir reden heute über das
erhalten und die Wirtschaftsführung der Regierung und
icht über das Verhalten der Opposition; das ist der erste
unkt.
Zweiter Punkt: Wenn Sie schon über das Haushaltsbe-
atungsverfahren reden,
ann muss ich doch deutlich sagen, dass die gesamte Be-
atung ausschlaggebend ist und nicht nur die Anträge.
n der Beratung haben wir uns kräftig beteiligt.
Herr Kollege Fromme, erlauben Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Koppelin?
Im Moment nicht.Drittens. Wenn hier bemängelt wird, wir hätten keineeformvorschläge gemacht, kann ich nur darauf verwei-en, dass wir mit den Petersberger Beschlüssen die weit-eichendsten Reformvorschläge vorgelegt haben, die esier jemals gab.
ie haben sie blockiert; daran muss man Sie jedes Malrinnern.Herr Kollege Schöler, ich weiß gar nicht, warum Sieier eine Ihrer Mitgliedschaften verschwiegen haben: dieei Verdi. Verdi hat die Regierung wegen ihrer Haus-alts- und Wirtschaftsführung kräftig kritisiert.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10651
)
)
Jochen-Konrad FrommeEntlastung heißt Anerkennung der Wirtschaftsfüh-rung. Wer die Entlastung erteilt, der erkennt damit an,dass sich eine Regierung rechtmäßig verhalten hat. Daskönnen wir wahrlich weder für 2002 noch für 2003, weilwir uns dann nämlich mit Ihren inhaltlichen Fehlernidentifizieren würden.
Überall dort, wo Menschen handeln, gibt es Fehler;das ist gar keine Frage. Man muss sich aber bemühen,die Fehler zu korrigieren und in Zukunft zu vermeiden.Sie verweigern sich einer derartigen Haltung. Sie wollenFehler gar nicht vermeiden. Ganz im Gegenteil: Wennich mir den Haushaltsplan 2005 anschaue, dann erkenneich, dass er der beste Beweis dafür ist, dass Sie nichtsgelernt haben. Sie setzen die Einnahmen weiterhin zuhoch und die Ausgaben zu niedrig an, um so formal zutürken und zu täuschen, wie es die „Frankfurter Allge-meine Zeitung“ gesagt hat.
Schätzfehler kommen vor. Sie haben die Schätzfehleraber nicht nur zur Methode gemacht, sondern Sie habensie von Jahr zu Jahr sogar vergrößert, sodass inzwischenriesige Dimensionen zwischen den Schätz- und denwirklichen Werten liegen.Es gibt sechs Gründe dafür, warum wir die Haushalts-entlastung verweigern müssen: erstens wegen der be-wussten und vorsätzlichen Fehleinschätzung.Zweitens. Trotz des Vorliegens der notwendigen Er-kenntnisse im frühen Jahresablauf haben Sie sich ver-weigert, einen Nachtragshaushalt vorzulegen.
Das ist verfassungswidrig.
Drittens. Sie haben Kredite aufgenommen, für die Siegar keine Ermächtigung hatten; auch das ist verfassung-widrig.
Im Nachtrag haben Sie die Dinge zwar korrigiert, abermaßgeblich für die Zulässigkeit der Kreditaufnahme istder Zeitpunkt der Aufnahme. Im November, als Sie dieKredite aufgenommen haben, lag keine Ermächtigungvor. Das hat der Bundesrechnungshof bestätigt.
Viertens. Durch Parkgeschäfte stellen Sie Neben-haushalte auf. Sie verlagern Haushaltsausgaben undSchulden aus dem Haushalt in die Kreditanstalt für Wie-deraufbau. Das ist unseriös und hat mit Nachhaltigkeitnichts zu tun. Sie werden sagen, wir hätten das auch ge-macht. Es ist aber ein Unterschied, ob man etwas in klei-nem Maße, also im Umfang von 1 Milliarde, oder imUmfang von zig Milliarden tut.Fünftens. Zu den Post- und Telekomaktien.DtifGkwtggDbgswHPekVbt–fssafrEWlüfda
iese Aktien waren für die Abdeckung der Pensionslas-en gedacht. Wer dies verschenkt, der macht einen Fehlern der Haushalts- und Wirtschaftsführung und kann da-ür nicht entlastet werden.
Sechstens. Sie haben mehrfach gegen Art. 115 desrundgesetzes verstoßen. Natürlich gibt es die Möglich-eit, zur Abwehr eines wirtschaftlichen Ungleichge-ichts mehr Kredite aufzunehmen als Investitionen zuätigen. Das setzt aber voraus, dass man diese Krediteezielt zur Bekämpfung des wirtschaftlichen Ungleich-ewichts einsetzt. Wenn Sie einen Nachtrag aber erst imezember oder, wie im letzten Jahr, sogar erst im Fe-ruar machen, dann können Sie diese Mittel nicht mehrezielt zur Bekämpfung der schwachen Konjunktur ein-etzen. Deshalb war diese Veranschlagung verfassungs-idrig. Wir haben Sie mehrfach darauf hingewiesen.err Eichel hat im Oktober selbst einmal gesagt, dasarlament könne darüber entscheiden. Im November hatr dann den Nachtrag vorgelegt, sodass keine Möglich-eit mehr bestand, inhaltlich tätig zu werden. Dieseserhalten ist nicht hinnehmbar und in keinem Fall zuilligen. Weil das so ist, müssen wir Ihnen die Entlas-ung verweigern.
Wir kündigen das an.Wer nicht freiwillig lernt, der muss es spüren. Derreiwillige Lernprozess sähe so aus, dass man sich berät,ich anstrengt und sein Verhalten korrigiert. Sie habenich aber nicht angestrengt, sondern – im Gegenteil –lle Fehler potenziert.
Herr Kollege Fromme, erlauben Sie eine Zwischen-
rage der Kollegin Hajduk?
Aber bitte.
Frau Kollegin Hajduk.
Werter Kollege Fromme, würden Sie in Ihrem weite-en Redefluss bitte berücksichtigen, dass heute nicht dientlastung der Bundesregierung zur Abstimmung steht?ir sind jetzt bei der Überweisung des Antrags auf Ent-astung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2003,ber die ich mit Ihnen zusammen im Rechnungsprü-ungsausschuss lange und entsprechend ernst beratenarf. Die Entscheidung zur Entlastung steht erst morgenn. Ich bitte Sie, das bei Ihrer Rede zur Kenntnis zu
Metadaten/Kopzeile:
10652 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Anja Hajduknehmen; denn sonst erhält man den Eindruck, dass Re-den falsch gezogen bzw. vertauscht wurden.
Frau Hajduk, zwei Antworten: Erstens. Auf der Ta-
gesordnung steht der Antrag auf Entlastung für das
Haushaltsjahr 2003.
Dazu, ob das nun heute oder morgen erfolgt, komme ich
gleich.
Zweitens. Wir sind in unserem Verhalten kalkulierbar.
Wir geben Ihnen schon heute die Marschrichtung für die
Diskussion 2003 mit auf den Weg, damit Sie sich darauf
einstellen können.
Wenn Sie nun sagen, dass wir nicht heute, sondern
morgen über die Entlastung für das Haushaltsjahr 2003
entscheiden, dann frage ich mich: Warum entscheiden
wir nicht heute? Wir hätten sofort entscheiden können.
Offensichtlich haben Sie in Ihren eigenen Reihen Pro-
bleme und müssen über Nacht noch Überzeugungsarbeit
leisten, damit diesem Mist alle von Ihnen zustimmen.
Deswegen kann erst morgen darüber entschieden wer-
den.
Das ändert aber nichts daran, dass mein Redebeitrag
richtig ist.
Ich sage es noch einmal: Sie haben gegen die Verfas-
sung verstoßen. Das kann von uns nicht gebilligt wer-
den. Mit der Vorlage für 2005 liefern Sie uns den Be-
weis für Ihr Fehlverhalten. Im Haushalt sind für die
Kommunen im Rahmen der Hartz-IV-Reform 1,8 Mil-
liarden Euro enthalten. Schon vor dem Kabinettsbe-
schluss haben Sie 2,5 bzw. 3 Milliarden Euro verspro-
chen. Was hat es mit Haushaltswahrheit und -klarheit zu
tun, wenn man einen objektiv falschen Haushalt vorlegt
und hinterher sagt „Wir korrigieren das durch die glo-
bale Minderausgabe“? Sie entmachten das Parlament,
weil es darüber nicht mitentscheiden kann. Das sollen
wir dann noch billigen?
Sie brauchen die rote Karte. Vielleicht ändert das etwas
an Ihrem Verhalten.
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
Kollegen Jürgen Koppelin.
Ich möchte Ihnen, Kollege Fromme, sagen, dass der
politische Inhalt Ihrer Rede von uns im Großen und Gan-
z
e
t
f
m
s
m
F
g
w
l
E
i
P
v
b
s
s
f
m
d
f
c
d
t
k
l
f
d
d
t
s
D
s
F
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10653
)
)
– Drucksache 15/3416 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Auswärtiger AusschussVerteidigungsausschussHaushaltsausschussgemäß § 96 GONach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache wiederum eine halbe Stunde vorgesehen.Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dannist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär FritzRudolf Körper.F
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die im be-sonderen Auslandseinsatz wahrzunehmenden Aufgabensind nicht mit den normalen Tätigkeiten im Inlands-dienst oder mit Tätigkeiten im Ausland gleichzusetzen,die nicht im Rahmen von internationalen und humanitä-ren, Frieden sichernden und Frieden schaffenden Einsät-zen erfolgen. Dies hat auf tragische Weise das in Kabulauf Angehörige des deutschen ISAF-Kontingents ver-übte Sprengstoffattentat vom 7. Juni 2003 gezeigt, beidem vier Soldaten getötet und 29 Soldaten verletzt wur-den. Diesen neuen Herausforderungen wird die bisherigeUnfallversorgung nicht in vollem Umfang gerecht.Mit dem Einsatzversorgungsgesetz werden wir unse-rer Verantwortung gegenüber denen, denen wir beson-dere Gefahren zumuten müssen, und ihren nächsten An-gehörigen gerecht. Ohne diese Frauen und Männerkönnten wir unsere internationalen Verpflichtungennicht wahrnehmen. Sie haben daher Anspruch auf ange-messene Hilfe und Unterstützung. Die Versorgungsleis-tungen für die Soldatinnen und Soldaten sowie die Be-amtinnen und Beamten und ihre Angehörigen dürfenweder an fiskalischen noch an bürokratischen Hürdenscheitern.
Das ist das Anliegen des Einsatzversorgungsgesetzes. Esberücksichtigt die besonderen Gefahren und Belastun-gen von Auslandseinsätzen. Daraus folgt eine verbes-serte Versorgung bei Einsatzunfällen im Ausland. Zu-gleich werden langwierige und oftmals bürokratischeUntersuchungsverfahren in Zukunft vermieden.Lassen Sie mich zur Verdeutlichung auf Folgendeshinweisen: Ein Einsatzunfall liegt vor, wenn ein Soldatoder Beamter bei einer Verwendung im Ausland auf-grund einer internationalen Vereinbarung auf Beschlussder Bundesregierung oder bei einer Verwendung imAusland mit vergleichbar gesteigerter Gefährdungslageaufgrund eines im Dienst eingetretenen Unfalls oder ei-nwnnvhnUrhfuUedfnsSesagdtrArdwd1fsrIRhIGgrdbtiAw
oweit zu den bedeutsamen Regelungen dieses Gesetz-ntwurfs.Der Bundesrat hat die Notwendigkeit einer verbes-erten Absicherung der Soldatinnen und Soldaten, Be-mtinnen und Beamten sowie der sonstigen Angehöri-en des öffentlichen Dienstes im Auslandseinsatz under engsten Angehörigen anerkannt. Er hat die auf An-äge der Länder Bayern und Hessen zurückgehendenusschussempfehlungen abgelehnt, die gegen die mate-iellen Verbesserungen gerichtet waren und mit deneniese Länder an den bürokratischen Verfahren festhaltenollten.Vom Land Hessen wurde noch der Antrag gestellt,as In-Kraft-Treten des Gesetzes nicht auf den. Juli 2003, sondern bereits auf den 1. Dezember 2002estzusetzen. Damit soll erreicht werden, dass der Hub-chrauberabsturz nahe Kabul am 21. Dezember 2002 be-eits von der Neuregelung erfasst wird. Dazu kann ichhnen sagen, dass der Unfall in Kabul nach bisherigemecht als qualifizierter Dienstunfall mit entsprechend er-öhten Leistungen behandelt wird.
nwieweit es einer weiter reichenden Rückwirkung desesetzes in diesem Punkte bedarf, wird die Bundesre-ierung entsprechend ihrer Zusage in der Gegenäuße-ung zu der Stellungnahme des Bundesrates prüfen.Der Bundesregierung kommt es darauf an, dass eineer gestiegenen Außenverantwortung der Bundesrepu-lik Deutschland entsprechende Absicherung der Solda-nnen und Soldaten sowie Beamtinnen und Beamten imuslandseinsatz und deren engsten Angehörigen ver-irklicht wird. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Metadaten/Kopzeile:
10654 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Ich erteile dem Kollegen Helmut Rauber, CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Bundeswehr war bis Ende der 80er-Jahre
bzw. bis zu Beginn der 90er-Jahre, als die Mauer fiel und
der Warschauer Pakt nicht länger fortbestand, eine Ar-
mee des Kalten Krieges mit mehr oder weniger klar kal-
kulierbaren Fronten. Auf diese Lage waren Strategie,
Taktik, Ausrüstung und auch Ausbildung ausgerichtet.
Abschreckung hieß das alles dominierende Prinzip, das
deshalb funktionierte, weil alle Akteure diesseits und
jenseits des Eisernen Vorhanges rational handelten.
Diese bipolare Welt, in der es trotz aller Explosivität zu
keinen Kampfeinsätzen unserer Soldaten kam, existiert
nicht mehr.
Heute sind wir mit einer Vielzahl von Gefahren kon-
frontiert, die es in dieser Intensität bisher nicht gab.
Dazu zählen ethnische Spannungen ebenso wie die neue
Qualität des internationalen Terrorismus oder der reli-
giöse Fanatismus, die zu viel Leid in der Welt geführt
haben.
Die Welt hat sich verändert und deshalb müssen auch
neue Antworten auf die neuen Herausforderungen gege-
ben werden. Eine dieser neuen Antworten ist das Ein-
satzversorgungsgesetz, das wir heute in erster Lesung
diskutieren. Wer wie wir als Parlamentarier die Bundes-
wehr in gefährliche Auslandseinsätze schickt, der muss
dies nicht nur politisch schlüssig begründen und unsere
Soldaten bestens ausstatten und ausbilden, sondern ih-
nen auch dann materielle Sicherheit geben, wenn es zu
einem Unfall mit schlimmen Folgen kommt.
Wir als CDU/CSU haben Mitte Januar dieses Jahres
im Verteidigungsausschuss dem vorliegenden Gesetzent-
wurf ohne Gegenstimmen zugestimmt und wir werden
dies auch heute tun. Dennoch sehen wir einige Schwach-
stellen bzw. offene Fragen, die korrigiert und geklärt
werden sollten.
Ein wesentlicher Beschleuniger dieses Gesetzes war
der schon angesprochene Absturz eines CH-53 Hub-
schraubers am 21. Dezember 2002 – kurz vor Weihnach-
ten – in Kabul. Wenn es bei der ursprünglichen Absicht
der Bundesregierung bleibt, dass das Gesetz rückwir-
kend am 1. Juni 2003 in Kraft tritt, dann würden gerade
die Angehörigen der Absturzopfer vom Dezember 2002
nicht mehr unter die Regelung des jetzigen Gesetzes fal-
len. Sie haben das klargestellt, Herr Staatssekretär; wir
werden das prüfen. Wir legen Wert darauf, dass das Ge-
setz, so wie vom Bundesrat am 11. Juni dieses Jahres be-
schlossen, bereits am 1. Dezember 2002 rückwirkend in
Kraft tritt. Wir gehen davon aus, dass die von der Bun-
desregierung zugesagte Prüfung positiv ausfällt.
Der zweite Kritikpunkt besteht nach unserer Meinung
in der nach wie vor ungleichen Behandlung zum Bei-
spiel von Reservisten und Wehrpflichtigen gegenüber
Zeitsoldaten. Ein Soldat auf Zeit, der sich für zehn Jahre
v
4
E
–
s
d
s
s
l
s
p
l
d
a
m
d
e
d
n
n
u
r
g
n
u
d
b
v
s
t
s
t
V
B
D
A
e
t
h
s
G
Z
d
P
u
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10655
)
)
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Max Stadler,
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Für die FDP-Fraktion kann ich mich bei diesemhema relativ kurz fassen, nicht etwa, weil es ein unbe-eutendes Thema ist – ganz im Gegenteil, ein sehr wich-iger Gesetzentwurf ist zu beraten –, sondern deswegen,eil kein politischer Streit über die Notwendigkeit dererbesserung der Versorgung bei besonderen Auslands-erwendungen besteht.Zwar hat bereits die damalige Koalition von FDP undDU/CSU im Jahr 1995 eine Verbesserung der Versor-ung bei besonderen Auslandsverwendungen herbeige-ührt; aber angesichts der höheren Risiken, die mit denuslandseinsätzen von Soldaten, Beamten und sonstigenngehörigen des öffentlichen Dienstes verbunden sind,esteht eine allgemeine Einigkeit darüber, dass die da-aligen Regelungen heute nicht mehr ausreichen. Ausiesem Grund ist, wie schon erwähnt, im Verteidigungs-usschuss einstimmig beschlossen worden, dass manine Neuregelung auf den Weg bringen muss. Wir fin-en, dass die jetzt gemeinsam gefundene Lösung einengemessene Verbesserung der Versorgungssituationarstellt.
Die einzige kritische Frage, die man stellen muss, lau-et: Aus welchem Grund hat es eigentlich so lange ge-auert, warum beraten wir diesen Gesetzentwurf erst
Metadaten/Kopzeile:
10656 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Dr. Max Stadlerheute? Diese Frage ist selbstkritisch an uns alle gerich-tet. Eine vermehrte Anzahl an Auslandseinsätzen mit ho-hen Risiken gibt es schließlich nicht erst seit gestern,sondern schon längere Zeit. Wir von der FDP finden ge-meinsam mit allen anderen, dass es die selbstverständli-che Fürsorgepflicht des Gesetzgebers ist, für diejeni-gen, die im Auftrag des Bundestages solche Risiken fürLeib und Leben auf sich nehmen, eine angemessene Ab-sicherung in finanzieller Hinsicht sicherzustellen.Das geschieht jetzt. Man kann eigentlich nur nochdarüber sprechen, ob dieses Gesetz, wie es die Bundesre-gierung wünscht, rückwirkend zum 1. Juni 2003 oderwegen des Hubschrauberabsturzes im Dezember 2002 inAfghanistan schon zum 1. Dezember 2002 in Kraft zusetzen ist. Ich muss schon sagen: Es wäre etwas schäbig,wenn die finanziellen Folgen dieses Absturzes nicht ver-nünftig aufgefangen würden. Was da passiert ist, ist oh-nehin schlimm genug. Ich werte die Aussage von Staats-sekretär Körper von heute so, dass die Bundesregierungbereit ist, dies noch einmal zu prüfen, und dass eine ein-stimmige Verabschiedung dieses Gesetzes an diesemeinen Punkt am Ende nicht scheitern sollte.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Petra Heß für die SPD-
Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-nen und Kollegen! Mit dem Einsatzversorgungsgesetzwird das Versorgungsrecht unserer Soldatinnen und Sol-daten bei Auslandseinsätzen an die veränderten Anfor-derungen angepasst und auch verbessert. In den letztenzehn Jahren hat sich die Bundeswehr in zunehmendemMaße an zahlreichen internationalen Einsätzen beteiligt.Für unsere Soldatinnen und Soldaten bedeuten dieseAuslandseinsätze eine deutlich höhere Gefährdung fürLeib und Leben, als dies bei Einsätzen im Inland der Fallist. Das Aufgabenspektrum bei Auslandseinsätzen istnicht mit den Tätigkeiten im Inlandsdienst zu verglei-chen. Dies hat sich besonders bei dem tragischen Atten-tat in Kabul gezeigt, bei dem tote und verletzte Soldatenbeklagt werden mussten.Der Verteidigungsausschuss hat bereits am 15. Januar2003 einen Antrag auf Anpassung des Versorgungs-rechts an die veränderten Anforderungen für Soldatinnenund Soldaten bei Auslandseinsätzen einstimmig verab-schiedet. Es ist gerade für unsere Soldatinnen und Solda-ten sowie vor allem für ihre Angehörigen ein wichtigesSignal, denke ich, dass alle Fraktionen im DeutschenBundestag hinter dem Einsatzversorgungsgesetz stehenund auf diese Art und Weise die gefährliche Arbeit derBundeswehr bei den verschiedenen Auslandseinsätzenanerkennen.
waGwdbusdBssGkvgshdubHerMSvsebdggrgVEdgsDsGfdhegafti
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10657
)
)
Metadaten/Kopzeile:
10658 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
urfes auf der Drucksache 15/3416 an die in der Tages-
rdnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – An-
erweitige Vorschläge dazu werden nicht gemacht. Dann
st die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Wolfgang Börnsen , Karl-Josef
Laumann, Dagmar Wöhrl, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
Zukunftsfähigkeit deutscher Häfen
– Drucksachen 15/2037, 15/3254 –
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für
iese Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu
öre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-
en.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
ächst dem Kollegen Wolfgang Börnsen für die CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Häfen sind das Tor zur Welt. Für die deutschenäfen trifft dieser Grundsatz in ganz besonderem Maßeu: Über die Hälfte unseres Außenhandels wird über un-ere Seehäfen abgewickelt. Allein im Jahr 2003 waren esber 250 Millionen Tonnen. Mehr als 95 Prozent allerüter im deutschen interkontinentalen Verkehr laufeneute über den Seeweg.Die Schlechtwetterlage in der deutschen Wirtschaftcheinen die Häfen selbstbewusst zu umfahren, denn inen letzten zehn Jahren nahm der Güterumschlag umurchschnittlich 3 Prozent jährlich zu. Die deutsche Ha-enwirtschaft ist eine Schlüsselbranche für mehrachstum in unserem Land, und dies weit über die Küs-nregionen hinaus. Über 300 000 Arbeitsplätze hängenon den Häfen direkt ab. Zur Lösung der Beschäfti-ungsprobleme in Deutschland kann die Seehafenwirt-chaft direkt wie indirekt einen bedeutenden Beitragisten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Das stetige Wachstum in unserer nationalen Seeha-enwirtschaft kommt nicht von ungefähr. Es ist der Lohnür ein verantwortungsbewusstes und effizientes Ma-agement, für zuverlässige, qualifizierte und flexibleitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10659
)
)
Wolfgang Börnsen
Doch das allein ist noch kein Garant für zukünftigenErfolg. Um wirtschaftliche Herausforderungen auchweiter meistern zu können, müssen die nationalen Maß-nahmen an die sich ständig ändernden internationalenRahmenbedingungen angepasst werden. Das versteht dieCDU/CSU unter anderem als Aufgabe eines hafen-orientierten Maßnahmenkonzepts. Die Konkurrenzschläft eben nicht.Unter den sechs wichtigsten europäischen Fracht-häfen – Rotterdam, Antwerpen, Hamburg, Marseille,Amsterdam und Le Havre – befindet sich nur ein deut-scher Hafen. Allein Rotterdam schlägt 70 MillionenTonnen mehr um als alle deutschen Häfen zusammen.Unsere großen Häfen an Nord- und Ostsee steigern zwarihre Umschläge, unsere Nachbarn jedoch – zugespitztformuliert – verdoppeln sie. Es gilt, Deutschlands Häfenfür dieses Jahrhundert fit zu machen. Wir müssen Ab-wanderung von Wirtschaft verhindern.
Doch nicht nur durch eine dynamische Seehafenpoli-tik der anderen Nordseeanrainer geraten unsere Seehäfenunter Druck, sondern auch durch die EU-Osterweite-rung. Die neuen Partner sind mit aller Macht dabei, ihrenHinterlandverkehr zu den neuen Märkten auszubauen.Noch haben Ostseehäfen wie Lübeck, Sassnitz undRostock von 2000 auf 2002 Zuwachsraten gemeldet.Doch Kiel, Puttgarden und Wismar verzeichnen bereitsMinuszahlen. Ich finde, diese Entwicklung macht be-sorgt.Derzeit tritt bei uns die Seehafenpolitik auf der Stelle.Trotz großartiger Ankündigungen auf maritimen Konfe-renzen, in Eckpunktepapieren und in der Koalitionsver-einbarung gibt es keine Entscheidung erstens über dieAnpassung der Unterelbe, zweitens über die Vertiefungder Außenweser, drittens über den Bau der Hafenquer-spange Hamburg und viertens über die Art und den Um-fang der Finanzierung der 15 vorrangigen Ausbaumaß-nahmen für die Anbindung unserer Häfen.
Ein entscheidender Grund für diese neue Hafeneiszeitist – so Insider – die Konfliktlage innerhalb der Bundes-regierung. Der Bundesumweltminister Trittin hat dieBremse gezogen.
Er befürchtet, der Ausbau – ob zu Wasser oder Land –gehe zulasten der Umwelt. Seitdem zögert und zaudertBundesverkehrsminister Stolpe.
Seit Monaten warten wir auf Entscheidungen. Als neueKeule, um Wasserstraßenprojekte zu stoppen, soll derenFFH-Verträglichkeit jetzt ausgetestet werden. WerWasserwege großflächig unter radikalen Schutz stellt,gefährdet die maritime Wirtschaft und damit den Wirt-schaftsstandort Deutschland. Dazu darf es nicht kom-men.
nfWsMdzmEhdmAmVsFvsHeFezbMrBsEEKmlKutglNwAdPt
ber auch in Belgien und in Polen kostet der Zugkilo-eter weit weniger. Die Folge: Es kommt zu weiterenerlagerungen von Güterbahnverkehr weg von deut-chen Seehäfen. Die Deutsche Bahn und der zuständigeachminister müssen an einen Tisch. Wir brauchen eineerträgliche Lösung.Auch bei der Mineralölsteuer für Dieselkraftstoff be-tehen weiter Wettbewerbsnachteile. Unsere Nachbarnolland und Belgien haben reduziert, wir nicht. Damitntstehen für die deutschen Seehäfen höhere Kosten. Dieolge: Reeder suchen Alternativen im Ausland.Unsere Forderung nach gleichen Bedingungen imuropäischen Hafenwettbewerb gilt auch für die finan-iellen Beziehungen zwischen Staat und Hafenbetrei-ern. Nach dem Scheitern des „Port Package“, derarktzugangsrichtlinie für Hafendienste, muss die Eu-opäische Kommission endlich klare und verbindlicheeihilferichtlinien für alle Hafenbetriebe in Europachaffen.
ine staatliche Ungleichbehandlung auf europäischerbene ist nicht akzeptabel.
Das gilt insbesondere auch für den ab 1. Juli 2004 inraft tretenden ISPS-Code, für die neuen Antiterror-aßnahmen in Bezug auf Schiffe und Hafenanlagen. Al-ein auf die Hafenbetreiber in Deutschland kommenosten von jährlich 50 Millionen Euro zu. Wir habenns hier im Deutschen Bundestag für eine gerechte Ver-eilung der Kosten eingesetzt und einen Antrag dazu ein-ebracht. Er wurde von der rot-grünen Regierungskoa-ition abgelehnt, obwohl man weiß, dass in denachbarländern anders entschieden worden ist. Jetztird den Häfen, aber auch den Reedern zusätzlich derufwand für rein staatliche Verpflichtungen aufge-rückt, zum Beispiel für die Risikobewertung und dielanerstellung zur Gefahrenabwehr im Rahmen von An-iterrormaßnahmen. Das, finde ich, ist nicht vertretbar.
Metadaten/Kopzeile:
10660 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Wolfgang Börnsen
Deutschland befindet sich auch hier in einem nationalenAlleingang zulasten von Wirtschaft und Arbeit.Die Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestags-fraktion hat aber auch in anderen Bereichen Entschei-dungsbedarf aufgedeckt. So ist die Zukunft der Häfen imNorden von den Perspektiven der beiden größten Uni-versalhäfen, Hamburg und Bremen/Bremerhaven,abhängig. Sie allein sichern zurzeit fast 230 000 Ar-beitsplätze. Sie sind Arbeitsbeschaffer – dies auch des-wegen, weil der Containerverkehr boomt. Jahr um Jahrsteigt er zwischen 7 und 8 Prozent.Die von der Bundesregierung bis 2015 prognosti-zierte Zahl von 10,3 Millionen Containern wird bereitsin diesem Jahr übertroffen. Damit stehen wir kurz davor,dass dieser Seeverkehr trockenläuft. Immer größereSchiffe werden geordert. Containerschiffe von mehr als8 000 TEU und einem Tiefgang von 14,5 Metern sindschon jetzt Standard im internationalen Seeverkehr.Sowohl Hamburg als auch Bremerhaven können ge-genwärtig von Schiffen dieser Größe nur unter erhebli-chen zeitlichen Beschränkungen und nicht voll beladenangelaufen werden. Für die Reeder ist ein derartigestideabhängiges Anlaufen auf lange Zeit hin nicht vertret-bar. Andere Standorte, zum Beispiel Rotterdam, gewin-nen damit an neuer Attraktivität.Das Fahrwasser in Unterelbe und Außenweser ist denErfordernissen des modernen Containerverkehrs anzu-passen. Elbe und Weser verbinden diese Häfen mit denWeltmeeren. Dabei darf es nach unserer Auffassungnicht um eine Ausbaggerung um jeden Preis gehen.Deichsicherung, Hochwasserschutz und Umweltverträg-lichkeit sind verantwortungsbewusst zu beachten. DerSchutz der Menschen an der Küste muss Vorrang be-halten.
Davon wird auch in den zwei von der Bundesregie-rung eingeforderten aktuellen Studien zur Elbe und We-ser ausgegangen. Sie bestätigen: Eine Fahrrinnenver-besserung ist technisch realisierbar, wirtschaftlichsinnvoll und ökologisch vertretbar. Seit Anfang diesesJahres liegen die Resultate vor. Konkret passiert istnichts.Das gilt auch für die Finanzierungsidee aus demHause Stolpe – der Staatssekretär wird ja gleich dazuStellung nehmen –, außerhalb des Bundesverkehrswege-plans Sondermittel für die Fahrrinnenverbesserung aus-zuweisen.
Für beide Vorhaben gibt es keine Kabinettsbeschlüsse,weil sich zwei Bundesminister nicht einigen können.
Die Häfen warten dringend auf eine Grundsatzentschei-dung.
MBtBDTaifsdlwIFuznBBBeeSwfsVhdddbsdd
ie EU fördert solche Maßnahmen im Rahmen derEN-Projekte mit erheblichen Mitteln. Da die EU aberuch für die Umsetzung der FFH-Richtlinie zuständigst, meidet man die mögliche Blamage, zwei gegenläu-ige Konzepte zu präsentieren. Das bedeutet in der Kon-equenz mehr Eigen- und weniger Fremdmittel. Dereutsche Steuerzahler zahlt die Zeche. Unverantwort-ich!
Auch die betroffenen norddeutschen Bundesländerarten auf einen entsprechenden Beschluss aus Berlin.hre vor einigen Tagen getroffene Absichtserklärung, dieahrrinnenvertiefung, den Bau des Jade-Weser-Portsnd die Sicherung der Elbehäfen gemeinsam in Angriffu nehmen, ist zu begrüßen; da sind wir uns einig.Ich gehe davon aus, dass jetzt auch die Bündnisgrü-en in Kiel, Herr Kollege Steenblock, die bisher zu denedenkenträgern einer Ausbaggerung gehörten, dieseneschluss mittragen.Damit besteht endlich die Hoffnung, dass auch hier inerlin Jürgen Trittin von der Bremse tritt.Unsere Seehäfen in Ostsee wie in Nordsee nehmenine Schlüsselfunktion für das Exportland Deutschlandin. Wer ihre Hinterlandanbindung optimiert und ihreneezugang sicherstellt, stärkt damit auch ihre Wettbe-erbsfähigkeit. Wir von der Union halten an diesem Zielest, um Wachstum zu erreichen und Arbeit für die Men-chen in unserem Land zu sichern und zu schaffen.Ich bedanke mich dafür, dass Sie zugehört haben.
Angesichts dieses kraftvollen Auftritts liegt ja die
ermutung nahe: Wenn das den deutschen Häfen nicht
ilft, dann ist ihnen wahrscheinlich nicht weiterzuhelfen.
Letzte Zweifel werden nun sicher ausgeräumt durch
en Parlamentarischen Staatssekretär Achim Großmann,
em ich hiermit das Wort erteile.
A
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Icheginne mit dem Teil, in dem Herr Börnsen und ich unsicherlich völlig einig sind: Kaum ein anderer Bereicher Wirtschaft wird heute noch so sehr unterschätzt wieer Bereich der Binnen- und der Seehäfen. Deshalb gilt:
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10661
)
)
Parl. Staatssekretär Achim GroßmannZunächst einmal herzlichen Dank an Herrn Börnsen undan die CDU/CSU für die Große Anfrage; denn sie gibtuns Gelegenheit, heute noch einmal unsere Meinungenauszutauschen.Häfen sind logistische Dienstleistungszentren. Siesind Industriestandorte. Sie sind Schnittstelle zwischenWasser und Land. Sie haben regionale und volkswirt-schaftliche Bedeutung und – das ist für unsere exportori-entierte Volkswirtschaft besonders wichtig – sie sindDrehscheibe des internationalen Güterverkehrs. Sie sindaber noch mehr. Die Hafenwirtschaft und die maritimeWirtschaft insgesamt ist ein Hightech-orientierter Wirt-schaftszweig, hochmodern und mit enormer Innovati-onskraft.Die Wertschöpfungsketten der Branche reichen weitin das Land hinein. Allein in den deutschen Seehäfensind direkt oder indirekt circa 300 000 Menschen be-schäftigt. Diese Zahl hat auch Herr Börnsen schon ge-nannt. Wir hoffen auf den pädagogischen Effekt derMehrfachnennung eines Tatbestandes, damit sich dieserin den Köpfen einprägt.
Die Häfen erbringen Dienstleistungen mit immer höhe-rem Differenzierungsgrad. Insgesamt kann man alsofeststellen: Die Häfen sichern und stärken Beschäfti-gung, Einkommen und Steuerkraft der BundesrepublikDeutschland.Zu den Seehäfen: Wir haben 1999 eine gemeinsamePlattform zur deutschen Seehafenpolitik beschlossen.Sie wurde im Rahmen der maritimen Konferenzen kon-kret mit Projekten unterlegt, so geschehen beispiels-weise in Rostock mit der Identifizierung der notwendi-gen land- und seeseitigen Zufahrten der Seehäfen.Im Bundesverkehrswegeplan sind diese 15 Projekteals Hinterlandanbindung der deutschen Seehäfen wie-derzufinden. Sie sind bis auf ein Projekt alle im vor-dringlichen Bedarf. Hier kann also Vollzug gemeldetwerden,
wenn das Parlament, wovon wir ausgehen, morgen inzweiter und dritter Lesung den Ausbaugesetzen zu-stimmt. Nun wissen wir, dass über die wasserwirtschaft-lichen Projekte nicht abgestimmt wird,
aber sie sind Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans.Ich bin sicher, dass wir morgen darüber noch einmal re-den und dann auch im Bundestag grünes Licht für dieseProjekte geben.Die beiden von der Freien und Hansestadt Hamburgund der Freien Hansestadt Bremen beantragten Vor-haben zur Fahrrinnenvertiefung in Unterelbe undAußenweser konnten aus zeitlichen Gründen nicht imBVWP berücksichtigt werden. Das kann man dort nach-lesen, Herr Börnsen. Sie wurden außerhalb des Bundes-verkehrswegeplans, aber nach BVWP-Methodik, unter-sKndsBcigSBgdePviswtZv2dHpwbrhBWeadwnssSztsfbMbd
ir brauchen diese Standorte und die Konkurrenz unter-inander. Der Wettbewerb hilft uns sehr dabei, uns gegenndere europäische Hafenstandorte durchzusetzen.Ich spreche sicher für das ganze Haus, wenn ich sage,ass wir alles unternehmen sollten, damit wir uns aucheiter im europäischen Wettbewerb durchsetzen kön-en. Dazu gehört auch, dass es zwischen den europäi-chen Häfen fair zugeht. Leistung muss vor Subventiontehen.Beim Thema Subventionen kann man aber nicht dastichwort Trassenpreise zitieren. Es kommt mir sowiesou häufig vor. Wir sollten den ausländischen Subven-ionen nicht deutsche Subventionen hinterherwerfen,ondern den umgekehrten Weg gehen und Wettbewerbs-ähigkeit herstellen. Bei der Novellierung der Eisen-ahninfrastruktur-Benutzungsverordnung haben wir dieöglichkeit geschaffen, die Trassenpreise für die Betrei-er der Schienenwege zu differenzieren.Nun reicht die Zeit leider nicht aus, um alle Aspekteer Hafenpolitik zu beleuchten. Aber ich will noch auf
Metadaten/Kopzeile:
10662 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Parl. Staatssekretär Achim Großmanndas Short-Sea-Shipping-Promotion-Center aufmerksammachen. Das ist ein PPP-Projekt von Bund, sechs Län-dern und der Privatwirtschaft. Es ist ein sehr erfolgrei-ches Projekt. Es hat dem Straßennetz in den letzten dreiJahren 44 Millionen Tonnenkilometer erspart – eineenormer logistischer Erfolg.
Meine Damen und Herren, wir werden auf der ViertenMaritimen Konferenz unsere erfolgreiche Politik zielge-richtet weiterführen. Frau Staatssekretärin Mertens – dieeigentlich diese Rede halten sollte und leider verhindertist, weil sie im Haushaltsausschuss „vorsingen“ muss –fühlt sich bei den Terminen, die sie auf Veranstaltungender maritimen Wirtschaft wahrnimmt, wohl, weil es dakeinen höflichen Applaus, sondern breite Zustimmungzu der Politik der Bundesregierung gibt.
Das Wort hat nun der Kollege Michael Goldmann,
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieAntwort auf die umfangreiche, gründliche und interes-sante Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion ist eherdürftig und bescheiden. Sie ist in der „DVZ“ schon ent-sprechend gewürdigt worden.Ich freue mich aber, dass unsere Häfen gut aufgestelltsind, was nicht zwingend etwas mit der Leistung derBundesregierung für die Häfen zu tun hat, sondern eineLeistung der Hafenwirtschaft insgesamt ist.
Damit wird die Hafenwirtschaft als zentraler Wirt-schaftsfaktor in Deutschland der besonderen Bedeutungder Häfen gerecht.Unsere Häfen werden jetzt durch die EU-Osterweite-rung und die Globalisierung vor zusätzliche Herausfor-derungen gestellt. Sie werden diesen Herausforderungennur gerecht werden können, wenn die Zufahrtswege so-wohl zur See als auch aus dem Binnenland deutlich ver-bessert werden.Ich war bei der Maritimen Konferenz in Rostock da-bei, als gleich nach der Sitzung verkündet wurde, wasjetzt alles ganz schnell komme. Ich freue mich, dass dasmeiste davon im Bundesverkehrswegeplan im vordring-lichen Bedarf verankert ist, bin aber traurig darüber, dassdie Finanzmittel, die bis jetzt in Aussicht gestellt sind,bei weitem nicht ausreichen, um diese Maßnahmen, diedringend geboten sind, auch nur annähernd umzusetzen.
Deshalb, Herr Staatssekretär: Lassen Sie uns nicht ge-genseitig Sand in die Augen streuen oder Wasser in dieAugen spritzen, sondern gemeinsam daran arbeiten, dassdsnuHddnsaeggsarIVgötsabepHukbueuDskEwasztsDdsdc
Morgen, am 1. Juli, tritt der ISPS-Code in Kraft.azu müssen wir schlicht und ergreifend sagen: Hierind wir gescheitert. Diejenigen, die in dieser Frageeine zusätzlichen Belastungen wollten, sind gescheitert.s ist eigentlich ein Skandal, dass eine Staatsaufgabeie die der Terrorabwehr, die an allen anderen Stellenls eine selbstverständliche Leistung der gesamten Ge-ellschaft verstanden würde und somit über Steuermittelu finanzieren wäre, jetzt wieder unseren Häfen angelas-et wird. Einige aber werden sich darüber freuen: Dasind die „Dicken“ in anderen europäischen Ländern.iese werden sich wieder einmal darüber amüsieren,ass die deutsche Politik den Häfen bei uns vor Ort zu-ätzliche Belastungen aufbürdet.Trotzdem herzlichen Dank für die Anfrage. Sie hatazu beigetragen, die Situation unserer Häfen ein biss-hen mehr in das Bewusstsein zu rücken.Herzlichen Dank.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10663
)
)
Ich erteile dem Kollegen Rainder Steenblock, Bünd-nis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Auch ich möchte mich bei dem Kollegen Börnsen undseinen Fraktionsfreundinnen und -freunden dafür bedan-ken, dass sie diese Anfrage gestellt haben. Es ist schonwichtig, über die Situation und die Perspektive der deut-schen Seehäfen hier in diesem Hohen Hause zu spre-chen. Denn das Arbeitsplatz- und Wirtschaftspotenzial,welches dort an der Küste aufgebaut worden ist, ist fürdieses Land ökonomisch und verkehrspolitisch vonenormer Bedeutung. Leider spiegelt sich diese Bedeu-tung nicht in der Repräsentanz – das betrifft alle Fraktio-nen; das muss man deutlich sagen – bei der heutigen De-batte wider. Es ist ein bisschen schade, dass sich dieökonomische Bedeutung dieser hafenpolitischen Fragenim Interesse dieses Hohen Hauses nicht mehr nieder-schlägt. Ich glaube, wir alle haben in unseren Fraktionenviel zu tun, um dafür eine größere Sensibilität herzustel-len.Die deutschen See- und Binnenhäfen sind für uns alsWirtschaftsstandort unverzichtbar. Sie sind einer derzentralen Motoren, um unsere Wirtschaft am Laufen zuhalten. Für eine Exportnation wie Deutschland ist eswichtig, eine solche Basis zu haben; aber natürlich die-nen die Häfen auch dazu, die Güter aus aller Welt hier-her nach Deutschland zu importieren.Die Häfen sind die Schnittstellen des nationalen undinternationalen Güterverkehrs. Trotz des harten interna-tionalen Wettbewerbs haben sich die deutschen Seehäfengut behauptet. Die zunehmenden Umschlagszahlen ma-chen das deutlich. Auch in Konkurrenz zu Rotterdam,wenn man das einmal vergleicht, sind Häfen wie Ham-burg gut aufgestellt.Unsere Aufgabe ist es, die Wettbewerbsfähigkeit zuerhalten und sie vor dem Hintergrund der neuen Heraus-forderungen auszubauen. Wir sind allerdings der Auffas-sung, dass eine verstärkte Koordinierung staatlicher Ini-tiativen dabei dringend geboten ist.Dieses hat schon die „Gemeinsame Plattform desBundes und der Küstenländer“ vom Februar 1999 sofestgestellt; dort ist schon darauf hingewiesen worden.Im Grunde haben wir uns drei Aufgabenblöcken zu stel-len: Das ist einmal, dafür zu sorgen, dass die Hinter-landanbindung unserer Häfen vernünftig ausgebautwird. Für diese Hinterlandanbindung ist – der Staatsse-kretär hat es gesagt – im Rahmen des Bundesverkehrs-wegeplans Erhebliches geleistet worden. Ich würde michfreuen, wenn diese Maßnahmen auch in dem avisiertenZeitraum umgesetzt würden.
– Wir freuen uns schon, wenn wir zumindest die Elektri-fizierung der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck verwirkli-chen können; das ist für den Ostseeverkehr von zentralerBz–gDngdfHfßkNüJusEnaMth7atdhkcmmslnfwsmidtSImEDUt
Ich habe damit keine Probleme, Herr Goldmann, nieehabt.
a können Sie alle Pressemitteilungen von mir gerneachlesen; da haben wir keinen Dissens.Die zweite große Herausforderung ist die Beschleuni-ung und Vereinfachung des Umschlags in den Häfen;abei sind im Wesentlichen die Hafenbetriebe selber ge-ordert. Die dritte – aus meiner Sicht vielleicht größte –erausforderung stellen wegen der Entwicklung der In-rastruktur für den Zulauf auf die Häfen die neuen gro-en Containerschiffe dar.Vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrundnapper Haushaltsmittel muss die verkehrspolitischeotwendigkeit der Ausbauvorhaben sehr sorgfältigberprüft werden. Das gilt insbesondere für den Bau desade-Weser-Ports und die Vertiefung der Außenwesernd der Unterelbe. Bereits in Anbetracht der Über-chneidungen der geographischen und ökonomischeninzugsgebiete der Häfen drängt sich die Frage nach ei-em arbeitsteiligen Zusammenwirken der Nordseehäfenuf. Ganz besonders deutlich wird das an den in derachbarkeitsstudie zu den Ausbauvorhaben aufgezeig-en ökonomischen Potenzialen: Das Nutzen-Kosten-Ver-ältnis beider Vorhaben reduziert sich drastisch, um5 Prozent, wenn beide Vorhaben umgesetzt werden,lso der Jade-Weser-Port gebaut und die Unterelbe ver-ieft wird. Die Machbarkeitsstudien zeigen, dass es eineeutliche Interdependenz zwischen unseren Nordrange-äfen gibt; das zeigt auch, dass an der These, dass Kon-urrenz das Mittel ist, um hier neue Potenziale zu entwi-keln, zumindest Zweifel bestehen. Die Zahlen sagen fürich sehr eindeutig: Die Verwirklichung aller Maßnah-en führt zu einer erheblichen Einschränkung der Wirt-chaftlichkeit jeder einzelnen Maßnahme. Wenn wir ehr-ich sind, bedeutet das in der Konsequenz: Wir könnenicht allen alles versprechen, sondern wir müssen unsür einzelne Maßnahmen entscheiden.Ich will an dieser Stelle gar nicht verhehlen, dass eineeitere Vertiefung der Unterelbe besonders aus ökologi-chen Gründen und aus Gründen der Deichsicherheit fürich ein ausgesprochen problematisches Unterfangenst. Wir haben noch längst nicht alle im Zusammenhangamit zu überprüfenden Fragen abgehandelt. FFH-Ver-räglichkeitsprüfungen sind notwendig, um an diesertelle überhaupt eine Investitionssicherheit für möglichenvestoren bzw. den Bund herzustellen. Es gibt Unstim-igkeiten im Baggergutkonzept. Grundwasserleiter inlbnähe werden stärker versalzt als bisher angenommen.ie Deichsicherheit ist alles andere als gegeben; dieferabbrüche und Deichverformungen entlang der Un-erelbe nach der letzten Elbvertiefung zeigen das.
Metadaten/Kopzeile:
10664 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Rainder SteenblockDeshalb glaube ich, dass sich die Leistungsfähigkeitunserer Häfen nur dann sicherstellen lässt, wenn wir aufeine Hafenkooperation lossteuern, die anhand der ver-kehrspolitischen Notwendigkeiten erfolgt. Es geht nichtdarum, Hafenstandorte dichtzumachen, sondern es gehtdarum, eine Arbeitsteilung, eine Kooperation zwischeneinem möglichen Tiefwasserhafen in Wilhelmshavenund den anderen Universalhäfen Bremerhaven undHamburg herzustellen.
Das ist eine verantwortliche Politik. Da muss man sichaber entscheiden. Man kann nicht, lieber HerrGoldmann, allen alles versprechen, das Geld dazu habenwir überhaupt nicht.
– Ich habe immer kritisiert, dass die Hamburger, also dieHALA, sich in Wilhelmshaven nicht beteiligt haben. Ichbin derjenige, der dafür kämpft, dass wir ein gemeinsa-mes Konzept bekommen, dann auch für Wilhelmshaven:Das ist der Tiefwasserhafen, den wir brauchen. Aber wirbrauchen keine zwei Tiefwasserhäfen; das kriegen wirnicht hin.Vielen Dank.
Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist
die Kollegin Dr. Margrit Wetzel, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Lieber Herr Heitmann, auch ich freue mich, dass uns dieCDU/CSU mit ihrer Anfrage Gelegenheit gibt, die Situa-tion der deutschen Häfen heute zu – –
– Herr Goldmann, er ist vom ZDS. Falls Sie HerrnHeitmann noch nicht gesehen haben: Er sitzt da oben.
– Ja, natürlich, klar, in diesem Fall schon. Es geht um dieZukunft der deutschen Häfen. Deshalb setze ich auchdas Interesse der Hafenbetriebe voraus.
Herr Börnsen, Sie haben die Situation der deutschenHäfen ein bisschen zu negativ dargestellt. Wir müssenauch ein wenig daran denken, dass sich der Handel mitChina und auch mit Russland praktisch explosionsartigentwickelt hat. Unsere deutschen Häfen gehören zu denHsLSbFuDsDuA3ddoWBztzItbvsNCssskszpdSferzfeWm
Die Maritimen Konferenzen und der Maritime Ko-rdinator geben der maritimen Wirtschaft und ihrerertschöpfungskette auch im nach- und vorgelagertenereich neuen Schub, aber auch nachhaltige Unterstüt-ung. Die Häfen werden deshalb Schwerpunkt der Vier-en Nationalen Maritimen Konferenz in Bremen sein, dieu Beginn des nächsten Jahres stattfindet.
Um auf unsere aktive Hafenpolitik zurückzukommen:m Bundesverkehrswegeplan wurden die 14 wichtigs-en Hinterlandanbindungen der Seehäfen und der Aus-au der dortigen Verkehrsknoten mit höchster Prioritätersehen. Wir wollen alles daransetzen, dass es einechnellstmögliche Realisierung gibt.
Der Bund fördert den kombinierten Verkehr auch zumutzen der Häfen. Das Short-Sea-Shipping-Promotion-enter, ein Projekt einer öffentlich-privaten Partner-chaft von Bund, Ländern und Wirtschaft, kann aufichtbare Erfolge besonders auch in den Ostseehäfentolz sein. Der kontinuierliche Zuwachs an Personenver-ehren zeigt das große Entwicklungspotenzial für Fähr-chifflinien und den Ostseetourismus.Eine Daueraufgabe bleibt allerdings – das muss manugeben – die Harmonisierung der ordnungs- und fiskal-olitischen Rahmenbedingungen des Wettbewerbs inen europäischen Häfen.
ie ist durch die konjunkturelle Lage und den fehlendeninanziellen Spielraum, aber auch durch die EU-Ost-rweiterung nicht gerade einfacher geworden.Mit dem Scheitern der europäischen Hafendienst-ichtlinie bleiben beihilferechtliche Fragen in den finan-iellen Beziehungen zwischen den Staaten und den Ha-endienstleistern zweifellos offen. Wir sind uns völliginig darin, dass die europäischen Seehäfen gleicheettbewerbsbedingungen untereinander brauchen. Dasuss die EU regeln. Sie soll aber nicht in die nationalen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10665
)
)
Dr. Margrit WetzelSeehäfen hineinregieren. Deshalb wird der von der EU-Kommission angekündigte Neustart der Beratungen überdie Hafendienstrichtlinie wieder unseren vollen politi-schen Einsatz fordern.
Die CDU/CSU hat im Zusammenhang mit der Wett-bewerbsfähigkeit auch nach dem deutsche Lotswesengefragt. Die verladende Wirtschaft, die in unseren Tide-gewässern ganz besonders auf absolute Pünktlichkeit an-gewiesen ist, kann sich darauf verlassen, dass sie jeder-zeit, das heißt ohne Wartezeit, erfahrene, hochqualifizierte Lotsen bekommt. Unser staatlich geregeltesLotswesen garantiert auch aufgrund der wirtschaftlichenUnabhängigkeit der Verlader Sicherheit und Preisgüns-tigkeit für alle Beteiligten.Zwei abschreckende Gegenbeispiele: Australien hatfür das Great Barrier Reef die Lotsenannahme verpflich-tend gemacht, das Lotswesen aber privatisiert. Die Fol-gen sind: 400-prozentiger Anstieg der Unfälle, dramati-sche Probleme beim Nachwuchs und Fatigue – beieinem Revier von 400 Seemeilen kein Wunder. Ein an-deres Beispiel ist der Welthafen Singapur. Dort sind dieFolgen: Zwölf Stunden Voranmeldung, stundenlangeWartezeiten, wenn das Schiff unpünktlich ist, und dra-matische Ausfallkosten. Unser System ist auch hierweltweit vorbildlich.Geradezu beispielhaft sind meines Erachtens die Ko-operationen zwischen Bund, Ländern und maritimerWirtschaft. Ich nenne nur die gemeinsame Plattformzur Seehafenpolitik, die internationalen Konferenzenrund um die Ostsee, die Nordsee- und die Ostseehafen-studie der Bundesregierung, die Entwicklung länder-übergreifender Transportlösungen, die gemeinsame For-schung und Entwicklung optimaler Logistik und – ganzaktuell – die unglaublich schnelle Umsetzung des ISPS-Codes. Unsere deutschen Häfen sind zertifiziert. Damitsichern sie den Wettbewerb im internationalen Verkehr.
– Herr Goldmann, man muss auch einmal das Positivesehen. Das ist einfach so. Sie sind ganz im Gegensatz zuvielen anderen fit für den Wettbewerb. Die IMO hat ge-rade beklagt, dass erst 16 Prozent der Häfen zertifiziertsind. Unsere Häfen gehören alle dazu.Die Vielfalt unserer Häfen ist besonders im Blick aufihre Kooperationsfähigkeit und Vernetzung weiter ent-wicklungsfähig. Für die Ostseehäfen bringt das europäi-sche Binnenmeer mehr Verkehr. Ihre Kooperation mitden Nordseehäfen – ich nenne als Beispiel nur die Ko-operation zwischen Lübeck und Hamburg – verbindetdie skandinavischen, baltischen und russischen Anrainermit der Weltschifffahrt, aber nur wenn dies die verla-dende Wirtschaft als Vorteil erkennt und annimmt.
Die gleiche Kooperation, aber auch wechselseitigeAkzeptanz ist bei den Nordseehäfen notwendig, umsubzadsdWmgmwEd„sodhsdANsssOStree–de
Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 9 – der Tages-
rdnungspunkt 8 wird morgen behandelt – auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD,
der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und der FDP
Internationalen Druck auf die Regierung in
Simbabwe aufrechterhalten
– Drucksache 15/3446 –
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für
iese Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu
öre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-
en.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
ie Kollegin Brigitte Wimmer, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!lle Berichte, die uns aus Simbabwe erreichen – ob vonichtregierungsorganisationen, den kirchlichen Organi-ationen, der Friedrich-Ebert-Stiftung oder von Men-chen aus Simbabwe –, haben eine furchtbare und er-chreckende Entwicklung in Simbabwe zum Inhalt.der um den Bundeskanzler zu zitieren: Die Situation inimbabwe ist inakzeptabel.Zwei Aussagen aus dem AI-Jahresbericht 2004 un-ermauern dies. AI berichtet von Verfolgungen, Folte-ungen und davon, dass Journalisten eingeschüchtert undingesperrt werden. Zudem wird auch ein aktueller Fallines Kollegen von uns im Jahresbericht 2004 behandelt dazu muss man sagen: Es gibt nahezu keinen Kollegener Opposition in Simbabwe, der nicht schon verfolgt,ingesperrt oder geschlagen wurde –:
Metadaten/Kopzeile:
10666 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Brigitte Wimmer
Am 15. Januar nahm die Polizei den MDC-Abge-ordneten Job Sikhala, den für das Forum der nicht-staatlichen Menschenrechtsorganisationen in Sim-babwe … tätigen Rechtsanwalt Gabriel Shumbaund drei MDC-Anhänger – Bishop Shumba, TauraiMagaya und Charles Mutama – fest. Nach vorlie-genden Berichten wurden die fünf Männer im Poli-zeigewahrsam gefoltert. Aus medizinischen Gut-achten ging hervor, dass Job Sikhala und GabrielShumba Verletzungen an den Genitalien, demMund und den Füßen davongetragen hatten, derenMerkmale typisch für Elektroschocks sind. Beidesollen zudem gezwungen worden sein, ihren Urinzu trinken. Im Februar wies das Obere Gericht inHarare die auf Hochverrat lautende Anklage gegendie fünf Männer aus Mangel an Beweisen ab.Von der Regierung in Simbabwe und von einigen Un-belehrbaren hier wird all das als Propaganda abgetan.Deshalb möchte ich einer Stimme aus Simbabwe hierGehör verschaffen. Es handelt sich um einen offenenBrief, der in Nr. 2 von „afrika süd“ abgedruckt wurde.Er stammt von einer Frau aus Simbabwe, die für dieMenschenrechte und insbesondere die der Frauen ein-tritt.Die Überschrift lautet: „Ihr lasst uns im Stich“. DerBrief ist an die Frauen in der Regierung Südafrikas ge-richtet. Ich zitiere in Auszügen:Schwestern, ihr lasst uns im Stich. Die Frauen Sim-babwes leiden. Tausende von uns sind körperlichmissbraucht und vergewaltigt worden, sind unfähig,den nächsten Tag zu überleben …Verehrte Zuma, ich spreche nicht von den briti-schen „kith and kin“, über die du so gerne sprichst.Ich spreche nur von deinesgleichen. SchwarzeFrauen, Frauen, die weder in der vor- noch nachko-lonialen Zeit Land besessen haben und die immernoch nicht von dem gefeierten Land erhalten haben,das umverteilt wurde. …Hunderte Krankenschwestern und Lehrerinnen sindnach den Wahlen 2000 bis heute aus ländlichen Ge-bieten geflohen. Grund war die politisch motivierte,organisierte Gewalt, die über das Land schwappte.Bis heute sind die meisten von ihnen immer nochohne Arbeit. … Die Zurückgebliebenen erleidenweiterhin emotionale und physische Gewalt von sogenannten Kriegsveteranen und den Green Bom-bers. Junge Mädchen, einige erst neun oder zehnJahre alt, sind von plündernden, vom Staat bezahl-ten Schlägertrupps vergewaltigt und dadurch mitHIV infiziert worden. …Ihr kennt genauso gut wie ich den Preis, den Frauenzahlen, wenn sie öffentlich über erlittene Men-schenrechtsverletzungen sprechen. … Im Fall vonSimbabwe … lauten die Fragen ein wenig anders:Welcher Partei gehört sie an? Wurde sie etwa vonden Briten bezahlt? Ist es wirklich wahr, dassRobert Mugabe, Führer eines Befreiungskrieges, soetwas tun kann? Und im Fall der sozioökonomi-schen Krise: Diese Zahlen sind doch sicherlichWiitdumunekdndhtsNsVbSmuiWdiSnSeM
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10667
)
)
Das Wort hat nun der Kollege Arnold Vaatz, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! JedesWort, das die Frau Kollegin Wimmer hier gesagt hat,möchte ich ausdrücklich unterstreichen. Genauso ver-heerend, wie sie es beschrieben hat, war unser Eindruckvon Simbabwe, den wir bei unserer jüngsten Reise in dassüdliche Afrika gewinnen mussten. Dass wir auf dieWeigerung des Regimes Mugabe, die Frau KolleginWimmer und mich nach Simbabwe einreisen zu lassen,nun mit einem gemeinsamen Antrag reagieren, ist einunmissverständliches und auch notwendiges Signal. Ichmöchte auch begründen, warum das der Fall ist.Trotz allen rassistischen Wortgeklingels des DikatorsMugabe gegenüber der demokratischen Weltöffentlich-keit ist seine eigene Eitelkeit zutiefst beschädigt, wenner in der Öffentlichkeit nicht als allseits geachteterStaatsmann, sondern eher als ein kritisch betrachteterund verachteter Diktator angesehen wird. Demzufolgedarf man nicht nachlassen, ihm die Verfehlungen, die ersich tatsächlich zuschulden kommen lässt, auch vorzu-halten.Mit diplomatischer Routine allein ist es nicht getan.Ich bin dankbar dafür, dass die Bundesregierung reagierthat und wie sie es getan hat. Aber die Lage in Simbabweist, wie gesagt, trotz einer leichten Entspannung der In-flations- und Treibstoffsituation noch genauso trübe undperspektivlos wie vor einem Jahr. Auch wenn wir dasLand nicht bereisen konnten – Frau Kollegin Wimmerhat es bereits angesprochen –, haben wir Gespräche mitsimbabwischen Oppositionellen geführt und sie ge-fragt, wie wir ihnen helfen können. Das ist insofernwichtig, als auf diese Weise der Vorwurf entkräftet wer-den kann, dass wir von dem hohen europäischen RossawcnBvshmlgReFmsVwsfkFbdSloshmKdsassadtssznitfemgkwznAmr
Metadaten/Kopzeile:
10668 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-ChristianStröbele, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! EinAnlass der heutigen Debatte über diesen Antrag ist, dassmehrere Kollegen nach Simbabwe nicht einreisen durf-ten. Ich finde es richtig, dass wir das zum Anlass neh-men, heute darüber zu diskutieren; denn das darf nichtSchule machen. Delegationen des Deutschen Bundes-tages sind auch dazu da, sich über die ökonomischen undüber die Menschenrechtsverhältnisse vor Ort zu infor-mieren. Wenn das, was in Simbabwe geschehen ist,SmsDsugOsddrrsbwnglsNbasmSidvgdhnDbuaMfiDfdfRsKÄu
nd auch aus Teilen von Südafrika.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10669
)
)
Hans-Christian StröbeleWir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass großeTeile der Bevölkerung in den umliegenden Ländern – ichfürchte, dass das auch für Regierungsstellen gilt, auchwenn sie uns das nicht offen sagen –, gerade in denen,die Sie, Herr Vaatz, genannt haben, eine andere Sicht derDinge als wir haben. Deshalb werden diese Appellezwar hingenommen, aber anschließend passiert nichtsehr viel. Wenn wir das nicht zur Kenntnis nehmen, dannargumentieren wir ins Leere. Uns beruhigen solche Re-solutionen wie die vorliegende vielleicht; aber wir errei-chen mit ihnen wenig in diesen Ländern.Was ist da zu tun?Erstens. Wir müssen zur Kenntnis nehmen – das ha-ben auch Sie, Herr Vaatz, gesagt –: In diesen Länderngibt es traditionelle Verbindungen der jetzt Regieren-den und auch großer Teile der Bevölkerung aus der Zeitder Befreiungskriege mit Mugabe und seiner Bewegung.Daran erinnert man sich. Da gibt es viele Beziehungenbis hin zu verwandtschaftlichen Verbandlungen.Aber es gibt auch ein ganz zentrales Problem, dasMugabe angeblich zu regeln versucht: die Landreform.Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Problem derLandreform auch in den umliegenden Ländern nach wievor virulent schwer zu bewältigen ist. Ich glaube, dasswir in diesen Ländern, auch hinsichtlich der Situation inSimbabwe, mehr Einfluss gewinnen können, wenn wirdiese Probleme – sie sind Überbleibsel aus der Kolonial-zeit – ernst nehmen. Wir müssen einsehen, dass sich indiesen Bereichen in all diesen Ländern, auch in Sim-babwe, etwas ändern muss.Wir müssen sagen: Wir sind bereit, vernünftige, ge-rechte und demokratisch zustande gekommene Landre-formen massiv zu unterstützen. – Wenn wir so handeln,dann gewinnen wir vielleicht Glaubwürdigkeit und dannkönnen wir den Vorwurf, den auch Sie, Herr Vaatz, er-wähnt haben, widerlegen, dass wir dort vielleicht nochjetzt koloniale oder nachkoloniale Interessen verfolgen,wenn wir sagen: Wir sehen diese Probleme. Wir wolleneuch helfen, Veränderungen herbeizuführen. Wir stellenuns nicht quer.Wir können nicht immer nur so weitermachen, allehalbe Jahre eine solche Resolution verabschieden undbeklagen, vielleicht bis zu Mugabes Tod, vielleicht darü-ber hinaus, dass sich nichts verändert, sondern wir müs-sen neue Wege gehen. Hilfe bei der Landreform wärevielleicht ein Weg. Lassen Sie uns gemeinsam darübernachdenken!Diese Resolution werden wir gemeinsam verabschie-den, aber ohne die Illusion, dass sich dadurch sofortdurchgreifend etwas ändert.
Nächster Redner ist der Kollege Rainer Funke, FDP-
Fraktion.
F
b
e
i
c
d
u
s
l
W
c
d
G
d
S
c
z
t
d
m
i
k
t
m
h
a
u
n
M
m
s
a
c
n
w
e
K
r
r
l
k
l
M
d
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
ollege Professor Jüttner, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-en! Nach wie vor ist die humanitäre und menschen-echtliche Lage in Simbabwe besorgniserregend. Staat-ich organisierte Gewalt gegen Oppositionelleennzeichnet die politische Situation im Lande. Willkür-iche Verhaftungen, Misshandlungen, Folter, ja sogarord sind Instrumente des Regimes im Kampf gegenie Opposition. Der britische Rundfunksender BBC
Metadaten/Kopzeile:
10670 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Dr. Egon Jüttnerberichtete erst kürzlich wieder über Camps, in denenKinder und Jugendliche in Folter- und Tötungsmethodenausgebildet werden, um dann entsprechend gegen Oppo-sitionelle vorzugehen.Die einzige unabhängige Tageszeitung im Land, die„Daily News“, wurde zum Schweigen gebracht. DasEinklagen der in der Verfassung verankerten Grund-rechte ist kaum noch gewährleistet, weil Richter undStaatsanwälte eingeschüchtert werden. Repressive Ge-setze wie der Public Order and Security Act und derAccess to Information and Protection of Privacy Actermöglichen willkürliche Verhaftungen und Misshand-lungen Oppositioneller. Die Nahrungsmittelversorgungwird politisiert. Beispielsweise müssen alle Maisfarmerihre Ernte an die staatliche Getreidekommission verkau-fen. Diese hortet ihrerseits den Mais – offensichtlich inder Absicht, diesen bei den Parlamentswahlen im Früh-jahr 2005 gezielt zum Fang von Wählerstimmen einzu-setzen.Meine Damen und Herren, bereits im Frühjahr desvergangenen Jahres haben wir uns hier im Plenum zwei-mal mit Simbabwe befasst. Zwar hat sich die wirtschaft-liche Krise, wie auch der Kollege Vaatz schon gesagthat, seither leicht entspannt, aber die politische Situa-tion hat sich eher verschärft. Weder die Einstellung derbilateralen Entwicklungszusammenarbeit noch die teil-weise sogar verschärften Sanktionen der EU gegenMugabe und seine Führungsriege in Regierung und Par-tei haben Entscheidendes bewirkt. Weder hat Südafrikadie Situation in Simbabwe positiv beeinflusst noch hatdie Menschenrechtskommission der Vereinten Nationenin Genf die andauernden schweren Menschenrechtsver-letzungen verurteilt. Vielmehr wurde der Resolutions-entwurf der Europäischen Union durch einen von afrika-nischen Staaten unterstützten Nichtbefassungsantragerneut zu Fall gebracht. Meine Damen und Herren, damüssen wir auch unseren afrikanischen Freunden deut-lich sagen: Dies war das falsche Signal an ein menschen-verachtendes Regime!
Trotz dieser bitteren Rückschläge dürfen wir unsnicht entmutigen lassen. Die fortdauernden, massivenMenschenrechtsverletzungen in Simbabwe kann die zi-vilisierte Welt nicht länger hinnehmen. Unser Einsatz füreine Verbesserung der politischen und menschenrecht-lichen Lage in Simbabwe muss weitergehen. Ich be-grüße es deshalb, dass wir in einem gemeinsamen An-trag fordern, einer internationalen Delegation Zugangzum Land zu gewähren, die Parlamentswahlen nach de-mokratischen Prinzipien durchzuführen und internatio-nal überwachen zu lassen, reformwillige Kräfte imLande zu unterstützen und nichtstaatlichen Stellen hu-manitäre Hilfe bei der Versorgung der Bevölkerung an-zubieten.Ein wichtiger Ansatzpunkt für eine Demokratisierungdes Landes sind die für März 2005 vorgesehenen Parla-mentswahlen. Dabei ist nicht nur die Durchführung derWahl selbst von Bedeutung, wie das meine Vorrednerschon gesagt haben. Vielmehr muss auch sichergestelltwerden, dass bereits im Vorfeld der Wahl, nämlich schonjusettdisbpDdstdSmRsmB„aDmsfnWgz
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10671
)
)
mit Berlins Mitte beschäftigen oder beschäftigen müs-sen. Wir haben den Eindruck, dass die Bundesregierunghier nicht mit dem gebotenen Nachdruck tätig ist.
Der Bund tut sehr viel für die Kultur in der Haupt-stadt, unbestritten, auch wenn dabei ein roter Faden im-mer weniger erkennbar ist.
Ein so wichtiges Signal für die Baukultur in Berlin, wiees das Bekenntnis zur Gestaltung des zentralen Ortes inder Mitte ist, muss dabei auch immer erfolgen. EineRücksichtnahme auf die derzeitige politische Konstella-tion in Berlin ist fehl am Platze.Es stellt sich für uns natürlich die Frage, warum dieBundesregierung unserer gemeinsamen Aufforderungbisher nicht nachgekommen ist. Ein Punkt ist jedenfalls,dass das Land Berlin mit seinem vor kurzem zurückge-tretenen Bausenator Strieder, der den Abriss, aus wel-chen Gründen auch immer, nicht wollte, ein schwierigerGesprächspartner war.
Das dürfte sich jetzt doch hoffentlich geändert haben,zumal der Regierende Bürgermeister von Berlin denschnellen Abriss sehr befürwortet. Aber es scheint, dassdie Staatsministerin für Kultur, Frau Dr. Weiss, im Ge-gensatz zum Regierenden Bürgermeister von Berlin denAbriss des Palastes der Republik gerne etwas verzögernmöchte. Wie anders ist es zu erklären, dass ihr zwar dievon ihr eingesetzte Kommission empfohlen hat, für eineZwischennutzung keine öffentlichen Mittel zur Verfü-gJ–UdogNltDedHsddgzgmrdFgkkzDlarl2fZ
Dann ist es umso schlimmer.Eine finanzielle wie ideelle, direkte oder indirektenterstützung einer Nutzung des Palastes der Republikurch den Bund lehnen wir ab. Auch hier war die frakti-nsübergreifende Einigkeit in der Sache groß. Eines abereht sicher nicht: Man kann nicht beteuern, dass eineutzung des Palastes nur ohne öffentliches Geld mög-ich sei, und gleichzeitig Mittel aus dem Hauptstadtkul-urfonds für Projekte im Palast zur Verfügung stellen.
as mag ja ganz schön trickreich sein; ich nenne es aberine misslungene Täuschung,
enn zumindest wir haben nicht vergessen, dass derauptstadtkulturfonds zu 100 Prozent vom Bund ausge-tattet wird.
Mit staatlicher Einflussnahme auf Entscheidungenes Fördergremiums hat das im Übrigen nichts zu tun,enn auch ein Hauptstadtkulturfonds ist an die Vorgabeebunden, kein öffentliches Geld für die Nutzung bereit-ustellen. Darauf sollten wir als Parlamentarier Wert le-en. Herr Kollege Ströbele, ich empfehle Ihnen, das ein-al nachzulesen, damit auch Sie informiert sind.
Neben der wankelmütigen Haltung von Staatsministe-in Weiss ist auch bekannt, dass der PDS-Kultursenatores Landes Berlin, Thomas Flierl, die Zustimmung zurinanzierung des Abrisses in einem Schreiben infrageestellt hat. Wenn Thomas Flierl meint, dass durch eineulturelle Nutzung das Gebäude „endlich im Heute an-omme“, dann kann man ihn nur als Ewiggestrigen be-eichnen.
er Palast der Republik war neben seiner äußeren Häss-ichkeit immerhin das Schaufenster einer Diktatur.
In der Presse dieser Tage ist nachzulesen, dass nunuch der PDS-Senator erkannt hat, dass er nicht auf demichtigen Weg ist. „Vom leeren Palast haben wir nunange genug Abschied genommen“, hat der Senator am1. Juni 2004 verlauten lassen. Ich werte das gernreundlich, da ich jeden unterstützte, der die Zeichen dereit zu deuten lernt. Nun ist es aber an der Zeit, aus
Metadaten/Kopzeile:
10672 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Renate Blankdieser Erkenntnis auch die richtigen Schlüsse zu ziehen.Der Deutsche Bundestag kann dem Senator dabei helfen,indem er nachdrücklich auf die Beschlusslage in diesemHause verweist.Zurzeit wird viel Zirkus um das Gebäude veranstaltet.Man schwelgt in Nostalgie und vergisst dabei die Grau-samkeiten eines unerbittlichen Regimes. Dass der BDIin Honeckers altem Protzgebäude tagte, zeugt nicht ge-rade von einer übergroßen Sensibilität.
Aber daraus den Schluss zu ziehen, nach dem kurzzeiti-gen Einzug des BDI in den Palast sei dieser gewisserma-ßen neutralisiert,
wäre in der Tat ein Winkelzug einer Geschichtsschrei-bung, die mit „Geschichtsvergessenheit“ wohl am tref-fendsten bezeichnet wird.Damit nicht weiter nostalgisch geschwärmt werdenkann, sondern mit Berlins Mitte sorgsam umgegangenwird, wollen wir mit unserem Antrag unter anderem si-cherstellen, dass der Abriss des Palastes der RepublikAnfang des Jahres 2005 erfolgt und die dafür notwendi-gen Vorarbeiten ohne Verzug durchgeführt werden. Ichhoffe, dass dies immer noch gemeinsame Meinung ist.
– Herr Kollege Ströbele, ich glaube, Ihre Meinung ist indiesem Hause nicht ganz so maßgebend.
Die Meinung der Mehrheit ist wichtig. – Auch sind unsPlanungen für die gestalterische Zwischennutzung derFläche im Herbst 2004 vorzulegen.Die Bundesregierung muss sich auch verstärkt dafüreinsetzen, dass ein Areal auf der Schlossfreiheit/Unterden Linden als Ort für die im Bericht der Expertenkom-mission vorgesehene Einwerbung von privaten Mittelnzur Wiedererrichtung des Schlosses zur Verfügung ge-stellt werden kann und keine weiteren öffentlichen Mit-tel für die Nutzung des Palastes der Republik zur Verfü-gung stehen.Wir haben einen Beschluss, an den wir uns haltensollten. Wir sollten das bürgerschaftliche Engagement,für das wir uns in der Kultur noch viel stärker als bishereinsetzen müssen, nicht dadurch gängeln, dass wir ihmkeinen Raum geben. Im Gegenteil: Das Schlossareal istgeradezu ein beispielhafter Ort, an dem sichtbar gemachtwsHerpMVeduSBwbgdsiiubidiuS–usndcw–z
ier, in der Mitte der Hauptstadt, müssen wir einen Ortrmöglichen, an dem sich das Engagement, einmal über-egional beachtet, offenbaren kann. Wenn es hier gelingt,rivate Mittel zu mobilisieren, werden anderenorts nichtittel entzogen, sondern es wird ein Beispiel und einorbild gegeben, wie wirkungsvoll sich jeder Bürgerinbringen kann. Für diesen Ort haben wir das Mandatazu und die Empfehlung der Expertenkommission.Der Vorbildcharakter gilt indes nicht nur für den innmittelbarer Nachbarschaft geplanten und von privatereite aus betriebenen Wiederaufbau der schinkelschenauakademie, der damit an zusätzlichem Rückhalt ge-innen kann, sondern er gilt auch außerhalb Berlins.Über eines sollten wir uns in diesem Zusammenhangewusst sein: Nicht die durch bürgerschaftliches Enga-ement verstärkten Bemühungen zur Wiedererrichtunges Berliner Stadtschlosses binden andernorts Mittel,ondern die Verlagerung öffentlichen Geldes in Projekten der Palastruine; denn jeder Steuereuro, der in Projektem Palast fließt, fehlt innovativen Projekten in Berlin,nd zwar genau bei den Einrichtungen und Initiativen,ei denen der Bund mit vollem Recht innovative Kulturn der Hauptstadt fördern kann, soll und müsste.
Wir sollten uns gemeinsam die Situation ersparen,ass wir im nächsten Jahr vor der Sommerpause nochmmer mit leeren Händen dastehen
nd vor einer Ruine, die zu nichts anderem taugt als zuminnbild für verschenkte Chancen.
Die Staatsministerin für Kultur kann ja ohne weiteresnseren gemeinsamen Auftrag umsetzen und das in Ge-prächen erledigen. Im Jahr 2005 kann der Abriss begin-en und bis zur Errichtung des Schlosses können wir aufem Gelände eine Zwischennutzung mit bürgerschaftli-hem Engagement ermöglichen. – Ich habe das erwähnt,eil der Kollege Kubatschka erst jetzt gekommen ist.
Entschuldigung, Herr Kubatschka.
Die Klärung der Anwesenheiten verlängert die Rede-eit nicht. Deswegen empfehle ich, sie wegzulassen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10673
)
)
Herr Präsident, ich glaube, meine Redezeit ist noch
ausreichend. Deswegen konnte ich auf den Zuruf ant-
worten.
Meine Damen und Herren, ich wiederhole: Wir soll-
ten uns gemeinsam die Situation ersparen, dass wir im
nächsten Jahr vor der Sommerpause wieder mit leeren
Händen dastehen, vor einer Ruine, die zu nichts anderem
taugt als zum Sinnbild für verschenkte Chancen: ver-
schenkt für das Stadtbild, verschenkt für das bürger-
schaftliche Engagement und verschenkt für die Kultur-
förderung in Berlin.
Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
setzt sich für die Kulturförderung des Bundes in der
Hauptstadt Berlin ein, und zwar für eine – im besten
Wortsinn – nachhaltige Kulturförderung. Unser Antrag
bringt dies in seiner Knappheit auf den Punkt und er ent-
hält in seiner Knappheit keine die bisherigen Beschlüsse
dieses Hauses ergänzenden oder übersteigenden Sach-
verhalte.
– Sehr gut. Dann können Sie auch zustimmen.
– Das macht nichts. Man muss die Bundesregierung ab
und zu auffordern, dass sie endlich handelt.
Das mag dem einen oder der anderen vielleicht unge-
wöhnlich erscheinen; Kollege Barthel, Sie haben sich ja
gerade entsprechend geäußert. Aber nach den Erfahrun-
gen der nunmehr vergangenen, von unserem Beschluss
her gesehen tatenlosen Jahre ist unser Antrag ein Appell,
der uns nötig erscheint und der uns, das Parlament, daran
erinnert, dass wir nicht nur Worte wechseln. Denn: „Der
Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich
Taten sehn“, möchte ich mit Goethe schließen.
Es muss – so endet auch bei Goethe der Reim – „etwas
Nützliches geschehn“.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Nun hat der Kollege Barthel Gelegenheit, seine Zu-
rufe in einem geordneten Zusammenhang vorzutragen.
Meine Damen und Herren! Liebe Frau Blank, wennich an Bayern denke, fällt mir nur ein: Es ist zwar allesgesagt, aber noch nicht von allen. Insofern hat das letzteMal zum gleichen Thema Herr Nooke mit den gleichenAussagen gesprochen, heute Sie. Sie machen das we-sentlich freundlicher; das gebe ich gerne zu.cvugDadKSp–sAtDirdrfn6enssD–IhIwhivDd
ies wäre ein Verlust für dieses Hohe Haus.Wie sind denn die Rahmenbedingungen? Wir habenm 4. Juli 2002 den Beschluss gefasst, dass der Palaster Republik abgerissen wird, dass ein Gebäude in derubatur des Schlosses mit einer Barockfassade, genanntchloss, gebaut wird und dass auch das ganze Areal ge-lant wird, also nicht nur das Schloss.
Lieber Herr Otto, ich sage das aus einem ganz be-timmten Grund: Ich hatte damals eine andere Position.
ber wir haben diesen Beschluss gefasst und er ist gül-ig.
aran wird nicht gerührt.Wir haben – wenn ich einmal darauf hinweisen darf –m vorigen Herbst ein Zweites beschlossen: ein Morato-ium. Es ist vielleicht nicht ganz uninteressant, einmalaran zu erinnern, dass es dieses Moratorium gibt. Wa-um haben wir dieses Moratorium für zwei Jahre einge-ührt? Der eine Grund ist, dass für dieses Riesenprojekticht nur das Geld fehlt; es handelt sich immerhin um70 Millionen Euro. Auch die Vermittlung, dieses Geldinsetzen zu wollen, ist angesichts der Gesamtsituationicht möglich. Wir haben dieses Moratorium zudem be-chossen, weil diese zwei Jahre dafür genutzt werdenollen, belastbare Planergebnisse vorzulegen.
as war im Herbst vorigen Jahres.
Ich spreche jetzt von der Planung, liebe Frau Blank.
ch bitte darum, nicht zu vergessen, dies mit einzubezie-en.Was ist bisher in Bezug auf den Abriss geschehen?ch habe mich informiert, das können übrigens nicht nurir von den Regierungsfraktionen, sondern auch Sie. Ichabe mich über den Iststand bei der Frage des Abrissesnformiert und erlaube mir, Ihnen aus einer Informationorzutragen, die ich aus dem Ministerium erhalten habe.iese Information hätten auch Sie erhalten können. Icharf zitieren:
Metadaten/Kopzeile:
10674 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Eckhardt Barthel
Im Januar 2004 wurden die Planungsleistungen fürdie Vorbereitung der Abrissarbeiten EU-weit offenausgeschrieben. Aus den Bewerbungen wurde eineengere Wahl von sechs Ingenieurbüros gebildet, dieim Juni dieses Jahres ihre Konzeptionen zum Rück-bau darlegten. Der Auftrag an ein ausgewähltes In-genieurbüro soll nach Auskunft des Landes Berlinbis Mitte Juli erteilt werden.Liebe Frau Blank, da die Frage „Was ist eigentlich ge-schehen?“ Ihr wichtigster Punkt war, würde ich michfreuen, wenn Sie zumindest diese Information zurKenntnis nehmen würden, die Ihnen offenbar nicht be-kannt war, denn sonst hätten Sie hier eine andere Redegehalten. Ich zitiere weiter:Bis zum Jahresende liegt die erforderliche Geneh-migungsplanung für den Rückbau vor. Anfang2005 soll die Ausschreibung der Bauarbeiten nachEU-weitem öffentlichen Teilnehmerwettbewerb er-folgen. Nach Auftragsvergabe können die Rück-bauarbeiten im Frühjahr 2005 beginnen. Die Dauerder Arbeiten ist sehr stark von der Abbruchmethodeabhängig und wird voraussichtlich bis Mitte 2006abgeschlossen werden können.Das ist der Sachstand. Jetzt frage ich: Warum führenwir diese Debatte? Es steht alles im Einklang mit dem,was wir beschlossen haben. Ich bin bewusst am Anfangauf diese beiden Punkte eingegangen. Man sieht, dassdas, was wir beschlossen haben, umgesetzt wurde.
Herr Kollege Barthel, der Kollege Otto möchte gern
Ihre Redezeit durch eine Zwischenfrage verlängern.
Nein, er darf nicht reden. – Lieber Herr Kollege
Barthel, Sie haben eben die Frage gestellt, warum wir
hier debattieren. Ich möchte Ihnen die Antwort in Form
einer Frage geben, und zwar zitiere ich aus einem Proto-
koll des Ausschusses für Kultur und Medien vom
15. Oktober 2003. Ich würde Sie bitten, in Ihrer Rede
dazu Stellung zu nehmen.
Ich darf Ihre wie immer klugen Worte zitieren:
Solange der Palast noch stehe, habe er – gemeint sind
Sie, Herr Barthel – nichts gegen eine Zwischennutzung,
unter der Bedingung, dass dort keine öffentlichen Mittel
hinein fließen werden.
Das ist der Punkt und deswegen haben wir die De-
batte.
Ich möchte den Kollegen Otto darauf hinweisen,
d
f
m
K
L
g
–
n
S
P
r
D
u
m
z
i
r
e
v
g
B
z
j
lä
k
„
m
z
w
n
n
e
a
r
n
N
s
L
w
k
ass es der Geschäftsordnung bezüglich der Zwischen-
ragen noch besser entsprechen würde, wenn eine ange-
eldete Frage nicht als Antwort angekündigt würde.
Jetzt kommt die Frage, Herr Präsident: Lieber Herr
ollege Barthel, würden Sie bitte zu dieser Aussage im
aufe Ihrer Rede auch noch Stellung nehmen?
Ich habe verstanden, hätte ich beinahe gesagt. Ichehe gern darauf ein. Ich komme noch zu Ihrer Frage.
Sie dürfen sich setzen, ja.Das, was Sie angesprochen haben, ist ja nur ein Punkteben vielen anderen – das werden Sie feststellen, wennie den Antrag lesen –; ich wollte aber gern zu allenunkten etwas sagen. Die erste Frage war, wenn ich esichtig verstanden habe, die entscheidende: Wird dasing jetzt abgerissen oder nicht? Weil es hauptsächlichm diese Frage geht, habe ich mir erlaubt, aus der Infor-ation, die wir alle hätten bekommen können, hier zuitieren. Vor dem Hintergrund dieser Informationen sehech keinen Grund, jetzt überhaupt diese Debatte zu füh-en. Aber der Antrag hat wohl andere Gründe – welche,rschließt sich mir nicht. Vielleicht ist das Sommerlochor der Tür oder man muss Fahne zeigen.Wenn man den Antrag liest, fallen einem manche Be-riffe auf. Da wird nicht gefordert, sondern es werdenegriffe wie „Der Senat soll sich verstärkt dafür einset-en“ benutzt. Schon diese Formulierung zeigt mir undedem, der noch der deutschen Sprache mächtig ist: Hieruft ja bereits etwas. Weil man das nicht in Frage stellenann, gibt es in diesem Antrag Formulierungen wieverstärkt einsetzen“ oder „stärker als bisher“. Obwohlan sieht, dass etwas läuft, glaubt man, noch nachhakenu können.Ich möchte jetzt zur Frage der Nutzung kommen,eil das in der Tat eine wichtige Frage ist. Ich sage Ih-en meine Position vorweg: Sie wissen, dass ich für ei-en möglichst schnellen Abriss dieses Palastes bin. Zuminen finde ich ihn total hässlich, zum anderen sprechenuch mehrere andere Gründe für den Abriss, die hier be-eits genannt wurden. Aber ich vertrete genauso die Mei-ung: Solange er nicht abgerissen wird und es eineachfrage gibt, sowohl von Leuten aus dem künstleri-chen Bereich, die ihn bespielen wollen, als auch voneuten, die hingehen und diese Angebote annehmen,äre es nicht nachvollziehbar, wenn man diese Möglich-eit der Nutzung dieses Hauses ausschlägt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10675
)
)
Eckhardt Barthel
Das Schärfste ist ja nun in der Tat – so ist gesagt wor-den –, dass der BDI dort eine Veranstaltung durchgeführthat.
– Lügen Sie sich doch nichts in die Tasche! Ihnen geht esdoch nicht um die Subventionsfrage.
Ihnen geht es darum, dass das Gebäude überhaupt ge-nutzt wird. Die Frage der Mittel aus öffentlicher Handschieben Sie lediglich vor. Diese Debatte hatten wirdoch schon. Insofern habe ich aus ihr etwas gelernt.Es ist wirklich schön zu sehen, dass der BDI demCharme des Verfallenden erlegen ist und dort eine Ver-anstaltung abgehalten hat. In diesem Gebäude finden inder Tat hochwertige Veranstaltungen statt.
Ich finde auch die Aktion des Berliner Kultursenators– Palastnutzung vom 20. August bis zum 31. Oktober –richtig. Denn ich möchte, dass das Gebäude bespieltwird.Um welche Gelder geht es? Nehmen wir den Haupt-stadtkulturfonds.
Aus ihm fließt Geld für Projekte. Jetzt wird es problema-tisch: Soll er ein innovatives und kreatives Projekt nurdeshalb nicht unterstützen, weil der Palast leer steht? Erbietet doch die besten Möglichkeiten dafür? Ich bin Kul-turpolitiker und möchte keine Ablehnung aus diesemGrund.
Das Geld wird nicht für den Palast, sondern für Projektezur Verfügung gestellt. Dorthin gehört es.
Aber man lernt nicht nur vom BDI. Auch sonst ge-schehen die merkwürdigsten Geschichten mit dem Palastder Republik. Liebe Kollegen von der CSU, es ist toll,wer sich alles an den Palast anhängt. Sie sollten sich ein-mal das Impressum auf der Homepage von Norbert Geisangucken:Verantwortlich:Norbert Geis MdBAls Adresse ist angegeben:Palast der Republik11011 BerlinEs wird immer schöner, was Sie alles mit dem Palast ma-chen – ohne öffentliche Mittel übrigens.EkmABSFudbCWdgkDghdmDSwpacTS6dnvsI6danwlömmg
Das war eine tief gehende Diskussion, die viel ge-racht hat. Jetzt kommt wieder ein Antrag von der CDU/SU, als wäre nichts gewesen.
ieder kommt die falsche Reihenfolge vor. Was warenn zuerst? Das finde ich sehr bedauerlich.Bei der Planung, die spätestens in zwei Jahren vorlie-en muss, ist auch das verschüttete Gewölbe zu beden-en – ein phänomenales Areal, das genutzt werden muss.arüber redet schon kein Mensch mehr. Die Planungs-ruppe, die jetzt noch anderthalb Jahre Zeit hat – ichoffe, dass sie dann etwas Gutes vorlegt –, sollte sowohlas Gewölbe als auch das Denkmal – wie auch immeran dazu steht – berücksichtigen.Ich habe von Bürgerrechtlern gelernt, dass wir auf dasenkmal verzichten sollten. Auch das haben sie uns instammbuch geschrieben: Es ist nicht gut, wenn wir, dieir diese friedliche Revolution gemacht haben, unsraktisch selbst ein Denkmal setzen. – Herr Weißgerberus Leipzig, der auf der Montagsdemonstration gespro-hen hat, hat uns gewarnt.Eine letzte Bemerkung. Wir können nicht über dieseshema reden, ohne über die Finanzen zu sprechen.chon das Moratorium hatte den Grund, dass wir die70 Millionen Euro nicht bekommen. Nun hat sich aberie Bürgerinitiative, für die Sie hier sprechen – ichehme an, das ist der Grund dieses Antrages –,
erpflichtet, 80 Millionen Euro einzubringen. Der Be-chluss, das Schloss zu bauen, steht. Ich hoffe daher, dienitiative schafft das. Zurzeit ist sie vielleicht bei 5 oderMillionen Euro. Aber die 80 Millionen Euro sind Teiler Gesamtkonzeption. Woher die 670 Millionen Eurous Bundesmitteln kommen sollen, ist mir bis heute auchicht klar.Ich bitte, mit dieser Frage ehrlich umzugehen. Wennir das Geld haben, ist zwar das finanzielle Problem ge-st; aber wir werden weiterhin ein Problem haben. Wirüssen in unserer finanziell angespannten Situation ver-itteln, dass so hohe Mittel für ein solches Projekt aus-egeben werden sollen. Das sollte jeder wissen.
Metadaten/Kopzeile:
10676 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
)
)
Eckhardt Barthel
Ich sage abschließend: Der Antrag, den Sie hier vor-gelegt haben, ist inhaltlich unbegründet, weil alles genauso läuft, wie es beschlossen wurde. Sie sind unzufriedendarüber, dass das Gebäude für viele Künstler und Kultur-schaffende sehr attraktiv ist und dass viele in der Bevöl-kerung Interesse daran zeigen. Dabei beziehe ich michnicht auf den BDI, sondern auf die kulturelle Nutzung.Darüber sind Sie frustriert. Wegen dieses Frustes abersollte man im Deutschen Bundestag keinen Antrag stel-len.Ich bedanke mich.
Wenn man die letzte Empfehlung ernst nähme, könn-
ten möglicherweise sehr viele Anträge entfallen.
Nun erteile ich dem Kollegen Markus Löning für die
FDP-Fraktion das Wort.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Barthel,die Argumentation, mit der Sie begründet haben, warumdas Geld – weil es öffentliches Geld ist – doch für dieNutzung des Palastes verwendet werden kann, warschon ein wenig philisterhaft und nicht wirklich redlich.Der Antrag und der Beschluss sind doch wirklich ein-deutig. Zu sagen, dass der Palast der Republik vielleichtdoch erhalten bleiben kann, finde ich nicht in Ordnung.Das Geld könnte man besser für etwas Vernünftiges ver-wenden.
Damit könnten zum Beispiel die Anwerbung der Mittel,die Infobox oder ähnlich Sinnvolles wie richtig gute, in-novative Projekte finanziert werden, die es nicht nur indieser Gegend Berlins gibt.
Zum Thema Bürokratie haben Sie geschildert, wielange es dauert, um überhaupt einen Plan aufzustellen,damit dann vielleicht irgendwo ein Auftrag erteilt wer-den kann. Genau das ist das Berliner Problem. Deswe-gen ist es richtig, dass der Antrag hier gestellt wordenist. Der Senat pennt von vorne bis hinten. Es kann dochnicht wahr sein, dass die Bürokratie zwei Jahre damit be-schäftigt werden muss, um diesen Kasten abzureißen.
Das ist doch unerträglich. Herr Barthel, ich finde esfurchtbar, dass wir hier allen Ernstes über den Abrissdieses Kastens und über eine Zwischennutzung diskutie-ren, anstatt darüber, was dort entstehen soll.W–admbHwasfh–ezdeDbtdIs–dndfwHH
Herr Barthel, genau das ist das Problem: Es fehlt hiern politischer Führung.Die Kollegin Blank hat die fehlende Führung seitenser Bundesregierung angesprochen. Das ist richtig, aberan muss auch fragen: Wo ist der Senat? Beim Senatesteht das gleiche Problem.
ier summieren sich zwei, die nichts tun und nicht vor-ärts gehen. Das ist an dieser Stelle und auch an vielennderen Stellen Berlins das Problem. Es ist einfachymptomatisch: Herr Wowereit hat sich geäußert. Er istür einen Abriss. Aber hat er irgendetwas getan? Nichtsat er getan.
Über Herrn Flierl braucht man doch gar nicht mehrrnsthaft zu reden. Das ist in dieser Stadt doch kein ernstu nehmender Senator mehr.Herr Barthel, ich würde mir wünschen, dass sowohlie Bundesregierung als auch der Senat sagen: Wir ori-ntieren uns am Beispiel Dresden.
resden ist ein gutes Beispiel dafür, wie man die Kom-ination von Bürgerengagement, von Unterstützung sei-ens der privaten Wirtschaft und der politischen Seite,ie den Weg freimacht, schafft. An dieser Stelle ist eshre Aufgabe, den Weg freizumachen.
Ich weiß nicht, ob Sie in letzter Zeit in Dresden gewe-en sind.
Es ist wirklich beeindruckend. Ich finde es bewegend,ie Fortschritte zu sehen. Vor einigen Jahren lagen dortur die Steine. Inzwischen steht die Kirche und jetzt istas Kreuz draufgesetzt worden.Was ist dagegen hier passiert? Nichts ist passiert. Esehlt hier an politischer Führung und an dem Willen,irklich etwas umzusetzen. Das muss geändert werden.ier müssen die Bundesregierung und der Senat Hand inand arbeiten.Danke.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004 10677
)
)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Palast der Republik wurde spät und aufwendig vom
Asbest befreit. Nun steht er – außen verstaubt und innen
bereinigt – im Herzen Berlins. Seit Monaten wird er wie-
der angenommen: bei Besichtigungen, bei Ausstellun-
gen, bei Kongressen.
Berlins Kultursenator Thomas Flierl hat diese Zwi-
schennutzung ausdrücklich begrüßt,
nicht im Blick zurück, nicht in ideologischer Konfronta-
tion, sondern – ich zitiere – als „diesseitige Utopie“. Ich
finde, diese vielfältige Öffnung ist das Beste, was dem
Palast, was diesem Platz und auch Berlin und seinen Be-
suchern derzeit passieren kann.
Jeder hier im Haus weiß es doch: Ein Schloss ist der-
zeit nicht zu haben. Niemand hat das Geld dafür: Der
Bund nicht, Berlin nicht und auch private Sponsoren ste-
hen nirgendwo Schlange, oder haben Sie sie heute mit-
gebracht, Frau Kollegin Blank? Es muss also andere
Gründe geben, warum die CDU/CSU erneut auf den Ab-
riss des Palastes drängt und seine Zwischennutzung zu
verhindern sucht.
Bei der Vorbereitung auf die heutige Debatte habe ich
eine Antwort darauf in einem Brief, den die CDU-Abge-
ordnete Lengsfeld an ehemalige Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter des Palastes der Republik schrieb, gefunden.
Darin heißt es wörtlich:
Der Palast der Republik hat nie Anziehungskraft …
besessen … Die Restaurants waren teuer und des-
halb meistens leer.
Im Foyer … fehlte alles, was zu einem Treffpunkt
für Menschen gehört …
Kurzum – immer noch Frau Lengsfeld –:
Der Palast gehört abgerissen, selbst wenn er nicht
asbestverseucht wäre.
Ich weiß nicht, warum ich dann so lange vor dem Ju-
gendtreff angestanden habe, um in die Disco gehen zu
können, und warum andere – übrigens auch Besucherin-
nen und Besucher aus dem Westteil der Stadt – die Res-
taurants so gern genutzt haben und dafür auch eine
Stunde Wartezeit in Kauf genommen haben.
Sie können da nie gewesen sein.
n
s
b
d
–
S
B
e
g
g
D
s
g
p
r
d
K
i
e
B
h
b
n
c
w
v
R
t
F
i
u
s
a
m
–
s
a
A
b
Aber in diesem Antrag steht ja noch etwas anderes
der Kollege Barthel ist schon darauf eingegangen –:
ie versuchen nun im x-ten Anlauf, sich oder – besser –
ürgerrechtlern und ihren Mitstreitern aus der DDR
in Denkmal auf dem Schlossplatz zu setzen. Kein Bür-
errechtler – Sie haben sich damals in der Debatte dazu
eäußert – aus DDR-Zeiten, der auch heute, im vereinten
eutschland, Bürgerrechtler geblieben ist, verfolgt ein
olches Ansinnen, wie es in Ihrem Antrag steht. Und es
ibt sie noch, die auch heute couragiert in der Bundesre-
ublik für Menschenrechte, für Bürgerrechte, für Ge-
echtigkeit und Frieden streiten. Die Antragsteller aller-
ings gehören in dem Fall nicht dazu.
Noch einmal ganz kurz zur Zwischennutzung durch
unst und Kultur aus Ost und West zurück: Sie machen
n der Tat aus der Not eine Tugend, womit Sie übrigens
twas im Sinne unserer Beschlüsse – der Beschlüsse des
undestages – leisten: Denn wir haben schon vor Jahren
ier beschlossen, dass der Schlossplatz öffentlich blei-
en und belebt werden muss und dass er den Bürgerin-
en und Bürgern gehört.
Stellen Sie sich schließlich einmal eine Frage: In wel-
hem Gebäude, an welchem Platz der Bundesrepublik
ird der Bundeskanzler eigentlich noch gelobt? Jüngst
eranstaltete der BDI dort seinen Kongress und lobte die
eformen des Bundeskanzlers. Das hätten wir nicht ge-
an, aber ich fand es ausgesprochen interessant.
Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist
rau Dr. Vollmer, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esst ja nun fast schon zu einem Ritual geworden, dass wirns hier in regelmäßigen Abständen als kleiner Rest ver-ammeln und uns noch einmal daran erinnern, was wirn dieser Stelle am 4. Juli 2002 in einer riesigen Rundeit überraschender und Aufsehen erregender Klarheitund übrigens auch einem erstaunlichen Ergebnis – be-chlossen haben: nämlich dass das Berliner Stadtschlossn ursprünglicher Stätte wieder aufgebaut werden soll.ls Demokratin erinnere mich sehr gern an diese De-atte:
Metadaten/Kopzeile:
10678 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 116. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2004
(C)
)
Dr. Antje Vollmerdenn es war eine offene, anspruchsvolle Debatte ohneFraktionsdisziplin und auch eine Debatte, der die Öffent-ben. Eine engere Auswahl von sechs Ingenieurbüros hatim Juni ihre Konzeptionen für den Rückbau vorgelegt.lichkeit wirklich zugehört hat. Aber ehrlich gesagt freueich mich auch, dass wir in einem Jahr um dieselbe Zeitdieses Debattenritual nicht mehr nötig haben werden; dabin ich mir sicher. Ich warte geradezu auf den Moment,wenn nach dem Abriss die Neugestaltung des HerzensBerlins realer wird und die Vorfreude auf das Neue undnicht mehr die Nostalgie für das Gruftige hier Platz fin-det.
Der Palast der Republik wird dann einen teilweisewürdevollen und einen teilweise skurrilen Abschied hin-ter sich haben – skurriler als es sich selbst seine größtenFans wünschen konnten und auch die Fans der Zwi-schennutzung wünschen konnten. So ist das nun einmal:Man setzt die Idee für die Zwischennutzung in die Welt,und der Bundesverband der Deutschen Industrie kommt.Das hat auch mich sehr erstaunt
und vom Stilgefühl und Geschichtsverständnis des BDInicht wirklich überzeugt. Dieses Erstaunen will ich beidieser Gelegenheit wirklich ausdrücken. Die Herren ha-ben merkwürdige Phantasien.Den finalen Höhepunkt dieses langen letzten Som-mers wird es dann im August geben: Künstler aller Spar-ten werden dann den Palast der Republik mit ihren Pro-jekten bespielen. Wer den schönen Schauer desGebäudes liebt, darf sich also ausgiebig ausleben. Ichfinde, da kann man dann auch großzügig sein. Das solltees dann aber auch gewesen sein.Jetzt ist es an der Zeit, den Beschluss des Bundestagesumzusetzen. Es ist beruhigend, zu sehen, dass die nostal-gischen Äußerungen des Berliner Kultursenators, dersich regelrecht zum Organisator der Zwischennutzunggemacht hat, auch bei seinen Senatskollegen auf keineGegenliebe gestoßen sind. Ich glaube, dass er dafür keinrichtiges Mandat hatte. Manchmal wünschte ich mir, erhätte sich mehr um die Opernstiftung gekümmert.
Der Berliner Senat steht aber wie der Deutsche Bundes-tag zu seiner Entscheidung für den Abriss.Allen ist klar, dass der Palast der Republik alles an-dere als ein utopisches Zukunftsmodell ist. Was ist er?Er ist eine Ruine, die das historische Zentrum Berlins imAugenblick städtebaulich verstellt.
Die Unzufriedenheit, die Sie, liebe Kolleginnen undKollegen von der CDU/CSU, in Ihrem Antrag zum Aus-druck bringen, drückt uns aber wieder einmal kräftig indie von uns längst ohne viel Aufsehens beschrittenenWege: Im Januar wurden die Planungsleistungen für dieVorbereitung des Abrisses EU-weit offen ausgeschrie-NdEfPbwmadDfdtelrwItlagesnomgd
s ist also alles auf dem richtigen Weg und von den da-ür Zuständigen organisiert. Ich weiß also nicht, wo dasroblem liegt.
Anfang 2005 soll dann die Ausschreibung der Bauar-eiten nach einem EU-weiten öffentlichen Teilnehmer-ettbewerb erfolgen, sodass die Abrissarbeiten nacheiner Rechnung im Frühjahr 2005 beginnen und, wennlles nach Plan läuft, bis Mitte 2006 abgeschlossen wer-en können.
ann hätten wir endlich auch Platz für Phantasien undür die Planungen, die wir dann brauchen. Wir hättenann vor allen Dingen einen Anlass, Geld für die Gestal-ung der offenen Flächen von denjenigen, die sich dafürngagiert haben, einzuwerben und wir brauchen vor al-en Dingen eine Planung bezüglich des Humboldt-Fo-ums.Das sind die Dinge, die jetzt wirklich anstehen. Mirürde es übrigens Spaß machen, daran teilzunehmen.ch glaube, der Reiz der hier immer wiederholten Debat-en ist einigermaßen ausgeschöpft. Lasst uns doch end-ich einmal ein paar neue Gedanken diskutieren!
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die die Überweisung der Vorlage
uf Drucksache 15/3315 an die in der Tagesordnung auf-
eführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
inverstanden? – Das ist der Fall. Damit ist sicherge-
tellt, dass hier nach Rückkehr aus den Ausschüssen die
ächste Debatte zu diesem Thema stattfindet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe den Deutschen Bundestag zur gemeinsa-
en Sitzung mit dem Bundesrat anlässlich der Vereidi-
ung des Bundespräsidenten auf morgen, Donnerstag,
en 1. Juli 2004, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.