Protokoll:
15112

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 112

  • date_rangeDatum: 28. Mai 2004

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:24 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/112 Pflüger, Dr. Christian Ruck, Hermann Gröhe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Für eine Part- nerschaft für Frieden und Stabilität im größeren Mittleren Osten und in Nord- afrika (Drucksache 15/3050) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Dr. Rainer Stinner, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für einen Helsinki-Prozess für den Nahen und Mittleren Osten (Drucksache 15/3207) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion der FDP einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Grundgesetzes (Art. 23) zur Einführung eines Volksentscheids über eine europäische Verfassung (Drucksache 15/2998) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Peter Hintze, Dr. Gerd Müller, Michael Stübgen, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Den EU-Verfassungsprozess zum Erfolg führen (Drucksache 15/2970) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: 10191 B 10191 B 10211 B 12211 B Deutscher B Stenografisch 112. Sitz Berlin, Freitag, den I n h a l Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Ernst Burgbacher . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: a) Antrag der Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wiesloch), Gernot Erler, Kerstin Griese, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Dr. Ludger Volmer, Claudia Roth (Augsburg), Marianne Tritz, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Europa und der Nahe und Mittlere Osten als Nach- barn und Partner der EU (Drucksache 15/3206) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Friedbert D D G D J D D D J T a 10217 C 10191 A Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU) . . . . . . . . . 10191 D 10193 B undestag er Bericht ung 28. Mai 2004 t : r. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . ert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . r. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . oseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . r. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) . . . . . . . ietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . oachim Hörster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 22: ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ernst Burgbacher, Rainer Brüderle, 10195 B 10197 A 10199 A 0000 A10200 C 10201 D 10204 B 10206 D 10209 A 10210 A Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die euro- päische Verfassung beschließen – der II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 erweiterten Union ein solides Fundament für die Zukunft geben (Drucksache 15/3208) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hintze (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Altmaier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: a) Antrag der Abgeordneten Gabriele Groneberg, Karin Kortmann, Dr. Axel Berg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Globale Zukunfts- sicherung durch die Förderung erneu- erbarer Energien in Entwicklungslän- dern vorantreiben (Drucksache 15/3212) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Bestandsaufnahme durch die Deutsche Energie-Agentur (dena) über den Handlungsbedarf bei der Förderung des Exportes erneuerba- rer Energietechnologien (Drucksache 15/1862) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Nationalen Zuteilungsplan für Treib- hausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 (Zutei- lungsgesetz – NAPG) (Drucksachen 15/2966, 15/3224, 15/3237) Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . D J B D D D G J G D M U D P M Z B s d m t z ( 1 Z B A U e g s ( 1 T A L B F p u ( i 10211 C 10211 C 10212 D 10214 C 10214 D 10216 A 10217 C 10219 A 10220 C 10223 C 10225 C 10228 A 10228 C 10229 B 10231 B 10232 A 10233 D 10233 D 10234 A 10234 B r. Klaus W. Lippold (Offenbach) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . irgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Hermann Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . r. Peter Paziorek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . r. Hermann Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . eorg Girisch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . ürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . eorg Girisch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . r. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . lrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . r. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . etra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . arie-Luise Dött (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 15: eratung der Beschlussempfehlung des Aus- chusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu em Gesetz zur Neuordnung der einkom- ensteuerrechtlichen Behandlung von Al- ersvorsorgeaufwendungen und Altersbe- ügen (Alterseinkünftegesetz – AltEinkG) Drucksachen 15/2150, 15/2563, 15/2592, 5/2986, 15/3004, 15/3160, 15/3230) . . . . . . usatztagesordnungspunkt 16: eschlussempfehlung des Ausschusses nach rt. 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur msetzung der Richtlinie 2003/87/EG über in System für den Handel mit Treibhaus- asemissionszertifikaten in der Gemein- chaft Drucksachen 15/2328, 15/2540, 15/2681, 5/2693, 15/2901) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 24: ntrag der Abgeordneten Karl-Josef aumann, Dagmar Wöhrl, Veronika ellmann, weiterer Abgeordneter und der raktion der CDU/CSU: Ausschreibungs- raxis in der Arbeitsmarktpolitik effizient nd effektiv ausgestalten Drucksache 15/2826) . . . . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit 10235 C 10237 B 10238 C 10240 B 10241 B 10241 D 10242 C 10244 A 10244 B 10244 C 10245 D 10247 A 10247 D 10250 D 10251 D 10252 B 10253 D 10254 A 10254 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 III Zusatztagesordnungspunkt 13: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für eine qualitätsorientierte und an den regionalen Bedürfnissen ausgerichtete Ausschrei- bungspraxis von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung der Frie- densregelung für das Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch- Technischen Abkommens zwischen der In- ternationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) (Drucksache 15/3213) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ver- besserung der Bekämpfung der Jugendde- linquenz (Drucksache 15/1472) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer Funke, Sibylle Laurischk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ju- gendstrafvollzug verfassungsfest gestalten (Drucksache 15/2192) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Corinna Werwigk-Hertneck, Ministerin (Baden-Württemberg) . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Franz Müntefering (SPD) zur namentlichen Abstim- mung über die Beschlussempfehlung: Fort- setzung der deutschen Beteiligung an der Internationalen Sicherheitspräsenz im Ko- sovo zur Gewährleistung eines sicheren u J 9 A Z d – – ( n K V M D R A Z – – ( n E A A 10254 C 10254 D 10254 D 10255 A 10256 C 10258 A 10260 A 10261 A 10261 D 10263 A nd den Regierungen der Bundesrepublik ugoslawien und der Republik Serbien vom . Juni 1999 (Tagesordnungspunkt 6 a) . . . . nlage 3 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Anträge: Ausschreibungspraxis in der Arbeits- marktpolitik effizient und effektiv ausge- stalten Für eine qualitätsorientierte und an den re- gionalen Bedürfnissen ausgerichtete Aus- schreibungspraxis von arbeitsmarktpoliti- schen Maßnahmen Tagesordnungspunkt 24 und Zusatztagesord- ungspunkt 13) laus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . eronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . arkus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . irk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 4 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Jugenddelinquenz Beratung des Antrags: Jugendstrafvollzug verfassungsfest gestalten Tagesordnungspunkt 25 und Zusatztagesord- ungspunkt 14) rika Simm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 5 mtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10263 C 10263 D 10265 A 10264 A 10268 A 10269 A 10270 A 10270 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 10191 (A) ) (B) ) 112. Sitz Berlin, Freitag, den Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 10263 (A) ) (B) ) von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ist in der TatSchulz (Spandau), Swen SPD 28.05.2004 Klaus Brandner (SPD): Die Ausschreibungspraxis nungspunkt 13) Schröder, Gerhard SPD 28.05.2004 Anlage 1 Liste der entschuldigt * A f A Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Barthle, Norbert CDU/CSU 28.05.2004 Bierwirth, Petra SPD 28.05.2004 Braun, Helge CDU/CSU 28.05.2004 Brüderle, Rainer FDP 28.05.2004 Daub, Helga FDP 28.05.2004 Eichstädt-Bohlig, Franziska BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.05.2004 Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU 28.05.2004 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 28.05.2004 Glos, Michael CDU/CSU 28.05.2004 Griefahn, Monika SPD 28.05.2004 Haack (Extertal), Karl Hermann SPD 28.05.2004 Hagemann, Klaus SPD 28.05.2004 Dr. Hendricks, Barbara SPD 28.05.2004 Kossendey, Thomas CDU/CSU 28.05.2004 Kramme, Anette SPD 28.05.2004 Letzgus, Peter CDU/CSU 28.05.2004* Matschie, Christoph SPD 28.05.2004 Müller (Erlangen), Stefan CDU/CSU 28.05.2004 Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 28.05.2004 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 28.05.2004 Dr. Rexrodt, Günter FDP 28.05.2004 Rühe, Volker CDU/CSU 28.05.2004 Scharping, Rudolf SPD 28.05.2004 Scheuer, Andreas CDU/CSU 28.05.2004 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 28.05.2004 T V W D A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht en Abgeordneten für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates nlage 2 Erklärung des Abgeordneten Franz Müntefering (SPD) zur namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der Internationalen Sicherheits- präsenz im Kosovo zur Gewährleistung eines si- cheren Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung der Frie- densregelung für das Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwi- schen der Internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepu- blik Jugoslawien und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 (111. Sitzung, Tagesordnungs- punkt 6 a) In der Abstimmungsliste ist mein Name nicht aufge- ührt. Mein Votum lautet Ja. nlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Ausschreibungspraxis in der Arbeitsmarkt- politik effizient und effektiv ausgestalten – Für eine qualitätsorientierte und an den re- gionalen Bedürfnissen ausgerichtete Aus- schreibungspraxis von arbeitsmarktpoliti- schen Maßnahmen (Tagesordnungspunkt 24 und Zusatztagesord- ritz, Marianne BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 28.05.2004 ogel, Volkmar Uwe CDU/CSU 28.05.2004 ellenreuther, Ingo CDU/CSU 28.05.2004 r. Zöpel, Christoph SPD 28.05.2004 bgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich 10264 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 (A) ) (B) ) ein Problem, das sowohl Träger als auch viele Arbeits- lose verunsichert. Beide Anträge könnten einen Konsens signalisieren. Doch bei genauem Hinsehen stellt man be- trächtliche Unterschiede fest. Die CDU/CSU setzt sich nicht wirklich für die Träger ein, denn das Thema Aus- schreibung spielte in den bisherigen Anträgen und Ge- setzesvorschlägen der Union überhaupt keine Rolle. Stattdessen wurde nur die ganze Arbeitsmarktpolitik in Grund und Boden verdammt, Träger schienen mehr oder weniger überflüssig. Sie wollen doch den Beitragssatz zur BA um 1 Prozent senken. Das bedeutet aber Einspa- rungen von 8 Milliarden Euro. Das sei angeblich leicht zu bewerkstelligen, denn die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen seien sowieso überflüssig und nutzlos. Aus Ihren zahlreichen Anträgen könnte ich weitere negative Vokabeln nennen. Die Kürzungen von 8 Mil- liarden bei den Maßnahmen würde allerdings sofort die Zahlungen für Lohnersatzleistungen um die Hälfte des Betrages in die Höhe treiben. Das heißt, netto blieben nur circa 4 Milliarden an Einsparungen übrig. Das wie- derum heißt: Um tatsächlich 8 Milliarden zu sparen, müssten Sie die Arbeitsmarktpolitik um 16 Milliarden kürzen. Bei Gesamtausgaben von gut 20 Milliarden Euro für Eingliederungsmaßnahmen wäre dann ein sofortiger Stopp zwingend. Es könnte keine einzige Maßnahme be- willigt werden – und das mindestens bis Ende 2005. Ausnahmslos alle Träger und die betroffenen Arbeitslo- sen – mehrere 100 000 Menschen – stünden vor dem Nichts. Die Arbeitslosigkeit würde nur noch verwaltet. Diese Berechnungen sind nicht von mir, sondern wissen- schaftlich belegt durch das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Und wenn Ihnen ohnehin die ganze Richtung nicht passt, ist es mehr als scheinheilig, jetzt sich angeblich Interessen der Maßnahmeträger zu Eigen zu machen. Sie verhalten sich wie jemand, der den Sportunterricht abschaffen will, aber gleichzeitig über eine Verbesserung der Turnhalle diskutiert. Ein solches Täuschungsmanöver lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Auch wenn Sie offensichtlich auf das kurze Gedächtnis der Wähler spekulieren, auf dieses Täuschungsmanöver werden sie nicht hereinfallen. Wir halten Ausschreibungen von Fördermaßnahmen grundsätzlich für richtig. Wettbewerb schadet nichts, er ist dann positiv, wenn es um ein vernünftiges Verfahren geht. Allerdings ist die Bundesagentur für Arbeit einige Male über das Ziel hinausgeschossen. Gerade die SPD- Fraktion hat immer wieder und zeitnah auf Korrekturen gedrängt, erfolgreich! Wir haben erreicht: wesentlich mehr Rücksicht auf die regionalen Belange durch kleinere Lose und längere Ausschreibungsfristen. Die örtlichen Arbeitsagenturen sind bei der endgültigen Entscheidung über die Vergaben maßgeblich. Das wichtigste Auswahlkriterium ist die Qualität, zum Beispiel gute Kontakte zu den Arbeitge- bern in der Region, Berücksichtigung der bisherigen Ar- beit von leistungsfähigen, seriösen Anbietern. Es wird kein Preisdumping geben. Darüber hinaus wurde eine mittelfristig angelegte Kooperation der Agenturen mit den Trägern sichergestellt, die diesen eine vernünftige Kalkulationsbasis bietet. v B C i v b d d n m w l r d r D a D h f d z W D m s c d r W R o a d S s b Z G s k s a S n B f s g t e d A s M R h (C (D Dieses hat der Vorstand der BA bei der SPD-Fraktion erbindlich zugesagt, und zwar am 2. März 2004. Die A hat die Zusage erkennbar und schnell umgesetzt. Die DU/CSU produzierte dazu am 30. März einen Antrag, n dem sie außerdem noch völlig abwegig auf die Insol- enz von Maatwerk eingeht. Das hat mit der Ausschrei- ungspraxis nun wirklich nichts zu tun. Auch die Frage er Bildungsgutscheine ist hier nicht relevant. Weiterbil- ungsmaßnahmen werden gerade deswegen überhaupt icht ausgeschrieben. Dieser Antrag ist eine Lachnum- er. Er befasst sich im Übrigen mit der Vergangenheit, ährend wir die Dinge anpacken. Die Diskussion um die Ausschreibungspraxis ist al- erdings noch nicht beendet. Ursache hierfür sind Ge- ichtsurteile und jüngst ein Spruch der Vergabekammer es Bundeskartellamtes. Offensichtlich besteht also ge- ade auf diesem Feld Unklarheit über die Rechtslage. as verunsichert logischerweise Träger und Verbände, ber auch die Arbeitsagenturen und die Mitarbeiter dort. ie BA hat in Abstimmung mit dem BMWA schnell ge- andelt. Deshalb wurde kurzfristig die Ausschreibung ür berufsvorbereitende Maßnahmen noch einmal geän- ert. Es gilt eine verlängerte Ausschreibungsfrist bis um 11. Juni. Gemeinnützige Träger können jetzt im ettbewerb mit gewerblichen Unternehmen antreten. eshalb sind auch circa 90 Prozent des Vergabevolu- ens für einen einheitlichen Ausschreibungskreis vorge- ehen. Es bleibt bei kleinen Losgrößen. Nur rein staatli- he Träger sind ausgeschlossen, sie können aber von em kleinen Volumen der freihändigen Vergabe profitie- en. Mit unserem Antrag wollen wir den eingeschlagenen eg absichern und weiterentwickeln. Rechtsklarheit und echtssicherheit müssen her. Wir werden die Vergabe- rdnung ändern. Dies kann allerdings nicht von heute uf morgen geschehen, schließlich sind auch noch an- ere Bereiche betroffen. Wir brauchen daher geeignete chritte schon für 2004. Wir müssen vor allem sicher- tellen, dass die berufsvorbereitenden Maßnahmen für enachteiligte und behinderte Jugendliehe pünktlich im eitraum September/Oktober 2004 beginnen können. erade diese Zielgruppe ist auf staatliche Hilfe angewie- en. Wir lassen die jungen Menschen nicht hängen. Sie önnen am allerwenigsten das Hickhack um die unter- chiedlichsten Verfahren nachvollziehen. Die Bundes- gentur für Arbeit ist deshalb gerade hier zu besonderer orgfalt verpflichtet. Wir wollen unterschiedliche Maß- ahmen fördern, die jeweils auf die unterschiedlichen edürfnisse der jungen Menschen eingehen. Das heißt ür die Vergabe: Die Qualität der Maßnahmen und ent- prechend die Qualität des Trägers stehen im Vorder- rund. Klares Ziel ist die Verbesserung der Integra- ionschancen der Teilnehmer, nicht etwa die Möglichkeit iner Standardisierung. Das gilt in besonderer Weise für Maßnahmen nach em SGB IX. Die Teilhabe behinderter Menschen am rbeitsleben ist eine besondere Verpflichtung in Hin- icht auf Qualität und Kontinuität der Leistungen. Die aßnahmen für die Inanspruchnahme der beruflichen ehabilitation nach § 35 SGB IX sollen deshalb weiter- in ausschreibungsfrei bleiben. Insgesamt gilt: Gemein- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 10265 (A) ) (B) ) nützige Beschäftigungsgesellschaften und Träger der freien Wohlfahrtspflege sind wichtige Säulen der regio- nalen Arbeitsmarktpolitik. Sie sind für eine erfolgreiche Arbeit mit den Zielgruppen am Arbeitsmarkt weiterhin notwendig. Sie haben lokale Beschäftigungsnetzwerke organisiert, die wir erhalten und nutzen wollen. Dieses zu berücksichtigen ist bei einem vernünftigen Vergabe- recht und vor allem einem vernünftigen Vergabeverfah- ren durchaus möglich. Und wenn im Einzelfall eine öffentliche Ausschreibung nicht geeignet ist, muss es auch andere Möglichkeiten geben. Ausschreibungen sind wichtig für uns, aber kein Prinzip ohne Ausnahme. Veronika Bellmann (CDU/CSU): Im Monat April waren in Deutschland 4,4 Millionen Menschen arbeits- los, 26,3 Millionen Menschen waren sozialversiche- rungspflichtig beschäftigt. Das bedeutet ein Minus zum Vorjahr von 623 000 Jobs. Während die Weltwirtschaft Fahrt aufnimmt, schmiert der deutsche Arbeitsmarkt ab. Eine Trend- wende ist auch weiterhin nicht in Sicht. Das Beschäfti- gungsdesaster wäre noch viel größer, wenn Rot-Grün nicht die Statistik manipuliert hätte. Zur Erinnerung: Seit Januar sind mit einem Federstrich allein 80 000 Arbeits- lose, die sich in Trainingsmaßnahmen befinden, aus der Statistik gestrichen worden. Die Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist also so desolat wie schon seit Jahren unter Rot-Grün und trotz der nun schon anderthalb Jahre geltenden Hartz- Reformen. Was wurde uns von der glorreichen Hartz-Kommis- sion nicht alles versprochen: massenhaft Arbeitsplätze, schnelle Vermittlung von Arbeitslosen, die Halbierung der Arbeitslosigkeit. Nichts von dem ist eingetreten. Deutschland tritt weiterhin auf der Stelle und fällt im Weltmaßstab zurück. Aber immerhin können wir auf fantasievolle Ideen verweisen, wie man die Arbeitslosigkeit eher nicht be- kämpft, zum Beispiel mit Personal-Service-Agenturen. 500 000 Menschen sollten laut Bundesregierung durch dieses Instrument eine befristete und jährlich bis zu 350 000 eine dauerhafte Tätigkeit finden. Bis heute ha- ben gerade einmal knapp 8 000 Vermittlungen in Be- schäftigung stattgefunden – bei einer Subvention in Höhe von 230 Millionen Euro. Jede fünfte PSA ist in- zwischen pleite. Ähnliches bei der Ich-AG. Gerade einmal 100 000 Ar- beitslose nutzten dieses Instrument – 500 000 wurden vorhergesagt. Es muss sich erst noch zeigen, wie viele von diesen Existenzen wirklich dauerhaft und rentabel sind. Trauriger Abschluss des Hartz-Desasters ist der Job- floater. Weniger als 10 Prozent des versprochenen Be- schäftigungseffekts und eine skandalöse Subvention pro Arbeitsplatz von fast 73 000 Euro sind die Bilanz. Gleiches gilt für das Programm „Kapital für Arbeit“. Statt unsere Unternehmen, die keine zusätzlichen Ka- pitaldienste mehr tragen können, mit Kreditprogrammen z d a n d B d K d t e n t d s s v g b m u n 1 t t t e u h w h a t d d B l h t f v C w u d g g d T t n S d (C (D u beglücken, sollten die Instrumente der Förderbank en Bedürfnisse der kleinen und mittleren Unternehmen ngepasst werden und nicht umgekehrt. Unsere Unter- ehmen brauchen kleinteilige Kredite zu günstigen Kon- itionen sowie attraktive Beteiligungsangebote und ürgschaftsprogramme, da nicht nur das Kapital, son- ern auch die Besicherungsmöglichkeiten gerade bei MU zur Neige gegangen sind. Als wenn das alles noch nicht genug wäre, steckt eine er größten Behörden in Deutschland, die Bundesagen- ur für Arbeit, seit Monaten in der Krise und produziert inen Skandal nach dem anderen. Wenn es einmal kei- en Skandal gibt, dann wird durch ungeschicktes Verhal- en und nicht zu Ende gedachtes Handeln negativ auf en Arbeitsmarkt eingewirkt. So geschehen zum Bei- piel durch ein vollkommen an der Realität und den wirt- chaftlichen Tatsachen vorbeigehendes Ausschreibungs- erfahren. Anscheinend sollten die Verluste aus dem Millionen- rab „virtueller Arbeitsmarkt“ nun bei den Ausschrei- ungen zur beruflichen Weiterbildung wieder wettge- acht werden. Denn anstatt sich an Qualitätsstandards nd Know-how zu orientieren, wurde ausschließlich ach Kostengesichtspunkten ausgeschrieben. Lose mit Maßnahmenstandorten, welche mehr als 00 Kilometern auseinander lagen, brachten eine einsei- ige Begünstigung der großen bundesweiten Billiganbie- er mit sich. Kleine Bieter sollten zur Bildung von Bie- ergemeinschaften gezwungen werden. Dass diese mit inem hohen Verwaltungsaufwand und großen Steuer- nd haftungsrechtlichen Problemen verbunden sind, ätte man auch in Nürnberg wissen können. Davon abgesehen sind es gerade die Träger vor Ort, elche die größte Kompetenz und die besten Kontakte aben. Diese kleinen Träger sind es, die am effektivsten rbeiten und damit auch für die Bundesagentur am Ende, rotz eines anfänglich vielleicht etwas höheren Preises, en größten Nutzen erzielen. Denn was nutzen Bil- ungsmaßnahmen, wenn sie zwar billig sind, aber am edarf vorbeigehen? Inzwischen wurde – nach massiven Protesten von al- en Seiten – von der BA nachgebessert, wenngleich nur albherzig. Noch immer werden niedrigpreisige Anbie- er bevorzugt – ohne Berücksichtigung der Qualität. Öf- entliche Träger, welche nach Bundesangestelltentarif- ertrag, BAT, entlohnen müssen, haben nur geringe hancen, die privaten Anbieter zu unterbieten. Dies äre aber nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf nd den Aussagen des Kartellamtes notwendig, da nach iesem Urteil getrennte Ausschreibungen für private und emeinnützige Anbieter nicht zulässig sind. Auch ein vernünftiger zeitlicher Rahmen für die aus- eschriebenen Lose wurde noch nicht gefunden. Lose, ie gerade einmal für ein Jahr gültig sind, bringen den rägern und den Menschen, für und mit denen sie arbei- en, keinerlei Planungssicherheit und machen es kaum och möglich, qualitativ hochwertige Ausbildungen und chulungen anzubieten. Ein Zeitraum von mindestens rei bis fünf Jahren wäre mindestens notwendig, um 10266 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 (A) ) (B) ) Planungssicherheit zu gewährleisten. Außerdem ist drin- gend eine stärkere Beteiligung der regionalen Agenturen notwendig und es müssen endlich feste Qualitätsstan- dards her, um die Vergabe transparenter und die Ausbil- dung besser zu machen, etwa im Sinne einer Zertifizie- rung. Aber nicht nur bei der Vergabe von Berufsbildungs- maßnahmen muss reformiert werden. Die gesamte BA gehört auf den Prüfstand! Trotz neuen Namens hat sich nicht viel an der Kopflastigkeit der Agentur geändert. Die Kompetenzen müssen in die Gliederungen verteilt werden. Versicherungsfremde Leistungen, dass heißt ei- gentlich auch alle Maßnahmen der Berufsbildung, gehö- ren nicht in den Angebotskatalog der BA. Diese müssten wieder in den Zuständigkeitsbereich der Länder über- nommen werden, aber nur, wenn auch die Finanzierung gesichert ist. Es ist höchste Zeit, Überregulierungen abzubauen. Dabei sollte auch über weitere Privatisierungen nachge- dacht werden. Die Bundesagentur muss ihre Arbeit auf Kernaufgaben reduzieren. Dies würde eine deutliche Verschlankung dieser Mammutbehörde ermöglichen. Damit einhergehende Einsparungen könnten mittels Bei- tragssenkungen an die Versicherten weitergegeben wer- den. Positiver Nebeneffekt wäre ein Sinken der Lohnne- benkosten, deren Höhe das eigentliche Kardinalproblem in Deutschland ist. Täte dies die BA, würde sie ihren Na- men endlich wieder zu Recht tragen: Bundesagentur für Arbeit. Die Betreuung der Langzeitarbeitslosen sollte zu- künftig dezentral in Jobcentern, die den Sozialämtern angegliedert wären, erfolgen. Langzeitarbeitslosigkeit ist ein sehr komplexes Problem, das weit über den Jobver- lust hinausgeht. Mit diesen Problemen kennen sich die kommunalen Sozialämter bestens aus. Das kann nur vor Ort und nicht in einer Großbehörde geregelt werden. Als Beispiel können uns hier die Niederlande dienen. Mit knapp 16 Millionen Einwohnern erledigen sie diese Auf- gabe dezentral in den Kommunen. Glauben wir ernst- haft, dass Deutschland als 80-Millionen-Volk das mittels einer unbeweglichen Zentralbehörde besser könnte? Damit die Kommunen diese Aufgabe auch überneh- men können, muss der Bund sie mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausstatten. Hier hat zwar Bundes- minister Clement neuerlich Finanzzusicherungen ange- sprochen. Aber keiner von uns weiß, ob das nicht nur wiede reine Ankündigungen und Nebelkerzen sind. Doch Rot-Grün versucht die Kommunen mit dem ak- tuellen Optionsmodell abzuspeisen. Statt wie angekün- digt die eigenverantwortliche Betreuung der Langzeitar- beitslosen durch die Kommunen zuzulassen, wird ihnen mit der „Organleihe“ lediglich angeboten, ihre Beamten und Angestellten in den Sozialämtern an die Bundes- agentur für Arbeit auszuleihen. Das ist keine echte Wahl- möglichkeit und bedeutete gleichzeitig einen Wortbruch der Bundesregierung gegenüber dem Ergebnis des Ver- mittlungsausschusses. Für die Verwaltung der Hilfe- empfänger werden 40 950 Stellen notwendig. Somit würde die BA von derzeit schon 91 000 Mitarbeitern nochmals um 26 000 Mitarbeiter vergrößert. Die dann 1 S s i t v u f e S w d s s n V D v M g e m E n g o b I s c s b b b w g m t b g z s G h t b R d g c (C (D 17 000 Mitarbeiter der BA müssen nicht nur auf die taatsquote aufgeschlagen werden, sondern sind ein chier unüberschaubarer und unregierbarer „Verein“. Es st nur noch eine Frage der Zeit, wann diese Konstruk- ion zusammenbricht. Anstatt weiterhin in diese ineffektive Behörde zu in- estieren, wäre es angebracht, Aufgaben neu zu verteilen nd zum Beispiel verstärkt die privaten Vermittler zu ördern. Derzeit hat die private Arbeitsvermittlung nicht die rwartete Wirkung auf die Arbeitslosenstatistik. Mit der chaffung von Mindeststandards durch die begrüßens- erte Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und en Verbänden der Arbeitsvermittler wurde ein Grund- tein für die Zukunft der privaten Vermittlung gelegt. Allerdings muss das Instrument der Vermittlungsgut- cheine auf den Prüfstand gestellt werden. Es ist bisher ur wenig erfolgreich – nur 7 Prozent der ausgegebenen ermittlungsgutscheine sind bisher eingelöst worden. er Bundesrechnungshof stellt fest, dass die Hälfte der ermittelten Arbeitsverhältnisse gerade einmal sechs onate bestanden haben. Laut Bundesrechnungshof lie- en in knapp einem Drittel der Fälle Anhaltspunkte für ine missbräuchliche Inanspruchnahme oder für Mitnah- eeffekte vor. Insgesamt sind bereits im ersten Jahr 12,5 Millionen uro für die Herstellung von nicht eingelösten Gutschei- en und missbräuchlicher Verwendung von der BA auf- ewendet worden. Es ist also dringend geboten, darüber nachzudenken, b dieses Arbeitsmarktinstrument über den 31. Dezem- er 2004 hinaus verlängert werden soll oder ob andere nstrumente erfolgreicher wären. Auch hier muss eine chnelle Entscheidung getroffen werden, um Planungssi- herheit für die privaten Vermittler zu gewährleisten. Es ei denn, sie möchte private Vermittler überhaupt nicht eteiligen. Dann muss man das aber auch offen sagen. Bei Beibehaltung des Gutscheins müssen Abschläge ei Nichtannahme einer Beschäftigung her, ähnlich wie eim Arbeistlosengeld II. Wenn ein Arbeitsplatz nachge- iesen worden ist, der Klient ihn aber nicht annimmt, ibt es bei der BA Sanktionen, die privaten Vermittler üssen dieses Verhaltensrisiko allein tragen. Die Befris- ung der Geltungsdauer der Gutscheine auf drei Monate ringt den Arbeitsagenturen nur zusätzliche Arbeit. Sie ilt es zu verlängern, um den Verwaltungsaufwand ein- uschränken. Doch auch bei Umsetzung dieser Änderungen werden ich die Arbeitslosenzahlen nicht gravierend verändern. rund dafür ist die zu geringe Wachstumsdynamik, die ohe Regulierungsdichte und die hohe Abgabenbelas- ung sowie die Defizite in der Bildung allgemein. Daher rauchen wir eine Politik, die mehr bietet als halbherzige eformen und Showeinlagen. Wir brauchen endlich wie- er Dynamik und Wachstum. Nur so wird Beschäftigung eschaffen! Das ist mit dieser Regierung wohl nicht mehr zu ma- hen. Durch ihre Zickzackpolitik – rein in die Kartof- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 10267 (A) ) (B) ) feln, raus aus den Kartoffeln – verschreckt sie Investo- ren, die hier Arbeitsplätze schaffen wollen, genauso wie mit dem Ausufern der Bürokratie. Diese potenziellen In- vestoren werden davon abgehalten, durch Wachstum Be- schäftigung und damit den Aufschwung zu schaffen. Bestes Beispiel ist der gigantische Moloch der BA, der Tag für Tag mehr aus dem Ruder läuft. Es ist ein Elend, was diese Regierung mit unserem Land macht. Gestern sagte mir ein Kollege, dass er gesehen habe, dass schon Vögel mit dem Rücken nach unten fliegen, da sie das Chaos, das die Bundesregierung anrichtet, nicht mehr mit ansehen könnten. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Be- reits mit den beiden ersten Hartz-Gesetzen waren erheb- liche Veränderungen der Förderstrukturen des SGB III und der Bundesagentur für Arbeit (BA) verbunden: För- dermittel in der Gründungsförderung werden direkt an Arbeitslose ausgereicht, Bildungsgutscheine wurden ausgegeben, langfristige Weiterbildungen abgebaut, kurz- fristige Integrationsmaßnahmen verstärkt, Ausschrei- bungsverfahren neu gestaltet und eine zentrale Einkaufs- politik entwickelt. Dass eine Neugestaltung der Instrumente wie auch der Vergabepraxis sinnvoll ist, wird im Grundsatz von niemandem bestritten – auch nicht von den Anbietern von Beschäftigungs- oder Bildungsmaßnahmen, die völ- lig zu Unrecht von Leuten wie Herrn Niebel als „Ar- beitslosenindustrie“ diffamiert werden. Eine genauere Analyse der Preise und Angebote durch die BA hat ge- zeigt, dass für inhaltlich und quantitativ gleiche Leistun- gen in den verschiedenen Agenturbezirken unterschied- liche Preise gezahlt wurden. Dies ist ein Ergebnis, das nicht nur für einen Leistungsvergleich, wettbewerbliche Verfahren und einen zentral organisierten Einkauf spricht. Es spricht auch gegen eine Kommunalisierung der Arbeitsmarktpolitik, wie sie mit Vehemenz immer wieder von der Opposition gefordert wird, Zu unser aller Entsetzen – ich glaube, ich kann die Antragsteller der Union hier mit einschließen – mussten wir jedoch feststellen, dass die Bundesagentur für Arbeit in der Hoffnung auf schnelle Einsparungen die Aus- schreibungen übers Knie gebrochen und zunächst nur auf den Preis als entscheidendes Vergabekriterium ge- achtet hat. Die Qualität der Maßnahmen, die Veranke- rung der Träger vor Ort, ihre Ausstattung, ihr Kontakt zu lokalen Arbeitgebern, ihr Erfahrungswissen und das Vor- handensein von qualifiziertem Personal – all dies wurde dem Kostenargument untergeordnet. Das Ergebnis dieser Art von Ausschreibung lässt sich am besten am traurigen Beispiel der Pleite des PSA-An- bieters „Maatwerk“ besichtigten: Im Endeffekt ist das Geld für die Eingliederung ohne Ergebnis verbrannt – zulasten vieler seriöser Anbieter, die mit ihren Erfahrun- gen vor Ort, ihrem Personal und ihrer Infrastruktur zwar teurer, aber wirkungsvoller hätten agieren können. Schlimmer noch sind die Folgen für die betroffenen Ar- beitnehmer, die große Hoffnungen in das neue Instru- ment der Personal-Service-Agentur gesetzt hatten. Mehr a m l b z W z V u i K N o i E N e s t A w b R w t i m P x T Ä Q e v l d i d M l S r b g v r A D g B w M a d J k (C (D ls ärgerlich ist auch der Vertrauensverlust in den Kom- unen, den die BA damit verursacht hat. Die Vorstel- ung, es könnte bei der Schuldnerberatung, der Drogen- eratung und den psychosozialen Diensten ähnlich ugehen wie bei der PSA-Ausschreibung, lässt die freie ohlfahrtspflege in den Gemeinden wie die Sozialde- ernenten gleichermaßen schaudern. Leider sind die falschen Gewichtungen auch bei der ergabe von Trainingsmaßnahmen nach den §§ 37 nd 48 SGB III gesetzt worden. Zu große Loszuschnitte n Verbindung mit einem Übergewicht der kurzsichtigen ostenorientierung haben dazu geführt, dass allein in RW 40 Prozent der regionalen und örtlichen Anbieter hne Zuschlag geblieben sind. Im Agenturbezirk Essen st kein einziger örtlicher Träger zum Zug gekommen. s hat ein in der Stadt völlig unbekannter Anbieter aus ordhorn den Zuschlag erhalten, der nicht einmal über in Büro vor Ort – geschweige denn Personal – verfügt. Diesen Zustand kritisieren Sie von der Union und die- en Zustand haben wir von den Koalitionsfraktionen hef- ig kritisiert, mit Erfolg, wie nun erste Änderungen in der usschreibungspraxis der BA zeigen. Die Loszuschnitte urden verkleinert, das Qualitätskriterium wird nun mit is zu 60 Prozent gewichtet und die Anbieter müssen eferenzen und vorhandene Kompetenz vor Ort nach- eisen. Zudem sind die lokalen Agenturen an der Leis- ungsbeschreibung stärker beteiligt als zuvor. Insofern st Ihr Antrag nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit. Der Antrag der Koalitionsfraktionen hingegen wid- et sich den tatsächlichen gegenwärtigen und künftigen roblemen bei der Entwicklung der Ausschreibungspra- is. Wir wollen keinen Ausschluss der gemeinnützigen räger bei den Vergabeverfahren und eine entsprechende nderung der VOL. Wir wollen eine Sicherstellung von ualitätsmerkmalen bei der Leistungsbeschreibung und ine Beteiligung der Träger – etwa bei der Erstellung on Fachkonzepten, die der Ausschreibung zugrunde iegen. Gleichzeitig setzen wir ein deutliches Signal für ie Jugendlichen, die zu Beginn des Ausbildungsjahres m September auf einen Platz in einer berufsvorbereiten- en Maßnahme angewiesen sind, und für diejenigen enschen mit Behinderungen, die Leistungen der beruf- ichen Rehabilitation in Anspruch nehmen müssen. Die icherstellung des pünktlichen Beginns der berufsvorbe- eitenden Maßnahmen und der Verzicht auf Ausschrei- ung bei Leistungen nach § 35 SGB IX sind Forderun- en, die man in dieser Deutlichkeit in Ihrem Antrag ergeblich sucht. An dieser Stelle muss ich allerdings auf eine Äuße- ung des Herrn Clement eingehen, die in der nächsten usgabe des Magazins „Spiegel“ nachzulesen sein wird. en Umbruchproblemen im Bereich der Ausschreibun- en soll begegnet werden, indem Gutscheine für eschäftigungs- und Bildungsmaßnahmen ausgegeben erden sollen. Für den Bereich der berufsvorbereitenden aßnahmen wäre dies allerdings völlig untauglich. Wer uch nur einmal eine Bildungseinrichtung besucht hat, ie das berufsvorbereitende Jahr durchführt, weiß: Diese ugendlichen, die zum Teil mit Lernbehinderungen zu ämpfen haben, sind mit einer eigenständigen Suche 10268 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 (A) ) (B) ) nach einem Träger völlig überfordert. Die Ausgabe von Bildungsgutscheinen in diesem Bereich würde dazu füh- ren, dass uns zehntausende Jugendliche, die Hilfe drin- gend nötig haben, schlichtweg verloren gehen. Daher sind Vorüberlegungen zur Ausgabe von Gutscheinen in diesem Bereich überflüssig und sie sind bereits vor eini- gen Wochen von den Koalitionsfraktionen verworfen worden. Dieses Beispiel macht deutlich, dass wir alle – und insbesondere die Fachabgeordneten der Sozial- und Ar- beitsmarktpolitik – Regierung und BA beim Umbau konstruktiv-kritisch begleiten müssen. Schließen Sie sich uns an! Dirk Niebel (FDP): Nach den neuen Vergabeverfah- ren der Bundesagentur für Arbeit wird eine Vielzahl von Maßnahmen und Modulen zu großen Losen teilweise für mehrere Regionen zusammengefasst, angeblich um ein- heitliche Standards zu schaffen und um die Produkte wirtschaftlicher einzukaufen. Damit werden Kartelle ge- stärkt, weil aufgrund der Größe der Lose und der Eilig- keit des Verfahrens nur große Unternehmen zum Zuge kommen. Dies wirkt sich eklatant zum Nachteil und existenzgefährdend für die kleinen und mittleren Unter- nehmen auf regionaler Ebene aus. Die Reinigung von 1 800 Liegenschaften der Bun- desagentur im Bundesgebiet wurde in sieben Losen an zwei Betriebe neu vergeben, davon soll einer sechs Lose erhalten haben. Details sind nicht erhältlich, aber offen- sichtlich wurde ausschließlich der niedrigste Preis als einziges Vergabekriterium zugelassen, ohne tarifliche Mindeststandards abzufragen. Dieser eine Betrieb soll, wie man aus der Branche hört, gar nicht über eine ausrei- chende Anzahl an Personal für den Auftrag verfügen. Von vornherein waren die staatlichen Beschäftigungs- gesellschaften PSA zum Abbau der Arbeitslosigkeit un- tauglich. Der größte PSA-Betreiber Maatwerk hat inzwi- schen Insolvenz angemeldet. Maatwerk hat in manchen Regionen flächendeckend den Zuschlag erhalten, ob- wohl die Firma weder über die nötige Markterfahrung verfügt noch über gute Netzwerke mit der einheimischen Wirtschaft, Referenzen über erfolgreiche Zeitarbeitspro- jekte oder vergleichbare Erfahrungen vorweisen konnte. Maatwerk hatte aber den Vorteil geboten, besonders kos- tengünstig zu sein und sich auf eine unklare Definition der Zielgruppe einzulassen, die von Mitbewerbern abge- lehnt wurde. Die Weiterbildungsträger konnten sich jahrzehntelang auf den automatischen Zufluss von hohen Zuwendungen verlassen. Die finanzielle Versorgung durch die Arbeits- agenturen funktionierte, weil man wusste, was man an- einander hatte. Nach den drastischen Einschnitten von 20 Prozent im letzten Jahr sollen in diesem Jahr die Mit- tel für Arbeitsmarktförderung noch einmal um 12 Pro- zent reduziert werden. Bei den Vergabeverfahren setzt die BA bevorzugt auf Billiganbieter mit flächendeckendem Angebot. Kritisiert wird vor allem, dass sich Träger nicht mehr vor Ort um einzelne Maßnahmen bewerben können. Ihre Erfahrun- g r u s w w S s h t B s n T S ö s V a m s w d R n k g h a m s n d a e k t g a s n P M d M D s u J b l h b A w (C (D en, bisherigen Ergebnisse oder Referenzen interessie- en in den Ausschreibungen nicht. Die Vergabe ist ndurchsichtig, und die Qualität scheint Nebensache zu ein. Bewährte mittelständische Strukturen und Netz- erke werden zerstört, die über Jahre hinweg aufgebaut urden. Durch die neue Vergabepraxis werden die teuerungsmöglichkeiten der Kommunen stark einge- chränkt. Vor allem bei der Betreuung Jugendlicher dro- en erhebliche Verschlechterungen. Ein eng abgestimm- es Verfahren zwischen der Stadt und den anderen eteiligten wird bei jährlich wechselnden Anbietern chwerer. Es wird zwar behauptet, dass die Qualität der Maß- ahmen wichtig ist. Kriterien gibt es dafür aber keine. atsächlich sind allein die Kosten entscheidend. Auf der trecke bleiben dabei kleine und mittlere Anbieter auf rtlicher Ebene wie Caritas, Kolping und Diakonie, die ich bisher besonders um Menschen mit mehrfachen ermittlungshemmnissen gekümmert haben, aber auch ndere private Institute. Oft werden sie als Subunterneh- er angeheuert, weil weder genügend Räume noch Per- onal zur Verfügung stehen, um den Großauftrag abzu- ickeln. Bei den finanziellen Konditionen leben sie von er Hoffnung, bis zur nächsten Ausschreibung über die unden zu kommen. Sie könnten nach eigenen Angaben atürlich auch ihre Qualitätsstandards senken, um kon- urrenzfähig zu bleiben. Experten schätzen, dass bei den Weiterbildungsträ- ern über ein Drittel der Arbeitsplätze bedroht ist. Sicher aben sich die Weiterbildungsunternehmen viel zu spät uf die neuen Verhältnisse eingestellt. Seit 2003 bekom- en Arbeitslose einen Bildungsgutschein, mit dem sie ich ihren Weiterbildungsträger selbst aussuchen kön- en. Auf der einen Seite sind viele Arbeitslose überfor- ert, das passende Angebot für sich zu finden. Auf der nderen Seite wird den Trägern das Überleben zusätzlich rschwert, da keiner weiß, ob Teilnehmer zu den Kursen ommen. Betroffen sind hier wieder die kleinen Anbie- er, die sich keine Werbung leisten können. Aber auch roße Unternehmen, die über Jahre eng mit dem Arbeits- mt kooperiert hatten, müssen nun um jeden Arbeitslo- en mit Gutschein kämpfen. Hier ist neben mangelnder Transparenz die immer och ungeklärte Zertifizierung ein Hauptproblem in der raxis. Bei der Vergaberunde für die berufsvorbereitenden aßnahmen für Jugendliche hat die BA angekündigt, ie regionalen Lose zu verkleinern und einen Teil der aßnahmen für gemeinnützige Träger frei zu vergeben. amit reagiert sie auf eine Entscheidung des OLG Düs- eldorf, das die gemeinsame Ausschreibung für private nd freie Träger beanstandet hat. Auch BA-Vorstand ürgen Weise hatte im Ausschuss für Wirtschaft und Ar- eit angekündigt, bei der Vergabepraxis regionale Be- ange stärker zu berücksichtigen. Dennoch scheint das keine faktische Konsequenz zu aben. Die Regionaldirektionen haben zwar Ausschrei- ungen aufgrund der anhängigen Rügen zurückgezogen. ber in Rheinland-Pfalz wird zum Beispiel mit den Ge- innern der als vergaberechtswidrig eingestuften Aus- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 10269 (A) ) (B) ) schreibung nun in freihändiger Vergabe über die Durch- führung von Trainingsmaßnahmen verhandelt. Dabei werden die örtlichen Anbieter weiterhin ausgeschlossen. Diese können ihren Bedarf bis Ende August an die Re- gionaldirektion melden, danach ist eine neue Ausschrei- bung geplant. Das ist rechtlich kaum angreifbar, weil die BA in der Zwischenzeit handeln muss. Aber richtig ist es deswegen noch lange nicht. Diese Praxis ist übrigens bundesweit geplant. Die Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung for- dern von der BA eine effiziente Verwaltung ihrer Mittel. Aber je länger sich diese Vergabepraxis hinzieht, desto mehr kleine und mittlere Unternehmen werden in ihrer Existenz bedroht. Gestärkt wird wieder einmal die eta- blierte Arbeitslosenindustrie. Davon profitieren die übli- chen Verdächtigen. Das System funktioniert und weiß Störungen zu beseitigen. Wir fordern die Verantwortli- chen in der BA auf, für klare Verhältnisse zu sorgen und den regionalen Anbietern auf dem Weiterbildungsmarkt eine echte Chance zu geben. Rezzo Schlauch (Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Arbeit): Ihnen liegen heute zwei Anträge zur Ausschreibungspraxis der Bundes- agentur für Arbeit zur Abstimmung vor. Der Antrag der Opposition datiert von Ende März 2004, der der Regie- rungskoalition von Ende Mai 2004. Daran kann man er- kennen, wie unterschiedlich Opposition und Regierungs- fraktionen Sachprobleme angehen. Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, haben zunächst etwas aufgeschrieben und dann abge- wartet, bis es von der Realität überholt wird. Wir haben erst gehandelt und dann eine saubere Bilanz mit allen notwendigen Folgerungen gezogen. Diese Bilanz steht in dem Ihnen vorliegenden Antrag von SPD und Bünd- nis 90/Die Grünen. Er ist auf dem Laufenden und greift nur die wirklichen Probleme auf. Das kann man von dem Antrag der Opposition nicht sagen; denn er ist überholt und hätte eigentlich zurückgezogen werden müssen. Sie haben immer noch die Möglichkeit, dies nachzuholen. Die fehlende Aktualität ist deutlich belegt. Sie lässt sich an vielen Punkten festmachen. Wegen der Kürze der Zeit möchte ich nur auf die wesentlichen Punkte einge- hen: Es versteht sich von selbst, dass eine Zentralisierung der Ausschreibung von Maßnahmen, so wie sie die Bun- desagentur jetzt vorgenommen hat, zu Konsequenzen führt, übrigens zu Konsequenzen, die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, immer wieder eingefor- dert haben. Die Bundesagentur rechnet im Rahmen der geänderten Ausschreibungsverfahren mit Einsparungen zumindest im zweistelligen Millionenbereich, und das bezieht sich nur auf die abgeschlossenen Verfahren im Bereich der Vermittlung durch Dritte und der Trainings- maßnahmen. Der finanzielle Aspekt ist aber nur die eine Seite der Medaille. Wir sehen das nicht so einseitig wie die Oppo- sition, die ja bekanntlich 8 Milliarden Euro im Bereich der Arbeitsmarktpolitik einsparen möchte. Auf der ande- r s m A n P w l g r g b w d D t A s H ü v b n s g g r d n a w T s K g b u s U z m s d d t b c u n f B S g (C (D en Seite der Medaille steht die Frage der Qualität. Wirt- chaftlichkeit und Qualität gehören untrennbar zusam- en. Es ist deshalb keinesfalls so, dass der billigste nbieter den Zuschlag erhält. Zum Zuge kommt derje- ige, der für ein den Qualitätsanforderungen genügendes rodukt den besten Preis macht. Die Frage der Qualität ird anhand von realitätsnahen Kriterien abgeprüft, rea- itätsnah, weil sie mithilfe der Agenturen für Arbeit auf- estellt worden sind, die ihren Sachverstand und die egionalen Bedarfe in die Leistungsbeschreibungen ein- ebracht haben. Es stimmt im Übrigen auch nicht, dass kleinere An- ieter durch die zentralen Ausschreibungen benachteiligt ürden: Nach den Ergebnissen der Ausschreibungen zu en Trainingsmaßnahmen und der Vermittlung durch ritte wurden circa 40 Prozent der Angebote durch Bie- ergemeinschaften, also Zusammenschlüsse kleinerer nbieter, abgegeben. Offenbar ist es diesen Gemein- chaften gelungen, die in Ihrem Antrag beschriebenen ürden zu überwinden. Sie fordern die Bundesregierung ferner auf, Konzepte ber die zukünftige Politik der Bundesagentur für Arbeit orzulegen und die Zielrichtung der Bundesregierung ei der Arbeitsmarktpolitik zu beschreiben. Hier ist zu- ächst die Bundesagentur für Arbeit am Zuge. Der Vor- tand der Bundesagentur wird seine Vorstellungen in ei- ener Verantwortung entwickeln. Das ist die klare esetzliche Aufgabenzuweisung, die keinerlei Spiel- äume lässt. Ich werde deshalb hier nicht öffentlich darüber nach- enken, welche Maßnahmen die Bundesagentur im ächsten Jahr fordern wird, erst recht nicht im Hinblick uf Weiterbildungsmaßnahmen; denn diese Maßnahmen erden überhaupt nicht ausgeschrieben, sondern den eilnehmern über das Instrument des Bildungsgut- cheins ermöglicht. Die Bundesregierung ist am Zuge, wenn es um die lärung rechtlicher Zweifelsfragen im Vergaberecht eht. Solche Fragen hat es bei den Ausschreibungen der erufsvorbereitenden Maßnahmen gegeben. Wir haben ns sehr schnell mit der Bundesagentur zusammenge- etzt und für die nötige Klarheit gesorgt. Dabei sind die rteile des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus dem De- ember 2003 und die Entscheidung der 1. Vergabekam- er des Bundeskartellamts vom 13. Mai 2004 selbstver- tändlich berücksichtigt worden. Konkret bedeutet dies, ass auch die gemeinnützigen privaten Träger, die über ie steuerlichen Regelungen hinaus keine weiteren Vor- eile genießen, sich an den öffentlichen Ausschreiben eteiligen dürfen. Die Bundesagentur hat die erforderli- hen Anpassungen im Vergabeverfahren vorgenommen nd die Angebotsfristen verlängert. Ich bin zuversichtlich, dass rechtzeitig zu Beginn des euen Ausbildungsjahres im September/Oktober 2004 ür die jungen Schulabgänger die berufsvorbereitenden ildungsmaßnahmen zur Verfügung stehen werden. Meine Damen und Herren von der Opposition, hören ie bitte damit auf, unnötig Verunsicherung bei den jun- en Menschen und ihren Eltern zu schaffen, indem Sie 10270 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 (A) ) (B) ) die Funktionsfähigkeit der Ausschreibungen infrage stel- len. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass die Bundesagentur die notwendigen Veränderungen flexibel gehandhabt hat. Ich bin mir sicher, dass sie diese Praxis auch in Zukunft fortsetzen wird. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Jugenddelinquenz – Beratung des Antrags: Jugendstrafvollzug verfassungsfest gestalten (Tagesordnungspunkt 25 und Zusatztagesord- nungspunkt 14) Erika Simm (SPD): Nach dem Motto „Alle Jahre wieder“ beschäftigen wir uns heute mit einem Gesetz- entwurf zur Verschärfung des Jugendstrafrechts, für den die CDU/CSU-Fraktion und bestimmte B-Länder – allen voran Bayern – seit 1998 schon mehrmals – ich schätze, es gab rund acht solche Initiativen – keine Mehrheit ge- funden haben. Wir werden diesen Gesetzentwurf auch diesmal wieder ablehnen. Weder sind die vorgesehenen Verschärfungen sachge- recht – das haben frühere Anhörungen ergeben – noch sind sie erforderlich – das Jugendstrafrecht bietet ein ausreichendes Instrumentarium – noch sind sie durch die Kriminalitätsentwicklung im Bereich der Jugenddelin- quenz gerechtfertigt. Wie auch früher schon, wird in der Begründung des Gesetzentwurfs behauptet, die Jugendkriminalität sei seit Beginn der neunziger Jahre ständig angestiegen. Das ist, wie die jüngste Kriminalstatistik beweist, falsch. Die polizeiliche Kriminalstatistik für 2003 belegt vielmehr, dass nach einer Spitze im Jahr 1997 – wer damals regiert hat, wissen Sie – seit 1998 die Zahl der Taten bei der Gruppe der tatverdächtigen Kinder um 17 Prozent und bei den tatverdächtigen Jugendlichen um 19 Prozent ge- sunken ist. Wie man angesichts dieser Zahlen immer noch und unverdrossen von einem stetigen Ansteigen der Jugendkriminalität sprechen kann, ist mir unerfind- lich. Ich würde mir etwas mehr Seriosität im Umgang mit diesem Thema wünschen. Genauso hartnäckig ignorieren die Initiatoren dieses Gesetzentwurfes, dass ihre gebetsmühlenartig wieder- holten Änderungsvorschläge zum Jugendstrafrecht – Fahrverbot als Hauptstrafe, Einstiegsarrest, Erwachse- nenstrafrecht für Heranwachsende, Erhöhung des Höchstmaßes der Jugendstrafe auf 15 Jahre, Haftbefehl im vereinfachten Verfahren – in der Fachöffentlichkeit auf breiteste Ablehnung stoßen. Sie wurden und werden vom Deutschen Jugendgerichtstag, der Deutschen Verei- nigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen, dem Deutschen Juristentag, der AGJ, den Freien Trägern der Wohlfahrtspflege weitestgehend abgelehnt. So hat a S G g d d J t „ v e d s F n d r m e f v l e li k m a B D c g J I I s n A 2 s G m – – (C (D uch der Deutsche Anwaltsverein in seiner jüngsten tellungnahme vom Mai dieses Jahres dem vorliegenden esetzentwurf eine „wirkungslose Abschreckungsstrate- ie“ bescheinigt, welche die Probleme für die Opfer und ie Gesellschaft verstärken statt lösen werde. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf ie Ergebnisse der erstmals vom Bundesministerium der ustiz herausgegebenen kommentierten Rückfallsta- istik. Dort (Seite 55) findet sich folgende Feststellung: Extrem hoch ist die Rückfallbelastung der nach einer erbüßten Jugendstrafe Entlassenen: 78 Prozent werden rneut straffällig und noch 45 Prozent kehren wieder in en Vollzug zurück. Mit der zweithöchsten Rückfallrate owie einem vergleichsweise hohen Anteil stationärer olgeentscheidungen schneidet hier der Jugendarrest ach § 16 JGG auffällig ungünstig ab.“ Wer angesichts ieser Ergebnisse, die für Praktiker der Jugendstraf- echtspflege ja nicht neu sind, unverdrosssen auf noch ehr Einsperren setzt, muss sich sagen lassen, dass er ntweder keine Ahnung von den Ursachen und Bekämp- ungsmöglichkeiten der Jugendkriminalität hat oder aber ordergründig populistischen Forderungen zuliebe sämt- iche seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet vorliegenden mpirischen und kriminologischen Erkenntnisse böswil- g ignoriert. In diesen Zusammenhang passt es, dass CSU-Politi- er landauf, landab fordern, die Kosten der Jugendhilfe üssten gesenkt werden. Seit vielen Jahren bewährte mbulante Maßnahmen wie soziale Trainingskurse und etreuungsweisungen werden aus Kostengründen zur isposition gestellt. Stattdessen setzt man auf Abschre- kung und Wegsperren. Dies, liebe Kollegen und Kolle- innen von der CDU/CSU, ist die Rolle rückwärts in der ugendstrafrechtspolitik. Auf diesem Weg werden wir hnen nicht folgen. Sie mögen in wechselnden Rollen hre ärgerlichen Anträge zu diesem Thema noch so oft tellen, wir werden sie immer und immer wieder ableh- en. nlage 5 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 799. Sitzung am 14. Mai 004 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- timmen, einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 rundgesetz nicht zu stellen bzw. einen Einspruch ge- äß Artikel 77 Absatz 3 nicht einzulegen: Zweites Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat Gesetz zur Umsetzung des Beschlusses des Rates (2003/725/JI) vom 2. Oktober 2003 zur Änderung von Artikel 40 Abs. 1 und 7 des Übereinkommens zur Durchführung des Schengener Übereinkom- mens vom 14. Juni 1985 betreffend den schritt- weisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsa- men Grenzen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 10271 (A) ) (B) ) – Gesetz zu der in Rom am 17. November 1997 an- genommenen Fassung des Internationalen Pflan- zenschutzübereinkommens – Gesetz zum Zusatzabkommen vom 15. Oktober 2003 zu dem Abkommen vom 4. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erb- schaftsteuern – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. August 2002 zwischen den Vertragsstaaten des Überein- kommens zur Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation und der Europäischen Weltraumorganisation über den Schutz und den Austausch geheimhaltungsbedürftiger Informa- tionen – Gesetz zu dem Vertrag vom 13. Mai 2002 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und Ka- nada über die Rechtshilfe in Strafsachen – Gesetz zu dem Zusatzvertrag vom 13. Mai 2002 zu dem Vertrag vom 11. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über die Auslieferung – Gesetz zu dem Protokoll Nr. 13 vom 3. Mai 2002 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Ab- schaffung der Todesstrafe – Gesetz zu dem Protokoll betreffend die Verringe- rung von Versauerung, Eutrophierung und bo- dennahem Ozon (Multikomponenten-Protokoll) vom 30. November 1999 im Rahmen des Überein- kommens von 1979 über weiträumige grenzüber- schreitende Luftverunreinigung – Vierunddreißigstes Gesetz zur Änderung des Las- tenausgleichsgesetzes (34. ÄndGLAG) – Gesetz zu dem Änderungsprotokoll vom 22. Juni 1998 zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaft- liche Zwecke verwendeten Wirbeltiere – Gesetz zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Gentechnik und zur Änderung der Neuartige Le- bensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung – Gesetz zur Durchführung einer Repräsentativsta- tistik über die Bevölkerung und den Arbeits- markt sowie die Wohnsituation der Haushalte (Mikrozensusgesetz 2005 – MZG 2005) – Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletz- ten im Strafverfahren (Opferrechtsreformgesetz – OpferRRG) – Telekommunikationsgesetz (TKG) z s d s n v z w m V P t (C (D Der Vermittlungsausschuss hat in seiner 29. Sitzung u dem vom Deutschen Bundestag am 1. April 2004 be- chlossenen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) as Verfahren ohne Einigungsvorschlag abgeschlos- en. Der Vermittlungsausschuss hat in der Fortsetzung sei- er 24. Sitzung am 26. Mai 2004 folgenden Einigungs- orschlag beschlossen: Das vom Deutschen Bundestag in der seiner 97. Sit- ung am 11. März 2004 beschlossene Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Über- gabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehls- gesetz – EuHbG) ird bestätigt. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben itgeteilt, daß der Ausschuss die nachstehenden EU- orlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische arlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- ung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 15/1547 Nr. 2.40 Drucksache 15/2636 Nr. 2.38 Drucksache 15/2636 Nr. 2.39 Drucksache 15/2636 Nr. 2.42 Drucksache 15/2636 Nr. 2.44 Drucksache 15/2895 Nr. 1.1 Innenausschuss Drucksache 15/2104 Nr. 1.6 Drucksache 15/2519 Nr. 2.29 Finanzausschuss Drucksache 15/2793 Nr. 2.29 Drucksache 15/2793 Nr. 2.31 Haushaltsausschuss Drucksache 15/2793 Nr. 2.5 Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Drucksache 15/1153 Nr. 2.40 Drucksache 15/2793 Nr. 2.11 Drucksache 15/2793 Nr. 2.20 Drucksache 15/2793 Nr. 2.21 Drucksache 15/2793 Nr. 2.22 Drucksache 15/2793 Nr. 2.23 Drucksache 15/2793 Nr. 2.30 Drucksache 15/2793 Nr. 2.37 Drucksache 15/2895 Nr. 1.6 Drucksache 15/2895 Nr. 2.5 10272 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 112. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 (A) (C) (B) (D) Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 15/2793 Nr. 2.24 Drucksache 15/2793 Nr. 2.33 Drucksache 15/2793 Nr. 2.42 Drucksache 15/2895 Nr. 1.2 Drucksache 15/2895 Nr. 2.6 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 15/2447 Nr. 2.10 Drucksache 15/2447 Nr. 2.12 Drucksache 15/2447 Nr. 2.14 Drucksache 15/2519 Nr. 2.4 Drucksache 15/2519 Nr. 2.30 Drucksache 15/2519 Nr. 2.47 Drucksache 15/2519 Nr. 2.50 Drucksache 15/2636 Nr. 2.2 Drucksache 15/2636 Nr. 2.11 Drucksache 15/2636 Nr. 2.18 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 15/2636 Nr. 2.47 Drucksache 15/2895 Nr. 1.3 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 15/2793 Nr. 2.1 112. Sitzung Berlin, Freitag, den 28. Mai 2004 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1511200000

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe auf die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b

sowie den Zusatzpunkt 11:
21. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gert

Weisskirchen (Wiesloch), Gernot Erler, Kerstin
Griese, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Ludger
Volmer, Claudia Roth (Augsburg), Marianne
Tritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Der Nahe und Mittlere Osten als Nachbar und
Partner der EU
– Drucksache 15/3206 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Christian Ruck,
Hermann Gröhe, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU

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Redet
Für eine Partnerschaft für Frieden und Stabi-
lität im größeren Mittleren Osten und in
Nordafrika
– Drucksache 15/3050 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien

ZP 11 Beratung des Antrags der Ab
Dr. Rainer Stinner, Dr. Werner Hoy
Heinrich, weiterer Abgeordneter und d
der FDP

(C (D ung 28. Mai 2004 0 Uhr Für einen Helsinki-Prozess für den Nahen und Mittleren Osten – Drucksache 15/3207 – Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für ie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich öre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen ernot Erler, SPD-Fraktion, das Wort. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die eutige Debatte ist ein Anfang. Wir machen den ernstaften Versuch, eine eigene parlamentarische Dimension ür eine internationale Diskussion über Chancen eines achhaltigen Stabilisierungskonzeptes für die Großreion des Nahen und Mittleren Ostens zu schaffen. Das st gleichzeitig ein Versuch, eine umfassende politische ntwort auf die Herausforderungen des globalen Netzerkterrorismus zu finden. Der Termin ist gut gewählt, um Vorschläge zu ma hen und Erwartungen zu formulieren, denn wir stehen or einer Reihe von Gipfelereignissen, man könnte sogar ext sagen: vor einem regelrechten Gipfelstakkato. Es fängt an mit den Feierlichkeiten zum D-Day in der Normandie, geht über das G-8-Treffen in Sea Island und den EUUSA-Gipfel in Irland hin zum NATO-Gipfel in Istanbul. Die Erwartungen sind groß, dass diese Treffen Fortschritte bringen in Bezug auf das Thema Greater Middle East. Auch wir sind entschlossen, eigene Anstöße dazu einzubringen. Das drückt sich in den drei Anträgen aus, die die verschiedenen Fraktionen hier vorgelegt haben. Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen ihnen, aber auch unterschiedliche Akzentund Prioritätensetzungen. Jede Beschäftigung mit diesem Thema muss sich tion im Irak stellen. Die amerikanische escheitert. Es ist ihr nicht gelungen, dem zu bringen und einen politischen Neuanrgang zur Stabilität zu organisieren. Aber geordneten er, Ulrich er Fraktion heute der Situa Politik dort ist g Land Sicherheit fang sowie Übe Gernot Erler das ist nicht alles. Hinzu kommen drei Besorgnis erregende Punkte: Erstens. Der Irak ist heute Schauplatz eines offenen blutigen Konflikts – eines zweiten in dieser Region neben dem palästinensisch-israelischen –, durch den die ganze Region destabilisiert wird. Zweitens. Der Irak ist heute Teil einer direkten Front mit den Kämpfern des global agierenden Terrorismus. An dieser Front werden den Einheiten der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten immer wieder schwere und tragische Verluste zugefügt, die häufig verbunden sind mit Verlusten bei der irakischen Zivilbevölkerung. Der dritte Punkt ist der schlimmste: Die Entwicklung im Irak hat Osama Bin Laden seinem strategischen Ziel, einen Riss zwischen der westlichen und der arabisch-islamischen Welt zu schaffen und einen Kampf der Kulturen zu organisieren, näher gebracht. Vor allem die Berichte und Bilder von Misshandlungen und Folterungen irakischer Männer und Frauen durch amerikanische Soldaten haben zu dieser äußerst gefährlichen Entwicklung beigetragen. Nüchtern und mit großer Sorge müssen wir feststellen: Wir sind, ohne uns wehren zu können, Teil dieser Auseinandersetzung, weil die westliche Führungsmacht diesen Krieg mit all seinen Problemen und Fehlern im Namen westlicher Werte führt. Deswegen befinden wir uns als Teil der westlichen Welt in unfreiwilliger Mithaftung. Das übrigens gibt uns auch das Recht, Fragen an die Verantwortlichen zu stellen und Erwartungen zu äußern, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1511200100




(A) )


(B) )


zum Beispiel im Hinblick darauf, ob das Problem der
Misshandlungen wirklich auf Verfehlungen von einigen
wenigen Soldaten reduziert werden kann oder ob hier
doch ein angeordnetes System zur Einschüchterung und
Demütigung von Gefangenen angewandt wird, um bes-
sere Befragungsergebnisse zu erzielen, aber auch im
Hinblick darauf, ob der Schaden, der dadurch für das
Image und das Prestige der westlichen Führungsmacht
und damit der ganzen westlichen Welt in immensem
Umfang entstanden ist, begrenzt werden kann und wer
dabei die fachliche und wer die politische Verantwortung
übernimmt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben gerade wegen dieser unfreiwilligen Mithaf-
tung das Recht, Antworten auf die Fragen zu bekommen.

Wir begrüßen – das sage ich auch im Namen der
SPD-Bundestagsfraktion –, dass sich die amerikanische
Politik ändert und jetzt Fehler korrigiert. Wir begrüßen,
dass sie die Vereinten Nationen stärker in den Stabilisie-
rungsprozess einbezieht. Wir können nur hoffen, dass
die Autorität von Lakhdar Brahimi ausreichen wird, um
jetzt eine Übergangsregierung zu schaffen und Perso-
nen zu benennen, die in der irakischen Bevölkerung eine
Chance auf Vertrauen bekommen.

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(C (D (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir begrüßen, dass Präsident Bush endlich Distanz zu
iner Figur wie Ahmed Tschalabi und seinem INC, auf
essen Konto viele gefährliche Fehleinschätzungen ge-
en, herstellt. Wir begrüßen, dass jetzt die Beratung ei-
er neuen Sicherheitsratsresolution möglich ist, die das
esatzungsregime beenden und die politische Verant-
ortung in die Hände einer neuen, souveränen Interims-
egierung legen soll.
Wir sind davon überzeugt, dass eine durchgreifende

erbesserung der Sicherheitslage vor Ort aber nur dann
rreicht werden kann, wenn es tatsächlich einen klaren
chnitt zum Bisherigen gibt und wenn die irakische Sou-
eränität nicht eine fiktive, sondern eine tatsächliche
ein wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der bisherige Resolutionsentwurf bleibt dabei in ent-
cheidenden Fragen unklar: Wie soll sich das Verhältnis
er neuen Interimsregierung zu der künftig Multinatio-
al Force genannten Sicherheitsgruppierung gestalten?
ie sollen Verantwortung und Befehlsgewalt zwischen
en irakischen Sicherheitskräften einerseits und der
ultinational Force andererseits abgegrenzt und organi-
iert werden? Ohne eine klare Antwort auf diese Fragen
ind die Erfolgsaussichten des Neuanfangs gering. Oder
ibt es hier wirklich jemanden, der glaubt, dass die bloße
mbenennung von Okkupationskräften in Multinational
orce mit denselben 138 000 amerikanischen Soldaten,
enselben Koalitionstruppen, denselben Komman-
ostrukturen, vielleicht lediglich verbunden mit einer
onsultationspflicht bezüglich der neuen Interimsregie-
ung, ausreicht, um die Gewalttätigkeiten, die täglich ge-
en die bewaffneten Kräfte stattfinden, tatsächlich zu be-
nden?
Es ist noch Zeit zur Nachbesserung; wir müssen sie

utzen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

er Mut, durchgreifend etwas zu verändern, muss noch
achsen. Dabei könnte die nüchterne Erkenntnis hilf-
eich sein, dass sich die Koalitionstruppen – nach eige-
en Angaben – zu 90 Prozent mit Eigensicherung be-
chäftigen müssen und dass es für die Iraker bisher
igentlich vor allem dann gefährlich wurde, wenn sie in
ie Nähe solcher Einheiten geraten sind, denn da finden
ie Anschläge statt. Widersinnigerweise ist man umso
icherer, je weiter man von den Sicherungsgruppen ent-
ernt ist.
Zu der Sourveränitätsübertragung auf eine eigene

rakische Regierung mit Autorität gibt es keine Alterna-
ive. Aber die Übergabe der Verantwortung in irakische
ände darf keine Mogelpackung sein; sie muss überzeu-
en.
Von den nächsten Wochen hängt viel ab. Eine neue

olitische Partnerschaft des Westens mit der Großregion
es Nahen und Mittleren Ostens braucht Fortschritte im






(A) )



(B)


Gernot Erler

Irak und braucht auch Fortschritte bei der Beilegung des
anderen blutigen Konflikts, nämlich des Konflikts zwi-
schen Israelis und Palästinensern. Deswegen muss jede
Strategie für einen Greater Middle East mit Bemühun-
gen um eine Lösung für diesen beiden Konflikte begin-
nen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Aber mangelnder Fortschritt bei der Lösung dieser
beiden Konflikte darf keine Aktivitäten verhindern und
darf nicht zum Vorwand genommen werden, nicht über
die Stabilität der Großregion des Nahen und Mittleren
Ostens nachzudenken. Wir müssen aus der Sackgasse
herauskommen: Die einen sagen, erst müsse eine Demo-
kratisierung stattfinden, bevor man überhaupt zu einer
Konfliktlösung kommen könne, und die anderen sagen,
bevor es nicht zu einer Konfliktlösung komme, mache es
gar keinen Sinn, über ein Gesamtkonzept für diese Groß-
region zu reden. Diese Sackgasse ist entstanden; wir
müssen aus ihr herausfinden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dabei muss uns auch klar sein, dass eine ideologische
Form eines Demokratisierungskonzepts nicht weiter-
führt. Man muss doch zugeben, dass es sich gerade bei
dem israelisch-palästinensischen Konflikt um einen
Konflikt zwischen zwei Staaten handelt, die im Ver-
gleich zu anderen Staaten demokratisch legitimierte Re-
gierungen haben. Das ist ganz gewiss der Fall bei Israel
und auch die palästinensische Autonomiebehörde ist im
Vergleich zu anderen arabischen Staaten demokratisch
legitimiert. Das ist ein Hinweis darauf, dass man nicht
automatisch davon ausgehen kann, dass es zwischen de-
mokratischen Ländern keine blutigen Konflikte gibt und
deswegen die Demokratie – die man notfalls von außen
mit Gewalt einführt – das Allheilmittel ist. Wenn man
diese Automatik zugrunde legt, muss man scheitern. Das
ist nicht die Lösung.

Das ist der Hintergrund für unsere Bemühungen. Wir
müssen gemeinsam an Konzepten für einen gesamtstra-
tegischen Ansatz für diese Region arbeiten. Wir müssen
uns über die entsprechenden Instrumente unterhalten.
Diese Debatte ist nur ein Anfang. Die Fraktionen des
Deutschen Bundestages sollten sich vornehmen, diese
Debatte intensiv weiterzuführen und auf diese Weise den
für die Weltpolitik wichtigen diplomatischen Prozess aus
parlamentarischer Sicht zu begleiten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1511200200

Ich erteile das Wort Kollegen Friedbert Pflüger.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Friedbert Pflüger (CDU):
Rede ID: ID1511200300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon lange

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(C (D or dem 11. September war erkennbar, dass sich im ganen Größeren Mittleren Osten und in Nordafrika eine exlosive Situation heranbildet. Vom Maghreb bis nach akistan zieht sich seit langem ein Krisenbogen der Intabilität. Das reale Pro-Kopf-Einkommen in der arabichen Welt sank im letzten Jahrzehnt jährlich um Prozent. Das ist der größte Einkommensverlust irendeiner Region in der Welt. Die dortige demographische Entwicklung ist das egenteil unserer demographischen Entwicklung. Von en 1,3 Milliarden Muslimen auf der Welt ist über die älfte jünger als 20 Jahre. Im Jahre 2010 wird die Zahl er Berufsanfänger auf dem Arbeitsmarkt gegenüber 990 in Algerien, Ägypten und Marokko um 50 Prozent, n Syrien sogar um 100 Prozent gestiegen sein. Eine olkswirtschaft kann noch so dynamisch sein; sie wird icht in der Lage sein, diesen vielen jungen Menschen rbeit und Perspektive zu vermitteln. Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Würdelosig eit sind der ideale Nährboden für Terroristen. Wenn wir en Terrorismus bekämpfen wollen, dann ist es – neben llen polizeilichen Maßnahmen bei uns – sehr wichtig, ie sozialen und politischen Wurzeln des Terrorismus laubwürdig zu bekämpfen. Deshalb debattieren wir eute im Deutschen Bundestag über eine Initiative für ine engere und tiefere Partnerschaft mit den Ländern ordafrikas und des Mittleren Ostens. Das ist gut und ichtig. Ich habe gestern zusammen mit dem Kollegen Ruck, em Kollegen Gröhe und anderen aus unserer Fraktion it 15 arabischen Botschaftern über unseren heutigen ntrag diskutiert. Vor dem Hintergrund dieses Geprächs mit den Botschaftern möchte ich an dieser Stelle uf einige Punkte hinweisen, von denen die Glaubwürigkeit unserer westlichen Initiativen in den nächsten ochen und Monaten abhängt: Erstens. Wir müssen bei all dem, was wir tun, immer wischen dem Islam und dem militanten Islamismus unerscheiden. (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Toll! – Zuruf von der SPD: Vielen Dank für diesen Hinweis! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


s ist unendlich wichtig, dass wir die großen toleranten
raditionen des Islam, etwa das Kalifat von Cordoba
or 1 000 Jahren, die großen Bemühungen in der islami-
chen Welt auch heute, für Aufklärung und Korankritik
inzutreten, und auch die demokratischen Ansätze der
chura-Tradition des Islam würdigen und entsprechend
arauf reagieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt im Koran die Sure 2,256, die besagt, dass in
laubensdingen kein Zwang herrschen soll. Der Groß-
cheich der ehrwürdigen Al-Azhar-Universität in Kairo,
ohammed Tantawi, hat neulich in der „Frankfurter
llgemeinen Zeitung“ Folgendes gesagt:
)






(A) )



(B) )


Dr. Friedbert Pflüger

Der Islam ist gegen alle Formen und Facetten des
Terrorismus … Wir sind nicht damit einverstanden,
dass sich jemand inmitten unschuldiger Menschen,
Frauen und Kinder in die Luft sprengt … Es steht
außer Zweifel, dass jeder Staat, der einen Terroris-
ten, der rechtlich Verurteilte beherbergt und ihnen
Unterschlupf bietet, ein terroristischer Staat ist …
Terrorismus bedeutet: Friedfertige in Angst zu ver-
setzen … Wer Terrorismus fördert, wird an ihm zu-
grunde gehen.

Das sagt eine der großen Autoritäten der islamischen
Welt.

Es ist ganz wichtig, dass wir nicht in einen Kampf der
Zivilisationen, des Christentums gegen den Islam, des
Abendlands gegen den Orient, verfallen, sondern dass
wir die Terroristen mit der großen Mehrheit der friedlie-
benden Muslime isolieren und bekämpfen. Das ist un-
sere politische Aufgabe.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Zweitens. Wenn wir über eine Initiative für den grö-
ßeren Nahen Osten sprechen, dann ist es von sehr großer
Bedeutung, dass wir klar machen, dass das kein Ersatz
für eine Lösung des Nahostproblems ist. Der Stachel des
Palästinaproblems sitzt überall in der arabischen Welt
tief. Das ist das Problem Nummer eins. Wir werden zwi-
schen unserer Welt und der islamischen Welt keinen
Frieden finden, wenn dieser Konflikt nicht fair, gerecht
und dauerhaft gelöst wird und wenn in dieser Region die
Gewalt auf beiden Seiten nicht endlich ein Ende hat. Das
ist die Voraussetzung für jede Form von Dialog mit der
arabischen Welt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Drittens. Mit unserem Angebot für eine Partnerschaft
dürfen wir unter keinen Umständen den Versuch ver-
knüpfen, wir wollten unsere Wertvorstellungen, unsere
Formen der Demokratie, des Westminster-Parlamenta-
rismus, anderen Länden überstülpen. Wir wollen keinen
Kulturimperialismus, keine Belehrungen. Wir haben kei-
nen Grund, andere von Europa aus zu belehren. In der
muslimischen Welt hört man, wenn wir mit Demokratie-
konzepten ankommen, immer wieder die Frage: Was
habt ihr denn im letzten Jahrhundert über die Welt ge-
bracht? Darauf kann man nur schwer reagieren. Wir ha-
ben keinen Grund zur Überheblichkeit. Wir wollen nicht
unsere Demokratiemodelle durchsetzen; aber wir wollen
mehr Einhaltung der Menschenrechte, mehr Freiheit und
mehr Partizipation.

Dazu gibt es doch inzwischen in der arabischen Welt
selbst hochinteressante Papiere. Es hat in den letzten
Wochen Kommentare nur dahin gehend gegeben, dass
der arabische Gipfel von Tunis fehlgeschlagen sei.
Schauen wir einmal genauer hin: In der 13-Punkte-Er-
klärung von Tunis stehen zum ersten Mal in einem sol-
chen Dokument viele wirkliche Bekenntnisse zu den
Rechten der Frauen, zu Partizipation, Gewaltenteilung
und zur Begrenzung von Amtszeiten. Das ist eine
Chance. Sie können dazu sagen, dass das Lippenbe-

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(C (D enntnisse seien und diese Regime das nicht so meinten. ber es wird damit für die Menschen – denken wir nur n den KSZE-Prozess – eine Berufungsinstanz geschafen. Dort tut sich etwas. An diesen Ansätzen müssen wir nknüpfen und sie unterstützen. Wir dürfen ihnen nicht nsere Konzepte überstülpen, sondern mit ihnen an der erbesserung und Modernisierung ihrer Gesellschaft areiten. Darum geht es. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Viertens. Der nächste Punkt ist nicht ganz leicht. Aus
er muslimischen Welt wird immer wieder gesagt: Ihr
esst mit doppelten Standards. Wenn der Iran etwas
acht, ist es abgrundtief böse, und wenn es in Saudi
rabien geschieht, wo es den Wahhabitismus gibt, also
in radikales islamisches Regime, deckt ihr den Mantel
es Schweigens darüber, weil es eine prowestliche Re-
ierung ist.
Solange wir uns solche doppelten Standards erlauben,

ehmen uns die jungen Muslime nicht ernst, wenn wir
emokratie und Menschenrechte predigen. Man kann es
n der Politik nie 100-prozentig machen. Wir sind nicht
mnesty International; es gibt realpolitische Kompro-
isse und Notwendigkeiten. Aber ein bisschen mehr
indeutige Standards und weniger Doppelzüngigkeit
ind dringend notwendig, wenn wir die Herzen junger
uslime gewinnen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Fünftens. Die Chance, Wandel und Menschenrechte
n den Ländern des größeren Mittleren Ostens und Nord-
frikas zu unterstützen, erhalten wir nur, wenn die
erte, für die wir stehen, auch deutlich erkennbar blei-
en. Insofern haben die Bilder von Folter und Demüti-
ungen von Irakern eine katastrophale Wirkung. Sie dis-
reditieren all das, wofür die westliche Welt und auch
merika stehen, nämlich Menschenrechte und Men-
chenwürde. Natürlich kann man darauf hinweisen, dass
ei Saddam über Jahre und Jahrzehnte viel brutaler, viel
mfassender und viel schlimmer gefoltert worden ist.
ber wir in der westlichen Welt haben unsere eigenen
ohen Standards. Wir müssen alles dafür tun, dass diese
orgänge aufgeklärt werden und dass die Verantwortli-
hen zur Rechenschaft gezogen werden; sonst können
ir die Glaubwürdigkeit, die wir zum Dialog mit der is-
amischen Welt brauchen, nie wieder erzielen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sechstens. Vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslo-
igkeit und der sozialen Ungerechtigkeit geht es darum,
en Globalisierungsprozess sozial zu gestalten und ihm
inen politischen Rahmen zu geben. Die Öffnung unse-
er Märkte für die Produkte aus diesem Teil der Welt ist
on großer Wichtigkeit. Freihandel zu fördern – aber
irklichen Freihandel –, Entwicklungspolitik zu betrei-
en, dort die Demokratie zu fördern, durch Aufklärungs-
rojekte einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Bevölke-






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(B) )


Dr. Friedbert Pflüger

rung vielleicht nicht mehr ganz so schnell wächst wie
bisher, das ist von großer Wichtigkeit.

Siebtens. Wir müssen die kulturelle Zusammenar-
beit ausbauen, viel mehr über den Islam, seine Unter-
schiede und die verschiedenen islamischen Länder wis-
sen und sie besser verstehen. Deswegen ist es falsch, die
Mittel für auswärtige Kulturpolitik zu kürzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich bin gerade in fünf Ländern am Persischen Golf

gewesen. Auf der ganzen arabischen Halbinsel gibt es
nicht ein Goethe-Institut. Das müssen wir ändern, wenn
wir es mit dem Dialog mit der Welt des Islam ernst mei-
nen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Mein letzter Gedanke: Es ist nicht so, dass für alles,
was in der islamischen Welt passiert, der Westen Verant-
wortung trägt. Natürlich hat es die Zeit des Kolonialis-
mus gegeben, natürlich hat es enorme Fehler im Verhält-
nis zur islamischen Welt gegeben. Aber es geht nicht,
dass die Muslime immer nur uns verantwortlich machen
und sich selbst entlasten. Sie müssen auch selbst an der
Modernisierung, an der Öffnung und an der Reform ih-
rer Länder mitwirken. Wir erwarten von den Muslimen
in aller Welt – auch von denen, die bei uns leben –, dass
sie sich deutlicher als bisher in Wort und Tat von den
Terroristen und extremistischen Islamisten absetzen.
Dieses Recht auf ihre Mitarbeit und auf ihre Modernisie-
rungsanstrengung haben wir genauso, wie sie das Recht
auf unsere Unterstützung und Sympathie haben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1511200400

Ich erteile das Wort Kollegen Ludger Volmer, Frak-

tion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511200500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koali-

tionsfraktionen legen heute einen Antrag vor, der dreier-
lei leisten möchte: Er möchte den transatlantischen Dia-
log über Sicherheitsfragen wieder aufnehmen und in die
richtige Richtung umlenken,


(Zuruf von der FDP: Das wird aber auch Zeit!)

er möchte die Debatte innerhalb der EU über die strate-
gische Dimension der europäischen Politik vertiefen und
er möchte einen substanziellen Dialog zwischen dem so
genannten Westen und der arabisch-islamischen Welt
über Modernisierung, Demokratisierung und Umsetzung
der Menschenrechte mitinitiieren.

Dieser Antrag ist überfällig, weil uns die Krisen der
letzten Monate eindrücklich vorgeführt haben, dass die
Politik des „Weiter so!“, dass die reine Machtpolitik, die
auf militärische Projektion setzt, gescheitert ist.

Sehen wir uns die Situation im Irak an. Im Irak erle-
ben wir das Desaster einer ideologisch verblendeten Po-

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(C (D itik der Administration von Präsident Bush. So deutlich uss man das sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


ir sehen, dass es unmöglich ist, Demokratie herbeizu-
omben. Wir sind uns in der Zielsetzung Demokratisie-
ung einig. Aber man kann Demokratie nicht mit Waf-
engewalt herbeizwingen, insbesondere dann nicht,
enn man ständig die Würde der Menschen verletzt, die
an zur Demokratie bekehren möchte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sehen wir uns das Sicherheitsdesaster an. Es war
och absehbar, dass kein Plan existierte, wie der Wieder-
ufbau nach dem Krieg einer Hightecharmee gegen eine
ittelmäßig bewaffnete Dritte-Welt-Armee zu gesche-
en habe, wie regionale Stabilität gewährleistet werden
önne. Heute muss die Bush-Administration auf die
räfte zurückgreifen, die sie bekämpft hat, nämlich die
lten Sicherheitsorgane von Saddam Hussein. Das ist
och der völlige Bankrott der Sicherheitspolitik, die dort
ngestrebt wurde.
Was zeigen uns die Folterorgien der letzten Monate
it den schrecklichen Menschenrechtsverletzungen?
an hatte den Anspruch, Demokratie zu exportieren –
nd man exportierte Folterknechte. Das ist doch der to-
ale moralische Bankrott eines bestimmten Anspruchs,
er angeblich für die gesamten westlichen Werte steht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)

Gegen diesen Anspruch müssen wir uns wehren. Wir
üssen von den amerikanischen Freunden und Partnern
ordern – ich begrüße, dass der Außenminister das bei
einer Rede sehr deutlich gemacht hat –, dass die Dinge
ufgeklärt und die Verantwortlichen bestraft werden.
ir hoffen, dass der Schaden, der durch diesen doppel-

en – politischen und moralischen – Bankrott angerichtet
urde, durch eine UNO-Resolution zumindest einge-
ämmt werden kann, die möglichst bald die Irakisierung
es Konfliktes in die Wege leitet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, doppelte Standards wirft
ns die islamisch-arabische Welt vor. Wir wissen nur zu
ut, dass sich viele Despoten des Orients mit ihren eige-
en doppelten Standards hinter den Fehlern des Westens
erstecken. Umso wichtiger ist es, dass wir eine Fehler-
ufarbeitung vornehmen und einen Neuansatz für einen
rundlegenden Dialog zwischen unserem westlichen
ulturkreis und dem islamisch-arabischen Kulturkreis
inden. Das geht nicht mehr mit dem moralischen Zei-
efinger. Dieses Recht haben wir durch den moralischen
ankrott verspielt, den die Folterorgien mit sich ge-
racht haben.
Wenn wir über Versagen reden, müssen wir auch über

ie Haltung einiger Kräfte in diesem Hause vor einem
ahr reden. Ich erinnere mich noch sehr gut daran – man






(A) )



(B) )


Dr. Ludger Volmer

brauchte sich nur die Sendung von Frau Illner gestern
Abend anzuschauen –, wie die Vorsitzende der CDU/
CSU-Fraktion noch vor einem Jahr argumentiert hat.
Wir erinnern uns an ihre Kniefälligkeit gegenüber Präsi-
dent Bush, mit der sie die Opposition in den USA und in
Europa geschwächt hat –


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: War er einmal Staatsminister?)


dies alles aus der wahnhaften Vorstellung heraus, wenn
sich die kleine Bundeswehr in einem Bedrohungsszena-
rio an die Seite der großen US-Armee stellte, würde
Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen abrüsten,
die er überhaupt nicht hatte. Dies war die Absurdität der
Politik der CDU/CSU.

Zudem frage ich mich, Frau Merkel, wie Sie es recht-
fertigen können, zu sagen: Wir wollten mitdrohen, aber
für den Fall, dass Saddam nicht reagiert hätte, hätten wir
uns natürlich nicht militärisch beteiligt. „Bellen, ohne zu
beißen“, das ist offensichtlich das Motto Ihrer Sicher-
heitspolitik.


(Dr. Klaus Rose [CDU/CSU]: Beißen, ohne zu bellen!)


Wie unglaubwürdig sie ist, weiß jeder Sicherheitspoliti-
ker. Deshalb sage ich Ihnen: Wenn Sie 2002 an die
Macht gekommen wären, dann wäre Deutschland heute
in demselben Schlamassel, in dem die USA sind.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch Quatsch, was Sie da erzählen!)


Dann hätten wir Anteil an dem moralischen Bankrott
dieser Politik. Wenn Sie daran beteiligt gewesen wären,
hätte die arabisch-islamische Welt heute vielleicht sogar
zu Recht den Eindruck, es ginge um einen Kampf der
Kulturen. Es war diese Koalition, die durch die rot-grüne
Außenpolitik zusammen mit unseren Freunden in Frank-
reich, Belgien und anderswo verhindert hat, dass es in
der Wahrnehmung der arabisch-islamischen Welt zu
einem Clash of Civilizations gekommen ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Auf diese Politik sind wir stolz. Dazu erwarten wir von
Ihnen noch immer ein klares Wort.


(Dieter Grasedieck [SPD], zur CDU/CSU gewandt: Zuhören wäre gut da hinten! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sind zu Recht abgelöst worden!)


Der west-östliche Dialog steht auf der Tagesordnung.
Er muss sich um Modernisierung, Demokratisierung und
Menschenrechte drehen. Wir haben ein gesteigertes Inte-
resse daran, denn der Orient liegt in unserer unmittelba-
ren Nachbarschaft. Insbesondere, weil wir die Europäi-
sche Union erweitert haben, ist es notwendig, sinnvoll
und in unserem Sicherheitsinteresse, dass wir friedliche
und freundschaftliche Beziehungen zu dieser Region
pflegen. Auch brauchen wir diese Region im gemeinsa-
men Kampf gegen den internationalen Terrorismus.
Nicht nur wir, die westliche Welt, sind Ziele der Terro-
risten, sondern auch die arabisch-islamische Welt selbst
hat unter diesen Irrläufern zu leiden, die sich zu Unrecht

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(C (D uf den Koran berufen. Auch in dieser Hinsicht haben ir zumindest mit den Modernisierungskräften in der slamischen Welt ein gemeinsames Interesse. Zum Nahostkonflikt ist bereits einiges gesagt worden. iesen zu lösen ist in diesem gesamten Kontext die zenrale Aufgabe. Wir wissen, dass es ohne eine Lösung des ahostkonflikts auf der Basis von Zweistaatlichkeit und egenseitigem Gewaltverzicht, wie es in der Roadmap orgezeichnet ist, keine grundlegende Neuverständigung wischen der arabischen Welt und dem Westen geben ird. Beide Aspekte bedingen sich gegenseitig. Wir üssen beide Projekte, die Lösung des Nahostkonflikts nd den Versuch, diesen umfassenden Dialog aufzunehen, gleichzeitig beginnen. Dass sich Europa in diesem Kontext ein neues elbstverständnis und ein neues Selbstbewusstsein zu igen machen muss, liegt auf der Hand. Europa muss eine strategische Dimension erkennen, wie es der ußenminister in seiner Münchener Rede ausgedrückt at. Die Europäische Union muss zu einem Selbstvertändnis kommen, in dem sie sich als handelndes Subekt und nicht mehr nur als eine Arena sieht, in der die inzelnen Teilnehmerstaaten ihre nationalen Interessen usagieren. Am besten wäre es, wenn neben der europäichen Sicherheitsstrategie, die eine gute strategische rientierung bietet, der gemeinsame Verfassungsvertrag erabschiedet würde und so endlich das Selbstverständis Europas als politisch handelndes und strategisches ubjekt festgeschrieben würde. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren, im Kontext des Dialogs
wischen dem Westen und der orientalischen Welt kann
in Land eine Schlüsselrolle spielen und einen geradezu
trategischen Stellenwert einnehmen: die Türkei. Des-
alb möchte ich diesen Punkt ansprechen. Denn meine
ritik an der Irakpolitik der CDU/CSU habe ich vorhin
icht aus Rechthaberei formuliert,


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh, nein! – Natürlich nicht!)


ondern weil ich befürchte, dass, nun bezogen auf die
ürkei, der gleiche strategische Fehler erneut gemacht
ird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aus einer diffusen Ablehnung gegenüber Moslems
Herr Pflüger hat zwar versucht, etwas anderes zu sug-
erieren – und aus einer irrationalen, emotionalen Bin-
ung an ein bestimmtes, eng definiertes Verständnis von
bendländischer Kultur versucht man, die Türkei außen
or zu lassen, und


(Zuruf von der CDU/CSU: Dummes Zeug!)

immt in Kauf, dass all ihre Hoffnungen enttäuscht wer-
en und dass auch Demokratisierung und Modernisie-
ung, die dort gerade aufgrund der europäischen Per-
pektive der Türkei Einzug gehalten haben, wieder
estoppt und vielleicht sogar rückgängig gemacht wer-
en.






(A) )



(B) )


Dr. Ludger Volmer

Es liegt in unserem Sicherheitsinteresse – das mögen

sich bitte auch die Innenpolitiker vergegenwärtigen –,
dass sich dieses wichtige Land an der Schnittstelle zwi-
schen Orient und Okzident in positiver Weise auf die
europäischen Werte bezieht, sich diese Werte aneignet
und gemeinsam mit uns den Dialog mit der arabisch-
islamischen Welt aufnimmt. Wir brauchen die Türkei.
Deshalb darf es keine innenpolitisch motivierten Ressen-
timents geben, die die Türkei ins Niemandsland oder
vielleicht sogar auf die falsche Seite treiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dass diese Politik – der Dialog mit dem Orient und
die europäische Perspektive der Türkei – Realität wer-
den kann, dafür steht diese rot-grüne Regierung und des-
halb sind Grün und Rot europapolitisch und außenpoli-
tisch die erste Wahl.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1511200600

Ich erteile das Wort Kollegen Werner Hoyer, FDP-

Fraktion.


Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1511200700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lassen Sie mich eine Anmerkung zu diesem Wahl-
kampfauftritt des Kollegen Volmer machen. Wir Libera-
len haben eine Gemeinsamkeit mit den Koalitionsfrak-
tionen: Wir haben den Irakkrieg weder sachlich noch
rechtlich für gerechtfertigt gehalten noch haben wir ihn
für richtig gehalten; er war eben obendrein ein Fehler.
Aber was wir nicht zugelassen hätten, wäre, dass über
diese Frage mit aktiver Beteiligung der Bundesrepublik
Deutschland Europa gespalten worden ist, und das ist
hier passiert.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:
Albern!)

Diese wahlkampftaktische Aktion, die damals erfolg-
reich war, aber mit zur Spaltung Europas führte, soll
jetzt, im Vorfeld der Europawahl, erneut versucht wer-
den. Das wird diesmal nicht mehr aufgehen – das haben
die Wählerinnen und Wähler durchschaut.

Bei aller Kritik, die anzubringen ist – ich denke, zur
Selbstgerechtigkeit besteht hier nun überhaupt keine
Veranlassung; dafür wird all das, was vor dem Sturz von
Saddam Hussein geschehen ist, dann doch zu leicht ver-
gessen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es geht im Nahen Osten um viel mehr als um regio-
nale Stabilität – so wichtig sie ist –, es geht auch darum,
wie wir mit unserer Verpflichtung gegenüber dem Staat
Israel klarkommen; es geht darum, den Kampf gegen
den internationalen Terrorismus zu bestehen; es geht da-

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(C (D um, die eigene Sicherheit zu gewährleisten, es geht daum, den Clash of Civilizations zu verhindern, und es eht in allererster Linie darum, die Glaubwürdigkeit der estlichen Welt und des westlichen Wertesystems zu ahren und da, wo sie beschädigt ist, wiederherzustelen. ir glauben an die Freiheit und die Würde des Menchen. Dieses Wertesystem und die Glaubwürdigkeit der kteure, die es verkörpern und umsetzen, sind unsere ichtigsten Waffen im Kampf gegen internationalen errorismus, unsere wichtigsten Mittel auch, um einen eitrag zur Stabilisierung im Nahen und Mittleren Osten u leisten. Politik wird heute – das wissen wir alle; ob wir es ollen oder nicht – auch über Bilder gemacht. Die Biler, die in den letzten Wochen aus dem Abu-Ghureibefängnis über den Äther gegangen sind, kann man nur ls politischen Super-GAU betrachten; er wird uns lange eschäftigen. „Die Würde des Menschen ist unantastar“, das ist nicht nur der Kernsatz unseres deutschen rundgesetzes, das ist das Credo der westlichen Werteemeinschaft und das gilt auch für die Iraker. Erst wenn ir die Würde der Menschen in der islamischen Welt in en Mittelpunkt unseres Handelns rücken, werden wir iese Menschen für uns gewinnen und gleichzeitig auch berzeugend bei den Regimen der Region dafür werben önnen, die Würde und die Freiheit des einzelnen Menchen besser zu achten. Deshalb ist es wichtig, dass die merikaner voll aufklären; deswegen ist es wichtig, dass ir Vorsorge treffen, dass so etwas nie wieder passiert. ber, meine Damen und Herren, angesichts der antiameikanischen Orgie, (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsinn! Man muss die Sache auch einmal beim Namen nennen!)


(Beifall bei der FDP)


ie heute Morgen hier vom Kollegen Volmer abgezogen
orden ist, sage ich: Ich habe volles Vertrauen in die
roßen Werte der amerikanischen Verfassung, der
ill of Rights, der Declaration of Independence – auch
die Selbstheilungskräfte der amerikanischen Gesell-
chaft. Wir unterschätzen das hier.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

ehen wir uns doch einmal an, in welcher intellektuel-
n, moralischen und rechtlichen Schärfe die amerikani-
che Diskussion über die Vorgänge geführt wird! Zumin-
est was intellektuelle Redlichkeit angeht, könnten sich
inige bei uns eine Scheibe davon abschneiden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Klar ist aber auch: Die Amerikaner könnten zur Wie-

erherstellung ihrer Glaubwürdigkeit einen weiteren
eitrag leisten, zum Beispiel indem sie mit dem Thema
uantanamo Bay anders umgehen oder ihre Position
um Internationalen Strafgerichtshof überdenken wür-
en.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. Werner Hoyer

Meine Damen und Herren, im Nahen Osten genießen

die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland und
der Außenminister persönlich einen guten Ruf. Das gilt
auch in Bezug auf den Konflikt zwischen Palästinen-
sern und Israelis. Das ist auch gut so. Aber wir dürfen
den guten Ruf nicht als bloßen Heiligenschein ansehen
und er darf kein Selbstzweck werden, sondern er muss
dazu genutzt werden, um Einfluss zu nehmen, und zwar
auch in den Situationen, in denen es schwer fallen mag,
harte Worte auszusprechen.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da machen Sie sich mal keine Sorgen!)


Es ist an der Zeit, dass der Bundesaußenminister seinen
guten Ruf aktiv einsetzt. Das darf aber nicht so aussehen,
dass er für die Israelis oder für die Palästinenser Partei
ergreift; er muss vielmehr Partei ergreifen für die Imple-
mentierung der Roadmap wie auch für die Umsetzung
der schon vorhandenen Friedensvorschläge, die aus der
Zivilgesellschaft gekommen sind.


(Gernot Erler [SPD]: Das macht er doch!)

In diesem Zusammenhang möchte ich feststellen,

dass ich nicht gut finde, wie wir mit Herrn Rabbo und
Herrn Beilin umgegangen sind. Sie haben uns im Aus-
schuss überzeugend vorgetragen, wir haben sie bejubelt.
Aber anschließend haben wir das mit einer sehr schwa-
chen Erklärung bedacht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Bundesaußenminister muss für das Völkerrecht
eintreten. Das muss er auch dann tun, wenn Ministerprä-
sident Scharon das Völkerrecht verletzt und meint, trotz-
dem auf dem richtigen Weg zu sein.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)

Die Bush-Administration hat sich zu Beginn ihrer

Amtszeit aus der Lösung des Nahostproblems fast völlig
herausgehalten, und zwar auch aus der Situation des
Wahlkampfes heraus: Nach Clintons Abgang durfte man
nichts fortführen, was Clinton fast erfolgreich bewältigt
hätte. Das war ein großer Fehler. Jetzt werden die Ame-
rikaner wieder aktiver. Ich hoffe, es handelt sich nicht
wieder um eine Aktivität im Vorwahlkampf aus tak-
tischen Motiven. Wir brauchen die Amerikaner bei die-
ser Arbeit.

Wichtig ist, dass wir den fatalen Eindruck ausräumen,
im Nahen Osten gebe es eine Arbeitsteilung zwischen
Europäern und Amerikanern, als seien die Europäer
für die Finanzierung der Palästinenser zuständig, die
Amerikaner dagegen würden sich nur mit den Leiden
des israelischen Volkes befassen und würden die dafür
notwendigen Mittel und die notwendige Empathie auf-
bringen. Diesen Eindruck müssen wir ausräumen. Die
Amerikaner sind gut beraten, die Chancen zu nutzen, die
in Gesten, auch humanitärer Art, gegenüber den Palästi-
nensern bestehen, Chancen, die zum Beispiel darin lie-
gen, dass die amerikanische Administration klare Worte
für Völkerrechtsverletzungen findet, die Israel zuzurech-
nen sind. Umgekehrt wären wir Europäer gut beraten,
den Israelis glaubwürdig zu vermitteln, dass auch wir

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(C (D as legitime Interesse des israelischen Volkes anerkenen, als jüdischer Staat zu bestehen, und dass wir aktiv ür sie eintreten und mit ihnen fühlen angesichts der tändigen terroristischen Bedrohung und Gewalt, unter er sie leben und leiden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, mein letzter Punkt. Damit
omme ich auf unseren Antrag zu sprechen. Der Frie-
ensprozess im Nahen Osten kann genauso wenig von
ußen aufgezwungen werden wie der ebenso wichtige
rozess der Modernisierung der Länder des Nahen und
ittleren Ostens. Solche Versuche werden immer Ab-
ehrreflexe auslösen, und zwar nicht nur bei den Regi-
en in der Region, die um ihre Macht und um ihren Ein-
luss fürchten, sondern auch bei den allermeisten
enschen vor Ort. Denn die Menschen in dieser Region
ind zutiefst verunsichert, sie sind durch die aktuellen
ilder aus dem Irak zutiefst abgestoßen, sie sind indok-
riniert durch ihre politischen und religiösen Führer und
ie sind – auch das muss man im Hinterkopf behalten –
u stolz und zu würdevoll, um sich Lösungen immer nur
on außen aufdrücken zu lassen. Natürlich ist zu Recht
esagt worden – Friedbert Pflüger hat darauf hingewie-
en –, dass Aktivitäten auch von innen kommen und
ichtbar werden müssen; das ist vollkommen richtig.
ur ein Oktroi wird das Problem nicht lösen.
Es herrscht in den Zivilgesellschaften in dieser Re-

ion ein enormer Reformdruck. Es gibt durchaus die Er-
enntnis, dass die islamisch-arabischen Länder weltweit
en Anschluss zu verlieren drohen. Viele in diesen Län-
ern drängen nach stärkeren Partizipationsrechten und
ehr Freiheit. Diese Vertreter der Zivilgesellschaft wis-
en auch, dass für den erforderlichen Modernisierungs-
rozess Hilfe von außen erforderlich ist. Diese darf aber
icht aufgedrückt werden.
In den Anträgen der Union wie auch der Koalition

inden sich viele gute Vorschläge. Aber ich meine, wir
ollten zusätzlich den Gedanken einbringen, die maß-
eblich betroffenen Akteure einzubeziehen und ihnen in-
ernationale Unterstützung zukommen zu lassen.
Wir haben gute Erfahrungen mit dem Helsinkiprozess

emacht. Ich weiß, dass man das nicht eins zu eins über-
ragen kann. Warum ziehen wir aber nicht die Schluss-
olgerungen aus dem, was wir in Helsinki und durch den
elsinkiprozess gelernt haben? Dieser Prozess hat den
eg zur Überwindung der Teilung Europas und unseres
andes freigemacht. Der Weg von Helsinki war der
chlüssel zur Vereinigung Europas, die wir vor wenigen
agen gefeiert haben, und zur Vereinigung unseres Lan-
es vor 15 Jahren.
Deswegen: Lasst uns untersuchen – wir werden in

en Ausschussberatungen ausreichend Zeit haben –, wo
ir Möglichkeiten dafür sehen, die Schlussfolgerungen
us den Erfahrungen mit den drei Körben von Helsinki
uf mögliche Lösungsansätze für den Nahen Osten zu
bertragen. Ich denke, die Europäer und die Deutschen
önnten hier hilfreich sein. Nachdem unsere Vorschläge
n dieser Richtung am Anfang sehr belächelt worden






(A) )



(B) )


Dr. Werner Hoyer

sind – auch von dem Herrn Außenminister –, bin ich nun
sehr ermutigt, da diesbezüglich mittlerweile doch überall
eine große Aufgeschlossenheit vorhanden ist.

Kollege Pflüger hat im Hinblick auf das Alexandria-
dokument zu Recht auf die entsprechenden Anknüp-
fungspunkte hingewiesen. Auch Minister Sharansky aus
Israel hat sich positiv in diese Richtung geäußert. Neh-
men wir diesen Faden auf und versuchen wir, tatsächlich
einen Beitrag zur Lösung des gefährlichsten Problems in
unserer unmittelbaren Nachbarschaft zu leisten!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1511200800

Ich erteile Kollegen Gert Weisskirchen, SPD-Frak-

tion, das Wort.

Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1511200900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Dr. Hoyer, wir haben es erlebt: Diese Debatte hat
auf der Sicherheitskonferenz in München begonnen. Der
Außenminister hat den Eröffnungszug gemacht und ge-
sagt, wie wir in der Bundesrepublik Deutschland mit den
Konflikten, die sich ganz in unserer Nähe ereignen, um-
gehen müssen.

Wir erinnern uns alle an den Kollegen Lamers, der
immer wieder deutlich gemacht hat, dass der Nahe Osten
deswegen so heißt, weil er direkt neben uns liegt. Anders
als die Amerikaner, die „middle east“ sagen, würde es
uns sofort und direkt betreffen, falls sich der Nahe Osten
in kriegerischer Selbstzerstörung befinden und in eine
Auseinandersetzung geraten würde. Das hat der Außen-
minister klar gemacht. Wir im Westen müssen jetzt un-
sere eigenen inneren Widersprüche überwinden, einen
neuen Akzent setzen und den Eröffnungszug machen.
Lieber Kollege Dr. Hoyer, insofern braucht die Bundes-
regierung keinen Hinweis darauf, dass das nötig ist. Der
Außenminister hat das deutlich gemacht und wir führen
hier eine vernünftige Debatte darüber.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich finde, in dieser Debatte sollte es auch darauf an-
kommen, unseren amerikanischen Freunden und Part-
nern nicht mit dem Gestus der Schadenfreude zu be-
gegnen.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Waren Sie gerade nicht im Saal, als der Kollege Volmer gesprochen hat?)


– Lieber Kollege Dr. Hoyer, das war nicht das, worauf
der Kollege Volmer hingewiesen hat. – Nein, innerhalb
des Westens brauchen wir keine Schadenfreude; denn es
kommt jetzt darauf an, eine harte und schonungslose Bi-
lanz des Irakkriegs zu ziehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin froh, dass Madeleine Albright sehr deutlich
sagt, dass die Irakstrategie des amerikanischen Präsiden-

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(C (D en gescheitert ist. Sie ist nicht nur deshalb gescheitert, eil der Krieg ganz anders verläuft, als sich manche in er Administration das gedacht haben. Man hätte Lehren us der Geschichte ziehen können. Ich nenne jemanden, er sehr hart und deutlich gesagt hat, was es bedeutet, enn man in einen Krieg zieht: Winston Churchill hat as in seinen eigenen biographischen Notizen sehr klar emacht. Dazu, dass manche, die vom Kriegsfieber geackt sind, glauben, sie könnten das beherrschen, was eschieht, wenn das Signal des Krieges ertönt ist, hat er anz deutlich gesagt: Derjenige, der dieses Signal hört, st von diesem Moment an nicht mehr Herr dessen, was eschieht, sondern er wird Sklave der Ereignisse, die ann heraufgerufen werden. In dieser Gefahr befindet ich derjenige, der die Interessen und die Würde von enschen einfach missachtet. Zurzeit befindet sich die egenwärtige amerikanische Administration in einer solhen Gefahr. Ein anderer hat zu einer früheren Zeit dieses Problem ehr kritisch analysiert und aufgearbeitet, nämlich ulbright. Er hat für eine solche Situation ganz klar geagt: Wenn es nur noch so wäre, dass sich die Arroganz er Macht durchsetzte, dann allerdings hätte Amerika erloren. – So, wie Amerika gegenüber den Menschen ieser Region auftritt, verliert es an Glaubwürdigkeit. In ieser Phase befindet sich gegenwärtig die amerikaniche Administration. Das hat nichts mit Schadenfreude u tun oder damit, mit dem Finger auf andere zu zeigen. ielmehr müssen wir darauf setzen, dass die selbstkritichen Kräfte in den USA diese große Herausforderung elbst bestehen. Ich bin ganz sicher, dass dies geschehen ird, lieber Kollege Dr. Hoyer. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das sehe ich auch so! Das kann ich nur bestätigen!)


Wenn wir über den Nahen und Mittleren Osten reden,
ann müssen wir uns selbst fragen, in welcher langen
istorischen Linie wir uns befinden. War es nicht so,
ass der Austausch zwischen Europa im Norden und
em Mittelmeerraum ein immer währender kriegeri-
cher und imperialer gewesen ist? Waren es nicht Krieg,
useinandersetzung, Abgrenzung – allerdings auch Inte-
ration und Aufnahme –, die diesen Austausch, diese
eziehungen leider zu stark und zu häufig geprägt ha-
en? Dies ist die lange geschichtliche Widersprüchlich-
eit, mit der wir uns im Raum des Mittelmeers gegensei-
ig begegnet sind. Hier steht auf der einen Seite die
iege der monotheistischen Religion und auf der ande-

en Seite – das dürfen wir nicht vergessen – die Wiege
es modernen und imperialen Staatsdenkens.
Ich darf einmal daran erinnern – wenn man Mitglied

er Christlich Demokratischen Union ist, dürfte das ganz
ahe liegen –, was Paulus geantwortet hat, als er gefragt
orden ist, wer er sei: Civis Romanus sum – ich bin ein
ürger Roms. Auch das prägt diesen Raum: der Beginn
er Zivilisation, immer begleitet von kriegerischen Aus-
inandersetzungen. Das ist die Widersprüchlichkeit.
Heute könnten wir aus den Fehlern, die gemacht wor-

en sind, lernen und daraus den Schluss ziehen: Wir






(A)



(B) )


Gert Weisskirchen (Wiesloch)


müssen in ein neues gemeinsames Verhältnis eintreten,
damit das, was uns in der Vergangenheit so stark und so
negativ geprägt hat, überwunden wird. Wir müssen ver-
suchen, unsere historischen Erfahrungen so zu nutzen,
dass wir in der Tat – darin stimme ich Ihnen zu, Herr
Dr. Hoyer – unsere Erfahrungen seit 1975 ernst nehmen,
aufnehmen und mit dieser Region in einen wirklichen
Dialog eintreten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Eu-
ropäische Union eine neue Partnerschaft mit unserem di-
rekten Nachbarn eingeht. Willy Brandt hat dazu, wie ich
finde, richtig gesagt: Wir Deutsche wollen gute Nach-
barn sein, nach innen und nach außen. – Jetzt kommt es
darauf an, ein neues nachbarschaftliches Verhältnis mit
dieser gebeutelten, schwierigen und in sich so wider-
sprüchlichen Region einzugehen.

Wenn wir uns diese Region anschauen, von Marra-
kesch bis Kabul, dann kann man sich schon die Frage
stellen: Seid ihr nicht zu euphorisch, zu versuchen, mit
dieser ganzen Region eine neue Partnerschaft einzuge-
hen? Das ist wohl wahr; denn bei der Kleinteiligkeit und
Kleinräumigkeit von Marokko bis Afghanistan kann es
schon dazu kommen, dass uns die Suche nach der Lö-
sung dieser Einzelprobleme derart bedrängt, dass wir
den Blick auf das Ganze verlieren. Diese skeptische
Frage wird uns während des langen Prozesses, den wir
jetzt beginnen werden, begleiten. Wenn wir aber nicht
den Mut haben, einen gemeinsamen strategischen Ent-
wurf zu skizzieren, werden wir auch die kleinen Fragen
nicht lösen, sondern diese werden sich als Steine auf
dem gemeinsamen Weg erweisen. Dann allerdings könn-
ten wir scheitern.

Nein, ich glaube, wir stehen am Anfang eines völlig
neuen Prozesses.

Der Außenminister hat zu Recht in München gesagt,
dass das bedeuten muss, dass sich der Westen neu defi-
niert, dass er sich neu erfindet. Denn wir wollen doch
dieser Region, die nahe bei uns liegt, nicht mit dem Ges-
tus „Wir wissen alles besser und es ist nun an der Zeit,
dass ihr euch uns anschließt“ begegnen, sondern wir
wollen das als Aufgabe der transatlantischen Partner-
schaft angehen. Die USA und die Europäische Union
müssen ihre Kräfte bündeln und dafür sorgen, dass sich
diese Region zu einer Region der Prosperität entwickeln
kann.

Wer von „Region der Prosperität“ spricht, der weiß
auch, wie schwer es die Menschen haben, die in den
22 arabischen Staaten leben. Alle 22 Staaten zusammen
erwirtschaften leider nur ein Bruttosozialprodukt, das
gerade einmal so groß wie das von Spanien ist. Daran
sieht man, wie schwer die Aufgabe ist. Über 50 Prozent
der Menschen dort können nicht lesen und nicht schrei-
ben; zwei Drittel davon sind Frauen. Es liegen also
große soziale Aufgaben vor uns, die wir gemeinsam an-
packen müssen. Denn Sicherheit, Demokratie und Mo-
dernisierung sind das, was diese Region braucht.

Die Europäische Union wird ein guter, verlässlicher
Partner sein, der nur gemeinsam mit den USA diese vor
uns liegende schwere, historische Aufgabe bewältigen
kann. Ich bin froh darüber, lieber Herr Außenminister,

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(C (D ass Sie das auf die Tagesordnung gesetzt haben und das uf den vor uns liegenden Gipfeln der Europäischen nion, der G 8 und der NATO ansprechen werden. Es ist ilfreich, dass wir diese Debatte frühren. Ziehen wir daaus die richtigen und vernünftigen Konsequenzen! enn wir brauchen eine neue Partnerschaft zwischen em Westen und dem Osten, zwischen Orient und Okzient. Das ist die Aufgabe dieser Generation. Ich hoffe, ir erfüllen sie. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1511201000

Ich erteile das Wort Kollegen Christian Ruck, CDU/
SU-Fraktion.

Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1511201100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Das Verhältnis zwischen Europa und der islami-
chen Welt ist nach der Kette von Terroranschlägen,
ach New York, nach den Kriegen in Afghanistan und
m Irak und nach der Eskalation im Nahen Osten natür-
ich angespannt. Die Kommunikation zwischen uns ist
nbefriedigend. Argwohn und Misstrauen sind auf bei-
en Seiten groß. Auch das haben wir bei der gestrigen
iskussion mit den Botschaftern erlebt. Ich erinnere an
en Streit um Überschriften, um Semantik. Wir haben
isher darauf keine passende Antwort.
Antworten zu finden ist dringlich. Es ist ein Gebot der

tunde, dass wir einen neuen, einen intensiveren Dialog
it den Regierungen und Menschen in den Ländern der
slamischen Welt anstoßen. Wir haben dazu gerade als
eutsche allen Grund: Wir haben auf der einen Seite tra-
itionell gute, auch gute kulturelle Beziehungen; wir ha-
en intensive ökonomische Beziehungen mit einem
berragenden Zukunftspotenzial. Auf der anderen Seite
ind wir aber auch massiv von Fehlentwicklungen be-
roffen, die es in diesem Raum gibt und geben könnte.
ch nenne das Stichwort Migration. Natürlich sind wir
uch als Deutsche und Europäer besonders verwundbar
urch Terrorismus, Spannungen oder Konflikte in die-
em Raum.
Das ist der Ausgangspunkt für unseren Antrag. Für

ns ist ein ganz entscheidender Schlüssel für eine ge-
einsame tragfähige Zukunft eine effizientere Politik
er wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwick-
ung gegenüber den islamischen Ländern. Wir gehen da-
on aus, dass auch für die Menschen dort und für deren
efindlichkeit Bildung, wirtschaftliche Perspektiven
nd die Chance, zu der Gestaltung der eigenen Gesell-
chaft beizutragen, wirkliche Schlüsselfaktoren sind.
as ist zwar noch keine Garantie gegen Konflikte und
adikalismus, aber das ist die beste Voraussetzung für
in besseres Miteinander und dafür, einen offenen Kon-
likt zu vermeiden.
Dazu bedarf es natürlich auch in den islamischen

ändern – das wurde schon angesprochen – tief greifen-
er politischer, sozialer und wirtschaftlicher Reformen.
iese Länder sind dazu bereit, aber es ist eine sehr
chwierige Aufgabe. Unsere strategische Aufgabe muss
)






(A) )



(B) )


Dr. Christian Ruck

es sein, alles zu tun, damit es zu diesen Reformen
kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sollten dabei jeden Eindruck von Bevormundung
und Arroganz vermeiden.

Ich erinnere daran, dass in Mitteleuropa quasi noch
die Eisenzeit herrschte, als es im Nahen und Mittleren
Osten schon blühende Hochkulturen gab. Ich erinnere
weiter daran, dass auch islamische Impulse dazu bei-
getragen haben, dass wir eine Schwächeperiode in unse-
rem Mittelalter überwinden konnten, und möchte in die-
sem Zusammenhang die Nobelpreisträgerin Ebadi
zitieren:

Demokratie ist kein Geschenk, das man auf einem
Goldtablett darreicht. … Demokratie ist ein histori-
scher Prozess, der sich … in jeder Gesellschaft von
innen heraus entwickeln muss. Geschichte setzt Ge-
duld voraus.

Das sollten auch wir berücksichtigen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Wir sollten auch deutlich machen, dass unser Ange-
bot zur verstärkten Zusammenarbeit und Entwicklung
nicht nur auf Demokratieaufbau abzielt, sondern insbe-
sondere auf die Stärkung der ökonomischen Wettbe-
werbsfähigkeit der Gesellschaften in dieser Region, die
Schaffung von wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen und
vor allem die Verbesserung der Zukunftschancen der
jungen Generation, die auf geradezu dramatische Art
und Weise und in einem Maße, wie wir es uns wünsch-
ten, ein überragender Bestandteil der Alterspyramide
dieser Gesellschaften ist. Wir sollten darüber hinaus
deutlich machen, dass wir uns um die gemeinsame Ab-
wehr von Gefahren kümmern wollen, die uns alle betref-
fen.

Deswegen bestehen die Hauptelemente unseres An-
trags darin, den wissenschaftlichen Dialog fortzuführen
und zu intensivieren, einen Beitrag zu einem effiziente-
ren Umgang mit der knappen Ressource Wasser zu leis-
ten, die Unterstützung für den Ausbau eines breiten und
modernen Bildungs- und Erziehungswesens zu verstär-
ken und vor allem die Wettbewerbsfähigkeit dieser Län-
der zu stärken. Als weitere Stichworte sind beispiels-
weise eine moderne Verwaltung, die Integration in
globalisierte Märkte, das Ausbildungswesen und die
Hochschulkapazitäten zu nennen.

An der Haltung und Politik der jetzigen Bundesregie-
rung gibt es einiges zu kritisieren. Ich finde es bedauer-
lich, dass zum Beispiel niemand aus der Spitze des Ent-
wicklungsministeriums an dieser wichtigen Debatte
teilnimmt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verharmlosen das Problem, Herr Ruck!)


– Ich finde es schade, Herr Volmer, dass Sie das Thema
mit einer so rückwärts gewandten Polemik angehen. Sie
gestatten, dass ich nicht darauf eingehe.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Klaus Rose [CDU/CSU]: Nicht einmal ignorieren tun wir ihn!)


Nehmen Sie doch zur Kenntnis, was in der deutschen
ntwicklungspolitik wirklich passiert! Die Schwer-
unktsetzung geht völlig an dem vorbei, was in dem von
rabischen Wissenschaftlern erstellten Entwicklungsre-
ort dargestellt wurde. Es gibt im BMZ kein aktuelles
onzept für den Nahen und Mittleren Osten. Erst drei
ahre nach dem 11. September wurde heuer ein solches
onzept in Auftrag gegeben.
Mit einer falschen Schwerpunktsetzung, einer unge-

ügenden Koordinierung, einer fehlenden internationa-
en Arbeitsteilung und einer miserablen Haushalts- und
inanzpolitik haben Sie Ihren eigenen Spielraum für ein
trategisches Krisenmanagement und eine strategische
risenpolitik verspielt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

eshalb sollte man hier nicht so große Töne spucken.
Natürlich besteht die Politik gegenüber dieser Region

icht nur aus Entwicklungspolitik. Das wurde schon an-
esprochen. Im Zusammenhang mit dem Nahen und
ittleren Osten stellt der Konflikt zwischen Israel und
alästina das Schlüsselproblem dar. Aber wir wollen
uch deutlich machen, dass es uns um ein ehrliches An-
ebot für eine gemeinsame Suche nach einer friedlichen
ooperation auch in Verantwortung für die kommenden
enerationen geht. Ich glaube, dass Deutschland als Be-
tandteil einer westlichen Gesamtstrategie hinsichtlich
ieser Region einen größeren Spielraum hat. Diesen
pielraum sollten wir, diesen Spielraum sollte auch die
undesregierung stärker nutzen.
Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1511201200

Ich erteile Außenminister Joseph Fischer das Wort.

Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511201300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir

ber den Nahen und Mittleren Osten sowie über eine
eue Partnerschaft sprechen, dann müssen wir uns da-
über im Klaren sein, dass wir es bei diesem Thema mit
er zentralen Sicherheitsfrage – vermutlich nicht nur in
en kommenden Jahren, sondern Jahrzehnten – für uns
uropäer und damit auch für die Bundesrepublik
eutschland zu tun haben.
Wenn man zurückblickt, dann erkennt man, dass eines

er Probleme vielleicht darin besteht, dass wir alle den
bergang von einem bipolaren System des Kalten Krie-
es, in dem sich zwei große Weltmächte um einen zen-
ralen Konflikt global gruppiert hatten, hin zu einer völ-
ig veränderten, neuen Weltlage politisch vermutlich
icht in der Radikalität nachvollzogen haben, wie ihn die
ealität vorgegeben hat. Dieser Übergangsprozess hat
ine Neudefinition der unterschiedlichen Rollen notwen-
ig gemacht, insbesondere hinsichtlich der Bedeutung
es transatlantischen Bündnisses, mit entsprechenden






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

Konsequenzen für die Verantwortung Europas. Ich per-
sönlich möchte anmerken, dass sich die strategischen
Herausforderungen, vor denen die Europäer stehen, in
den fünfeinhalb Jahren, in denen ich Außenminister bin,


(Erich G. Fritz [CDU/CSU]: So lange ist das schon? Schlimm!)


radikal verändert haben.
Nicht umsonst ist Afghanistan hier der Dreh- und An-

gelpunkt. Die Entwicklung in Afghanistan steht in einem
engen Zusammenhang mit dem Niedergang des Sowjet-
imperiums, zeitlich aber auch in einem engen Zusam-
menhang mit der damaligen islamischen Revolution un-
ter Chomeini im Iran.

Die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen,
haben eine ganz andere Qualität und sind schwerer ver-
mittelbar. Wir haben das gestern in der Kosovodebatte
gesehen. Nation Building ist unter den heutigen Bedin-
gungen eine langfristige Aufgabe, bei deren Erfüllung
wir ständig mit Rückschlägen rechnen müssen und die
unserer – zu Recht – ungeduldigen Öffentlichkeit nur
schwer vermittelbar ist. Wenn wir über den Nahen und
Mittleren Osten reden, dann sollten wir wissen, dass der
Balkan noch eine vergleichsweise geringe Herausforde-
rung ist. Wenn wir das, was wir sagen, ernst meinen,
dann müssen wir uns also auf eine sehr langfristige
Perspektive einstellen. Ich bin der festen Überzeugung,
dass eine Voraussetzung für den Erfolg sein wird, dass
wir Europäer mit unseren amerikanischen Partnern end-
lich eine strategische Diskussion anstoßen, die Realis-
mus zur Grundlage haben muss. Auf dieser Grundlage
müssen wir versuchen, einen neuen Konsens herzustel-
len. Ob das gelingt, wird die Zukunft zeigen. Ein neuer
Konsens ist deswegen notwendig, weil ich glaube, dass
weder Europa noch die USA, die letzte Supermacht, al-
lein in der Lage sein werden, die gewaltigen Herausfor-
derungen, die nicht nur auf einer gemeinsamen Bedro-
hung beruhen, zu meistern. Das ist der Hintergrund. Die
Debatte über eine Einigung wird sicherlich sehr schwie-
rig und kompliziert.

Frau Merkel, Sie sollten sich ehrlich machen, dass Sie
einen Fehler begangen haben. Ich verstehe sogar, wel-
cher Fehler es war. Sie haben die Veränderungen im
transatlantischen Verhältnis – bezogen auf den Nahen
Osten – unterschätzt. Die Union weiß das heute auch.
Journalisten erzählen ja, welche Aussagen hinter ver-
schlossenen Türen tatsächlich gemacht werden. Frau
Merkel, Sie sollten sich an diesem Punkt ehrlich ma-
chen. Es ist doch völlig klar, dass die entscheidende
Frage nicht gewesen ist, ob Europa im Hinblick auf den
Irakkrieg zusammenzuhalten gewesen wäre. Ich war
doch dabei, als Herr Pflüger in Anwesenheit von Herrn
Rumsfeld in München gesagt hat, dass der Brief der
Acht ein Brief der Fünfzehn gewesen wäre, wenn Sie die
letzte Bundestagswahl gewonnen und die Bundesregie-
rung gestellt hätten. Der Brief der Acht war der Brief
derjenigen, die mit den USA in den Irakkrieg gezogen
sind. Man sollte hier keine Scheindebatten führen. Nach-
dem mittlerweile alle Fakten offen liegen, ist offensicht-
lich, dass die Entscheidung nicht von Europa beeinflusst
wurde. Selbst wenn sich Chirac und Schröder mit Blair,

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(C (D znar und Berlusconi auf eine gemeinsame Linie geinigt hätten, hätte sich die US-amerikanische Position icht verändert. Wir hätten vielleicht noch ein, zwei Moate Zeit gewinnen können, allerdings um den Preis, ann dabei sein zu müssen; das wissen Sie doch auch. eien Sie an diesem Punkt also ehrlich! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


enn umgekehrt Blair, Aznar und Berlusconi an der
eite von Schröder und Chirac geblieben wären, dann
ätte es vielleicht – ich sage bewusst: vielleicht – eine
nneramerikanische Debatte gegeben.


(Dr. Angela Merkel [CDU/CSU]: Immerhin!)

Aber mehr wäre doch nicht möglich gewesen! Ich per-
önlich habe diese Debatte über Monate auf verschiede-
en Außenministertreffen geführt. Wir haben diese De-
atte mit der amerikanischen Seite seit meinem Besuch
ort am 18./19. September 2001 geführt. Wir wissen
eute – die entsprechenden amerikanischen Publikatio-
en liegen vor –, dass alle Entscheidungen schon vorher
efallen sind und dass nicht die Existenz von Massen-
ernichtungswaffen die entscheidende Frage war, son-
ern die Auffassung, man könne mit einer militärischen
ntervention in dieser Region so etwas wie einen demo-
ratischen Urknall mit einer entsprechenden Domino-
irkung herbeiführen. Das hat sich im Lichte der Reali-
ät als falsch erwiesen. Ich glaube, die negativen
onsequenzen dessen werden uns noch sehr lange be-
chäftigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es ist richtig: Es führt kein Weg an einem partner-
chaftlichen Ansatz vorbei. Denn der Kern dessen, was
ns in Form von Terrorismus gemeinsam bedroht, ist
ine Modernisierungskrise in dieser Region. Was
eißt Modernisierungskrise? – Es heißt letztendlich, dass
iese Region, gründend auf der eigenen Kultur und reli-
iösen Traditionen, gründend auch auf der eigenen Ge-
chichte, einen eigenen Zugang zur Globalisierung ha-
en muss. Wenn die Globalisierung der ökonomische
asistrend ist, dann stellt sich die Frage: Wird die ara-
isch-islamische Welt diese Entwicklung als ihre eigene
nnehmen und sie mit eigenen Beiträgen aktiv mitgestal-
en oder wird sie sie passiv erleiden und dann versuchen,
agegen, egal in welcher Form, zu rebellieren und zu
ämpfen?
In diesem Spannungsverhältnis hat sich nach dem

nde des Kalten Krieges ein neuer Totalitarismus entwi-
kelt. Das ist der al-Qaida-Totalitarismus. Ihn werden
ir bekämpfen müssen. Mit ihm wird es keine Verhand-
ungen geben. Das macht aber nur ein Siebtel des Gan-
en aus. Zu sechs Siebteln wird es darum gehen, die
ransformationsaufgabe zu begleiten, was ein langfristi-
er und mühseliger Prozess sein wird. Ich finde, da sind
ie Europäer hervorragend aufgestellt. Aber wir brau-
hen auf der anderen Seite auch unsere amerikanischen
artner. Das halte ich ebenfalls für unverzichtbar. Um
iese große Aufgabe werden wir nicht herumkommen.






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

Kollege Pflüger, mir ist aufgefallen, dass Sie zu allem

etwas gesagt haben, nur zum Zweistromland nicht.

(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN]: Und zur Türkei nicht!)

Ich will gern auf die aktuelle Entwicklung zu sprechen
kommen. Ich teile überhaupt nicht, was Kollege
Schäuble gestern in einem Interview über die Situation
im Irak gesagt hat. In diesem Interview sagte er wieder:
Deutsche Truppen sollten dorthin. Kollege Schäuble, ich
bin nicht der Meinung, dass westliche Truppen, ob deut-
sche, ob andere, unter bestimmten Bedingungen, zum
Beispiel wenn die UNO oder jemand anders es fordert,
im Irak stationiert werden sollten. Ich kann Ihnen nur sa-
gen: Ich bin der festen Überzeugung, dass westliche
Truppen dort, egal unter welchen Bedingungen, ange-
sichts der konkreten historischen Abläufe, die in den
letzten Wochen und Monaten hinter uns liegen und die
uns noch jetzt bedrängen und bedrücken, aus sich heraus
als Besatzer gesehen werden.

Insofern sollten wir auch keine Debatte über den Vor-
schlag führen, die NATO in die Auseinandersetzung dort
hineinzuziehen.


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Das tut der Bundeskanzler!)


– Nichts Bundeskanzler! Ich rede von dem, was Sie ge-
genüber der „FAZ“ gestern gesagt haben. Jetzt kommen
Sie mir nicht mit dem Bundeskanzler.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich bin froh, dass der Bundeskanzler Gerhard Schröder
heißt;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


denn das hat die Politik möglich gemacht, für die wir
stehen.

Ich rede gerade über den Vorschlag, die NATO jetzt in
die Auseinandersetzung im Irak hineinzuziehen. Was
könnte die NATO denn mehr leisten als die Koalition? –
Sie würde weniger leisten. Sie würde aber als Besat-
zungsmacht gesehen.


(Gernot Erler [SPD]: So ist es!)

Das heißt – das hat der Bundeskanzler völlig zu Recht
gesagt –, die NATO selbst würde gefährdet. Deswegen
waren wir von Anfang an äußerst skeptisch. Ich habe das
bereits auf der Wehrkundetagung in München klipp und
klar ausgedrückt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Unsere letzte aktuelle Chance ist Brahimi. Ich erin-
nere an die Generalversammlung der Vereinten Nationen
vor zwei Jahren. Heute sagen auch die regionalen Part-
ner: Das ist das letzte Spiel, das wir haben. Angesichts
dessen müssen wir alles tun, damit das ein Erfolg wird.
Das setzt voraus, dass wir den Vorschlag von Brahimi
tatsächlich umsetzen. Ich hoffe, dass dieser Vorschlag
breit fundiert ist und breit getragen wird. Die entschei-

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(C (D ende Frage ist, ob es gelingt, einen innerirakischen onsens herzustellen. Das ist nach den Ereignissen diees Jahres extrem schwierig. Es gibt einen zusätzlichen egionalen Stabilisierungsfaktor: Die Nachbarn haben ein Interesse an einem Auseinanderbrechen des Irak. enn wir mit diesen Faktoren in einer vernünftigen esolution umgehen, um Legitimation zu kreieren, dann önnte es funktionieren. Zum anderen großen Thema, Israel/Palästina. Da eht es nicht um Heiligenscheine oder Ähnliches. Sie önnen hier lange fordern: Außenminister, mach endlich oran mit der Roadmap! – Sie sind doch viel zu klug und iel zu informiert, Herr Hoyer, um nicht zu wissen: enn es so einfach wäre, wären wir schon längst an der rbeit. Wir haben Rückschläge zu verzeichnen. Es gibt chwierigkeiten der Konfliktparteien auf beiden Seiten. ir waren der Meinung, dass der einseitige Rückzug aus aza, eingebunden in die Roadmap und entsprechend ernünftig gemacht, ein großer Schritt nach vorn sein önnte, wenn wir gleichzeitig Sicherheit kreieren, wenn ir eine ordentliche Übertragung auf eine palästinensiche Autorität hinbekommen, wenn es nicht zu einer erlagerung der Siedler in die Westbank kommt, wenn ies nicht sozusagen ein „Gaza first and Gaza only“ beeutet. Sie finden das in der Tullamore-Erklärung der uropäischen Union. Daran führt kein Weg vorbei. Ich bin froh darüber, dass wir hier wieder einen trans tlantischen Konsens erreicht haben. Präsident Bush hat en G-8-Außenministern im Weißen Haus vor vierzehn agen persönlich gesagt, dass die USA dieselbe Position ie die Europäer und wie das Quartett insgesamt haben. eines Erachtens wird es jetzt darum gehen, die verchiedenen Elemente zusammenzubringen. Ich sehe da ine Möglichkeit. Aber wie so oft gilt: Hinter der nächsen Ecke kann der nächste Terroranschlag oder die ächste politisch-militärische Aktion lauern, was alles ieder zunichte macht. Irak und Israel/Palästina sind die beiden heißesten onflikte. Es wird kein Wider-Middle-East-Konzept geen, wenn wir diese Fragen nicht lösen. Herr Minister, Sie müssen bitte zum Ende kommen. Ja. – Ein letzter Punkt. Ich appelliere nochmals an Sie von der Union: Über enken Sie Ihre Position zur Türkei! Ich verstehe die ründe. Es ist nicht so, dass ich die Gründe für irrational alte. Ich verstehe auch die Sorgen. Frau Merkel, ich abe den Eindruck, dass wir alle die Analyse sozusagen or dem Komma im Wesentlichen teilen. Aber die entcheidende Frage ist nun anders zu bewerten – jetzt, da s Klarheit gibt über die neue Weltordnung und im ichte ihrer Bedrohung. Die Frage der Modernisierung st geopolitisch die zentrale Frage im Kampf gegen den nternationalen Terrorismus. Bundesminister Joseph Fischer Aufgrund des Vorlaufs, nämlich der vier Jahrzehnte Vorlauf, wird jede Aussage, mit der der Türkei im kommenden Winter definitiv die Tür vor der Nase zugeschlagen wird, als ein Nein begriffen werden. Deswegen wird es von entscheidender Bedeutung sein, dass wir eine Entscheidung treffen, die die feste Verankerung der Türkei in Europa, die feste Verankerung in der Moderne – mit moderner Zivilgesellschaft, mit moderner Marktwirtschaft, mit Demokratie und Rechtsstaat – ermöglicht. Das wäre der wirklich strategische Sieg und wäre auch für den Nahen und Mittleren Osten, was den kooperativen Neuansatz betrifft, meines Erachtens von überragender Bedeutung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1511201400
Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511201500




(A) )


(B) )


Deswegen appelliere ich noch einmal an die Union
– viele von Ihnen wissen doch, dass die Analyse richtig
ist; es geht nicht darum, dass ich Recht habe –, in der
Türkeifrage im Interesse der gemeinsamen Sicherheit
die Position nochmals zu überdenken. Wir können und
dürfen der Türkei die Tür nicht vor der Nase zuschlagen,
wenn sie auf dem Weg der Modernisierung ist. – Das ist
ein weiterer wichtiger Bestandteil.

Ich danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1511201600

Ich erteile Kollegen Wolfgang Schäuble, CDU/CSU-

Fraktion, das Wort.


Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID1511201700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bun-

desaußenminister hat davon gesprochen, dass es sich bei
den Problemen im Nahen und Mittleren Osten im Kern
um eine Modernisierungsproblematik handele und dass
in einer Zeit wie der unsrigen die immer schnelleren Ver-
änderungen unterschiedlicher kultureller Zustände und
Traditionen und die immer stärkere Wechselbezüglich-
keit in der Welt zu diesen ungeheuren Brüchen und Spal-
tungen führen. Das ist im Übrigen ein Kennzeichen der
gesamten Globalisierungsproblematik. Ich vermute, dass
dieses im Nahen und Mittleren Osten insbesondere des-
halb so deutlich zutage tritt, weil durch das Erdöl, das ja
für die Weltwirtschaft seit Jahrzehnten eine zentrale
Rolle spielt, dieser Prozess der Spaltung der Interessen
zusätzlich beschleunigt und vielfältig verschärft wurde.

Nun ist in dieser Debatte und in den Anträgen der
Fraktionen viel Kluges dazu gesagt worden, wie sich
diese Region entwickeln könne und wie wir bei aller
Wahrung der Unterschiedlichkeit der Kulturen und Tra-
ditionen durch Partnerschaft dabei helfen können, diesen
Weg der Modernisierung zu begleiten. Ich vermute übri-
gens, Herr Weisskirchen, dass sich der Ausspruch von
Willy Brandt bezüglich der guten Nachbarn doch eher
auf Polen als auf Afghanistan bezog. Wir sollten uns bei
der Nachbarschaft nicht übernehmen. Das bringt mich
zu einem weiteren Punkt, Herr Kollege Fischer, nämlich
zu Ihrer Argumentation bezüglich der Türkei, um das an

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(C (D er Stelle gleich zu sagen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn ie mir die Gnade Ihrer Aufmerksamkeit nur einen Moent schenken wollten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Joseph Fischer, Bundesminister: Ich höre immer zu!)


Das ist schön.
Ihre Argumentation zur Türkei ist zwar heute nicht

as Thema dieser Debatte, aber sie bestärkt mich in mei-
er Auffassung, dass wir zwei Sachverhalte richtig mit-
inander verbinden müssen, nämlich die Perspektive der
olitischen Einigung Europas und das Verhältnis dieses
andlungsfähiger werdenden Europas zur Türkei und zur
odernisierung in der islamischen Welt insgesamt. Wir
önnen doch nicht allen Teilen der islamischen Welt in
er Hoffnung, dass sie sich in Richtung auf Demokratie
nd Rechtsstaatlichkeit modernisieren, eine Perspektive
uf Aufnahme in die Europäische Union geben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dietmar Nietan [SPD]: Das ist Demagogie! – Weitere Zurufe von der SPD)


Entschuldigung, können Sie das Argument selber nicht
orher vielleicht einmal prüfen? Das Argument lautete,
ass wir die Türkei als Vollmitglied in die Europäische
nion aufnehmen müssten, weil wir ein Interesse daran
aben, dass sie sich in unserem Sinne entwickelt. Ich
laube, in Bezug auf dieses Ziel ist die privilegierte Part-
erschaft die bessere Lösung.
Ich möchte aber in der Debatte noch auf etwas anderes

inweisen: Ich glaube, wir sollten darauf achten, dass wir
ns in Bezug auf die Problematik im Nahen und Mittle-
en Osten, die sich für uns ja als furchtbar schwierig dar-
tellt, nicht übernehmen und überheben. In der Debatte
urde gesagt, man könne Demokratie nicht herbeibom-
en. Das ist die eine Seite der Medaille. Manchmal geht
s aber auch nicht ganz ohne militärische Stabilisie-
ung. Auf diese Weise können wenigstens Voraussetzun-
en geschaffen werden. Überspitzt könnte man sagen:
addam Hussein hat man auch nicht durch auswärtige
ulturpolitik aus dem Amt gehoben.
Vorgestern haben wir ja über den Sudan diskutiert.
achdem wir noch vor ein paar Monaten gesagt haben,
olch eine Katastrophe wie in Ruanda dürfe es nie wie-
er geben, sind wir nun dabei, im Sudan genauso zu ver-
agen. Erfolge können wir hier nur erzielen, wenn die
ort Herrschenden wissen, dass sie notfalls durch militä-
ische Gewalt am Begehen von Verbrechen gehindert
erden. Es geht also nicht ganz ohne.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Gestern haben wir über das Mandat im Kosovo gere-
et. Es waren der Bundesaußenminister und der Bundes-
erteidigungsminister, die im Deutschen Bundestag den
ntrag eingebracht haben, die militärische Präsenz auf
icht ganz absehbare Zeit fortzusetzen, weil das nötig
ei, um friedliche Entwicklung, Modernisierung und Na-
ion Building überhaupt zu ermöglichen. Das eine ist
lso ohne das andere nie ganz zu machen. Deswegen






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Schäuble

brauchen wir ein einiges Europa – Deutschland alleine
kann nämlich gar nichts bewirken – und deswegen brau-
chen wir die atlantische Partnerschaft um jeden Preis.
Anders als in der Gemeinschaft des Westens sind die
Aufgaben überhaupt nicht zu bewältigen.


(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um jeden Preis? Haben Sie das gerade gesagt?)


– Um jeden Preis, weil anders die Lage im Nahen und
Mittleren Osten nicht stabilisiert werden kann. Europa
alleine kann das nicht.


(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch um den Preis der Teilnahme am Irakkrieg?!)


– „Um jeden Preis“ heißt natürlich nicht, Herr Kollege,
dass deswegen jedes Vorgehen richtig ist.


(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jeder Preis heißt jeder Preis!)


Entweder sind wir verlässliche Partner oder wir sind es
nicht. Das heißt, wir kritisieren uns selber und wir kriti-
sieren andere, und was nicht in Ordnung ist, muss in Ord-
nung gebracht werden. Auf die Fähigkeit der Amerika-
ner, eigene Fehler zu korrigieren – daran ist schon vom
Kollegen Hoyer und von anderen erinnert worden –,
kann man mehr vertrauen, als man das in anderen Teilen
der Welt kann. Das sollten Sie auch tun.

Henry Kissinger ist vor ein paar Wochen gefragt wor-
den, was möglicherweise eine andere Regierung unter-
nehmen würde. Man weiß ja nicht, wie die Wahl aus-
geht; man muss die Wahlergebnisse so nehmen, wie sie
sind, sie akzeptieren und mit denen leben, die gewählt
worden sind. Ich rate dringend dazu, hier nicht den ame-
rikanischen Wahlkampf zu führen, denn das hilft uns
auch nicht. Henry Kissinger hat geantwortet, vielleicht
würde ein Senator Kerry, wenn er zum Präsidenten ge-
wählt würde, mehr auf die Europäer zugehen, als Präsi-
dent George W. Bush es in den zurückliegenden Jahren
getan hat. Dann hat er gelächelt und gesagt: Nach ein
paar Monaten wäre er genauso enttäuscht.

Für uns stellt sich die Frage: Zu welcher Partner-
schaft sind wir bereit? Jeder hat gesagt – ich könnte Sie
oder den Bundeskanzler zitieren –, dass ein überstürzter
Rückzug aus dem Irak das Schlimmste wäre, weil dann
mit Sicherheit ein Bürgerkrieg ausbrechen würde. Trotz
unserer hehren Anträge hier im Deutschen Bundestag
und was immer wir sonst noch machen können, würde
dann eine noch schlimmere Katastrophe eintreten. Ein
überstürzter Rückzug kommt also nicht infrage.

Deswegen muss in dieser schwierigen Lage – die
noch schwieriger geworden ist, als sie war; das ist un-
streitig, aber die Rechthaberei hat doch keinen Sinn – die
Frage gestellt werden: Was können wir Europäer dazu
beitragen, dass sich die Situation in eine bessere Rich-
tung entwickelt? Es macht keinen Sinn, auf der einen
Seite zu sagen, die UNO müsse eine stärkere Rolle über-
nehmen, und auf der anderen Seite von vornherein aus-
zuschließen, dass man selbst dabei ist.

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(C (D Es war der deutsche Bundeskanzler, der im Auswärtien Ausschuss vor ein paar Wochen gesagt hat – Herr ischer, es tut mir Leid –: Wenn unter der Voraussetzung iner UNO-Resolution ein entsprechendes Ersuchen an ie NATO gerichtet wird, wird die Bundesregierung icht dagegen sein. Dann hat er gesagt: Aber wir beteilien uns nicht. – Das macht keinen Sinn. Entweder – der! Wir können nicht multilaterale Entscheidungen ordern und gleichzeitig sagen: aber wir nicht. So beommen wir keine multilateralen Entscheidungen; das st das Problem. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das, Herr Außenminister, war der Fehler, den Ihnen
rau Merkel und wir alle von der Union vor und nach
em Irakkrieg zu Recht vorgehalten haben. Über andere
ragen kann man diskutieren. Ich könnte Ihnen das In-
erview von gestern ganz vorlesen; es war besser als Ihr
edebeitrag. Der Punkt ist: Wer multilaterale Entschei-
ungen will, sei es in der UNO, in der Europäischen
nion oder in der NATO, darf nicht gleichzeitig sagen:
ber wir beteiligen uns nicht. Denn damit tut man genau
as, was die Amerikaner uns vorhalten. Man sollte nicht
ur auf die arabische Welt hören, sondern manchmal
uch auf die amerikanische.


(Dietmar Nietan [SPD]: Wer hört denn nur auf die arabische Welt? Sie reden Unsinn!)


ie Amerikaner sagen, dass die Europäer gerne ent-
cheiden würden, was die Amerikaner tun und lassen
ollen. Das geht nicht: Wir können nicht entscheiden,
as die Amerikaner machen. Wir sollten den Amerika-
ern, unseren verlässlichsten Freunden und der wichtigs-
n Führungsmacht, unter deren Fehlern wir genauso lei-
en wie sie selber, sagen, welchen Beitrag wir zu leisten
ereit und in der Lage sind. Anderenfalls werden wir den
rend zu unilateralen Entscheidungen in Amerika nicht
chwächen und die Neigung zu multilateralen Ent-
cheidungen nicht stärken. An diesem Punkt sind wir
nterschiedlicher Meinung – in der Frage, welches der
ichtige Weg ist und wie wir es gemeinsam hinbekom-
en. Wenn wir das gemeinsam machen, sind wir auf
em besseren Weg.


(Joseph Fischer, Bundesminister: Da sind wir unterschiedlicher Meinung!)


So geht es nicht.

(Joseph Fischer, Bundesminister: Doch!)


Ich glaube, Sie werden nichts erreichen. Sie haben mit
hrer Politik nichts anderes zustande gebracht, als Eu-
opa zu spalten.


(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie hätten Europa an der Seite Amerikas in den Krieg geführt! s ist ja nur ein frommer Wunsch, dass Europa einer einung ist. Dr. Wolfgang Schäuble Ich will gar nicht über die Frage diskutieren, wer Recht gehabt hat. Ich sage nur: Solange Europa gespalten und nicht in der Lage ist, einen Beitrag zu leisten, werden wir nichts bewirken. Wenn Europa das nicht Seite an Seite mit den Vereinigten Staaten von Amerika in einer besseren atlantischen Partnerschaft tut, werden wir im Nahen Osten, im Irak und in der Israel/PalästinaFrage nichts erreichen. Ich glaube nicht, dass es richtig ist, wenn sich – es gibt gelegentlich auch amerikanische Stimmen, die das fordern – die Europäer mehr darum bemühen, die Palästinenser zu beeinflussen, während die Amerikaner sich mehr um die Israelis bemühen. Das halte ich für grundfalsch. Wir müssen miteinander auf beide Seiten gleichermaßen einwirken. Es darf keine Arbeitsteilung geben. Es darf übrigens auch keine Arbeitsteilung im atlantischen Bündnis in der Form geben, dass die Amerikaner für Hardpower und die Europäer für Softpower stehen. So werden wir beide scheitern und das träfe dann uns alle. (Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann macht die Bundeswehr auch Hardpower oder was?)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


– Das machen wir doch im Kosovo auch, Herr Kollege.
Haben Sie die gestrige Debatte nicht mitbekommen? Es
geht doch nicht ohne Hardpower. Auch im Sudan geht es
nicht ohne Hardpower. Aber Hardpower allein reicht
nicht; auch das ist wahr. Deswegen ist es eine solche
Katastrophe, wenn der Westen seinen Führungsanspruch
durch eigene Fehler riskiert oder verspielt. Die Sache
muss in Ordnung gebracht werden. Beides gehört
untrennbar zusammen. Es ist schon bemerkenswert, wie
Sie reagieren, wenn gesagt wird, Hardpower und Soft-
power gehörten zusammen. Auf die richtige Kombina-
tion kommt es an. Im Kosovo machen wir es genauso.

Ich glaube, dass die Lage viel ernster ist.

(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwischen Kosovo und Irak besteht ein Unterschied!)


– Herr Kollege, Sie haben sich mit Ihrer Rede so disqua-
lifiziert, dass der Kollege Ruck richtigerweise gesagt
hat, es lohne sich nicht, darauf einzugehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Verhalten Sie sich in den verbleibenden zwei Minuten,
in denen ich noch rede, ein bisschen still.


(Franz Müntefering [SPD]: Das ist aber arrogant!)


Wir sollten die Schwierigkeit der Lage, in der wir ste-
cken – wir haben sie heute in der Debatte ein wenig
kleingeredet –, nicht unterschätzen. Wenn es Brahimi
und den Vereinten Nationen nicht gelingt, die atlantische
Gemeinschaft und die arabischen Staaten zu überzeugen,
dass sie sich im Irak stärker engagieren müssen, dann
werden wir einen schweren Rückschlag erleiden.


(Joseph Fischer, Bundesminister: Ja!)



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(C (D Sie müssen nur ein anderes Gesicht dabei machen. Sie ollten nicht so viel Schadenfreude, sondern mehr Sorge n Ihrem Gesicht ausdrücken. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


echthaberei und Schadenfreude nutzen uns in dieser
age überhaupt nicht.


(Günter Gloser [SPD]: Diese Arroganz ist unerträglich!)


ir werden alle betroffen sein. Es geht uns alle an.

(Gernot Erler [SPD]: Sie haben doch die Op position gegen den Krieg geschwächt!)

Es ist schon bemerkenswert, dass wir uns trotz der ru-

igen und selbstkritischen Darlegungen in dieser De-
atte nicht auf das einigen können, was wir gemeinsam
rreichen müssen. Wir dürfen doch nicht aufhören, zu
ragen, wie wir es besser machen können. Ich glaube,
ir werden unsere Ziele nur erreichen, wenn die westli-
he Gemeinschaft gemeinsam handelt.
Übrigens habe ich nach der Münchener Rede des
ußenministers gesagt, dass ich auch Russland und die
rabische Welt einbeziehen würde. In diesem Punkt
ind wir sprunghaft. Einmal fahren wir an Weihnachten
chlitten, und dann tun wir so, als ob es Russland nicht
äbe.


(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Russland ist immer dabei gewesen!)


Ja, Russland ist beim Quartett und bei der Roadmap
it dabei. Das muss man aber auch erwähnen. Wir brau-
hen die Partnerschaft aller.
Wir werden unsere Ziele nur erreichen, wenn wir die
estliche Gemeinschaft stärken. Das setzt ein einiges
uropa und auch ein Europa voraus, das seinen Platz an
er Seite der Vereinigten Staaten von Amerika weiß und
icht glaubt, eine Gegenkraft entwickeln zu können.
enn wir uns nämlich darauf konzentrieren, Gegenkraft
u sein, dann werden wir am Ende nichts bewirken, was
en Einfluss auf die amerikanische Politik und auf den
ahen und Mittleren Osten angeht. Nur wenn wir bereit
ind, unseren Beitrag zu leisten, werden wir in der Errei-
hung der Ziele, die wir gemeinsam diskutiert haben, er-
olgreich sein. In diesem Sinne müssen wir weiterarbei-
en.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1511201800

Ich erteile das Wort Kollegen Dietmar Nietan, SPD-

raktion.

Dietmar Nietan (SPD):
Rede ID: ID1511201900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

laube, dass die heutige Debatte sehr wichtig ist. Ich
ehe sie als Fortsetzung der Debatte an, die wir fast auf
en Tag genau vor 15 Wochen, am 13. Februar, hier ge-






(A) )



(B) )


Dietmar Nietan

führt haben, als wir über den gemeinsamen Antrag zur
Genfer Friedensinitiative diskutiert haben. Dieser Ver-
antwortung, die uns aus dem gemeinsamen Antrag er-
wachsen ist, müssen wir gerecht werden. Wir müssen
deutlich machen, dass die Antwort auf so wichtige Fra-
gen, bei denen es um die Zukunft von Frieden, Stabilität
und Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten geht,
gemeinsam und im Konsens gegeben werden sollte.
Diese Debatte taugt nicht für parteipolitische Ränke-
spiele und sie taugt auch nicht dafür, unterschwellig je-
mandem irgendwelche Schuld in die Schuhe zu schie-
ben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb möchte ich dem verehrten Kollegen Hoyer
sagen: Man kann zwar darüber diskutieren, ob das, was
wir damals beschlossen haben, zu dünn war. Aber ich
glaube, Sie stimmen mit mir darin überein, dass allein
die Tatsache, dass es diese Debatte und diesen gemeinsa-
men Antrag gegeben hat, außerhalb des Bundestages
und auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland
eine große positive Aufmerksamkeit erzielt hat. Ich
würde mir wünschen, dass die Ergebnisse der heutigen
Debatte daran anknüpfen. Bei dem einen oder anderen
Redebeitrag hatte ich jedoch Zweifel, ob das möglich ist.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Wen meinen Sie denn jetzt?)


Ich will sehr deutlich sagen, dass es aus meiner Sicht
darum geht, ob wir es schaffen, unsere Glaubwürdig-
keit in der dortigen Region wiederherzustellen. Ich stelle
sehr deutlich fest: Es geht um unsere Glaubwürdigkeit.
Wer glaubt, dass man sich mit einem verschmitzten „Ich
habe es ja immer gewusst“ die Hände reiben kann, weil
jetzt schlimme Dinge in der US-Armee passiert sind, der
täuscht sich. Es geht um die Werte des Westens. Entwe-
der verteidigen wir diese und sind darin gemeinsam
glaubwürdig oder wir gehen gemeinsam unter. Das sollte
man an dieser Stelle betonen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es ist schon sehr viel zu den Initiativen in dieser Re-
gion gesagt worden. Ich möchte auf einen ganz wichti-
gen Punkt im Krisenherd Naher und Mittlerer Osten, auf
den Konflikt zwischen Israel und Palästina, zurückkom-
men. Wir haben in der Debatte vor 15 Wochen sehr aus-
drücklich die Fortschritte der israelischen Regierung ge-
lobt. Ich selber habe gesagt, dass Ariel Scharon
Anerkennung dafür verdient, dass er als erster Likud-
Führer deutlich für eine Zweistaatenlösung und die Räu-
mung von Siedlungsgebieten eingetreten ist. Ich sage an
dieser Stelle aber auch, dass mich das, was sich ungefähr
zwei Monate später, am 14. April, in Washington ereig-
net hat, nämlich der gemeinsame Auftritt von Ariel
Scharon und George W. Bush im Weißen Haus vor den
Medien, an der einen oder anderen Stelle hat zweifeln
lassen, ob ich mein Lob zu früh ausgesprochen habe.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Wohl wahr!)


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(C (D Ich möchte das begründen, weil ich wirklich große orge habe. Nicht das, was in jenem Brief von Präsident ush steht – wenn man diesen Text liest, stellt man fest, ass darin viele teilweise auch für die Palästinenser bitere Wahrheiten stehen –, sondern die Art und Weise, wie eide vor den Medien aufgetreten sind, dieses Kumpelafte, dieses Kolportierte – tatsächlich hat Ariel Scharon o lange auf dem Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv geessen, bis er wusste, dass er sich in das Flugzeug setzen ann, weil George W. Bush das, was er möchte, akzepiert –, diese Begleitumstände und Bilder, die in einer moernen Medienwelt nun einmal entscheidend sind, haben ns – ich betone wieder: uns – in unendlicher Weise laubwürdigkeit gekostet. Denn ab diesem Zeitpunkt onnte man zumindest dem amerikanischen Präsidenten nicht der gesamten Administration; ich denke da an den ußenminister – nicht mehr abnehmen, dass er wirklich in ehrlicher Makler sein will. An dieser Stelle sind wir als Europäer gefordert, nicht it dem Zeigefinger und der Haltung, dass wir es besser issen, aufzutreten. Wir müssen vielmehr den amerikaischen, israelischen und palästinensischen Freunden onkrete Vorschläge anbieten, welchen Beitrag wir leisen wollen und können. Wenn wir das jetzt nicht tun, ersagen auch wir. Ich glaube, wir stehen auch wegen es Verhaltens des amerikanischen Präsidenten in einer flicht, aus der wir uns nicht herausstehlen sollten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


Ich stelle aus meiner sehr persönlichen Sicht fest:
uropa sollte Ariel Scharon jetzt beim Wort nehmen und
agen: Wenn du dich wirklich aus dem Gazastreifen ein-
eitig zurückziehst, dann muss das in einer Art und
eise geschehen, dass dort kein Chaos ausbricht.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: So ist es!)

s muss deutlich werden: Ariel Scharon verlässt den
azastreifen, um zu zeigen, dass dies der erste Schritt
in zu einer fairen Zweistaatenlösung ist.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)

as müssen unsere Bedingungen für den Abzug der
sraelis sein. Ich sage – nicht ohne würdigen zu wollen,
as unser Außenminister dort tut –: Europa insgesamt
st da noch immer zu unkonkret. Wir als Europäer sind
n dieser Stelle wirklich gefordert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


Was kann das aus meiner Sicht konkret heißen? Das
ann für mich nur heißen, zu sagen: Im Rahmen der
oadmap kann eine Übergabe des Gazastreifens nicht
inseitig und unkontrolliert geschehen. Vielmehr sollten
ich die Palästinenser, die Israelis, das Nahostquartett
nd vielleicht auch die Ägypter als Nachbarn zusam-
ensetzen und gemeinsam einen Plan ausarbeiten, der
icherstellt, dass der Abzug aus dem Gazastreifen Stabi-
ität und nicht Destabilität bewirkt. Dazu müssen wir als
uropäer klare und konkrete Vorschläge einbringen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Dietmar Nietan

Das heißt aber, dass Europa – da sehe ich auch uns als

Bundesrepublik Deutschland in der Pflicht – unterstrei-
chen muss, dass in einem solchen Prozess für uns eines
unverrückbar ist: Die Sicherheitsgarantie für Israel als
jüdischer Staat ist für Europa oberste Priorität, weil sich
Israel auf uns verlassen muss. Das sage ich sehr deutlich;
wir hören das auch immer deutlich von unserem Außen-
minister. Aber viele transatlantisch gelagerte europäi-
sche Staaten tun das nicht in dieser Deutlichkeit. Ich
würde mir wünschen, dass auch sie das tun. Das würde
Israel helfen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Genauso muss aber klar sein, dass wir Europäer,
wenn es zu diesem Rückzug aus dem Gazastreifen
kommt, die Palästinenserinnen und Palästinenser nicht
im Stich lassen. Das heißt für mich – da hat Kollege
Hoyer völlig Recht –, bei der Zusammenarbeit mit den
Amerikanern darf es kein Spiel – wir machen dies, ihr
macht das – geben. Gemeinsam mit den Amerikanern
müssen wir, wenn es zum Abzug aus Gaza kommt, viel
Geld und humanitäre Hilfe investieren, damit es für die
Menschen dort abseits von Terrorismus und Hass eine
wirkliche Lebensperspektive gibt, die sie im Moment
nicht haben. Das ist unsere Verpflichtung gegenüber un-
seren palästinensischen Freunden.

An dieser Stelle ist auch Israel gefordert. Denn wir
dürfen es nicht durchgehen lassen, dass Israel Gaza iso-
liert und die wirtschaftliche Entwicklung dort nicht
funktioniert, weil es keinen Flughafen oder Hafen gibt,
der Außenhandelsbeziehungen zulässt. Wer Frieden will,
muss Gaza eine wirkliche Chance geben. Das heißt, dass
Israel die Isolation von Gaza nach dem Abzug aufgeben
muss.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich glaube, dass diese konkreten Punkte, die wirklich
formuliert werden müssten, einen weiteren Aspekt un-
terstreichen, den ich hier zum Schluss noch einmal dar-
legen möchte. Die gesamte Greater Middle East Initia-
tive der Amerikaner und auch das, über das wir hier
diskutieren, zielen auf einen Dialog, so wie ihn der Au-
ßenminister mit seiner Rede auf der Sicherheitskonfe-
renz am 7. Februar 2004 angestoßen hat. Dieser Dialog
bedeutet Internationalisierung, aber auch Regionali-
sierung. Wenn wir sagen, dass Internationalisierung und
Regionalisierung nicht im Sinne von Aufoktroyieren,
sondern von Partnerschaft, Dialog und Austausch wich-
tig sind, dann muss es alle Akteure in der Region ein-
schließen.

Das heißt für mich an die Adresse von Israel, dass es
auch in Israel ein Umdenken geben muss. Bei allem Ver-
ständnis für das, was Israel und das jüdische Volk in sei-
ner Geschichte erlitten haben: Wer sich in Zeiten der
Globalisierung einer Internationalisierung verschließt,
wer immer noch die Attitüde vor sich herträgt: „Uns hilft
sowieso keiner und wir machen alles alleine“, wird
scheitern. Deshalb müssen wir deutlich machen: Regio-

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(C (D alisierung und Internationalisierung müssen dazu fühen, dass sich Israel in einen solchen Prozess konstruktiv inbringt. Daran habe ich bei der derzeitigen Adminisration meine Zweifel. Das müssen wir ihr auch so deutich sagen; das gehört dazu. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich hoffe, dass ich mit diesen Ausführungen habe
eutlich machen können, dass es durchaus Ansatzpunkte
ibt, ein stärkeres europäisches Profil zu entwickeln.
ch will noch einmal unterstreichen: Ich möchte das
icht aus Rechthaberei oder nicht etwa, weil wir sagen:
Jetzt wollen wir einmal zeigen, dass wir es in bestimm-
en Dingen besser machen können als die Amerikaner“ –
m Gottes willen. Ich möchte das, weil ich glaube, dass
s in Amerika viele Menschen gibt – auch in der ameri-
anischen Administration; dort sicherlich nicht jeder –,
ie gerade konkrete Vorschläge der Europäer herbeiseh-
en und erwarten. Sie sagen: Wir wollen nicht immer
ur von Europa kritisiert werden, wir wollen von Europa
uch hören, wie sie es machen würden. Nur, wenn man
onkrete Vorschläge macht, ist man in Amerika ein
rnsthafter Koalitions- und Diskussionspartner.
Darum ist es so wichtig, dass wir uns bewegen und

onkret sagen, was wir wollen. Das beinhaltet natürlich
das ist dem einen oder anderen vielleicht unange-
ehm –, dass man, wenn man etwas konkret sagt, es
ann am Ende auch tun muss.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

ir sollten keine Angst vor der eigenen Courage haben,
ondern wir sollten konkrete Vorschläge machen, auch
enn man uns dann beim Wort nimmt und sagt: Dann tut
s auch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte zum Abschluss noch einmal betonen, dass
ch der festen Überzeugung bin, dass die heutige De-
atte, von einigen Ausreißern abgesehen, gezeigt hat,
ass wir sehr viele Gemeinsamkeiten haben. Ich
laube, dass es uns und den Menschen in der Region hel-
en kann, wenn wir in dieser Gemeinsamkeit weiter
gieren.
Lassen Sie mich eine persönliche Bemerkung ma-

hen: Ich hätte mich gefreut – aufgrund der vielen guten
inge, die in allen drei Anträgen stehen –, wenn es uns
uch diesmal wieder gelungen wäre, einen gemeinsamen
ntrag zu formulieren, und zwar nicht, weil ich die Kon-
enssoße so liebe, sondern weil das Thema es verlangt.
eshalb hoffe ich, dass wir beim nächsten Mal, beim
ritten Aufschlag zu diesem Thema, mit einem gemein-
amen Antrag und konkreten Vorschlägen zeigen, dass
ir als Parlamentarier an dieser Stelle unsere Regierung
icht allein lassen.
Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1511202000

Ich erteile das Wort der Kollegin Gesine Lötzsch.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1511202100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr ge-

ehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Im
Antrag von SPD und Grünen steht vieles, was richtig
und zu unterstützen ist.

Anfangs möchte ich eine Bemerkung zur europäi-
schen Verfassung machen. Sie fordern in Ihrem Antrag
die Verabschiedung der europäischen Verfassung. Wir
als PDS sind auch der Auffassung, dass wir eine europäi-
sche Verfassung brauchen. Die derzeit vorliegende Fas-
sung – –


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Wir sind noch beim Nahen Osten! – Zurufe von der CDU/CSU: Falscher Tagesordnungspunkt!)


– Das ist nicht die falsche Debatte. Lesen Sie sich doch
den Antrag von SPD und Grünen durch. In Ihrem Antrag
steht: eine europäische Verfassung verabschieden, und
auf diesen Punkt gehe ich ein.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sie sind in einer falschen Debatte! – Dr. Klaus Rose [CDU/CSU]: Das ist Tagesordnungspunkt 22!)


Gestatten Sie, dass ich auf Ihren Antrag eingehe. Ich
habe ihn gelesen.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sie haben die falsche Rede! Die Kommunisten haben das falsche Manuskript!)


Für die Ablehnung dieser EU-Verfassung gibt es ei-
nen schwerwiegenden Grund, nämlich den, dass in die-
ser Verfassung die Militarisierung der EU festgeschrie-
ben ist. Wir als PDS sind der festen Überzeugung, dass
eine Militarisierung der EU nicht dazu beitragen wird,
die Konflikte in dieser Welt zu lösen und schon gar nicht
die komplizierten Konflikte im Nahen und Mittleren Os-
ten.


(Zurufe von der CDU/CSU)

– Wenn Sie nicht in der Lage sind, einen Gedanken, der
über mehr als zwei Sätze geht, nachzuvollziehen, tut es
mir Leid für Sie, meine Herren.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Diese Überzeugung, dass eine Militarisierung der Eu-

ropäischen Union die Konflikte im Mittleren und Nahen
Osten nicht lösen helfen wird, teilen wir als PDS mit
sehr vielen Menschen in Europa, in den USA und im Na-
hen und Mittleren Osten. Die Bush-Regierung hat ja ge-
rade den Beweis erbracht, dass es nicht möglich ist, die
Konflikte im Nahen und Mittleren Osten mit Waffenge-
walt zu lösen. Im Gegenteil: Der Krieg gegen den Irak
hat zu einer dramatischen Eskalation geführt.

Kollege Volmer hat heute gesagt: Man kann Demo-
kratie nicht herbeibomben. Das kann ich unterschreiben.
Das ist richtig. Ich stelle aber die Gegenfrage: Was war
mit Afghanistan und was war mit Kosovo?

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(C (D Wenn Sie – zu Recht – die CDU kritisieren, müssen ie auch Ihre eigene Rolle hinterfragen, die Sie im Irakrieg gespielt haben. Es wurde immer erklärt, die Bunesrepublik sei weder direkt noch indirekt am Irakkrieg eteiligt. Die Wahrheit jedoch sieht anders aus. Vor unefähr einem Jahr fand das 20. deutsch-amerikanische ongress-Bundestag-Seminar statt. Im Rahmen dieses eminars gab es ein Frühstück der Seminarteilnehmer it dem Bundesaußenminister, Herrn Fischer. Der neben ir sitzende demokratische Kongressabgeordnete melete sich und sagte, er möchte sich bei der Bundesregieung dafür bedanken, dass die Bundesregierung alles gean habe, was die USA erwartet hätten: Gewährung der berflugrechte, Bewachung der US-Kasernen, Rückfühung der Soldaten, Bewachung der Krankenhäuser für merikanische Soldaten hier in Deutschland. Ich kann ich erinnern – Herr Bundesaußenminister, Sie können ich vielleicht auch erinnern –, dass Sie aufgrund dieser ussage nicht amüsiert waren, weil Sie in der Öffentichkeit immer das Gegenteil behauptet haben. (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Wo sie Recht hat, hat sie Recht!)


Richtig, wo ich Recht habe, habe ich Recht. Da kann
uch kaum jemand widersprechen.
Wenn Sie von der SPD jetzt mit dem Stichwort „Frie-

ensmacht“ plakatieren, sollten Sie sich daran erinnern,
ie Sie sich wirklich verhalten haben und dass die Bun-
esregierung durch die Gewährung von Überflugrechten
ndirekt am Irakkrieg beteiligt war.


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Ziemlich direkt!)


In Ihrem Antrag fordern Sie die Zusammenarbeit aller
taaten bei der gemeinsamen Verhinderung und Ahn-
ung „privater“ Gewalt, besonders dann, wenn sie ter-
oristische Mittel anwendet. Das ist eine sehr einseitige
etrachtung dieser Welt. Es geht doch nicht nur um die
erhinderung „privater“ Gewalt. Das ist nur die eine
eite. Es geht vielmehr auch um die Beendigung von
taatlicher Gewalt.
Wir als PDS lehnen Selbstmordattentate von Palästi-

ensern genauso ab wie die gezielte Tötung von palästi-
ensischen Politikern durch die israelische Regierung.
atürlich wird auch immer mehr US-Bürgern klar, dass
ie staatliche Gewalt der US-Regierung gegen die iraki-
che Bevölkerung auf immer heftigere irakische Gegen-
ewalt stößt.
Unter dem Druck der Weltöffentlichkeit und in Anbe-

racht der völlig verfahrenen US-Politik im Nahen und
ittleren Osten wird eine friedliche Lösung der Kon-

likte unter Schirmherrschaft der UNO immer dringli-
her. Die UNO, die USA, die EU und Russland haben im
pril 2003 die so genannte Roadmap als verbindlichen
eg und Rahmen der Konfliktregelung zwischen Israe-

is und Palästinensern vorgelegt. Es ist nicht zu akzeptie-
en, dass die USA diese Roadmap auf eigene Faust ver-
assen haben.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])







(A) )



(B) )


Dr. Gesine Lötzsch

Wir erwarten, dass die Bundesregierung alles daransetzt,
dass die USA bei dem anstehenden Gipfeltreffen der
Staaten der G 8 im Juni dieses Jahres auf den Weg der
Roadmap zurückgeholt werden.

Abschließend möchte ich betonen, dass alle Sicher-
heitskonzepte hinfällig sind, wenn es nicht gelingt, die-
ser Region eine wirtschaftliche Zukunft zu geben. Im
Bundestag können beliebig viele Sicherheitsgesetze ver-
abschiedet werden; sie werden unser Leben nicht siche-
rer machen. Wir werden nur in Ruhe und Frieden leben
können, wenn wir endlich bereit sind, mit anderen zu tei-
len und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung zu schaf-
fen.

Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1511202200

Ich erteile das Wort Kollegen Joachim Hörster, CDU/

CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Joachim Hörster (CDU):
Rede ID: ID1511202300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe

das Vergnügen, zum Schluss dieser Debatte zu reden und
darauf zu achten, möglichst nichts von dem zu wieder-
holen, was vorher schon Kluges gesagt worden ist.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Da hätten wir nichts dagegen!)


Ich möchte sehr gerne auf den Kollegen Nietan zu spre-
chen kommen, weil ich glaube, dass er den Nagel auf
den Kopf getroffen hat, indem er gesagt hat: Wir müssen
konkret werden; und wenn wir konkret werden, dann
sind wir auch verpflichtet, entsprechend zu handeln.

Deswegen finde ich es gut, dass wir heute über die
drei vorliegenden Anträge diskutieren und sie im feder-
führenden Ausschuss und in den anderen zuständigen
Ausschüssen des Bundestages zu einem Zeitpunkt bera-
ten, da gerade kein Wahlkampf ist. Denn dadurch besteht
vielleicht die Chance, das zu schaffen, was Sie, Herr
Kollege Nietan, angesprochen haben: in diesem Haus
eine gemeinsame Linie zu finden.

Ich halte das für sehr schwierig; das will ich gleich
vorweg sagen. Aber man soll die Hoffnung ja nie aufge-
ben. Ich halte das zum Beispiel deswegen für schwierig,
weil in dem Antrag der Koalition eine Passage über die
Türkei steht, die nach meinem Dafürhalten sowohl in
sich als auch was das Verhalten der Koalition gegenüber
der Türkei angeht, ziemlich widersprüchlich ist, zum
Beispiel auf dem Feld der militärischen Zusammenarbeit
in der NATO oder bei der Frage, ob man Leute, die aus
der Türkei stammen, die bei uns rechtskräftig verurteilt
sind und ihre Strafe abgesessen haben, in die Türkei ab-
schieben darf oder nicht, weil die Standards des Europäi-
schen Menschenrechtsgerichtshofs dort nicht eingehal-
ten werden. Hier gibt es ein paar Punkte, bei denen wir
möglicherweise nicht übereinkommen.

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(C (D Auf der anderen Seite ist hier im Haus aber übereintimmend festgestellt worden, dass es eine ganze Reihe on gemeinsamen Auffassungen gibt: Erstens. Die araischen Länder sind unsere Nachbarn, in geographicher und politischer Hinsicht. Zweitens. Wir müssen it den arabischen Ländern zusammenarbeiten, weil wir hnen das auch schon auf andere Weise angeboten haben. m Barcelona-Prozess zum Beispiel, der initiiert wurde, st mit Ausnahme der arabischen Halbinsel die gesamte rabische Welt beteiligt. Der Barcelona-Prozess muss ortgesetzt und verifiziert werden. Wir müssen unser Augenmerk aber auch verstärkt da auf richten, was in der arabischen Welt selbst passiert. ie schon vor 15 Monaten beklage ich heute zum wieerholten Mal, dass der Westen offensichtlich überhaupt icht bereit ist, den Friedensplan, der vom saudischen ronprinzen Abdallah stammt und von der Arabischen iga verabschiedet worden ist, auf den Verhandlungsisch zu legen und mit der arabischen Seite konkret daüber zu verhandeln, welche Teile dieses Friedensplans msetzbar sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


In ihm sind eine ganze Menge Punkte enthalten, die
or zwei Jahren noch völlig undenkbar waren. Darin
teht, dass die Sicherheit und Souveränität des Staates
srael anerkannt wird. Die Linie, dass dieser Staat nicht
n Frage gestellt werden darf, vertreten wir in diesem
anzen Haus einmütig. Darin steht auch, dass man eine
one der Sicherheit und des wirtschaftlichen Austau-
ches schaffen will. Warum gehen wir dieses Problem
enn nicht anhand dieses Friedensplanes an? Natürlich
tellt sich vorher noch die Frage der Vertriebenen; aber
n dieser Hinsicht haben wir Deutsche unsere eigenen,
peziellen Erfahrungen, die wir auf diesem Gebiet ein-
ringen könnten.
Wenn ich mir überlege, was auf der Konferenz von

unis beschlossen worden ist, ist doch – abgesehen von
ll dem Streit, der zwischen den arabischen Regierenden
eherrscht hat – völlig klar: Man hat sich Begrifflichkei-
en angeeignet, die vorher im Sprachgebrauch der arabi-
chen Regierungen und im Sprachgebrauch der Arabi-
chen Liga überhaupt nicht verwendet wurden. Da wird
u einer guten Regierungsführung aufgefordert, da wird
ufgefordert, den Kampf gegen die Armut und den
ampf zur Verbesserung der Lage der Frau aufzuneh-
en. Natürlich sagt man, dass jedes Land diese Dinge
ach seinen Möglichkeiten und nach seinem Entwick-
ungsstand befördern soll; aber all das befindet sich doch
uf der Linie, die wir brauchen, damit das, was wir an
ielen und gemeinsamen Interessen in der Region und in
er europäisch-arabischen Zusammenarbeit brauchen,
in bisschen konvergiert.
Wenn ich die Konferenz von Alexandria vom März

ieses Jahres betrachte, muss ich feststellen: Da werden
orderungen nach mehr politischer Pluralität erhoben,
ach freier und unabhängiger Presse, nach sofortiger
reilassung von politischen Gefangenen usw.; ich will
us Zeitgründen nicht alles im Detail aufzählen. Das
eißt, im Grunde genommen wird die Ebene, auf der






(A) )



(B) )


Joachim Hörster

man miteinander sprechen und miteinander verhandeln
kann, um eine Friedensordnung in dieser Region zu
schaffen, immer breiter und immer größer. Nur, wir müs-
sen sie auch nutzen. Ich glaube, der erste Schritt, den wir
dafür brauchen, ist, den Versuch zu unternehmen, dass
wir uns im Deutschen Bundestag auf eine gemeinsame
Linie verständigen, einen Kern gemeinsam herausarbei-
ten, und das, was uns trennt, einmal liegen lassen.

Eines möchte ich auf jeden Fall sagen: Dieses Thema
ist von ganz grundlegender Bedeutung für die Sicherheit
und die künftige Entwicklung unseres eigenen Landes
und Europas. Es eignet sich überhaupt nicht zum Wahl-
kampf. Wir können an dieses Thema nur ganz ruhig und
ganz sachlich und unter Wahrung des Respektes vor dem
kulturellen und dem religiösen Hintergrund der anderen
Seite herangehen, auf partnerschaftlicher Ebene, so wie
der Kollege Pflüger das beschrieben hat.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der SPD und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1511202400

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf

Drucksache 15/3206 zur federführenden Beratung an
den Auswärtigen Ausschuss und zur Mitberatung an den
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe,
den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung und an den Ausschuss für die Angelegen-
heiten der Europäischen Union zu überweisen.

Die Vorlagen auf den Drucksachen 15/3050 und
15/3207 sollen an die in der Tagesordnung aufgeführten
Ausschüsse überwiesen werden. Gibt es dazu anderwei-
tige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann sind die
Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 22 a und
22 b sowie Zusatzpunkt 12 auf:

a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ernst
Burgbacher, Rainer Brüderle, Angelika
Brunkhorst, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes

(Art. 23) zur Einführung eines Volksent-

scheids über eine europäische Verfassung
– Drucksache 15/2998 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter
Hintze, Dr. Gerd Müller, Michael Stübgen, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Den EU-Verfassungsprozess zum Erfolg führen
– Drucksache 15/2970 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss

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(C (D Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss P 12 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Die europäische Verfassung beschließen – der erweiterten Union ein solides Fundament für die Zukunft geben – Drucksache 15/3208 – Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für ie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich öre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen erner Hoyer, FDP-Fraktion, das Wort. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die reien Demokraten legen Ihnen heute einen Gesetzenturf zur Änderung des Grundgesetzes vor, der den Weg reimachen soll, einen Volksentscheid über die europäiche Verfassung zu ermöglichen. (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)

Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1511202500

Wir wollen zu der europäischen Verfassung bzw. zum
erfassungsvertrag Ja sagen und wir hoffen sehr, dass
er Europäische Rat in Brüssel, in 14 Tagen, ein Ergeb-
is zustande bringt, das uns das mit voller Kraft und
berzeugung ermöglicht.


(Beifall bei der FDP)

ir wollen zu dieser europäischen Verfassung Ja sagen
nd wir wollen aktiv dafür werben, dass die Bürgerinnen
nd Bürger sich zu dieser Verfassung bekennen, dass sie
n einem Volksentscheid Ja zu ihr sagen.
Wir Liberale sind vehemente Verfechter der repräsen-

ativen Demokratie und keineswegs der Auffassung,
ber alles und jedes – auch im europäischen Kontext –
üsse eine Volksabstimmung oder ein Volksentscheid
tattfinden. Aber wir sind der Auffassung, dass die ver-
assungsrechtlichen Grundlagen, auf denen das Handeln
er Befugten in einer repräsentativen Demokratie be-
uht, der Legitimation durch das Volk bedürfen. Das
olk sollte deshalb ausdrücklich Ja zu dem sagen, was
er Verfassungskonvent vorgelegt hat und was die Re-
ierungskonferenz hoffentlich zu einem guten Ende






(A) )



(B) )


Dr. Werner Hoyer

bringen wird. So hätten wir übrigens auch vorgehen sol-
len, als es um das Grundgesetz für das vereinte Deutsch-
land ging


(Beifall bei der FDP)

Ich wundere mich über die Argumente, die bisweilen

dagegen vorgebracht werden. Ich könnte durchaus auch
mit einer europaweiten Entscheidung leben, wenn wir
nicht, wie es im gegenwärtigen Stadium leider noch im-
mer der Fall ist, über einen Verfassungsvertrag reden
würden, sondern bereits über eine europäische Verfas-
sung, die sich der Souverän, in diesem Fall der gesamt-
europäische Souverän, gibt. Wir haben es aber mit der
Rechtskonstruktion eines Vertrages zu tun, der zwischen
den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geschlos-
sen wird. Insofern ist es konsequent, dass die Mitglied-
staaten die Möglichkeit haben müssen, über das Ratifi-
kationsverfahren selber zu entscheiden. In vielen
europäischen Staaten wird diese Entscheidung dem Volk
überlassen. Ich denke, auch die Deutschen sind in der
Lage, diese Entscheidung selber zu treffen, und müssen
sie nicht dem Parlament alleine überlassen.


(Beifall bei der FDP)

Es überrascht mich, immer wieder hören zu müssen,

dass die Gefahr bestehe, dass nicht über das zweifellos
komplizierte Regelwerk abgestimmt werde, sondern
über Einzelfragen, die so hochgepusht würden, dass im
Endeffekt das Gesamtwerk aus dem Auge verloren
würde. Dieses Argument kann ich nicht ganz verstehen.
Warum sollten wir, die wir von diesem Verfassungswerk
überzeugt sind, nicht mit voller Überzeugungskraft vor
die Wählerinnen und Wähler treten und die gesellschaft-
lichen Eliten dieses Landes in Wissenschaft, Kultur, Kir-
chen, Gewerkschaften usw. mobilisieren können, um die
Bevölkerung davon zu überzeugen, dass das der richtige
Weg ist? Ich verstehe nicht, dass wir uns dann, wenn am
Ende 99 Prozent der Mitglieder des Deutschen Bundes-
tages diesem Verfassungsprojekt ihre Zustimmung ge-
ben werden, selber nicht zutrauen, 50,1 Prozent der Be-
völkerung davon zu überzeugen.


(Beifall bei der FDP)

Das sieht für mich sehr danach aus, dass man Angst vor
dem Volk hat. Diesen Vorwurf sollten wir uns nicht ma-
chen lassen.

Meine Damen und Herren, die Europäische Union ist
in einer ausgesprochen schwierigen Situation. Der Ver-
fassungsvertrag ist noch nicht unter Dach und Fach.
Manche werden nach dem Ende der Konventsarbeit
Illusionen gehabt haben. Natürlich hätte jeder von uns
diesen Verfassungsvertrag anders ausgestaltet, da jeder
die Sicht seiner Partei und seiner Nation vertritt. Wenn
200 Liberale zusammengesessen hätten, dann hätte der
Text anders ausgesehen. Das kann ich Ihnen garantieren.


(Beifall bei der FDP)

Aber es ist ein Kompromiss zustande gekommen, den
ich für sehr bemerkenswert halte. Ich kann den Teilneh-
mern des Konventes für das, was sie geleistet haben, nur
danken.

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(C (D Das, was zustande gekommen ist, nachdem die Ausrbeitung des Textes wieder in der Hand der Regierungsonferenz gelegt worden ist, hat das Gesamtwerk nicht nbedingt verbessert. Eine Ausnahme nenne ich ausrücklich: Ich finde es hervorragend, dass endlich das iel der Preisniveaustabilität im Zielkatalog aufgeführt ird. (Rüdiger Veit [SPD]: Haben Sie es immer noch nicht gemerkt?)


ch glaube, dass es angesichts des katastrophalen Verhal-
ens der Bundesregierung in Hinblick auf den Stabilitäts-
akt genau die richtige Botschaft ist, die Ziele um das
iel der Preisniveaustabilität zu ergänzen.


(Beifall bei der FDP)

Das Übrige erfreut mich nicht. Ich mache mir Sorgen,
as beim Endspurt auf den letzten Metern vor dem Eu-
opäischen Rat in Brüssel noch passieren wird. Die Iren
aben sehr mutige Vorschläge gemacht. Ich bin über-
aupt der Auffassung, dass sie sich in ihrer Präsident-
chaft mutig und leistungsfähig zeigen.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


ch hätte mir gewünscht, wenn man mit großer Mehrheit
en Vorschlägen der irischen Präsidentschaft gefolgt
äre, was das endgültige Entscheidungsrecht des Parla-
ents bei der Ausgabenseite des Haushalts angeht.
Ich hätte mir auch gewünscht, wenn wir das Thema

er doppelten Mehrheit so erklären könnten – bei uns
u Hause, aber auch bei unseren Partnern, die sich dage-
en noch sperren –, dass klar wird, dass es sich nicht um
twas rein Technisches handelt, sondern dass das eine
rage der demokratischen Legitimation europäischen
andelns ist. Es ist doch ein unbefriedigender Zustand,
ass, wenn die Europäische Union heute einen Aufnah-
eantrag bei sich selber stellen würde, sie wahrschein-
ich aufgrund von Legitimationsdefiziten und Demokra-
iedefiziten nicht aufgenommen würde.
Wir hoffen, dass das Verfassungswerk zum Erfolg ge-

ührt werden wird. Wir wollen Ja dazu sagen. Wir wol-
en die Bevölkerung davon überzeugen, dass das ein gu-
er Weg für Europa in Frieden, Freiheit, Wohlstand und
echtstaatlichkeit ist.
Danke schön.


(Beifall bei der FDP)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511202600

Das Wort hat der Kollege Rüdiger Veit, SPD-Frak-

ion.

Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1511202700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
err Hoyer, leider muss ich Ihnen sagen, dass Sie heute
ieder mit einem alten Hut gekommen sind; denn schon
003 ist dieser Antrag der FDP – ich meine: zu Recht –
it einer ganz breiten Mehrheit hier im Hause abgelehnt
orden.


(Dirk Niebel [FDP]: Leider!)







(A) )



(B) )


Rüdiger Veit

Dass Sie diesen alten Hut jetzt wieder herausziehen und
erneut aufsetzen, geschieht offenbar nicht nur wegen des
Diskussionsprozesses um die europäische Verfassung,
sondern höchstwahrscheinlich auch vor dem Hinter-
grund der jetzt anstehenden Europawahl, bei der Sie ver-
suchen, sich mit einem Thema zu profilieren. Anders
kann ich das hier nicht einordnen.

Über die Verfassung als solche und ihre Bedeutung
– das haben Sie richtigerweise gesagt – besteht kein
grundsätzlicher Streit. Ich halte es aber für verfehlt, das
Volk über einen einzelnen – zweifellos bedeutsamen –
Punkt der europäischen Politik gesondert abstimmen zu
lassen; denn vom Prinzip her kennen wir das von ande-
ren bedeutsamen Punkten der europäischen Politik ganz
genauso, ob das nun die Römischen Verträge, die Ein-
führung des Euro oder auch die Osterweiterung waren.
Warum soll das also jetzt hier bei diesem einen Punkt ge-
schehen?


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das hat eine andere Qualität!)


Ich darf Ihnen bei dieser Gelegenheit übrigens sagen:
Ihr Antrag enthält auch ein paar kleine handwerkliche
Fehler. Sie schreiben nicht von „dem“ Volksentscheid,
nämlich dem einzigen, den es zur Verfassung geben soll,
sondern von „einem“ Volksentscheid, den der Deutsche
Bundestag beschließen soll. Das klingt ja fast so, als ob
Sie im Bundestag so lange Volksentscheide beschließen
lassen wollen, bis das Ergebnis bezüglich der europäi-
schen Verfassung mit dem übereinstimmt, was Sie per-
sönlich wollen.

Im Übrigen enthält Ihr Gesetzentwurf auch keine
Antwort auf folgende, wie ich finde, ganz spannende
Frage:


(Markus Löning [FDP]: Gute Argumente haben Sie keine!)


Was passiert denn eigentlich, wenn das Volk anders als
der Bundestag und der Bundesrat entscheidet? Wie ist
eine solche Kollision im Ergebnis aufzulösen? Dazu ent-
hält Ihr Gesetzentwurf keinerlei Normen.

Da ist unser Gesetzentwurf aus der letzten Legislatur-
periode schon wesentlich besser; er ist entsprechend ge-
staffelt. Wir sehen für viele Gegenstände die Volksinitia-
tive und dann gegebenenfalls das Volksbegehren und
den Volksentscheid mit entsprechenden Quoren vor. Von
daher wollen wir dem Volk selbst die Initiative überlas-
sen, als Souverän tätig zu werden. Wir wollen ihm nicht
sagen, dass es bei einem Gegenstand, den wir festgelegt
haben, jetzt freundlicherweise mitbestimmen darf.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Unser Gesetzentwurf und seine Beratung haben beim
letzten Mal Folgendes deutlich gezeigt: Wir müssen
sorgfältig überlegen, wie die Gegenstände der Volksab-
stimmungen von den ureigensten Angelegenheiten der
Staatsorgane abgegrenzt werden sollen. Welche Voraus-
setzungen müssen Volksinitiativen erfüllen, damit ihnen
das notwendige politische Gewicht zukommt? Welche
Voraussetzungen müssen sie erfüllen, um etwa eine Än-

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(C (D erung des Grundgesetzes zu bewirken? Welche Beteiliungsund Zustimmungsquoren sind angemessen und otwendig? Schließlich stellt sich vor allen Dingen die rage, wie bei Änderungen des Grundgesetzes und bei nderungen, die der Zustimmung des Bundesrates beürfen, zu verfahren ist. Wir haben in unserem Gesetzntwurf der letzten Legislaturperiode, der hier leider icht mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit versehen urde, entsprechende Regelungen getroffen. Herr Hoyer, Sie selbst und Ihre Fraktionskollegen ha en in der letzten Wahlperiode noch deutlich Sympathie ür unseren Gesetzentwurf gezeigt. Sie haben sogar geagt, dass Sie die Eigeninitiative des Volkes für richtig alten, und versucht – lobenswert, wie ich finde –, diesem esetzentwurf der Koalition mit einem Änderungsantrag u einer Zweidrittelmehrheit hier im Haus zu verhelfen. eider hat das nicht geklappt. Ich finde es eigenartig, dass ie von dieser Position jetzt ohne zwingenden Grund abücken. Eingangs meiner Ausführungen habe ich es chon gesagt: Man merkt die Absicht und vielleicht ist an auch ein wenig verstimmt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


edenfalls ist Ihr Antrag hier und heute abzulehnen.
Nun beschäftigen sich also auch die Fraktionen von
DU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen in ihren
nträgen mit der europäischen Verfassung. Bei allem
onsens, den Sie als erster Redner hier richtigerweise
eschworen und von dem wir auch im Tagesordnungs-
unkt zuvor gehört haben, gibt es natürlich schon ein
aar unterschiedliche Schwerpunkte. Einige will ich
ennen:
Sie von der CDU/CSU haben offenbar noch nicht ge-
erkt, dass die Verankerung der Preisstabilität ebenso
ie die Unabhängigkeit der Europäischen Zentral-
ank im Prinzip schon Bestandteile der Verfassung sind.
ch will Ihnen aber auch sagen, wo ich persönlich von
hren Einschätzungen durchaus abweiche: Ich habe
eine nennenswerte Sympathie dafür, noch einen geson-
erten Gottesbezug oder einen besonderen Bezug auf
as christliche Erbe Europas mit in die Präambel auf-
unehmen. Ich halte es für richtig, in dieser Verfassung
uf die kulturellen, religiösen und humanistischen Über-
ieferungen Europas zu verweisen. Dies aber enthält der
räambelentwurf richtigerweise schon jetzt.
Ich komme noch zu einem anderen Punkt, in dem wir

ns sicherlich unterscheiden: Sie wollen für die Türkei
ur noch eine Art privilegierte Partnerschaft. Dabei
achen Sie sich noch nicht einmal die Mühe, in Ihrem
ntrag näher zu konkretisieren, was Sie letztendlich für
ie Türkei darunter verstehen. Auf eine ernsthafte Aus-
inandersetzung kommt es Ihnen an dieser Stelle offen-
ar nicht so sehr an. Ich glaube, auch Sie haben den
3. Juni dieses Jahres im Auge. Dabei vergessen Sie
anz, dass der Amtsvorgänger von Bundeskanzler
chröder – dieser hat es schon mehrfach zitiert –, also
elmut Kohl, dem Ministerpräsidenten Yilmaz bei sei-
em Besuch im September 1997 in Deutschland erklärt
at, er, Helmut Kohl, unterstütze das Ziel einer späteren






(A) )



(B) )


Rüdiger Veit

EU-Mitgliedschaft der Türkei. Daran scheinen sich
aber heute in Ihren Reihen nur noch die Kollegen Volker
Rühe und Ruprecht Polenz zu erinnern. Mit Ihrer Forde-
rung nach einer lediglich privilegierten Partnerschaft
verlassen Sie also die eigenen früheren und besseren Po-
sitionen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Für uns, die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/
Die Grünen und SPD, steht hier und jetzt eine definitive
und endgültige Festlegung in der Frage des EU-Beitritts
der Türkei nicht zur Debatte. Die Zeit ist dafür noch
nicht reif. Alle politisch Handelnden sollten sich aber ih-
rer Verantwortung bei diesem schwierigen Thema be-
wusst sein. Während Sie leichtfertig – ich glaube, das ist
Ihr Versuch – vor dem Hintergrund des Wahltermins die
Ängste der Bevölkerung ein Stück weit instrumentalisie-
ren, ist unsere Position und die der Bundesregierung
zum Türkeibeitritt bekannt: Wir wollen im Ergebnis ei-
ner langen Reihe von Entscheidungen der EU-Staats-
und Regierungschefs, die wir mitgetragen haben, in
Übereinstimmung mit dem Europäischen Rat in Kopen-
hagen vom Dezember 2002 wie folgt verfahren – ich zi-
tiere –:

Entscheidet der Europäische Rat im Dezem-
ber 2004 auf der Grundlage eines Berichts und ei-
ner Empfehlung der Kommission, dass die Türkei
die politischen Kriterien von Kopenhagen erfüllt,
so wird die Europäische Union die Beitrittsver-
handlungen mit der Türkei ohne Verzug

– ich wiederhole: ohne Verzug –
eröffnen.

Wir jedenfalls sind uns dieser Verantwortung bewusst
und werden zu gegebener Zeit unsere Entscheidungen
verantwortungsvoll treffen.

Soweit Sie als CDU/CSU noch darauf verweisen,
dass der Bundestag vor wie auch immer gearteten Ver-
handlungen und Zusagen der Regierung im Rat damit
befasst werden soll, läuft das im Ergebnis auf eine Art
imperatives Mandat für die Bundesregierung hinaus.
Das ist uns fremd. Wir lehnen dies ab. Wir halten es sehr
wohl für vorstellbar, ja sogar für wünschenswert, dass
wir bei der Frage der Beteiligung der nationalen Parla-
mente und damit auch unseres Bundestages im Kontext
der europäischen Willensbildung zu vielleicht effektive-
ren und besseren Formen kommen. Ich hoffe und er-
warte, dass mein Kollege Michael Roth zu diesem Punkt
noch einige Ausführungen machen wird.

Wir jedenfalls sehen ähnlich wie andere, die hier
schon gesprochen haben, in den derzeit laufenden Ver-
handlungen die Sorge begründet, am Ende könnte der
Verfassungsentwurf hinter den Ursprungstext zurückfal-
len. Dies wollen wir nicht. Wir wollen keinen Rück-
schritt in dieser Verfassung und im Hinblick auf die Er-
gebnisse des Konvents. Das gilt auch und gerade im
Bereich der Innen- und Justizpolitik. Wir also wollen
keine Rückschritte, sondern eine zügige Ratifizierung,
und zwar hier in Bundestag und Bundesrat, weil

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(C (D eutschland ein überragendes Interesse an einer erweierten und gestärkten Europäischen Union hat. Hierzu ieten wir Ihnen unsere Zusammenarbeit an. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511202800

Nächster Redner ist der Kollege Peter Hintze, CDU/
SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1511202900

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Heute debattieren wir darüber, ob in Deutsch-
and ein Referendum über die künftige europäische Ver-
assung abgehalten werden soll. Die von der FDP vorge-
chlagene Grundgesetzänderung ist ein Irrweg. Wenn
ir diesen Irrweg beschreiten, gehen wir ein dreifaches
isiko ein. Erstens provoziert ein Referendum das Miss-
erständnis, dass die europäische Verfassung unser
rundgesetz ablösen würde. Zweitens gaukelt ein sol-
hes Referendum eine Ja-Nein-Alternative vor, die es de
acto nicht gibt. Drittens bietet ein Referendum eine
ühne für Stimmungsmache und für all diejenigen, die
ren Zorn über die Regierung an Europa ablassen wür-
en.
Deshalb soll es nach unserer Auffassung bei den Re-

eln des Grundgesetzes bleiben. Die Mütter und Väter
es Grundgesetzes haben sich etwas dabei gedacht, als
ie sich für die repräsentative Demokratie entschieden
aben. Sie wollten eben solche hoch komplexen Mate-
ien nicht Augenblicksstimmungen ausliefern, sondern
er Verantwortung der Parlamente. Wir wollen diese
erantwortung wahrnehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511203000

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Burgbacher?


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Er hat heute Geburtstag!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1511203100

Gerne.


Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1511203200

Herr Kollege Hintze, Sie sagen, es sei der Bevölke-

ung nicht zuzumuten, eine Ja-Nein-Alternative vorge-
etzt zu bekommen und darüber abzustimmen. Stimmen
ie mit mir überein, dass wir im Parlament genau das-
elbe machen werden? Wir werden mit Ja oder Nein ab-
timmen. Wir haben keinerlei Änderungsmöglichkeiten.


(Zuruf von der FDP: So ist es! – Ulrich Heinrich [FDP]: Herr Hintze, das war ein Schuss nach hinten!)







(A) )



(B) )



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1511203300

Bevor Sie über die Zielrichtung von Schüssen spre-

chen, lauschen Sie meiner Antwort! –

(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wir lauschen!)


Ich habe eben Kollegen Hoyer zugehört. Ich habe heute
Morgen Herrn Kollegen Westerwelle im Deutschland-
funk zugehört. Beide haben erklärt, dass dieses Parla-
ment ihrer Einschätzung nach mit über 90-prozentiger
Mehrheit die Verfassung tragen und sie auch der Bevöl-
kerung vermitteln wird. Also auch Sie sind der Auffas-
sung, dass es für uns Deutsche in der Europäischen
Union nur ein Ja gibt und dass ein Nein uns zurückwirft.
Dem Volk aber eine Frage vorzulegen, auf die es prak-
tisch nur ein Ja gibt, ist nicht ganz in Ordnung. Oder wir
machen es wie die Iren, die dem Volk die Frage so lange
vorlegen, bis es sie so beantwortet, wie es die Mehrheit
im Parlament will. Ich finde, dass die Volksabstimmung
dafür ein höchst untaugliches Instrument ist, lieber Herr
Kollege Burgbacher.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Sie trauen sich nicht zu, die Menschen zu überzeugen!)


– Darauf komme ich gleich. – Bei einem Referendum
würde über alles Mögliche abgestimmt, über Gerhard
Schröder, über die Maut, über die Ölpreise, nur nicht
über die Zukunft der Europäischen Union. Das Problem
von Volksabstimmungen ist, dass das Volk regelmäßig
über Fragen abstimmt, die nicht gestellt wurden. Sie wis-
sen das ganz genau. Es ist eine Absurdität der Demokra-
tie, wenn wir für Europa werben und die europäische
Verfassung durchsetzen wollen, dann aber zusätzliche
Hürden auf dem Weg zu ihrer Realisierung errichten.
Das ist ein Paradox.

Nun hat die FDP – das ist heute in der Vorstellung
nicht dargelegt worden – versucht, Parlament und Volk
dadurch zu versöhnen, dass sie die Idee einer additiven
Volksabstimmung geschaffen hat. Das Volk soll mit
25-prozentiger Mehrheit zustimmen und dann soll auch
noch die Zustimmung des Bundestages und des Bundes-
rates mit Zweidrittelmehrheit erforderlich sein. Das ist
zwar ein ganz sympathischer Versuch, den Tücken der
Frage nach repräsentativer Demokratie oder emotionaler
Demokratie zu entgehen, aber ich fürchte, der Versuch
ist verfehlt. Herr Westerwelle hat heute Morgen im
Rundfunk gefragt, ob wir uns das nicht zutrauen. Natür-
lich trauen wir uns das zu. Aber wenn wir als Souverän
der Überzeugung sind, dass eine Sache richtig ist, dann
sollten wir uns auch zutrauen, die Verantwortung dafür
selbst zu tragen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Was erleben wir in England? Tony Blair hat gesagt,

das englische Volk solle abstimmen, und zwar nach den
Wahlen zum Unterhaus. Er will die Frage an das Volk
über seine Führungsverantwortung von einer politisch-
inhaltlich hoch wichtigen Frage trennen. Wir sind der
Auffassung, dass dieses Wegschieben von Verantwor-
tung nicht in unserem Grundgesetz angelegt ist. Wir soll-
ten es bei den bewährten Regeln unseres Grundgesetzes
belassen

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(C (D (Dirk Niebel [FDP]: Wir sind auch nicht das englische Volk!)


nd die Verantwortung dafür übernehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben heute Morgen über Antiterrorstrategien im
ittleren Osten gesprochen. Jetzt sprechen wir über die
tärkung Europas und darüber, wie wir die Menschen
ehr beteiligen und ihre Empfindungen besser aufneh-
en können. Ich glaube, vieles davon bleibt unglaub-
ürdig, wenn wir heute nicht auch ein Wort zu den Vor-
ängen sagen, die uns und alle Menschen in Deutschland
pätestens seit gestern massiv beschäftigen. Der Rechts-
taat in Deutschland ist auf dem allerbesten Wege, sich
ächerlich zu machen.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Womit denn?)


enn ein Top-Gefährder wie Metin Kaplan mit Polizei
nd Verfassungsschutz Katz und Maus spielen kann,


(Widerspruch bei der SPD)

ann zeigt das nur, wie wichtig und richtig unsere Forde-
ung ist, dass für solche Personen die Idee der Siche-
ungshaft verwirklicht wird, wie sie der Bundesinnen-
inister dankenswerterweise vorgeschlagen hat.


(Zuruf von der SPD: Unmöglich!)

enn dann wäre ein solches Katz-und-Maus-Spiel nicht
ehr möglich.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu den Zwischenrufen unserer grünen Kollegen
öchte ich anmerken: Dass es dem Bundesinnenminis-
er mit unserer Hilfe gelungen ist, die Grünen beim Zu-
anderungsgesetz sozusagen von der Werkbank zu ver-
annen, ist immerhin ein Beitrag zu mehr Sicherheit in
eutschland. Jetzt müssen wir das Zuwanderungs-
esetz noch in eine vernünftige Form gießen. Aber eines
üssen die Menschen im Lande wissen: Völlige Sicher-
eit gibt es nur, wenn solche Kräfte die Mehrheit in die-
em Hause stellen und in die Regierungsverantwortung
ommen,


(Widerspruch bei der SPD)

ie das tun, was jeder sittlich empfindende Mensch als
ichtig ansieht.


(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Das ist ein schlimmer Beitrag, den Sie da leisten!)


Das ist ein wichtiger Beitrag, Frau Sonntag.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


s ist schlimm, wenn heute der Bundestag tagt, aber
ber dieses Thema nicht gesprochen werden soll.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Menschen sind darüber empört, dass der selbst er-

annte Führer des Kalifatstaats, der rechtskräftig verur-
eilt wurde und mehrere Jahre bei uns im Gefängnis saß,
icht festgesetzt und abgeschoben werden kann. Denn






(A) )



(B) )


Peter Hintze

das wollen die Menschen und das entspricht dem Geiste
unseres Grundgesetzes.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511203400

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Niebel?

Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1511203500

Gerne.

(Zuruf von der SPD: Was für ein Rechtsstaats verständnis!)

– Darf ich den Zwischenruf kurz beantworten?


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511203600

Herr Kollege, zunächst hat der Kollege Niebel für

seine Zwischenfrage das Wort.

Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1511203700

Ja, gut.

Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1511203800

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Hintze, können

Sie mir erklären, was Metin Kaplan mit dem Antrag der
FDP-Fraktion zur Einführung eines Volksentscheids
über eine europäische Verfassung zu tun hat?


(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Das ist mir nicht erklärlich.


(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Sehr gute Frage! – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Populistische Hetzerei ist das!)



Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1511203900

Ich will Ihnen das gerne erklären, lieber Kollege

Niebel. Die FDP begründet den Antrag damit, dass sie
eine wichtige Forderung der Menschen im Lande auf-
nimmt. Es ist übrigens sehr interessant, dass die Koali-
tionsparteien das zwar immer wieder gefordert haben,
aber dann, wenn es konkret wird, dem FDP-Antrag nicht
zustimmen. Aber das ist ein anderes Thema.

Ich glaube, dass der Unmut der Menschen über die
Politik und über uns als Verantwortungsträger wächst,
wenn wir nicht bereit sind, solchen Skandalen ein Ende
zu bereiten und unserer Polizei und unserem Verfas-
sungsschutz solche Blamagen zu ersparen, indem wir
eine Rechtsordnung entwickeln, nach der so etwas nicht
möglich ist bzw. unterbunden wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Übler Nachtreter! – Zuruf von der SPD: Wollen Sie das in die Verfassung aufnehmen?)


– Das ist eine interessante Frage. Eine Kollegin aus der
SPD-Fraktion hat gerade in einem Zwischenruf gefragt,
ob ich möchte, dass das in die EU-Verfassung aufge-

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(C (D ommen wird. Das ist eine sehr gute Frage, die ich wie olgt beantworten will: Ich setze in der Tat die Hoffnung arauf, dass aufgrund der Tatsache, dass europäisches echt Vorrang vor nationalem Recht hat, in Europa im mgang mit Terroristen und Gefährdern ein Recht gechaffen wird, das Europa zu einer großen Sicherheitsemeinschaft werden lässt und das solchen Tätern und efährdern in Deutschland und Europa keine Chance ietet. In wenigen Tagen wird sich erweisen, ob die Regie ungen in Europa die Kraft haben, mit der Verfassung en Weg zu mehr Demokratie, Transparenz und Effiienz in Europa zu ebnen. Als auf dem Europäischen Rat on Nizza die lange Nacht der faulen Kompromisse zu nde ging, waren wir uns einig: nie wieder Nizza! (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Allerdings glaube ich, Herr Bundesaußenminister
Sie werden im Moment durch die grüne Fraktionsvor-
itzende etwas an der Mitberatung gehindert –, dass es
uropa und auch Deutschland gut täte, wenn die Bun-
esregierung zu der Mittlerrolle zurückfinden würde, die
ie früher in Europa eingenommen hat. Es mag zwar be-
uem sein, zusammen mit England und Frankreich eine
rt Direktorat zu bilden, aber es wird nicht funktionie-
en. Wenn Deutschland als Motor eines Direktorats
giert, dann bedeutet das das Ende der Veranstaltung.
as wir brauchen, ist ein faires Miteinander von Kleinen
nd Großen, wie es einst langjährige Praxis war.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich meine übrigens, dass die Politik der Bundesregie-
ung in der Zwischenphase nach der italienischen Präsi-
entschaft und vor dem Versuch der irischen Präsident-
chaft, eine Lösung zu finden, auch dazu geführt hat,
ass wir uns ziemlich festgefahren haben. Unsere Hoff-
ung ist, dass wir ein Stück weiterkommen werden. Es
st sehr erfreulich – Herr Kollege Hoyer hat das schon
ngesprochen –, dass sich gegen die Mehrheit in diesem
ause bei der Mehrheit in Europa durchgesetzt hat, dass
ie Preisstabilität nicht nur eine einzelne Aufgabe der
uropäischen Zentralbank sein darf, sondern auch eines
er Ziele der Europäischen Union sein muss, dem sich
lle Politiken unterzuordnen haben;


(Zuruf von der SPD: Um Gottes willen!)

enn Wachstum ohne Preisstabilität führt auf direktem
ege in den wirtschaftlichen Abgrund.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Wachstum?)


ir freuen uns, dass dies nun in der zukünftigen euro-
äischen Verfassung verankert wird.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Es ist doch drin!)


Herr Roth, Sie sollten nicht dazwischenbrüllen.

(Hubertus Heil [SPD]: Sie brüllen die ganze Zeit!)







(A) )



(B) )


Peter Hintze

– Weil ich mich gegen die Zwischenrufe akustisch
durchsetzen muss!

Ich komme nun auf etwas zu sprechen, das uns sehr
am Herzen liegt. Sie haben in diesem Haus oft und wort-
reich dargelegt, dies sei überflüssig. Das ist die Haltung
einer Regierung, die den Stabilitäts- und Wachstumspakt
zum dritten Mal in Folge bricht. Sie bringen uns herun-
ter. Sie sind dafür verantwortlich, dass das Wachstum in
Deutschland unter dem EU-Durchschnitt liegt. Sie haben
die Verschuldung auf die Spitze getrieben. Sie wollen
die Preisstabilität opfern. Ihre Politik darf sich auf euro-
päischer Ebene nicht fortsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie halten eine Büttenrede! – Zurufe von der SPD: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!)


Lassen Sie mich noch ein Wort zum Thema Türkei
sagen.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das fehlte auch noch!)


Wir haben von dem Spitzenkandidaten der SPD im
Europawahlkampf, Herrn Vural Öger, Interessantes
über die Türkeipolitik gehört.


(Zuruf von der SPD: Nie wieder Türkei!)

Wir wissen jetzt, warum der Bundeskanzler Herrn Öger
an so prominenter Stelle auf der Wahlliste platziert hat.
Herr Öger hat sich – gemäß seinen eigenen Ausführun-
gen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ – ausge-
lassen, dass das, was mit der türkischen Belagerung
Wiens nicht geschafft worden sei, heute unsere gebur-
tenfreudigen Türkinnen in der Bundesrepublik erreichen
könnten.


(Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Das ist nicht in Ordnung! Sie wissen, dass das falsch ist! Das ist unfair!)


– Frau Kollegin Schwall-Düren, Sie haben wieder da-
zwischengeschrien, bevor Sie zugehört haben. Ich habe
die Aussagen von Herrn Öger aus der „Frankfurter All-
gemeinen Zeitung“ zitiert, mit denen er versucht hat, die
Zitate in „Hürriyet“ zu korrigieren. Die Korrektur sollten
Sie lesen; denn sie ist zumindest genauso interessant wie
das Zitat in „Hürriyet“. Die Auffassung, die Herr Öger
vertritt, mag vielleicht die neue frauenpolitische Linie
der SPD sein. Unserer Auffassung von westlicher Kultur
entspricht sie jedenfalls nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


– Entschuldigung, ich habe das im Original zitiert. Dass
Originalzitate Ihres eigenen Spitzenkandidaten Sie in
Unruhe versetzen, kann ich verstehen.

Die „Frankfurter Rundschau“ hat berichtet, die SPD-
Führung habe verfügt, dass er von nun an für immer sei-
nen Mund halten solle. Ich bin ja froh, dass er gespro-
chen hat; denn so wissen wir, welches Denken Sie reprä-
sentieren und was auf uns zukommt.

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(C (D Wir sind aufgefordert worden, die Türkeifrage im uropawahlkampf nicht anzusprechen. Wir weisen diese ufforderung liebevoll zurück. Alle wichtigen Fragen ehören in den Wahlkampf. Wohin denn sonst? Wir üssen auch die Türkeifrage ansprechen; denn sie ist für uropa und insbesondere für Deutschland eine Schickalsfrage. Sie haben eine andere Auffassung als wir. Die ähler sollen das ruhig wissen; denn sie müssen sich ntscheiden. Ich bin ziemlich sicher, dass sie sich richtig ntscheiden werden. Ich danke Ihnen. Jetzt gratuliere ich recht herzlich unserem Kollegen urgbacher zu seinem heutigen 55. Geburtstag. Alles ute! Das Wort hat die Kollegin Anna Lührmann, Bündnis 90/ ie Grünen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Lieber Herr Hintze, ich bin mir sicher, dass ich die Wählerinnen und Wähler am 13. Juni richtig ntscheiden werden (Peter Hintze [CDU/CSU]: Klar! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das glauben wir auch!)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511204000

(Beifall)

Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511204100

nd dass sie sich nicht für die CDU/CSU entscheiden
erden, wenn ihnen Europa am Herzen liegt.


(Peter Hintze [CDU/CSU]: Das war jetzt falsch!)


enn Sie haben uns eben noch einmal demonstriert, wie
er Europawahlkampf der Union aussieht. Er hat ge-
auso wenig etwas mit Europapolitik zu tun wie Ihre
ede.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


us innenpolitischem Kalkül haben Sie die Themen
Zuwanderung“, „Kaplan“ und „Türkei“ angesprochen.
ür mich ist das, was Sie sagen, unverantwortlicher
opulismus. Sie schüren Ängste vor Europa, anstatt auf-
uklären und die Menschen auf dem Weg nach Europa
itzunehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich will jetzt zum Thema kommen, zur europäischen
erfassung. Bei diesem Thema ist meiner Meinung nach
in weiteres wichtiges Etappenziel erreicht; denn nach
em Treffen der Außenminister am vergangenen Montag
st die EU ihrer neuen Verfassung wieder ein gutes Stück
äher gekommen. Heute erscheint eine Einigung auf
em Gipfel im Juni wieder viel wahrscheinlicher. Das
ind gute Aussichten; denn noch am Anfang dieses Jah-
es hätte ich darauf kaum eine größere Summe verwettet.






(A) )



(B) )


Anna Lührmann

Doch seit dem Dezembergipfel ging es immer wieder
voran, und das nicht zuletzt, weil viele Regierungen, wie
die deutsche Bundesregierung, nie einen Zweifel daran
gelassen haben, dass sie genau diese Verfassung wollen.
Ich habe also vor, bei diesem Thema optimistisch zu
bleiben. Dieser Optimismus scheint heute mehr denn je
berechtigt.

Die schwierigen Verhandlungen zeigen jetzt noch ein-
mal ganz deutlich, dass die Bundesregierung gut daran
getan hat, auf dem Ergebnis des Konvents zu bestehen
und die Verhandlungen mit Änderungsanträgen nicht
noch weiter zu erschweren; denn das Auf und Ab dieser
Regierungskonferenz macht doch wieder eines ganz
klar: Es ist dem Konvent in 16 Monaten sehr harter Ar-
beit vorbildlich gelungen, gute Kompromisse in den
heiklen Fragen zu finden. Die Diskussionen über Ände-
rungsanträge in der Regierungskonferenz zeigen näm-
lich immer wieder, dass es kaum gelingt, andere, ge-
schweige denn bessere Formulierungen als die zu
finden, die der Konvent selber erarbeitet hat. Aus dieser
Erfahrung sollten die Regierungen klug werden. So
könnte man sich nämlich viele quälende Nachtsitzungen
ersparen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen – ich weiß nicht, wie
es Ihnen ging –, am letzten Freitag haben mich die Ver-
handlungen im Kreise der Außenminister ziemlich em-
pört. Da kamen die einen und die anderen immer wieder
mit ihren alten Forderungen, also mit alten Hüten, daher,
die eigentlich schon längst ad acta gelegt worden sind.
Dadurch wurde nicht nur eine Einigung erschwert; viel-
mehr war meiner Meinung nach auch der Inhalt der
Änderungswünsche kontraproduktiv. Während der Re-
gierungskonferenz wurden nämlich fast nur Änderungen
vorgeschlagen, die ich als Proeuropäerin nur als eindeu-
tige Rückschritte bezeichnen kann.

Fundamentale Fehlgriffe waren etwa die Bestrebun-
gen, die Befugnisse des Europaparlaments wieder zu be-
schränken. Die Rechte des Parlaments im Haushaltsver-
fahren sollten sogar hinter den Status quo zurückgedreht
werden. Es gab auch den Vorschlag, die Charta der
Grundrechte, den zweiten Teil der Verfassung, durch ein
Zusatzprotokoll in seiner Wirkung zu beschränken. Wir
reden hier also nicht über Peanuts, sondern über funda-
mentale Grundrechte und über das zentrale Organ der re-
präsentativen Demokratie in der EU.

Nach dem Treffen am Montag bin ich – das habe ich
schon erwähnt – weit optimistischer gestimmt. Die
gröbsten Angriffe auf den Verfassungstext scheinen un-
ter anderem durch das Engagement der deutschen Bun-
desregierung kassiert worden zu sein.

Aber es bleibt so mancher Stolperstein erhalten. Ich
glaube, ich gehe nicht zu weit, wenn ich sage, dass ein
wesentlicher Stolperstein den Namen „Großbritannien“
trägt. An die Adresse von Großbritannien kann ich nur
sagen – ich habe darauf schon in meiner letzten Rede
hingewiesen –: Europa lebt vom Kompromiss. Sie wis-
sen, worum es geht, nämlich um die so genannten Red

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(C (D ines der britischen Regierung. Von britischer Seite wird um Beispiel die Forderung erhoben, die qualifizierte ehrheit für Entscheidungen zurückzunehmen. Ich finde das haarsträubend. Das offenbart nur eines: ie Verweigerung von mehr Demokratie, von mehr andlungsfähigkeit und von Transparenz für Europa. in Mehr an Demokratie, an Transparenz und an Einachheit, aber auch an Effizienz und Bürgernähe, das ist och genau das, was am Ende dieses Verfassungsprozeses stehen muss. Genau so lautet nämlich der Auftrag on Laeken, den die Regierungen dem Konvent gegeben aben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der Konvent ist dieser Aufgabe gerecht geworden. Es
äre geradezu ein Treppenwitz der Geschichte, wenn
ie Regierungen dafür sorgten, dass die von ihnen selbst
esteckten Ziele eben nicht umgesetzt werden. Wir alle
ier wissen, dass mit der Einigung auf einen Verfas-
ungstext noch nicht der ganze Weg zurückgelegt ist. Im
egenteil: Die Ratifizierungen in den 25 Mitgliedstaa-
en müssen dann noch durchgeführt werden. In manchen
ändern müssen die Parlamente zustimmen, in anderen
uch die Bevölkerung per Referendum.
Ich würde einen europaweiten Volksentscheid über

ie europäische Verfassung deutlich befürworten. Wenn
ie Bürgerinnen und Bürger in allen europäischen Län-
ern gleichzeitig abstimmten, dann könnte man eine in-
enpolitische Instrumentalisierung verhindern und es
ände eine wirklich europäische Debatte statt.
Anders als die FDP hat die rot-grüne Bundesregie-

ung 2002 einen Gesetzentwurf für direkte Demokratie
n allen Bereichen in den Deutschen Bundestag einge-
racht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wer war dagegen?)


iesem Vorschlag haben über die Hälfte der FDP-Frak-
ion und die gesamte CDU/CSU-Fraktion nicht zuge-
timmt. Vor diesem Hintergrund ist Ihr heutiges Wahl-
ampfgetöse wirklich unglaubwürdig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Abschließend will ich noch eines deutlich sagen:
gal, wie ratifiziert wird, es kommt darauf an, was und
ass ratifiziert wird; denn nur mit einer neuen Verfas-
ung ist Europa auch in guter Verfassung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Vielen Dank.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511204200

Das Wort hat der Kollege Dr. Norbert Röttgen, CDU/
SU-Fraktion.






(A) )



(B) )



Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1511204300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Ich möchte in meinem Beitrag nur auf die von
der FDP-Fraktion vorgeschlagene Verfassungsänderung
eingehen. Das Grundgesetz ist der wichtigste Rechtstext
in unserer Demokratie. Darum sind an Änderungen die-
ses Rechtstextes hohe Anforderungen zu stellen, was die
fachliche Qualität anbelangt. Es ist die politische Frage
zu beantworten, ob wir die Grundentscheidungen, die
die Verfassungsväter und -mütter getroffen haben, wirk-
lich verändern wollen. Ich möchte zu beidem etwas sa-
gen, zur fachlichen Qualität Ihres Vorschlags und zu der
Grundsatzfrage, ob es richtig ist, einen Volksentscheid
zur Einführung der EU-Verfassung zu ermöglichen.

Zum ersten Thema: Was ist von Ihrem Vorschlag
fachlich zu halten? Sie formulieren in Ihrem Entwurf,
dass es um die Einführung einer europäischen Verfas-
sung geht. Natürlich reden wir politisch über die EU-
Verfassung, über den Verfassungsvertrag. Es gibt auch
gute politische Gründe dafür, so zu reden. Es verdeut-
licht, dass es ein wichtiges Werk ist. Es spiegelt sich da-
rin insbesondere wider, wie dieser Entwurf erarbeitet
worden ist, nämlich nicht mit der bisherigen Methode
der Vertragsänderungen. Die Herren der Verträge, die
Mitgliedstaaten, haben die Gesetzgebung ein Stück weit
aus ihren Händen gegeben und haben insbesondere Par-
lamentarier aus den Mitgliedstaaten – nicht nur Parla-
mentarier, aber auch Parlamentarier – an der Erstellung
des Verfassungsentwurfs beteiligt.

Wir können rechtlich aber nicht einfach so formulie-
ren, wie wir politisch reden; das Grundgesetz hat andere
Anforderungen an die Sprache. Deshalb müssen wir fra-
gen: Wird im Rechtssinne eine Verfassung eingeführt?
Wird mit dieser Vertragsänderung, um die es geht, das
bisherige Vertragswerk eine neue Qualität, nämlich Ver-
fassungsqualität, gewinnen? Das ist Ihre rechtliche An-
forderung dafür, dass der Volksentscheid überhaupt statt-
findet.

Ich möchte dazu nur aus zwei Urteilen zitieren, die
ich mir gestern noch einmal durchgelesen habe, die
schon alt sind. In einem Urteil aus dem Jahre 1991 – das
ist schon lang her – stellt der Europäische Gerichtshof
fest, dass der EWG-Vertrag „obwohl er in der Form
einer völkerrechtlichen Übereinkunft geschlossen
wurde, nichtsdestoweniger die grundlegende Verfas-
sungsurkunde einer Rechtsgemeinschaft“ darstellt. In
einer Entscheidung aus dem Jahr 1968 stellt das Bun-
desverfassungsgericht fest – das ist im 22. Band –, die
Europäische Gemeinschaft sei eine im Prozess fort-
schreitender Integration stehende Gemeinschaft eigener
Art. Nun zitiere ich: „Der EWG-Vertrag stellt gewisser-
maßen die Verfassung dieser Gemeinschaft dar.“

Die Europäische Union hat eine Verfassung. Die
europäischen Verträge haben seit langem Verfassungs-
qualität. Was macht denn eine Verfassung aus? Ich zi-
tiere dazu die Begründung des Gesetzentwurfs der FDP-
Fraktion: Es ist die Entscheidung „über Inhalt, Grenzen,
Organisation, Ausgestaltung und Verteilung politischer
Macht“. Alles das ist in den Verträgen bereits entschie-
den. Wir haben die Souveränitätsübertragung. Wir haben

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(C (D in System der Kompetenzverteilung. Wir haben mit em Europäischen Gerichtshof ein Verfassungsgericht. arum besteht kein Zweifel: So wenig man den Zeitunkt bestimmen kann, zu dem die europäischen Verräge Verfassungsqualität angenommen haben, so sicher st, dass sie bereits seit langem Verfassungsqualität haen. Darum ist Ihr Entwurf aus europarechtlichen Grünen unzulänglich. Ich möchte mich mit dem Entwurf aber auch verfas ungsrechtlich beschäftigen. Sie schreiben in Ihrem Beründungstext, „ohne ausdrückliche Zustimmung der ürgerinnen und Bürger“ sei der Verfassungstext „nicht usreichend legitimiert“. Das finde ich wirklich bedrükend – das sage ich mit allem Ernst, ohne jeden taktichen Hintersinn. Sie wie wir alle gehen davon aus, dass hr Gesetzentwurf keine Mehrheit findet. Wollen Sie im rnst behaupten, dass die Europäische Union, wenn iese Vertragsänderung im bislang üblichen Verfahren atifiziert wird, in Zukunft unter einem Legitimationsangel leidet? o steht es in Ihrem Begründungstext schwarz auf weiß. ollen Sie auch sagen, dass die früheren Entscheidunen grundlegendster Art, der Maastricht-Vertrag und die inführung der Währungsunion, das heißt die Abgabe ationaler Währungshoheit, unter einem Legitimationsangel leiden? Was ist mit dem Grundgesetz, zu dem iemals ein Plebiszit durchgeführt wurde? Leidet das uch unter einem Legitimationswandel? ie verhält es sich mit künftigen Änderungen, da ja nur inmal ein Volksentscheid durchgeführt werden soll? Sie agen, dafür sei keine plebiszitäre Entscheidung nötig. Man kann ja in der Sache unterschiedlicher Auffas ung sein, aber mich stört, mit welcher Leichtfertigkeit n dem Gesetzentwurf die Legitimation der wesentlichen echtlichen Grundlagen des Staates wie der Europäichen Union infrage gestellt wird. Hier haben Sie einen chweren Fehler gemacht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


(Peter Hintze [CDU/CSU]: Keineswegs!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nun zu der Frage, ob es richtig ist, über diese Verfas-
ung per Volksentscheid zu entscheiden. In diesem
ause gibt es ja bezüglich der Präferenz für Volksent-
cheide eine ganz originelle Konstellation zwischen FDP
nd der rot-grünen Koalition. Die FDP sagt, wir wollen
ur hier, aber nirgends sonst einen Volksentscheid zulas-
en. Rot-Grün sagt, wir wollen über alles einen Volks-
ntscheid zulassen, nur nicht über diese Frage.


(Rüdiger Veit [SPD]: Nicht überall!)

Im Grunde überall. – Beide Positionen sind von der
aktik und der Sache her nicht glaubwürdig.


(Beifall bei der CDU/CSU)

ir können mit der Frage der Legitimation – das ist eine
ernfrage der Demokratie, denn Demokratie ist Legiti-
ation – nicht taktisch umgehen, sondern wir müssen






(A) )



(B) )


Dr. Norbert Röttgen

mit ihr verantwortungsvoll und sachlich umgehen. Es ist
bedauerlich, dass die CDU/CSU-Fraktion die einzige
Fraktion im Parlament ist, die sich der Verantwortung in
diesem Punkt bewusst ist. Sie taktiert nicht, sondern
praktiziert Verantwortung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Sie gehen doch am Volk vorbei!)


Sie, Frau Lührmann, haben eben das klare Bekenntnis
abgelegt: Sie wollen einen Volksentscheid darüber. Aber
der Bundesaußenminister hat ihn verboten. Insbesondere
die Grünen sind ja ein immer folgsameres Kind der Re-
gierung geworden. Sie, Herr Bundesaußenminister, kön-
nen, wie ich glaube, mit dieser Fraktion sehr zufrieden
sein. Wenn es ernst wird, sagen Sie ihr, was sie machen
soll. Das sagt auch etwas über Ihr Selbstverständnis aus.

Ich möchte darauf eingehen, ob es richtig ist, durch
Volksentscheide Entscheidungen zu fällen, und möchte
begründen – da gebe ich Ihnen Recht –, dass die euro-
päische Verfassung ein gutes Beispiel dafür darstellt,
warum eine Entscheidung durch Plebiszite in unserem
Land die schlechtere demokratische Alternative ist.
Nach meiner festen Überzeugung liegt das nicht daran,
dass wir Abgeordnete des Bundestages die besseren Ent-
scheider wären, dass wir schlauere und bessere Entschei-
dungen träfen, als wenn das Volk abstimmen würde. Der
Grund liegt vielmehr in den objektiven Bedingungen,
der Möglichkeit, eine schwierige Frage verantwortlich
zu entscheiden.

Voraussetzung dafür, um überhaupt verantwortlich
und vernünftig entscheiden zu können, ist das Vorhan-
densein eines Verfahrens, mit dem man in der Lage ist,
die Komplexität eines Gegenstandes zu verarbeiten.
Der entscheidende Punkt ist, ob wir davon sprechen kön-
nen, dass die Voraussetzung dafür existiert, verantwort-
lich zu entscheiden, und ob das Verfahren, das Entschei-
dungen vorausgeht, die Möglichkeit bietet, die
Komplexität des Gegenstandes zu verarbeiten. Das par-
lamentarische Verfahren bietet sie, unabhängig davon,
ob uns das im Einzelfall gelingt. Wir sind im Parlament
in der Lage, strukturiert plurale Auffassungen miteinan-
der zu diskutieren und zu einem Ergebnis zu kommen,
für das wir uns dann politisch und demokratisch recht-
fertigen müssen.

Ich bin fest davon überzeugt – damit komme ich zum
Ende –, dass die plebiszitäre Entscheidung genau diesen
Mangel hat: Sie bietet kein Verfahren, das in der Lage
wäre, der Komplexität eines Gegenstandes in der für de-
mokratische Legitimation nötigen Breite – eine Informa-
tionselite kann das schaffen – gerecht zu werden. Es geht
bei dieser Frage um das Funktionieren unserer Demokra-
tie, um nichts weniger. Für dieses Funktionieren haben
wir als Parlament eine doppelte moralische Pflicht: die
Pflicht, zu begründen, dass es zur parlamentarischen
Verantwortung keine praktische Alternative gibt, und die
Pflicht, diese Verantwortung durch den Stil unserer Aus-
einandersetzungen –

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(C (D Herr Kollege, darf ich Sie erinnern, dass Sie zum nde kommen wollten? – und durch den Inhalt der konkreten Entscheidungen u leben. Das ist unsere Pflicht; wir können sie nicht bertragen, sondern müssen sie selber erfüllen. Herzlichen Dank. Das Wort hat der Kollege Michael Roth, SPD-Frak ion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! err Kollege Röttgen, wenn man aus grundsätzlichen rwägungen heraus plebiszitäre Elemente ablehnt, ann war Ihre Argumentation überzeugend. Das sage ich oller Respekt. Aber auf der linken Seite dieses Hauses ibt es Kräfte, Fraktionen, die übereinstimmend der Aufassung sind, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern die irekte Demokratie unter ganz bestimmten Bedingungen utrauen sollten, weil wir die repräsentative Demokratie erade stärken wollen, indem wir die Bürgerinnen und ürger auch in Sachfragen stärker einbeziehen. Die Kollegin Lührmann hat in der Begründung ihrer blehnung eines nationalen Referendums über die uropäische Verfassung ein wesentliches Argument geannt, das auch für mich ausschlaggebend ist: Wenn ir die europäische Verfassung, die ich für ein großarties und wesentliches Projekt halte, nur noch nationalen hemen und Diskussionen unterziehen, dann erreichen ir nicht das, um was wir uns eigentlich alle bemühen ollten, nämlich dass sich die Bürgerinnen und Bürger icht nur als Deutsche, Franzosen oder Ungarn identifiieren, sondern eine europäische Identität gewinnen. enn wir das erreicht haben, bin auch ich dafür, dass ir über eine europäische Verfassung in einem Volksntscheid abstimmen, genau so, wie ich mir persönlich ewünscht hätte, dass das deutsche Volk Anfang der 0er-Jahre in freier Selbstbestimmung über das Grundesetz bzw. die deutsche Verfassung abgestimmt hätte. as war ihm damals, weil Sie das nicht gewollt haben, eider verwehrt. Aber 20 Tage vor dem europäischen Gipfel, auf dem ine grundlegende Weichenstellung bezüglich der ukunft Europas und der Bürgerinnen und Bürger in uropa vorgenommen wird, sollten wir nicht nur über in Ratifizierungsverfahren reden, sondern die Inhalte er europäischen Verfassung in den Mittelpunkt unserer ebatte rücken; denn wir sollten jetzt nicht so tun, als eien alle offenen Fragen schon geklärt. Europa hat am 1. Mai eine großartige Chance ergrif en: Wir haben diesen Kontinent wiedervereinigt. Das ar ein großer Erfolg, an dem nicht wenige einen maßeblichen Anteil haben. Aber der Problemdruck, auch er nationale, ist erheblich. Viele Probleme, mit denen Michael Roth wir uns auf nationaler Ebene zu beschäftigen haben, können aus meiner Sicht nur in einem vereinten Europa gelöst werden. Noch nie hingen Frieden, Demokratie, Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und die Zukunft der Bürgerschaft so sehr vom Erfolg der europäischen Politik ab. Im Zeitalter umfassender Globalisierung ist ein nach innen und nach außen solides europäisches Haus unersetzlich. Aber machen wir uns nichts vor, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir sind bislang die Antwort auf die Frage schuldig geblieben, wie die größer gewordene Europäische Union handlungsfähig bleiben soll. Deswegen dürfen wir uns auf der großen Erweiterung vom 1. Mai nicht ausruhen. Wenn wir das täten, bliebe die EU der 25 nicht mehr als ein Torso. Wir müssen die Institutionen, die Strukturen und die Verfahren der EU grundlegend modernisieren. Wir müssen die demokratische Legitimation der europäischen Entscheidungsprozesse stärken. Wir müssen außerdem die EU für alle Bürgerinnen und Bürger – ich glaube, auch für den einen oder anderen Kollegen – transparenter machen. Nur dann werden wir den Erwartungen gerecht und nur dann wird es möglich sein, mit dieser EU die großen Herausforderungen erfolgreich politisch zu meistern. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511204400
Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1511204500

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511204600
Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1511204700




(A) )


(B) )


So genannte Leftovers, also Überbleisel, wie bei
Nizza wird es nicht mehr geben dürfen. Der Kollege
Gloser hat mich gebeten, auf einen Punkt hinzuweisen:
In diesen Tagen feiert Nürnberg die 50-jährige Partner-
schaft zu Nizza. Deswegen ist der Satz „Nie wieder
Nizza“ für den einen oder anderen von uns sicherlich nur
schwer erträglich. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Nizza ist schön! – Dirk Niebel [FDP]: Er hat gesagt, er würde nie wieder Pizza essen! Das haben Sie wohl falsch verstanden!)


Nizza genießt auch weiterhin unsere Wertschätzung,
wenn auch nicht unbedingt die Regierungskonferenz.
Aber weil wir eben ein zweites Nizza nicht haben woll-
ten, war das Vertagen der Regierungskonferenz nach
dem ergebnislosen Gipfel von Brüssel im Dezember
2003 richtig. Denn eine Einigung um jeden Preis wäre
aus meiner Sicht unverantwortlich. Deswegen ist es so
positiv, dass die irische Präsidentschaft jetzt mit großem
Druck, mit großer Sorgfalt und mit großer Beharrlichkeit
einen Erfolg noch unter ihrer Präsidentschaft erreichen
möchte.

Eine Nacht der langen Messer, in der mit aller Macht
allein um die Durchsetzung rein nationaler Interessen
geschachert wurde, konnte sich die EU noch nie so
wenig leisten wie heute. Verlieren die Beteiligten die
europäische Vision eines vereinten und handlungsfähi-
gen Europas im Endspurt aus den Augen oder opfern sie
bewusst, wird die EU großen Schaden nehmen. Keiner

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(C (D eiß, ob wir eine solche Chance noch einmal erhielten. eswegen müssen sich alle Beteiligten ihrer immensen erantwortung bewusst sein. Sie müssen deutlich sagen, b sie – dominiert von nationalen Sonderinteressen – die ukunftsfähigkeit Europas bewusst blockieren wollen der ob sie bereit sind, gemeinsam eine bessere Zukunft u gestalten. Aus meiner Sicht ist ein fairer Ausgleich nationaler nteressen möglich. Die hervorragende Arbeit des euroäischen Verfassungskonvents hat dies gezeigt. Der onvent – das werden die Historiker in 20 oder 0 Jahren einmal sagen – war ein wesentlicher Meilentein europäischer Integration. Mehr Demokratie wagen, ie Handlungsfähigkeit der EU nach innen und nach auen stärken, die EU transparenter gestalten: Das sind die igentlichen Kernziele, an denen sich der Verfassungsrozess zu orientieren hat. Das war so im Konvent und as muss so sein in der Regierungskonferenz. Was wir on dieser Regierungskonferenz zu Recht erwarten düren, ist nicht mehr und nicht weniger als die Verwirkichung dieser drei Ziele. Für die Bundesregierung sind es schwierige Verhand ungen. Wir wissen das. Wir wissen auch, dass sich Buneskanzler Schröder und Außenminister Fischer mit groem persönlichen Einsatz um tragfähige Kompromisse emühen, die sich am Konventsentwurf orientieren und ie die Beschlüsse des Bundestages konsequent einbeiehen. Sich an dem Konventsentwurf zu orientieren war on Anfang an die richtige Strategie. Wir haben hierüber m Bundestag leider keine Übereinstimmung erzielen önnen, weil einige eine nicht enden wollende Liste von nderungsvorschlägen vorgelegt haben. Ich meine, es ar gut und richtig, zu sagen: Etwas Besseres als das onventsergebnis werden wir nicht erzielen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


afür danken wir dem Bundeskanzler, dem Außenmi-
ister und auch dem Staatsminister für Europa Bury.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Wo sind die Jungs denn?)


Wir unterstützen die Bundesregierung in ihrer festen
bsicht, die ins Stocken geratenen Schlussverhandlun-
en über eine europäische Verfassung endlich zum Er-
olg zu führen. Wir müssen aber auch eines deutlich zur
enntnis nehmen – das gibt Anlass zur Sorge –: Die Zu-
timmung gegenüber der Europäischen Union sinkt,
uch in Deutschland. Noch nicht einmal 50 Prozent der
eutschen waren in der jüngsten Umfrage positiv gegen-
ber der EU eingestellt. Das muss uns alarmieren. Wir
ollten daraus Konsequenzen ziehen.
Aber, Herr Kollege Hintze, wir sollten nicht die Kon-

equenzen daraus ziehen, die Sie ziehen. Es sind noch
6 Tage bis zur Europawahl.


(Peter Hintze [CDU/CSU]: Jawohl!)

enn man so argumentiert wie Sie und nicht über
uropa, sondern über das diskutiert, was einem wenige
age vor einer Wahl ins nationale Kalkül passt, dann






(A) )



(B) )


Michael Roth (Heringen)


zerstört man die Vertrauensbasis der Europäischen
Union. Dann macht man sich unglaubwürdig. Sie kön-
nen sich doch nicht in Sonntagsreden zum großen Euro-
papolitiker aufschwingen und hier, wenn es um die Zu-
kunft Europas geht, nur über die Türkei und den
islamistischen Fundamentalismus


(Peter Hintze [CDU/CSU]: Ja!)

und nicht über die Kernbereiche Europas reden, die un-
sere eigentliche und gemeinsame Aufgabe sein sollten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen aus meiner Sicht vielmehr eine pro-
grammatische Neugründung Europas. Ich bin mir sicher,
dass wir in diesen Punkten hier im Bundestag keine
Übereinstimmung erzielen werden. Aus meiner Sicht ist
dies auch gut so. Dass das so ist, hat man auch an einer
Bemerkung des geschätzten Kollegen Hoyer gemerkt.
Es wäre ja schlimm, wenn 200 Kolleginnen und Kolle-
gen der FDP im Konvent gesessen hätten. Dann gäbe es
einen noch stärkeren neoliberalistischen Geist,


(Beifall bei der FDP)

der aus meiner Sicht die Fundamente der Europäischen
Union langfristig zerstört.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist vielmehr nötig – das sollten wir in dieser De-
batte ruhig deutlich machen –, dass die Europäische
Union endlich ihr soziales Profil schärft. Wir wollen
nicht alles den Prinzipien des Marktes unterordnen. Wir
Sozialdemokraten stehen für ein soziales Europa mit ge-
lebter Solidarität; denn die europäische Integration ist
die demokratische Antwort auf die Globalisierung. Des-
wegen dürfen wir nicht noch einmal an der Grund-
rechte-Charta herumdoktern. Die Grundrechte-Charta
ist das Herzstück unseres europäischen Grundgesetzes.
Sie begründet maßgeblich unsere europäische Identität.
Ich kann der Kollegin Lührmann nur zustimmen: Es ist
aus meiner Sicht – die Diplomaten dürfen und sollten
das nicht sagen; aber ich kann das sagen – nur schwer er-
träglich, wie die britische Regierung mit ihrer Salami-
taktik gefundene Kompromisse wieder infrage zu stellen
versucht. Das ist für uns – in aller Offenheit – inakzep-
tabel.


(Beifall bei der SPD)

Stures Beharren auf unzähligen nationalen Befindlich-
keiten und rote Linien ist ebenso kontraproduktiv wie
das ständige Nachlegen neuer Forderungen.

Dann ein Wort zur Preisstabilität. Es wird doch nie-
mand hier im Hause behaupten wollen, dass Preisstabili-
tät nicht gut sei. Sie ist vor allem für die Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer wichtig. Aber man kann es
auch übertreiben. In dieser Verfassung ist mehrfach von
Preisstabilität die Rede. Dass man aber die Preisstabilität
vor dem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft nennen
möchte,

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(C (D (Peter Hintze [CDU/CSU]: Sie haben es wieder nicht verstanden!)


as ist mit meiner Vorstellung vom Sozialstaatsgebot nur
ehr begrenzt in Einklang zu bringen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


eswegen: Finger weg von den sozialen Errungenschaf-
en dieses Verfassungsentwurfs, für die sich maßgeblich
ozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Verfas-
ungskonvent stark gemacht haben!
78 Prozent der Bürgerinnen und Bürger erwarten zu
echt, dass das wirtschaftliche Schwergewicht der EU
uch außen- und sicherheitspolitisch, das heißt auch auf
er internationalen Bühne, endlich handlungsfähiger
ird. Dafür brauchen wir einen europäischen Außen-
inister. Das garantiert uns die europäische Verfassung.
ie kann der EU international eine stärkere Stimme und
en Bürgern mehr Gewicht geben.
Wir kämpfen aber auch für eine Friedensmacht
uropa. Dass sich das nur schwer mit den Konzepten
er CDU/CSU in Übereinstimmung bringen lässt, dürfte
lar sein. Frau Merkel und Herr Stoiber sind in der Irak-
rage einem Irrweg gefolgt. Das kann mal passieren.
ber sie bringen nicht den Mut zur Umkehr auf. Das ist
as eigentlich Bedauerliche.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Bundestag versteht sich traditionell als Partner
es Europäischen Parlamentes. Kompetenzverlagerun-
en nach Brüssel sind daher nur dann akzeptabel, wenn
as Europäische Parlament gestärkt wird. Das Euro-
äische Parlament muss deshalb auch im Haushaltsver-
ahren ein gleichberechtigter Partner werden. Wir sind
ehr erfreut darüber, dass auf der letzten Zusammenkunft
er Außenminister ein tragfähiger Kompromiss gefun-
en wurde, der auch bei unseren Kolleginnen und Kolle-
en im Europäischen Parlament Unterstützung findet.
Wir brauchen aber ebenso eine arbeitsfähige Kom-
ission mit einem starken Kommissionspräsidenten.
nsere Erwartungen – ich glaube, auch darin sind wir
lle einer Meinung – sind relativ realistisch. Es geht mir
ar nicht um die Größe der Europäischen Kommission.
ir geht es aber darum, dass möglicherweise jedes
ommissionsmitglied über ein eigenes Ressort verfügen
öchte. Bei begrenzten Kompetenzen der Europäischen
nion sehe ich darin eine Gefahr; denn die machen sich
ann ihre Arbeit selbst. Umso wichtiger ist ein durchset-
ungsfähiger, integrationsfreundlicher und den Respekt
ller Mitgliedstaaten verdienender Kommissionspräsi-
ent. Ich hoffe, dass die Staats- und Regierungschefs
uch in dieser Frage eine sehr weise Entscheidung tref-
en.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben in diesem Hause immer wieder über den
ottesbezug gesprochen. Ich habe da eine etwas andere






(A) )



(B) )


Michael Roth (Heringen)


Auffassung als der geschätzte Kollege seitens der SPD-
Fraktion, der vor mir gesprochen hat.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Der heißt Veit!)


Denn ich weiß, dass eine große Mehrheit der Kollegin-
nen und Kollegen dies wünscht bzw. nichts dagegen ein-
zuwenden hätte. Die säkularen Kräfte in der EU sind je-
doch stark und wir müssen sie respektieren. Bei diesem
sensiblen Thema bitte ich Sie – ich weiß nicht, ob Sie es
irgendwann in die Diskussion einbringen – um ein Stück
Verantwortungsbewusstsein; denn ein stures Festhalten
an dieser Forderung könnte die bisher erreichten Erfolge
infrage stellen. Diese sind maßgeblich auch auf das
Engagement der Bundesregierung zurückzuführen. Wol-
len Sie wirklich die Bezugnahme auf das religiöse Erbe
in der Präambel oder Art. 51, den Kirchenartikel, gefähr-
den? Ich halte sie für einen großen Erfolg und deswegen
sollten wir mit weiteren Forderungen sehr zurückhaltend
sein.

Seit Beginn der 90er-Jahre fordern wir unablässig
transparente und demokratischere Abstimmungsprinzi-
pien für den Rat. Endlich ist ein Durchbruch möglich.
Wir haben in Amsterdam vergeblich die doppelte Mehr-
heit gefordert und wir haben sie auch in Nizza leider ver-
geblich gefordert.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das stimmt ja nicht!)


Jetzt gibt es endlich die realistische Chance, sie zu errei-
chen. In aller Offenheit und mit allem Respekt gegen-
über der polnischen Regierung und vor allem der polni-
schen Opposition: Ich glaube nicht, dass Europa
ernsthaft darüber nachdenken sollte, wie man blockiert.
Stattdessen sollte man gemeinsam darüber nachdenken,
wie man Europa nach vorne bringt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deswegen müssen wir Blockaden überwinden, die
Strukturen im Rat demokratischer gestalten und Europa
handlungs- und entscheidungsfähiger machen. Deswe-
gen steht das europäische Gesamtinteresse im Vorder-
grund.

Gelingt der Regierungskonferenz am 17. und 18. Juni
ein guter Wurf, ist das erweiterte und vereinte Europa
gestärkt wie nie. Europa wird zunehmend international
gestalten können, wenn es dann mit einer Stimme nicht
nur sein wirtschaftliches, sondern endlich auch sein poli-
tisches Gewicht zum Ausdruck bringen kann.

Die Tragweite und die Bedeutung dieser Entscheidun-
gen sind seit Nizza unverändert geblieben und die Pro-
bleme lassen sich nicht durch weiteres Vertagen lösen.
Wir müssen jetzt, unter irischer Präsidentschaft, das Pro-
jekt vollenden, damit wir uns dann gemeinsam mit der
Bevölkerung und im Deutschen Bundestag über dieses
großartige Projekt unterhalten können. Wir müssen den
Bürgerinnen und Bürgern etwas Positives anbieten.

Unsere guten Wünsche begleiten die Bundesregie-
rung, den Bundeskanzler und den Außenminister. Wir

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(C (D offen, dass europäischer Mut und Weitsicht am 17. und 8. Juni gefragt sind. Diese dürfen die Bürgerinnen und ürger zu Recht von uns erwarten. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511204800

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gerd Müller,
DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1511204900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Trauen
ir dem Volk? Diese Frage könnte man über diese De-
atte stellen. Ich sage Ihnen: Das Volk ist mindestens so
lug wie das Abbild des Parlamentes, Herr Roth.


(Beifall bei der FDP)

ie liegen sicherlich falsch, wenn Sie diese Frage so aus-
chließlich diskutieren, wie Sie es hier tun.
Trauen Sie dem Parlament, Herr Außenminister?
em Volk trauen Sie jedenfalls nicht; Sie wehren sich
egen eine Volksabstimmung, aus Ihrer Sicht aus gutem
runde, weil das Volk Sie mit seinem Votum hinweg-
pülen würde. Sie trauen aber auch diesem Parlament
icht. Seit Wochen und Monaten wird über dieses große
rojekt einer europäischen Verfassung im Stil von Ge-
eimverhandlungen hinter verschlossenen Türen gespro-
hen. Unser Außenminister war bisher nicht bereit, vor
iesem Parlament seine Verhandlungsführung und seine
erhandlungspositionen darzulegen.


(Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo waren Sie eigentlich in den letzten Monaten?)


Das ist die Situation: Diese Regierung traut weder
em Volk noch dem Parlament.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Wahrscheinlich auch sich selbst nicht!)


Der Verfassungsvertrag ist in vielen Punkten offen. Es
äre durchaus notwendig und interessant, in aller Offen-
eit einen Dialog über die inhaltlichen Fragen zu führen,
ei denen wir etwas bewegen wollen.
Herr Außenminister, der europäische Verfassungsver-

rag sollte – das war einmal Ihr Ziel – Europa in außen-,
erteidigungs- und sicherheitspolitischen Fragen
andlungsfähig machen. Er sollte ein Stück weit mehr
ergemeinschaftung als Reaktion auf das europäische
esaster beim Irakkrieg bringen und die europäische
ntwort darauf sein. Nichts ist passiert, Sie haben an
ieser Stelle versagt. Das, was geschaffen wurde, ist ein
uropäischer Papiertiger.


(Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch!)







(A) )



(B) )


Dr. Gerd Müller

So kann ich Sie mir als europäischen Außenminister gut
vorstellen. Es wird nur neue außenpolitische Bürokratie
– diesmal europäische – aufgebaut, aber kein Schritt hin
zur Vergemeinschaftung dieses wichtigen Bereiches un-
ternommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Wo lebt ihr denn? Auf der Alm?)


Zweitens wäre es wirklich wichtig, mit dem Volk und
dem Parlament über die Frage zu reden: Wollen wir
mehr Subsidiarität und Föderalismus im Aufbau dieses
Europa oder wollen wir mehr Zentralisierung und den
europäischen Superstaat mit einer allgegenwärtigen Zu-
ständigkeit? Wir wollen keine Zentralisierung, aber die-
ser europäische Verfassungsvertrag bietet leider kein
Modell einer klaren Kompetenzabgrenzung, damit die
Bürgerinnen und Bürger in Zukunft wissen, was Brüssel
entscheidet und wen sie dort wählen bzw. wegen be-
stimmter Entscheidungen abwählen können, was wir
hier in Berlin und was die Landesregierungen beispiels-
weise in Düsseldorf oder München entscheiden. Dies
war das Ziel von Laeken. Dieses Ziel wurde leider nicht
erreicht.

Der europäische Verfassungsvertrag schafft leider
eine sehr komplizierte Ordnung von ausschließlichen,
geteilten und koordinierenden Zuständigkeiten. In die-
sem Hohen Hause blickt kaum noch einer durch, in der
Regierung sowieso nicht.


(Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie schon gar nicht! – Günter Gloser [SPD]: Er schwadroniert wieder!)


Wie soll das Volk dann noch wissen, wer in dieser
Rechtsordnung wo was entscheidet?


(Beifall bei der CDU/CSU – Günter Gloser [SPD]: Natürlich die CDU/CSU!)


Damit bin ich bei der Frage der Legitimation, Herr
Roth, der Urfrage der Demokratie. Wir werden für einen
konkreten Zeitraum von vier Jahren, beim Europäischen
Parlament von fünf Jahren gewählt. Danach kann das
Volk sagen: Nein, das war es nicht. Der wird nicht wie-
der gewählt. – Das Volk muss aber nachvollziehen kön-
nen, welche Entscheidungen getroffen werden. Deshalb
erhebe ich den Vorwurf von Geheimverhandlungen.
Europapolitik muss parlamentarisiert werden, sie muss
nachvollziehbar sein. Es kann nicht sein, dass sich heute
die Europäische Union in die Planungen zum Frankfur-
ter Flughafen einschaltet. Niemand weiß, wer wo und
warum. Es kann nicht sein – um einen weiteren aktuellen
Punkt aufzugreifen –, dass wir heute über Brüssel die le-
benslängliche Freiheitsstrafe abschaffen. Wer gibt denn
wem in Brüssel dafür die Legitimation, einem Kommis-
sar, einem Beamten? Nein, diese Fragen können und
dürfen nur von den nationalen Parlamenten entschieden
werden.

Deshalb bringt die CDU/CSU-Fraktion zunächst
einen Vorschlag zur Stärkung der nationalen Parlamente
ein. Wir dürfen uns von der europäischen Sekundär-

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(C (D echtsetzung nicht total verabschieden. Wir müssen iese Fragen, die jetzt Teil der europäischen Rechtsetung sind, wieder zu unserer Sache machen. Es gilt der egitimationsstrang, wie er im Bundesverfassungsgeichtsurteil zum Maastricht-Vertrag definiert wird. Daach, lieber Kollege Röttgen, steht in der europäischen echtsetzung zuvorderst die Legitimation über die natioalen Parlamente und ergänzend über das Europäische arlament. Diese Rangfolge sehe ich nicht mehr. Der eutsche Bundestag ist bei der Sekundärgesetzgebung eitgehend auf das Abnicken und die Kenntnisnahme on Papieren reduziert. Das merken unsere Bürgerinnen und Bürger natür ich. Wir müssen Dinge verantworten, für die wir keine erantwortung übernehmen können. Die Verlagerung er Verantwortung für die Politikgestaltung beispielseise im Bereich der Daseinsvorsorge, des Zivilschutzes der der Kultur nach Brüssel kommt leider nicht beim uropäischen Parlament an. Wenn das denn so wäre, önnte man selbstverständlich darüber reden. Mit dieser Bundesregierung schaffen wir eine Exeku ivdemokratie: die Herrschaft der Beamten, alle Macht en Beamten, keine Macht den Parlamenten. Das wollen ir nicht als Zukunft der Europäischen Union. eshalb, Herr Außenminister, schlagen wir fünf konrete Punkte zur Stärkung der nationalen Parlamente n der europäischen Rechtsetzung vor: Erstens. Es muss auch beim Verfassungsvertrag klar ein, dass die nationalen Parlamente Herren der Verträge leiben. Zweitens. Wir sind der Meinung, dass die von den egierungen unterbreiteten Vorschläge zu einer Verragsänderung vor einem Zusammentritt der Regierungsonferenz den nationalen Parlamenten zur Diskussion nd Mitberatung vorgelegt werden müssen, damit wir icht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, in ie Situation kommen, am Ende der Debatte Ja oder ein zu einem mehr als 1 000 Seiten umfassenden Verassungsvertragswerk sagen zu müssen, ohne dass wir it diesem Herrn hier darüber diskutieren konnten. Wir üssen in den Prozess der Gestaltung eingebunden weren. Drittens. Art. 23 Abs. 3 des Grundgesetzes ist zu än ern bzw. in folgender Weise zu ergänzen: Die Bundesegierung soll die Stellungnahmen des Bundestages icht nur berücksichtigen, wie es jetzt heißt, sondern in inzelfällen – nicht in allen Bereichen, aber in den maßeblichen und zentralen Fragen der europäischen Sekunärrechtsetzung – durchaus an die Stellungnahmen des undestages gebunden werden können. Art. 23 Abs. 3 atz 3 des Grundgesetzes soll in seiner neuen Fassung ie folgt lauten: Stellungnahmen können bindende Wirung haben. Dr. Gerd Müller (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Zuruf von der SPD: Stichwort: Handlungsfähigkeit auf europäischer Ebene!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Richtig!)





(A) )


(B) )


In Satz 4 soll es heißen: Das Nähere regelt ein Bundes-
gesetz.

Meine Damen und Herren, dann könnten wir sagen,
an welchen Stellen wir uns einschalten wollen. Wenn
Herr Schily in Brüssel die Asylrichtlinie verabschiedet,
muss er auch hier im Deutschen Bundestag Rechen-
schaft ablegen, uns die entsprechenden Dokumente zeit-
nah vorlegen und sich unser Votum abholen. Dann ist die
europäische Rechtsetzung über die Mitwirkung der na-
tionalen Parlamente legitimiert und wir sind nah am Bür-
ger. Nur das kann der Weg sein.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Trauerspiel!)


Des Weiteren brauchen wir ein nationales Klage-
recht, und zwar als Minderheitenrecht. Darüber sind wir
uns, glaube ich, ebenfalls im Klaren. Auch brauchen wir
– das möchte ich noch einmal verdeutlichen – eine Parla-
mentarisierung der Europapolitik; denn Europapolitik ist
längst nicht mehr Außenpolitik im Rahmen einer Ge-
heimdiplomatie.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511205000

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1511205100

– Ich komme zum Schluss. – Deshalb hatte Bundes-

kanzler Schröder natürlich Recht, als er vor der letzten
Bundestagswahl angekündigt hat, Herrn Außenminister
Fischer durch eine Kabinettsreform die Zuständigkeit für
die Europapolitik zu nehmen. Diesen Schritt würden wir
durchaus begrüßen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511205200

Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen,

Joschka Fischer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511205300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am

heutigen Morgen haben wir bereits zwei Debatten ge-
führt: diese Europadebatte und die vorherige Debatte
über den Nahen und Mittleren Osten. Das war unter dem
Gesichtspunkt der Glaubwürdigkeit der Oppositionspoli-
tik sehr interessant. Im Hinblick auf den Irak wurde der
Vorwurf erhoben, Kollege Volmer würde Wahlkampf
machen. Man müsse sich moderat verhalten und selbst-
verständlich dürften wir nicht daran erinnern, dass Frau
Merkel der Meinung war, wir sollten Soldaten in den
Irak schicken.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Lüge! Verlogener Typ!)


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(C (D as dürfe man nicht sagen; denn das sei üble Wahlampfpolemik. (Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Eine billige Lüge war das! Eine ganz billige Lüge!)


Als dieser Tagesordnungspunkt endete, trat dann Herr
intze auf, der den Menschen in gnadenloser Sachlich-
eit verkündete, worum es geht: dass wir bei den anste-
enden Europawahlen darüber entscheiden, ob wir von
en Türken überflutet werden. Da wurde auch verkün-
et, wir würden Geheimgespräche führen.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Ja, das ist doch so! Natürlich!)


s wurde so getan, als hätte die jetzige Bundesregierung
ine andere Grundlage für ihr Handeln, als es sie in den
eiten von Theo Waigel und Klaus Kinkel gegeben hat.
iese Grundlage hat sich allerdings nicht geändert. Das
inzige, was sich geändert hat, ist, dass Sie heute in der
pposition sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie, Herr Altmaier und Herr Hintze, klatschen sogar

och, wenn hinsichtlich Art. 23 des Grundgesetzes
orstellungen geäußert werden, die, wenn wir sie umset-
en würden – das wissen Sie ganz genau –, die Verab-
chiedung von der bisherigen Integrationsorientierung
icht nur der Regierung Kohl, sondern der gesamten
uropapolitischen Tradition bedeuten würden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


ehmen Sie diesen Herrn von der CSU eigentlich ernst?
ch nehme zwar an, dass Sie das nicht tun. Aber wenn
ie ihn ernst nehmen, müssen Sie wissen, dass er euro-
apolitische Positionen vertritt, mit denen er näher bei
en britischen Konservativen um Maggie Thatcher als
ei Helmut Kohl, Konrad Adenauer oder wem auch im-
er ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


eswegen sage ich Ihnen: Das, was Sie hier vorgetragen
aben, können Sie vergessen. Die direkte Konsequenz
avon wäre, dass es nur noch Geheimverhandlungen
äbe.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Eine Stärkung des Deutschen Bundestages! Das ist mein Vorschlag wegen Ihrer Arroganz!)


Ich weiß nicht, an wie vielen Ausschusssitzungen und
iskussionen wir teilgenommen haben. Kollege
ltmaier war sogar Mitglied des Konventes. Bei den jet-
igen Verhandlungen ist als Repräsentant des Bundes-
ates übrigens immer der zuständige Staatssekretär aus
aden-Württemberg anwesend. Offensichtlich ist die
ertrauensvolle Beziehung zwischen Bayern und Baden-
ürttemberg mittlerweile so zerrüttet, dass er Sie nicht
ehr informiert.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Ach Gott! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Geht es noch billiger?)







(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

Mein Eindruck ist, dass zumindest die Bayerische
Staatsregierung hervorragend informiert ist.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Auf diesem Niveau antworten Sie auf einen sachlichen Beitrag!)


Nein, meine Damen und Herren, das zeigt, worum es
wirklich geht: Es geht Ihnen ausschließlich um Stim-
mungsmache, und zwar um Stimmungsmache – das
hätte ich Ihnen von der Union, ehrlich gesagt, nicht zu-
getraut – gegen die Verfassung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Gerd Müller [CDU/ CSU]: Art. 23 ist Stimmungsmache? Da lache ich ja!)


Da ist aber meines Erachtens Schluss mit lustig und auch
Ende mit Wahlkampf: Das hat nichts mehr mit der Frage
zu tun, ob man für oder gegen einen Volksentscheid ist.
Die Position, die hier gerade vorgetragen wurde, bedeu-
tet doch im Klartext: Wir sagen, dass die Verfassung in
Richtung eines europäischen Superstaates geht, einer
Beamtenherrschaft.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Solche Leute wie Sie!)


– Na gut, wenn das Ihre Position ist, dann kann ich Ihnen
nur sagen: Diese Auseinandersetzung nehmen wir gerne
auf.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was stellen wir denn fest? Sie kommen an und sagen:
Die EU-Kommission mischt sich in die Planungen zum
Frankfurter Flughafen ein. Es war doch nicht die
Kommission, die plötzlich den Bannwald am Frankfur-
ter Flughafen als FFH-Gebiet ausgewiesen hat, sondern
ein Regierungspräsident in Darmstadt, der weder den
Sozialdemokraten noch den Grünen angehört. Wer hat
denn da die Rechtslage verändert? Es war die hessische
Landesregierung, die zuständige regionale Behörde in
Person des Darmstädter Regierungspräsidenten. Das ist
bei Ihnen nicht angekommen.

Der zweite Punkt in dem Zusammenhang, „Herr-
schaft der Beamten“: Die Rechte des Europäischen Par-
laments werden, wenn diese Verfassung Wirklichkeit
wird, in einem Maße ausgeweitet, wie es bisher noch nie
der Fall war.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Alles, was unter das Mitentscheidungsverfahren fällt,
betrifft den Rat und das Parlament; das heißt, die Aus-
dehnung der Rechte des Parlaments ist massiv. Sie hier
im Deutschen Bundestag haben in Zukunft die Subsidia-
ritätskontrolle,


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das ist nicht nachvollziehbar!)


und zwar nicht nur abwartend, sondern aktiv – sie liegt
bei den Parlamenten der Mitgliedstaaten –, sodass wir

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(C (D ier einen ganz entscheidenden Schritt nach vorn getan aben; das ist eine neue Qualität des Parlaments. (Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Null Komma null!)


Nix Null Komma null. Dann frage ich Sie, warum Mi-
isterpräsident Teufel, Kollege Altmaier und Kollege
intze dies in der Vergangenheit gepriesen haben. Of-
ensichtlich befinden Sie sich im Zustand wahlkampf-
rientierter Schizophrenie zwischen CDU und CSU. Sie
üssten sich da schon einmal einigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ein weiterer Punkt in dem Zusammenhang: Wenn Sie
ier allen Ernstes sagen, dass die europäische Sicher-
eits- und Außenpolitik und der kommende Außenmi-
ister mit dem „Doppelhut“ kein Schritt nach vorne wä-
en, dann ist das so etwas von daneben! Jeder weiß doch:
ie FDP, die CDU, die Grünen und die Sozialdemokra-
en, wir alle haben hier dafür gestritten,


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Sie bereiten sich schon auf den Doppelsitz vor!)


ass wir diesen Fortschritt endlich bekommen. Aber was
st mit der CDU? Der Stadtverband München ist ja nun
on europäischer Leuchtkraft sondergleichen, wenn man
ie Dinge so liest, die da bei euch, zwischen
inghammer und Müller, so vor sich gehen.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ch kann Ihnen nur sagen: Vergessen Sie all das, das ist
ahlkampf, unterstes Niveau.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt, aber bei Ihnen!)


Wenn das Thema der Verfassung so angegangen wird,
ehört das zur Sache, meine Herren und Damen.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Sie trauen weder dem Volk noch dem Parlament! – Dirk Niebel [FDP]: Volksentscheid!)


Das können wir so nicht stehen lassen. Mir geht es da-
um, aufzuzeigen, wo wir jetzt bei der Verfassung ste-
en. Meine Haltung zum Volksentscheid kennen Sie.


(Dirk Niebel [FDP]: Dann sagen Sie es doch einmal!)


Meine Haltung ist die: Wir sollten am Ratifizierungs-
erfahren, so wie wir es haben, festhalten.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Sie trauen dem Volk nicht!)


ch teile diese Meinung mit Hans-Dietrich Genscher; Sie
erden es nicht glauben. Meine Fraktion ist, was die
rundsätze anbetrifft, anderer Auffassung; ich bin in ei-
er Minderheitenposition.


(Dirk Niebel [FDP]: Wir schützen Sie! – Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Joschka Fischer ist Basisdemokrat!)







(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

– Was ist für Liberale eigentlich so tragisch daran, sich
in einer Minderheitenposition wiederzufinden? Sehen
Sie, ich fühle mich unter diesem Gesichtspunkt wohlbe-
hütet von Ihnen.

Ich würde das Haus jetzt gerne über den letzten Stand
der Verhandlungen unterrichten, damit dem Vorwurf der
Geheimverhandlungen selbst Schwerhörigen gegenüber
direkt entgegnet werden kann. Wir hatten am letzten
Montag die wichtigsten Punkte nochmals aufgerufen.
Ich stimme all denen zu, die die irische Präsidentschaft
gelobt haben, aber ich möchte nicht versäumen zu sagen:
Das alles gründet auf den Vorarbeiten der italienischen
Präsidentschaft; auch das will ich hier nochmals aus-
drücklich erwähnen. Die irische Präsidentschaft wird
meines Erachtens einen abschließenden Gesamtentwurf
vorlegen, in dem die offenen Fragen behandelt werden.

Erstens. Die schwierigste Frage und zugleich die
wichtigste Frage der demokratischen Machtverteilung ist
das Abstimmungsverfahren. Bei diesem Abstim-
mungsverfahren zeichnet sich jetzt ab, dass alle die dop-
pelte Mehrheit akzeptiert haben, dass sich der Verhand-
lungsspielraum zwischen dem, was vor allen Dingen
viele kleinere Mitgliedstaaten wollen – pari/pari, 50/50;
Österreich ist hier an erster Stelle zu benennen –, und
55/65, dem Ratsvorschlag, bewegt. Ich denke, es ist von
entscheidender Bedeutung, dass wir diesen Schritt jetzt
gemacht haben, dass die doppelte Mehrheit dem Grunde
nach akzeptiert ist. Ich glaube auch, wir werden hier
letztendlich einen Kompromiss finden können; das ist
zumindest mein Eindruck aus der Runde der Außenmi-
nister. Auch die Gespräche, die der Bundeskanzler in
Warschau geführt hat, zeigen, dass sich eine Einigung
abzeichnet und, anders als im Dezember, erreichbar ist.

Es gibt Überlegungen, den Ratsvorschlag zur Grund-
lage zu nehmen. Das hieße, dass man bei der doppelten
Mehrheit, der Staatenmehrheit und der Bevölkerungs-
mehrheit, ein Bevölkerungsminimum ansetzt.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Die Zuhörer gehen, weil sie das nicht mehr verstehen! So ist das!)


– Derjenige, der das gerade gesagt hat, ist derjenige, der
sich andauernd darüber beschwert, es gebe Geheimver-
handlungen. Entscheidend ist doch, dass ich jetzt die Ge-
legenheit nutze, das Haus zu unterrichten. Bisher hatte
ich noch nicht die Möglichkeit, das im Ausschuss zu tun.
Ich nehme doch an, dass es Sie interessiert, wo wir vor
den entscheidenden Verhandlungen stehen.

Bei der Bevölkerungsmehrheit, bei der Staatenmehr-
heit ebenso, soll eine entsprechende Klausel vorgesehen
werden, um dem Direktoriumsvorwurf zu begegnen wie
auch dem Vorwurf, es könne eine Mehrheit der kleinen
Staaten geben ohne ein entsprechendes Minimum an Be-
völkerung. Sonst würde der Gedanke der doppelten
Mehrheit sinnverkehrt in der Realität umgesetzt. Ich
denke, in diese Richtung wird es gehen. Das wäre mei-
nes Erachtens ein echter Schritt nach vorne und würde
einen erfolgreichen Abschluss ermöglichen.

Der zweite Punkt betrifft das Letztentscheidungsrecht
des Parlaments im Haushaltsverfahren. Hierzu hat die

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(C (D rische Präsidentschaft einen Vorschlag vorgelegt, der arauf hinausläuft, dass sich beide Seiten einigen müsen. Das Parlament hat in der Sitzung positiv reagiert. iele der Mitgliedstaaten, die vorher energisch gegen as Letztentscheidungsrecht des Parlaments waren, haen ebenfalls positiv reagiert. Ich kann also die Prognose agen, dass die Formulierung, die die Präsidentschaft orgeschlagen hat, Zustimmung finden wird und so ein onflikt, eine institutionelle Konfrontation zwischen arlament und Rat verhindert werden kann. Der dritte Punkt betrifft die Parlamentssitze. Die leinsten Mitgliedstaaten haben nochmals darum gebeen, das Mindestquorum um einen Sitz anzuheben. Die undesregierung hat sich dahin gehend geäußert, sie abe nichts dagegen, allerdings könne eine Anhebung icht zulasten unseres Anteils gehen. Eine Anhebung ürde also eine maßvolle Erhöhung der Gesamtzahl der itze bedeuten, wobei Spanien und Polen ebenfalls Disussionsbedarf angemeldet haben. Ich glaube, wir weren aber auch diese noch offene Frage abhaken können. Es ist also nur noch die Frage des christlich-religiösen rbes offen. Wir haben dafür gestritten und haben uns afür eingesetzt, eine Formulierung zu finden, die in ichtung der Formulierung geht, die in unserem Grundesetz steht. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, ass nicht nur die Staaten, die eine geringere Bindung an ie christlich-religiöse Tradition haben, dagegen sind, ondern auch die Staaten, die ein anderes Verständnis er Trennung von Staat und Religion haben. Ich gehe daon aus, dass man sich auf die Formulierung, die der onvent gefunden hat – es war schon schwierig genug, ich darauf zu verständigen –, einigen wird. – Das waren ie letzten entscheidenden Punkte, die uns beschäftigt aben. Abschließend eine Bemerkung zu den Vorschlägen insichtlich der Ausdehnung der qualifizierten Mehreit. Für uns ist wichtig, nun den erreichten Verhandungsstand zu den Bereichen Innen und Recht entsprehend zu verteidigen. Die Präsidentschaft wird einen Gesamtvorschlag vor egen, der alle bis dahin offenen Fragen berücksichtigt. s besteht also die echte Chance, dass wir einen erfolgeichen Abschluss erzielen können. Ich denke, das veranken wir dem guten Willen aller Beteiligten. Wir wisen, was für Europa davon abhängt. Um die EU der 25 andlungsfähig, demokratisch, effizient und transparent u machen, brauchen wir unbedingt diesen Verfassungsertrag. Um den Risiken, über die wir heute Morgen diskutiert aben, und den Gefahren, mit denen wir es zu tun haben, egegnen zu können, setzt das eine handlungsfähige Euopäische Union voraus. Ich denke, mit diesem Verfasungsvertrag, wenn er so abgeschlossen wird, haben wir atsächlich den qualitativen Schritt der Vertiefung ereicht, den wir am 1. Mai mit der Erweiterung gemacht aben. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)







(A) )



(B) )



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511205400

Das Wort hat der Kollege Guido Westerwelle, FDP-

Fraktion.


Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1511205500

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Im Laufe der Debatte ist mehrfach der Eindruck
erweckt worden, als wäre das, was wir in unserem An-
trag fordern, nämlich über die gemeinsame europäische
Verfassung auch in Deutschland eine Volksabstimmung
zuzulassen, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Es
wurde so getan, als sei unser Antrag gegen das Grundge-
setz bzw. gegen dessen Geist gerichtet.

Ein Blick ins Gesetz erleichtert bekanntlich die
Rechtsfindung. Deswegen möchte ich Ihnen Art. 20
Abs. 2 des Grundgesetzes noch einmal vor Augen füh-
ren. Dort heißt es:

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird
vom Volke in Wahlen und Abstimmungen … aus-
geübt.

Wir kennen im Grundgesetz übrigens auch ganz kon-
krete Fälle für eine Volksabstimmung. Wenn sich zum
Beispiel zwei Länder neu gliedern wollen – das haben
wir mit Berlin und Brandenburg erlebt –,


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: An dem Proseminar haben wir schon teilgenommen!)


dann muss natürlich eine Volksabstimmung durchge-
führt werden. Zwei Länder, die sich zusammenschließen
wollen, müssen also das Volk befragen. Die Eingliede-
rung Deutschlands in eine europäische Staatlichkeit ist
im Vergleich dazu mit Sicherheit weit wichtiger. Des-
halb sollte dazu erst recht das Volk befragt werden.


(Beifall bei der FDP)

Herr Minister Fischer, ich kann verstehen, dass die

Kolleginnen und Kollegen der Unionsparteien, die bei
solchen Mitteln der direkten Demokratie seit vielen Jah-
ren eher skeptisch sind, auch hier ihre Skepsis zum Aus-
druck bringen. Abenteuerlich wird es nur dann, wenn
sich die Grünen und die Sozialdemokraten, die bei jeder
Klein-Klein-Frage immer wieder für die Volksabstim-
mung geworben haben,


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Ihrer Partei aber vergeblich!)


bei der europäischen Verfassung auf Ihren Standpunkt,
Herr Fischer, disziplinieren lassen.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Weil sie Angst haben!)


Die Grünen sind sonst für Volksabstimmungen über je-
den Krötentunnel, bei der europäischen Verfassung sind
sie aber nicht dazu bereit, weil sie Angst vorm Volk ha-
ben. Das ist der falsche Ratgeber.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum hat Ihre Partei dagegen gestimmt?)


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(C (D Herr Außenminister, es ist bemerkenswert, wie Sie as hier vorgetragen haben. Sie sagten, Sie befänden ich in einer Minderheitenposition. Das ist überhaupt ichts Ehrenrühriges. Das kommt in der Politik immer ieder vor. Jeder, der in der Politik arbeitet, war regeläßig auch schon in Minderheitenpositionen, ganz leich, an welcher Position er arbeitet. Das ist das Noralste der Welt. Herr Minister Fischer, das Problem ist icht, dass Sie beim Thema Volksabstimmung sagen, Sie eien in einer Minderheitenposition gegenüber Ihrer raktion. Das Problem ist, dass Sie die Parole ausgegeen haben, dass sie Ihnen statt ihrem Gewissen folgen üssen. Das ist meines Erachtens eine klare Fehlentcheidung in diesem Hause. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Gerd Müller [CDU/ CSU]: Die so genannte Sonnenkönigtheorie!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511205600

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Winkler?


Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1511205700

Ja, bitte sehr.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Herr Westerwelle, ganz unabhängig davon, dass ich

icht ganz verstehe, was Sie gegen Krötentunnel haben,
öchte ich Sie etwas fragen.
Man könnte sich vorstellen, dass es im Wahlkampf

uch um populistische Forderungen geht. Das will ich
hnen gar nicht unterstellen. Wieso entwickelt die FDP
ur dann, wenn es um die EU-Verfassung geht, plötzlich
in Liebesgefühl für plebiszitäre Elemente in der Verfas-
ung? Wir haben in unserem Antrag gesagt, dass das
olk selbst entscheiden soll, über welche Themen im
reistufigen Verfahren abgestimmt wird. Es soll also von
nten herauf und nicht vom Bundestag herunter be-
timmt werden, über welches spezielle Thema abge-
timmt wird. Warum haben die wenigen Abgeordneten
er FDP-Fraktion, die an der damaligen Abstimmung
eilgenommen haben, mehrheitlich dagegen gestimmt?


Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1511205800

Zunächst einmal ist es gut, dass Sie mir die Gelegen-

eit geben, das klarzustellen. Wie jede andere Partei
uch haben wir in den letzten Jahren mehrfach über
iese Frage gesprochen. Natürlich haben auch wir den
indruck gewonnen, dass die Distanz zwischen der Poli-
ik und dem Volk zugenommen hat. Durch mehr Mittel
er direkten Demokratie wollen wir diese Distanz zwi-
chen den politischen Entscheidern und dem Volk wie-
er verringern.
Es gibt einen massiven Unterschied zwischen uns,

en ich Ihnen auch nennen werde; das braucht man gar
icht zu verkleistern: Wir Liberale wollen, dass die re-
räsentative Demokratie durch direkte Mitwirkungs-
öglichkeiten ergänzt und nicht ersetzt wird.






(A) )



(B) )


Dr. Guido Westerwelle


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Wer will denn etwas ersetzen?)

Wir wollen nicht, dass für jede Klein-Klein-Entschei-
dung eine Volksabstimmung durchgeführt wird, sondern
wir wollen sie bei historischen Schlüsselentscheidungen.
Die EU-Verfassung ist eine solche historische Schlüssel-
entscheidung.


(Beifall bei der FDP)

Der Vorwurf des Populismus ist von Ihnen immer

wieder erhoben worden. Der Außenminister spricht von
Wahlkampf und Sie sagen, Sie wollten uns keinen Popu-
lismus vorwerfen, tun es damit aber. Das ist das übliche
Spiel. Das kennen wir; das ist ein bisschen einfach. Des-
wegen möchte ich Ihnen nur einmal sagen, wie die Lage
in Europa aussieht: Dänemark, Irland, Luxemburg, die
Niederlande, Polen, Lettland, Frankreich, Österreich,
Portugal, Spanien, Ungarn, Tschechien, Slowenien und
Slowakei – all diese Länder haben schon beschlossen,
dass es dort ein Referendum geben wird, sind dabei, zu
beschließen, dass es dort ein Referendum geben wird,
oder haben schon die Möglichkeiten dafür geschaffen,
dass es dort ein Referendum geben wird. Wollen wir da-
bei zusehen, wenn unsere Regierung erklärt, unser Volk
sei dafür nicht reif genug? Unser deutsches Volk ist
demokratisch genauso reif wie all die Staaten in Europa,
in denen die Bürger darüber abstimmen dürfen.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Gerd Müller [CDU/CSU])


Wir wollen, dass abgestimmt wird. Wir sind der Über-
zeugung, dass dies ein wesentliches Element ist, um das
Thema Europa endlich wieder in die Herzen der Bevöl-
kerung hineinzubringen. Das ist unser eigentliches An-
liegen. Wir sollten uns Gedanken darüber machen, dass
bei der letzten Wahl zum Europäischen Parlament in
Brandenburg nur 30 Prozent zur Wahl gegangen sind.
Das liegt vielleicht auch daran, dass wir selber eine Ent-
wicklung bekämpfen müssen, die da heißt: Europa ist
ein Europa der Staatsgipfel. Es muss aber ein Europa der
Bürgerinnen und Bürger sein. Diese Verfassung sollte
vom Volk getragen werden.

Es war ein Fehler, dass nach der deutschen Einheit
über unser gemeinsames Grundgesetz nicht vom Volk
abgestimmt wurde. Eine riesige Mehrheit wäre diesen
Weg mitgegangen. Dieser Fehler sollte sich in Europa
nicht wiederholen.


(Beifall bei der FDP – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das war damals doch Ihre Entscheidung! – Dr. Angelica Schwall-Düren [SPD]: Damals stellten doch Sie die Regierung!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511205900

Das Wort hat der Kollege Axel Schäfer, SPD-Frak-

tion.


Axel Schäfer (SPD):
Rede ID: ID1511206000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der CDU/CSU-Antrag spiegelt heute weniger die Dis-

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(C (D ussion über europäische Zustände als vielmehr die ichtdiskussion über den europapolitischen Zustand der hristdemokraten wider. Bei Ihnen ist heute von fortchreitender Integration nicht mehr die Rede, sondern her von anhaltender Stagnation. Sie haben keinen Mut ehr für die Zukunft. Bei Ihnen herrscht nur noch Kleinut vor. Der Beitrag des Kollegen Müller – das ist wirkich zu bedauern – ist der Einstieg in den Ausstieg unseer gemeinsamen Überzeugung des europäischen erfassungsprojekts. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist schon bedauerlich, dass Sie sich auf den glei-
hen Weg wie Ihre CSU-Kolleginnen und Kollegen im
uropäischen Parlament begeben, die vor einem Jahr ge-
en den Beitritt Tschechiens gestimmt haben. Ansonsten
ibt es bei Ihnen nur reine Taktik statt europäischer In-
alte. Im Straßburger Parlament wurden von der Frak-
ion der europäischen Christdemokraten zuerst die engli-
chen Konservativen aufgenommen – sie sind
ekanntlich nicht europäisch –, dann die italienische
orza Berlusconis, die bekanntlich keine Christdemo-
raten sind. Ergebnis: eine große Zahl von Abgeordne-
en und eine kleine Zahl von Gemeinschaft.
Im aktuellen Europawahlkampf fällt Ihnen deshalb

ichts anderes ein, als Bilder von Angela Merkel zu pla-
atieren. Sie hatte bekanntlich im Jahre 2003 ihre Unter-
tützung für den Spalterbrief der acht EU-Staaten bekun-
et. Sie erinnern sich: Das waren die Kriegswilligen im
rak. Heute wollen Sie das nicht mehr wahrhaben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ürden Sie sich heute weniger von Wahlkampftaktik
iten lassen und stattdessen offen argumentieren, so
üssten Sie zugeben, dass Sozialdemokratinnen und So-
ialdemokraten ebenso wie Grüne heute meist das fort-
ühren und erfolgreich weiterbringen, was Sie früher
elbst gefordert haben.
Ich sage Ihnen: Wenn es heute um Wegmarkierungen

nd um einen Meilenstein im europäischen Verfassungs-
rozess geht, so sind wir als SPD stolz, dazu Wegwei-
endes beigetragen zu haben. Schon 1866 im Kaiserreich
orderte der ADAV im ersten Wahlprogramm die deut-
che Einheit als einen Anfang des solidarischen europäi-
chen Staates. 1925 sprach sich die SPD in Weimar für
ie Bildung der vereinigten Staaten von Europa aus, um
ur Interessensolidarität aller Völker zu gelangen. Vor
0 Jahren trug eine linke Widerstandsgruppe gegen die
azidiktatur den Namen „Europäische Union“. Ihr ge-
örte unter anderem der unvergessene Professor Robert
avemann an.
1984 formulierte der italienische Sozialist Altiero

pinelli im Europäischen Parlament den ersten Verfas-
ungsentwurf, ein Modell, das alle weiteren konstitutio-
ellen Überlegungen inspirierte und auch von den Frak-
onen dieses Hauses getragen worden ist. Schließlich
urde 1999 auf Initiative von Gerhard Schröder und der
ot-grünen Bundesregierung mit dem Konvent zur






(A) )



(B) )


Axel Schäfer (Bochum)


Europäischen Grundrechte-Charta der Nukleus für die
europäische Verfassung geschaffen.

Wir wollen ein europäisches Deutschland. Deshalb
muss die deutsche Europafähigkeit gestärkt werden. Es
ist notwendig, dass wir uns als Bundestag darüber Klar-
heit verschaffen, welche Konsequenzen sich aus der eu-
ropäischen Verfassung künftig für unsere Tätigkeiten er-
geben. Erstmals werden die nationalen Parlamente mit
25 Staaten die Möglichkeit haben, die Einhaltung des
Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips bei eu-
ropäischer Rechtsetzung direkt zu kontrollieren.


(Beifall bei der SPD)

Das Protokoll zum Verfassungsentwurf beinhaltet eine
direkte Beteiligung der nationalen Parlamente. Da-
durch ergeben sich Chancen einer frühzeitigen, kon-
struktiven Mitwirkung des Deutschen Bundestages in
EU-Angelegenheiten.

Der so genannte Frühwarnmechanismus wird ein Ge-
staltungsinstrument sein, also ein Instrument zur Ausfor-
mulierung europäischer Politik und nicht zur Verhinde-
rung. Das sage ich ausdrücklich in Richtung Bundesrat,
dessen Bedeutung und Verantwortung in der EU gestärkt
werden. Künftig gilt: Das Europäische Parlament, der
Ministerrat und die Kommission berücksichtigen die be-
gründeten Stellungnahmen der nationalen Parlamente
der Mitgliedstaaten oder einer der Kammern der nationa-
len Parlamente.

Die Umsetzung der Bestimmungen der künftigen EU-
Verfassung geht mit einer Verbesserung der Europafä-
higkeit unseres Parlaments einher. Die SPD hat dazu
konkrete Vorschläge erörtert und Ihnen vorgelegt, auf
die Sie gerne eingehen können.

Erstens. Das Informationsmanagement unseres Parla-
ments muss sich auf die Zuleitung von EU-Dokumenten
direkt durch die europäischen Organe einstellen.

Zweitens. Angesichts der knapp bemessenen Fristen
müssen relevante EU-Dokumente künftig direkt vom
Bundestagspräsidenten über den Vorsitzenden des EU-
Ausschusses an die Ausschüsse überwiesen werden.

Drittens. Eine Vorfeldbeobachtung von europäischen
Rechtsetzungsvorhaben sowie deren intensive inhaltli-
che Beratung sind für uns unabdingbar.

Viertens. Im Hinblick auf die knappe Fristsetzung
sind auf Grundlage von Art. 45 des Grundgesetzes Rege-
lungen zur Abgabe von plenarersetzenden Beschlüssen
über die Subsidiaritätsrüge durch den EU-Ausschuss
vorzusehen.

Fünftens. Der Bundestag selbst muss eine neue Ba-
lance zwischen dem Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union und den Fachausschüssen bei
der Subsidiaritätskontrolle schaffen.

Sechstens. Der Europaausschuss braucht spezielle
Berichterstatter und in den Fachausschüssen brauchen
wir EU-Berichterstatter, die gemeinsam europäische
Rechtsetzungsvorhaben prüfen.

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(C (D Siebtens. Für die Beratung von Angelegenheiten, die icht Gegenstand des Frühwarnmechanismus sind, sollte er heute bestehende Verfahrensgang – abgesehen vom inheitlichen beschleunigten Überweisungsverfahren – ortbestehen. Achtens. Die COSAC und die Konferenz der Parlaentspräsidenten sind als wichtigste Elemente in den rozess und die Bewertung der Subsidiaritätskontrolle inzubeziehen. Besondere deutsche Interessen haben die europäische ntwicklung, auch in der Verfassungstradition, befruchet. Ich erinnere an den Maastrichter Vertrag, in den auf nsere Initiative hin der Ausschuss der Regionen aufgeommen wurde. Er erhält jetzt das Klagerecht. Ich erinere auch an die regionale und kommunale Selbstveraltung. Die künftige EU-Verfassung achtet nicht nur ie föderale Struktur unseres Grundgesetzes, sondern sie ewährt auch der Selbstverwaltung einen Schutz. Das ist emerkenswert, wo wir doch wissen, dass viele Länder her zentralistisch ausgerichtet sind. Wir müssen uns einige selbstkritische Fragen stellen. ind wir in Europa heute tatsächlich schon auf der Höhe er Zeit? Werden wir durch unsere parteiliche, politiche, auch parlamentarische Wirklichkeit schon dem nspruch gerecht, den wir selbst in der Verfassung foruliert haben? Ganz konkret frage ich uns alle im Parlaent: Gibt es tatsächlich schon echte europäische Pareien, die länderübergreifend agieren? Warum haben wir och keinen europäischen Spitzenkandidaten für die ahl zum Europäischen Parlament? (Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Einen Mann wie Herrn Köhler!)


st es künftig noch akzeptabel, den Bürgerinnen und
ürgern vor der Wahl nicht zu sagen, wen Sozialdemo-
raten, Christdemokraten und Liberale als Kandidaten
ür die Präsidentschaft der Europäischen Kommission
enennen? Wir müssen alle besser und für Europa fit
erden.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären der Spitzenkandidat!)


ine letzte Bemerkung zum Antrag der Kolleginnen und
ollegen zur Europäischen Verfassung. Rüdiger Veit hat
nsere grundsätzliche Position dargelegt. Ich sage zu-
leich, dass wir über dieses Thema weiter diskutieren
üssen. Dafür gibt es zwei ganz wichtige Gründe. Zum
inen – das ist schon gesagt worden – gibt es tatsächlich
n der Mehrheit der EU-Staaten die Diskussion über Ple-
iszite. Noch gestern hat ein Abgeordneter der französi-
chen Nationalversammlung, ein Christdemokrat, uns
eutsche danach gefragt, wie es bei uns weitergehen
ird.
Es gibt zum anderen tatsächlich den Art. 146 des
rundgesetzes, den Schlussartikel, der besagt, dass das
rundgesetz seine Gültigkeit dann verliert, wenn eine
erfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in
reier Entscheidung beschlossen worden ist. Wir haben
ekanntlich aus respektablen Gründen bisher nicht da-
on Gebrauch gemacht.






(A) )



(B) )


Axel Schäfer (Bochum)


Ich betone aber an dieser Stelle: Weimar ist kein Ar-

gument gegen Plebiszite, auch wenn das immer wieder
behauptet wird.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511206100

Herr Kollege, Ihre Redezeit!

Axel Schäfer (SPD):
Rede ID: ID1511206200

Ich komme zum Schluss.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Europa könnte aber ein gutes Argument für mehr di-

rekte Demokratie sein. Dies ist in der Europäischen
Union nur dann zu realisieren, wenn alle Staaten am sel-
ben Tag über die gemeinsame Verfassung abstimmen.
Dabei gilt: Die Mehrheit ist die Mehrheit der Bürgerin-
nen und Bürger und die Mehrheit der Staaten.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511206300

Herr Kollege, ich muss Sie an Ihre Redezeit erinnern.

Axel Schäfer (SPD):
Rede ID: ID1511206400

Das ist der europäische Weg, den wir weiterverfolgen

wollen; denn das wichtigste deutsche Interesse gilt der
europäischen Einigung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511206500

Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1511206600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir diskutieren heute erneut über die Europäische
Union. Das ist nahe liegend. Denn die EU wurde am
1. Mai erweitert; am 13. Juni wird das EU-Parlament ge-
wählt und die Verhandlungen über die künftige EU-Ver-
fassung laufen noch. Deshalb begrüßt die PDS im Bun-
destag diese Debatte.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Uns liegen außerdem zwei konkrete Anträge vor, und
zwar einer von der CDU/CSU und einer von der FDP.
Insofern können wir konkret zur Sache reden.

Der CDU/CSU-Antrag ist der längere, aber mitnich-
ten der bessere. Kurz gefasst wollen Sie die Europäische
Zentralbank stärken und vor der Politik schützen. Sie
wollen eine grundsätzliche Absage an eine EU-Mitglied-
schaft der Türkei. Sie wollen obendrein Gottes Segen in
der Präambel der Verfassung verankern.

Das alles lehnt die PDS im Bundestag ab. Wir wollen
einen Sozialpakt als Basis der künftigen EU. Wir schla-
gen niemandem die Tür zur EU zu. Wir wollen eine Ver-
fassung, die zusammenführt und nicht trennt.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


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(C (D Die PDS hat nun einmal ein anderes Europabild als ie CDU/CSU, nämlich kein militärisches, sondern ein riedliches, kein kapitales, sondern ein soziales und kein brigkeitsstaatliches, sondern ein bürgerrechtlich-demoratisches Bild. Deshalb sagen wir Nein zum Antrag der DU/CSU. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Der Antrag der FDP liegt uns näher. Er fordert eine
olksabstimmung über die künftige EU-Verfassung.
azu muss das Grundgesetz geändert werden. Die PDS
st seit Jahren dafür.
Wie wir alle wissen – das spielte auch heute in der
ebatte schon eine Rolle –, ist der neue FDP-Antrag le-
iglich die kleinere Variante eines größeren Antrags, der
olksentscheide und Abstimmungen auf Bundesebene
uch bei anderen Themen zulässt.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch tionslos)


Nun haben heute Morgen sicherlich Millionen Zu-
chauer den Abgeordneten Ferber von der CSU im Fern-
ehen gehört. Er meinte, der FDP-Antrag sei zu kurz ge-
prungen. Er, Ferber, wolle eine europaweite und nicht
ur eine deutsche Volksabstimmung. Das finde ich au-
erordentlich bemerkenswert. Frau Merkel und Herr
los mimen in Europa den großen Springinsfeld, wäh-
end ihnen zuhause die Füße einschlafen, wenn es um di-
ekte Demokratie geht.
So viel Doppelzüngigkeit wie die CDU/CSU prakti-

ieren derzeit nur noch die Grünen.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak tionslos])

ber auch deren Verwirrspiel ist beeindruckend. Dazu
raucht man nur die Reden vom grünen Vorsprecher
ischer und vom grünen Spitzenmann Cohn-Bendit zu
ergleichen. Der eine sagt hü, der andere hott. Aber am
nde kommt nichts dabei heraus, jedenfalls keine di-
ekte Demokratie.
Ich könnte in diesem Zusammenhang zelebrieren,
as Rot-Grün nach dem Motto „Rein in die Kartoffeln,
aus aus den Kartoffeln“ seit 1998 aufführt, wenn es um
ehr Demokratie geht. Das ist kabarettreif. Immer,
enn es um unverbindliche Versprechen geht, dann sind
PD und Grüne dafür. Immer, wenn es zum Schwur
ommt und um konkrete Beschlüsse geht, dann sind sie
agegen.
Nun stehen Sie erneut vor der Wahl: Entweder Sie
achen sich endlich ehrlich und stimmen mit der PDS
em FDP-Antrag zu oder Sie bleiben unglaubwürdig
nd lehnen auch diesen Antrag ab.
Nun noch einmal zu dem Pseudoargument, dass ent-
eder alle EU-Staaten abstimmen sollten oder keiner.
achdem selbst Großbritannien seine Blockade gegen
ine Volksabstimmung aufgegeben hat, gehört die Bun-
esrepublik zu den wenigen, die sich noch immer ver-
eigern. Das ist die Lage. Sie ist alles andere als ein
emokratisches Aushängeschild für die Bundesrepublik.






(A) )



(B) )


Petra Pau

Ich weiß, dass das Tradition hat. Schon 1990 haben die
CDU/CSU und die Mehrheit der SPD eine Volksabstim-
mung über die deutsche Verfassung abgelehnt, obwohl
sie im Grundgesetz angelegt ist. Aber ein Fehler wird
nicht besser, wenn man ihn ständig wiederholt.

Schließlich darf ich noch daran erinnern, dass eine
deutliche Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland für
eine Volksabstimmung ist. Die PDS hat das immer ge-
fördert und wir werden den FDP-Antrag noch ergänzen.
Wir schlagen Volksabstimmungen über die künftige EU-
Verfassung für den 8. Mai 2005 vor. Das wäre ein gutes
historisches Datum und das wäre einem friedlichen
Europa würdig.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511206700

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Peter

Altmaier, CDU/CSU-Fraktion.


Peter Altmaier (CDU):
Rede ID: ID1511206800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist

schon erstaunlich, mit welcher Nonchalance und ge-
pflegten Langeweile bisweilen über das Thema europäi-
sche Verfassung diskutiert wird. Das beginnt schon bei
der Debatte über ein Referendum. Hier verfahren man-
che nach dem Motto: Bei der EU-Verfassung kann man
es mit einem Referendum ruhig einmal probieren. Wenn
es sich bewährt, kann man auch über die innerstaatliche
Anwendung nachdenken. Die FDP schließt ein Referen-
dum über innerstaatliche Themen sogar ausdrücklich
aus. Ich sage Ihnen: Europa ist kein Spielfeld für Experi-
mente, für die uns die nationale Politik zu schade ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Verfassungsvertrag ist kein dritt- oder viertklassi-

ges Thema, sondern eines der zentralen Zukunftsthemen
der europäischen Politik. Er wird zwar die staatliche und
die verfassungsrechtliche Qualität Europas nicht verän-
dern. Aber für die Zukunftsfähigkeit Europas ist das In-
Kraft-Treten des Verfassungsvertrages unabdingbar.


(Beifall des Abg. Peter Hintze [CDU/CSU])

Ein gescheitertes Referendum in einem einzigen Mit-
gliedstaat – das wissen Sie genauso gut wie wir – verzö-
gert das In-Kraft-Treten der Verfassung um Monate,
Jahre oder vielleicht sogar für immer. Das ist doch der
entscheidende Punkt!

Die Bürger in Dänemark und Irland, wo das Referen-
dum verfassungsrechtlich vorgeschrieben ist, entschei-
den mit dem Referendum über den Verfassungsvertrag
nicht nur über ihr eigenes Schicksal, sondern auch über
die Zukunft von 450 Millionen Europäern. Es gibt für
den Fall, dass es schief geht, keinen Plan B in der Schub-
lade. Nicht einmal der Bundesaußenminister, der sich
sonst die Lösung aller Probleme dieser Welt zutraut, hat
ansatzweise eine Idee, wie Europa aus seiner Verfas-
sungskrise herausfinden soll, wenn keine Verfassung zu-
stande kommt. Mit dem Vertrag von Nizza können wir
die Zukunftsaufgaben jedenfalls nicht bewältigen.

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(C (D Es wird leichthin gesagt, die Politiker müssten eben hre Bevölkerungen überzeugen, wenn sie wirklich wollen, dass eine europäische Verfassung in Kraft tritt. Herr ollege Hoyer, Sie haben dabei aber außer Acht gelasen, dass wir seit einigen Jahren in diesem Land einen undeskanzler haben, der es noch nicht einmal schafft, eine eigene Partei von der Notwendigkeit und Richtigeit seiner nationalen Politik zu überzeugen. Wie soll ein olcher Bundeskanzler die Menschen in diesem Land daon überzeugen, dass eine europäische Verfassung notendig und wichtig ist? (Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: An diesem Satz haben Sie aber lange gearbeitet, nicht?)


Ich persönlich meine, dass wir über den französischen
orschlag nachdenken sollten, wonach die Verfassung in
llen Ländern, in denen das parlamentarisch möglich ist,
m gleichen Tag ratifiziert werden sollte. Ich glaube, das
äre ein wichtiges Signal, dass es hier um die gemein-
ame Verantwortung aller Europäer und nicht nur um na-
ionale politische Entscheidungen geht.
Ich bin kein Anhänger von Pessimismus und

chwarzmalerei, wenn es um die europäische Verfas-
ung geht. Ich gebe nur Folgendes zu bedenken: Frau
ollegin Schwall-Düren und der Kollege Röttgen, die
eute an dieser Debatte teilgenommen haben, sind he-
ausragende Mitglieder der Föderalismuskommission,
ie eine innerstaatliche Reform zustande bringen soll.
ch wünsche der Föderalismuskommission alles Gute.
ie kann mit Zweidrittelmehrheit entscheiden, was Ge-
etz bzw. Verfassung in Deutschland werden soll. Wenn
ch aber sehe, wie mühsam und schwierig die Beratun-
en der Föderalismuskommission im Detail trotz dieser
öglichkeit sind und wie viele hohe Erwartungen be-

eits nach unten korrigiert worden sind, dann meine ich,
ass sich der Verfassungsentwurf, den der europäische
onvent vorgelegt hat – wohl wissend, dass er von allen
taaten einstimmig gebilligt werden muss –, sehen las-
en kann. Es ist ein anständiger und guter Entwurf.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Weil das so ist, ist es unsäglich, wie dieser Entwurf
on kleinkarierten Erbsenzählern in der Regierungskon-
erenz zerredet und zerfleddert wird:


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das ist wie bei der CSU!)


berall rote Linien, Bedenken, Vetodrohungen. Herr
undesaußenminister, Sie haben einmal gesagt: Mit den
eftovers der Leftovers muss endgültig Schluss sein. Es
st absehbar, dass es, auch wenn Sie sich am 18. Juni
inigen – ich wünsche Ihnen, dass Sie es tun –, wieder
ie Leftovers der Leftovers der Leftovers geben wird.
enn in einem für die Handlungsfähigkeit und auch für
ie Legitimation Europas zentralen Punkt, nämlich in
er Frage der qualifizierten Mehrheitsentscheidungen,
erläuft die Entwicklung schlecht. Nach allem, was wir
issen, ist der Übergang von der Einstimmigkeit zur
ualifizierten Mehrheit in vielen Bereichen in Gefahr.






(A) )



(B) )


Peter Altmaier

Bei den Dienstleistungen, bei den unlauteren Steuerprak-
tiken, bei der finanziellen Vorausschau, bei den Modali-
täten des Eigenmittelbeschlusses, in wichtigen Fragen
im Bereich von Innerem und Justiz: Überall droht uns
der Rückfall in die alte Einstimmigkeit, damit in die
Handlungsunfähigkeit und in die Erpressbarkeit.

Herr Bundesaußenminister, was den Kompromiss, der
in Bezug auf die doppelte Mehrheit erzielt werden wird,
angeht: Ich erkenne die Bemühungen aller, die sich dafür
eingesetzt haben, an. Aber eines ist doch auch richtig:
Besonders groß ist der Fortschritt gegenüber Nizza nicht
mehr; denn überall haben sich diejenigen durchgesetzt,
die ihre Blockademinderheiten schützen wollen, die er-
reichen wollen, dass sie ihre heiligen Kühe nicht
schlachten müssen. Das führt dazu, dass die Europäische
Union insgesamt handlungsunfähiger wird.

Herr Bundesaußenminister und lieber Michael Roth,
kommen Sie mir jetzt nicht mit den Polen, den Spaniern
und den Briten, die angeblich allein die bösen Buben
sind. Was nutzen uns denn die enge Freundschaft des
Bundeskanzlers mit Herrn Blair, die Schröder/Blair-Pa-
piere, die Absichtserklärungen und die gegenseitigen
Besuche, wenn es weder bei der Irakfrage noch bei der
Verfassungsfrage möglich war, zu einer deutsch-briti-
schen Position zu gelangen? Was nutzt uns das Weima-
rer Dreieck, das Polen, Deutschland und Frankreich bil-
den, wenn im entscheidenden Moment vor dem
Scheitern des Brüsseler Gipfels Funkstille herrschte?
Wir haben im Konvent doch auch mit den britischen und
den polnischen Kolleginnen und Kollegen einen Kon-
sens erzielt. Allerdings haben es die Regierungen dann
nicht geschafft, diesen Konsens in die Regierungskonfe-
renz hinüberzuretten.

Es ist oft gesagt worden: Rom ist nicht an einem Tag
erbaut worden; es ist besser, jetzt eine schlechte Verfas-
sung als gar keine Verfassung zu verabschieden. Ich
meine, wir sollten jetzt nicht schon wieder damit anfan-
gen, in Kauf zu nehmen, dass die neue Verfassung in
zwei oder drei Jahren geändert werden muss. Wir haben
uns dafür entschieden, den Bürgerinnen und Bürgern ein
klares und deutliches Signal zu geben. Mit dieser Verfas-
sung will Europa seine Zukunftsfähigkeit sichern. Das
bedeutet: Wir dürfen ihnen jetzt, noch bevor die Verfas-
sung überhaupt ratifiziert ist, nicht schon wieder mit Än-
derungen drohen.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Das haben Sie doch gemacht!)


Am 13. Juni ist Europawahl. Die Wahlbeteiligung
geht in allen europäischen Ländern auch deshalb zurück,
weil die Bürgerinnen und Bürger den Eindruck haben,
dass es auf ihre Stimme nicht wirklich ankommt. Weder
entscheiden sie über ihre Regierung noch haben sie
sichtbaren, nachvollziehbaren Einfluss auf die Brüsseler
Politik. Herr Bundesaußenminister, ich mache Ihnen ei-
nen Vorschlag: Die Bundesregierung sollte sich ver-
pflichten, bei der Wahl des neuen Kommissionspräsiden-
ten, die am 18./19. Juni ansteht, keinen Vorschlag zu
akzeptieren, der nicht über eine Mehrheit im neu ge-
wählten Europäischen Parlament verfügt. Das wäre ein
wichtiger Schritt auf dem Weg, die Europawahl zu einer
wirklichen Entscheidung über Europa zu machen.

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(C (D Würde die Bundesregierung darüber hinaus keinen eutschen Kommissar vorschlagen, der nicht über eine ehrheit unter den deutschen Europaabgeordneten ver ügt, so wäre das ein Zeichen von echter Demokratie, on Bürgernähe und von Respekt vor dem, was am 3. Juni in dieser Wahl zum Ausdruck kommen soll. Herr Bundesaußenminister, lassen Sie Ihren hehren uropapolitischen Worten – da sind wir gar nicht so weit useinander – ein paar kleine, bescheidene Taten folgen! enn das geschieht, dann können wir in den nächsten ochen gemeinsam noch viel erreichen. Vielen Dank. Ich schließe die Aussprache. Tagesordnungspunkte 22 a und 22 b: Interfraktionell ird die Überweisung der Vorlagen auf den Druckachen 15/2998 und 15/2970 an die in der Tagesordnung ufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Gesetzntwurf auf Drucksache 15/2998 soll federführend vom nnenausschuss beraten werden. Sind Sie damit einvertanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen. Zusatzpunkt 12: Wir kommen zur Abstimmung über en Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnises 90/Die Grünen mit dem Titel „Die europäische Verassung beschließen – der erweiterten Union ein solides undament für die Zukunft geben“. Wer stimmt für den ntrag auf Drucksache 15/3208? – Wer stimmt dageen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen er Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU bei Entaltung der FDP angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 23 a bis c auf: a)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1511206900

Groneberg, Karin Kortmann, Dr. Axel Berg, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD so-
wie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-
Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN
Globale Zukunftssicherung durch die Förde-
rung erneuerbarer Energien in Entwicklungs-
ländern vorantreiben
– Drucksache 15/3212 –

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
Bericht über die Bestandsaufnahme durch die
Deutsche Energie-Agentur (dena) über den
Handlungsbedarf bei der Förderung des Ex-
portes erneuerbarer Energietechnologien
– Drucksache 15/1862 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

c) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes über den Nationalen Zuteilungsplan für
Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der

(Zuteilungsgesetz – NAPG)

– Drucksache 15/2966 –

(Erste Beratung 106. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit (15. Ausschuss)

– Drucksachen 15/3224, 15/3237 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Ulrich Kelber
Marie-Luise Dött
Dr. Reinhard Loske
Birgit Homburger

Zu dem Entwurf eines Zuteilungsgesetzes liegen je
ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU
und der Fraktion der FDP vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bundes-
ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In der kommenden Woche ist es so weit: Die Internatio-
nale Konferenz für Erneuerbare Energien findet in
Bonn statt. Vom 1. bis 4. Juni werden sich auf Einladung
von Bundeskanzler Gerhard Schröder mehr als 100 Mi-
nister und Ministerinnen sowie mehr als 120 Delegatio-
nen auf Ziele zum weltweiten Ausbau der erneuerbaren
Energien und zur Steigerung der Energieeffizienz ver-
ständigen. Zahlreiche nationale und internationale Un-
ternehmen, Nichtregierungsorganisationen, die Welt-
bank und UN-Organisationen werden vertreten sein.

Warum richten wir, das Bundesentwicklungsministe-
rium und das Bundesumweltministerium unter Leitung
meines Kollegen Jürgen Trittin, diese Konferenz zusam-
men aus? Deutschland ist Vorreiter in der Nutzung er-
neuerbarer Energien und der Steigerung der Energieeffi-
zienz. Nicht nur angesichts hoher Ölpreise, die unsere
und alle Volkswirtschaften belasten, haben wir schon
lange die Perspektive für eine neue Energiezukunft ent-
wickelt und unsere Politik entsprechend ausgerichtet.

Diese Energiewende kann aber nur nachhaltig sein,
wenn sie global ist; denn wegen der Emissionen und des
Wettlaufs um knappe fossile Ressourcen gibt es für alle

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(C (D enschen auf diesem Globus nur eine gemeinsame Zuunft. Wenn wir jetzt nicht handeln, wenn wir nicht auf rneuerbare Energien und bessere Energieeffizienz seten, geht uns auf allen Kontinenten, aber auch gerade ns in Europa irgendwann im wahrsten Sinne des Wortes ie Luft aus. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Konferenz verfolgt drei Ziele. Erstens. Es wird
ine gemeinsame politische Erklärung geben, in der sich
ie anwesenden Regierungen ihrer Vision einer neuen
nergiezukunft versichern. Das gemeinsame Ziel soll
auten: Bis zum Jahr 2015 soll 1 Milliarde Menschen,
ie bisher keinen Zugang zu moderner Energieversor-
ung haben, mit Energie aus erneuerbaren Quellen ver-
orgt werden, damit sie aus der Energiearmut geholt
erden.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Zweitens. Auf der Konferenz soll ein gemeinsames
ktionsprogramm verabschiedet werden, in dem alle an-
esenden Regierungen darlegen, mit welchen Program-
en und Zielen sie zu dieser neuen Energiezukunft bei-
ragen werden.
Ein drittes Dokument wird ganz praktische Politik-

mpfehlungen dazu enthalten, wie auch Entwicklungs-
änder verstärkt erneuerbare Energien einsetzen und nut-
en können.
Die Argumente für die erneuerbaren Energien sind

erade für Entwicklungsländer überzeugend. Wir alle
ollen, dass die Entwicklungsländer die Armut in ihren
ändern bekämpfen. Wir alle wollen, dass Kinder in die
chule gehen können, dass Menschen in Krankenhäu-
ern versorgt werden und dass Handwerker Maschinen
utzen können. Das geht aber nur, wenn es Wirtschafts-
achstum gibt, wenn Menschen Zugang zu moderner
nergieversorgung erhalten. Bisher hat ein Drittel der
elt, 2 Milliarden Menschen, keinen Zugang zu moder-
er Energie. Armutsbekämpfung geht aber Hand in
and mit Energieversorgung. Deshalb – da dürfen wir
ns nichts vormachen – wird der weltweite Energiever-
rauch steigen, während gleichzeitig die Ölreserven ab-
ehmen. Noch verbraucht ein US-Bürger im übertrage-
en Sinne über 13-mal so viel Erdöl wie ein Mensch in
hina und über 26-mal so viel wie ein in Indien lebender
ensch. Das wird sich ändern. Auch Chinas Nachfrage
ach Öl ist in den letzten drei Monaten um 18 Prozent
estiegen.
Dabei ist aber eines klar: Entwicklungsländer dürfen

nd wollen nicht die Fehler wiederholen, die die Indus-
rieländer bisher bei ihrer Energieversorgung gemacht
aben, denn das hält unser Globus nicht aus. Der Klima-
andel würde sich dann noch weiter beschleunigen. Es
ibt also keine Alternativen zu erneuerbaren Energien
nd zur Steigerung ihrer Effizienz. Außerdem bringt der
insatz erneuerbarer Energien riesige Vorteile für Ent-
icklungsländer mit sich. Dieser leistet einen Beitrag
ur Armutsbekämpfung, wirkt dem Klimawandel entge-
en und macht alle Volkswirtschaften, die der Industrie-
nd der Entwicklungsländer, unabhängiger vom Öl.






(A) )



(B) )


Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul

Hierfür ein Beispiel: Allein die Haushalte von Ent-

wicklungsländern würden um 60 Milliarden US-Dollar
entlastet – eine gigantische Summe –, wenn sie nicht die
Mehraufwendungen für den gestiegenen Ölpreis zu tra-
gen hätten. Übrigens ist der Betrag fast so hoch wie die
Summe der Gelder, die von den Geberländern für offi-
zielle Entwicklungszusammenarbeit aufgewendet wird.
Sie sehen also, welchen Spielraum die Haushalte von
Entwicklungsländern durch höhere Unabhängigkeit vom
Öl erhielten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Viertens. Erneuerbare Energien schaffen qualifizierte
Arbeitsplätze, hier und in den Partnerländern. Sie sind
überall verfügbar. Es gibt keine Kämpfe um sie. Außer-
dem sind sie dezentral einsetzbar; das ist besonders
wichtig für die Versorgung ländlicher Regionen, in de-
nen es keine Stromnetze gibt. Wir als Bundesregierung
haben – so hat es Bundeskanzler Schröder im Jahre 2002
in Johannesburg auch zugesagt – für fünf Jahre, vom
Jahr 2003 bis zum Jahr 2007, den Partnerländern rund
1 Milliarde Euro zur Förderung erneuerbarer Energien
und zur Steigerung ihrer Effizienz zugesagt. Das Ent-
wicklungsministerium ist augenblicklich mit 157 Vorha-
ben in 39 Ländern aktiv. Das heißt, Deutschland kündigt
seine Verpflichtungen an; es löst aber seine Verpflichtun-
gen auch ein. Und diese Verpflichtungen liegen im
wahrsten Sinne des Wortes auch in unserem eigenen In-
teresse; denn auch wir wollen davon profitieren, dass der
Klimawandel aufgehalten oder ihm wenigstens entge-
gengewirkt wird.

Auf der Konferenz in Bonn werden wir weitere Initia-
tiven vorstellen. Wir werden, wie wir es nennen, eine
Reihe von Leuchttürmen für den deutschen Aktions-
plan beisteuern: eine Initiative „Geothermie für Ent-
wicklung“, eine afghanisch-französisch-deutsche Initia-
tive „Nachhaltige Energie für Wiederaufbau und
Entwicklung“, Public Private Partnerships für nachhal-
tige Energie zur Unterstützung kleinerer und mittlerer
Energieunternehmen in Subsahara-Afrika sowie eine
Energiepartnerschaft zwischen unserem Ministerium
und der Inter-Amerikanischen Entwicklungsbank, um in
dieser Region den Ausbau erneuerbarer Energien voran-
zubringen.

Fünftens und letztens: Wir drängen darauf, dass die
Weltbank eine Bank zur Förderung erneuerbarer Ener-
gien wird. Bisher haben diese bei ihr nur einen Anteil
von 6 bis 10 Prozent. Das ist absolut unzureichend. Wir
wollen, dass dieser Anteil drastisch gesteigert wird. Da-
mit könnte eine deutliche Stärkung der Förderung erneu-
erbarer Energien in der Welt bewirkt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zum Schluss, Frau Präsidentin. Nach einer aktuellen
Umfrage vom Mai dieses Jahres sind in Deutschland laut
Allensbach 62 Prozent der Befragten für eine verstärkte
Förderung der Energie aus Sonne, Wind und Wasser.
Deshalb ist meine feste Überzeugung: Erneuerbare Ener-
gien sind die Energieform der Zukunft. Wir haben auf

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(C (D iesem Globus unendlich viel dieser erneuerbaren Enerien. Dieser Überfluss schont unsere Umwelt, schafft rieden und fördert Entwicklung und Sicherheit. Die ökologische Gestaltung der Globalisierung ge ngt nur mit erneuerbaren Energien. Die Generationen eute, aber zumal die nach uns kommenden Generatioen werden es uns danken, wenn wir die Weichen richtig tellen. Die Konferenz, die nächste Woche stattfindet, ient diesem Ziel. Wir hoffen auf einen großen Erfolg nd freuen uns über die hohe Zahl von über 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, um eine neue nergiezukunft weltweit anzustoßen und zu beginnen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511207000

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaus Lippold.


Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1511207100

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen

nd Kollegen! Ich glaube, dass wir mit dem gerade an-
esprochenen Thema, das Frau Wieczorek-Zeul einlei-
end behandelt hat, eines der wesentlichen Instrumente
ufgreifen, die wir in Zukunft nutzen müssen, um welt-
eit zu mehr Klimaschutz und Klimavorsorge zu kom-
en. Deshalb werden wir bei dieser Konferenz unseren
eitrag leisten und gleichzeitig dafür sorgen, dass dabei
ie internationalen Aspekte besonders berücksichtigt
erden.
Lassen Sie mich hinzufügen, dass wir aber natürlich

arauf achten werden, dass wir zur Gesamtlösung der
limaschutzproblematik eine Effizienzverbesserung
ei allen Energieträgern weltweit brauchen. Nach unse-
er Auffassung können wir einen wirklichen Beitrag zur
ösung des Klimaproblems, das eine echte Bedrohung
arstellt und deshalb dringend gelöst werden muss, nur
adurch leisten.
Wir müssen uns heute gleichzeitig mit der Einführung

es Emissionshandels und dessen Kernstück, dem Ge-
etz über den Nationalen Zuteilungsplan, den Nationalen
llokationsplan, auseinander setzen. Dieses Gesetz ist
icht nur ein umweltpolitisches, sondern es hat auch
anz erhebliche Bedeutung in Bezug auf die Arbeits-
lätze und die wirtschaftliche Entwicklung. Deshalb
ätte ich mir eigentlich gewünscht, dass wir mehr Zeit
ehabt hätten, uns mit diesem Gesetz hier zu befassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

enn das Gesetz so durchgepeitscht wird, dass man
icht einmal zwei Stunden Zeit hat, um ganz wesentliche
nderungsanträge von gravierendster Bedeutung im
ontext einigermaßen durchzuprüfen, wird das der Sa-
he nicht gerecht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auch Ihren Hinweis, dass Sie auf europäischer Ebene

ine Verpflichtung eingegangen sind, kann ich nicht gel-
en lassen, wenn ich im internationalen Vergleich sehe,






(A) )



(B) )


Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)


dass nur vier Länder der Europäischen Union ein solches
Gesetz pünktlich eingereicht haben. Ich kann das auch
deshalb nicht gelten lassen, weil Sie sich bei der Erfül-
lung anderer EU-Zielsetzungen, zum Beispiel dem Sta-
bilitätsgesetz, nicht nur Zeit lassen, sondern die Rege-
lungen dieses Gesetzes bewusst übertreten und sagen,
dass Sie sie auch in Zukunft übertreten werden. Hier
wäre mehr Zeit angebracht gewesen, um eine Verbesse-
rung der Situation zu erreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der Um-

setzung des Emissionshandels hat die Union besonderen
Wert darauf gelegt, dass der Aspekt, dass vorsorgender
Umweltschutz mit Wirtschaftswachstum und Arbeits-
platzsicherung vereinbar ist, in den Vordergrund gestellt
wird. Ich sage ganz deutlich, dass wir sehr zufrieden
sind, dass es gelungen ist, im Treibhausgas-Emissions-
handelsgesetz einen Passus zu verankern, der für neu zu
gründende Unternehmen ebenso wie für Betriebserwei-
terungen hinreichend Emissionsberechtigungen vorsieht.
Das bedeutet, dass es auch in Zukunft keine Behinderun-
gen geben wird, wenn sich neue Unternehmen in
Deutschland ansiedeln wollen und Arbeitsplätze schaf-
fen wollen oder wenn bestehende Unternehmen ihren
Betrieb erweitern wollen.

Wir waren ganz eindeutig der Meinung, dass die von
Ihnen bisher vorgesehene Reserve dafür nicht ausreicht,
vor allen Dingen weil wir nach wie vor einen Berg von
mindestens 4,5 Millionen Arbeitslosen zu bewältigen
haben, was mit einer so knappen Reserve nie hätte gelin-
gen können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Das war ein Änderungsantrag von uns, nicht von Ihnen!)


Wir werden natürlich auch deutlich machen, dass es
wichtig ist – wir sind uns nach den bisherigen Prüfungen
aber nicht ganz sicher, ob das erreicht wurde –, Wettbe-
werbsnachteile gegenüber dem europäischen Ausland
auszuschalten. Wir müssen deutlich sagen, dass das Ge-
setz, wie Sie es gestaltet haben, für eine Reihe von Bran-
chen zu ganz erheblichen Schwierigkeiten führt. Dabei
handelt es sich um Branchen wie zum Beispiel die
Zementindustrie, die in Deutschland wesentlich moder-
nere Anlagen, als sie weltweit zu finden sind, betreibt,
was zu wesentlich höheren Emissionsminderungen
führt. Trotzdem wird dieser Industriezweig mit Auflagen
konfrontiert, die er nicht erfüllen kann. Wenn die Konse-
quenz aus dem Gesetz ist, dass in Deutschland keine An-
lagen mehr gebaut werden oder Anlagen stillgelegt wer-
den, dann muss man sagen, dass dies nicht dem
Umweltschutz dient; denn Anlagen in anderen Ländern
weisen wesentlich stärkere Emissionen auf. Deswegen
muss dieser Teil genau überdacht und geprüft werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir hatten bei Ihnen gelegentlich durchaus den Ein-

druck, dass die Vorstellung für Sie nicht unangenehm
wäre, wenn es in Deutschland bestimmte Industrie-
zweige nicht mehr geben würde. Es gäbe dann die ent-

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(C (D prechenden Emissionen nicht mehr und Sie könnten Ihr inseitiges umweltpolitisches Ziel erreichen. Diese Halung kann unserer Gesamtverantwortung nicht gerecht erden. Wir werden dafür sorgen, dass diese Verhältisse nicht so bleiben. Wir wollen auch nicht, dass durch die Art und Weise, ie Sie das Gesetz ausgestaltet haben, in der Bundesreublik Deutschland spezifische Energieträger wie zum eispiel Steinkohle oder Braunkohle benachteiligt weren. Ich sage in aller Deutlichkeit, dass wir weltweit soohl Öl als auch Steinkohle und Braunkohle in absehbaer Zeit noch nutzen müssen. Wenn es uns in eutschland gelingt, hier die effizientesten Technoloien zu schaffen, dann leisten wir erstens einen Beitrag um vorsorgenden Klimaschutz und zweitens einen Beirag zur Exportstärkung und damit zur Sicherung unserer rbeitsplätze. Das ist ganz entscheidend. Hier gibt es nsatzpunkte, bei denen Sie noch nachbessern müssen. s ist uns gelungen, wenigstens für ein Bundesland Reelungen durchzusetzen – gegebenenfalls werden diese egelungen noch zwei andere Bundesländer betreffen –, ie die weitere Nutzung der Braunkohle sicherstellen. ch halte das für ausgesprochen notwendig und wichtig. Es gibt noch Positionen, die wir einfordern müssen, ie sich aber im Moment noch nicht genau überschauen assen. Die Erfüllung der Zielsetzungen durch das Treibausgasemissionsgesetz und durch den Nationalen Alloationsplan erfordert, dass wir Instrumente, die wir in iesem Hause gemeinschaftlich auf Initiative der Union eschaffen haben – ich nenne Clean Development echanism und Joint Implementation, also die gemeinchaftliche Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen –, n ihrer vollen Breite nutzen und ihre Anwendung nicht tärker als andere Länder beschränken. ie Instrumente müssen funktionsfähig bleiben; sonst at die Einführung von Joint Implementation und Clean evelopment Mechanism keinen Sinn. Dies sind nicht die einzigen Positionen, um die es eht. Wir müssen auch darüber nachdenken, wie wir in ukunft eine faire Auseinandersetzung mit den anderen ektoren führen können, in denen noch Emissionsminerungen vorgenommen werden müssen. Wir dürfen daei nicht nur über Minderungen im Energiebereich und m Industriebereich nachdenken. Es fehlt nach wie vor in entsprechender Ansatz, um zum Beispiel im Altbauestand wesentlich schneller mit dem Klimaschutz voanzukommen, als das derzeit zu beobachten ist. Wir haben immer noch die Positionen vor Augen, die ie in Ihre Parteiprogramme und auch in Ihr Regierungsrogramm aufgenommen haben, insbesondere zur steurlichen Förderung. Wir wären dankbar, wenn Sie diese ositionen sozusagen aktivieren würden, damit wir hier inen ganz großen Schritt vorankommen und uns nicht ur auf dieses Segment beschränken müssen. Wir brauhen ein klares und allumfassendes Konzept; sonst Dr. Klaus W. Lippold haben wir nicht die Möglichkeit, Emissionsminderungen so schnell zu erreichen, wie wir dies wollen. Lassen Sie mich noch kurz sagen – ich will in diesem Zusammenhang nur einen Aspekt nennen –, dass unser Energiemix nach wie vor die Kernenergie mit einschließen wird. Es ist schon erstaunlich, wie sich weltweit die Denke ändert. Es gibt hervorragende grüne Denker, wie zum Beispiel James Lovelock, Urgestein in der Klimaschutzvorsorge und Grüner im wahrsten Sinne des Wortes, der die vorsorgende Klimaschutzpolitik weltweit ganz maßgeblich mit beeinflusst hat. (Ulrich Kelber [SPD]: Jetzt hat er einen unter einer Million gefunden!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieser Grüne sagt aber, dass Sie in Ihrer ideologischen
Festlegung auf den Kernenergieausstieg „misleaded“
– auf gut Deutsch: irregeleitet – sind. Ich kann mich dem
nur anschließen. Angesichts dessen, dass es in diesem
Land 84-Jährige gibt, die die geistige Beweglichkeit ha-
ben, bei der Anpassung an neue Probleme mit neuen
Antworten zu arbeiten, sollten auch Sie, die Sie die 84
noch nicht erreicht haben, die nötige Flexibilität besit-
zen, um sich entsprechend anzupassen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Mein letzter Satz. Manchmal weisen Ihnen ja die in-

ternationalen Gurus den Weg. Ich erinnere mich daran,
dass Sie uns in früheren Jahren, wenn wir über nach-
wachsende Wälder und Holzplantagen gesprochen ha-
ben, abgebürstet haben. Als dann Ihr anderer Guru aus
Brasilien, Lutzenberger, der frühere Umweltminister von
Brasilien, gesagt hat, dies sei ein sinnvolles Instrument,
da konnten wir beobachten, dass Sie Ihre Denke geän-
dert haben. Ändern Sie jetzt Ihre Denke, da ein anderer
Guru sagt, was richtig ist! Das wird Ihnen gut tun und
das wird auch unserem Land nutzen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Horst Kubatschka [SPD]: Wir haben Gurus im Gegensatz zu Ihnen nicht nötig!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511207200

Ich werde einmal eine Doktorarbeit über die Länge

der letzten Sätze schreiben. Das wird lustig.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das gibt eine lange Arbeit!)

Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister Jürgen

Trittin.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die ei-
nen halten sich wie Herr Lippold an Gurus. Manche ge-
hen ins Kino und schauen sich „The Day after Tomor-
row“ an. Ich glaube, wir sind uns aber darin einig, dass
wir im Klimaschutz vorankommen müssen und dass
beim Thema Klimaschutz die Energiewende eine ganz
zentrale Rolle spielt. Hier hat die Koalition in den letzten
Jahren entscheidende Weichen gestellt: von der Öko-

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(C (D teuer über den Atomausstieg, das Erneuerbare-Enerien-Gesetz – ich bin froh, dass es auf einem guten Weg u sein scheint – und die Energieeinsparverordnung bis um Emissionshandel. Dass wir damit auf dem richtigen eg sind, belegt der Umstand, dass Russlands Präsident unmehr in Aussicht gestellt hat, das Kioto-Protokoll u ratifizieren. Damit kommt erstmalig ein völkerrechtich verbindlicher Deckel auf die Treibhausgasemissioen. Hierzu passt das Instrument des Emissionshandels. er Emissionshandel macht den Klimaschutz effizient. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wenn er richtig gemacht wird!)


ir rechnen mit Einsparungen von 500 Millionen Euro
ür die Unternehmen in den ersten beiden Handelsperio-
en. Aber er ist auch ein Paradigmenwechsel; denn erst-
alig wird der Ausstoß von CO2 absolut gedeckelt. Wiraben mit dem Entwurf, den wir hier vorgelegt haben,
rneut die Vorreiterrolle der Bundesrepublik Deutsch-
and beim Klimaschutz unterstrichen.
Wir sind auf dem Weg der Zielerfüllung sehr weit. Bis

012 müssen wir den CO2-Ausstoß noch um7 Millionen Tonnen reduzieren. Wir haben, obwohl wir
iesen Weg schon ein ganzes Stück zurückgelegt haben,
esagt: Wir wollen, dass schon in der ersten Handelspe-
iode – damit unterscheiden wir uns von vielen anderen
itgliedstaaten in der Europäischen Union – auch von
er Industrie und dem Verkehr Reduktionen erbracht
erden. Wir haben einen Erfüllungsfaktor von 2,91 Pro-
ent.
Wir belohnen den Ersatz alter Technik durch mo-

erne, effizientere Technik und machen im Gegenzug
lte Technik unrentabel. Braunkohlekraftwerke mit einer
ffizienz von 32 Prozent und weniger müssen ab 2010
usätzlich um 15 Prozent reduzieren.
Sie sehen: Schon vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes
irkt die Mischung aus Übertragungsregel und Malusre-
el. Es wird bei Grevenbroich ein neues Braunkohle-
raftwerk geben. Diese Anlage wird 45 Prozent effizien-
er sein als die dafür im Gegenzug stillzulegenden
nlagen der RWE in Frimmersdorf. Deutschland spart
llein dadurch 2 Millionen Tonnen CO2 ein. Ich sage Ih-en: Das ist ein Ergebnis der ambitionierten Klima-
chutzpolitik dieser Koalition.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


In der nächsten Woche werden 1 000 Delegierte und
000 Delegationsmitglieder aus über 100 Staaten nach
onn kommen, um diese in Deutschland vollzogene
nergiewende zu besichtigen. Dabei stehen die erneuer-
aren Energien im Mittelpunkt. Sie sind in dreifacher
insicht eine Win-win-Option:
Sie tragen nachhaltig zum Klimaschutz bei. Bereits
tzt werden dadurch 53 Millionen Tonnen CO2 pro Jahringespart. Im Jahr 2010 werden es 85 Millionen Tonnen
O2 sein. Die erneuerbaren Energien bringen Dynamik inen Arbeitsmarkt und steigern die Wettbewerbsfähigkeit.
ereits heute arbeiten in Deutschland 120 000 Menschen






(A) )



(B) )


Bundesminister Jürgen Trittin

in dieser Branche. Gutachter und Wissenschaftler sagen,
wenn sich unser heutiger Umsatz in Höhe von
10 Milliarden Euro in Deutschland und aufgrund der
Exportchancen, die die erneuerbaren Energien eröffnen,
vervierfacht, dann können bis zu 400 000 Menschen im
Jahr 2020 in dieser Branche Beschäftigung finden.

In diesen Tagen, in denen einige ihr Auto wegen der
steigenden Ölpreise mit Aufklebern verunzieren, ist ei-
nes besonders wichtig: Die erneuerbaren Energien ver-
mindern die Abhängigkeit unserer Gesellschaft und un-
serer Wirtschaft von diesem einzigen Gut, dem Öl.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Aus diesem Grund sagen wir: Wir müssen diese Tech-
nik weltweit voranbringen. Eine sichere Zukunft, auch
im Sinne von Sicherheitspolitik, beruht auch auf dem
massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Diese
Energien müssen aber billiger und wettbewerbsfähiger
werden. Deshalb hat der Bundeskanzler auf dem Welt-
gipfel für nachhaltige Entwicklung gesagt, wir wollen in
den nächsten fünf Jahren eine halbe Milliarde Euro zur
Förderung von erneuerbaren Energien in den Entwick-
lungsländern ausgeben. Allein im letzten Jahr wurden
Zusagen für neue Projekte in einer Größenordnung von
ungefähr 100 Millionen Euro gemacht.

Deswegen beteiligt sich die Bundesrepublik Deutsch-
land an der Global Market Initiative zum Bau von
5 000 Megawatt solarthermischer Kraftwerke im Son-
nengürtel der Erde und deswegen fördern wir über In-
strumente wie das EEG die Technologieentwicklung in
Deutschland, dabei haben wir insbesondere die Massen-
produktion im Blick. Ich will auf eines hinweisen: In den
letzten Jahren hat sich in Deutschland nicht nur die Pho-
tovoltaikleistung versechsfacht, sondern im gleichen
Zeitraum sind die Kosten für die einzelnen Einheiten
auch um 40 Prozent gesunken.

Solche Initiativen und Vorstöße sollen auf der Konfe-
renz „Renewables 2004“ in Bonn das Aktionsprogramm
prägen. Wir wollen den allgemeinen Satz „Der Ausbau
der erneuerbaren Energien soll signifikant gesteigert
werden“ mit einem konkreten Aktionsprogramm und
konkreten Finanzzusagen und Zielsetzungen, wie sie die
EU und Südamerika verwirklicht haben, unterlegen. Das
ist eine gewaltige Aufgabe. Aber wir wollen unser Ziel
erreichen, ungefähr 1 Milliarde Menschen in den nächs-
ten Jahren Zugang zu Energie zu verschaffen. Die Ener-
giewende in Deutschland belegt: Effizienz, Energiespa-
ren und erneuerbare Energien helfen dem Klima,
modernisieren den Standort Deutschland und stärken un-
sere Wettbewerbsfähigkeit. In diesem Sinne freue ich
mich, Sie alle in der nächsten Woche in der UN-Stadt be-
grüßen zu dürfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511207300

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Birgit Homburger.

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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ereits seit Mitte der 80er-Jahre setzt sich die FDP für en Emissionshandel ein. Wir haben stets die Einmichung der Bundesregierung auf europäischer Ebene geordert, wenn die Spielregeln in Europa für den Emisionshandel festgelegt werden. In diesem Punkt haben ie, Herr Trittin, versagt. Sie haben diese Warnung ignoiert und sich in keiner Weise darum gekümmert. Ich finde das, was heute hier passiert, wieder einmal ezeichnend. Wir debattieren heute über den Emissionsandel. Das Herzstück des Emissionshandels, das Zuteiungsgesetz, haben wir heute hier zu beraten. Das wäre igentlich eine eigene Debatte wert. Aber was machen ie? Es werden wieder Entschließungsanträge zu erneurbaren Energien, die Sie längst hätten einbringen könen und wo Sie längst hätten handeln können, hier mit uf die Tagesordnung gesetzt. Das machen Sie auschließlich deshalb, weil Sie versuchen wollen, die Proleme, die Sie beim Emissionshandel schaffen, zu vertuchen. Aber das gibt mir die Chance, auf ein weiteres Ver äumnis der Bundesregierung hinzuweisen, Herr Trittin nd auch Frau Wieczorek-Zeul. Sie haben es nämlich ersäumt, die Bundesrepublik Deutschland auf die Nutung der so genannten flexiblen Instrumente des Kiotorotokolls vorzubereiten und einzustellen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Es wird nicht richtiger durch Wiederholen!)

Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1511207400

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


it dem Clean Development Mechanism und der
oint Implementation haben wir Möglichkeiten, in Ent-
icklungs- und Schwellenländern zu investieren, weil
ort eine Reduktion der Emissionen von CO2 zu deutlicheringeren Kosten möglich ist. Da Emissionen an den
renzen nicht Halt machen, wäre es sinnvoll, dort zu in-
estieren, weil wir für die Verbesserung des Weltklimas
adurch deutlich mehr erreichen können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Da – das muss ich Ihnen sagen – verweigern Sie sich

ach wie vor. –

(Ulrich Kelber [SPD]: Es wird nicht richtiger durch Wiederholung!)

ie verhindern damit auch den Technologietransfer in
ntwicklungsländer. Sie entwickeln in Ihrem Entwick-
ungshaushalt Spezialprogramme; aber Sie müssen die
inge verknüpfen. Dann wären sie sehr viel effizienter
nd wirkungsvoller. Sie haben damit die Chance nicht
ur für den Technologietransfer in Entwicklungs- und
chwellenländer verpasst, sondern auch für eine Export-
ffensive für erneuerbare Energien aus Deutschland. Da-
ür tragen Sie die Verantwortung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Birgit Homburger

Ich möchte Ihnen auch sagen, dass ich es noch viel

schlimmer finde, dass Sie das offensichtlich auch jetzt,
wo es einen gemeinsamen Standpunkt des Europäischen
Rates darüber gibt, dass diese Instrumente mit dem euro-
päischen Emissionshandel verknüpft werden sollen, also
mithin Kostenreduktionspotenziale auch für den Emis-
sionshandel in Europa und in Deutschland erschlossen
werden sollen, wieder nicht in das Gesetz aufnehmen. Es
ist klar, welche Entwicklung es in Europa geben wird.
Lassen Sie es uns einfach machen! Dass Sie das nicht
machen und auch nicht vorsehen, können wir nicht ak-
zeptieren. Das bedeutet eine eklatante Wettbewerbsver-
zerrung, die wir nicht akzeptieren werden. Sie werden
von Europa gezwungen werden, das in Deutschland ein-
zuführen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Unglaubliche Verdrehung der Tatsachen!)


Ein weiterer Punkt, Herr Trittin: Bei der heutigen Dis-
kussion über die Einführung des Emissionshandels geht
es um nicht weniger als die Umstellung in der Umwelt-
politik von der bisherigen reinen Ordnungspolitik hin
zu einem marktwirtschaftlichen Instrument. Das ist ein
ganz wichtiger Prozess und etwas derart Neues, dass
man die deutsche Wirtschaft in den letzten Jahren darauf
hätte vorbereiten müssen. Das haben Sie verpasst. Bisher
dachten wir, Sie hätten das verschlafen. Seit dieser Wo-
che wissen wir aber, dass es wohl Absicht war. Wie an-
ders erklären Sie die Art und Weise, wie Sie vorgegan-
gen sind? Sie haben ein beispielloses Chaos angerichtet.
Bis kurz vor der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes
heute hier, bis kurz vor der Beratung im Umweltaus-
schuss haben Sie einen Änderungsantrag nach dem an-
deren mit hektischen Verschlimmbesserungen gestellt,


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Das kann man wohl sagen!)


sodass es zum Schluss Dienstagnacht fünf Pfund Ände-
rungsanträge gab, mit denen Sie nahezu alle Paragra-
phen Ihres eigenen Gesetzentwurfes geändert haben.
Das ist die Realität und das ist keine angemessene Vor-
gehensweise bei der Einführung eines so wichtigen In-
struments.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das macht eine seriöse Beratung unmöglich und – das

ist noch viel schlimmer – es schafft eine Situation, in der
selbst Experten nicht mehr sagen können, wie sich das
Gesetz auf betroffene Unternehmen und auf die Arbeits-
plätze auswirken wird. Das ist unzumutbar und wird
bald dazu führen, dass nachgebessert werden muss. Dies
führt zu Verunsicherungen bei Betroffenen. Sie sorgen
für ein Fiasko. Für die Probleme, die sich aus diesem
Verfahren ergeben, und für das, was beim Emissionshan-
del hinterher nicht funktioniert, tragen ausschließlich Sie
von Rot-Grün die Verantwortung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

In der Beratung in dieser Woche wurden Sondertöpfe

und Spezialregelungen noch einmal ausgeweitet und
verkompliziert. Das bringt Nachteile insbesondere für

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(C (D leine und mittlere Unternehmen, weil der dadurch ereugte bürokratische Aufwand diese relativ stärker beastet als große Unternehmen. Sie haben es geschafft, den Vorteil des Emissionshan els in einen Nachteil zu verwandeln. Sie haben aus eiem staatsfernen, dezentralen und liberalen Instrument, as Klimaschutz zu minimalen Kosten erreicht, ein büokratisches Monstrum gemacht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Karneval ist vorbei!)


Ihre Regelungen sind ungerecht, weil Sie Gleiches
ngleich behandeln, beispielsweise Altanlagen und Neu-
nlagen. Altanlagen werden deutlich besser als Neuanla-
en mit Emissionsrechten ausgestattet. Sie sagen, damit
ollen Sie einen Anreiz für Investitionen schaffen. Aber
as schafft das Instrument des Emissionshandels so-
ieso; denn genau das ist Sinn und Zweck des Emissi-
nshandels. Hier betreiben Sie also keine Investitions-
örderung. Vielmehr belohnen Sie die Langsamen,
iejenigen, die bisher nichts getan haben, und bestrafen
iejenigen, die bereits bisher etwas getan haben. Das tra-
en wir nicht mit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ohne vernünftigen Grund haben Sie eine glatte Drei-
achförderung der Kraft-Wärme-Kopplung einge-
ührt. Jetzt wird die Kraft-Wärme-Kopplung nicht nur
urch das KWK-Gesetz, sondern auch noch auf zweifa-
he Weise durch die Regelungen des Zuteilungsgesetzes,
ie Zuteilung von mehr Emissionsrechten, gefördert.
afür stehen Ihnen zwei Fördertöpfe zur Verfügung: so-
ohl die Early Actions als auch die Regelungen des § 14
bs. 1 Zuteilungsgesetz, in dem es um die Effizienz
eht. In dieser Woche haben Sie das Kumulationsverbot
ufgehoben, das ursprünglich im Gesetz stand. Das be-
eutet, dass die Kraft-Wärme-Kopplung jetzt aus drei
öpfen gefördert wird. Das ist nichts anderes als die
chamlose Klientelpolitik von Rot-Grün.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dafür musste zulasten anderer der so genannte Erfül-

ungsfaktor geändert werden. Sie haben die Neuregelung
ingeführt, dass die Zuteilung von Emissionsrechten
ückwirkend gekürzt werden kann. Da frage ich Sie: Wer
oll vor dem Hintergrund der Rechtsunsicherheit, dass
hm einmal Zugeteiltes vielleicht wieder weggenommen
erden kann, eigentlich in diesem Land investieren?


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben das Gesetz gar nicht verstanden! Aber das ist ja nichts Neues!)


Aber damit noch nicht genug. Durch die trittinschen
ugeständnisse ergeben sich Verschiebungen. Es sind
lso in anderen Bereichen mehr Einsparungen nötig, bei-
pielsweise bei den privaten Haushalten und im Ver-
ehrsbereich. Dies führt zu noch unbezifferbaren Mehr-
elastungen. Weil Sie dies – das ist absehbar – auf
neffiziente Weise über die Ökosteuer organisieren wer-
en,






(A) )



(B) )


Birgit Homburger


(Zuruf von der CDU/CSU: Das haben sie schon in der Gesundheitspolitik nicht bewältigt!)


kann ich Ihnen nur sagen: Eine solche Mehrbelastung
der privaten Haushalte werden wir nicht mittragen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Jetzt gehen Sie mal hin und lesen das Gesetz!)


Wir sind der Meinung, dass Doppelbelastungen aus
der Ökosteuer und dem KWK-Gesetz zumindest für die-
jenigen, die am Emissionshandel teilnehmen, abge-
schafft werden müssen. Eine solche Doppelbelastung ist
nicht gerechtfertigt. Deswegen sage ich Ihnen ganz klar:
Der Gesetzentwurf, den Sie uns hier vorlegen, ist die
größte umweltpolitische Enttäuschung der letzten Jahre
in Deutschland.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Ja, das ist wahr! – Ulrich Kelber [SPD]: Dann hätten Sie Änderungsanträge stellen sollen!)


Die FDP will den Emissionshandel als unbürokratisches,
effizientes Instrument. Das bürokratische Monster, das
Sie uns hier vorlegen, werden wir aber nicht mittragen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Beim nächsten Mal lesen Sie das Gesetz vorher! Sie sollten mal den Text lesen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Wirklich peinlich!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511207500

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hermann Scheer.

Dr. Hermann Scheer (SPD):
Rede ID: ID1511207600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der

nächsten Woche wird nicht nur die Internationale Regie-
rungskonferenz durchgeführt, sondern am 2. Juni findet
auch das Internationale Parlamentarierforum statt, zu
dem der Deutsche Bundestag eingeladen hat.


(Beifall des Abg. Dr. Axel Berg [SPD])

Als Vorsitzender dieses Parlamentarierforums möchte
ich betonen – das tue ich auch im Namen der gesamten
interfraktionellen Vorbereitungsgruppe –, dass wir die-
ses Forum der Parlamentarier für genauso wichtig wie
die Regierungskonferenz halten.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Denn alle Initiativen, durch die in den letzten 25 Jah-
ren Fortschritte im Bereich der erneuerbaren Energien
vorangetrieben wurden – manchmal waren sie auch von
Rückschlägen begleitet –, sind letztlich aus den Parla-
menten gekommen. Das gilt für das Stromeinspeisungs-
gesetz und seinen Nachfolger, das Erneuerbare-Ener-
gien-Gesetz. Das gilt für die brasilianischen Bioalkohol-
Initiativen wie auch für die Gesetzgebung des amerika-
nischen Kongresses Ende der 70er-Jahre, die leider An-
fang der 80er-Jahre abgebrochen bzw. kassiert worden

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(C (D st, womit nicht nur Amerika, sondern die Welt insgeamt in diesem Bereich mindestens zwei Jahrzehnte veroren hat. Das gilt ebenso für viele Initiativen in anderen ändern. Wir wollen die anderen Parlamentarier motivieren, ositive Beispiele nachzuahmen, sie ermutigen, die Inititiven auch von sich aus zu ergreifen. Diese Ermutigung st notwendig. Der gesamte Bereich der erneuerbaren nergien wird von sehr vielen Mythen begleitet und ist it sehr vielen Barrieren konfrontiert: Ich nenne zum eispiel die angeblich zu hohe Kostenbelastung durch rneuerbare Energien. Das ist aber nur eine Momentaufahme, die für die Initialperiode erneuerbarer Energien utreffen mag, sie gilt jedoch mit Sicherheit nicht für die auerhafte Entwicklung. Denn neben dem ökologischen nterschied gibt es einen fundamentalen Unterschied wischen den herkömmlichen und den erneuerbaren Enrgien: Erneuerbare Energien werden, weil bei ihnen ur Technikkosten anfallen und nicht mehr Brennstoffosten – außer bei der Bioenergie, da ist das anders –, it der weiteren technischen Entwicklung und mit der assenproduktion solcher Technologien immer billiger erden. Das zeigen 200 Jahre technologisch-industrieler Entwicklung in allen Bereichen. Herkömmliche nergien werden dagegen immer teuerer werden; sie ommen in die Erschöpfungsphase und die Umweltlasen werden immer gravierender und müssen ja schließich auch von der Gesellschaft – wenn nicht heute, so pätestens morgen, von der nächsten Generation – beahlt und getragen werden, was gegen das Prinzip jededen Generationenvertrages ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


or diesem Hintergrund ist diese Motivierung unglaub-
ich wichtig.
Was können die Regierungskonferenz und das Parla-
entarierforum leisten? Bei beiden Anlässen handelt es
ich nicht um eine Konferenz von Staaten mit dem Ziel
ines internationalen Vertrages; es handelt sich auch
icht um einen Beschlusskörper einer internationalen
rganisation, auch nicht des UN-Systems. Vielmehr
andelt es sich um freiwillige Zusammenkünfte: Auf der
egierungskonferenz werden 87 Regierungen vertreten
ein, beim Parlamentarierforum 75 Parlamente. Jeder ist
us freien Stücken gekommen. Es geht jetzt also nicht
arum, bürokratisch um jedes Komma zu streiten, son-
ern es geht um die Impulsgebung; es geht darum, zu
eigen, was wirklich möglich ist, die Augen zu öffnen,
ie Mentalität der Zurückhaltung gegenüber erneuerba-
en Energien – die natürlich auch bis weit in die Politik
eicht – aufzubrechen.
Was ist der Vorteil der Parlamentarier? Warum sind

ie Initiativen von Parlamenten gekommen? Es gibt in
edem Land eine lange Tradition – über ein Jahrhundert
ang entwickelt –, dass sich überall – wegen der strategi-
chen Bedeutung von Energie für jede Volkswirtschaft;
eil ohne Energie nun einmal nichts geht – enge Ver-
lechtungen, Intimverflechtungen zwischen Regierungen
nd der nun einmal etablierten fossilen bzw. atomaren
nergiewirtschaft gebildet und eingespielt haben. Parla-






(A) )



(B) )


Dr. Hermann Scheer

mente sind freier von diesem Interessengeflecht; deshalb
kamen die Initiativen von daher und das wollen wir auch
anderen zeigen.

Das internationale System hat in der Frage der erneu-
erbaren Energien bisher – das sollten wir nicht ver-
schweigen – versagt. Wir haben spätestens seit 1973
– durch die damalige Ölkrise – die Notwendigkeit des
Umstiegs erkannt. 1974 begannen in fast allen Ländern
der Welt die ersten Forschungs- und Entwicklungspro-
gramme für erneuerbare Energien; was vorher passierte,
war nicht nennenswert. Als die Ölkrise vorbei war, trat
wieder Entwarnung ein. In den 80er-Jahren gab es nur
minimalste Ansätze; ansonsten ist fast vollständig ver-
säumt worden, etwas zu tun. Erst ab Beginn der 90er-
Jahre ging es aufwärts – noch immer nicht unbedingt ge-
fördert durch das internationale System.

Noch nicht einmal auf der berühmten Rio-Konferenz
ist der Zusammenhang zwischen globalen Entwick-
lungsproblemen und globalen Umweltproblemen, be-
sonders dem Klimaproblem, und der heutigen Weise des
Energieverbrauchs und den jeweiligen Energiequellen,
aus denen diese Energie generiert wird, genannt worden.
Das ist aufgrund des Interessendrucks verschwiegen
worden, der natürlich auch auf solche Konferenzen ein-
wirkt. Noch vor Johannesburg schien es fast wieder so.
Dann kam die Initiative des UN-Generalsekretärs im
Frühjahr 2002, der gesagt hat: So geht es nun wirklich
nicht. In Johannesburg standen das Thema Wasser und
das Thema erneuerbare Energien schließlich im Mittel-
punkt aller Erörterungen. Das heißt, in Johannesburg hat
man sich den realen globalen Problemen erstmals ange-
nähert.

Nun ist es unsere Aufgabe, Impulse zu setzen. Im
Rahmen dieser Konferenz müssen wir aufzeigen, welche
Möglichkeiten die erneuerbaren Energien tatsächlich
bieten. Für deren Einsatz gibt es nicht nur Umwelt-
gründe – diese allein würden schon dafür sprechen –,
sondern auch entwicklungspolitische Gründe. Viele Län-
der der Dritten Welt sitzen mittlerweile in der Falle der
fossilen Energien. Sie müssen schon heute mehr für den
Import von fossilen Energien bezahlen, als sie durch den
Export einnehmen.

Hier liegt die große Chance durch erneuerbare Ener-
gien.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir sollten stolz darauf sein, hierzu eine avantgardisti-
sche Position einnehmen zu können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511207700

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen

Dr. Peter Paziorek das Wort.


Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1511207800

Herr Kollege Scheer, ich habe um eine Kurzinterven-

tion gebeten, weil ich verhindern möchte, dass in der Öf-
fentlichkeit hinsichtlich der Frage, ob Abgeordnete aus

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(C (D em Unionslager die Resolution und Schlusserklärung ei der Parlamentarierkonferenz unterzeichnen weren, ein falscher Eindruck entsteht. Sie haben in Ihrer Rede die Position vermittelt – das ar für mich durchaus nachvollziehbar –, dass ein Geensatz zwischen erneuerbaren Energien und fossilen nergieträgern bzw. – das haben Sie nur andeutungseise gesagt und haben in der Tat vorsichtig formuliert – wischen erneuerbaren Energien und Atomenergie betehe. Ich habe der Vorbereitungskommission für die arlamentarierkonferenz angehört. Wir haben zusamen versucht, einen Resolutionstext zu erarbeiten, der reit gefasst ist und damit allen die Möglichkeit gibt, ihn u unterzeichnen. Vor dem Hintergrund Ihrer Rede muss die Öffentlich eit darauf hingewiesen werden, dass es durchaus unterchiedliche Positionen hinsichtlich der Frage gab, ob der esamte Energiebedarf von erneuerbaren Energien abgeeckt werden soll oder ob es nicht den verschiedenen taaten und Volkswirtschaften überlassen bleiben soll, igene Wege zur Förderung der erneuerbaren Energien u finden und einen eigenen Energiemix zu definieren. s wird weiterhin Staaten geben, die nicht ausschließlich uf erneuerbare Energien setzen werden, sondern die uch in Zukunft fossile Energieträger verwenden weren. Auch zur friedlichen Nutzung der Atomenergie beiehen sie unterschiedliche Positionen. Aus Klimachutzgründen spricht aus meiner Sicht sogar vieles afür, weiterhin Kernenergie zu nutzen, sich aber auch leichzeitig für einen größeren Anteil der erneuerbaren nergien einzusetzen. Wir haben bei der Formulierung der Resolution einen ompromiss gefunden. In ihr wird keine Entweder-oderosition bezogen, wie es in Ihren Ausführungen teileise anklang. Die Resolution bietet durchaus eine geisse Offenheit für die verschiedenen möglichen Wege nd für den Einsatz verschiedener Energieträger. Der geeinsame Wille ist aber, aus Klimaschutzgründen und us volkswirtschaftlichen Gründen den Anteil der erneurbaren Energien zu erhöhen. Mir war wichtig, das hier darzustellen – bitte haben ie Verständnis dafür –: In dieser Resolution wurde kein egensatz aufgebaut. Jede Volkswirtschaft soll vielmehr as Recht haben, ihren eigenen Weg zu finden. Gerade iese Offenheit in der Resolution ist der Grund dafür, ass mehrere Abgeordnete aus dem Unionslager sie bei er Parlamentarierkonferenz unterzeichnen können. Bitte. Herr Kollege Paziorek, ich bin Ihnen für Ihre Ausfüh ungen sehr dankbar. In meiner Rede wollte ich zum usdruck bringen, dass ein mentaler Aufbruch stattfinen muss, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. ir sind in diesem Bereich in Deutschland sogar relativ eit. In der Praxis ist bei uns schon viel geschehen. Dr. Hermann Scheer Ich habe einen ziemlich guten Überblick über das, was in den Ländern auf den verschiedenen Kontinenten passiert. In Deutschland sind die Koalitionsparteien in dieser Frage deutlich weiter als die Oppositionsparteien. Die Oppositionsparteien sind in dieser Frage aber durchaus weiter als manche sozialdemokratischen Parteien in anderen Ländern. Vor diesem Hintergrund habe ich von der Notwendigkeit eines Aufbruchs gesprochen. Ich hatte keineswegs vor – das war nicht Sinn meiner Ausführungen –, meine Betrachtungen nur nach innen zu richten. Wir sind mittlerweile weiter als noch vor drei Jahren. Damals gab es in der Enquete-Kommission Schwierigkeiten in der Frage, das, was wir an Gesetzen auf den Weg gebracht haben, als Erfolgsmeldung an die UN zu geben. Einige waren damit nicht einverstanden, obwohl es sich um beschlossene Gesetze handelte. Eines ist aber klar – Sie wissen, dass ich mich bei der Resolution dafür eingesetzt habe –: Ich bin nicht unbedingt dafür, eine Festlegung darüber zu treffen, bis zu welchem Jahr jedes Land der Welt wie viel an erneuerbaren Energien eingeführt haben muss; deswegen habe ich auch keinen entsprechenden Versuch gemacht. Auf nationaler Ebene, auf der wir das in der Hand haben, gibt es gute Gründe dafür. Ich denke aber, es wäre nicht besonders produktiv, das allgemein zu formulieren, weil man sich dann um Kommas streiten würde. Das kann nicht der Sinn einer Konferenz sein, die sowieso keine verbindlichen Beschlüsse fassen kann. Es macht aber Sinn, deutlich zu machen, was alles möglich ist, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. (Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511207900
Dr. Hermann Scheer (SPD):
Rede ID: ID1511208000




(A) )


(B) )


Es gibt sehr gute praktische Vergleichsmöglichkeiten
zwischen unterschiedlichen Konzepten. Sie werden dort
diskutiert werden. Die Zahlen sprechen Gott sei Dank
für sich. Andere Betrachtungen, auch ideologischer Art,
hören dann auf.

Es ist uns allen klar, dass die Dynamik vorangetrieben
werden muss und dass es aus vielerlei Gründen – am we-
nigsten jedoch aufgrund des umfassenden Potenzials er-
neuerbarer Energien – ohnehin nicht möglich sein wird,
von heute auf morgen ein ganzes Energiesystem zu än-
dern. Jedes Land hat heute einen anderen Energiemix,
meistens einen herkömmlichen. Wo es die natürlichen
Bedingungen erlauben, nutzt man oft die traditionelle
Wasserkraft. Nach meiner und der Auffassung vieler an-
derer wird der Anteil der erneuerbaren Energien am
Energiemix auf dem Weg in die Zukunft sehr rasch an-
steigen, während der Anteil der fossilen Energien pa-
rallel zu diesem Prozess reduziert wird. Am Schluss
werden dann irgendwann nur noch die erneuerbaren
Energien übrig bleiben. Das ergibt sich schon aufgrund
der Ressourcenproblematik.

Das ist jedenfalls meine Hoffnung und die Perspek-
tive, für die ich mich einsetze. Ich glaube, dafür gibt es
auch in der Bevölkerung eine breite Unterstützung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Georg Girisch. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Die Bundesregierung nimmt für sich in Anpruch, mit ihrem Nationalen Allokationsplan eine orreiterrolle in Europa eingenommen zu haben. Diese elbsteinschätzung ist aus meiner Sicht falsch; enn unter einer Vorreiterrolle verstehe ich, dass man en anderen Ländern als Vorbild, aber auch als Vordener dient und dass man die anderen Länder motiviert, die ckpunkte aus dem deutschen Allokationsplan zu überehmen. Dies ist nachweislich nicht geschehen. m Gegenteil: Die Bundesregierung hat unser Land und ie bei uns vom Emissionshandel betroffenen 2 400 Anagen durch ihr Verhalten ins Abseits manövriert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Birgit Homburger [FDP])

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511208100

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Georg Girisch (CSU):
Rede ID: ID1511208200

(Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP])


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es!)


In der EU gibt es außer Deutschland bisher nur ein
inziges Land, das den Unternehmern in der ersten Peri-
de weniger Kohlendioxidemissionen zuteilt als in der
asisperiode. Es kommt aber noch schlimmer: In der
chlussberatung des Umweltausschusses ging die Bun-
esregierung sogar von einer Übererfüllung des deut-
chen Minderungsziels aus. Das zeigt deutlich: Rot-
rün und die verantwortlichen Minister können höchs-
ens in einem Bereich zu Recht eine Vorreiterrolle bean-
pruchen, nämlich bei der Gefährdung des Standortes
eutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, das ist ja ein Unsinn! Wie stellen Sie sich denn den Emissionshandel vor? – Ulrich Kelber [SPD]: An dem Satz haben Sie aber lang gearbeitet! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die Wahrheit tut weh!)


Ja, man kann wohl sagen, dass die Wahrheit weh tut.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: So viel Unwissenheit tut weh!)

Ähnlich sieht auch die Selbsteinschätzung hinsicht-

ich einer zeitlichen und inhaltlichen Vorreiterrolle aus.
ieder behauptet die Bundesregierung, dass sie diese
innehme. Dies kann beim besten Willen niemand er-
ennen. Wer hier zu Recht eine Vorreiterrolle einnehmen
ill, der muss mehr als nur einen von der Kommission
orgegebenen Zeitplan für die nationale Umsetzung ei-
er EU-Richtlinie einhalten. Rot-Grün hat dies sogar nur
uf den letzten Drücker geschafft. Der Preis für die Ein-
altung der Fristen war schlicht und ergreifend zu hoch.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es!)







(A) )



(B) )


Georg Girisch

Es ist einfach nicht hinnehmbar, wenn der Bundestag
und insbesondere die Opposition von einer inhaltlichen
und konstruktiven Beratung des Gesetzentwurfs zum
Nationalen Allokationsplan faktisch ausgenommen wer-
den.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Nein!)


Wie dies geschehen ist, will ich Ihnen kurz erläutern.
Am Montag dieser Woche fand eine öffentliche Anhö-
rung im Umweltausschuss zum NAPG statt. Am Mitt-
woch, nur zwei Tage später, war die Schlussberatung im
Umweltausschuss. Die umfangreichen und gravieren-
den Änderungsanträge der Regierungsfraktionen lagen
erst gegen 22.30 Uhr am Dienstag vor, also am Vorabend
der Ausschusssitzung. Ich frage Sie: Wie sollen wir als
verantwortliche Abgeordnete bei einem solchen Vorgang
überhaupt eine gründliche inhaltliche Prüfung dieser An-
träge vornehmen können?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Birgit Homburger [FDP])


Viele, die heute anwesend sind, waren in der Debatte
dabei. Sie haben doch selbst gemerkt, dass Vorschläge
der CDU/CSU-Fraktion aufgenommen wurden. Das
zeigt, dass Sie dilettantisch gearbeitet haben. Dafür gibt
es aus meiner Sicht eine schlüssige Erklärung: Die Re-
gierungsfraktionen drücken sich bewusst vor einer sach-
lichen Auseinandersetzung mit den Argumenten der Op-
position. Die Zeitvorgabe aus Brüssel wurde als ein
willkommener Vorwand für eine völlige Überstürzung
der Beratung missbraucht.

Wie wenig stichhaltig das Argument Zeitdruck war,
zeigt eine weitere Tatsache. Wir alle konnten in der
Presse nachlesen, dass trotz des vermeintlichen Zeit-
drucks anscheinend immer noch genügend Zeit war, die
Medien vor uns über die wichtigen Änderungen zu infor-
mieren, nämlich am Nachmittag des vorigen Tages um
15.30 Uhr. Die Presse am Nachmittag und die Abgeord-
neten erst am Abend zu informieren, halte ich in Anbe-
tracht der Bedeutung dieses Gesetzes für skandalös.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Herr Girisch, das ist völliger Quatsch! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Das ist so!)


– Wenn Sie das für Quatsch halten, dann lesen Sie das
bitte in Ihrer eigenen Presseerklärung nach.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: 15.30 Uhr am Dienstagnachmittag! – Ulrich Kelber [SPD]: Ja, das stimmt!)


So viel Redlichkeit muss auch in einem Parlament sein.
Offensichtlich ist diese Verfahrensweise bei der Re-

gierung zum System geworden. Schon bei dem Erneuer-
bare-Energien-Gesetz, bei dem wir gemeint haben, dass
wir gut zusammenarbeiten können – wir haben die Zu-
sammenarbeit angeboten –, sind einige Dinge nicht so
gut gelaufen, wie wir uns dies vorgestellt haben.

Ich komme jetzt zu der von Ihnen in Anspruch ge-
nommenen inhaltlichen Vorreiterrolle. Der vorliegende

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(C (D esetzentwurf ist nicht durchdacht. Er enthält zudem utzende unbestimmte Rechtsbegriffe, die entweder gar icht geklärt oder in späteren Rechtsvorschriften gereelt werden sollen. (Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Oder durch Gerichtsentscheidungen!)


er Gesetzentwurf weist also gravierende inhaltliche
nd juristische Mängel auf.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Birgit Homburger [FDP] – Ulrich Kelber [SPD]: Die Frau Gönner ist schon widerlegt!)


Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Frau Gönner hat im Aus-
chuss eine ganz sachliche Diskussion geführt.


(Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Die hat schlampig gearbeitet! – Ulrich Kelber [SPD]: Die ist schon widerlegt!)


Das ist widerlegt. Ich halte den Brief, den heute der
taatssekretär geschrieben hat, nicht für redlich. Wir
erden in der nächsten Sitzung auf diese Dinge noch-
als eingehen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Toller Brief!)


Es ist klar, dass Sie ihn toll finden. Dass der Staatsse-
retär in der Sitzung unsere Vorschläge aufgegriffen hat,
eigt, dass er rechtlich den falschen Weg beschritten hat.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511208300

Lassen Sie den Kollegen bitte zum Schluss kommen,
eil seine Redezeit abgelaufen ist.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Denken Sie daran: Das war der letzte Schlusssatz!)



Georg Girisch (CSU):
Rede ID: ID1511208400

Ich bin mir sicher, Sie werden in den nächsten Jahren

och so manches Mal wünschen, bei diesem Gesetz die
pposition stärker eingebunden oder mit ihr zusammen-
earbeitet zu haben.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Genau!)

uf diese Weise hätten noch viele juristische, aber auch
andwerkliche Fehler korrigiert werden können.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511208500

Herr Kollege, bitte.


Georg Girisch (CSU):
Rede ID: ID1511208600

Sie haben stattdessen vorgezogen, die Opposition fak-

isch nicht am Beratungsverfahren zu beteiligen.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Nun ist genug!)


ie eröffnen mit Ihrem Gesetzentwurf Tür und Tor für
ine ganze Reihe von Klagen – –


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Der Strom ist alle!)







(A) )



(B) )



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511208700

Das Wort hat jetzt der Herr Minister Trittin.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Frau Präsidentin! Wir sind gebeten worden, einer
Frage nachzugehen, die Frau Gönner im Ausschuss ge-
stellt hat, nämlich ob es beim Vorliegen bestimmter Vo-
raussetzungen hinreichend sei, die einzelnen Vorausset-
zungen, die jede für sich hinreichend ist, durch ein
Komma zu trennen und anschließend ein „oder“ anzu-
hängen. Mein Staatssekretär hat Frau Gönner zugesagt,
diese Frage zu prüfen. Das Ergebnis der Prüfung will ich
Ihnen, da Sie das hier erwähnen, nicht vorenthalten. Es
ist nämlich so, dass die im Gesetzentwurf gewählte For-
mulierung korrekt ist.

Dem „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“, herausge-
geben vom Bundesministerium der Justiz, können Sie in
der neu bearbeiteten Auflage von 1999 auf Seite 51 ent-
nehmen:

Das Wort „oder“ ist immer dann zu verwenden,
wenn a) in einer Rechtsvorschrift verschiedene Vor-
aussetzungen festgelegt werden sollen oder b) an
einen Tatbestand Rechtsfolgen in der Weise ange-
knüpft werden,

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Da müssen Sie schon Probleme haben, wenn Sie sich mit so was beschäftigen!)

dass jeweils nur eine von ihnen eintreten soll. Wer-
den die einzelnen Voraussetzungen oder Rechtsfol-
gen durch Kommata voneinander getrennt, muss
das Wort „oder“ vor die letzte Voraussetzung oder
Rechtsfolge gesetzt werden.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Hätten Sie sich so viel Zeit für die Beratung des Gesetzes genommen, wäre es sinnvoller gewesen!)

Dies gilt auch bei listenförmiger Anordnung der
Aufzählung.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Peinlich ist das!)

So weit zur Rechtsförmlichkeit, der wir in vollem Um-
fang nachgekommen sind und die wir auf Bitten von
Frau Gönner gerne noch einmal überprüft haben.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511208800

Das war jetzt eigentlich eine Stellungnahme zur De-

batte.
Sie, Herr Girisch, möchten dazu noch etwas sagen.

Dann gebe ich Ihnen das Wort. Drei Minuten, bitte.


Georg Girisch (CSU):
Rede ID: ID1511208900

Herr Minister, Sie waren bei der Debatte im Aus-

schuss nicht anwesend. Ich muss Ihnen sagen, dass eine
ganze Galerie von Beamten dort war. Es waren noch nie
so viele Beamte aus Ihrem Hause anwesend wie bei die-
ser Beratung. Es waren mit Sicherheit einige Juristen da-

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(C (D ei, die sich mit Frau Gönner an Ort und Stelle hätten useinander setzen können. (Ulrich Kelber [SPD]: Das ist doch versucht wor den! Frau Gönner wollte nicht zuhören!)

ie waren dazu offenbar auch nicht in der Lage.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist Beamtenbeleidigung, was Sie da machen! Beamtenbeschimpfung! Der Beamtenbund wird sich Hilfe suchend an Sie wenden!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511209000

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Reinhard Loske.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Ich muss schon sagen: Ich finde, dass dieses Klein-
lein für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer gar
icht nachvollziehbar ist.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Reden Sie einmal mit Ihrem Minister!)


enn Sie das aber haben wollen, dann kann ich Ihnen
olgendes sagen: Wir sind im Ausschuss auf Sie einge-
angen, als es um die Verbindung von TEHG und dem
ationalen Allokationsplan ging, und zwar deshalb, weil
ir sicherstellen wollten, dass Sie dem TEHG im Ver-
ittlungsausschuss zustimmen. Das haben Sie jetzt ge-
acht. Dafür ein herzliches Dankeschön. Das heißt, wir
ind einer Meinung. Sie bauen nur einen Popanz auf.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

etzt zur Sache. Vor wenigen Tagen – ich glaube,
orgestern – lief eine Umfrage vom Europressedienst
ber den Ticker. Die will ich uns nicht vorenthalten. Da-
ach sind 69 Prozent unserer Bevölkerung der Meinung,
ir müssten weg vom Erdöl. 58 Prozent sind der An-
icht, dass die jetzige wirtschaftliche Situation unmittel-
ar von der Entwicklung der Ölpreise abhängt.
2 Prozent meinen, dass die erneuerbaren Energien
er Ausweg sind. Ich glaube, diese Relationen zeigen,
o die Aufgabe für uns hier im Parlament liegt. Bei aller
ertschätzung, Herr Kollege Lippold, für James
ovelock und seine Gaia-Hypothese: Die Leute wollen
icht die Atomenergie, sondern sie wollen den Einstieg
n die erneuerbaren Energien. Dafür stehen wir und da-
ür werden wir uns einsetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn man diese Woche ins Kino geht, dann stößt
an auf den Film „The Day after Tomorrow“. Er behan-
elt den Klimawandel, allerdings nur ein Szenario, näm-
ich den abrupten Klimawandel. Das ist wohl nicht das
ahrscheinlichste, aber es ist ein denkbares Szenario.
enn die Leute in die Zeitung schauen, dann lesen sie,
ass ein Fass Öl heute 40 Dollar kostet.






(A) )



(B) )


Dr. Reinhard Loske

Diese beiden Aspekte – die Versorgungssicherheit und
die Ressourcenverfügbarkeit einerseits und das Klima
andererseits – müssen in politischer Hinsicht zusammen
betrachtet werden. Es ist unsere Aufgabe, klar zu ma-
chen, dass die Abwendung vom Erdöl sowohl eine sehr
wichtige Klimaschutzstrategie als auch eine Strategie
zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit ist. Denn
die Sonne schickt uns keine Rechnung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Positiv ist auch – das sollten wir nicht vergessen –,
dass Russland jetzt anscheinend bereit ist, das Kioto-
Protokoll zu ratifizieren, sodass dann endlich der Kioto-
Prozess beginnen könnte. Ich bedanke mich herzlich bei
der EU-Kommission, bei Herrn Prodi und anderen, dass
sie sich dafür eingesetzt haben, Russland in den WTO-
Verhandlungen ein Stück weit entgegenzukommen, so-
dass es Russland möglich wurde, das Protokoll zu ratifi-
zieren.

Es geht also nicht – wie es manche von Ihnen in den
vergangenen Monaten suggeriert haben – um einen
Plan B zum Kioto-Protokoll; es geht vielmehr um
„Kioto plus“. Zu diesem Plus gehört auch die Konferenz
„renewables 2004“, die in der nächsten Woche in
Deutschland stattfinden und ein sehr wichtiges Signal an
die Staatengemeinschaft aussenden wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Horst Kubatschka [SPD])


Noch eine letzte Vorbemerkung: Ich halte es auch für
sehr positiv, dass der Nachhaltigkeitsrat diese Woche
als mittelfristiges Klimaschutzziel für Deutschland die
40-prozentige Kohlendioxidreduktion – ausgehend vom
Basisjahr 1990 – bis zum Jahr 2020 bekräftigt hat. Das
ist die Planungssicherheit, die für die Politik wie auch
für die Unternehmen erforderlich ist. Damit können wir
auch anderen Ländern gegenüber signalisieren, dass wir
unsere Vorreiterrolle ernst nehmen.

Gestatten Sie mir noch eine kurze Bemerkung zum
nationalen Zuteilungsplan. Ich verhehle nicht, Frau
Homburger: Ich hätte mir eine einfachere und an-
spruchsvollere Ausgestaltung vorstellen können. Im
letzteren Fall wären Sie nicht mit im Boot gewesen, aber
was das Erste angeht, bin ich mit Ihnen einer Meinung.
Ich glaube trotzdem, dass darin sehr viele positive Ele-
mente enthalten sind. Ich halte es zunächst einmal für ei-
nen Wert an sich, dass wir fristgerecht geliefert und ge-
genüber Brüssel signalisiert haben: Wir wollen, dass es
zum 1. Januar 2005 losgeht. Das ist sehr wichtig.

Ich halte es darüber hinaus für entscheidend, dass für
beide Verpflichtungsperioden Reduktionsziele vorgese-
hen sind. Wichtig ist auch, dass eine Übertragungsrege-
lung gefunden wurde, die Anreize für frühe Modernisie-
rungsinvestitionen in innovative Energietechnik bietet.
Das alles ist positiv.

Ich stelle mit einem gewissen Selbstbewusstsein fest:
Es war sehr gut, dass die Koalitionsfraktionen den Ge-
setzentwurf nachgebessert haben. Wir haben die Caps
– die Obergrenzen – verbindlich festgeschrieben. Das er-

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(C (D öht die Verbindlichkeit des Gesetzes. Die im Nationaen Allokationsplan der Regierung genannte Obergrenze on 499 Millionen Tonnen für die erste Periode bildet amit die Konstante. Sie umfasst alle Zuteilungen für ltund Neuanlagen. Das ist im Gesetzentwurf klar geegelt und es ist richtungweisend. Darüber hinaus haben wir eine Malusregelung in den esetzentwurf aufgenommen. Nach dieser Regelung üssen besonders alte Anlagen früher vom Netz genomen werden. Es ist doch geradezu ein Witz, dass zurzeit och Anlagen in Betrieb sind, die vor 45 oder gar 0 Jahren ans Netz gegangen sind. Vom Innovationstandort Deutschland darf man wohl etwas mehr erwaren. Das haben wir im Gesetzentwurf verankert. Auch was Sie zum Thema Early Action gesagt ha en, Frau Homburger, ist nicht wahr. In den neuen Bunesländern gab es eine Ungleichbehandlung zwischen en großen Spielern – ich will an dieser Stelle keine Naen nennen – und den Stadtwerken. Wir haben es ereicht, diejenigen, die besonders früh besonders viel geacht haben und besonders ehrgeizig vorgegangen sind, tärker zu belohnen als jene, die nur wenig gemacht haen. Auf gut Deutsch: Wer viel in Richtung Effizienzerbesserung und Kraft-Wärme-Kopplung getan hat, ird belohnt. Das ist auch gut so. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich komme zu einem letzten Argument. Wir haben
ine Newcomer-Reserve und eine Härtefallregelung
ingeführt. Auch das ist sehr wichtig. Dadurch steigt der
rfüllungsfaktor von 2,5, wie im Regierungsentwurf an-
egeben, auf 2,91. Das heißt, bis 2007 muss eine Reduk-
ion um knapp 3 Prozent erfolgen. Wenn Sie aber so tun,
rau Homburger, als handele es sich dabei um eine Kon-
ession an die KWK oder die Stadtwerke, dann ist das
icht wahr. Die Wahrheit ist, dass der Erfüllungsfaktor
u einem Löwenanteil – ich möchte fast sagen: aus-
chließlich – auf die Einführung einer Härtefallregelung
m Sinne der Wirtschaft zurückzuführen ist. Wenn Sie
ich dagegenstellen wollen, dann machen Sie das bitte;
ber seien Sie dann auch ehrlich!
Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD], zur Abg. Birgit Homburger [FDP] gewandt: Sie haben nicht gerechnet! Sie müssen mal rechnen! Dann sehen Sie es! Sie machen es sich ein bisschen einfach! – Gegenruf der Abg. Birgit Homburger [FDP]: Wer es sich einfach macht, sind Sie!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511209100

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Michael Stübgen.

Michael Stübgen (CDU):
Rede ID: ID1511209200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Der hier zur Abstimmung stehende Gesetzent-
urf über den Nationalen Allokationsplan weist viele






(A) )



(B) )


Michael Stübgen

bürokratische Unsinnigkeiten und wirtschaftsfeindliche
Aspekte auf, schädigt daneben einseitig die ostdeutsche
Industrie und fördert ebenso einseitig die nordrhein-
westfälische Kohleindustrie. Aber nicht nur das: Das
Gesetz wird sich zu einem Gesetz entwickeln, das den
Transfer von Ost nach West befördert. Denn die ostdeut-
sche Industrie und insbesondere die bisher erfolgreiche
Braunkohleindustrie muss aus ihrer Substanz den längst
überfälligen Sanierungsbedarf der nordrhein-westfäli-
schen Kohleindustrie finanzieren.

Es ist zwar normal in diesem Haus, dass bestimmte
Gruppen versuchen, regionale Industrieinteressen
durchzusetzen. Wir als unabhängige Abgeordnete sind
aber dazu da, den Interessenausgleich für die gesamt-
deutsche Wirtschaft im Auge zu behalten. Ein derartig
skrupelloser Versuch wie in diesem Gesetzentwurf, die
nordrhein-westfälische Kohleindustrie auf Kosten der
ostdeutschen Wirtschaft zu fördern, ist mir allerdings
noch nicht untergekommen. Ich möchte Ihnen das an
drei Punkten kurz nachweisen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Wo bleiben denn Ihre Änderungsanträge?)


– Die Länder Brandenburg und Sachsen werden im Bun-
desrat gegen den Gesetzentwurf stimmen und den Ver-
mittlungsausschuss anrufen; das sage ich Ihnen voraus.

Erstens. Die ostdeutsche Industrie hat mit Beginn der
90er-Jahre, und zwar schon vor 1994, sehr erfolgreich
erhebliche Investitionen in den Umweltschutz getätigt.
Zum Teil kommt der vorliegende Gesetzentwurf mit der
so genannten Early-Action-Regelung dem entgegen. Das
Problem ist aber, dass Sie in dem Gesetzentwurf alle In-
vestitionen, die vor 1994 getätigt wurden, ausschließen.
Somit wird von vornherein ein großer Teil der Umwelt-
schutzinvestitionen in der ostdeutschen Industrie, insbe-
sondere in der Braunkohleindustrie, von der Anrechnung
ausgeschlossen. Das Ergebnis wird sein, dass eine ganze
Reihe unserer ostdeutschen Industriebetriebe sehr bald
Emissionszertifikate kaufen müssen, weil Sie deren Um-
weltschutzinvestitionen nicht angemessen anrechnen.

Zweitens. Die Investitionen, die unter die im Gesetz-
entwurf vorgesehenen Early-Action-Regelung fallen
– sie ist im Grunde richtig –, werden im Verhältnis zu den
so genannten Newcomer-Investitionen schlechter bewer-
tet. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Für einen
Braunkohlekraftwerksblock, der 1995 ans Netz gegan-
gen ist, würde der betreffende Betreiber nach Ihrer Rege-
lung bis 2007 den Erfüllungsfaktor 1 zugeteilt bekom-
men, aber auch nur, wenn seine Early Action angerechnet
wird. Das heißt, er müsste bis dahin keine Emissionsmin-
derungen realisieren. Von 2008 an müsste dieses Unter-
nehmen aber – davon wäre eine ganze Reihe von Kraft-
werksbetreibern betroffen – auf Kosten der eigenen
Wirtschaftlichkeit Emissionszertifikate erwerben


(Ulrich Kelber [SPD]: Oder mindern!)

und verlöre damit seine Marktfähigkeit.

Wenn dagegen ein Betreiber einen 40 Jahre alten
Braunkohlekraftwerksblock mit einem schlechten Wir-
kungsgrad und mit extrem ungünstigen Emissionswer-

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(C (D n, der zum Beispiel im Rheinland steht und der im ahrsten Sinne des Wortes eine Dreckschleuder ist, 005 modernisiert, dann bekommt er – wo ist hier der mweltpolitische Aspekt? – bis einschließlich 2023, also 8 Jahre lang, den Erfüllungsfaktor 1 zuerkannt, aber icht nur das: Zusätzlich bekommt er bis 2009, also vier ahre lang, die Emissionszertifikate auf Basis der Altmissionen der Dreckschleuder zugeteilt, die er nicht ehr benötigt und die er für bares Geld zum Beispiel an chlechter gestellte ostdeutsche Unternehmen verkaufen ann. Vor diesem Hintergrund kann von Wettbewerbsleichheit in keiner Weise die Rede sein. (Ulrich Kelber [SPD]: Wo war Ihr Änderungsantrag?)


Die werden kommen.
Drittens. Auch bei der Regelung des Neubaus von
ohlekraftwerken hat Herr Clement besonders gut auf-
epasst. Es ist allgemein bekannt, dass in den nächsten
5 Jahren circa 40 neue Kraftwerke in Deutschland ge-
aut werden müssen.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Sie müssen nicht!)


Selbstverständlich. – Gerade hier gäbe es günstige In-
estitionsmöglichkeiten für die wirtschaftlich hervorra-
end arbeitende Braunkohleindustrie in der Lausitz und
Mitteldeutschland. Das Gesetz soll aber diese Investi-
onsmöglichkeiten verhindern; denn für den Neubau
on Kraftwerken nach 2005 – so ein Zufall, Herr
lement! – werden als Benchmark für den Erfüllungs-
aktor 1 die Emissionswerte eines modernen Steinkohle-
raftwerkes zugrunde gelegt werden. Diese Werte kann
uch das modernste Braunkohlekraftwerk nicht erfüllen.
o können die Betreiber von Braunkohlekraftwerken
ünftig nicht mehr am Wettbewerb teilnehmen. Sie wer-
en kategorisch ausgeschlossen.
Es gibt aber eine Ausnahme – das ist die größte Un-

erschämtheit –: Wenn man ein altes Kraftwerk schließt,
ann ist es erlaubt, auf der Basis der Newcomer-Rege-
ng ein neues Kraftwerk zu errichten und es 18 Jahre zu
etreiben. Sie wissen ganz genau, dass in den neuen
undesländern kein einziges altes Kraftwerk mehr steht.
afür gibt es aber massenweise Dreckschleudern in
ordrhein-Westfalen. Dieses Lobbyistengesetz ist eine
nglaubliche Unverschämtheit und geht auf Kosten der
euen Bundesländer.
Ich habe nachgewiesen, dass dieses Gesetz eine Lex
ordrhein-Westfalica ist, dass es kurzfristig wahltakti-
che Überlegungen der nordrhein-westfälischen SPD un-
rstützen soll und dass es langfristig die ostdeutsche In-
ustrie schädigen wird.


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie als Pfarrer sollten sich für so etwas schämen!)


Liebe Kollegen von der SPD, wenn Sie verstanden
aben, warum Sie hier im Bundestag sitzen, dann kön-
en Sie dieses clementsche Lobbyistengesetz nur ableh-
en. Wenn Sie mir noch immer nicht glauben, möchte
h Ihnen kurz aus einem Schreiben des Ministerpräsi-
enten Platzeck – er ist ein unverdächtiger Zeuge – an






(A) )



(B) )


Michael Stübgen

Ihren Fraktionsvorsitzenden Müntefering von dieser
Woche zitieren:

Durch die frühzeitigen Modernisierungen in Ost-
deutschland, die die Erreichung der Klimaschutz-
ziele für Deutschland überhaupt erst ermöglichen,
haben ostdeutsche Unternehmen erhebliche Vor-
leistungen erbracht, die angemessen anerkannt wer-
den müssen. … Ein Bruch dieser Zusage durch
Bundesregierung und Bundestag würde weder auf
das Verständnis der Menschen in der Lausitz noch
auf das Verständnis der Landesregierung treffen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Dieses Problem ist längst gelöst!)


– Das ist überhaupt nicht gelöst. – Herr Platzeck befindet
sich übrigens im Wahlkampf. Unterstützen Sie ihn und
lehnen Sie dieses schlechte Gesetz ab!

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Sie erzählen die Unwahrheit! Dieses Problem ist längst gelöst! Das ist doch unglaublich! Und so etwas ist Pfarrer!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511209300

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ulrich Kelber.


Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1511209400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Natürlich erfordert der letzte Redebeitrag, der
aus einer Aneinanderreihung von Unwahrheiten bestand,
eigentlich eine sofortige Reaktion. Aber ich möchte ei-
nen ganz anderen Einstieg wählen.

Vor einigen Monaten war eine Parlamentarierdelega-
tion der pazifischen Inselstaaten hier in Berlin zu Besuch
beim Deutschen Bundestag. Die Heimat dieser Men-
schen wird in wenigen Jahrzehnten verschwunden sein.
Grund dafür ist der Klimawandel, der den Meeresspiegel
ansteigen lässt. Einige der pazifischen Inselstaaten ha-
ben mit Neuseeland bereits die Evakuierung der gesam-
ten Bevölkerung vereinbart. Das sind sichtbare Opfer
unseres Umgangs mit Energie und Ressourcen.

Ich erwähne diese Begegnung aus zwei Gründen:
Erstens. Es gab die dringende Bitte gerade an uns

Deutsche, beim Klimaschutz nicht nachzulassen. Wir
seien eines der wenigen positiven Beispiele in der Welt.

Zweitens. Bei allen Debatten um Details des Emis-
sionshandels, beim Feilschen um Emissionszertifikate
und beim Schachern um Sonderregelungen sollten wir
eines bedenken: Den Emissionshandel führen wir für
den Klimaschutz ein und für nichts anderes. Das schei-
nen manche in dieser Debatte schon längst vergessen zu
haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zügiger und wirksamer Klimaschutz ist dringender

notwendig denn je. Je mehr wir wissen – das Wissen
wächst eigentlich jeden Tag an –, desto deutlicher wer-

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(C (D en die katastrophalen Folgen. Wir wissen, dass der Antieg der Temperaturen schneller erfolgt als erwartet, ass sich weder Fauna noch Flora daran anpassen könen. Die Eisschmelze von Gletschern und an den Polen eht schneller vonstatten und übertrifft alle Erwartunen. Der Meeresspiegel könnte nicht nur durch Schmelzasser und Ausdehnung langsam, sondern durch Abutschen großer Eismassen auch durchaus sprunghaft nsteigen. Wenn das der Fall ist, dann werden wir vor roblemen, auch vor wirtschaftlichen, stehen, die ganz nders sind als diejenigen, die in der gesamten Debatte arüber, was wir in den Klimaschutz investieren, eine olle spielen. Dem Süden der Welt, aber auch dem Mittelmeerraum nd dem Süden der USA drohen verstärkte Dürren. em Norden der Welt drohen verheerende Hochwasser. aben wir eigentlich alle schon vergessen, was 2002 in nserem eigenen Land passiert ist? Das ist auf einmal in einem einzigen Beitrag, weder im Umweltausschuss och heute, von der Opposition erwähnt worden. Man sollte sich an dieser Stelle auch einmal fragen, as der Zusammenbruch des Golfstroms für ein Land ie das unsrige bedeuten kann. Erlauben Sie gerade mir ls Bonner Abgeordnetem diesen Vergleich; schließlich iegt Berlin auf der Höhe von Südalaska. Wir führen den europäischen Emissionshandel in eutschland ein, weil wir so zum Klimaschutz beitraen. Mit dem Emissionshandel stellen wir sicher, dass ie Emissionen von klimaschädlichen Gasen in Deutschand auch in den nächsten Jahren stetig zurückgeführt erden. Wir wollen den Emissionshandel auch einfühen, weil der Klimaschutz so preisgünstiger als mit andeen Mitteln erreicht werden kann. Das hat auch der Verreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie auf er Expertenanhörung des Bundestages noch einmal beont. Er war dort von der CDU/CSU eingeladen. Herr Kollege Kelber, gestatten Sie eine Zwischen rage der Kollegin Flachsbarth? Ja, selbstverständlich. Herr Kollege Kelber, ohne die schlimmen Folgen ei es möglichen Klimawandels in Abrede stellen zu wolen – jedes Wort, das Sie dazu sagen, kann sicherlich unerstrichen werden –, möchte ich von Ihnen gerne rfahren, ob Sie wissen, in welchem Verhältnis die CO2-rsparnisse in der Bundesrepublik Deutschland in den ächsten zwei Perioden zu dem Zuwachs an CO2-Emis-ionen, zum Beispiel in den Vereinigten Staaten, in ussland oder auch in China, stehen. Frau Kollegin Flachsbarth, die ehemalige Umweltinisterin Angela Merkel – sie selbst hat damals die Ulrich Kelber international verbindlichen Zusagen zum Klimaschutz mit unterschrieben –, (Birgit Homburger [FDP]: Das ist keine Antwort!)


(Beifall des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD])

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511209500
Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1511209600
Dr. Maria Flachsbarth (CDU):
Rede ID: ID1511209700
Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1511209800




(A) )


(B) )


reagiert heute auf die Klimaschutzverpflichtungen, die
wir jetzt erfüllen wollen, indem sie durch die Gegend
rennt und „Das sind ja nur 0,04 Prozent“ sagt oder mit
anderen Zahlen um sich wirft. Damit meint sie eigent-
lich, ohne es auszusprechen, dass wir uns um dieses
Thema nicht mehr kümmern sollen. Wer so vorgeht, wer
immer sagt, sein Beitrag sei ja nur so klein und unbedeu-
tend,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie hat eine ganz andere Frage gestellt!)


der wird seiner Verpflichtung nicht gerecht, einer welt-
weiten Bedrohung entgegenzutreten und zu zeigen, dass
es technologische Potenziale gibt, die Ausstrahlungs-
kraft auch für andere Regionen haben können. Wenn wir
zum Beispiel eine neue Kraftwerksgeneration einführen
oder wenn wir neue Technologien auf dem Gebiet der er-
neuerbaren Energien entwickeln, weil wir Klimaschutz
ernst nehmen, dann können diese neuen Kraftwerke oder
Technologien auch in anderen Ländern eingesetzt wer-
den und dort einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Ich nenne dafür ein konkretes Beispiel; Sie haben ja
China genannt.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das hat doch mit der Frage nichts zu tun!)


– Sie verstehen den Zusammenhang nicht. Das hat mit
der Frage sehr viel zu tun.


(Birgit Homburger [FDP]: Das ist unverschämt! – Georg Girisch [CDU/CSU]: Halten Sie die Leute für dumm?)


– Nein. – Ein Beispiel.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Beantworten Sie die Frage!)

– Wollen Sie die Frage beantwortet haben oder wollen
Sie dazwischenquatschen?


(Unruhe bei der CDU/CSU)

– Ich warte, bis Sie fertig sind und beantworte dann die
Frage von Frau Flachsbarth zu Ende.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie haben noch nicht einmal damit angefangen!)


Die chinesische Regierung hat angekündigt, dass sie
die erneuerbaren Energien mit einem Gesetz nach dem
Beispiel des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes
fördern will.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was wir hier sozusagen im kleinen Rahmen zum Klima-
schutz gemacht haben, wird in einem Land mit
1,2 Milliarden Einwohnern fortgesetzt. Das zeigt, wie
man Klimaschutz machen kann. Man darf sich nicht zu-
rücklehnen nach dem Motto: Mein Beitrag ist eh so

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(C (D lein. Ich brauche nichts zu tun. – Frau Flachsbarth, icht mit uns! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Die Frage ist immer noch nicht beantwortet!)


Frau Präsidentin, Sie haben mir übrigens 45 Sekun-
en Redezeit abgezogen, als ich noch geantwortet habe.
arauf wollte ich nur kurz hinweisen.


(Zuruf von der SPD: Prima, Uli, das war richtig!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511209900

Ich darf Sie und die anderen Kollegen daran erinnern:

olange ich die Leitung hier innehabe, tue ich das, wie
ch es für richtig halte. Das brauchen Sie nicht zu kriti-
ieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

afür sollten Sie sich entschuldigen.

Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1511210000

Es war ein Fehler.
Deutschland kann seine international verbindlichen

usagen zum Klimaschutz, abgegeben von der Regie-
ung Kohl und bestätigt durch SPD und Grüne, am preis-
ünstigsten mit dem Emissionshandel einhalten.
iemand kann das leugnen. Jedes Unternehmen hat in
ukunft drei einfache Möglichkeiten, seinen Beitrag
um Klimaschutz zu leisten: Es kann selbst im vorge-
chriebenen Umfang die Emissionen mindern, übrigens
uch durch Projekte im Ausland. Es kann Emissions-
echte von anderen Unternehmen zukaufen, die selber
ehr gemindert haben, als vorgeschrieben war. Es kann
elber seine Emissionen mehr reduzieren, als vorge-
chrieben war, und die gewonnenen Zertifikate verkau-
en. Wir führen im Klimaschutz also ein marktwirt-
chaftliches Instrument ein.
Ich möchte dazu eine persönliche Anmerkung ma-

hen. Auch ich hätte mir vorstellen können – damit
omme ich Ihnen ein ganzes Stück entgegen, Frau
omburger –, dieses Instrument noch marktwirtschaftli-
her auszugestalten, noch klarere Marktsignale zu set-
en. Ich wundere mich in diesem Zusammenhang auch
twas über die deutsche Wirtschaft. Erst liegt sie der Po-
itik über Jahre in den Ohren mit der Forderung: Führt
en Emissionshandel ein! – Wenn die Politik dies macht,
ird mit aller Lobbymacht auf eine Sonderregelung
ach der anderen gedrängt. Wenn die Politik die Sonder-
egelungen schafft, treten dieselben Lobbygruppen auf
nd sagen: Jetzt sehen wir aber zu viel Bürokratie in
em System.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ehr nachhaltig ist das Verhalten der Wirtschaftsver-
ände in dieser Frage sicherlich nicht.
Lassen Sie uns bei der Fortschreibung des Emissions-

andels doch gemeinsam noch mehr auf den Markt set-






(A) )



(B) )


Ulrich Kelber

zen: Jedem für die gleiche Produktion die gleiche Menge
von Zertifikaten! Veraltete Anlagen müssen dann zukau-
fen und neue Anlagen können, weil sie effizienter sind,
Zertifikate am Markt verkaufen und haben so einen Vor-
teil im Emissionshandel. Ich schätze es so ein, dass wir
bei der Fortschreibung dieses Gesetzes in 2006 oder in
2009, wenn die dritte Stufe kommt, ein breites Bündnis
dafür haben werden. Ich hoffe, dass diese Mehrheiten
auch dann noch vorhanden sind.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Nein, nein! Das werden garantiert andere sein! Ab 2006 gibt es andere Mehrheiten!)


– Breite Mehrheiten über alle Parteien hinweg!
Wie ordnet sich eigentlich die Umsetzung des Emis-

sionshandels innerhalb der EU ein? Herr Girisch, aber
auch andere Kollegen haben diese Frage angesprochen.
Herr Lippold – er ist leider nicht mehr da – hat von zwei
Ländern gesprochen.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Er kommt gleich zurück!)


Inzwischen haben aber bereits neun der alten EU-Mit-
gliedstaaten und zwei der neuen EU-Mitgliedstaaten ih-
ren nationalen Allokationsplan vorgelegt. Die EU-Kom-
mission hat zu Recht angedeutet und an bestimmten
Stellen auch schon in expliziter Form zum Ausdruck ge-
bracht, dass sie auf die Einhaltung der EU-Richtlinie und
des Klimaschutzes in den nationalen Allokationsplänen
achten wird. Auch wir werden darauf achten, dass alle
Mitgliedstaaten die gleichen Regeln einhalten müssen.


(Birgit Homburger [FDP]: Da sind wir mal gespannt!)


Deutschland ist übrigens keineswegs überall Vorreiter
im Emissionshandel. Mehrere Mitgliedstaaten haben
zum Beispiel der Energiewirtschaft wesentlich höhere
Auflagen erteilt als wir in Deutschland. Dafür hat dort
die restliche Industrie mehr Freiheiten bekommen.
Großbritannien hat insgesamt einen ambitionierteren
Plan vorgelegt als Deutschland, weil man dort davon
überzeugt ist, dass Investitionen in den Klimaschutz Ar-
beitsplätze schaffen.

Es gibt noch einen weiteren Punkt, den man erwähnen
muss, um nicht einer nationalen Selbsttäuschung zu un-
terliegen. Bei allem Stolz auf den Klimaschutz in
Deutschland, auf die Gemeinsamkeiten im Parlament zu
dem Thema und die Maßnahmen der letzten Jahre gilt:
Noch immer liegt unser Pro-Kopf-Ausstoß über dem
Durchschnitt der Europäischen Union, weil 90 Prozent
der Emissionsminderungen – da gebe ich dem Kollegen,
der vor mir geredet hat, Recht – in den neuen Bundeslän-
dern erbracht wurden und die ökologische Modernisie-
rung für den Klimaschutz im Westen unseres Landes erst
noch erfolgen muss. Dafür soll auch der Emissionshan-
del einen Anstoß geben. Erste Erfolge können wir am
heutigen Tage schon vorweisen.

Ich komme damit zu den ökologischen Erfolgen in
der Umsetzung des Emissionshandels:

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(C (D Über Bonusund Malusregelungen motivieren wir ur Erneuerung des deutschen Kraftwerksparks. Es ist orhin schon erwähnt worden: Der erste Antrag für die odernisierung eines Doppelblocks ist von RWE vorge egt worden; es sollen pro Block 2 Millionen Tonnen pro ahr eingespart werden, also über 4 Millionen Tonnen im ahr, nachdem die Modernisierung erfolgt ist. Es ist richtig, dass mit diesem Gesetz der Ausbau der raft-Wärme-Kopplung auch in Zukunft gefördert wird; ie ist nämlich besonders klimafreundlich. Wenn man missionshandel betreibt, um für Klimaschutz zu soren, warum soll man dann nicht eine klimafreundliche nergieart fördern? Wir haben natürlich auch darauf geachtet, dass früh eitig ergriffene Maßnahmen für den Klimaschutz beohnt werden. Wer in den letzten Jahren modernisiert at, braucht für einen Zeitraum von bis zu zwölf Jahren ach der Modernisierung keine weitere Minderung von limaschädlichen Gasen erbringen. Er kann es aber tun, ann hat er einen weiteren Vorteil im Wettbewerb mit etreibern alter Anlagen. Wir haben auch darauf geachtet – das kommt gerade en ostdeutschen Stadtwerken entgegen –, dass jeder, er eine Reduzierung der klimaschädlichen Gase um ehr als 40 Prozent erreicht hat, diesen Wettbewerbsorteil sogar bis zum Jahre 2012 erhält. Das ist ein wichiges Signal: Wer mehr tut, als der Gesetzgeber verlangt, ird dafür belohnt. Das wird auch in Zukunft so sein. Es wird auch – entgegen der Meinung von Wirt chaftsverbänden und Opposition – keinen Stillstand geen: Wir verlangen, dass der Ausstoß an klimaschädlihen Gasen jedes Jahr in Deutschland weiter gemindert ird. Wir haben uns verpflichtet, in den Sektoren Verehr und private Haushalte einen deutlichen Beitrag zu eisten. Schließlich werden wir das Kioto-Ziel von 46 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß sogar noch umMillionen Tonnen unterschreiten. Erlauben Sie mir auch, darauf hinzuweisen, dass wir ie vielen Einsprüche, die vonseiten der unter die neuen egelungen fallenden Unternehmen, der Branchenverreter und der Wirtschaftsverbände kamen, sehr ernst geommen haben und auf mögliche wirtschaftliche Härten ür sie überprüft haben. So haben wir einige Vorkehrungen getroffen: Wer eue Anlagen schafft, erhält Planungssicherheit. Die uslastung verschiedener Anlagen untereinander kann urch Übertragung von Produktionsund Zertifikatsengen optimiert werden. Prozessbedingte Emissionen, lso solche, die mit heutigen technischen Methoden icht gemindert werden können, werden gesondert beücksichtigt. Wir haben flexible Härtefallklauseln und ine ausreichende Wachstumsreserve geschaffen. Das aben uns auch zwei Experten auf der Anhörung bestägt, und zwar die Vertreter des BDI und des Rheinischestfälischen Institutes, beide übrigens von der CDU/ SU für dieses Gremium benannt. Wir werden mit den flexiblen Instrumenten JI und DM unseren Unternehmen weitere Möglichkeiten röffnen. Als wir am Kompromiss im Ministerrat Ulrich Kelber mitgewirkt haben, haben wir nämlich gesagt, dass wir die Richtlinie in dem Augenblick, in dem sie auf dem Tisch liegt, in Deutschland eins zu eins umsetzen werden. Ich habe übrigens meinen eigenen Stadtwerken zu Hause, den Bonner Stadtwerken, vorgeschlagen – stellen Sie mir bitte eine Zwischenfrage, wenn Sie möchten –, sich an Projekten in unseren Partnerstädten Minsk, Yalova und Petropolis zu beteiligen und die dort erhaltenen Zertifikate in den deutschen Markt einzubringen. Die SPD hat in den letzten Monaten sehr viele Gespräche mit Unternehmen, Verbänden und Umweltschützern zu diesem Thema geführt. Nach dem Beschluss von Mittwoch haben wir viele E-Mails, Faxe und Telefonate erhalten, in denen ausnahmslos Zustimmung zur Umsetzung des Emissionshandels geäußert wurde. Eines müssen Sie sich aber anziehen, liebe Kollegen von der CDU/ CSU: Die Haltung zu Ihrem Verhalten sieht wesentlich anders aus. Am Mittwoch gab es die Beratungen im Umweltausschuss. Vorher sind die Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU übers Land gezogen und haben Unternehmen und Verbänden Versprechungen über Versprechungen zum Emissionshandel gemacht; so hat zum Beispiel der allseits bekannte Kollege aus Ostdeutschland gesagt, was die CDU/CSU noch alles zusätzlich für ostdeutsche Unternehmen erreichen wolle. Am Mittwoch hätten Sie Gelegenheit gehabt, Änderungsanträge vorzulegen und die Versprechen einzuhalten, die Sie gegeben haben. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie haben da erst Ihre Änderungsanträge gebracht!)





(A) )


(B) )


(Zuruf von der CDU/CSU: Wie viel Prozent?)


Gab es am Mittwoch Änderungsanträge von der CDU/
CSU? Fehlanzeige! Es kam kein Vorschlag für die gefor-
derten zusätzlichen Boni für ostdeutsche Anlagen,


(Dirk Niebel [FDP]: Hätten Sie denn zugestimmt?)


und das, obwohl der Gesetzentwurf seit über einem Mo-
nat vorliegt. Das heißt, 247 Abgeordnete von der CDU/
CSU waren einen Monat lang nicht in der Lage, einen
einzigen Änderungsantrag zum Emissionshandel zu for-
mulieren.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist eine Frechheit! Oder eine Dummheit! Oder beides bei Ihnen!)


Das zeigt Tatenlosigkeit beim Thema Emissionshandel.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie hätten nämlich zugeben müssen, dass Sie Ihr Ver-
sprechen, allen alles, und das gleichzeitig, zu geben,
nicht hätten einhalten können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D Das ist der Grund, warum wir ohne Ihre inhaltliche eteiligung arbeiten müssen. Reden Sie sich doch nicht amit heraus, dass Ihnen unsere Änderungsanträge zu pät vorgelegen hätten! Sie hatten einen Monat Zeit für nderungsanträge und waren nicht in der Lage, an dieer Stelle einen Alternativvorschlag zu machen. Ich möchte mich bei den Mitarbeitern der beteiligten inisterien, den Fraktionsreferenten, unseren Mitarbeirn und der großen Anzahl aller Beteiligten für die gute usammenarbeit bei diesem Gesetz bedanken. Wir haen ein Klimaschutzinstrument geschaffen, das wirtchaftliche Härten vermeidet, Investitionen anreizen ird und damit zu einer Jobmaschine werden wird. Ich itte um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetz. Sie haben ls Opposition keinen Änderungsantrag vorgelegt, also ollten Sie heute zustimmen können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und noch einal Entschuldigung für meine ungebührliche Anmahung, Frau Präsidentin! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511210100

Vielen Dank. – Ich wollte auch nur darauf hinweisen,

ass am Freitagnachmittag etliche Kollegen nach Hause
ollen und Züge und Flugzeuge erreichen müssen und
ass ich deswegen ein bisschen strenger darauf achte,
as Ganze nicht zu sehr ausufern zu lassen.


(Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Sie legen so ein wichtiges Gesetz auf den Freitagnachmittag und dann hat man noch nicht einmal Zeit, es zu debattieren!)


Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ralf Brauksiepe.

Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1511210200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

en! Die CDU/CSU-Fraktion bekennt sich zur Förde-
ung erneuerbarer Energien und steht damit in der Tradi-
ion dessen, was wir seinerzeit bei der Verabschiedung
es Kioto-Protokolls wesentlich mitverhandelt haben.
ir haben hier im Grundsatz keine Differenz. Allerdings
ird der Unterschied in unserer Politik deutlich, wenn
an das Kioto-Protokoll mit dem vergleicht, was Sie mit
hrem Zuteilungsplan in der nationalen Umsetzung da-
aus gemacht haben. Sie haben das Kioto-Protokoll zum
orwand für eine Politik genommen, die den Industrie-
tandort Deutschland stark gefährdet und die deswegen
on uns zurückgewiesen wird. Darauf haben die Vorred-
er unserer Fraktion mit Recht hingewiesen.
Ich möchte mich hier auf die entwicklungspoliti-

chen Aspekte dieser Debatte konzentrieren und will
och einmal deutlich machen: Die Verbindung von Ent-
icklungs- und Umweltpolitik wird nie so offenkundig
ie bei den Instrumenten des Joint Implementation und
es Clean Development Mechanism. Wir haben sehr
ohl die Möglichkeit, diese Instrumente in unserer na-
ionalen Zuständigkeit stärker zu nutzen. Es wäre richtig,
ie stärker zu nutzen. Wenn Sie das aus ideologischen
ründen nicht wollen, können Sie sich nicht hinter der






(A) )



(B) )


Dr. Ralf Brauksiepe

EU und ihren Vorgaben verstecken, meine Damen und
Herren von der Regierungskoalition.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Kollege Scheer und andere haben mit Recht auf die

Bedeutung der Konferenz in der nächsten Woche in
Bonn und auf die Parlamentarierkonferenz hingewiesen.
Ich bin dankbar, dass es, wenn auch in zähen Verhand-
lungen, hier gelungen ist, zu einem Resolutionsentwurf
zu kommen, den viele mittragen können, was nicht zu-
letzt der Hartnäckigkeit des Kollegen Paziorek zu ver-
danken ist;


(Birgit Homburger [FDP]: Und der Kollegin Brunkhorst, bitte!)


wir haben ein durchaus ausgewogenes Bild herstellen
können.

Aber leider sieht nicht nur das, was Sie national tun,
völlig anders aus, sondern auch das, was Sie mit Ihrem
Antrag heute vorlegen. In dem Resolutionsentwurf für
die Konferenz wird zu Recht darauf hingewiesen, wie
wichtig es ist, dass die Energiekosten für die Entwick-
lungsländer nachträglich gesenkt werden. Es wäre
schön, wenn wir uns das auch für unsere nationale Ener-
giepolitik zu Herzen nähmen. Sie hingegen haben mit
Ihren Maßnahmen dafür gesorgt, dass die wettbewerbs-
bedingten Energiepreissenkungen der letzten Jahre über-
kompensiert worden sind. Das ist eine Politik in genau
die falsche Richtung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es gibt in Ihrem Antrag durchaus bedenkenswerte
Formulierungen. Beispielsweise erklären Sie, dass Sie
die Politik für die Förderung erneuerbarer Energien in
Entwicklungsländern nach marktwirtschaftlichen Prinzi-
pien ausrichten wollen. Ich kann Sie nur dazu aufrufen,
damit im eigenen Land zu beginnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dieser Nationale Zuteilungsplan ist jedenfalls das Ge-
genteil davon.

Ich kann auch nur erneut darum bitten, die eigenen
ideologischen Grundpositionen nicht einfach auf die
Entwicklungsländer zu übertragen. Sie postulieren in Ih-
rem Antrag eine nachhaltige Politik für eine Ener-
giewende, wofür Sie den weltweiten Ausstieg aus der
Kernenergie und aus den fossilen Energieträgern for-
dern.

Es müsste Ihnen eigentlich klar sein, mit welcher Ar-
roganz Sie das völlig legitime Interesse vieler Entwick-
lungsländer an einer friedlichen Nutzung der Kernener-
gie behandeln. Es müsste Ihnen eigentlich auch klar sein,
dass Sie den Entwicklungsländern, die einen preiswerten
Zugang zu fossilen Energieträgern haben, nicht ausreden
können, diesen zu nutzen. Wenn Sie uns das nicht glau-
ben, dann lesen Sie nach, was beispielsweise der Wis-
senschaftliche Beirat beim BMWA schreibt. Er weist
darauf hin, dass es häufig sehr viel besser ist, durch In-
vestitionen in den Kraftwerkspark der Entwicklungs-
länder den Kohlendioxidausstoß zu senken. Der

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(C (D MWA-Beirat weist weiterhin darauf hin, dass dieses orgehen beispielsweise bei dem chinesischen Krafterkspark 30bis 50-mal günstiger ist als die Einsparffekte, die mit Maßnahmen des EEG erzielt werden. enn Sie uns schon nicht glauben, dann sollten Sie doch enigstens Ihren eigenen Fachleuten glauben, die Sie eauftragt haben, Ihnen Ratschläge zu geben. Die Ratchläge liegen auf dem Tisch. Es ist nun an Ihnen, sie mzusetzen. Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen, der ns skeptisch stimmt. Es ist völlig unstrittig, dass gerade n den Entwicklungsländern die erneuerbaren Energien efördert werden müssen. Es sind doch wir, die immer ieder darauf hinweisen, dass die Entwicklungsländer ielfach sehr viel bessere Standortbedingungen für die örderung erneuerbarer Energien haben, als es bei uns er Fall ist. Diese Potenziale gilt es zu nutzen. Die entcheidende Frage ist allerdings, ob man dieses Vorhaben it finanziellen Mitteln unterstützt. Die kontinuierlich ückläufige Entwicklung des BMZ-Etats seit 1998 pricht da leider eine andere Sprache. Mit einzelnen Strohfeuern vor einer solchen Konfe enz – es wurde an einer Stelle etwas dazugepackt, was n anderer Stelle weggenommen wurde – sind diese Proleme nicht zu lösen. Wir fordern Sie also auf: Kommen ie endlich zu einer konsistenten und an den wirklichen edürfnissen der Industrieund Entwicklungsländer orintierten Politik zur Förderung erneuerbarer Energien! ann haben Sie uns auf Ihrer Seite. Mit den Positionen, ie Sie heute dargelegt haben, aber nicht. Vielen Dank. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Petra Pau. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! m Anfang stand eine Drohung: das Wort „Klimakatatrophe“. Es folgten internationale Konferenzen, Klimachutzkonferenzen. Sie mündeten in ehrgeizige erpflichtungen, nämlich Klimaschutzselbstverpflichungen. Dann gab es einen Plan, den Klimaschutzemisionshandelabbauplan. Nun gibt es ein Gesetz. Es ist ein missionsverteilungsgesetz. Vom drohenden Wort bis um vorliegenden Gesetz gingen der Klimaschutz und ie Selbstverpflichtungen weitgehend verloren, wie eim beliebten Kinderspiel „Stille Post“. Dazu hätte es igentlich Rot-Grün nicht bedurft. Ich finde, das hätten ie Unternehmerverbände auch allein so hinbekommen. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511210300
Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1511210400

Die PDS hat immer gesagt: Der Handel mit Emis-
ionsrechten ist umstritten. Er kann bestenfalls ein Teil
ines Maßnahmepaketes sein, das vielfältiger und auch
mfassender ist. Was jetzt vorliegt, ist aber nicht einmal
in Teil. Wer bisher viel CO2 emittiert hat, der darf das






(A) )



(B) )


Petra Pau

auch weiterhin. Wer Sonderwünsche anmeldet, dem
werden sie erfüllt. Die Energiefresser werden gefüttert
und die Energiesparer weiter belächelt. Das eigentliche
Ziel aber, nämlich den CO2-Ausstoß mit marktwirt-schaftlichen Mitteln drastisch zu senken, wurde verne-
belt. Im Streit „Umwelt kontra Wirtschaft“ blieb der
Umweltminister zweiter Sieger. So zweifelte in der An-
hörung im Umweltausschuss nicht nur das Öko-Institut
inzwischen am Sinn dieses rot-grünen Gesetzes.

Nun zurück zum Anfang, zum drohenden Wort „Kli-
makatastrophe“. Das ist natürlich mehr als nur ein Wort.
Es ist auch nicht aus der Welt mit dem heutigen Gesetz.
Wir haben die reale Gefahr nicht einmal gebannt. Wenn
wir auch gern anderes glauben und die Bundesregierung
anderes predigt: Das Problem der drohenden Klimakata-
strophe steht weiter vor uns bzw. schwebt über der Welt.

Der Klimaschutz stagniert seit Jahren, jedenfalls ge-
messen an den CO2-Emissionen. Die Zahlen sind be-kannt und heute mehrfach genannt worden. Das, was als
Klimaplus zu Buche schlägt, geht weitgehend auf das In-
dustrieminus in den neuen Bundesländern zurück.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Die große versprochene Klimaanstrengung in den alten
Bundesländern blieb bisher aus. Sie wird auch durch das
vorliegende Gesetz nicht angeregt. Das ist sein
Hauptmanko. Deshalb lehnt die PDS im Bundestag die-
ses Gesetz heute ab.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511210500

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Marie-Luise Dött.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Marie-Luise Dött (CDU):
Rede ID: ID1511210600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Ge-

setz über den Nationalen Allokationsplan für Treibhaus-
gasemissionsberechtigungen wird zum Zuteilungsgesetz
2007. Der neue Titel ist schön, kurz und prägnant. Die
gravierenden Mängel, die dieses Gesetz hat, sind damit
jedoch nicht behoben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Zuteilungsgesetz ist das wohl wichtigste umwelt-

und wirtschaftspolitische Gesetz dieser Legislatur-
periode. Es werden Entscheidungen getroffen, die von
erheblicher Reichweite sind. In vollem Bewusstsein des-
sen hetzt die Regierungskoalition das Gesetz innerhalb
von einer Woche von der Sachverständigenanhörung am
Montag über die Ausschussberatung am Mittwoch zur
Schlussberatung heute am Freitag.


(Ulrich Kelber [SPD]: Sechs Wochen!)

Herr Kelber, wir nehmen Anhörungen ernst.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)


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(C (D nderungsanträge hätten also nur zwischen Montagbend und Dienstagmorgen beraten werden können; sie üssen ja auch in der Fraktion besprochen werden. (Ulrich Kelber [SPD]: Richtig! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Da sagt er auch noch „richtig“!)


eshalb verweise ich auf unseren Entschließungsantrag,
em Sie ja hätten zustimmen können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das lässt für mich nur den Schluss zu: Sie legen kei-
en Wert auf die demokratische Beteiligung des Parla-
ents. Vielmehr sind die Vertreter der Medien lange vor
en Parlamentariern über die Inhalte Ihrer Änderungsan-
räge bestens informiert worden. Das ist Ihr Verständnis
on Demokratie.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber auch aufseiten der Regierungsfraktionen tappen

inige im Dunkeln, was die Inhalte dieses Gesetzes an-
eht. Der Termindruck kann in diesem Zusammenhang
edenfalls nicht als Argument gelten. Sie hätten mit der
msetzung früher beginnen können. Aber statt der
ründlichkeit oberste Priorität einzuräumen, liefern Sie
ine Patchworkarbeit bunt zusammengehäkelter Normen
b. Dieses Häkeldeckchen, das Sie hier vorlegen, hat den
amen Gesetz nur schwerlich verdient. Mit einer juris-
isch sauberen Norm hat das Zuteilungsgesetz wenig ge-
ein. Es finden sich reihenweise falsche und laienhafte
ormulierungen. Auslegungen sind unklar, Rechtsbe-
riffe unbestimmt. Wider besseres Wissen wollen Sie
ier ein Gesetz beschließen, dessen Folgen verheerend
ind. Natürlich wird das Zuteilungsgesetz zum Jobmo-
or, wie Sie so schön sagen; es wird zum Jobmotor für
nwälte und Gerichte mutieren. So wird das nichts mit
em Aufschwung am Arbeitsmarkt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aus dem Hause des Umweltministers Jürgen Trittin,

er jetzt leider nicht mehr da ist

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Doch!)

wo? –,


(Zurufe von der SPD: Dahinten!)

at die Abgeordneten am Dienstagabend ein Bericht er-
eicht, in dem die Allokationspläne der anderen EU-
itgliedstaaten untersucht werden. Die Analyse
ommt zu dem Schluss, dass acht der elf vorliegenden
llokationspläne über das Maß zuteilen. Im Gegensatz
azu soll in Deutschland das Minderungsziel nicht nur
ingehalten, sondern noch darüber hinausgegangen wer-
en. Das führt dazu, dass Unternehmen in Deutschland
ur schwerlich in eine Verkäuferposition kommen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ganz genau!)

n der Studie des BMU steht ausdrücklich, dass solch
nterschiedliche Zuteilungen zu Wettbewerbsverzerrun-
en und erheblichen Belastungen der deutschen Wirt-






(A) )



(B) )


Marie-Luise Dött

schaft führen werden. Ich gehe davon aus, dass sowohl
das Ministerium als auch die Abgeordneten der Regie-
rungskoalition diese Studie kannten, als sie am Dienstag
entschieden, die Kioto-Vorgaben nicht nur einzuhalten,
sondern noch darüber hinauszugehen. Mit dieser Ent-
scheidung haben Sie sich ganz bewusst gegen den Indus-
triestandort Deutschland und gegen Arbeitsplätze ent-
schieden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Aufgrund der Kürze meiner Redezeit möchte ich

mich auf eine besonders bedenkliche Änderung des Ent-
wurfs beschränken. In § 4 des Gesetzentwurfs findet sich
nun ein neuer Absatz. Dieser sieht eine rückwirkende
Kürzung bereits zugeteilter Zertifikate für den Fall vor,
dass im Rahmen der Zuteilungsregeln für mehr als
495 Millionen Tonnen Zertifikate ausgegeben werden
müssen. Da die letztlich ausgegebene Menge an Zertifi-
katen infolge von Anlagenstilllegungen, Produktions-
rückgängen, Anfechtungen von Zuteilungsentscheidun-
gen usw. erst gegen Ende der Handelsperiode eindeutig
festgeschrieben wird, besteht aufgrund der neuen Rege-
lungen für die Anlagenbetreiber noch während der Han-
delsperiode Unsicherheit darüber,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ist es!)

ob sie über ausreichend Zertifikate zur Abdeckung ihrer
Emissionen verfügen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dies würde die bereits bestehende Verunsicherung wei-
ter erhöhen und das Investitionsklima zusätzlich negativ
beeinflussen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das stimmt einfach nicht!)


Ich möchte Sie daher dringend bitten, diesen Passus er-
satzlos zu streichen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir wollen den Emissions-

handel genauso wie die FDP, aber dieser Gesetzentwurf
ist handwerklich und inhaltlich so schlecht gemacht,
dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht zustimmen
wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511210700

Ich schließe damit die Aussprache zu diesem Tages-

ordnungspunkt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der

Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen
auf der Drucksache 15/3212 mit dem Titel „Globale Zu-
kunftssicherung durch die Förderung erneuerbarer Ener-
gien in Entwicklungsländern vorantreiben“. Wer stimmt
für diesen Antrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
nen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.

Tagesordnungspunkt 23 b: Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlage auf der Drucksache 15/1862 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-

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(C (D chlagen. Sind Sie einverstanden? – Das ist der Fall. ann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den von den raktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen ingebrachten Entwurf eines Zuteilungsgesetzes auf der rucksache 15/2966. Der Ausschuss für Umwelt, Naturchutz und Reaktorsicherheit empfiehlt unter Nr. 1 seier Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf in der usschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die em Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen ollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Entaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beatung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen ie Stimmen von CDU/CSU, FDP und der fraktionsosen Abgeordneten Petra Pau angenommen worden. Wir kommen zur dritten Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzenturf ist damit in dritter Lesung mit dem soeben festgetellten Stimmenverhältnis angenommen worden. Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt er Ausschuss die Annahme einer Entschließung. Wer timmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist it den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die timmen von CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der raktionslosen Abgeordneten Petra Pau angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ent chließungsanträge. Wer stimmt für den Entschließungsntrag der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 5/3238? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der ntschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koaliionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und DP abgelehnt. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak ion der FDP auf der Drucksache 15/3239? – Gegenstimen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist it den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die timmen der FDP bei Enthaltung der CDU/CSU abgeehnt. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die eutige Tagesordnung um die Beratung zweier Bechlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses ereitert werden. Die Punkte sollen anschließend als Zuatztagesordnungspunkte 15 und 16 aufgerufen werden. ind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann st so beschlossen. Ich rufe also Zusatzpunkt 15 auf: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss)

ordnung der einkommensteuerrechtlichen
Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer


(Alterseinkünftegesetz – AltEinkG)

– Drucksachen 15/2150, 15/2563, 15/2592,
15/2986, 15/3004, 15/3160, 15/3230 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Jörg-Otto Spiller

Berichterstatter im Bundesrat: Staatsminister Gernot
Mittler.

Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? –
Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zu Erklärungen ge-
wünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Dann können wir gleich zur Abstimmung kommen.
Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3
Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im
Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam
abzustimmen ist. Dies gilt auch für die noch folgende
weitere Beschlussempfehlung des Vermittlungsaus-
schusses. Wer stimmt also für die Beschlussempfehlung
des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 15/3230? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
nen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.

Ich rufe Zusatzpunkt 16 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-

(Vermittlungsausschuss)

zung der Richtlinie 2003/87/EG über ein System
für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifi-
katen in der Gemeinschaft.
– Drucksachen 15/2328, 15/2540, 15/2681,
15/2693, 15/2901, 15/3250 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Michael Müller (Düsseldorf)


Berichterstatter im Bundesrat: Minister Rudolf
Köberle.

Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? –
Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zu Erklärungen ge-
wünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen also zur Abstimmung. Wer stimmt für
die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses
auf Drucksache 15/3250? – Gegenstimmen? – Enthal-
tungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig an-
genommen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 sowie Zusatz-
punkt 13 auf:

24 Beratung des Antrags der Abgeordneten Karl-
Josef Laumann, Dagmar Wöhrl, Veronika
Bellmann, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU
Ausschreibungspraxis in der Arbeitsmarktpo-
litik effizient und effektiv ausgestalten
– Drucksache 15/2826 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)


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(C (D Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss P 13 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Für eine qualitätsorientierte und an den regionalen Bedürfnissen ausgerichtete Ausschreibungspraxis von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen – Drucksache 15/3213 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Finanzausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss Hier haben die Abgeordneten Brandner, Bellmann, urth, Niebel und der Parlamentarische Staatssekretär chlauch darum gebeten, ihre Reden zu Protokoll geben u dürfen.1)

all.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf

en Drucksachen 15/2826 und 15/3213 an die in der Ta-
esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
ind Sie damit einverstanden? – Das ist auch der Fall.
ann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe den letzten Tagesordnungspunkt auf, zu dem

eredet wird, nämlich Tagesordnungspunkt 25 sowie
usatzpunkt 14:
25 Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten

Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der
Bekämpfung der Jugenddelinquenz
– Drucksache 15/1472 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

P 14 Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörg van
Essen, Rainer Funke, Sibylle Laurischk, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Jugendstrafvollzug verfassungsfest gestalten
– Drucksache 15/2192 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Nach interfraktioneller Vereinbarung ist für die Aus-
prache eine halbe Stunde vorgesehen. – Widerspruch
ibt es offensichtlich nicht. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und das Wort hat zunächst

ie baden-württembergische Justizministerin, Frau
erwigk-Hertneck.

Anlage 3






(A) )



(B) )



(Baden Württemberg)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abge-

ordnete! „Verantwortung für die Jugend“ – das ist das
diesjährige Thema des Deutschen Jugendgerichtstages in
Leipzig. Es geht uns alle an. Wir alle tragen Verantwor-
tung dafür, dass unsere Jugend Perspektiven entwickeln
und in eine aussichts- und chancenreiche Zukunft bli-
cken kann. Das kann aber nur gelingen, wenn jeder – ich
meine hier in erster Linie Eltern, Erzieher und Lehrer,
aber auch Richter, Staatsanwälte, Vollzugs- und Polizei-
beamte – gewillt ist, seinen Beitrag in der Ausbildung
und Erziehung, in der Prävention, aber auch bei der Be-
strafung und Wiedereingliederung zu leisten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Gefordert sind aber auch Sie, meine Damen und Her-

ren Abgeordnete, nämlich als Gesetzgeber. „Verantwor-
tung für die Jugend“ heißt auch, dass wir den Jugend-
richterinnen und Jugendrichtern sinnvolle Möglichkeiten
der Reaktion auf Straftaten junger Menschen zur Verfü-
gung stellen.


(Joachim Stünker [SPD]: Die haben wir schon!)


Eine dieser sinnvollen Reaktionsmöglichkeiten ist der
nun vorgeschlagene Warnschussarrest. Seine Einfüh-
rung wird von der staatsanwaltlichen und richterlichen
Praxis seit langem gefordert. Auch wenn die Kritiker
nicht müde werden, es immer wieder zu behaupten: Der
Warnschussarrest dient nicht dazu, junge Menschen we-
gen ihres ersten Ladendiebstahls wegzusperren, um sie
durch den kurzfristigen Freiheitsentzug zu schockieren.
Der Warnschussarrest dient vielmehr dazu, diejenigen
Straftäter zu erreichen, die aufgrund ihrer kontinuier-
lichen Hinentwicklung zur Kriminalität mit ambulanten
oder kurzfristigen Betreuungsmaßnahmen nicht mehr er-
reichbar sind. Um bei diesen Tätern eine nachhaltige Be-
wusstseins- und Verhaltensänderung herbeizuführen, be-
darf es vielmehr einer längerfristigen Intervention, die
durch eine intensive stationäre Betreuungsphase einge-
leitet werden sollte.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hier setzt der Warnschussarrest an. Im modernen Ar-
restvollzug stehen dem straffällig gewordenen Jugendli-
chen Sozialarbeiter und Psychologen zur Aufarbeitung
von persönlichen Problemen und zur Vermittlung von
gesellschaftlich akzeptiertem Verhalten zur Verfügung.
Gerade diese erste stationäre Phase des Warnschussar-
restes erlaubt eine intensive Arbeit mit dem jugendlichen
Täter, die häufig zu einer nachhaltigen Bewusstseins-
und Verhaltensänderung führt. Danach ist es die Auf-
gabe des Bewährungshelfers, diesen eingeleiteten Neu-
orientierungsprozess zu stabilisieren, damit es nicht zu
einem Rückfall in alte Denk- und Verhaltensmuster und
damit zu erneuter Straffälligkeit kommt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Ohne den Warnschussarrest bleibt der Praxis in diesen ällen heute nicht selten nur die Verhängung einer unbeingten Jugendstrafe übrig. Wenn aber die Aussicht beteht, dass die Vollstreckung einer Jugendstrafe durch en Warnschussarrest entbehrlich wird, dann erscheint s unvertretbar, wenn die Rechtspolitik der Praxis dieses ildere Instrument nicht zur Verfügung stellen will. Fast noch dringlicher stellt sich der gesetzgeberische andlungsbedarf bei der Frage der strafrechtlichen Beandlung Heranwachsender dar. Diesbezüglich hat ich nämlich in den letzten Jahrzehnten bundesweit eine ach Regionen und Delikten höchst unterschiedliche raxis herausgebildet. Ob bei Straftaten Heranwachsener Jugendstrafrecht oder allgemeines Strafrecht zur Anendung kommt, ist heute letzten Endes davon abhänig, ob der Täter in Schleswig-Holstein oder Badenürttemberg, in einer Großstadt oder auf dem Land vor ericht steht. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum wohl?)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Deswegen besteht in der Fachwelt Einigkeit darüber,
ass diese Praxis, die das verfassungsrechtliche Willkür-
erbot, das Rechtsstaatsprinzip und das Bestimmtheits-
ebot tangiert, nicht länger hingenommen werden darf.


(Beifall bei der FDP – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie mal im Ländle für Ordnung sorgen!)


och umstritten – dies haben die Abstimmungsergeb-
isse beim 64. Deutschen Juristentag in Berlin gezeigt –
t jedoch die Frage, wie wir dieses Problem zu lösen ha-
en. Häufig wird unter Hinweis auf entwicklungs-
sychologische Erkenntnisse die generelle Einbeziehung
ller Heranwachsenden in das Jugendstrafrecht gefor-
ert.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätten Sie gerne!)


Ich glaube, Sie, Herr Ströbele, fordern das.
Professor Dr. Albrecht hat in seinem Gutachten auf

em 64. Deutschen Juristentag jedoch deutlich gemacht,
ass sich aus den Erkenntnissen der Entwicklungs-
sychologie keine tragfähigen und schlüssigen Entschei-
ungsmaßstäbe für die Frage der strafrechtlichen Be-
andlung Heranwachsender ableiten lassen. Die
usbildung sozialer Verhaltensweisen dauert bis weit in
ie zweite Hälfte des dritten Lebensjahrzehnts oder so-
ar darüber hinaus. Bei Anlegung dieses Maßstabs
üsste man konsequenterweise auch knapp Dreißigjäh-
ige in das Jugendstrafrecht einbeziehen, was aber richti-
erweise niemand fordert. Aber eine Begrenzung der
nwendung des Jugendstrafrechts auf unter 21-Jährige
sst sich damit auf keinen Fall rechtfertigen.


(Beifall bei der FDP)

ei Anlegung dieses Maßstabs erscheint eine derartige
ltersgrenze nämlich willkürlich.






(A) )



(B) )


Ministerin Corinna Werwigk-Hertneck (Baden-Württemberg)


Nach meiner Überzeugung muss sich die Frage des

Umgangs mit delinquenten Heranwachsenden letztlich
an normativen Maßstäben orientieren.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch durch das geltende Gesetz ist das möglich!)


Unsere Gesamtrechtsordnung enthält hierzu eindeutige
Regelungen. So werden Heranwachsende sowohl im Zi-
vilrecht als auch im öffentlichen Recht als Erwachsene
behandelt. Sie können Verträge schließen, heiraten, Ar-
beitgeber sein und so weiter. Auch das elterliche Erzie-
hungsrecht endet mit Vollendung des 18. Lebensjahres.
Warum sollte das subsidiäre staatliche Erziehungsrecht
darüber hinaus fortdauern?


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil sie sich noch entwickeln müssen!)


Deshalb habe ich mich dafür ausgesprochen, bei
Straftaten Heranwachsender künftig grundsätzlich das
allgemeine Strafrecht anzuwenden.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der mächtige Schritt in Richtung USA!)


Nur in Ausnahmefällen, also bei Vorliegen schwerwie-
gender Entwicklungsverzögerungen, erscheint es sinn-
voll, den Heranwachsenden nicht wie einen Erwachse-
nen, sondern wie einen Jugendlichen zu behandeln.

Ich will hier auch das eine oder andere Gegenargu-
ment in den Raum stellen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt nur Gegenargumente!)


Erstens. Es wird behauptet, die Zahlen im Bereich der
Jugendkriminalität würden nicht steigen.


(Joachim Stünker [SPD]: Stimmt!)

Im Allgemeinen stimmt das.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Bei leichten Delikten sind die Zahlen rückläufig; aber
bei Gewaltdelikten steigen sie.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht! – Joachim Stünker [SPD]: Woran liegt das?)


Darauf müssen wir reagieren.

(Beifall bei der FDP)


Zweitens. Es wird bezweifelt, ob das klare Signal
einer Gesellschaft an einen 18-Jährigen bzw. eine 18-Jäh-
rige, dass er oder sie erwachsen ist, generalpräventive
Wirkungen entfalten könnte.


(Joachim Stünker [SPD]: Hat es auch nicht!)

Ein derart eindeutiges Signal wird generalpräventive
Wirkung entfalten – das steht für mich außer Zweifel –
Du bist erwachsen, egal ob du Rechte in Anspruch
nimmst oder Pflichten nachkommen musst.

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(C (D Drittens eine Frage von mir als Landesministerin an en Bundesgesetzgeber: Länderöffnungsklauseln weren oft kritisch beurteilt. Wenn wir nun bei der Anwenung von Erwachsenenstrafrecht auf Heranwachsende ach Bundesländern höchst unterschiedliche Rechtsprehungen hinnehmen, halte ich das für verfassungsidrig – wir sollten hier auf eine bundeseinheitliche echtslage achten. Mit den geltenden Vorschriften ist ieses Ziel offensichtlich nicht zu erreichen. Ich bitte daer um Unterstützung des Gesetzentwurfes. Herzlichen Dank. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete, nein: der Parlaentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach. (Dirk Niebel [FDP]: Er ist ja auch Abgeordneter!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511210800

Auch das ist er.
Al
Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1511210900

Verehrte Frau Präsidentin, ich fühle mich auch als
bgeordneter; das ist kein Schimpfwort.
Verehrtes Präsidium! Meine Damen und Herren! Der
esetzentwurf des Bundesrates zur Verbesserung der
ekämpfung der Jugenddelinquenz, der heute dem Bun-
estag präsentiert wird, würde nichts verbessern. Als
esetz wäre er bestenfalls wirkungslos und unschädlich,
n den meisten Fällen wäre er kontraproduktiv.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

n Union und FDP weiß man das eigentlich, zumindest
issen es die, die sich ernsthaft mit dieser Frage befas-
en.
Wir alle kennen die Meldungen über kriminelle Ju-

endbanden und über jugendliche Intensivtäter, und wir
lle sind uns darüber einig, dass etwas dagegen unter-
ommen werden muss. Leider fällt Ihnen im Bundesrat
ichts anderes ein, als immer wieder nach härteren Stra-
en und „Denkzettelsanktionen“ zu rufen. Ich gebe zu:
o entsetzlich wie die Einzelfälle sind, liegt diese Reak-
ion bei der emotionsgeladenen Stimmung, die danach
ntstehen kann, nahe – richtig ist sie nicht. Gerade im
trafrecht ist es Aufgabe der Politik, verantwortungs-
oll, rational und auf sicherer Faktengrundlage zu han-
eln. Das können oder wollen Sie im Bundesrat offen-
ichtlich nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Erstens. Die Jugendkriminalität ist in den letzten
ahren nicht stetig gestiegen, wie Sie in der Begründung
es Gesetzentwurfes behaupten:


(Joachim Stünker [SPD]: Richtig!)

ach 1998 ist ein leichter Rückgang der Fallzahlen bei
en Jugendlichen und insgesamt eine Stabilisierung bei
en Heranwachsenden zu verzeichnen.






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach


(Joachim Stünker [SPD]: Genauso ist es!)


Die Kriminalität bei Jugendlichen und Heranwachsen-
den stagniert, während sie bei den Erwachsenen – die
nach dem allgemeinen Strafrecht abgeurteilt werden –
zunimmt. Damit will ich nicht sagen, dass wir keine Pro-
bleme hätten. Aber Ihre Aussagen sind in ihrer Pauscha-
lität einfach falsch. Wir haben sicher enorme Probleme
mit den eingangs erwähnten Intensivtätern und mit den
Tätern im Bereich gefährlicher und schwerer Körperver-
letzung und Raub; bei denen sind in der Tat Steigerungs-
raten zu verzeichnen. Aber jetzt bitte ich Sie, einmal zu-
zuhören: Die Rückfallstatistik hat uns auch gezeigt, dass
die meisten strafrechtlich in Erscheinung tretenden Ju-
gendlichen dies nur einmal tun und nicht wieder. Auffal-
lend hoch ist nur die Rückfallquote derjenigen Jugendli-
chen und Heranwachsenden, die in Haft gewesen sind.

Zweitens. Der Sinn des Jugendstrafrechts liegt nicht
in „Warnschüssen“ und hartem Durchgreifen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Missverständnis beginnt schon damit, dass immer
behauptet wird, das Jugendstrafrecht sei stets milder als
das Erwachsenenstrafrecht. Das ist so nicht richtig, und
es ist ärgerlich, dass immer mehr Politiker – sei es aus
Unwissenheit, sei es aus Absicht – diesem Missverständ-
nis Vorschub leisten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Kernpunkt des Jugendstrafrechtes ist der Erziehungsge-
danke. Das Jugendstrafrecht ist darauf ausgerichtet, Ju-
gendliche und Heranwachsende zu fördern und zu for-
dern und sie so von weiteren Straftaten abzuhalten.
Dafür gibt das Jugendstrafrecht den Gerichten ein diffe-
renziertes und flexibles Instrumentarium an die Hand,
das sich als wirksam bewährt hat und in der Praxis funk-
tioniert. Sie ignorieren das, wenn Sie fordern, dass bei
Heranwachsenden grundsätzlich das allgemeine Straf-
recht, das Jugendstrafrecht dagegen nur ausnahmsweise
Anwendung findet. Die Folge wäre, dass die Gerichte
bei Heranwachsenden grundsätzlich nur mit Geld- oder
Freiheitsstrafen reagieren könnten. Glaubt jemand ernst-
haft, dass man damit einer künftigen Straffälligkeit He-
ranwachsender besser entgegenwirken kann als mit dem
differenzierten Reaktionsinstrumentarium des Jugend-
strafrechts, das den altersbedingten Besonderheiten und
Einflussmöglichkeiten angepasst ist? Nahezu alle Fach-
leute lehnen Ihren Vorschlag ab.


(Otto Fricke [FDP]: Klatscht doch mal für euren Staatssekretär!)


– Herr Fricke, sie haben schon oft genug geklatscht. Es
muss außerdem nicht geklatscht werden, wenn Selbst-
verständlichkeiten vorgetragen werden.


(Zuruf von der SPD: Fricke sollte besser zuhören!)


Oder nehmen wir den Vorschlag zum Warnschussar-
rest. Schon wegen seiner stigmatisierenden und entso-
zialisierenden Wirkung sagen uns fast alle Fachleute be-

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(C (D eits seit Jahren, dass es so nicht geht. Wenn das, erehrte Frau Justizministerin, was Sie eben vorgetragen aben, im Gesetz oder auch nur in der Begründung zum esetz stünde – ich nenne als Stichworte soziale Betreung und Begleitung –, wäre das schon ein Fortschritt. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau! – Joachim Stünker [SPD]: Richtig!)


ir wissen doch alle, wie heutzutage der Arrest ausge-
taltet ist: Die Heranwachsenden werden weggeschlos-
en, werden eingesperrt. Wenn sie dann herauskommen,
ind sie stigmatisiert. Manche geben sogar damit an, im
nast gewesen zu sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/CSU]: Wegschließen war die Idee des Kanzlers, nicht die von uns!)


Frau Präsidentin, ich darf doch noch eine Minute re-
en? – Das Bundesministerium der Justiz hat in Form ei-
es Referentenentwurfs einen viel besseren Entwurf vor-
elegt, der das Jugendstrafrecht stärken wird. Grundlage
ind die Beratungsergebnisse der Expertengruppe, die
ie FDP übrigens in ihrem Antrag erwähnt hat. Es geht
abei darum, wie die jungen Gefangenen ihr Leben
ünftig ohne Straftaten führen können. Es geht um die
bkehr vom unscharfen, missverständlichen und um-
trittenen Erziehungsbegriff des Jugendkriminalrechts
in zum Grundsatz der umfassenden Förderung und For-
erung. Wir wollen junge Gefangene zur Teilnahme an
en Maßnahmen verpflichten, die ein Förderplan für sie
orsieht. Insgesamt konzipieren wir so ein eigenständi-
es Regelwerk mit jugendspezifischen Inhalten, das in
einem Aufbau weitgehend dem bewährten Gefüge des
trafvollzugsgesetzes folgt.
Wir brauchen also weder Ihr Gesetz zur Bekämpfung

er Jugenddelinquenz, noch wird der im Mai vorgelegte
ntwurf des Bundesrates mit dem blumigen Namen
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Jugendstraf-
echts und zur Verbesserung und Beschleunigung des Ju-
endstrafverfahrens“ – Verbesserung und Beschleuni-
ung schließen sich schon gegenseitig aus – Gnade vor
nseren Augen finden.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511211000

Herr Kollege, eine Minute ist schon lange vorbei.
ommen Sie bitte zum Schluss.
Al
Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1511211100

Ihre Entwürfe werden Entwürfe bleiben.
Ich wünsche allen ein frohes Pfingstfest und bedanke
ich sehr herzlich für Ihre überaus große Geduld.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511211200

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Siegfried Kauder.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )



Siegfried Kauder (CDU):
Rede ID: ID1511211300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe

erwartet, dass die Diskussion zum Thema Jugenddelin-
quenz genau so verlaufen würde. Wir bewerfen uns mit
Statistiken und Zahlen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt doch angefangen!)


Am Ende ist jeder der sicheren Überzeugung, dass er mit
seiner Auffassung Recht hat.

Wir werden uns in dieser Debatte im Klein-Klein, in
einem Hickhack ergehen. Wir werden uns mit der Frage
beschäftigen, ob das Fahrverbot als Hauptstrafe, als Ne-
benstrafe, als Erziehungsmaßnahme oder als Zuchtmittel
angemessener sei und wie man das Fahrverbot in das Ju-
gendstrafrecht einsortieren müsse. Wir werden uns mit
der Frage beschäftigen, ob eine Meldeweisung sinnvoll
ist oder ob sie nach dem Jugendstrafrecht nicht ohnehin
schon möglich ist. Ich versichere Ihnen: Das sind The-
men, die nur wenige Juristen, die darauf spezialisiert
sind, verstehen. Das ist nicht die Botschaft, die die Öf-
fentlichkeit zum Thema Jugenddilinquenz erwartet und
erwarten darf.

Am 26. Mai 2004 titelte die „Berliner Morgenpost“:
Ich wollte Berufskiller werden.

In dem Artikel ging es um das Strafverfahren gegen ei-
nen 21-Jährigen, der zwei hilflose Rentnerinnen in ho-
hem Alter ermordet hat. Als er festgenommen und ge-
fragt wurde, was er mit diesen grausamen Taten
bezweckt habe, erklärte er, er habe schon immer Berufs-
killer werden wollen. Bei der ersten Tat habe er üben
wollen.

Meine Damen und Herren, auf solche Vorfälle erwar-
tet die Öffentlichkeit zu Recht eine Antwort. Herr Staats-
sekretär Hartenbach, grüßen Sie die Bundesjustizminis-
terin.


(Joachim Stünker [SPD]: Das ist reiner Populismus! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie schrecken vor nichts zurück!)


Die Öffentlichkeit hat Anspruch auf ein schlüssiges
Konzept. Der Jugendstrafvollzug ist verfassungswidrig,
weil es an einem Gesetz fehlt.

Sie wissen so gut wie ich, dass es eine Entscheidung
des Oberlandesgerichts Celle gibt, in der erwachsenen
Häftlingen eine Entschädigung zugesprochen wird, weil
der Strafvollzug für Erwachsene gesetzwidrig ist, da
eine Einzelunterbringung in Hafträumen nicht ermög-
licht werden kann.

Ich warte darauf, dass jugendliche Straftäter mit an-
waltlicher Hilfe eine Entschädigung einklagen, weil sie
auf nicht verfassungsgemäßer Grundlage inhaftiert sind.


(Dirk Niebel [FDP]: Gute Idee!)

Aber: Die Bundesjustizministerin reagiert nicht.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist doch nicht wahr! Herr D R s w u l g d E s b G s i s w d s m n g w s R d T g a r G A h z g a i s u g D b d m n (C (D Hartenbach hat eine ganze Tasche voller Vorschläge!)


er Staatssekretär beschränkt sich auf die Aussage, dass
eferentenentwürfe vorliegen. Man kann deshalb kon-
tatieren: Entwürfe liegen auf dem Tisch und vom Tisch
ird nichts weggeschafft. Im Bundesjustizministerium
nter der Leitung der Bundesjustizministerin Zypries
iegt zu viel im Argen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich nehme es den Ländern nicht übel, dass sie in ihrer

rößten und höchsten Not reagieren; denn sie erleben
en Strafvollzug ja an der Front.


(Lachen des Abg. Joachim Stünker [SPD])

s war nicht das Bundesjustizministerium, das eine Lö-
ungsmöglichkeit zum Erwachsenenstrafvollzug ange-
oten hat. Die Länder haben über den Bundesrat einen
esetzentwurf eingebracht, um § 18 Strafvollzugsge-
etz zu ändern. So sind es wieder einmal die Länder, die
m Bereich des Jugendstrafrechts initiativ werden.
Wie lange höre ich von der Bundesjustizministerin

chon, dass Sie das Jugendstrafverfahren reformieren
erden? – Nichts außer heißer Luft! Sie sagen, Sie wer-
en den Opferschutz im Jugendstrafverfahren verbes-
ern. – Nichts außer heißer Luft! Mir ist die Lösungs-
öglichkeit, die die Länder anbieten, zehnmal lieber, als
ichts zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich räume ein: Natürlich wird es Diskussionsbedarf

eben. Meines Erachtens geht es nicht um die Frage, ob
ir auf die Heranwachsenden grundsätzlich das Erwach-
enenstrafrecht anwenden sollen. Meine Herren von
ot-Grün, wenn Sie diese Forderung unterstützen wür-
en, befänden Sie sich aber in bester Gesellschaft; denn
ony Blair hat das Gesetz im Jahre 2000 wegen der stei-
enden Jugendkriminalität in England geändert, sodass
uf Heranwachsende nur noch das Erwachsenenstraf-
echt anwendbar ist.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist ja nun wirklich kein Vorbild!)


anz anders war es im konservativen Spanien unter
znar, der nämlich die deutsche Lösung übernommen
at. In Spanien ist das Heranwachsendenstrafrecht in-
wischen so wie im deutschen Recht. Sie sehen also, es
eht quer durch alle Reihen. Ich verhehle nicht, dass
uch in unserer Fraktion die Diskussion noch im Gange
st. Diese Entscheidung muss jeder Abgeordnete für sich
elbst treffen. Es ist eine Entscheidung des Gewissens
nd weniger eine rechtsdogmatische Entscheidung.
Ich greife noch einmal den Fall des jungen 21-Jähri-

en auf, der erklärt hat, er wolle Berufskiller werden.
ie Anwälte haben sofort reagiert und in der Presse pu-
liziert, dass sie der Meinung sind, dass auf diesen Fall
as Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Es ist durchaus
öglich, dass dieser 21-Jährige in seiner Entwicklung
och zurückgeblieben ist. Deswegen würde nach derzei-






(A) )



(B) )


Siegfried Kauder (Bad Dürrheim)


tigem Recht das Jugendstrafrecht anzuwenden sein. Ich
persönlich habe nichts dagegen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das entscheiden die Richter!)


Jetzt kommen Sie aber mit Ihrem Argument, dass im
Jugendstrafrecht der Erziehungsgedanke herrscht. Das
stimmt nur beschränkt. Schauen Sie mal in § 18 Jugend-
gerichtsgesetz. Die Freiheitsstrafe für Jugendliche be-
trägt sechs Monate bis fünf Jahre, weil man der Meinung
war, dass eine Strafe, die fünf Jahre übersteigt, erziehe-
risch sinnlos sei. Wenn aber ein Verbrechen begangen
worden ist, das nach allgemeinem Erwachsenenstraf-
recht beurteilt und mit einer Höchststrafe von über zehn
Jahren belegt wird, dann beträgt auch die Jugendstrafe
zehn Jahre. Das heißt, auch hier fließen generalpräven-
tive Aspekte mit in den Erziehungsgedanken hinein.

Frau Ministerin Werwigk-Hertneck, deswegen bin ich
der Meinung, dass Sie mit Ihrem Ansinnen, die Jugend-
strafe, die gegen Heranwachsende verhängt wird, allge-
mein auf 15 Jahre zu erhöhen, über das Ziel hinausschie-
ßen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat sie auch gar nicht erwähnt!)


Sie meinen das nicht; denn wenn Sie die Jugendstrafe für
Heranwachsende auf 15 Jahre erhöhen würden, dann
würden Sie gleichzeitig den Strafrahmen nach oben ver-
schieben, sodass auch die Eingangsstrafen für die weni-
ger schwere Kriminalität erhöht würden. Ich weiß, dass
Sie das nicht wollen. Es gibt 22 kapitale Verbrechen, die
bei Erwachsenen mit lebenslanger Freiheitsstrafe belegt
sind. Diese Fälle meinen Sie. Sie meinen denjenigen, der
sagt, er wolle Berufskiller werden.

Es gibt hier eine Lösung, nämlich in § 18 Jugendge-
richtsgesetz. Danach kann beim Heranwachsendenstraf-
recht gesagt werden: Wenn Erwachsene mit einer le-
benslangen Freiheitsstrafe belegt werden würden, dann
beträgt die Höchststrafe beim Heranwachsenden aus-
nahmsweise nicht zehn, sondern 15 Jahre. Ich glaube,
auf diesem Level können wir uns einigen.

Nun zum Warnschussarrest. Man kann lange da-
rüber philosophieren, wie er sich in das Rechts- und
Sanktionensystem des Jugendstrafrechts einordnen lässt.
Das ist aber nicht das Thema. Dieses Problem kann man
lösen. Festzuhalten bleibt, dass ein Erwachsener zu einer
Freiheitsstrafe von nur einem Monat verurteilt werden
kann. Wenn die Einwirkung auf ihn oder die Verteidi-
gung der Rechtsordnung es gebietet, wird diese Strafe
auch vollstreckt. Beim Jugendlichen geht das nicht, weil
die Jugendstrafe aus guten Gründen erst mit sechs Mo-
naten beginnt. Fünf Monate oder drei Monate Jugend-
strafe können nicht verhängt werden. Das heißt, man
muss die dadurch entstandene Lücke im jugendstraf-
rechtlichen Sanktionensystem angemessen schließen
können. Dafür bietet sich in der Tat der Warnschussar-
rest an.

Er hat überhaupt keine negativen Auswirkungen auf
einen Jugendlichen oder Heranwachsenden. Warum soll

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(C (D ieser nicht einmal vier Wochen in einer Jugendarrestantalt erleben, wie das Leben außerhalb der Freiheit vollogen wird? Gerade da wir festgestellt haben, dass die ückfallquote bei den Jugendlichen und Heranwachenden, die im Jugendstrafvollzug waren, 78 Prozent beägt, muss man sich doch überlegen, welche vorausgelaerten flankierenden Maßnahmen man hat, um auf diese ngen Menschen einzuwirken. Der Warnschussarrest ist ine gute Möglichkeit, flankierend eine zur Bewährung usgesetzte Jugendstrafe zu begleiten. Eine weitere Maßnahme wurde von den Ländern in ren Gesetzentwurf eingeführt: das Fahrverbot. Wir önnen uns lange darüber unterhalten, wie es sich in das anktionensystem einordnen lässt. Aber, Herr Kollege tröbele, ich kann Ihnen helfen. Es gab im Bundesjustizinisterium einen Arbeitsentwurf, der genau diesen Geetzesvorschlag, den die Länder aufgegriffen haben, ämlich § 15 a Jugendgerichtsgesetz, entwickelt hat. Ich eiß nicht, warum er im Ministerium und bei Rot-Grün ersackt ist. Auf jeden Fall wäre es eine gute Lösungsöglichkeit. Warum sollen junge Menschen, die sich zuammentun, abends zu fünft in einem Fahrzeug zu irendeiner Diskothek fahren, um sie aufzumischen und ine Schlägerei anzuzetteln, nicht einmal merken, wie es t, wenn man kein Fahrzeug führen darf? (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon heute möglich!)


eswegen befürworte ich auch nicht die Einschränkung
ines Fahrverbots nur auf verkehrsbezogene Delikte. Es
t den jungen Leuten gut, wenn sie merken, wie es ist,
enn man kein Fahrzeug führen darf.
Ich möchte auch nicht das Argument hören, dass man
ngen, im Erwerbsleben stehenden Menschen den Füh-
erschein nicht wegnehmen kann. Das tut doch gar kein
ugendrichter. Auch der Einwand, das sei nicht zu kon-
ollieren, verfängt nicht; denn dann dürfen Sie überhaupt
eine jugendgerichtlichen Weisungen mehr festsetzen.
chauen Sie einmal in § 10 des Jugendgerichtsgesetzes.
arin gibt es die Möglichkeit, die Weisung zu verhängen,
estimmte Gaststätten nicht zu besuchen. Auch damit
uss ein Kontrollmechanismus eingeleitet werden. Nicht
nders ist es beim Fahrverbot.
Sie sehen es schon: Ich halte auch diesen Vorschlag

es Ländergesetzentwurfs für sinnvoll. Man wird, Frau
ustizministerin Werwigk-Hertneck, darüber reden müs-
en, ob man statt der Einführung von § 15 a Jugendge-
ichtsgesetz nicht schlicht und ergreifend in § 10 Abs. 1
es Jugendgerichtsgesetzes eine Ziffer 10 anfügt und da-
in die Weisung festlegt, es sollte die Weisung, der Ju-
endliche dürfe eine gewisse Zeit kein Fahrzeug führen
ingeführt werden.
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, eines schei-

en Sie übersehen zu haben: Das Fahrverbot ist nach der
estehenden Gesetzeslage weit über das hinaus zulässig,
as Sie sich wünschen. Nach § 10 des Jugendgerichts-
esetzes kann ein Jugendrichter ein Fahrverbot auch
ber die Frist des § 44 StGB, also über drei Monate hi-
aus, verhängen. Das ist auch dann möglich, wenn ein
erkehrsbezug nicht besteht. Sie sind also aufgefordert,






(A) )



(B) )


Siegfried Kauder (Bad Dürrheim)


wenn Sie Ihre Interessen so, wie Sie sie artikulieren,
durchsetzen wollen, einen Gesetzentwurf vorzulegen,
der Hand und Fuß hat.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was steht da dann drin?)


Im Augenblick haben Sie nichts auf der Hand. Das ist
schlimm für die Menschen, die Sicherheit erwarten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511211400

Die Kollegin Erika Simm hat gebeten, ihre Rede zu

Protokoll geben zu dürfen.1) Sind Sie damit einverstan-
den? – Das ist der Fall. Dann erteile ich jetzt dem Abge-
ordneten Hans-Christian Ströbele das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Ich will mich kurz fassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich verstehe sowieso nicht, warum wir kurz vor Pfings-
ten dieses alte Thema erneut diskutieren müssen.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das passt in die 60er-Jahre!)


Es handelt sich nicht um einen wunderbaren, mit ganz
neuen Ideen gefüllten Gesetzentwurf des Bundesrates
oder einzelner Länder, sondern um einen Gesetzentwurf,
den wir schon im Bundestag beraten und abgelehnt ha-
ben und der schon im Bundesrat mehrfach beraten wor-
den ist. Er ist vom Strafverteidigertag, vom Anwaltstag,
vom Deutschen Jugendgerichtstag und von nahezu allen
Institutionen diskutiert und abgelehnt worden, und zwar
aus gutem Grunde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Denn er ist nicht nur alt, sondern er enthält auch nichts
Neues und er geht von zwei völlig falschen Vorausset-
zungen aus.

Die eine falsche Voraussetzung findet sich im ersten
Satz dieses Gesetzentwurfes. Dort wird auf eine Statistik
hingewiesen. Wir haben das nicht erfunden, sondern das
steht in dem Gesetzentwurf. Es wurde nämlich die fal-
sche Behauptung aufgestellt, dass die Jugenddelinquenz
in den letzten Jahren zugenommen habe. Das Gegenteil
ist wahr. Von 1998 bis 2003 hat die Jugenddelinquenz,
übrigens auch die Kinderdelinquenz, abgenommen, und
zwar exorbitant. Sie hat auch im Jahr 2003 abgenom-
men. Von 1997 bis 2003 hat sie um 15 bis 17 Prozent ab-
genommen. Im Jahr 2003 hat die Delinquenz von deut-
schen Jugendlichen um 1 Prozent abgenommen, die von
ausländischen Jugendlichen, die angeblich besonders ge-
fährlich sind, weswegen man dauernd solche Gesetze
vorschlagen muss, um über 2 Prozent. Schon diese Vo-

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K
w1) Anlage 4

(C (D aussetzung stimmt also nicht. Ich weiß nicht, warum ir uns dann mit diesem Vorschlag hier auseinander seten sollen. (Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/ CSU]: Die Verhängung von Jugendstrafen über zwei Jahre hat zugenommen!)


Die zweite falsche Voraussetzung, die sich inzidenter
chon durch die Reden, aber auch durch den Entwurf
ieht, ist der Irrglaube, die falsche Auffassung, die von
en wahren Tatsachen unberührt ist, dass jugendliche
traftäter nach dem Jugendstrafrecht milder bestraft
ürden, dass das ein Privileg für Jugendliche und He-
anwachsende sei und diese damit nicht in dem Maße zur
echenschaft gezogen werden könnten, wie es bei Er-
achsenen der Fall sei. Dem ist überhaupt nicht so. Das
ugendstrafrecht geht nur mit anderen Sanktionen und
ach anderen Kriterien vor. Als Strafverteidiger wissen
ir, dass Jugendliche sehr häufig sogar härtere Strafen,
uch Freiheitsstrafen, bekommen als Erwachsene. Das
eschieht etwa deshalb, weil das Gericht der Auffassung
st, dass in dem Augenblick, in dem das Urteil gefällt
ird, zur erzieherischen Einwirkung auf den Jugendli-
hen die Verhängung einer Freiheitsstrafe auch ohne Be-
ährung erforderlich ist.
Deshalb sind all die Argumente, die hier durchschei-

en, zum Beispiel Heranwachsende im Alter von
1 Jahren, die fürchterliche Dinge gemacht hätten, dürf-
en nicht nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt
erden, falsch. Nach dem Jugendstrafrecht werden sie
ann behandelt, wenn das Gericht – häufig aufgrund von
achverständigengutachten – zu der Überzeugung
ommt, dass sie in ihrem Entwicklungsstand Jugendli-
hen gleichzustellen sind. Sonst wird Erwachsenenstraf-
echt angewendet.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Richtig!)

ie wollen das umkehren. Allein aus der Tatsache, dass
ie fordern, dass die Höchststrafe von zehn auf 15 Jahre
eraufgesetzt wird, ergibt sich die eigentliche Intention
ieses Gesetzentwurfs. Das ist der ideologische Hinter-
rund.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ie wollen in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken,
ass die Länder, die solche Gesetze im Bundesrat immer
ieder einbringen, die Einzigen sind, die wirklich gegen
ugendkriminalität vorgehen und die Bevölkerung schüt-
en wollen, während diejenigen, die solche Gesetze
icht haben wollen, weil sie wissen, dass sie in die Irre
ühren und nicht helfen, nicht genügend gegen Jugend-
riminalität tun.
Auf diesem Wege folgen wir Ihnen nicht. Wir gehen

avon aus, dass die Gesetze, die wir haben, grundsätz-
ich richtig und ausreichend sind und dass wir alles ver-
eiden sollten, dass wir eine Entwicklung bekommen,
ie sie etwa in einigen Staaten der Vereinigten Staaten
u beobachten ist, wo mit Jugendlichen, manchmal mit
indern, strafrechtlich in gleicher Weise umgegangen
ird wie mit Erwachsenen. Das ist nicht unsere Auffas-






(A) )



(B) )


Hans-Christian Ströbele

sung von einem Rechtsstaat. Das wollen wir hier in
Deutschland nicht haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich sage Ihnen abschließend, Herr Kollege Kauder:
Sie haben bemängelt, dass das Jugendstrafvollzugsge-
setz noch nicht auf dem Tisch liegt. Ich kann Sie beruhi-
gen. Sie konnten sich damit auch schon befassen.

Es ist ein sehr umfangreicher Entwurf des Bundesjus-
tizministeriums. Wir machen unsere Arbeit, die sehr
schwierig und umfangreich ist. Sie sollten nicht den Ein-
druck erwecken, dass sich das Bundesjustizministerium
oder die Koalition vor solchen Aufgaben drückt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/CSU]: Warten wir mal ab, bis der Entwurf vorliegt!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511211500

Als letzte Rednerin hat jetzt die Kollegin Laurischk

das Wort. Sie hat nicht mehr als zwei Minuten Redezeit.


Sibylle Laurischk (FDP):
Rede ID: ID1511211600

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und

Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf geht von einer
in den letzten Jahren stetig angestiegenen Jugendkrimi-
nalität aus, „der durch verstärkte Anstrengungen aller
staatlichen Institutionen und gesellschaftlichen Kräfte
wirksam zu begegnen“ sei. Tatsächlich sind die Zahlen
aber keineswegs so besorgniserregend.

Nach dem Kriminalitätsbericht des Innenministe-
riums von 2003 ist die Kinder- und Jugendkriminalität
seit 1998 weiterhin rückläufig. Dennoch befindet sie
sich absolut betrachtet auf einem zu hohen Niveau. Das
Jugendstrafrecht hat sich sicherlich bewährt. Es bietet
eine ganze Palette an Reaktionsmöglichkeiten der Ju-
gendgerichte und stellt den Erziehungsgedanken in den
Vordergrund, was dem noch nicht abgeschlossenen Rei-
fungsprozess von Jugendlichen und Heranwachsenden
entspricht.

Im Strafvollzug für Jugendliche sind die größten Er-
folge der Resozialisierung zu verzeichnen, was wesent-
lich mit ihrer in diesem Lebensabschnitt noch bestehen-
den Prägbarkeit, aber auch mit der Flexibilität der
richterlichen Reaktion nach dem Jugendgerichtsgesetz
und den Eingriffsmöglichkeiten nach dem Jugendhilfe-
gesetz zu tun hat.

In einer internen Anhörung hat die FDP-Bundestags-
fraktion mit verschiedenen Fachleuten über Möglichkei-
ten zur Reduzierung der Jugenddelinquenz gesprochen.
Dabei kamen auch Modelle intensiver Betreuung straf-
fälliger Jugendlicher – wie sie in Baden-Württemberg
beispielhaft sind – zur Sprache. Ich bin sicher, dass sich
der Rechtsausschuss auch im Rahmen einer Expertenan-
hörung mit dieser Fragestellung befassen wird.

Nach Auffassung der FDP-Fraktion ist die Schaffung
eines einheitlichen Jugendstrafvollzugsgesetzes dring-

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(C (D ich. Ein solches Gesetz ist seit der Entscheidung des undesverfassungsgerichts zum Erwachsenenstrafvollug im Jahr 1972 – das muss man sich einmal deutlich achen: seit mehr als 30 Jahren – überfällig. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So lange sind wir noch nicht an der Regierung! – Gegenruf des Abg. Siegfried Kauder [Bad Dürrheim] [CDU/CSU]: Sie haben es auch im Bundesrat abgelehnt!)


Sehr richtig, Herr Ströbele. Es wurde von den jeweili-
en Regierungen immer wieder in Angriff genommen
nd ist jedesmal auf Länderebene gescheitert. Das soll-
en wir in dieser Diskussion – die ich durchaus nicht für
berflüssig halte, wie Sie gerade meinten, Herr Kollege
tröbele – im Blick behalten. Diese Thematik kommt
ir etwas zu kurz.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig!)


Die Ankündigung, dass im Bundesjustizministerium
in Entwurf in Arbeit ist, sollte uns freuen.


(Hans-Christian Ströbele GRÜNEN)


ch bin sicher, dass die Bundesregierung ihre Anstren-
ungen verstärken wird, hinsichtlich eines Jugendstraf-
ollzugsgesetzes und seiner Finanzierbarkeit zu einem
it den Ländern abgestimmten Ergebnis zu kommen.
ch setze dabei auf die Gestaltungs- und Kompromissfä-
igkeit beider Seiten. Uns geht es um ein Kernanliegen
es Rechtsstaates, nämlich die Sicherstellung verfas-
ungsrechtlich unangreifbarer und effektiver Vollzugs-
edingungen auch für die Straftäter, die noch nicht er-
achsen sind.
Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen ein schönes

fingstfest.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1511211700

Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
rucksachen 15/1472 und 15/2192 an die in der Tages-
rdnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind
ie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind
ie Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-

rdnung.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen und den
esucherinnen und Besuchern auf der Tribüne schöne
fingsttage. Wie ich höre, soll das Wetter besser werden.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-

estages auf Mittwoch, den 16. Juni 2004, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.