Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-zung ist eröffnet.Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Ergebnisse der EU-Agrar-räte am 21./22. und 26./27. April 2004 zur Umsetzungder Agrarreform und zu Tiertransporten.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernäh-rung und Landwirtschaft, Renate Künast. Bitte schön,Frau Ministerin.Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich be-richte über zwei Agrarräte, den aus der letzten und denaus dieser Woche. Warum haben wir einen Sonderterminvereinbart? – Das taten wir, weil es uns wichtig war, denzweiten Schritt der Agrarreform, die im letzten Sommerin Luxemburg begonnen wurde, vor dem 1. Mai 2004abzuschließen. Das zweite Reformpaket umfasst dieaggGEflswsbtjuEJzrrwabrRedetProdukte Tabak, Hopfen, Baumwolle und Olivenöl. Weiles gerade diese Produkte, insbesondere die Baumwolle,beinhaltet, ist es für die laufenden Mercosur- und WTO-Verhandlungen von besonderer Bedeutung.Generell kann man sagen: Es ist uns gelungen, dieauch von Deutschland angestoßene Neuorientierung inder Agrarpolitik fortzusetzen. Dabei sind uns dreiPunkte wichtig: Erstens. Es wird zu einer Entkoppelungder Direktzahlungen von der Produktion kommen, wasin der Landwirtschaft zu mehr Marktorientierung führenwird. Zweitens. Ausgaben und Direktzahlungen, die wiram Agrarmarkt tätigen, werden wir zum Teil zugunstender ländlichen Entwicklung umschichten. Das heißt, esgeht nicht mehr nur um die Agrarproduktioauch um Umweltmaßnahmen, Qualitätsmoder das gemeinsame Management in einemDrittens. Die Direktzahlungen in diesem Bere
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ch glaube, wenn man die Möglichkeiten ganz ausschöp-en will, muss man so kess sein, noch mehr zu fordern.Auch die Kommission ist offensichtlich der Meinung,ass das, was wir jetzt vereinbart haben, legal ist. Nacheinem Kenntnisstand sind die westafrikanischen Län-er ganz froh über eine solch hohe Entkoppelung. Sieehen dies als positives Zeichen; so ist das bei uns zu-indest immer angekommen. Jetzt geht es mit den ande-en Reformschritten weiter.Heute Abend treffe ich den Landwirtschaftsministeron Burkina Faso. Ich erwarte, dass er das als einenositiven Schritt ansieht. Sie wissen, dass es sich uminen Prozess, eine sich entwickelnde Arbeit handelt.iel wird davon abhängen, wie sich die Gespräche zwi-chen der EU und Mercosur entwickeln, die wiederumuswirkungen auf die nächsten WTO-Gespräche ha-en werden.Auf eines will ich aus aktuellem Anlass hinweisen:m Rahmen des WTO-Verfahrens haben einige Gut-chter Brasilien und nicht den USA – es ging um dieaumwolle – Recht gegeben. Das ist ein erster Teilsiegrasiliens, das die US-Regeln für stark handelsverzer-end hält und sagt, dass sie verändert werden müssen. Iniesem Zusammenhang hat Europa zu einem historischesehen guten Zeitpunkt gezeigt, dass es hier offenernd weiter ist. Es mag sein, dass wir darüber bei den Ge-prächen mit Mercosur und auch später mit anderen Län-ern in gute Verhandlungen zum gegenseitigen Vorteilintreten werden.
Das Fragerecht geht jetzt an die Kollegin Cornelia
ehm.
Frau Ministerin, die Umsetzung der EU-Agrarreformat eine ganze Reihe von Besorgnissen auf verschiede-en Seiten hervorgerufen. Ich wäre Ihnen dankbar, wennie uns den Zeitplan der Umsetzung einmal kurz darstel-en könnten.
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Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft:Manche stellen sich die Frage, welche Bedeutung derzweite Teil des Reformpakets angesichts der Tatsachehat, dass es bereits ein im letzten Jahr eingeleitetes parla-mentarisches Verfahren gibt, welches sich auf Getreide,Obst, Gemüse und Fleisch – insbesondere Rindfleisch –bezieht.Heute findet eine Besprechung auf der Ebene der Ab-teilungsleiter des Bundes und der Länder statt, um dievorgestern Nacht in Luxemburg gefassten Beschlüsseauszuwerten. Gemeinsam mit den Ländern soll überlegtwerden, wie wir diese in nationales Recht umsetzen kön-nen, damit wir sie direkt an das Reformpaket I, welchessich in der Beratung befindet, anhängen können.Zu diesem Bereich wollen wir am 7. Mai 2004 dieerste Lesung im Bundestag durchführen. Am 14. Mai2004 soll der Bundesrat einen Beschluss zum erstenReformteil fassen. Ich gehe davon aus, dass es dort zueiner Anrufung des Vermittlungsausschusses kommenwird.Danach wird es zur Ergänzung des laufenden Gesetz-gebungsverfahrens bezüglich des zweiten Teils desReformpakets kommen, wobei es um Tabak und Hopfengeht. Ich stelle mir vor, dass wir die zweite und dritteLesung im Bundestag am Freitag, den 28. Mai 2004,durchführen werden, sodass am 11. Juni 2004 im Bun-desrat darüber abgestimmt werden kann. Dieser Terminliegt bekanntlich hinreichend vor dem 1. August 2004.
Die nächste Frage hat die Kollegin Ulrike Höfken.
Sehr geehrte Frau Ministerin, wir haben den Berich-
ten entnommen, dass es aufgrund der GAP-II-
Beschlüsse auch zu Einsparungen kommt. Das ist keine
schlechte Meldung. Ich bitte Sie, dies konkret zu erläu-
tern und vielleicht auch darzulegen, was das im Hinblick
auf Deutschlands Position als Nettozahler bedeutet.
Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft:
Zu den erwarteten Einsparungen ist Folgendes zu
sagen: Durch die in der letzten Woche gefassten Be-
schlüsse bezüglich der Marktordnung werden mit
Sicherheit fast 60 Millionen Euro eingespart. Diesen Be-
trag wird die EU jedes Jahr einsparen. Wir schätzen – so
auch das BMF –, dass wir daneben ungefähr
100 Millionen Euro jährlich einsparen, weil einige im
Bereich des Tabaks Tätige aufgeben werden.
Ich will das erklären: Wenn viele Tabakbauern auf-
geben und die gekoppelte Subvention nicht in Anspruch
genommen wird, passiert das, was auch in anderen
Marktordnungen geschieht: Es kommt zu einer Einspa-
rung.
Ich glaube wir haben insgesamt ein akzeptables Paket
mit geeigneten Übergangszeiten für die Betroffenen ge-
schnürt. Diese haben die Möglichkeit, noch ein paar
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Frau Ministerin, durch die Reformbeschlüsse in Lu-emburg im letzten Jahr und den vor ein paar Tagen istie Agrarreform so weit gekommen, wie es von unsaum jemand für möglich gehalten hätte. Ich denke, dasat mit Ihrem unermüdlichen Einsatz zu tun.Im Kontext der bevorstehenden WTO-Verhandlungenrage ich Sie: Welche Bedeutung messen Sie der Agrar-eform für die WTO-Verhandlungen und auch die Ver-andlungen mit den Mercosur-Staaten bei?Ich habe eine weitere Frage. Sie haben vorhin zumiertransportrecht und zur Dauer von Tiertransportenusführungen gemacht. Uns interessiert: Welche Staateneilen die deutsche Auffassung? Wie kommen wir hierus Ihrer Sicht weiter?Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-chutz, Ernährung und Landwirtschaft:Es ist klar, dass für die Mercosur- und die WTO-Ver-andlungen bestimmte Zeitvorstellungen gelten. Dieerhandlungen der EU mit den vier südamerikanischenändern sollen im Oktober dieses Jahres abgeschlossenein. Zum jetzigen Zeitpunkt finden Gespräche zwischener EU und den Mercosur-Staaten in Buenos Aires statt;ommissar Fischler ist vor Ort. Es wird erwartet, dass inürze beide Seiten bezifferte Angebote und konkreteorstellungen für den Agrarbereich vorlegen werden.Die EU will mit ihrer Verhandlungsstrategie dafürorgen, dass wir als Ergebnis der Mercosur-Verhandlun-en und der Doha-Runde nicht zweimal bezahlen müs-en: das erste Mal bei den Verhandlungen mit den vierüdamerikanischen Ländern und das zweite Mal bei denTO-Verhandlungen, die nicht wieder bei null anfangenürfen. Vielmehr muss beides sinnvoll miteinander ver-nüpft werden; das möchte ich einmal so im Raum ste-en lassen. Umgekehrt werden bei den Mercosur-
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Bundesministerin Renate KünastVerhandlungen Zugeständnisse außerhalb des Agrar-bereichs erwartet.In den WTO-Verhandlungen ist die Position der EUsicherlich besser als die anderer Ländergruppen wie derG 20, also der großen Gruppe der Entwicklungsländer,angeführt von Indien und Brasilien. Wir können mit Fugund Recht sagen: Die EU hat ihre Hausaufgaben ge-macht. In den Verhandlungen besitzen wir sehr vielSpielraum. Hinsichtlich der Deckelungen der Mittel inden Kategorien Amber Box und Blue Box sind wir gutaufgestellt; denn durch die Entkoppelungen haben wirMarktverzerrungen abgebaut und beseitigt. Diese Rege-lungen, die scharf verteidigt werden, wurden ebenso beiden Förderungen der Green Box angewendet; das wissenauch die anderen Länder.Die Überproduktion ist zurückgegangen. Dies gibtanderen Ländern verstärkt Absatzmöglichkeiten, zumBeispiel im Bereich Rindfleisch. Unser Ziel ist nicht, mitNahrungsmittelhilfen Überschüsse zu produzieren. Dasmacht die EU schon lange nicht mehr. Andere großeAgrarproduzenten sind aber noch nicht so weit.Auf WTO-Ebene gibt es eine Vielzahl laufender bila-teraler Gespräche, in denen es darum geht, Marktzu-gänge klarer darzustellen und deutlich zu machen, werwas leisten kann. Dabei müssen wir auch die Interessender AKP-Staaten beim Export von Zucker berücksich-tigen. Unsere Hoffnung ist, dass sich Fortschritte in denMercosur-Verhandlungen auf die WTO-Verhandlungenauswirken werden.Sie hatten noch nach dem Schutz der Tiere beimTransport gefragt. Insbesondere die nördlichen Länderhatten ein großes Interesse daran, zu wirklichen Tier-schutzregelungen zu kommen. Das waren Schweden,Dänemark, das Vereinigte Königreich und die Benelux-länder. Hinzu kommt Portugal, das seine Position geän-dert hat. Die Mittelmeerländer Griechenland, Spanienund Italien haben es aber geschafft, für ihre Position et-was mehr als 26 Stimmen zu erhalten, was die so ge-nannte blockierende Minderheit ist. Dagegen konntenwir nichts machen. Anderenfalls hätten wir diesen Län-dern so weit entgegenkommen müssen, dass das nichtguten Gewissens als Verbesserung des Tierschutzes hättebezeichnet werden können.
Die nächste Frage hat der Kollege Manfred Zöllmer
von der SPD-Fraktion.
Frau Ministerin, die Reform der Gemeinsamen Agrar-politik der EU ist – das zeigen die jetzigen Verhand-lungsergebnisse – eine Erfolgsgeschichte für Sie und dieBundesregierung insgesamt. Dies wird aus meiner Sichtauch dadurch deutlich, dass Herr Miller zum Äußerstengegriffen und Sie ausdrücklich für das Verhandlungs-ergebnis zum Hopfen gelobt hat.
Etwas Vergleichbares hat es nach meiner Kenntnis bis-her überhaupt noch nicht gegeben.rSidWsrsghMTdegedsefksdGtWDVlbwfaeIjsddNsdobol
ie ist da der Stand der Verhandlungen? Welche Per-pektiven sehen Sie und wann rechnen Sie für den Be-eich des Zuckers mit einem Ergebnis?Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-chutz, Ernährung und Landwirtschaft:Es ist schön, Herr Zöllmer, dass Sie die Erfolgs-eschichte herausgestellt haben. Jemand von der FDPat dazwischengerufen: Wer ist Herr Miller? – Herriller ist der Agrarminister von Bayern. Ich werde denag wegen dieses Lobes aus Bayern in meinem Kalenderick rot anstreichen.
Dabei ist anzumerken, dass sogar die Rodungsflächeninbezogen sind, die die Kommission bisher heraus-erechnet hatte. Der Bereich Hopfen war zu 100 Prozentin Erfolg. Jetzt müssen wir nur noch dafür Sorge tragen,ass das Bier auch getrunken wird, sonst hat das Ganzeeinen Sinn verfehlt. Im Augenblick ist die Entwicklungtwas gegenläufig.Sie haben den Zucker angesprochen. Die ganze Re-orm wurde aufgesplittet. Ich finde, das war taktischlug, weil wir so zu großen Reformschritten gekommenind. Wir haben im letzten Jahr über Marktordnungeniskutiert und entschieden. Ich nenne als Beispieleetreide, Obst, Gemüse und Rindfleisch. Es lag im In-eresse der nördlichen Länder, mit der Entkoppelung dieand zu durchstoßen und ein neues System einzuführen.eshalb sind wir dieses Mal in zwei Tagen zu einemerhandlungsergebnis gekommen, wohingegen wir imetzten Jahr noch eine vierwöchige Präsenz in Luxem-urg zeigen mussten. Die jetzige Verhandlung war beieitem menschenfreundlicher.Jetzt haben wir den zweiten Schritt gemacht, aber esehlt der Bereich Zucker. Der zuständige Kommissar hatngedeutet, dass es zur Zuckermarktordnung von ihmin weiteres Papier im Juni dieses Jahres geben werde.ch bin unsicher, ob dem tatsächlich so sein wird, weileder Vorschlag zunächst einige Monate in die Warte-chleife geschickt würde. Denn es gibt die EP-Wahlen,ie Neukonstituierung des Europäischen Parlaments undie Bildung einer neuen Kommission, was bis zumovember dauern wird. Damit haben wir einen Arbeits-tillstand, weil niemand verhandeln und Mehrheiten füriesen Bereich erhalten kann. Daher habe ich Zweifel,b es in diesem Jahr diesbezüglich Entscheidungen ge-en wird. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage,b das nicht bestens zu dem Zeitplan der WTO-Verhand-ungen passt.
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Die nächste Frage hat die Kollegin Dr. Christel
Happach-Kasan.
Frau Ministerin, im Agrarrat sind noch weitere The-men verhandelt worden. Ich möchte in diesem Zusam-menhang die Frage der Genehmigung des In-Verkehr-Bringens von Bt-11-Mais ansprechen. Derzeit werdenweltweit auf mehreren hunderttausend Hektar verschie-dene Sorten Bt-Mais angebaut. Sie selbst haben kürzlichim Ausschuss festgestellt, dass nicht von einer gesund-heitlichen Gefährdung durch gentechnisch verändertePflanzen auszugehen ist. Ich frage Sie, aufgrund welcherkonkreten Vorgänge Sie die allergologischen und toxiko-logischen Fragen für noch nicht geklärt halten und wa-rum Sie sich der Stimme enthalten haben, statt dagegenzu stimmen, wenn es tatsächlich Gefährdungen gebensollte.Ich habe noch eine zweite Frage. Wir stehen kurz vorder EU-Osterweiterung, durch die sich der gemeinsameBinnenmarkt vergrößern wird. Gleichwohl ist keineEinigung über Tiertransporte erfolgt. Woran ist dies kon-kret gescheitert und wie groß ist die Chance, bald-möglichst eine Einigung zu erzielen, damit wir auch hin-sichtlich der Tiertransporte auf die EU-Osterweiterungvorbereitet sind?Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft:Was die Frage des In-Verkehr-Bringens von gentech-nisch verändertem Mais angeht, ist vorgestern in der Ab-stimmung des Rates weder eine qualifizierte Mehrheitdafür noch eine dagegen zustande gekommen, sodassnach dem so genannten Komitologieverfahren jetzt dieKommission entscheiden kann, ob sie eine entspre-chende Regelung erlässt. In der Abstimmung im Rat ha-ben das Vereinigte Königreich, Irland, Italien, Schwedenund Finnland mit Ja und Dänemark, Griechenland,Frankreich, Österreich, Portugal und Luxemburg mitNein gestimmt. Enthalten haben sich Belgien, Deutsch-land und – das ist bei den Enthaltungen ein Novum –Spanien. Spanien wurde bisher gerne als Land angeführt,das schon gentechnisch veränderten Mais anbaut, ohnedass sich daraus Probleme ergeben. Sie sehen mir sicher-lich nach, dass ich in diesem Zusammenhang darauf hin-weise, dass sich Positionen auch verändern können.Wissenschaftler aus Frankreich und Österreich habenBedenken in toxikologischer und allergologischer Hin-sicht geäußert. Wissenschaftler aus meinem Ministeriumnachgeordneten Behörden halten aufgrund des Vorsorge-prinzips weitere Prüfungen für notwendig. Im Rahmender Ressortabstimmung ist festgestellt worden, dass sichnicht alle Ressorts diese wissenschaftliche Auffassungzu Eigen machen. Auf diese Weise ist die Enthaltung zu-stande gekommen.Die andere Frage bezog sich auf die weitere Regelungder Tiertransporte in der EU der 25. Wir haben uns, wiegesagt, in der extrem misslichen Lage befunden, ange-sichts der Tiertransporte über endlos lange Strecken unddmsrgwRpRAw4dktg1dTdubdhgwVhmAnwlvzHEesöpafuJczhTgadSdwgzw
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Darum können wir wetten.
Wir können es gleich bilateral ausmachen. Es kann ei-entlich nur um guten deutschen Wein gehen.
a wir uns in der Spargelzeit befinden, sollte es Weiß-ein sein. Man muss ja praktisch denken, Herrchindler.
Okay, 24 Flaschen Riesling Spätlese trocken, so odero. Wahrscheinlich kommen alle Anwesenden mit einemläschen vorbei.
Das war eine Einladung.
Das gilt, egal was sein wird.Sie haben gesagt, der Tabakanbau verschwinde ab010. Zumindest für mich geht es nicht darum, dass manich an einem Produkt festhält; vielmehr müssen wir unsberlegen, ob wir den Regionen Zeit geben, sich notfallsmzustellen, und ob wir sie finanziell dabei unterstützen,n dieser Stelle etwas Neues und anderes aufzubauen.enken Sie an die Lissabon-Strategie und an alle Debat-en, die wir hier über einen tatsächlichen Subventionsab-au geführt haben! Auch Herr Koch, der so ungefähr Ih-er politischen Richtung zuzuordnen ist, und andereaben große Dinge gefordert. Es soll sogar Leute geben,ie sagen: Eine Steuererklärung muss – das ist mein Be-ug zum Hopfen – auf einen Bierdeckel passen. Dasetzt im Hinblick auf den Tabak zwingend voraus, dasslle anderen Subventionen abgeschafft werden, damitan auf einem Bierdeckel eine Steuererklärung machenann; sonst würde das nicht funktionieren.Wenn man so etwas will, dann muss man die Dingeber in sich logisch zusammenführen. Deshalb sage ich:eränderung bei den Steuern, Subventionsabbau, Geldür Neues, für Innovationen, für Bildung, Forschung undntwicklung, damit kreative Jobs geschaffen werdennd damit sich auf diesem Gebiet etwas entwickelt. Dasst offensichtlich unser aller Ansinnen. Das heißt nuninmal auch, dass Sie schauen müssen, ob Sie das, wasa passiert, noch irgendwie politisch legitimieren kön-en. Dazu sage ich: 7 800 Euro pro Hektar sind nicht le-itimierbar. Wir geben Steuergelder speziell für den Ta-akanbau, während es auf der anderen Seite pro Tag
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Bundesministerin Renate Künastungefähr 300 Tote wegen Rauchens gibt. Auch ich kanndiesen Widerspruch auf Dauer nicht begründen. Dasgeht nur, wenn man angewandtes Spaltungsirreseinpraktiziert, was keiner von uns tun möchte.Wir kommen also gar nicht darum herum, an dieserStelle zu sagen: Wir machen etwas anders, aber immermit Übergangszeiten, damit man sich darauf einstellenkann und damit man eine Chance hat, etwas Neues auf-zubauen. Das Gesamtergebnis darf im Verhältnis zu an-derem keine grobe Benachteiligung sein.Die Reformen im Tabakbereich sind für die Bauernselbst nicht schlecht. Sie sind für die nächste Verarbei-tungsstufe vielleicht schlecht, wo man jetzt glaubt, mankönne sich an der Höhe der Prämien sozusagen im Ge-leitzug nicht immer ganz geschickt andocken. Ich wie-derhole: Für die Bauern selbst sind diese Reformen garnicht so schlecht. Man muss zwischen beidem schon un-terscheiden.Herr Schindler, zur Umsetzung sage ich klar und de-finitiv: Es gibt heute eine Sitzung einer Bund-Län-der-Arbeitsgruppe auf Abteilungsleiterebene. Dort wirdmiteinander geredet. Es gibt zwei ganz unterschiedlicheModelle: Man kann betriebsbezogen vorgehen und dieSubventionen für den Tabakbereich aufrechterhaltenoder man kann auf die Flächenprämie setzen. Wir wollenmit den betroffenen Bundesländern darüber diskutieren,welche Regelung richtig ist. Ich bin dazu voll und ganzbereit. Ich trete dafür ein, das in Verbindung mit demschon laufenden Verfahren zum ersten Reformpaketohne Verzögerung zustande zu bringen. Da ich an Verzö-gerungen kein Interesse habe, können Sie sich vorstel-len, dass ich ein für meine Verhältnisse großes Maß anKompromissbereitschaft habe.
Gibt es noch Wortmeldungen oder Fragen zu anderen
Themen der heutigen Kabinettssitzung? – Das ist nicht
der Fall.
Wir kommen zu weiteren, darüber hinausgehenden
Fragen. Die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch hat sich zu
Wort gemeldet.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Frage bezieht
sich auf ein außenpolitisches Thema. Der Bundesregie-
rung ist sicherlich bekannt, dass es ab März sehr viele
Übergriffe auf Kurdinnen und Kurden in der syri-
schen Provinz Heseki gab. Ich möchte gern wissen, ob
die Bundesregierung und insbesondere das Auswärtige
Amt Möglichkeiten sehen, etwas für die Verbesserung
der Lage der Kurdinnen und Kurden in Syrien zu tun.
Zur Beantwortung steht der Staatsminister Hans
Martin Bury zur Verfügung.
Frau Kollegin, dieses Thema hat in der heutigen Ka-
binettssitzung der Bundesregierung keine Rolle gespielt.
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Frau Lötzsch, eine weitere Frage steht Ihnen nicht zu.
Ja, das ist etwas unbefriedigend. Also gewähre ich
hnen eine weitere Frage.
Herr Präsident, Sie haben mich freundlicherweise un-
er „weitere Fragen“ aufgerufen. Ich habe daher auch
icht nach Themen der heutigen Kabinettssitzung ge-
ragt. Deshalb erwarte ich schon eine Antwort vom
errn Staatsminister.
Herr Bury, wollen Sie sich äußern?
Frau Kollegin, die Befragung der Bundesregierung
ezieht sich im Gegensatz zur Fragestunde im Wesent-
ichen auf die vorangegangene Kabinettssitzung. Des-
alb habe ich Ihnen in dieser Weise geantwortet.
Zur Fragestunde gibt es von Ihnen, glaube ich, keine
ntsprechende Frage. Ich bin trotzdem gern bereit, Ihnen
chriftlich Informationen zur Verfügung zu stellen.
Vielen Dank. – Damit sind wir am Ende der Befra-ung der Bundesregierung.Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2:Fragestunde– Drucksachen 15/2953, 15/2965 –Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziffer 10er Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fra-en des Kollegen Dietrich Austermann auf:Wie bewertet die Bundesregierung, dass die sechs führen-den deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wachstums-erwartungen nach unten korrigiert haben, und welche haus-haltspolitischen Konsequenzen zieht die Bundesregierungdaraus?Welche Auswirkungen hat die Absenkung derWachstumsprognosen auf das zu erwartende Haushaltsdefizitmit Blick auf die europäischen Stabilitätskriterien?Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-ekretär Diller zur Verfügung. Bitte schön.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-
lege Austermann, die Wirtschaftsforschungsinstitute tei-
len die Einschätzung der Bundesregierung, dass sich
Deutschland aus der Stagnation löst. In der Zusammen-
fassung ist beispielsweise zu lesen – ich zitiere –:
Die deutsche Wirtschaft löst sich langsam aus der
Stagnation. Seit Herbst vergangenen Jahres nehmen
Produktion und Nachfrage wieder zu ... Maßgeblich
für den Produktionsanstieg sind zum einen die Im-
pulse, die – trotz der drastischen Aufwertung des
Euro – vom Aufschwung der Weltwirtschaft aus-
gehen. Zum anderen kommen mit dem Nachlassen
der Unsicherheiten nicht zuletzt im Gefolge des
Irak-Krieges die Anregungen aus dem expansiven
Kurs der Geldpolitik mehr und mehr zum Tragen;
sie stärken die Konjunktur auch im übrigen Euro-
raum. Erste Zeichen einer binnenwirtschaftlichen
Erholung zeigen sich in Deutschland bei den Aus-
rüstungsinvestitionen.
Die Bundesregierung erarbeitet derzeit eine eigene
Konjunkturprognose, die, wie Sie wissen, Grundlage für
die Steuerschätzung sein wird, die Mitte Mai vorgelegt
werden wird. Dabei bewegen wir uns traditionell inner-
halb des Prognosespektrums nicht nur der nationalen
Institute – das haben Sie angesprochen –, sondern auch
internationaler Organisationen. Die Gemeinschaftsdia-
gnose hilft der Bundesregierung bei der eigenen Ein-
schätzung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Ende dieser Woche werden wir unsere aktualisierte
Konjunkturprognose vorlegen. Mitte Mai erfolgt die
Steuerschätzung. Erst auf Grundlage dieser Daten kann
über mögliche haushaltspolitische Konsequenzen ent-
schieden werden.
Zusatzfragen? – Bitte.
Meine erste Zusatzfrage: Herr Staatssekretär, ist Ih-
nen bekannt, dass Kollegen aus der Koalition aufgrund
der wirtschaftlichen Entwicklung, die anders verläuft als
erwartet, inzwischen von der Notwendigkeit eines Haus-
haltssicherungsgesetzes sprechen? Ich beziehe mich da-
bei insbesondere auf Aussagen der Kollegin Hermenau
und des Kollegen Schöler. Sie sprechen auch davon, dass
es eine Lücke im Haushalt von mindestens 10 Milliarden
Euro gibt, dies im Zusammenhang mit der Wachstums-
entwicklung, aber auch mit weiteren Faktoren. Sind Sie
nicht der Meinung, dass im Hinblick darauf schon jetzt
und nicht erst nach der Steuerschätzung gehandelt wer-
den muss? Die Erfahrung der letzten Jahre ist, dass nach
einer Steuerschätzung jeweils gesagt wird: Jetzt warten
wir auf die nächste Steuerschätzung. – Ich gehe also da-
von aus, dass im Mai gesagt wird: Wir warten jetzt auf
die Steuerschätzung im November. – Ist es nicht so, dass
aufgrund der eigenen Einschätzung der Kollegen aus der
Koalition eine rasche Entscheidung erforderlich ist und
nicht weiter zugewartet werden kann?
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Nein, eine zweite Frage lasse ich nicht zu.
Herr Staatssekretär, ich würde Sie bitten, etwas lauter
zu sprechen, denn an meinem Platz sind Sie akustisch
überhaupt nicht zu verstehen.
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ieses Interesse könnte aber auf einer Fehlinformationeruhen. Ich will Sie daher darüber in Kenntnis setzen,ass die Aktuelle Stunde erst in 95 Minuten stattfindet.
Aber nicht von mir, sondern aus Ihren eigenen Reihen.as ist der Unterschied.
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsWir kommen zur Frage 3 der Kollegin Tanja Gönner:Wie stellt sich die Bundesregierung zu der Aussage derEuropäischen Kommission – Mitteilung der Kommission SG
D/50740 –, dass die Höhe des Pfandes zwar in der gel-
tenden Verpackungsverordnung bereits enthalten ist, der inder Novelle der Verpackungsverordnung erstmals auf alleEinwegverpackungen ausgedehnte Anwendungsbereich abereine Neubewertung der Regelungen nötig macht, und wie willsie darauf reagieren?Ma
Frau Kollegin Gönner, die zitierte Mitteilung der
Kommission ist eine Reaktion auf die deutsche Stellung-
nahme vom 26. Januar 2004, die auf die ausführliche
Stellungnahme der Kommission zu dem notifizierten
Verordnungsentwurf der deutschen Pfandnovelle vom
6. Oktober 2003 erfolgte.
In ihrer ausführlichen Stellungnahme vom Oktober
2003 trug die Kommission vor, dass die Höhe des Pfand-
betrages von 25 Cent auf Verpackungen unabhängig von
ihrer Größe möglicherweise nachteilige Auswirkungen
auf einige Getränke habe. Die Verbraucher könnten da-
von absehen, so die Kommission, Produkte zu kaufen,
bei denen das Pfand den Produktwert erreicht oder über-
steigt.
In ihrer Stellungnahme vom 26. Januar dieses Jahres
hat die Bundesregierung die Kommission darauf hin-
gewiesen, dass die Pfandhöhe unmittelbar mit der durch
die Pfandpflicht bezweckten Lenkungswirkung zuguns-
ten der abfallvermeidenden und gesamtökologisch
vorteilhaften Mehrwegverpackung korrespondiert. Es
wurde ferner darauf hingewiesen, dass der Produktwert
in aller Regel deutlich über dem Pfandbetrag liegt.
Selbst wenn der Pfandwert in Einzelfällen den Produkt-
wert erreichen sollte, führe dies jedenfalls nicht dazu,
dass die Verbraucher davon absehen, solche Produkte zu
kaufen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Pfandbe-
trag zwar beim erstmaligen Erwerb eines solchen Ge-
tränkes anfällt, bei weiteren Erwerbsfällen aber vom
Verbraucher nicht mehr aufzuwenden ist.
Ferner hat die Bundesregierung die Kommission
darüber informiert, dass ihr keine Erkenntnisse darüber
vorliegen, dass die nunmehr seit über einem Jahr prak-
tizierte Pfandregelung die von der Kommission unter-
stellte Wirkung zeigt. Im Gegenteil: Die Marktanteile
der Vertreiber, die besonders niedrigpreisige pfand-
pflichtige Getränke im Sortiment führen, haben sich im
vergangenen Jahr erhöht. Mit einer weiteren Abstufung
der Pfandhöhe nach unten würde unweigerlich ein Len-
kungseffekt zugunsten kleinerer Verpackungsgrößen
bewirkt werden. Dieses ist aber aus ökologischen Grün-
den nicht zu rechtfertigen und stünde mit den Zielen im
zweiten Erwägungsgrund der Verpackungsrichtlinie
nicht im Einklang, wonach die Verringerung der Ge-
samtmenge an Verpackungen anzustreben ist.
In ihrer in der Fragestellung zitierten Mitteilung vom
15. April 2004 geht die Kommission auf die ausführli-
chen Darlegungen der Bundesregierung leider in keiner
Weise ein. Sie führt nunmehr erstmals in diesem Zusam-
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. April 2004 9395
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Die Fragen 18, 19 und 20 werden schriftlich beant-
wortet. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur
Verfügung.
Die Fragen 21, 22 und 23 sollen schriftlich beantwor-
tet werden.
Wir kommen dann zur Frage 24 der Kollegin Petra
Pau:
Seit wann besteht – einschließlich eines entsprechenden
Information Board – die „Koordinierungsgruppe Internationa-
ler Terrorismus“, in der Bundes- und Landesbehörden, Polizei
und Nachrichtendienste regelmäßig zusammenarbeiten – ver-
gleiche den Aufsatz von Manfred Klink, „Bekämpfung des in-
ternationalen Terrorismus im Zusammenhang mit den An-
schlägen am 11. September 2001 in den USA“, „Die
Kriminalpolizei“, September 2002 –, und welche Ergebnisse
konnte sie bisher erzielen?
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Frau Kollegin Pau, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Die „Koordinierungsgruppe Internationaler Terro-
rismus“ besteht auf Grundlage eines Beschlusses des
Arbeitskreises II, „Innere Sicherheit“, der Ständigen
Konferenz der Innenminister und Innensenatoren der
Länder seit dem 21. September 2001.
An den Sitzungen der „Koordinierungsgruppe Inter-
nationaler Terrorismus“, die anlassbezogen stattfinden,
nehmen Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der
Landeskriminalämter mit dem Bundeskriminalamt, des
Unterarbeitskreises des AK II „Führung, Einsatz, Krimi-
nalitätsbekämpfung“, der Landesämter für Verfassungs-
schutz, des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des
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9396 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. April 2004
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9398 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. April 2004
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. April 2004 9399
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich darf Sie zunächst an die vielen Diskussionenerinnern, die wir im Dezember des letzten Jahres mit-einander geführt haben. Uns wurde verheißungsvoll ver-sprochen: Wir müssen nur die Steuerreform vorziehen,uns bis über die Ohren verschulden,
dann wird das einen solchen Konsumrausch auslösen,dass das alles am Ende zu einem wirtschaftlichen Auf-schwung führt und die Steuereinnahmen wieder stärkerfließen. – Ich habe Ihnen schon damals gesagt: Das istschlicht eine politische Klapperstorchgeschichte.Wenn Sie jetzt das Gutachten der so genannten Wirt-schaftsweisen lesen, dann können Sie alles das wieder-finden, was wir schon damals gesagt haben: Unter dengegenwärtigen Rahmenbedingungen wird ein solcherEffekt nicht eintreten. – Genau das hat sich bestätigt.
Die Reduzierung der prognostizierten wirtschaftli-chen Daten betrifft uns alle. Sie ist für niemanden einGrund zur Freude. Es wird wieder diejenigen am meis-ten treffen, deren wirtschaftliche Entwicklung ohnehinschon am schlechtesten ist, und das sind nun leider dieneuen Bundesländer. Seit etwa 1998 ist das wirtschaft-lrdguudzsiRgvdkpDt6wnwuslD2bsufkRldwgatfllszddeda
Die uns zur Verfügung gestellten Sonderbundesergän-ungszuweisungen werden zur Behebung der teilungsbe-ingten Sonderlasten verwandt. Dazu gehört aber auchie Finanzierung der Sonderversorgungssysteme derhemaligen DDR nach Maßgabe von Urteilen des Bun-esverfassungsgerichts, in denen uns – das wissen Sielle – immer mehr Lasten aufgebürdet wurden.
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9400 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. April 2004
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Ministerpräsident Dr. Wolfgang Böhmer
In keinem Bundesland wird noch Wirtschaftsförderungnach dem so genannten Gießkannenprinzip praktiziert.Dieses wird tatsächlich nur noch in den Medien vertretenund dort leider immer wieder stereotyp wiederholt. Wirmöchten allerdings über Struktur und Schwerpunkte derWirtschaftsförderung selbst entscheiden. Das Zusam-menlegen der so genannten Ostförderung der vier För-derministerien der Bundesregierung – diesen Vorschlaghabe ich kürzlich gehört – in einer Institution, die zentralüber die Förderwürdigkeit entscheidet, also eine so ge-nannte Cluster-Bildung, würde aus unserer Sicht einWiederaufgreifen der Wirtschaftssteuerung durch einestaatliche Plankommission bedeuten. Diese Zusammen-legung wird von allen neuen Bundesländern abgelehnt.
Sie widerspräche auch den Zielvorstellungen, die wir inder Föderalismuskommission zurzeit gemeinsam disku-tieren.Wir leugnen dabei nicht, dass wir noch weitere Hilfebrauchen. Das heißt aber nicht, noch mehr Geld. Dasheißt vor allen Dingen, mehr Rechte, mehr rechtlicheFreiheit, um uns selbst helfen zu können.
Das heißt auch, mehr eigene Gestaltungs- und Rege-lungszuständigkeiten. Wir möchten gerne Herrn Bundes-wirtschaftsminister Clement beim Wort nehmen und imOsten eine so genannte Innovationsregion mit weitge-hender Deregulierung schaffen. Wir brauchen zur Ein-gliederung von Langzeitarbeitslosen nicht nur kurzfris-tige Eingliederungshilfen – diese gibt es ja schon –,sondern für längere Zeit Lohnkostenzuschüsse. Das istimmer noch besser als Sozialtransfer ohne Gegenleis-tung.
Je eher die im so genannten Korb II zugesagten Inves-titionshilfen zur Verfügung gestellt werden, umso eherkönnen sie wirksam werden. Die Entwicklung der Löhnemuss sich konsequent an der Entwicklung der Produk-tivität orientieren. Was in den Niederlanden, meine Da-men und Herren, schon 1982 im so genannten Pakt vonWassenaar mit den Gewerkschaften vereinbart werdenkonnte, sollte auch bei uns offiziell möglich sein.
Hier hat nämlich die Wirklichkeit wenigstens in denneuen Bundesländern den Gesetzgeber schon überholt.Für unterentwickelte Regionen sollten grundsätzlichvereinfachte Regelungen im Genehmigungs- und Ar-beitsrecht gelten. Das verlangt aus meiner Sicht – auchdas will ich sagen; das brauchen wir nämlich, damit in-nerhalb Deutschlands die Situation entspannt und ent-krampft wird – eine grundsätzlich neue Strategie derFörderpolitik in Deutschland. Wir erfassen genügendMessdaten, um die wirtschaftliche Situation einer Re-gEgobMDdlmnwnetHstmwaawadufPdggoSzinslSdvlMdsswfsd
Wenn es uns nicht gelingt, die neuen Bundesländereiterzuentwickeln und die Bevölkerungswanderungufzuhalten, wird am Ende die gesamte Bundesrepublikarunter leiden. Die demographischen Verschiebungennd die Wanderungsverluste werden zu Konsequenzenühren, die uns allen schaden und die die bestehendenrobleme verschärfen.Deshalb liegt es im wohlverstandenen Interesse aucher westlichen Bundesländer, dass der Aufbau im Ostenelingt. Dabei haben wir – das wollen wir ganz offen sa-en – auch einige Fehler gemacht. Die Einbeziehung derstdeutschen Länder in das westdeutsche Arbeits- undozialrecht geschah auf der Basis der damaligen Geset-eslage, die die Wohlstandsgesellschaft Westdeutschlandn den 70er-Jahren entwickelt hatte. Es war irreal, anzu-ehmen, dass die neu gegründeten, noch völlig kapital-chwachen Betriebe in Ostdeutschland auf der Grund-age des geltenden Sozial- und Arbeitsrechtes ihrentrukturwandel würden organisieren können.Der Wirtschaftsaufbau in einem gesättigten Markt be-eutet für uns vor allen Dingen die Förderung von Inno-ation sowie industrienaher Forschung und Entwick-ung. Das böte auch Chancen auf Arbeitsplätze für jungeenschen, die dann im Lande blieben.Meine Damen und Herren, ich höre jetzt immer wie-er, dass die Bundesregierung viel Zeit für die Diskus-ion von gesetzlichen Vorhaben verwendet, von denenie sagt, dass sie diese Gesetze eigentlich gar nicht an-enden will. Darum mache ich den Vorschlag, diese Zeitür die Umsetzung der Vorschläge des Bundeswirt-chaftsministers zu nutzen; denn das sind Vorschläge,ie wir alle gerne umgesetzt sähen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. April 2004 9401
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Ministerpräsident Dr. Wolfgang Böhmer
Vielen Dank.
Für die Bundesregierung hat nun der Bundesministerfür Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement, das Wort.Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaftund Arbeit:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir sollten uns über eines klar sein: Es gibt eineWachstumsbremse in Deutschland
– das haben Sie schon gestern gesagt; das ist keine Novi-tät – und diese Wachstumsbremse sind die Schlechtred-ner, diejenigen, die ständig blockieren,
und diejenigen, die den Pessimismus in Deutschlandpflegen. Herr Austermann, Sie gehören sicher dazu.Das Gutachten der Wirtschaftssachverständigen, HerrKollege Niebel, gibt wirklich keinen Anlass zu Pessi-mismus. Dort steht schwarz auf weiß, was richtig undnotwendig ist. Übrigens steht in dem Gutachten auch,Herr Kollege Niebel, dass die in Angriff genommenenArbeitsmarktreformen Schritte in die richtige Richtungsind.Dabei wissen wir alle, dass solche Strukturreformenkeine direkten konjunkturellen Impulse geben können.Sie wirken aber am Arbeitsmarkt und tragen dazu bei,das Geschäftsklima zu verbessern. Die Gutachter unter-streichen zu Recht, dass viele unserer Arbeitsmarktrefor-men das Wachstumspotenzial steigern. Dadurch kann diewirtschaftliche Belebung, die in einen Aufschwungübergehen muss, stärker ausfallen und länger anhalten,als es ohne die Reformen der Fall wäre.Ich teile aber auch die Auffassung der Institute, dasskein Grund besteht, die Hände in den Schoß zu legen,sondern dass wir auf dem Weg umfassender wirtschafts-politischer Reformen weiter vorangehen müssen – sowie wir das tun, ob Sie das wollen oder ob Sie dasblockieren.
Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben, wie Siefeststellen konnten, ihre Prognose für das Bruttoinlands-produkt des Jahres 2004 von 1,7 auf 1,5 Prozent korri-giert. Dazu mag der schwache Konjunkturverlauf im ers-ten Quartal dieses Jahres beigetragen haben, derschlechter war als erhofft. Ich nehme nicht an, dass Siedarauf gehofft hatten.
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Wir sollten die Dinge sehen, wie sie sind. Die Ge-einschaftsprognose bewegt sich jedenfalls im Rahmener Vorausschätzung der Bundesregierung. Sie wissen,ass wir von einem Wachstum zwischen 1,5 undProzent ausgehen. Wir bewegen uns zurzeit am unte-en Rand dieser Prognose, wie alle Institute feststellen.ber nichts spricht dagegen, dass sich die Beschleuni-ung des konjunkturellen Verlaufs in diesem Jahr undrst recht im nächsten Jahr erhöht. So stellt es sich jeden-alls aus der Sicht unserer und auch anderer Fachleutear. Im Hinblick auf die Entwicklung im nächsten Jahrind die Schätzungen der Institute zu vorsichtig. Sieechnen aber mit einer konjunkturellen Beschleunigungür das Jahr 2005. Das heißt, wir alle, vor allem die Wirt-chaft, treten allmählich das Gaspedal durch. Wir habenen Reformmotor in Gang gesetzt. Sie haben es nicht ge-an; wir haben es getan.
ir sind überzeugt, dass wir noch in diesem Jahr weitererüchte ernten können.Da ich schon das Stichwort Wachstumsbremse er-ähnt habe, möchte ich auf zwei konkret hinweisen. Dieine Wachstumsbremse ist namentlich Herr Ministerprä-ident Koch mit seinem Hin und Her beim Optionsmo-ell.
ie Institute – wir werden das morgen noch im Einzel-en diskutieren – schreiben ihm ins Stammbuch
regen Sie sich ab und lesen Sie es nach! –, dass einebeneinander verschiedener Modelle beim Arbeits-osengeld II, also bei der sozialen Grundsicherung, zueibungsverlusten führt und nicht unproblematisch ist.as heißt, die Institute bescheinigen ihm das, was Sietändig beklagen, nämlich den Hang zu einer aufgebläh-en Bürokratie, die den angestrebten Effizienzgewinn zu-ichte machen kann. Sie werden verstehen, dass ich das anders als Sie, Herr Niebel – genauso sehe.Wir haben mit der vorgezogenen Steuerreform die In-estitionsbedingungen für Unternehmen verbessert unden Arbeitsmarkt flexibilisiert. Damit bin ich bei derweiten Wachstumsbremse. Sie sind es wiederum gewe-en, die verhindert haben
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9402 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. April 2004
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Bundesminister Wolfgang Clement
– hören Sie auf zu lachen und hören Sie einfach zu! –,dass die dritte Stufe der Steuerreform in einem Schrittumgesetzt wurde.
Die Nachfrage und auch die Investitionsbereitschaft inDeutschland wären natürlich jetzt größer, wenn wir dieSteuerreform in einem Schritt vollzogen hätten.
Sie haben – das wissen auch Sie – aus opportunistischenGründen einen Fehler gemacht und damit der gesamtenVolkswirtschaft in Deutschland Schaden zugefügt. Dasist nun einmal so.Sie mögen den Pessimismus pflegen und die positiveEntwicklung schlechtreden wollen. Aber Sie werdennicht an der Tatsache vorbeikommen können, dass derIfo-Geschäftsklimaindex insbesondere für den Einzel-handel signalisiert, dass die privaten Haushalte wiederVertrauen fassen und dass der private Konsum die Bin-nenkonjunktur demnächst beleben wird. Das bestätigtauch der Konsumklimaindikator der Gesellschaft fürKonsumforschung.Diese positive Tendenz zeigt sich auch beim Auftrags-eingang. Sie können heute den Nachrichten entnehmen– das deutete sich schon auf der Hannover-Messe an –,dass der deutsche Maschinen- und Anlagenbau nach denvier hervorragend verlaufenen Monaten November, De-zember, Januar und Februar eine weitere positive Ent-wicklung erwartet. Wenn diese ansteigende Tendenz bisetwa Juni andauert – der VDMA meldet für März einenAnstieg der Aufträge im deutschen Maschinenbau um37 Prozent –, dann wird das Wachstum im deutschenMaschinenbau, der Schlüsselindustrie für die gewerb-liche Wirtschaft, nicht nur 2 Prozent, sondern mehr als3 Prozent betragen. Sie werden erleben, dass es aufgrunddieser Tatsache eine Verbesserung der Situation am Ar-beitsmarkt gibt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie daszusammen mit mir begrüßen würden, anstatt zu versu-chen, diese positive Entwicklung zu leugnen.
Herr Ministerpräsident Böhmer, hinsichtlich des Auf-baus Ost sagen die Institute sehr eindeutig: WennDeutschlands Wirtschaft insgesamt nicht wieder an Dy-namik gewinnt, wird auch der Osten keine ausreichen-den Wachstumsimpulse erhalten. Um es klar zu sagen:Alles hängt davon ab, dass die Wirtschaft in Deutschlandan Fahrt gewinnt. Es wäre gut, wenn alle politischen undwirtschaftlichen Kräfte – ob es Arbeitgeber, Arbeitneh-mer, Verwaltungen oder Gewerkschaften sind – auf die-ses Ziel hinarbeiten würden. Der Osten muss nicht aufDauer – gewissermaßen gottgegeben – ein Niedriglohn-gebiet bleiben. Wir werden ihn auch nicht per Gesetzdazu machen; niemand von uns denkt im Traum daran.Diejenigen, die daran denken, sollten sich das aus demKnmOsrUsUwatwecHBbDDGvnPwPdzdesZpRftguadwIdemfzt–su
Herr Ministerpräsident Böhmer, Sie haben von einerlankommission gesprochen, die entstehen soll. Icheiß nicht, wo diese entstehen soll. Wir sollten uns voropanzen hüten und uns nicht wechselseitig vorhalten,ass sich nichts tut und niemand die Absicht hat, etwasu tun.Sie wollen keine neuen Trennungen. Sie können sicharauf verlassen: Auch wir wollen das nicht. Wir wollenine positive Entwicklung in ganz Deutschland. Aberelbstverständlich brauchen wir vermehrt und auf langeeit Anstrengungen in Ostdeutschland. Ich weiß sehrersönlich, wovon ich rede. Als jemand, der aus demuhrgebiet kommt, habe ich einige Erfahrungen damit.Was die Entwicklung von Zentren, von wettbewerbs-ähigen Regionen und deren Ausstattung, die sie erhal-en müssen, angeht: Von den im Rahmen des Finanzaus-leiches auszuzahlenden Mitteln – bis 2019 sind esngefähr 153 Milliarden Euro – fließen etwa 100 Milli-rden zu Ihnen, zu den Länderministerpräsidenten und inie Länder. Deshalb liegt die Verantwortung für die Ent-icklung solcher Zentren in ganz besonderer Weise beihnen. Sie werden in diesem Prozess voranschreiten. Ichenke, dass wir, wenn der Abend kommt und der Tagtwas ruhiger gestaltet wird, darüber sehr viel präziseriteinander reden können, als das jetzt der Fall ist.Was die Innovationsregionen angeht, bin ich sehr da-ür, dass sich alle Regionen in Deutschland an dem Pro-ess der Deregulierung und der Entbürokratisierung be-eiligen. Eines will ich allerdings in aller Klarheit sagen das habe ich schon mehrfach auf Anfragen von Wirt-chaftsministerkollegen aus Sachsen, Sachsen-Anhaltnd Thüringen gesagt –: Ein Sonderarbeitsrecht mit
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. April 2004 9403
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Bundesminister Wolfgang Clementeinem verminderten Kündigungsschutz oder einge-schränkten Tarifverträgen beispielsweise wird, kann undsollte es nach meiner festen Überzeugung in Deutsch-land nicht geben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wirdemnächst ein sachsen-anhaltinisches Arbeitsrecht ha-ben, das anders ist als das Arbeitsrecht im übrigenDeutschland.
Das werden wir nicht machen. Ich weiß nicht, ob Sie daswollen. Auch das würde zu Trennungen führen, die nie-mand von uns für richtig halten kann. Deshalb glaubeich, dass wir gut beraten sind, uns bei dem Thema Inno-vationsregionen auf Fragen des Bürokratieabbaus sowieder Verbesserung und Beschleunigung des Verfahrens-und Genehmigungsrechts zu konzentrieren. Daraus kannsich eine Menge an Vorteilen ergeben. Diese sollten wirnutzen.Ich teile übrigens die Worte der Wirtschaftsinstitutezur unmittelbar bevorstehenden Erweiterung der Euro-päischen Union nach Osteuropa. Um es klar zu sagen– ich zitiere einen Sachverständigen –:Sich gegen Outsourcing zu stemmen hieße, aufWachstumschancen zu verzichten.Wir müssen endlich wieder lernen, nicht immer nurdie Nachteile und die Risiken für Deutschland zu sehen,die es natürlich überall gibt. Wir werden von anderenMitgliedstaaten der Europäischen Union beneidet.
Deutschland als exportorientiertes Land wird von denWachstumsmärkten in Osteuropa und in Mitteleuropaprofitieren. Die Erweiterung wird nicht zulasten deut-scher Arbeitsplätze gehen.
Herr Minister, gestatten Sie mir nur den Hinweis, dass
nach den Regeln unserer Aktuellen Stunde bei Über-
schreiten einer bestimmten Redezeit durch Mitglieder
der Bundesregierung auf Verlangen einer Fraktion eine
allgemeine Aussprache eröffnet werden kann. Das soll
für Ihre weiteren Dispositionen ein zielführender Hin-
weis sein.
Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft
und Arbeit:
Herr Präsident, ich bin für den Hinweis auf die sehr
strengen Gepflogenheiten dankbar.
Ich will deshalb mit einem Wort von Fontane schlie-
ßen, das ich noch gerne vortragen möchte; denn es wird
hier so oft von Wachstumsbremsen gesprochen. Theodor
Fontane hat gesagt – ich wusste das gar nicht; es ist mir
aufgeschrieben worden; ich finde das Zitat so schön,
dass ich es Ihnen gerne vorlesen möchte; das ist dann der
Schluss, Herr Präsident –:
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n diesem Falle auch manches, was vonseiten der Oppo-
ition gesagt wird. Aber Sie wissen: Ich hoffe auf Ihre
esserung. Alles Gute!
Das Zitat von Fontane wollen wir auf die Redezeit
on Minister Clement nicht anrechnen.
Damit erteile ich nun als nächstem Redner dem Kol-
egen Rainer Brüderle, FDP-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Mi-ister Clement, ich habe mich gestern über Ihren Kom-entar zum Frühjahrsgutachten gewundert. Sie behaup-en, die grün-roten Minireförmchen hätten schon einenffekt auf das Wachstum gehabt; sie seien quasi Wachs-umsgeber.
So werden Sie von Reuters – ich habe die Meldung da-ei – zitiert. Dann hat die Agentur etwas gefälscht. Ihreressestelle sollte das korrigieren.Ich will aus dem Frühjahrsgutachten zitieren. Dieutachter schreiben: Es sei falsch, zu meinen, die bes-ere Konjunktur sei auch oder sogar vorwiegend das Er-ebnis der in Gang gesetzten Reformen und man könneur warten, weil vermeintlich genug getan sei. Vielmehrei jetzt die Wirtschaftspolitik gefordert, das Potenzial-achstum zu stärken usw., usw.
as ist quasi eine Abmahnung, mehr konsequente Re-ormen zu machen.Sie haben die Opposition, deren Aufgabe es ist, aufehler – wir können die jetzige Situation nicht als gutezeichnen – hinzuweisen, als Wachstumsbremse be-chimpft. Wir tun unsere Pflicht, wenn wir auf die Schwä-hen der grün-roten Politik hinweisen. Sie leisten aus-chließlich einen Beitrag zur Verunsicherung der Bürger.
Das Gutachten zeigt ganz deutlich: Es gibt ein Mini-achstum; wenn wir die Kalendereffekte berücksichti-en, beträgt das Wachstum 0,9 Prozent. Dabei kanneine Beschäftigung entstehen.
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9404 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. April 2004
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Rainer BrüderleAuch die Prognose für das nächste Jahr ist sehr mä-ßig. Es gibt Schwächen: Das Potenzialwachstum ist zugering, es gibt zu wenig Flexibilität und Investitionen.Es gibt eine Schwäche auf dem Binnenmarkt aufgrunddes geringen Konsums. Die Menschen sind zutiefst ver-unsichert. Manche Politiker fordern, die Erbschaftsteuerzu erhöhen, der Mittelstand wird mit der Ausbildungs-platzabgabe verrückt gemacht und die Ministerpräsiden-tin von Schleswig-Holstein, Frau Simonis, will dieMehrwertsteuer erhöhen.
Wie soll dabei Vertrauen entstehen? Sie verunsicherndie Bürger und jetzt bezeichnen Sie sogar diejenigen, diezu Recht auf Probleme hinweisen, als die eigentlicheKonjunkturbremse. Bei einer solchen Politik verlierendie Menschen jedes Vertrauen in die Politik. Sie glaubenIhnen nichts mehr, die Menschen vertrauen Ihnen nichtmehr. Deshalb ist Angstsparen zur Realität in Deutsch-land geworden; daraus entsteht die Schwäche am Bin-nenmarkt; deshalb wird zu wenig konsumiert und inves-tiert. Das ist die Ursache.
Sie setzen falsche Rahmenbedingungen. Die Steuer-politik der Regierung ist nicht konsequent genug. Siesind nicht flexibel genug, Sie lockern nicht das Tarifver-tragsrecht. Sie wissen, dass hier eine der Zementierun-gen liegt. Betriebliche Bündnisse für Arbeit sind ohneGenehmigung der Kartellbrüder von Gewerkschaftenund Arbeitgeberverbänden – nach meiner Auffassungmachen das beide falsch – nicht möglich. Hier müssendie Betriebe mehr Rechte erhalten. Im Osten Deutsch-lands – Herr Professor Böhmer weiß das – sind zweiDrittel aller Arbeitsverhältnisse außerhalb des geltendenTarifvertragsrechts.
Das ist unschön, aber eine Notreaktion, weil Sie zu starreRegeln setzen.
Sie müssen Reformen konsequent umsetzen und Ver-trauen wiedergewinnen. Durch die Osterweiterung wirdes Niedrigsteuergebiete und Niedriglohngebiete im ge-meinsamen Markt geben. Die baltischen Staaten, dieSlowakei und Slowenien haben eine Flat tax von unter20 Prozent. Es wird relativ bald egal sein, wo der Sitz ei-nes Unternehmens ist, ob beispielsweise in Riga oder inKöln. Wenn man in Riga unter 20 Prozent Steuern zahlt,während die Steuern bei uns unverändert hoch bleiben,wird es zu weiteren Verlagerungen kommen. Sie könnendaher nicht diejenigen beschimpfen, die es besser ma-chen, sondern müssen unsere hausgemachten Problemelösen.
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ie ist es deshalb, weil dort eine bessere Politik gemachtird, weil es dort mehr Flexibilität gibt und Reformenonsequent umgesetzt wurden.
Die Weltwirtschaft betrifft uns alle. Die Asiaten undmerikaner machen es besser und aufgrund dessen erle-en wir eine laue Belebung. Weil es in Amerika boomt,st der Export – Gott sei Dank – angesprungen. Aber derlte Mechanismus – wenn der Export steigt, springenmpulse auf den Binnenmarkt über – wirkt zum erstenal nicht. Der Export ist zwar angesprungen; aber derinnenmarkt verharrt, weil kein Vertrauen vorhanden istnd keine Reformen, die zu mehr Flexibilität geführtätten, konsequent umgesetzt worden sind. Der Konsumtagniert aufgrund des Angstsparens. Der Mittelstand hatein Vertrauen in die Zukunftsentwicklung. Deshalb ha-en wir kein kräftiges Wachstum, das wir aber bräuch-en. Sie wissen, dass die Beschäftigungsschwelle güns-igstenfalls bei 1,5 Prozent Wachstum liegt; bei,9 Prozent Wachstum erreichen Sie keine Effekte aufem Beschäftigungmarkt. Da helfen auch die schönfär-erischen Tricksereien in der Arbeitsmarktstatistik nicht.
ie haben die Leute verrückt gemacht. Sie haben die30-Mark-Arbeitsverhältnisse abgeschafft. Jetzt feiernie Minijobs.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Das ist überall festzustellen. Ursache ist die Politik.
Vielen Dank, Herr Präsident.
Das Wort hat nun der Kollege Fritz Kuhn, Bündnis 90/ie Grünen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. April 2004 9405
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Weil hier so viel vom Vertrauen in denMarkt gesprochen wird,
möchte ich die Frage stellen: Wie sollen die Marktteil-nehmer reagieren, wenn sie an einem Tag in der Zeitunglesen, die Sachverständigen hätten die Wachstumspro-gnose von 1,7 Prozent auf 1,5 Prozent nach unten korri-giert, und am gleichen Tag in der Zeitung steht, der Ifo-Geschäftsklimaindex sei überraschenderweise gestie-gen? Die einen sind also ein bisschen vorsichtiger, wäh-rend die anderen eine steigende Zahl nennen.Ich will damit sagen, dass wir diesen Zirkus,
indem wir das Geschehen am Binnenmarkt anhand vonFeinstausschlägen innerhalb eines Prognoseszenariosbewerten, einmal kritisch hinterfragen sollten.
Ich sage zugespitzt: Wenn Sie der Konjunktur inDeutschland einen Gefallen tun wollten, dann müsstenSie einmal ein Jahr lang auf diesen Zirkus verzichten.
Nun weiß auch ich, dass das nicht geht; aber ich willdarauf hinweisen: Wer wie Herr Brüderle hier ernsthaftsagt, das Problem sei der Binnenmarkt und die Leutegingen nicht einkaufen, der muss sich fragen, welchefast dämonische Wirkung wir diesen Zahlen und der Re-duzierung von 1,7 auf 1,5 Prozent zuschreiben.
Schauen Sie sich im Alltag an, wie sehr negative Pro-gnosen einen tatsächlichen Prozess beschleunigen kön-nen – Selffulfilling Prophecy –, dann wissen Sie wirk-lich, was ich meine.Andersherum gesagt: Alle hier im Haus würden gutdaran tun, sich darauf zu besinnen, was wir tun können,damit die optimistischen Kräfte, die Wachstumskräfte,zunehmen. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Es gibt eineganz einfache Botschaft: Wir müssen die Reformen inDeutschland, die wir mit der Agenda 2010 begonnen ha-ben – ich betone bewusst: begonnen haben –, energischfortsetzen.
– Nein, dabei schaue ich Sie an und ich sage Ihnen auch,warum. Wir müssen eine der entscheidendsten Refor-men, nämlich die Abschaffung dieses absurden Systems,dass wir gleichzeitig eine Sozialhilfe und eine Arbeitslo-senhilfe für Arbeitsfähige mit verschiedenen Verwaltun-gnIKzZsDDnrwElüödfsgDFdrkkleifSasDktDdEh
ch finde schon, dass sich die Union und vorneweg Herroch den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass sie der-eit die entscheidende Arbeitsmarktreform durch denirkus, den sie im Zusammenhang mit der Frage der Zu-tändigkeiten veranstalten, blockieren.
iese Sache müssen Sie und wir lösen. Dann geht es ineutschland auch wieder aufwärts. Dann brauchen wiricht weiter über den Niedriglohnsektor zu philosophie-en.
Dazu will ich noch eine Bemerkung machen, auchenn Ministerpräsident Böhmer leider nicht mehr da ist.in breiter, aus Staatszuschüssen finanzierter Niedrig-ohnsektor in Deutschland, sei es im Osten oder sei esberall in Deutschland, ist, wenn man es genau nimmt,konomischer Unsinn. Es kommt vielmehr darauf an, fürie Menschen, die arbeiten können, aber aus spezi-ischen Gründen über die Brücke zum Arbeitsmarktchwer gehen können, individuell zugeschnittene Lösun-en zu finden, damit sie in den Arbeitsmarkt gelangen.abei ist übrigens das Arbeitslosengeld II ein enormerortschritt gegenüber dem Status quo einer Sozialhilfe,ie eine Sozialstaatsfalle ist.
Wenn wir in Deutschland über irgendetwas diskutie-en sollten, dann über die Frage, wie wir die Begehbar-eit der Brücken in den Erwerbsarbeitsmarkt verbessernönnen. Ein breiter, staatlich subventionierter Niedrig-ohnsektor ist doch wohl ein Witz. Ich bin erstaunt, dassin solcher Vorschlag heute von der Union kommt, diemmer gesagt hat, sie lehne breit angelegte Subventionenür den Arbeitsmarkt ab. In den Folgebeiträgen müssenie dem Hohen Hause wirklich erklären, wie Sie jetztuf diese Idee gekommen sind. Es gibt intelligentere Lö-ungen, die mehr auf den Einzelfall zugeschnitten sind.Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung ineutschland und der Debatten der letzten Monate – manann fast sagen: der letzten Jahre – kommen meine Frak-ion und ich zu der Überzeugung, dass das Defizit ineutschland ganz klar bei den Innovationen liegt undass wir dort zulegen müssen.Deswegen sage ich Ihnen:
s wird um Investitionen in Forschung und Bildung ge-en. Noch eine Steuerreform durchzuführen, die uns
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9406 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 104. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. April 2004
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Fritz Kuhn10 oder 20 Milliarden Euro kostet – solche Rezepte tau-gen nichts. Zuerst müssen wir in den genannten Berei-chen investieren.
Denn, Herr Brüderle, den Wettbewerb mit den Löhnen inTschechien oder Litauen werden wir – Marktwirtschafthin oder her – nicht gewinnen können. Dieser Wettlaufist absurd.
Wir müssen es schaffen, an unseren deutschen Stand-orten Produkte zu entwickeln, Dienstleistungen zu er-bringen und Produktionsverfahren einzusetzen, wie siein anderen Ländern, egal welche Löhne dort gezahltwerden, nicht möglich sind.
Dazu müssen wir im Parlament gemeinsame Anstren-gungen unternehmen.
Das würde viel mehr helfen, als wenn wir uns voodoo-mäßig darüber unterhalten, ob das Wirtschaftswachstum1,5 Prozent oder 1,7 Prozent betragen wird.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss.
Das ist sehr schön.
Eines möchte ich an meine Nachredner gerichtet sa-
gen: Ich muss gleich weg; wer mich also beleidigen
möchte, sollte sich an den Kollegen Schulz wenden. Da
ich mich für meine Verhältnisse sehr bemüht habe, heute
niemanden zu beleidigen,
bitte ich Sie, meine Abwesenheit ausnahmsweise zu ent-
schuldigen.
Vielen Dank.
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as sollte sowohl Ihnen, Herr Minister Clement, alsuch Ihnen, Herr Kuhn, reichlich zu denken geben. Dassie Wirtschaft in allen Teilen der Welt läuft, nur nicht iner Bundesrepublik, das muss doch Gründe haben.
a Sie mittlerweile sechs Jahre an der Regierung sind,önnen Sie sich auch nicht mehr damit herausreden, dassas an Ihrer Vorgängerregierung liegt.Jetzt entdecken Sie ständig den Aufschwung, der an-eblich vor der Tür steht. Herr Minister, ich habe Fol-endes nachgelesen: Im letzten halben Jahr haben Sieen Aufschwung 23-mal direkt vor der Tür gesehen. Deranzler hat Sie im gleichen Zeitraum mit circa 50-malogar übertroffen.
ber der Aufschwung ist immer noch nicht da. Werlaubt denn noch Ihren Versprechungen, dass der Auf-chwung vor der Tür steht, wenn Sie ihn zwar immerieder kommen sehen, er in der Realität aber erstensicht kommt und zweitens nicht da ist?Kollege Brüderle hat zu Recht darauf hingewiesen,ass im Gutachten des Wissenschaftsrates steht, dass Sieit den Strukturreformen vorankommen müssen. Das istine schallende Ohrfeige für Sie. Darüber reden Sie hin-eg. Sie haben das Beschäftigungsziel verfehlt. Darübereden Sie hinweg. Sie haben das Wachstumsziel verfehlt.arüber reden Sie hinweg. Den Aufbau Ost setzen Sie inen Sand. Auch darüber reden Sie hinweg.
ll das, Herr Minister, kann doch so nicht gehen. Hierüssen grundlegende Veränderungen vorgenommenerden.Wenn Sie von Reformen sprechen, dann handelt esich um Reformen wie die Ausbildungsplatzabgabe, zuenen die gesamte Wirtschaft, Sie selbst und auch Teilehrer Fraktion sagen, dass sie völlig verfehlt sind. Aberin sturer Holzkopf aus dem Sauerland hält an ihnenest, weil die Linken meinen, ihre Ideologie sonst nichtichtig umsetzen zu können.
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Dr. Klaus W. Lippold
Das ist für Deutschland schädlich. Herr Clement, neh-men Sie auf die Ideologie keine Rücksicht und führenSie vernünftige Strukturreformen durch! Dann kommenwir einen ganz entscheidenden Schritt weiter. Aber so,wie Sie vorgehen, wird uns das nicht gelingen.Zu den Themen Arbeitsmarkt und Zusammenlegungvon Arbeitslosen- und Sozialhilfe haben wir klare, ein-deutige Vorschläge gemacht, denen Sie hätten zustim-men können.
Nicht Herr Koch ist das Problem, sondern Sie sind dasProblem. Sie sollten unseren Vorschlägen auch einmalzustimmen und nicht immer Querschüsse abgeben. Dannkommen wir in der Sache weiter. Aber Sie machen nurNebel. So kann das nicht funktionieren.Nun komme ich zu einem anderen Thema, das ich fürganz entscheidend halte. Sicherlich bestehen, was denKonsum betrifft, erhebliche Schwierigkeiten. Wenn Siedie Zeitschriften von heute lesen, können Sie den Kom-mentierungen sehr deutlich entnehmen, dass dieseSchwierigkeiten anhalten werden. Warum? Das liegtdoch nicht an der Opposition, sondern schlicht und er-greifend daran, dass die Leute aus Angst sparen. Da-durch ist es zu einem Rekordkonsumverzicht gekom-men, wie wir ihn noch nie hatten. Warum sparen sie ausAngst? – Sie sehen, wie links und rechts von ihnen Ar-beitsplätze abgebaut werden. Deshalb haben sie Angst,ihren Arbeitsplatz ebenfalls zu verlieren. Darüber hinaussehen sie, dass diese Regierung jeden Tag eine andereSau durchs Dorf treibt: Der eine redet davon, die Erb-schaftsteuer zu erhöhen, der andere davon, die Vermö-gensteuer wieder einzuführen. Der Dritte redet von einerzusätzlichen Variante der Ökosteuer: Das Abkassierenbeim Benzin allein genügt Kollege Müller nicht, damuss jetzt auch noch eine Ökosteuer auf Wasser undeine auf Abfall in Erwägung gezogen werden.Wo kommen wir hin, wenn Sie immer nur an neueBelastungen denken? Glauben Sie, dass die Leute dannfröhlich konsumieren?
Sie sind diejenigen, die den Leuten auf den verschie-densten Wegen die Kaufkraft nehmen, hinterher aber an-kommen und fragen: Warum gehen die Leute nicht in dieGeschäfte und kaufen? Sie haben eine Rekordpleite-welle, wie wir sie seit langem nicht mehr hatten, und esist absehbar, dass sich diese Pleitewelle im Stillen fort-setzen wird. Sie werden auch in diesem Jahr wiederSchuldenberge auftürmen, die weit über das hinaus-gehen, was der Stabilitätspakt, den wir in der Europäi-schen Union geschlossen haben, erlaubt. Auch dasschreiben Ihnen die Sachverständigen ins Stammbuch;auch das erwähnen Sie mit keinem Wort. Sie verletzendas Ziel des europäischen Stabilitätspaktes in einer gera-dezu dramatischen Art und Weise, glauben aber, dass miteiner solchen verfehlten Politik Remedur geschaffenwerden kann.BdIdvSstbeSHWHdVDsglsadasad0muSdgwShBStwk
Herr Clement, Sie werden ändern müssen, was dieseundesregierung vorhat. Sie werden endlich einmalurchsetzen müssen, was Sie zwar verschiedentlich aufndustriekongressen angekündigt haben, was aber be-auerlicherweise im Kabinett keine Mehrheit findet undon Ihrer Koalitionsfraktion weggebügelt wird. Werdenie durchsetzungsfähig, dann haben wir einen ersten An-atzpunkt. Übernehmen Sie das, was Ihnen die Opposi-ion an konstruktiver Zusammenarbeit anbietet, dann ha-en Sie einen zweiten Ansatzpunkt. Dann wären diersten Weichen für eine Besserung gestellt.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Walter Schöler,
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Kollege Lippold, das Gemeinschaftsgutachten derirtschaftsforschungsinstitute ist alles andere als eineiobsbotschaft; dieses Gutachten verkündet vielmehrie Botschaft, dass die Wirtschaftsbelebung auf demormarsch ist:
afür gibt es in diesem Gutachten deutliche Hinweise,owohl für das zweite Halbjahr 2004 als auch für 2005.Ich räume durchaus ein: Es wäre sicherlich schönerewesen, wir hätten schon jetzt eine günstigere Entwick-ung verzeichnen können. Aber zu Schwarzmalerei, wieie in Ihrem Beitrag festzustellen war, gibt dieses Gut-chten überhaupt keinen Anlass. Sie versuchen hier wie-er, als der Schwarzmaler vom Dienst aufzutreten undlles mies zu machen, um damit von Ihrem eigenen Ver-agen insbesondere in den letzten Wochen und Monatenbzulenken.Die Institute nehmen zwar ihre letzte Schätzung fürie Zunahme des realen Bruttoinlandsproduktes um,2 Prozentpunkte und damit geringfügig zurück; das istehrfach gesagt worden. Die Institute sagen aber auchnverblümt, wer das mit zu verantworten hat, nämlichie von der Opposition. Sie von der Union haben sichoch im Vermittlungsverfahren Ende letzten Jahres querelegt; die FDP hat sich gar nicht mehr beteiligt. Werar es denn, der das Vorziehen der gesamten drittentufe der Steuerreform auf den 1. Januar 2004 abgelehntat? – Sie waren doch die Neinsager zu dieser möglichenelebung der Binnennachfrage!
ie waren es doch, die damit das Anziehen der Konjunk-ur verhindert haben. Dadurch fehlen jetzt weitere, not-endige Konjunkturimpulse. Die Institute stellen auchlipp und klar fest: Die Schätzungen haben um
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Walter Schöler0,2 Prozentpunkte nach unten korrigiert werden müssen,weil das steuerliche Entlastungsvolumen geringer ist, alses bei der letzten Steuerschätzung im November 2003von den Sachverständigen unterstellt wurde.Sie von der Union rufen heute also wieder „Haltet denDieb“ – dabei sind Sie selbst der Dieb! Denn ohne IhreObstruktion hätten wir nach Aussage der Institute heuteeine bessere wirtschaftliche Entwicklung, als sie gesternprognostiziert worden ist.Sie haben sich nicht nur beim Vorziehen eines Teilsbzw. der gesamten dritten Stufe der Steuerreform ver-weigert, Sie haben auch große Teile der von der Koali-tion auf den Weg gebrachten Vorschläge zum Abbau vonungerechtfertigten Steuervergünstigungen und zum Sub-ventionsabbau nicht mitgetragen; das wissen wir dochalle. Sie beklagen zwar immer, dass nicht in genügen-dem Umfang Subventionen abgebaut worden sind unddass auch die Länder und Gemeinden in finanziellenSchwierigkeiten sind. Aber Sie hätten ja die Möglichkeitgehabt, die Vorschläge mitzutragen.Dass Sie die Neinsager waren, wirkt sich jetzt negativaus: Um die Staatsfinanzen stünde es heute auf allen dreiEbenen – Bund, Länder und Gemeinden – deutlich bes-ser, wenn Sie die Konzepte mitgetragen und sich nichtverweigert hätten. Ich muss Sie daran erinnern: Wir ha-ben immerhin das Steuervergünstigungsabbaugesetz unddas Haushaltsbegleitgesetz 2004 vorgelegt. Viele Teiledavon haben Sie nicht mitgetragen. Beklagen Sie dasjetzt bitte nicht.Ich komme nun zu den haushaltspolitischen Konse-quenzen des Gutachtens; Kollege Dr. Lippold hatte sieschon angesprochen. Im November hatten die Institutedie Steuereinnahmen für 2004 auf rund 492 MilliardenEuro für den Gesamtstaat geschätzt. Jetzt liegt ihreSchätzung für 2004 bei 486 Milliarden Euro; das sind6 Milliarden Euro weniger. Davon entfallen rund2 Milliarden Euro auf den Bund, der Rest auf die Länderund Gemeinden. Hinzu kommt eine Belastung in ähnli-cher Größenordnung – das räume ich durchaus ein –, dasich eine Verbesserung am Arbeitsmarkt noch längerhinschleppen wird. Dies sind erhebliche Belastungen fürden Haushalt. Sie tun sehr weh. Das wissen wir. Ich willnichts beschönigen.Die tatsächliche Größenordnung der Steuerausfälleund Mehrausgaben für den Arbeitsmarkt kann man der-zeit nicht exakt beziffern. Dazu brauchen wir zumindestdie Steuerschätzung, die im Mai auf den Tisch gelegtwerden wird, und die Zahlen über die weitere Entwick-lung am Arbeitsmarkt. Erst dann werden verlässlicheDaten vorliegen. Es bringt nichts, vorher zu jammernund das zu beklagen, was Sie selbst zu wesentlichen Tei-len angerichtet haben. Dann wird zu entscheiden sein,wie Haushaltsprobleme, die vielleicht entstehen werden,zu lösen sind.Das Gemeinschaftsgutachten rechnet auch für 2005mit einem gesamtstaatlichen Defizit von 3,5 Prozent,also mit einem Überschreiten des Maastricht-Defizitkri-teriums. Ich verkünde Ihnen von dieser Stelle aus nicht,dass das Unsinn ist und dass wir unter der DefizitgrenzevmndNgswnetdIkwDrdFCLwgbdwswsbtpbhmw
azu werden wir die Daten heranziehen, die wir bis zumovember dieses Jahres bekommen – mit dem bei Abwä-ung der gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse muss an-trebt werden, dass auch das Defizitkriterium eingehaltenird. Das erfordert mehr als das, was Sie hier vortragen,ämlich ein behutsames Vorgehen. Wir dürfen nicht mitinem drastischen Sparprogramm die positive Konjunk-urentwicklung abwürgen. Das wäre völlig kontrapro-uktiv. Ein Sparpaket von 12 Milliarden Euro, wie es dienstitute vorschlagen, ist deshalb überdimensioniert.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.
An unserem festen Willen, weiter zu konsolidieren,
ann und darf es dennoch keinen Zweifel geben. Wir
erden den schwierigen Weg weitergehen und auf den
reiklang Konsolidierung, Schaffen von Investitionsan-
eizen und Verfolgung einer Politik setzen, die sich auf
ie Schwerpunkte Innovationsförderung, Bildung und
amilie konzentriert.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat nun der Kollege Michael Fuchs, CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eider ist der Möchtegernminister Kuhn nicht mehr an-esend. Man sollte ihm nachrufen, dass das Frühjahrs-utachten vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gege-en wird. Wenn Sie das Gutachten schon kritisieren,ann sollten Sie wenigstens wissen, was Sie tun. Aberahrscheinlich haben Sie es nicht so halten können wieonst und haben nicht die Statistik fälschen können. Dasar nicht möglich. Die Institute haben Ihnen die grau-ame Wahrheit gesagt. Mit Frühjahr verbindet man Auf-ruch, Wachstum und Erneuerung. Das, was Ihnen un-erbreitet wurde, ist eine einzige Hiobsbotschaft. Dasasst Ihnen natürlich nicht.Ihre Reformpolitik, mit der Sie begonnen haben, istis jetzt mit keinem einzigen Erfolg gesegnet. Sie istandwerklich katastrophal umgesetzt. Eigentlich dürftean gar nicht von Handwerk sprechen. Jeder Hand-erksmeister müsste beleidigt sein.
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Dr. Michael FuchsKeines Ihrer Projekte läuft ohne Pannen. Ich erinnerenur an das Dosenpfand, die Maut oder das Arbeitslosen-geld II, das im Volksmund schon Maut II heißt.
Dieser Zickzackkurs wird nicht dazu führen, dass wir inDeutschland zu mehr Wachstum kommen. Ich betrachtedieses Frühjahrsgutachten als eine Ohrfeige für die Bun-desregierung.
Es geht noch viel weiter: Es ist eine Anklage; denn esgibt keine Anzeichen für Binnenwachstum. Schauen Siesich einmal das Wachstum in anderen Ländern an undfragen Sie sich, warum es dort funktioniert und bei unsnicht.
Die USA wachsen um 4 Prozent, Kanada wächst um3 Prozent und selbst Japan, das jahrelang gekränkelt hat,liegt bei 3,2 Prozent. Wie sieht es bei uns aus? Herr Mi-nister, Sie reden nur und können noch froh sein, wenn es1,5 Prozent sein werden.Ich will das nicht schlechtreden,
aber mittlerweile sagen auch schon einige Wirtschafts-verbände, es seien nur 1,2 Prozent. Dabei müssen Sie be-denken, dass das wirkliche Wachstum im Prinzip nur0,6 Prozent betragen wird, da die anderen 0,6 Prozent al-lein schon durch die vier zusätzlichen Arbeitstage in die-sem Jahr erreicht werden. Das heißt, Sie kränkeln bei0,6 Prozent herum und wollen uns klarmachen, dass dasder große Durchbruch und Aufschwung ist.
Wie Sie auf das Plus von 1,5 Prozent kommen wol-len, das Sie eben noch skizziert haben, wird Ihr großesGeheimnis bleiben. Im ersten Quartal betrug das Wachs-tum 0,2 Prozent. Das Wachstum müsste in jedem nach-folgenden Quartal deutlich über 2 Prozent liegen, damitSie in diesem Jahr überhaupt noch auf einen Durch-schnitt von 1,5 Prozent kommen. Sie müssen mir einmalerklären, wie Sie das hinbekommen wollen. Selbst in ei-ner reifen Volkswirtschaft hat es nur selten einen solchenSprung gegeben.Das größte Problem ist Ihre Finanzpolitik. Allein imletzten Jahr betrug die Neuverschuldung auf Bundes-ebene 40 Milliarden Euro. Ich sage Ihnen voraus – derKollege Austermann hat das in den letzten Tagen brillantbelegt –, dass die Neuverschuldung in diesem Jahr über45 Milliarden Euro liegen wird. Was bedeutet das? – Dasbedeutet schlicht und ergreifend, dass Sie im nächstenJahr die allein in diesen beiden Haushaltsjahren neu auf-genommenen Schulden in Höhe von 85 Milliarden EuroznlfhncddnmalsAWghdhMwWeauSnNjagad
ir werden aus der Misere nicht herauskommen, wennr nicht sofort weitere Reformen durchführt. Sie sindufgefordert, endlich Ihr Bremserhäuschen zu verlassennd sich bitte nach vorne in den Zug zu bewegen. Tunie etwas!
Das Wort hat nun der Kollege Werner Schulz, Bünd-is 90/Die Grünen.
Werner Schulz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-EN):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Früh-ahrsgutachten gibt sicherlich keinen Anlass, in Jubeluszubrechen. Es gibt aber etliche Gründe für vorsichti-en und verhaltenen Optimismus. Darüber sollten wiruch reden.Nicht nur am Ifo-Geschäftsklimaindex zeigt sich,ass die deutsche Wirtschaft langsam aus der Stagnation
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Werner Schulz
herauskommt. Das ist bei diesen festgefahrenen und ver-krusteten Verhältnissen schon eine Leistung. Seit letztenHerbst steigen die Produktion und der Absatz. Danebenerholt sich die Binnenwirtschaft durch die Erhöhung derAusrüstungsinvestitionen. Ich finde, auch darüber sollteman reden. Herr Fuchs, man sollte nicht, wie Sie, alleapokalyptischen Reiter, die sich finden lassen, auf dieseslangsam in Trab gekommene Konjunkturpferd setzen.Das hilft uns überhaupt nicht weiter.
Das ist die übliche Art, mit der Sie alles herunterreden,was diese Regierung getan hat. Im Gutachten steht ein-deutig, dass die Forschungsinstitute den Kurs der Bun-desregierung bestätigen, auch wenn die Reformen imMoment noch keine sehr klaren Wirkungen zeigen.Worüber reden wir? Wir reden über die Abweichungeiner Prognose von 0,2 Prozent. Ich bitte Sie: Wenn ichan die letzten Jahre denke, bin ich richtig glücklich, mitwelcher Treffsicherheit die Prognose dieses Mal einge-treten ist.
Ich hatte angesichts der letzten Prognosen schon ge-dacht, Wirtschaftsraten sei in diesen Instituten eine Tä-tigkeit.
– Sie bestätigen das. Bei Ihnen helfen auch gute Tippsnicht mehr.
– Es ist sehr schwierig, solche Prognosen zu treffen.Fakt ist, dass wir in der Lage sind, die Wirtschaftvoranzubringen. Wir können uns auch nicht mit den Feh-lern vorheriger Regierungen herausreden. Im Wirt-schaftsgutachten steht: Die versäumten Strukturrefor-men sind das Resultat von Jahrzehnten. Die Probleme,die wir haben, sind nicht von heute auf morgen entstan-den oder vom Himmel gefallen.
Da Sie so viel Wert auf Zitate legen, habe auch ich einZitat. Es ist zwar nicht von Fontane, aber von Rolf-E.Breuer, CDU-Mitglied seit 1969, ehemals Sprecher desVorstands und jetzt Aufsichtsratsvorsitzender der Deut-schen Bank. Er hat gesagt:Schuld trägt das Verharren in Strukturen, die in denletzten Jahrzehnten nicht reformiert worden sind.Ich sage bewusst „Jahrzehnte“, weil der oberflächli-che Betrachter dazu neigt, alles der jetzigen Regie-rung anzulasten. Das ist nicht richtig. Speziell inden letzten Jahren der Kohl-Regierung sind überfäl-lige Reformen nicht angepackt worden.vn1mtfistMdIzAdsAlDwszfvnPkvssgufD–VPWEezdh
Genau das würde ich auch dem Ministerpräsidentenon Sachsen-Anhalt sagen. Der Aufbau Ost eignet sichicht für eine Momentaufnahme. Ostdeutschland ist seit4 Jahren ein Innovations- und Experimentierfeld. Dabeiuss man auch berücksichtigen, dass dort eine Deindus-rialisierung in nicht gekannter Größenordnung stattge-unden hat. Wenn der Kahlschlag erst einmal da ist, dannst nicht sofort ein neuer Wald aus dem Boden ge-tampft. Es gibt dort zwar keine blühenden Landschaf-en, aber Landschaften im Zwielicht.Es gibt durchaus positive Beispiele, aber auch eineenge von Fehlallokationen, von Kapitalverschwen-ung und -vergeudung durch unterlassene Struktur- undndustriepolitik. Wir haben zu lange blind auf das Anrei-en von Marktkräften und Investitionszulagen gesetzt.uch darüber muss man reden, wenn gefragt wird, wo inen letzten Jahren unsere Wachstumskräfte gebliebenind. Sie sind nicht dafür eingesetzt worden, um denufbau Ost in dem Maße voranzubringen, wie es mög-ich gewesen wäre.Jetzt reden wir über Cluster und Wachstumskerne.as hätte man von Anfang an machen können. Aberenn Sie einen Riss im Fundament haben, dann ist die-er nicht so leicht zu reparieren. Das, was wir momentanu bewältigen haben, ist nicht mit schnellen Vorschlägenür Lohnzuschüsse aus der Welt zu schaffen. Ich warneor „Kohlesubventionen über Tage“, also vor Subventio-en für den Erhalt der Niedriglöhne im Osten. Diesesroblem ist auch nicht mit flotten Regelungen und Büro-ratieabbau zu lösen, die sich nur auf den administrati-en Bereich konzentrieren. Das reicht nicht.Kollege Brüderle hat in seiner Fünfminutenrede diechwache Binnenkonjunktur und den mangelnden Kon-um betont, was im Gutachten als Hauptaspekt aufge-riffen wird. Es ist deutlich, dass es den Bürgerinnennd Bürgern in unserem Land an Zukunftsvertrauenehlt.
as ist das Ergebnis unserer gemeinsamen Politik.
Es ist das Ergebnis Ihrer Politik, wenn Sie heute vonollkaskomentalität sprechen. Es ist das Ergebnis Ihrerolitik, wenn Sie jetzt erklären, dass das Niveau diesesohlfahrtsstaates nicht gehalten werden kann. Es ist dasrgebnis Ihrer Politik, wenn Sie sagen, Globalisierungrfordert es, dass die Deutschen endlich ihre Ansprücheurückschrauben.Was glauben Sie, was dann passiert? Die Leute wer-en verstärkt Vorsorge betreiben, sind verunsichert undalten ihr Geld zusammen. Sie können das auch Angst-
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Werner Schulz
sparen nennen. Natürlich müssen wir diesen Zustandüberwinden. Wir überwinden ihn aber nur mit den Re-formen, bei denen wir beweisen, wozu sie gut und nützesind. Das ist der Punkt.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Manfred Grund,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Herr Kollege Schulz, wir alle haben den Regie-rungswechsel 1998 noch in bester Erinnerung, um an derLegendenbildung, die Sie betreiben, teilzunehmen.
Legendenbildung ist, zu behaupten, Sie hätten 1998/99mit Reformen anfangen müssen. Ich möchte Sie daranerinnern, was Sie zuerst gemacht haben: Sie haben Re-formen zurückgenommen.
Sie haben sich ein ganzes halbes Jahr damit beschäftigt,die Reformen, die wir mühsam genug auf den Weggebracht haben, – Lohnfortzahlung, Kündigungsschutz,Schlechtwettergeld, Kranken- und Rentenversicherung,den demographischen Faktor –, zurückzunehmen.
Der Bundeskanzler hat selbst zugestanden, dass es ei-ner der größten Fehler, die diese Regierung gemacht hat,war, diese Reformen zurückzunehmen. Weben Sie nichtan diesen Legenden. Sie sind mit einem Webfehler ge-startet. Dieser Webfehler wirkt sich bis heute aus.
Das Frühjahrsgutachten weist darauf hin, dass wir anden Fehlern leiden, die zu Anfang Ihrer Regierungspoli-tik gemacht wurden.Die heutige Aktuelle Stunde wird von einer Diskus-sion überlagert, die insbesondere in der letzten Wochegeführt worden ist. Es geht um den Aufbau Ost und dieVerwendung der Finanztransfers der letzten 15 Jahre. Esist von 1 250 Milliarden Euro die Rede, also von1,25 Billionen Euro, die in die neuen Bundesländer ge-flossen sind. Wer nicht jeden Tag mit dem Aufbau Ostund der Thematik der neuen Bundesländer befasst ist,der erhält den Eindruck, dass ein Großteil dieser Milliar-den in den Sand gesetzt worden ist.Ich will gar nicht abstreiten, dass einiges den Sand ge-setzt wurde, insbesondere in den berühmten märkischenSand. Doch dem Aufbau Ost wird die Diskussion, wiesie geführt wird, weder gerecht noch hilft sie uns aktuellwOSpdDgEddsM4faZvtidguegndrdldSzkk„NcWbrdndgdGi
Der Kanzler hat den Osten bereits abgeschrieben. An-ers ist es nicht zu erklären, dass mit Minister Manfredtolpe ausgerechnet derjenige für den Aufbau Ostuständig ist, der wirklich einige Milliarden in den mär-ischen Sand gesetzt hat. Anders ist es auch nicht zu er-lären, dass ausgerechnet an den VerkehrsprojektenDeutsche Einheit“ gespart wird und die ICE-Trasse vonürnberg über Erfurt nach Berlin auf den sprichwörtli-hen Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wurde.Es geht nicht um den Osten, es geht um Nordrhein-estfalen. Um hier eine Stimmungswende zu erreichen,raucht die SPD positive Nachrichten. Positive Nach-ichten sind aber weder über den Arbeitsmarkt noch überie Konjunktur zu haben. Die Misere lässt sich auchicht mehr schönreden. Deswegen kommt jetzt eine an-ere Botschaft ins Spiel und die heißt: Es steht eigentlichar nicht so schlecht um uns und wir stünden viel bessera, wenn wir den Osten nicht dauerhaft am Hals hätten.erade Nordrhein-Westfalen ginge es ohne die Transfersn die neuen Bundesländer besser.
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Manfred Grund
Also: Alte sozialdemokratische Wärmestube mit demAufbau Ost als Sündenbock.
Im Alten Testament wurden Sündenböcke fluchbela-den in die Wüste gejagt und damit hatte sich das Pro-blem erledigt. Doch so erledigt sich der Aufbau Ostnicht, weder durch Wegtreiben noch durch Zeitablaufnoch durch das Vollschreiben kluger Papiere von ge-scheiterten Sanierern. Herr von Dohnanyi gehört dazu.Der Lösungsansatz liegt woanders und er ist unbequem,weil er mehr als Geld verlangt.
Er verlangt, dass sich das Land als Ganzes auf den Prüf-stand stellt und sich hinterfragen lässt.Rüdiger Pohl, der langjährige Chef des Instituts fürWirtschaftsforschung in Halle, drückt es so banal wie fa-nal aus:Der Westen bremst den Osten aus.Damit weist er auf einen simplen Zusammenhang hin.
Herr Kollege Grund, wenn Sie bitte auch auf die Zeit
achten würden.
Erlauben Sie mir noch einen letzten Satz, Herr Präsi-
dent.
Dem deutschen Osten geht es deshalb so schlecht,
weil es dem Land als Ganzem nicht gut geht. Dies einzu-
gestehen wäre die Voraussetzung für eine wirkliche De-
batte über die Frage, mit welchen Instrumentarien er-
reicht werden kann, dass es dem Osten bzw. dem
gesamten Land wieder besser geht.
Herzlichen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Sigrid Skarpelis-
Sperk, SPD-Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen undHerren! Diese von der Opposition beantragte Debattemuss bei jedem Beteiligten Verwunderung auslösen. Wirbefinden uns in wirtschaftspolitischer Hinsicht in einerschwierigen Situation. Weder die deutsche noch die eu-ropäische Volkswirtschaft sind in einer zufriedenstellen-den Lage. Darin sind wir uns einig. Die Wachstumsratensteigen erfreulicherweise an, sind aber immer noch vielzu niedrig. Die Beschäftigungssituation ist nicht nur imOsten, sondern bundesweit unbefriedigend. Wie wir wis-sen, steigen deswegen die Defizite in den Sozial- undSdErWDmfdh–eWezVkknLsBMSdnwaasgbd
as Sie vorgebracht haben, war ein einziges Gejammer.as war keine volkswirtschaftliche Auseinandersetzungit der Lage, in der wir uns befinden. Zudem haben Siealsch zitiert.
Ich halte es nicht für richtig, Herr Fuchs – wo ist erenn? –, dass Sie dem Wirtschaftsminister und einer Be-örde das Fälschen von Statistiken vorgeworfen habenwenn ich das richtig verstanden habe –, aber nicht zuiner Auseinandersetzung zur Verfügung stehen.
enn jemand derart schwere Vorwürfe in diesem Hauserhebt, dann sollte er Manns genug sein, wenigstens bisum Ende der Debatte auszuhalten.
Ich halte es auch nicht für richtig, dass jemand denorwurf der Fälschung erhebt, ohne ihn zu belegen. Soönnen wir in diesem Hause nicht miteinander umgehen.
Wir sollten uns darin einig sein, dass ein Wachstums-urs wie auch die Konsolidierung der Staatsfinanzenotwendig sind. Diese muss aber beim Bund, in denändern und in den Kommunen ernsthaft und gemein-am betrieben werden. Es geht nicht an, der staunendenevölkerung in dieser Frage ein Hickhack vorzuführen.it massiven Kürzungen à la Austermann, mit denenie sich aus der Affäre zu ziehen glauben, würden wirie Konjunktur nur kaputtsparen. Wir würden damit kei-en sinnvollen Konsolidierungskurs einschlagen. So et-as hat in der Vergangenheit nicht funktioniert und wirduch in Zukunft nicht funktionieren können.
Was Sie im vergangenen halben Jahr an Rezepturenngeboten haben, ist nicht nur in sich widersprüchlich,ondern auch volkswirtschaftlich unsinnig und gehört ei-entlich in den Papierkorb; denn in der politischen De-atte ist das Voodoo-Ökonomie. Es ist traurig, dass wirarüber in diesem Hause diskutieren müssen.
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Dr. Sigrid Skarpelis-SperkIn der öffentlichen Debatte über die deutsche Wirt-schafts- und Finanzpolitik hat die Schizophrenie mit Ih-ren Vorschlägen im vergangenen halben Jahr einenneuen Rekord erreicht. Das fing schon im vergangenenHerbst an. Zuerst fielen starke Worte über die Nichtein-haltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Erinnernwir uns: Angela Merkel sprach von einer Versündigungvon Bundeskanzler Schröder und BundesfinanzministerEichel am Erbe der Deutschen Mark.
Guido Westerwelle sah eine Katastrophe voraus.
Edmund Stoiber sah die Bundesregierung in der Rolledes Totengräbers bezüglich des Pakts.Dann kam Weihnachten. Was bekamen wir dann?
– Ja, genau. Wir bekamen die Steuerreform, die HerrMerz mit einem phantastischen politischen Salto Mor-tale vorgeschlagen hat. Dann folgten die Herzog-Vor-schläge. Herr Seehofer – ich muss an dieser Stelle einender Ihren zitieren – stellte fest, dass sich die Kosten allerCDU-Vorschläge auf mehr als 100 Milliarden Euro be-laufen würden.
Wie passen denn nun die austermannschen Vor-schläge und die merkelsche Steuerreform zusammen?Selbst wenn man bedenkt, dass Sie das alles nachher mitHerrn Stoiber zu einer Art Steuerreform light zusam-mengestrickt haben, kommt man zu dem Schluss, dassdieses Rezept nicht vernünftig und finanzierbar ist.Ihre heutigen Vorschläge sind – entschuldigen Siebitte – nach dem gleichen Stiefel erfolgt. Auf der einenSeite wollen Herr Lippold und Herr Fuchs investierenund nochmals investieren. Auf der anderen Seite werdendie finanzpolitische Stabilität und insbesondere die Kon-solidierung der Staatsfinanzen angemahnt. Sie sollteneinmal darüber nachdenken, was Sie zur gleichen Zeit inein und derselben Debatte verlangen. Diesen volkswirt-schaftlichen Stuss darf sich ein erwachsener Mensch undÖkonom in diesem Haus jedenfalls verbitten. So gehtdas nicht weiter.
Heute wurden – Herr Brüderle ist leider nicht mehranwesend –
nicht nur mehr Investitionen gefordert. Vielmehr wurdeauch verlangt, die Bundesregierung müsse etwas im Os-ten tun. Aber gleichzeitig wurden die in Riga geltendenSteuersätze als wunderbares Beispiel genannt.
Frsl1uMdrvtWpzhgDCVSnAt–rucdddwDVresjzwgWrsJ
Stimmt, Herr Kollege Göhner, sogar noch im Juni.Darüber hinaus kann ich mich ebenfalls noch gut da-an erinnern, was konsequente Steuerpolitik von SPDnd Grünen bedeutet. 1996 hat Rot-Grün eine steuerli-he Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und damitas Entstehen einer wirtschaftlichen Dynamik verhin-ert. 1998/99 wurden die notwendigen Reformen, dieie Kohl-Regierung durchgeführt hatte, im Gesundheits-esen und in der Rentenversicherung zurückgenommen.er demographische Faktor wird nun mit fünfjährigererzögerung – so lange hat die SPD gebraucht, um da-über nachzudenken – als Nachhaltigkeitsfaktor wiederingeführt. Das sind letztendlich die Ursachen für diechlechten Konjunkturaussichten, wie sie auch im Früh-ahrsgutachten der sechs Wirtschaftsforschungsinstituteum Ausdruck kommen.Wir freuen uns ja, wenn es überhaupt Wirtschafts-achstum gibt. Aber wir sollten uns an die Lage zu Be-inn des Jahres 2003 erinnern. Auch damals wurde einirtschaftswachstum von 1 Prozent bis 1,5 Prozent vo-ausgesagt. Das Ergebnis war schließlich kein Wirt-chaftswachstum, sondern ein Minus von 0,1 Prozent imahr 2003.
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Max StraubingerIch hoffe, dass es im Jahr 2004 nicht wieder so sein wird.Zuerst lagen die Prognosen bei 1,7 Prozent. Nun liegensie bei 1,5 Prozent. Möglicherweise werden wir zumEnde dieses Jahres nur ein Wirtschaftswachstum von0,6 Prozent erreichen, weil vier Tage mehr in Deutsch-land gearbeitet worden ist. Das kann es doch nicht sein!
– Die Bayern arbeiten wahrscheinlich ein bisschenschneller, Herr Kollege Wend.Entscheidend ist ebenfalls, dass die Weltkonjunkturmit einem Plus von 3,7 Prozent an uns vorüberzieht.Ähnliches gilt auch innerhalb der EU. So hat Großbri-tannien ein Wirtschaftswachstum von über 3 Prozent.Das ist möglich geworden, weil unter Margaret Thatcherder Arbeitsmarkt in Großbritannien konsequent erneuertwurde, was wirtschaftliche Impulse ausgelöst hat.
Über 4,5 Millionen Arbeitslose in diesem Land, das istdie traurige Bilanz Ihrer Regierungspolitik. Der Bundes-wirtschaftsminister hat diese heute mit keinem Wort er-wähnt. Es ist notwendig, hier endlich einmal Impulse zusetzen.Von März 2003 bis März dieses Jahres waren über520 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungs-verhältnisse weniger zu verzeichnen. Das ist eine drama-tische Entwicklung. Die betroffenen Menschen sind aufsoziale Leistungen angewiesen. Das trägt zu der Schwie-rigkeit bei, hier ein besseres wirtschaftliches Umfeld zuschaffen. 40 000 Unternehmenspleiten in einem Jahrsind auch das Ergebnis rot-grüner Politik.
Was hat dazu geführt? Dazu geführt hat natürlich diemassive Verunsicherung der Verbraucher. Von „Angst-sparen“ war heute schon die Rede. Wenn man Angst umden Arbeitsplatz haben muss – die muss man angesichtsder Regierungspolitik von Rot-Grün tagtäglich haben –,dann kann man nichts anderes erwarten, als dass dieBürgerinnen und Bürger etwas zurücklegen. Wie soll derBürger überhaupt noch Vertrauen haben, wenn er jedenTag erfahren muss, dass zusätzliche Steuererhöhungenangedacht werden, dass die Ökosteuer, weil sie angeb-lich so großartig ist, weiter erhöht werden muss, dass dieErbschaftsteuer erhöht und die Vermögensteuer wiedereingeführt werden muss? Heute ist die Steuer auf Le-bensversicherungen beschlossen worden. Das verunsi-chert die Bürgerinnen und Bürger in größtem Maße.
Am dramatischsten ist eigentlich, dass wir den wirt-schaftenden Betrieben keine Freiräume gewähren; wirüberziehen sie mit Bürokratie. Jetzt kommt noch dieAusbildungsplatzabgabe hinzu. Der Bundeswirtschafts-minister lehnt sie zwar ab; aber er hat nicht die Kraft,seinen Willen gegenüber der Fraktion, dem Bundeskanz-ler und dem Parteivorsitzenden der SPD durchzusetzen.AglnbldDlKDDrgsSuuEsdlsdPntttSDdsens
Ich bin auch über die Sachlichkeit, mit der der Minis-erpräsident von Sachsen-Anhalt, Herr Böhmer, hierzutellung genommen hat, angenehm überrascht gewesen.as belebt die Debatte und verhilft zu Lösungsansätzen,ie wir in diesem Bereich brauchen. Herr Grund, das hatich von Ihren Verbalinjurien in diesen Fragen wohltu-nd abgehoben.Leider hat sich Herr Böhmer der verbreiteten und zu-ehmenden Unsitte angeschlossen – das muss schon ge-agt werden, auch an unsere eigene Adresse –, als Debat-
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Stephan Hilsbergtenteilnehmer nach Beendigung der Rede das Plenum zuverlassen.
Wir nehmen uns selbst nicht mehr ernst, wenn diejeni-gen, die an Debatten aktiv teilnehmen, nicht einmalmehr die Geduld aufbringen, im Anschluss an den eige-nen Redebeitrag die Debattenbeiträge der Kollegen ent-gegenzunehmen.
Wenn es so läuft, dann haben Debatten hier keinen Sinn.Irgendwie ist das für diese Debatte auch typisch. Sie ver-anstalten hier wegen der Korrektur der Wachstumser-wartungen der Wirtschaftsgutachter um 0,2 Prozent-punkte einen solchen Terz. Das ist unsere Zeit nichtwert.
Lassen Sie mich noch einige weitere Punkte anspre-chen, die mit Ostdeutschland zu tun haben. Zu den Auf-bauleistungen und Fehlern, die in Ostdeutschland ge-macht wurden, kann man manches sagen, aber wer derBundesregierung Schweigen vorwirft, richtet sich an diefalsche Adresse. Die Bundesregierung mit ManfredStolpe war die erste seit langer Zeit, die wieder neue Ak-zente in die Debatte um den Aufbau Ost hineingebrachthat. Es war diese Bundesregierung, die einen eigenenGesprächskreis eingerichtet hat, der dazu geführt hat,dass wir hier überhaupt wieder über diese Sachen reden.Dass die Debatte über den Aufbau Ost aber leiderauch wieder Ressentiments ans Tageslicht befördert hat,gehört zu den unerquicklichen, zum Teil sogar – da hatHerr Westerwelle völlig Recht; an dieser Stelle mussman ihm zustimmen – widerlichen und ekligen Begleit-erscheinungen. Jeder Anschlag auf die Teilungsbereit-schaft ist ein Anschlag auf die deutsche Einheit. Nie-mand hat das verdient, weder diejenigen, die das Geldausgeben – ohne diese Transferleistungen ist der Le-bensstandard nicht zu finanzieren und über die Anglei-chung der Lebensbedingungen gar nicht zu reden –,noch diejenigen, die das Geld zur Verfügung stellen. Esist eine der großen Leistungen der Bundesrepublik – dasmuss an dieser Stelle einmal gesagt werden –, mit die-sem Lastenausgleich die deutsche Einheit zu finanzie-ren.
Richtig ist, dass die Aufgaben in Ostdeutschland nochnicht erfüllt sind. Richtig ist, dass Ostdeutschland nachwie vor – gar keine Frage – wirtschaftliches Problemge-biet ist. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen,um das Wirtschaftswachstum in diesem Teil Deutsch-lands zu beschleunigen. Es muss überdurchschnittlichausfallen, wenn wir den Angleichungsprozess nach vornbringen wollen. Darüber zu reden und zu diskutieren istaller Mühen wert.IdmwoktUdAMdsaOgbsvscvigZmtlnsgWwnvhCgbwnandwb
Deswegen kommt es darauf an, die Weichenstellungier so zu ändern, dass wir stärker als bisher nachhaltigeluster und Betriebe fördern, die nach Ostdeutschlandehen, weil wir dort eine hervorragende Infrastruktur ha-en, weil wir eine hervorragende Forschung haben undeil wir gut ausgebildete Leute haben, die natürlichicht in Niedriglohngebiete wie Lettland oder Estlandbgeworben werden, weil die an dieser Stelle noch langeicht mithalten können.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Ja, ich komme zum Ende. – Diese Zukunft Ost-eutschlands gilt es weiter zu fördern.Nach wie vor gilt – damit will ich schließen; das istichtig und das bleibt wichtig -: Die ostdeutschen Pro-leme sind Sonderprobleme – gar keine Frage –, aber
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Stephan Hilsbergihre Lösung ist in die Lösung der Strukturprobleme ein-gebettet, die wir in der gesamten Bundesrepublik haben.Wir haben damit angefangen. Wir sind auf einem gutenWeg. Die Gutachten, die wir heute diskutieren, beweisenund bescheinigen uns, dass wir insgesamt auf dem richti-gen Weg sind. Statt zu bremsen, meine Damen und Her-ren von der Opposition, sollten Sie uns an dieser Stelleunterstützen; dann würden Sie sich und uns einen Gefal-len tun.
Das Wort hat nun der Kollege Reinhard Göhner,
CDU/CSU-Fraktion.
Liebe Kollegen! Wenn eine Konjunkturprognose um0,2 Prozentpunkte nach oben oder unten korrigiert wird,ist das in der Tat kein Anlass, Grundsatzfragen zu erör-tern. Wir müssen uns aber um die längerfristigen Trendsund die Fakten kümmern, die uns präsentiert wurden.Diese Dinge sind im Frühjahrsgutachten eindrucksvollund messerscharf dargelegt.Ein längerfristiger Trend ist eine starke Aufwärtsent-wicklung des Welthandels: In diesem Jahr wird nachdem Gutachten ein Plus von 9,5 Prozent erwartet. Da dasleichte Wachstum von, arbeitstäglich bereinigt, 0,9 Pro-zent, das sich in Deutschland in diesem Jahr langsam ausder Stagnation heraus entwickelt, insbesondere export-gestützt ist, ist eine Wahrheit, die wir diesem Gutachtenentnehmen können, dass unser Anteil am Welthandelmassiv zurückgeht. Die Weltwirtschaft, zumindest inden USA und in Ostasien, boomt und damit in der Tatauch der Welthandel. Der deutsche Anteil am weltweitenExport ist, obwohl sich unser Wachstum allein auf denExport stützt, dennoch rückläufig.
In diesem und im nächsten Jahr haben wir noch einenanderen Sachverhalt zu verzeichnen: Die Wirtschaft imEuroraum wächst stärker als die in Deutschland. Sie istim Euroraum ohne Deutschland in den letzten fünf Jah-ren doppelt so stark gewachsen wie in Deutschland.Vergessen wir also einmal die 0,2 Prozentpunkte. Ausdem langfristigen Trend, der sich trotz richtiger Wei-chenstellungen in Teilbereichen der Sozialpolitik unddes Arbeitsmarkes leider verfestigt, ergibt sich nämlich,dass wir weiter zurückfallen. Mit diesem eindeutigenSachverhalt, den man im Frühjahrsgutachten nachlesenkann, müssen wir uns auseinander setzen.
Mit Recht ist hier ja schon betont worden, dass in demGutachten bezüglich der momentanen Konjunkturlagedie Schwäche des Binnenmarktes herausgehoben wird.Wir sollten uns schon der eigentlichen Ursachen verge-weauKlddHsRndgDKAtgumimCwWDlhk–tdAbusdzvNBmliVzDnateClaisAZ
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Im Kern muss es uns allen doch darum gehen, dass Ost-deutschland nicht Klotz am Bein des Westens ist, son-dern ein solides Standbein der deutschen WirtschaftwALaÜnBsVdddFENddsÜfwStgdgWDinzazwsmmsIdIegtDd
ür diesen mit den Ministern Wolfgang Clement,delgard Bulmahn und Renate Künast abgestimmteneuansatz hat Minister Manfred Stolpe bereits im Januarie Diskussion angestoßen; Anfang April hat er ihn miten Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer be-prochen. Dabei wurde übrigens ein hoher Grad anbereinstimmung erzielt:Erstens. Wir müssen einen spürbaren neuen Impulsür mehr Wachstum und Beschäftigung geben. Damitollen wir klar machen, dass Bund und Länder gegenozialnot, Perspektivlosigkeit und Abwanderung im Os-en ihre Kräfte noch einmal bündeln und neu in Bewe-ung setzen müssen.Zweitens. Wir müssen effizienter mit den Steuergel-ern umgehen. Wir müssen Förderprogramme intelli-enter stricken und zielgenauer auf die differenzierteirtschaftsstruktur im Osten ausrichten.
abei muss klar sein: Weiteres Wachstum ist vor allemn den bestehenden Wachstumskernen zu erreichen. Eineachhaltige Wirtschaftsentwicklung ist zunächst nur dortu verwirklichen. Deshalb müssen und werden wir unsuf diese Kerne konzentrieren, um das schon Erreichteu stabilisieren und darauf aufzubauen.Drittens. Wir müssen die Transparenz der Mittelver-endung erhöhen, um die Akzeptanz der Mittelbereit-tellung zu sichern. Was für Investitionen gedacht ist,uss erkennbar investiv eingesetzt werden. Das mussan den ostdeutschen Ministerpräsidenten ganz deutlichagen. Herr Kollege, auf Ihren Zwischenruf hin will ichhnen sagen: Auch die Länder stehen hier ganz klar iner Pflicht.
ch wiederhole: Was für Investitionen gedacht ist, mussrkennbar investiv eingesetzt werden. Um diese Frageneht es. Daran wird gearbeitet. Am heutigen Nachmit-ag, genauer: in diesen Minuten, sitzt der Ministerr. Stolpe mit Vertretern der Länder zusammen, umiese Arbeit voranzubringen.
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Parl. Staatssekretärin Iris GleickeVieles von dem, was jetzt so heiß diskutiert wordenist, ist Bestandteil des Konzeptes, das wir schon längstvorgelegt haben. Es gilt jetzt, die einzelnen Vorschlägesorgfältig zu diskutieren und konkret abzuarbeiten. Wirhaben beim Aufbau Ost ein klares Ziel: Wir wollen beider Angleichung der Lebensverhältnisse weiter voran-kommen. Wir steuern einen klaren Kurs, um dieses ein-deutige Ziel zügig zu erreichen.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Helge Braun, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die Nachrichten der letzten beiden Tage zeigenexemplarisch die Situation, die wir in Deutschland mo-mentan haben. Zum einen stagniert die Entwicklung derdeutschen Wirtschaft, obwohl in den Ländern um unsherum und – noch viel stärker – in anderen Ländern derWelt die Wirtschaft deutlich anzieht. Zum anderen habendie Fusionsverhandlungen zwischen Sanofi und Aventiszu einem Ergebnis geführt, das wir nicht gutheißen kön-nen. Die französische Regierung hat sich in diese Ver-handlungen massiv eingemischt. Die deutsche Regie-rung aber war der Auffassung, dass diese VerhandlungenSache der Wirtschaft seien
und sie sich nicht einmischen wolle.
Während also auf der einen Seite die französischen Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Vermitt-lung ihrer Regierung bereits eine Bestandsgarantie fürihre Arbeitsplätze in der Hand haben, legt die deutscheRegierung ihre Hände in den Schoß.Das Gleiche machen Sie heute wieder bei der Frage,wie es wirtschaftlich weitergehen soll. Ihr Generalkon-zept ist: Die Opposition soll die Entwicklung nichtschlechtreden; dann wird die Konjunktur in Deutschlandschon wieder anspringen.Die Wahrheit sieht aber anders aus. Industrienationenwie die USA und Japan, die positive Zahlen vermelden,was den Aufschwung angeht, haben in den letzten zwei,drei Jahren Investitionen in Schlüsseltechnologien sowiein Bildung und Forschung getätigt, die deutlich höherliegen als die entsprechenden Ausgaben in Deutschland.Die USA haben ihre Forschungsausgaben um 30 Prozentund Japan hat die entsprechenden Ausgaben um15 Prozent gesteigert.
Jetzt ernten sie erste Erfolge in diesem Bereich.niMgPdnAnmsewEbWnbbmSmAuhsSdjtbnWsduAsdwdndAhLgdf5
Schauen Sie sich die Situation in Europa an! Währends die Franzosen im Bereich der Chemieindustrie immerieder schaffen, die Interessen ihrer Unternehmen inuropa erfolgreich durchzusetzen, sind Sie auf dem Ge-iet der europäischen Chemikalienpolitik in keinereise in der Lage, die Interessen der deutschen Unter-ehmen zu vertreten.Auch Bildung und Forschung wird in dem Frühjahrs-ericht der Wirtschaftsweisen behandelt. Diese schrei-en, dass die Ausgaben des Staates für Sach- und Hu-ankapital erheblich aufgestockt werden sollten. Auchie, Herr Minister, und der Kollege Fritz Kuhn, der nichtehr anwesend ist, haben das vorhin angesprochen.ber die Realität ist, dass Sie die Ausgaben für Bildungnd Forschung in Deutschland im letzten Jahr gesenktaben. Sie haben dies mit dem Argument getan, dass Sieie im kommenden Jahr, wenn sich die wirtschaftlicheituation verbessert hat und der Aufschwung da ist, wie-er anheben wollen. Deshalb ist die Aussage im Früh-ahrsgutachten richtig, dass die Talsohle, was die Investi-ionen angeht, auch in den kommenden Jahren bestehenleibt, weil der von Ihnen herbeigeredete Aufschwungicht stattfinden wird.Daher nützt es auch nichts, darüber zu reden, ob einachstum von 0,2 Prozent viel oder wenig ist. Die ent-cheidende Botschaft des heutigen Tages ist, dass es iner deutschen Wirtschaft entgegen Ihren Erwartungennd Ankündigungen eben nicht zu dem erwünschtenufschwung kommt. Auch wir würden ihn uns wün-chen. Deshalb ist es wichtig, dass jetzt die Maßnahmen,ie im Frühjahrsgutachten genannt werden, eingeleiteterden. Dazu gehört eine Steuer- und Abgabenpolitik,ie sich mehr an den Unternehmen orientiert.Dazu gehört auch, dass die Ausbildungsplatzabgabeicht eingeführt wird. Sie verweisen ja die ganze Zeitarauf, dass es auch in anderen Ländern so etwas wie dieusbildungsplatzabgabe gibt. Sie sollten dann aber auchinzufügen, wie hoch die Ausbildungszahlen in denändern sind, in denen es eine Ausbildungsplatzabgabeibt. Wir liegen bei 7 bis 8 Prozent. Die Franzosen undie Dänen haben eine Ausbildungsplatzabgabe einge-ührt. In diesen Ländern liegt die Ausbildungsquote bei bzw. 3 Prozent. Der Glaube, dass man hiermit Effekte
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Helge Braunerzielen kann, die jungen Menschen in Deutschland hel-fen, ist also trügerisch.
Das Frühjahrsgutachten ist ein Schlag in das Gesichtder Bundesregierung. Ihre Äußerungen, nur die Opposi-tion sei an all diesen Entwicklungen schuld und mankönne im Hinblick auf die Übernahme durch Sanofi oderdas Wirtschaftswachstum nichts machen, führen nichtnur dazu, dass das Vertrauen der Menschen in Deutsch-land deutlich geringer wird, sondern auch dazu, dass sichuns die Frage aufdrängt, warum Sie in Deutschland nochregieren wollen, wenn Sie keinerlei Konzeptionen ha-ben, wie Sie dieses Land in Zukunft auf das vorbereitenwollen, was in Deutschland wirklich wichtig ist, nämlichdie Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachs-tum.
Letzter Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kol-
lege Rainer Wend, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! GestattenSie mir eine Vorbemerkung zu Herrn Grund. HerrGrund, Sie haben gesagt, im Hinblick auf die Landtags-wahlen in Nordrhein-Westfalen bräuchten wir positiveBotschaften und würden deswegen davon reden, dasswir den Osten „am Hals“ hätten. Herr Grund, wenn Siewüssten, was in Nordrhein-Westfalen nach der Wendeinsbesondere im Rahmen der Partnerschaft mit Branden-burg geleistet wurde,
wenn Sie wüssten, dass bis heute Zahlungen aus Nord-rhein-Westfalen erbracht werden, die vielen in unserenRegionen schwerfallen, weil es im Ruhrgebiet selberund an anderen Stellen nicht besonders gut aussieht, undwenn Sie dann noch wüssten, dass nicht Peer Steinbrückbzw. Nordrhein-Westfalen, sondern Stoiber, Teufel undKoch den Länderfinanzausgleich mit einer Klage über-zogen haben, dann würden Sie wissen, dass Ihr Beitrag,Herr Grund, schlicht anmaßend war.
Lassen Sie mich zusammenfassen, wie heute über dasFrühjahrsgutachten diskutiert wurde. Ich finde dieseDiskussion – dabei nehme ich uns nicht aus – ein biss-chen unangenehm. Denn was passiert? Die eine Seitedes Hauses spricht von einem Schlag ins Gesicht, vonOhrfeige, Hiobsbotschaft usw.
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s findet sozusagen eine Kopfdebatte darüber statt, werieses Frühjahrsgutachten für sich in Anspruch nehmenann.Spannender ist doch die Frage: Welche Substanz hatas Gutachten und welche Konsequenzen hat das für dieolitik? Ich bin Herrn Göhner für seinen Beitrag sehrankbar, über dessen Inhalt wir gewiss streiten können.ie sollten das nicht als Benotung betrachten; aber Ihreitrag hatte wirklich Substanz und war interessant. Sieaben den auch für mich zentralen Punkt des Vertrauensnd der Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürgerinsichtlich der Zukunft angesprochen, die in der Tat,as die Binnenkonjunktur angeht, die große Bremse innserem Land sind.Was ist der Grund dafür? Man kann zwar jetzt wiedern eine primitive Schwarz-Weiß-Malerei verfallen. Ichöchte aber einmal folgenden Gedanken ausführen: Dieenschen in unserem Land sind seit 50 Jahren, seit Be-inn der Bundesrepublik Deutschland, daran gewöhnt,ass es fast immer quasi automatisch aufwärts gegangenst. Die Löhne und die Renten sind gestiegen; die Ar-eitszeit ist verkürzt worden; der Urlaub ist verlängertorden. Es ging allen fast automatisch immer besser.ie Gewerkschaften, die Sozialdemokraten, aber auchie Union haben für sich reklamiert, dass die Politik derozialen Marktwirtschaft dafür verantwortlich gewesenst, dass es fast automatisch immer aufwärts gegangenst.Wir alle müssen den Menschen heute sagen: Mit die-em Automatismus des Aufwärts ist es vorbei.
Dass es vorbei ist, hat rationale Gründe, über die wireden müssen. Im Wesentlichen sind es zwei Gründe.er erste Grund ist: Sowohl das Kapital als auch deraktor Arbeit oder der inzwischen wichtigste Rohstoff innserer Welt, die Informationen, können zum Teil inner-alb von Minuten über den ganzen Erdball transportierterden. Die Folge ist ein weltweiter Wettbewerb um In-estitionen, um Kapital und um Arbeitsplätze. Auf dieseundamentale Veränderung, die immer mit dem Schlag-ort Globalisierung beschrieben wird, müssen wir unsinstellen. Damit ist eine substanzielle Veränderung un-erer bisherigen Nachkriegspolitik verbunden.Der zweite Grund ist die demographische Entwick-ung. Zum Glück werden die Menschen immer älter,olglich werden die sozialen Sicherungssysteme immeränger in Anspruch genommen. Hinzu kommt, dass im-er weniger Kinder geboren werden. Das Problem liegtlso klar auf der Hand. Wir alle müssen den Menscheneutlich machen, dass sich die Werte unserer Nach-riegspolitik nicht verändern dürfen, dass aber die In-trumente, mit denen wir soziale Sicherheit erhalten und
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Dr. Rainer Wenddauerhaften wirtschaftlichen Aufschwung sowie einebessere Ausgangsposition für künftige Generationen er-reichen wollen, einer grundlegenden Veränderung be-dürfen.
Das ist die tiefe Einsicht, die hinter der Agenda 2010des Kanzlers steht. Über die Einzelheiten der Agendakann man streiten, aber man kann nicht darüber streiten,dass wir 15 Jahre lang nicht bereit waren – das betrifftSie genauso wie uns; das sage ich hier ganz freimütig –,mit den Menschen über die grundlegenden Veränderun-gen offen zu diskutieren. Es ist das große Verdienst derAgenda 2010, dass diese Auseinandersetzung in Angriffgenommen wurde.Abschließend möchte ich Ihnen sagen: Ich weiß, dassdie Agenda 2010 weder die absolute Lösung noch dasEnde der Reformpolitik der Bundesregierung sein kann.Wir müssen in Anbetracht der Veränderungen unsereWirtschaft und unsere Rahmenbedingungen neu aufstel-len. Wir müssen die sozialen Sicherungssysteme so um-gestalten, dass sich auch künftige Generationen auf sieverlassen können. Das ist eine große Aufgabe, über diezu streiten sich lohnen würde, statt Ihr Kleinklein vonDie Aussprache dauert höchstens eine Stunde.Ich weise darauf hin, dass die Aktuelle Stunde pünktlichum 15.30 Uhr begonnen hat.Unter Ziffer 7 heißt es:Der einzelne Redner darf nicht länger als fünf Mi-nuten sprechen.Es muss nicht sein, dass diese klaren Regelungen derGeschäftsordnung nahezu ausnahmslos nur nach opti-schen oder akustischen Hinweisen wahrgenommen, abernicht eingehalten werden.Meine zweite Bemerkung: Es gibt in unserer Ge-schäftsordnung keine Regelung über die erwartete Ver-weildauer von Rednern in Debatten des Bundestages.Ich möchte allen Fraktionen noch einmal den Hinweisgeben, bei der Benennung von Rednern möglichst daraufzu achten, ob interessierte Kolleginnen und Kollegennicht nur reden wollen, sondern auch an der Debatte teil-nehmen können.
Da die Zahl der Mitglieder in allen Fraktionen deutlichgrößer ist als die Zahl der jeweils infrage kommendenRedner, muss dieses Problem lösbar sein. – Ich bedankeheute Nachmittag fortzusetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Schluss der
Aktuellen Stunde erlaube ich mir zwei Bemerkungen. In
den Regelungen zur Aktuellen Stunde heißt es unter
Ziffer 6:
m
o
d
(D
ich.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Donnerstag, den 29. April 2004, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.