Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Interfraktionell sind für die verbundene Tagesordnungdieser Woche weitere Änderungen vereinbart worden:Nach Einzelplan 04 – Bundeskanzleramt – soll zu-nächst der Einzelplan 15 – Gesundheit und SozialeSicherung – beraten werden. Der Einzelplan 16 – Um-welt – soll bereits heute als letzter Tagesordnungspunktaufgerufen werden. Der Einzelplan 05 – AuswärtigesAmt – soll dafür erst am Donnerstag nach Einzelplan 09– Wirtschaft und Arbeit – aufgerufen werden.Darüber hinaus soll die Tagesordnung um einige Zu-satzpunkte erweitert werden, die aus der Ihnen vorlie-genden Zusatzpunktliste ersichtlich sind:1 Beratung des Antrags der Bundesregierung: Beteiligung bewaff-neter deutscher Streitkräfte an dem EU-geführten Einsatzauf mazedonischem Territorium zur weiteren Stabilisierungdes Friedensprozesses und zum Schutz von Beobachterninternationaler Organisationen im Rahmen der weiterenImplementierung des politischen Rahmenabkommens vom13. August 2001 auf der Grundlage des Ersuchens des maze-donischen Präsidenten Trajkovski vom 17. Januar 2003 undder Resolution 1371 des Sicherheitsrats der VereintenNationen vom 26. September 2001– Drucksache 15/696 –sü34. SitzBerlin, Mittwoch, deBeginn: 9.0RedetFraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die Bestim-mungen der Post-Universaldienstleistungsverordnung ver-braucherfreundlich durchsetzen– Drucksache 15/615 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Innenausschuss
Metadaten/Kopzeile:
2702 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
überwiesen:Auswärtiger Ausschuss
VerteidigungsausschussAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionDer in der 31. Sitzung des Deutschen Bundestagesüberwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich demAusschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfezur Mitberatung überwiesen werden.Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Claudia Winterstein, JürgenTürk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion derFDP: Das neue Gesicht Europas – Kernele-mente einer europäischen Verfassung– Drucksache 15/577 –überwiesen:Ausschuss für die Angelegenheitender Europäischen Union
Auswärtiger AusschussInnenausschussRechtsausschussSind Sie mit den Vereinbarungen einverstanden? – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Die genannten Umstellungen führen dazu, dass fürFreitag vorerst keine Plenarberatungen vorgesehen sind.Angesichts der Entwicklungen im Irak können kurzfris-tige Änderungen jedoch nicht ausgeschlossen werden,sodass die Präsenzpflicht für Freitag zunächst bestehenbleibt.Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesord-nungspunkt I – fort:Zweite Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2003
– Drucksachen 15/150, 15/402 –
Ich rufe dazu Tagesordnungspunkt I. 13 auf:Einzelplan 04Bundeskanzler und Bundeskanzleramt– Drucksachen 15/554, 15/572 –Berichterstattung:Abgeordnete Bernhard KasterSteffen KampeterGerhard RübenkönigCeuAmdnMHiülddbwPssSUmiwltsVwwnvka
Wir alle wissen aber auch – ich glaube, in diesemunkt ist sich der Deutsche Bundestag einig –: Die Men-chen im Irak brauchen wieder Hoffnung auf eine bes-ere Zukunft.
ie haben genauso wie wir das Recht, in Freiheit zu leben.
ns alle eint selbstverständlich der Wunsch, dass dasit friedlichen Mitteln erreicht wird oder – so muss mannzwischen ehrlicherweise sagen – erreicht wordenäre.Der Schlüssel zu einer friedlichen Lösung lag undiegt bei dem Diktator Saddam Hussein. Sein Regimerägt die Verantwortung dafür, dass zwei Angriffskriegetattgefunden haben und dass gegenüber dem eigenenolk skrupellos Gewalt angewendet worden ist. Wirissen auch, dass sich der Diktator seit zwölf Jahreneigert, der Verpflichtung der Völkergemeinschaftachzukommen, offen zu legen, wie er seine Massen-ernichtungswaffen vernichtet hat. Er muss eindeutiglarstellen, dass von dort künftig keine Gefahr mehrusgeht.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2703
)
)
Michael GlosDiktatoren wie Saddam Hussein oder SlobodanMilosevic tun sich mit der Sprache der Diplomaten undder Diplomatie ungeheuer schwer. Sie kümmern sichnicht um humanitäre Argumente und sie kümmern sichauch nicht um die Not der Menschen im eigenen Land.
Ich weiß, dass niemand in Deutschland Krieg wollteoder gar Krieg will; aber es ist doch immer so: Wenn einWaffengang als letztes Mittel, als Ultima Ratio, ausge-schlossen wird, dann besteht die große Gefahr, dass Dik-tatoren das missverstehen. Sie betrachten das dann oftals einen Freibrief und – das hat die Weltgeschichte im-mer wieder gezeigt – klammern sich bis zuletzt daran.
Herr Bundeskanzler, Sie haben in Ihrer Regierungser-klärung zu Beginn dieser Legislaturperiode – sie ist inanderen Teilen vielleicht ein Stück überholt; dazu wer-den wir noch kommen – Ihre tief empfundene Dankbar-keit für das Engagement der Vereinigten Staaten beimSieg über die Nazibarbarei zum Ausdruck gebracht. Daswar richtig und das ist, glaube ich, heute noch aktuell.Wir bedauern die Zuspitzung dieser Krise; aber hierhaben diplomatische Mittel versagt. Saddam hat sichauch über die Resolution 1441 hinweggesetzt. Er hatden Druck, insbesondere den diplomatischen Druck, nie-mals ernst genommen. Dass die Waffeninspektorenüberhaupt arbeiten konnten, lag doch daran, dass ein ge-waltiger Aufmarsch von Soldaten am Golf stattgefundenhat und dass Saddam den Druck gespürt hat.
Einem Diktator muss eine entschlossene Gemein-schaft gegenüberstehen. Wenn man die Hoffnung nährt,die Weltgemeinschaft sei sich nicht einig, dann setzt einDiktator auf die allerletzte Karte. Sie müssen sich fragenlassen, ob Sie mit Ihrer Politik bei dem Diktator nichtauch ein Stück Hoffnung genährt haben.
– Herr Präsident, es wird in diesem Hause – das ist eindemokratisches Forum – doch noch möglich sein, Fra-gen zu stellen. Der Herr Bundeskanzler hat anschließendGelegenheit zu antworten. Er braucht Ihr Geschrei nicht.Wenn er bei seiner Politik auf alle Schreihälse von IhrerSeite angewiesen wäre, dann würde es um unser Landnoch sehr viel trüber stehen.
Ich fand es bedrückend, dass im Sicherheitsrat vonden Deutschen Stimmen gegen die USA gesammelt wor-den sind.
GsBsWSgktSSBAgHbsdDtBdrGthn–davdrddeeSgkhmw–h
Entschuldigung, ich habe mich auf Ihr Verhalten vor-in bezogen. Verhalten Sie sich doch bitte so, dass ich
Metadaten/Kopzeile:
2704 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Michael Glosvon Kolleginnen und Kollegen sprechen kann! Tun Siedas doch bei dieser Debatte!
Ich glaube nicht, dass Ihr Verhalten dem Ernst der Lageangemessen ist.
Lassen Sie mich einige Aussagen anführen.Wiefelspütz wird in den Tickermeldungen aus einemdpa-Gespräch zitiert:Wenn wir einen zustimmungsbedürftigen Sachver-halt schaffen würden, wären wir doch mit einemBein in diesem Krieg. Genau das wolle Bundes-kanzler Schröder verhindern. Natürlich hät-ten die AWACS-Maschinen die Fähigkeit, auchIraks Luftraum zu beobachten und kriegsrelevanteInformationen an die USA weiterzugeben. Aber dasdarf eben nicht genutzt werden.Ich kann mir schwer vorstellen, wie das laufen soll.Ich zitiere aus den Meldungen eine führende Politike-rin der Grünen:... Christine Scheel bezeichnete Bushs Vorgehen alsrechtswidrig. Ich gehe davon aus, dass es gegen dasVölkerrecht verstößt ...Weiter heißt es:Der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Hans-Christian Ströbele sagte, er halte die Nutzung derUS-Stützpunkte in Deutschland im Kriegsfall fürverfassungswidrig.Und so weiter.Ich sage das nur, weil ich deutlich machen möchte,dass die Schwierigkeiten auf der Regierungsseite klarsind. Deswegen muss aber Recht immer Recht bleibenund unsere Verfassung muss selbstverständlich eingehal-ten werden.
Herr Bundeskanzler, Ihre Außenpolitik gefährdetwichtige Institutionen, denen unser Land, die Bundesre-publik Deutschland, seine Sicherheit verdankt. Sie ver-antworten ein Stück weit die aufbrechende Spaltung derEuropäischen Union.
Das ist für mich ein ungeheuer bedrückendes Erlebnis.Sie verantworten mit die Zerwürfnisse in der NATO unddie nachhaltige Entfremdung in den transatlantischenBeziehungen.
Meine Angst ist, dass damit Gefahren weit über denTag hinaus für unser Land entstehen. Die globalen Auf-gaben – der Kampf gegen den Hunger, der Schutz derUmwelt, mehr Entwicklungschancen – können doch nurgpsasWuDDsmuDdHdnDwDDPmWWagwFn4dmir–ws
ie Kurse unserer Banken und Versicherungsgesell-chaften sind im Keller. Die Menschen in diesem Landachen sich Sorgen um ihre private Altersversorgungnd die Sicherheit ihrer Sparguthaben.
as ist doch die bedrückende Wirklichkeit in der Bun-esrepublik Deutschland zur Stunde.
Der Haushalt ist – das habe ich gelernt; ich war früher imaushaltsausschuss – das Schicksalsbuch der Nation. Manarf dieses Schicksalsbuch in seinen Zahlenfundamentenicht zum Märchenbuch oder gar zum Lügenbuch machen.
afür muss man sorgen, wenn man Vertrauen zurückge-innen will.Die haushaltspolitischen Perspektiven sind düster.er Haushalt 2003 ist ein Spiegelbild der Lage ineutschland. Ohne Sanierung drohen Abstieg undleite. Sanieren kann nur – Herr Bundeskanzler, dasöchte ich Ihnen sagen –, wer vorher schonungslos dieahrheit auf den Tisch legt.
enn es keine schonungslose Diagnose gibt, dann istuch die Bereitschaft zu einer harten Therapie nicht ge-eben. Deswegen befürchte ich, dass Sie sich schwer tunerden, all das durchzusetzen, was Sie am vergangenenreitag angekündigt haben.
Tatsache ist: Die Massenarbeitslosigkeit hat eineoch nie gekannte Höhe erreicht.
,7 Millionen Arbeitslose gab es im Februar; das ist dieritthöchste Zahl aller Zeiten. Jeder zweite Arbeitneh-er macht sich Sorgen um seinen Arbeitsplatz. Tatsachest: Deutschlands Wirtschaft ist zum Schlusslicht in Eu-opa geworden und stagniert seit Monaten.
Ich nehme den Zwischenruf von der SPD auf, ichürde das Land schlecht reden: Das ist die übliche Ma-che.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2705
)
)
Michael GlosIch möchte, wenn Sie darauf besser hören, damit be-ginnen, Genossen zu zitieren. Genosse Ernst Welteke,der früher Finanzminister in Hessen war und jetzt Präsi-dent der Bundesbank ist, sagt, Deutschland sei seit zweiJahren in einer Phase der Quasistagnation. GenosseFlorian Gerster, früher Sozialminister in Rheinland-Pfalz, spricht in seiner Eigenschaft als Präsident derBundesanstalt für Arbeit ebenfalls von einer Phase derStagnation. Deswegen ist es Unfug, wenn Sie dazwi-schenrufen, wir würden das Land schlecht reden.
Hören Sie sich doch zumindest die Tatsachen an! Tat-sache ist: Das Defizit im Bundeshaushalt hat zu einemVerfahren wegen Verletzung des Stabilitätspakts geführt.Tatsache ist: Obwohl die angebliche Rückführung derNeuverschuldung noch vor wenigen Wochen zum Mar-kenzeichen rot-grüner Politik erklärt worden ist und HerrEichel schon für 2004 einen ausgeglichenen Haushaltversprochen hat, ist dies alles in weiter Ferne.Tatsache ist, die Krise der Sozialversicherungen istnicht mehr zu leugnen: Die Pflegeversicherung ist einPflegefall. Die Krankenversicherung liegt auf der Inten-sivstation.
Das System der Altersversorgung leidet an Altersschwä-che. In der Arbeitsmarktpolitik herrscht Vollbeschäfti-gung, allerdings nur bei den deutschen Arbeitsämtern.
Herr Bundeskanzler, das alles – ob Sie es gerne hörenoder nicht – ist Ergebnis Ihrer Politik. All das hätten Sieam Freitag bilanzieren müssen. Vielleicht wäre dann dieEinsicht in die Notwendigkeit von Reformen bis hinüberin den Gewerkschaftsflügel der SPD vorgedrungen.
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Ankün-digungen, die unter dem Stichwort „Agenda 2010“großspurig erfolgt sind, wirklich umgesetzt werden. InWirklichkeit war es ein Stück Offenbarungseid, ein Ein-geständnis des Scheiterns des bisherigen Kurses.
Das hat es eigentlich noch nie gegeben, dass das, was inder Regierungserklärung angekündigt worden ist, bereitsnach einem halben Jahr so stark korrigiert werdenmusste.
Diese Rede, Frau Göring-Eckardt, war doch eine fle-hende, nach innen gerichtete Bitte an die Reihen hier,endlich das zu tun, was notwendig ist.
PgEG„saRngfpnaakbtkskGdwbd–pdtsnKt
ine genügt. Das „Handelsblatt“, das ansonsten Rot-rün gegenüber nicht sehr kritisch ist, hat geschrieben:mehr Murks als Mut“. Das war das Resümee. Wie ge-agt, ich habe jede Menge Zitate dabei.Sie haben sich vorher von Ihrer eigenen Propaganda-bteilung – das ist legitim – hochstilisieren lassen. Dieseede ist in solche Sphären gehoben worden, dass es garicht gut gehen konnte. Ich kann zu diesem so genanntenroßen Wurf nur sagen: Gewogen und für zu leicht be-unden, Herr Bundeskanzler. Das war das Urteil der Ex-erten über das, was Sie vorgelegt haben.
Ich kann Ihnen ein Weiteres nicht ersparen. Ich erin-ere mich sehr intensiv an die Zeit der Bundestagswahl,
n die Fernsehduelle, die da stattgefunden haben, unduch an Ihre Großspurigkeit, mit der Sie den Kanzler-andidaten der Union, Ministerpräsident Stoiber, dabeiehandelt haben. Sie haben zu ihm gesagt: „Herr Minis-erpräsident, Sie wollen Bundeskanzler werden – Sieönnen es nicht.“
Schauen Sie sich an, wo wir nach einem halben Jahrtehen! Ich kann nur sagen: Herr Bundeskanzler, Sieönnen es nicht!
eben Sie Ihr Mandat an die Wählerinnen und Wähler iner Bundesrepublik Deutschland zurück! Neuwahlenären die sauberste Lösung.
Herr Bundeskanzler, für das, was Sie angekündigt ha-en, haben Sie doch überhaupt keine Legitimation vonen Wählerinnen und Wählern.
Nein, Sie haben keine Legitimation. Ich bringe einaar Beispiele. Sie haben am Freitag gesagt, Sie wollenie Arbeitslosenhilfe auf das Sozialhilfeniveau herun-erfahren. Vor der Wahl versprach die SPD „keine Ab-enkung der künftigen Leistungen auf Sozialhilfe-iveau“.
Ein weiteres Beispiel. Am Freitag wollten Sie denündigungsschutz für Kleinbetriebe ab fünf Mitarbei-er besser handelbar machen. Vor der Wahl lobte die
Metadaten/Kopzeile:
2706 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Michael GlosSPD die Geltung des Kündigungsschutzes in Betriebenab fünf Mitarbeitern als Beitrag zum sozialen Frieden.
Wenn Politik nicht auf Wahrheit gebaut ist, dann wird siebei den Menschen keinen Erfolg haben.
Wir erleben schon über eine lange Zeit die Argumen-tation mit Ausflüchten. Zunächst war es die nachlas-sende US-Konjunktur, dann der 11. September, dann dervermeintlich zu restriktive europäische Stabilitätspakt,dann die mangelnde Unterstützung seitens der Europä-ischen Zentralbank. Künftig wird wohl immer wiederder Irak als Grund herangezogen werden, warum mandie selbst gesteckten Ziele nicht erreichen kann.Ich sage Ihnen – da stehe ich nicht allein; das sagenIhnen auch die Wirtschaftsexperten –: Die Ursachen un-serer deutschen Misere sind binnenwirtschaftlicher Na-tur. Es sind hausgemachte Fehler der RegierungSchröder: die Rekorddefizite in den öffentlichen Haus-halten, die offensichtlich unaufhaltsam steigenden Lohn-nebenkosten und die totale Verkrustung des Arbeits-marktes. All das ist binnenwirtschaftlich bedingt.Diese Realitätsverweigerung, die da besteht, erinnertmich an einen Leichtathletiktrainer, der als Ausrede fürdie Niederlage seiner Läufer sagt, es habe schlechtesWetter geherrscht. Dabei vergisst er, zu sagen, dass dieanderen Läufer in der gleichen Witterung haben startenmüssen.Der angekündigte zaghafte Kurswechsel war überfäl-lig. Wir wollen, dass Deutschland wieder aufs Sieger-treppchen kommt.
Das ist nur möglich, wenn die notwendigen Reformenauch durchgesetzt werden.
Durchsetzen müssen Sie diese Reformen in allerersterLinie in den eigenen Reihen. Es sind nur ganz wenigeMaßnahmen dabei, die im Bundesrat zustimmungs-pflichtig sind. Die allermeisten Maßnahmen können Siemit Ihrer rot-grünen Mehrheit durchsetzen, wenn Siediese Mehrheit denn haben. Die Opposition ist keinHilfsaggregat und kein Hilfsmotor
für eine Regierung, die mit dem Rücken zur Wand steht.Deswegen kann ich nur sagen: Viel Glück und guteReise! Setzen Sie durch, was Sie angekündigt haben!Bei Maßnahmen – wie zum Beispiel bei der Flutopfer-hilfe –, bei der die Bundesratsmehrheit gebraucht wird,uwirGGtnpdraDfAenBhszFdaKrwemfldusWddWdrug
Herr Bundeskanzler, was Ihnen persönlich fehlt – dasst ein großes Problem nicht nur für Sie und diese Regie-ung, sondern inzwischen auch für unser Land –, ist dieeradlinigkeit.
eradlinigkeit ist eine Grundvoraussetzung für Ver-rauen. Vor der Wahl galt die Politik der ruhigen Hand;ach der Wahl hat die hektische Hand eingesetzt, dielanlos gehandelt hat. Ein hakenschlagender Hase aufer Flucht hat sehr viel mehr Geradlinigkeit, als es dieot-grüne Politik in den letzten Jahren jemals hatte.
Unserem Land – Herr Bundeskanzler, das sage ichus tiefer Überzeugung – fehlt die politische Führung.arunter versteht man das, woran sich die Menschenesthalten können: die Kalkulierbarkeit der Regierenden.us dieser Kalkulierbarkeit entwickelt sich Vertrauen.Ich nenne als Beispiel das Hickhack über die Steuer-rhöhungen – erst waren es 48; am Schluss waren esoch 33 –, von denen Sie gewusst haben, dass sie imundesrat am Ende keine Mehrheit finden werden. Manat trotzdem nach dem Motto „Was zwischendurch ge-chieht, ist uns egal“ ungeheuer viel Vertrauenskapitalerstört. Die geplante 50-prozentige Steuererhöhung aufirmenwagen beispielsweise wird zwar keinen Euro inie Kasse bringen; aber sie hat zutiefst Verunsicherungusgelöst, unserer Automobilwirtschaft geschadet undaufzurückhaltung bewirkt.Ein weiteres Beispiel: Sie haben über Monate auf-echterhalten – ich habe gehört, dass es jetzt richtiger-eise doch nicht Bestandteil des entsprechenden Gesetz-ntwurfes ist –, den deutschen Bankkunden gläsernachen zu wollen. Sie haben ihn damit verunsichert. Ichinde, eine Politik, die auf die Verunsicherung der Wäh-er setzt, kann keinen Erfolg haben.
Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie dochen Wählerinnen und Wählern in Hessen, Niedersachsennd Schleswig-Holstein. Die haben Ihnen dafür die ent-prechende Quittung gegeben.
enn jetzt eine Änderung Ihrer Politik erfolgen soll,ann ist das doch nicht einer besseren Einsicht zu ver-anken, sondern ausschließlich den Wählerinnen undählern in den drei genannten Bundesländern, die Ihnenie rote Karte gezeigt haben. Auch in Ihrer Partei meh-en sich die Stimmen, die Ihre Politik infrage stellen.Ich kann nur feststellen: Ich wünsche mir, Ihnen undnserem Land, dass das, was Sie angekündigt haben,elingt. Eckpunkte der Reformen, zum Beispiel der
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2707
)
)
Michael GlosReform des Gesundheitswesens, haben wir vorher an-gekündigt. Sie haben richtigerweise – dafür bedanke ichmich ausdrücklich – Horst Seehofer wieder freigespro-chen. Was hat der Mann, der als unsozial bezeichnetworden ist, in all den Jahren über sich ergehen lassenmüssen!
Sie haben die 98-er und die folgende Wahl gewonnen,indem Sie immer wieder die Geschichte von den unter-schiedlichen Zähnen der Armen und der Reichen erzählthaben. Jetzt haben Sie endlich das gefordert, wasSeehofer vorgeschlagen hat: eine Beteiligung der Men-schen an den kleinen Risiken, mehr Verantwortungs-übernahme durch den Einzelnen. Das ist der richtigeWeg.Von der demographischen Formel in der Rente bis hinzu Lockerungen auf dem Arbeitsmarkt könnte ich Ihnennacheinander aufzählen, was alles bereits in unseremWahlprogramm stand. Ich kann es Ihnen nur immer wie-der zur Lektüre empfehlen. Sie haben daraus abgekup-fert. Sie haben bei dem, was Sie erklärt haben, auch dieBeschlüsse unserer Fraktion einbezogen. Das alles istrichtig. Deswegen fordere ich Sie auf: Haben Sie denMut, sich für die Polemik und die Schmutzkübel zu ent-schuldigen, die Sie zuvor über die Union gegossen ha-ben!
Auch das gehört zu einem Neuanfang.Kündigungsschutz genießt bei Ihnen offensichtlichnur Minister Eichel. Es gibt kaum einen Minister, der soversagt hat, der so danebenliegt und der sich offensicht-lich immer noch im Amt wohl fühlt. Das kann nur damitzusammenhängen, dass gegenwärtig offensichtlich nie-mand bereit ist, dieses Amt zu übernehmen.Verehrter Herr Minister Eichel, wenn ich Ihr Sünden-register aufzählen sollte, würde es meine Redezeit spren-gen. Ich möchte nur so viel sagen: Eine weitere Ursacheder Kaufkraftschwäche und des mangelnden Vertrauensbei uns im Land ist die Tatsache, dass nach Schätzungender „Financial Times Deutschland“ inzwischen 1 000 Mil-liarden Euro durch den Schornstein der Börse gejagtworden sind. Diese bedrückende Zahl ist nicht nur Buch-geld, sondern schwächt auch die Kaufkraft.
– Das geht Sie nichts an. Ich habe an der Telekom-Aktieweniger Geld verloren als andere Leute, weil ich einmisstrauischer Mensch bin.
Der rot-grünen Regierung habe ich von Anfang an miss-traut.Herr Bundeskanzler, es lag doch in der VerantwortungIhres Finanzministers. Er hat doch den Menschen vonHerrn Krug die dritte Tranche der Telekom-Aktien für6WLEBBGEIblvWtzAimWomswWrrdnnDeLbhfue
ir können nicht die Probleme des Landes lösen
hne Mehrheit im Deutschen Bundestag. Das ist nichtöglich, das war nie möglich und das wird nie möglichein.
Ich sage noch einmal: Wo wir unbedingt gebrauchterden und wenn es vernünftig ist, werden wir helfen.ir haben das zum Beispiel schon bei der Wiedereinfüh-ung einer vernünftigen Lösung für die so genannten ge-ingfügigen Arbeitsverhältnisse gezeigt und wir werdenas auch in anderer Art und Weise tun. Aber Politik istatürlich immer wieder ein Bohren dicker Bretter mit ei-em dünnen Bohrer, um Max Weber zu zitieren.
as ist in der Wirtschaftspolitik und in der Sozialpolitikrforderlich. Max Weber fordert auch eine Politik miteidenschaft und Augenmaß.Herr Bundeskanzler, ein Letztes: Wer eine Kundge-ung in einer niedersächsischen Provinzstadt – Goslarat sie, glaube ich, geheißen –
ür die passende Bühne der Weltpolitik hält, der hat esngeheuer schwer, in Deutschland und darüber hinausrnst genommen zu werden.
Metadaten/Kopzeile:
2708 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Michael GlosIch meine, meine sehr verehrten Damen und Herrenhier im Hause und dort, wo Sie uns zuschauen: Deutsch-land braucht Glaubwürdigkeit und Vertrauen, gerade indieser schwierigen Zeit. Wenn wir mehr Zukunftschan-cen für die Deutschen schaffen wollen, wenn wir wollen,dass die von Konrad Adenauer und Helmut Kohl aufge-bauten außen- und europapolitischen Sicherheitsfunda-mente in der Zukunft weiter halten, dann müssen Ver-trauen und Kalkulierbarkeit in die Politik zurückkehren.Daran haben wir ein gemeinsames Interesse. Herr Bun-deskanzler, wenn Sie dies tun, werden wir Sie dabei un-terstützen.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Franz Müntefering,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Im Irak droht Krieg. Herr Glos hat das eben ei-nen Waffengang genannt. Das hörte sich nach Spazier-gang an. Krieg ist aber Zerstörung, Krieg ist Tod, Kriegist Elend, Krieg ist Armut. Herr Glos, wenn Sie sagen,die Menschen im Irak haben ein Recht, in Freiheit zu le-ben, sage ich: Ja, sie haben vor allem ein Recht, zu le-ben, und deshalb wollen wir keinen Krieg im Irak.
Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist allesnichts – das bleibt richtig. Deshalb ist und bleibt diePolitik von Gerhard Schröder, Joschka Fischer und die-ser Koalition richtig, sich darum zu bemühen, das Ge-waltpotenzial, das es im Irak bei Saddam Hussein zwei-fellos gibt, im Griff zu behalten und das Problem auffriedlichem Wege zu lösen. Dies war und ist durch eineintensive, lange Inspektion möglich. Krieg im Irak istnicht nötig und deshalb wollen wir ihn nicht.
Auch wenn sich in den nächsten Stunden und Tagen he-rausstellen sollte, dass es diesen Krieg doch gibt, so wares richtig – und wir sind stolz damit –, dass wir in derKoalition zusammen mit vielen Menschen in unseremLande den ehrenwerten Versuch unternommen haben, al-les daranzusetzen, was in unseren Kräften stand undsteht, um diesen Krieg zu verhindern.
Frau Merkel, nun sind Sie an der Reihe; heute ist fürSie die Stunde der Wahrheit. Lauwarm geht nicht mehr!Ssardt–SEthhWtdgwdMdGngwUwttFddsNC2zDhßbd
ie müssen sich heute entscheiden und vor dem Deut-chen Bundestag und dem deutschen Volk sagen, ob Siengesichts der Situation im Irak die Politik der Bundes-egierung unterstützen oder ob Sie den Antrag stellen,ass sich Deutschland an dem Krieg im Irak mit Solda-en beteiligen solle.
Regen Sie sich nicht auf! In diese Alternative habenie sich hineinmanövriert.
ntweder unterstützen Sie das, was die Bundesregierungut, oder Sie unterstützen, wie Sie es gestern angedeutetaben, Frau Merkel, das, was der US-Präsident gesagtat.
enn Sie bei dem mitmachen wollen, was die Vereinig-en Staaten tun, dann stellen Sie einen Antrag. Sie wer-en für ihn keine Mehrheit bekommen, selbst in den ei-enen Reihen nicht. Aber dann ist in Deutschland klar,er hier was will. Hören Sie auf mit Lauwarm!
Am Freitag, dem 14. März, hat der Bundeskanzler hierie Prinzipien und Leitlinien sowie eine Reihe konkreteraßnahmen für die wesentlichen politischen Projekteer nächsten Zeit angesprochen: Gesundheitsreform,emeindefinanzreform, Mittelstand, Wachstum, Arbeit-ehmerrechte, Innovation, Jugend. An diesem Freitagab es von der Opposition zwei Antworten: eine Ant-ort Merkel, eine Antwort Stoiber. Was die Meinung dernion ist, ist dabei nicht richtig klar geworden. Klar ge-orden ist nur, dass es in Ihrer Fraktion über das Verhal-en von Herrn Stoiber Unmut gibt.Dies beschrieb Herr Seehofer in seinem „Focus“-In-erview, als er sagte, bei den Kollegen in der CDU/CSU-raktion herrsche großer Unmut, denn Stoiber habe iner Rentenpolitik, beim Arbeitslosengeld und beim Kün-igungsschutz Positionen bezogen, die nicht abgestimmteien. Dies wurde von Herrn Arentz, dem „Enkel“ vonorbert Blüm, unterstrichen, indem er sagte, die Idee desSU-Vorsitzenden, das Gesetz erst in Betrieben ab0 Mitarbeitern anzuwenden, nähme schlagartig 80 Pro-ent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ineutschland den Kündigungsschutz. Konsequenterweiseat Herr Bosbach – Ihr Stellvertreter, Frau Merkel – geäu-ert, die CDU/CSU-Fraktion könne jetzt nicht die Frageeantworten, was sie von den Ankündigungen des Bun-eskanzlers mittragen werde und was nicht.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2709
)
)
Franz MünteferingDas ist Ihr Problem: Sie haben seit einem halben Jahrgefordert, die Regierungsparteien und die Koalition soll-ten auf den Tisch legen, was sie wollen. Nun haben wires auf den Tisch gelegt, aber nun wissen Sie nicht Be-scheid, was Sie wollen. Sortieren Sie sich einmal und ge-ben Sie eine klare Antwort! Jetzt ist die Zeit, in der mandies nicht mehr länger verschieben kann.
Wir werden noch vor dem Sommer – es bleibt bei un-serem Zeitplan – zu den drei großen Paketen Gesund-heit, Gemeindefinanzreform sowie Mittelstand undWachstum unsere Konzepte auf den Tisch legen. Dannwerden Sie als Opposition gefragt sein, was Sie wirklichwollen. Im Augenblick ist das nicht zu erkennen, aberdas stört uns nicht. Wir arbeiten daran, die Gesetzent-würfe in den nächsten Wochen vorzulegen. Dann werdenSie sich entscheiden müssen.Aber nicht nur Sie, sondern auch die übrige interes-sierte Öffentlichkeit hat die Rede vom vergangenenFreitag ohne eine eigene klare Meinung und zum Teilauch mit der Absicht aufgenommen, Dinge, die gesagtworden sind, zu verzerren oder falsch darzustellen. Inder „Bild am Sonntag“ wurde auf den Seiten 2 und 3 dasBeispiel einer Familie und ihrer Betroffenheit durch un-sere Ankündigung in Bezug auf das Arbeitslosengelddargestellt.
Zu Familienvater Lange, Alter 46, schreibt die „Bild amSonntag“: Verliert Lange seinen Job, erhält er zwölf stattbisher maximal 32 Monate lang Arbeitslosengeld. Ein46-Jähriger aber bekommt heute nicht 32, sondern maxi-mal 18 Monate lang Arbeitslosengeld. Das muss mannur wissen und wenn man es weiß, darf man nichts Fal-sches schreiben.
Weiterhin steht in der „Bild am Sonntag“, dassGabriele Lange, die Ehefrau von Herrn Lange, 44 Jahrealt, wenn sie arbeitslos wird, künftig nur noch zwölf Mo-nate lang Arbeitslosengeld bekommt. Ein 44-Jährigerbekommt aber in Deutschland nie länger als zwölf Mo-nate lang Arbeitslosengeld. Auch das muss man wissenund darf nicht lügen, auch sonntags nicht. Das gilt auchfür die „Bild“-Zeitung.
Die Kürzung des Arbeitslosengeldes fällt Sozial-demokraten nicht leicht. Darüber gibt es bei uns eine in-tensive Diskussion, was auch angemessen ist. Man musssich aber vor Augen führen: Im Jahre 2001 – das wird2002 nicht anders gewesen sein – haben 80 Prozent derer,die in Deutschland Arbeitslosengeld bekommen, dieseszwölf Monate lang oder kürzer bekommen, 7 Prozent ha-ben es länger als 24 Monate lang bekommen. Vor diesemHintergrund sind die Fragen, wer in diesem Land was be-zahlt und was zu tun ist, damit die sozialen Sicherungs-systeme dauerhaft zu erhalten sind, erlaubt. Wir werdendsvsdHhMdeDzledDjAz–ImwdmzdKeABlRsdH–
Uns geht es darum, Arbeit zu schaffen, Wohlstand zuichern und soziale Gerechtigkeit auf hohem Niveauauerhaft möglich zu machen. Dazu brauchen wir einenaushalt, der diesen Ansprüchen genügt. Der Haus-alt 2003 ist ein solcher.
an kann das an einem Punkt klar machen: 1998 mussteer Bundesfinanzminister von jeder Mark Steuern, die erinnahm, 22 Prozent für Zinszahlungen aufwenden.iese Quote ist unter Hans Eichel auf 19 Prozent redu-iert worden. Das ist noch nicht das Ergebnis, das wiretztlich brauchen, aber er muss von jedem Euro, den erinnimmt, 3 Prozent weniger an Zinsen zahlen, als Sieas 1998 noch mussten.
eshalb sage ich Hans Eichel – ein Finanzminister mussa sehr viel aushalten – hier einmal Danke schön für dierbeit in diesen vier Jahren und auch für das, was jetztu leisten ist.
Ach ja, das wissen Sie doch. Wir alle stecken vollerdeen dazu, was man noch tun könnte, aber der Finanz-inister ist derjenige, der uns sagen muss, was geht undas nicht. Da sind wir auch ehrlich miteinander. Wir be-rängen ihn auch, aber wir brauchen auf diesem Stuhl je-anden, der uns jeden Tag morgens und abends undwischendurch auch noch einmal sagt: Wir müssen iniesem Land auch sparen, denn wir wollen, dass unsereinder und Kindeskinder von uns noch etwas anderesrben als Schuldscheine und Hypotheken, Herrustermann.
Stoiber ist am Freitag mit Spendierhosen durch denundestag marschiert. Lesen Sie einmal nach, was er al-es gesagt hat. Er ist schon ein Phänomen und hat eineede der besonderen Art gehalten. Er fordert erstens zuparen, aber zweitens mehr auszugeben. Die Quadratures Kreises ist eine Kleinigkeit gegenüber dem, waserr Stoiber da erzählt hat.
Frau Merkel lacht dankbar.
Metadaten/Kopzeile:
2710 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Franz MünteferingEs geht darum, die Kommunen in diesem Land in dieSituation zu versetzen, ihren Aufgaben gerecht werdenzu können.
Stadt und Gemeinde sind mehr als die bloße Ansamm-lung vieler Häuser.
Wenn wir über Föderalismus und bundesstaatliche Ord-nung sprechen – Frau Merkel, auch Sie haben diesesThema angesprochen; es ist also von gemeinsamem Inte-resse –, dann kommt es darauf an, Zeichen zu setzen,wohin hier die Reise gehen soll. Wir dürfen Kommunal-politik nicht als ein Untergeschoss der Politik auffassen;sie ist vielmehr eine tragende Säule der Demokratie. Dasist ganz klar.
Weil das so ist, tun wir alles dafür, dass die finanzielleSituation der Kommunen gestärkt wird.
– Ihre Politik ist kommunalfeindlich.
Sie haben am Freitag im Bundesrat das Steuervergüns-tigungsabbaugesetz abgelehnt. Dieses Gesetz – es enthältunter anderem die Erhöhung der Körperschaftsteuer –hätte den Kommunen in diesem Jahr 300 Millionen Euromehr gebracht. Sie haben am Freitag letzter Woche denKommunen für dieses Jahr also 300 Millionen Euro ver-weigert. Das ist Ihre Politik.
Sie haben durch Ihre Entscheidung am Freitag denKommunen zusätzliche Gelder in Höhe von 2,6 Milliar-den Euro für das nächste Jahr verweigert. Auch das istIhre Politik. Bis zum Ende dieser Legislaturperiode hättees durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz 6,5 bis7 Milliarden Euro mehr für die Städte und Gemeindengegeben. Das wollen wir erreichen. Sie jedoch verwei-gern das. Deshalb ist Ihre Politik kommunalfeindlich.
Heute Morgen habe ich gehört, dass Ministerpräsi-dent Müller aus dem Saarland gesagt hat, die Erhöhungder Mehrwertsteuer könne die Lösung sein. Ich bin ge-spannt. Denn im Moment geht es darum – das ist ein in-tdmgzz–rtdamwlDgddAtjLe2gbrliewAn2Sowmn
Es ist interessant, was Sie sagen. Mit Ihrem Zwischen-uf zeigen Sie doch, dass Sie der Meinung sind, die Un-ernehmen sollten Körperschaftsteuer zahlen. Wenn Sieas wollen, warum lehnen Sie dann unseren Vorschlagm Freitag im Bundesrat ab? Beschließen Sie das dochit uns! Das ist doch ganz einfach.
Durch die Wiederbelebung der Körperschaftsteuerollen wir versuchen, den breiten Schultern mehr aufzu-aden, als sie bisher tragen.
as haben wir im Gesetz so vorgesehen. Sie sind dage-en. Sie wollen diejenigen schützen, die in diesem Landringend wieder Steuern zahlen müssten. Stimmen Sieer Erhöhung der Körperschaftsteuer zu! Das ist unsernliegen.
Sprechen Sie doch einmal mit Ihren Oberbürgermeis-ern und Bürgermeistern; ein paar von ihnen müssten Siea noch kennen.
assen Sie sich von ihnen erklären, wie deren Haushalteigentlich aussehen. Sie rechnen für die Jahre 2003 und004 in ihren Haushalten mit dem Steuervergünsti-ungsabbaugesetz und dass sie dadurch von uns Geldekommen. Auch die Bürgermeister der CDU/CSUechnen in ihren Haushalten schon längst mit den Rege-ungen, die in unserem Gesetz stehen. Sie verweigern eshnen, Frau Oberbürgermeisterin von Kiel in spe.
Außerdem werden die Kommunen in diesem Jahrtwa 2 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung haben,eil wir sie vom Beitrag zur Flutopferhilfe entlasten.uch aus der Abgeltungsteuer aufgrund der Quasi-Am-estie werden sie zusätzliches Geld haben. Es geht umMilliarden Euro in diesem Jahr. Ich bin gespannt, obie dem zustimmen. Herr Glos hat sich, was die Flut-pferhilfe anging, eben etwas verplappert; zumindestar es nicht logisch. Er hat gesagt, wir würden den Ge-einden das geben, was ihnen sowieso zusteht. Ich erin-ere mich aber, dass Herr Glos, als wir die Entscheidung
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2711
)
)
Franz Münteferinggetroffen haben, gefordert hat, wir sollten eine Steuer-senkung vornehmen. In dem Fall wäre das Geld weg ge-wesen. Den Gemeinden nun mehr als 1 Milliarde Eurozu geben ist nur möglich, weil wir in Sachen Flutopferso entschieden haben, wie wir entschieden haben. HerrGlos, das müssten doch auch Sie begreifen, oder?
Wir werden bis zum Sommer entscheiden, wie wir beider Gewerbesteuer weiter verfahren. Wir müssen ent-scheiden, was die Rolle und Funktion der Gewerbesteuerin Zukunft sein wird. Die Gemeinden brauchen eine grö-ßere Stabilität in ihren Haushalten. Daran arbeiten wir.Dafür wollen wir sorgen. Äußern aber auch Sie sichdazu. Bisher kann man nicht erkennen, was die CDU/CSU eigentlich will. Wie soll Ihrer Meinung die Gewer-besteuer gestaltet werden? Wie soll die gewerbesteuer-liche Organschaft aussehen? Wie sollen die freien Be-rufe einbezogen werden? Wir werden vorschlagen, dassauch die freien Berufe in Zukunft, wie immer dieseSteuer dann heißt, in die Steuer einbezogen werden. Ge-werbebetriebe müssen Gewerbesteuern zahlen. Das sollin Zukunft auch für die freien Berufe gelten.
Wir geben den Kommunen und dem privaten Bereicheinen Kreditrahmen für Investitionen. Darüber spre-chen Sie nicht viel. Es ist auch vor allen Dingen unsereAufgabe, darüber zu sprechen. Dabei geht es um einendicken Batzen, nämlich um den Kreditrahmen für dieKommunen im Umfang von 7 Milliarden Euro. Sie sa-gen, dass das nicht allen Kommunen hilft, weil viele vonihnen nicht die Möglichkeit haben, weitere Kredite auf-zunehmen. Ich sage Ihnen: Das wissen wir; das ist rich-tig. Es ist auch kein Trost für diejenigen, die ganzschwach sind.Die Hälfte der Kommunen in Deutschland ist aber inder Lage, solche Angebote zu nutzen, und sie werden sieauch nutzen. Mit Zinsverbilligungen werden wir denentsprechenden Impuls geben. Ich bin mir sicher: Mitdem, was wir den Kommunen durch ein solches zinsver-billigtes Kreditprogramm zur Verfügung stellen, werdenwir viele zusätzliche private Investitionen auslösen.Wir wollen, dass für das Handwerk und die kleinen undmittleren Unternehmen in der Region Arbeit vor Ort ent-steht.Wenn Sie so wollen, geht es um niederschwellige Bau-arbeit, die man nicht mit riesigen Losen in ganz Europaausschreiben muss und die dann von großen Unterneh-men möglicherweise von irgendwoher in Europa geleis-tet wird. Wir wollen ein Programm, von dem die Hand-werker und die kleinen und mittleren Unternehmen amOrt etwas haben und durch das die Menschen Arbeit er-halten. Das ist hiermit angelegt und das funktioniert auch.
pHdmevsfA–da–ebbSsnsdhwidDwrJhhbmksunfggH
Wenn Herr Austermann „Lügenbeutel“ zu mir sagt, istas fast ein Ehrentitel. Das nehme ich von Ihnen gernen, Herr Austermann.
Sie gefallen mir nämlich in besonderer Weise. Ich habes mir in den letzten Tagen angeschaut. Sie können micheschimpfen, wie Sie wollen. Das trifft mich nicht. Da-ei bin ich voller Gelassenheit.
o sind diese Leute eben, wie Herr Glos das gerade ge-agt hat. Machen Sie also ruhig weiter.
Meine Damen und Herren, wir werden hierbei abericht stehen bleiben. Auch im Bereich der energeti-chen Gebäudesanierung werden wir in diesem Jahrrauflegen. 160 Millionen Euro stehen dafür im Haus-alt. Auch darüber wird heute und morgen abgestimmterden. Herr Minister Stolpe und Herr Trittin haben dasn der Koalition miteinander vereinbart.Was bedeutet das? Das bedeutet, dass wir dazu einla-en und Impulse dafür geben, den Gebäudestand ineutschland energetisch zu modernisieren. Das hört sichie eine Kleinigkeit an. Wir stehen dabei aber vor eineriesigen Aufgabe. 60 bis 70 Prozent der Gebäude, die imahre 2060 in Deutschland stehen werden, stehen aucheute schon. Durch diese kommt es zu einem viel zu ho-en Energieverbrauch. Wir nehmen die alte Idee von Ar-eit und Umwelt, bei der wir in Deutschland schon ein-al weiter waren, wieder auf und sagen: Jawohl, manann mit einer vernünftigen energetischen Gebäude-anierung dafür sorgen, dass die Umwelt entlastet wirdnd dass die kleinen Handwerker und mittleren Unter-ehmen Arbeit erhalten. 160 Millionen Euro stehen da-ür im Haushalt. Stimmen Sie morgen zu und tun Sie einutes Werk für das Handwerk vor Ort.
In unserem Haushalt gibt es ein Marktanreizpro-ramm für erneuerbare Energien. Zu Zeiten vonelmut Kohl standen dafür 10 Millionen pro Jahr zur
Metadaten/Kopzeile:
2712 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Franz MünteferingVerfügung; inzwischen sind es 190 Millionen. DiesesThema hat hier in den vergangenen Jahren leider keinegroße Rolle gespielt. Vielleicht sollten wir uns das einwenig genauer anschauen und die Naturkatastrophen dervergangenen Jahre nicht als Jahrhundertereignisse hin-nehmen, so als wären alle Naturkatastrophen dieses Jahr-hunderts sozusagen schon abgefeiert. Wir sollten begrei-fen, dass hiermit etwas auf die Zivilisation zukommt,womit wir uns auseinander zu setzen haben.In der letzten Legislaturperiode gab es im DeutschenBundestag 16 Abstimmungen, bei denen es um die Frageging, ob man mit Energie vernünftiger, sparsamer undrationeller umgehen kann und ob man die erneuerbarenEnergien stärker als bisher fördern soll. 14-mal habenSie dagegen gestimmt – das also zur Frage der Sensibili-tät in Sachen Umweltpolitik auf der rechten Seite desHauses.
Der eigentliche Punkt für die Zukunftsfähigkeit unse-res Landes ist gestern noch einmal deutlich geworden,als wir hier über Bildung und Forschung gesprochenhaben. Das war für Sie eine Lehrstunde. Diejenigen vonIhnen, die dabei waren, werden selbst gemerkt haben,wie Sie hier jämmerlich eingebrochen sind. Diejenigen,die nicht da waren, sollten es einmal nachlesen. FrauMerkel, ich empfehle Ihnen wirklich, nachzulesen, wassich hier gestern abgespielt hat.
Die Studierendenquote in Deutschland ist in den letz-ten Jahren während unserer Regierungszeit von 28,5 auf35,6 Prozent je Jahrgang gestiegen. Diese Quote wer-den wir in dieser Legislaturperiode auf 40 Prozent stei-gern.
Wir als Koalition geben in dieser Legislaturperiode8,5 Milliarden Euro für die Ganztagsbetreuung vonKleinkindern und Kindern im Grundschulalter aus.4 Milliarden Euro werden für die Ganztagsschulen be-reitgestellt. Ab nächstes Jahr werden es je 1,5 MilliardenEuro pro Jahr für die Kleinkinder sein. Herrn Stoiberund Herrn Glos aus Bayern sage ich: Krippe hat nichtnur etwas mit Weihnachten, sondern auch mit der Erzie-hung von Kindern unter drei Jahren zu tun. Tun Sie indiesem Punkt einmal etwas!
Die Mittel im Etat für Bildung und Forschung sind um25 Prozent gestiegen. Wir haben dafür gesorgt, dass imBereich der Biotechnologie der Ansatz von 180 Millio-nen Euro in 1998 auf 262 Millionen Euro in 2002 erhöhtworden ist. Im Bereich der Informationstechnik wurdeder Ansatz im selben Zeitraum von 478 Millionen Euroauf 612 Millionen Euro und im Bereich der Gesundheitvon 295 Millionen Euro auf 400 Millionen Euro in die-scdnWLssuHdthwWamojblddgsdsGsMwrdgdbbsmgmhpAeakUd
Das, was wir zu leisten haben, dauert seine Zeit. Wirlle in Deutschland müssen uns bewusst sein – darüberüssen wir sprechen, obgleich wir uns fragen müssen,b das taktisch klug ist –, dass die Reformpläne, die wiretzt nach der Regierungserklärung des Bundeskanzlerseginnen und noch vor der Sommerpause auf den Tischegen werden, die Dinge nicht so schnell verändern wer-en, wie wir wollen. Es ist ein Problem unserer Zeit,ass immer eine sofortige Umsetzung mit schnellen Er-ebnissen erwartet wird.Am Wochenende hat sich jemand bei mir darüber be-chwert, dass manches nicht klappt. Er war der Ansicht,ass die Minijobs nach dem Hartz-Konzept ein Flopeien, weil sie nicht funktionierten. Meine Antwort war:uten Morgen! Diese Regelung tritt erst am 1. April die-es Jahres in Kraft. – Dies ist symptomatisch, weil vieleenschen glauben, die Dinge könnten sofort umgesetzterden. Das Verhängnisvolle ist, dass nach einer Regie-ungserklärung oder einer Ankündigung diese Ideen aufen Seiten 1 und 2 von bedeutsamen Zeitungen aufge-riffen werden und damit bei den Menschen der Ein-ruck entsteht, dass diese Ideen schon am Abend dessel-en Tages realisiert sind. Das ist nicht so.Wir brauchen Zeit. Für das, was wir jetzt beginnen,rauchen wir etwa ein Jahr. In dieser Zeit werden wir eschaffen, von einem heute unvollkommenen Arbeits-arkt mithilfe des Hartz-Konzeptes zu einem besser or-anisierten Arbeitsmarkt im Jahre 2004 zu kommen. Wirüssen es erreichen – wir werden mit der Umsetzungoffentlich 2003 beginnen –, 2004 zusätzliche Arbeits-lätze in diesem Lande zu schaffen. Dafür brauchen wirusdauer. Das müssen wir wissen.
Das kann keine Entschuldigung dafür sein, irgend-twas liegen zu lassen. Wir machen Tempo und werdenuf Fortschritte drängen. Aber ich will ganz realistischlar machen: Die angekündigten Reformen und ihremsetzung bis zum Sommer werden nicht dazu führen,ass alles in kürzester Zeit wieder in Ordnung kommt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2713
)
)
Franz MünteferingDabei sehe ich einmal von den Rahmenbedingungen inder Welt ab, die ebenfalls eine Rolle spielen.Abschließend möchte ich sagen: Es ist uns mit demFortschritt Ernst. Wir wollen Fortschritte in dem Sinne,dass sich dieses Land weiterentwickelt. Das bedeutet füruns Wohlstand und soziale Gerechtigkeit. Diesen Fort-schritt werden wir in der Koalition sozialdemokratischbuchstabieren, wie es sich für Sozialdemokraten gehört:sozial und demokratisch.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem
Kollegen Wolfgang Bosbach.
Herr Kollege Müntefering, Sie haben es für notwen-
dig befunden, in Ihrer Rede auf ein Interview Bezug zu
nehmen, das ich WDR 5 wenige Stunden nach der Rede
des Bundeskanzlers gegeben habe. Sie haben gesagt, ich
hätte mich in diesem Interview so geäußert: Die Union
weiß nicht, was sie von den Vorschlägen des Bundes-
kanzlers mittragen kann und was nicht.
Ich habe in diesem Interview gesagt, dass ich die Frage,
was die Union letztendlich im Bundesrat mit unterstützen
wird und was nicht, wenige Stunden nach der Rede des
Bundeskanzlers deshalb nicht beantworten kann, weil wir
weder wissen noch wissen können, was in den Gesetzent-
würfen stehen wird, die die Koalition oder die Bundesre-
gierung zur Umsetzung der Vorschläge vorlegen müssen.
Ich habe das in diesem Interview auch ausführlich be-
gründet: Erstens. Wenige Minuten nach der Rede des
Bundeskanzlers haben sich die ersten prominenten Sozi-
aldemokraten, auch aus Ihren Reihen, zu Wort gemeldet
und erbitterten Widerstand angekündigt, und zwar unter
anderem unter Bezugnahme darauf, dass einige Vor-
schläge in krassem Gegensatz zu dem stehen, was die
SPD im Bundestagswahlkampf versprochen hat.
Zweitens. Wir haben genau aufgepasst, an welchen Stel-
len die SPD geklatscht hat und an welchen Stellen nicht.
Drittens. Wir haben doch Erfahrungen mit den Ver-
sprechungen, die Sie machen, wenn es heißt: Wir setzen
die Vorschläge des Bundeskanzlers im Maßstab 1 : 1 um.
Sie haben das dem deutschen Volk feierlich geschworen,
als es zum Beispiel um die Vorschläge des Hartz-Kon-
zeptes ging. Umgesetzt haben Sie einen Teil Hartz, einen
Teil Wasser. Das haben Sie der Bevölkerung nicht ver-
sprochen. Wir wollen sehen, ob all das, was der Bundes-
kanzler gesagt hat, exakt so in den Gesetzentwürfen ste-
hen wird, die diese Regierung vorlegen muss.
h
l
v
n
S
w
m
P
W
s
F
F
f
o
c
w
D
g
b
M
a
g
s
Der Bundeskanzler hat auch gesagt, die Arbeitslosen-
ilfe solle in der Regel auf dem Niveau der Sozialhilfe
iegen. Was heißt das? Wann soll sie das Sozialhilfeni-
eau haben und wann nicht? Die Antworten darauf kön-
en wir nur einem Gesetzentwurf entnehmen, den es zur
tunde nicht gibt.
Wenn Sie uns danach fragen, was wir mittragen und
as nicht, fällt die Beantwortung leicht: Wir werden das
ittragen, was den Interessen des Landes dient und die
robleme löst.
ir werden das ablehnen, was den Interessen der Men-
chen in unserem Land widerspricht. So einfach ist diese
rage zu beantworten.
Wenn Sie es als Fraktionsvorsitzender der größten
raktion des Bundestages notwendig haben, Zitate zu
älschen,
ffenbart das Zweierlei: ihren Charakter und die Tatsa-
he, dass Sie keine guten Argumente haben.
Kollege Müntefering, Sie haben Gelegenheit zur Ant-
ort.
Herr Kollege Bosbach, das Zitat lautet:Wir können jetzt zu dieser Stunde natürlich garnicht die Frage beantworten, was wir denn von denAnkündigungen des Bundeskanzlers mittragen wer-den und was nicht.
as war an diesem 14. März.Mir ist an diesem Tag aufgefallen, dass es zwei Redenegeben hat, und zwar von Frau Merkel und Herrn Stoi-er, die sehr unterschiedlich waren.
eine Kritik an Ihrer Reaktion ist gewesen und ist esuch jetzt: Sie haben zwei Dinge an diesem Freitag nichteschafft. Sie hatten selbst keine eigene, in sich ge-chlossene abgestimmte Meinung
Metadaten/Kopzeile:
2714 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Franz Münteferingund Sie waren entgegen allen Ankündigungen nicht vor-bereitet.
Sie haben uns ein halbes Jahr ermahnt: Nun legt einmalauf den Tisch, was ihr wollt!
Das hat die Koalition mit einer Vorankündigung vonzwei Wochen getan. Ich war bass erstaunt, was anschlie-ßend Frau Merkel und Herr Stoiber gesagt haben, näm-lich Dinge, die sich fundamental widersprachen und diebei Ihnen übrigens auch zu seltsamen Reaktionen ge-führt haben.
Was das Klatschen angeht, Herr Bosbach: Wenn indiesem Bundestag gesagt wird, dass es im Irak dochKrieg geben müsse, dann klatschen Sozialdemokratennicht. Das ist klar. Wenn in diesem Bundestag gesagtwird, dass man leider das Arbeitslosengeld zusam-menstreichen bzw. kürzen müsse und leider die Arbeits-losenhilfe gekürzt werden müsse, klatschen wir nicht.Weshalb sollen wir denn klatschen? Das ist eine Heraus-forderung, die sich an die Menschen richtet und uns bit-ter wehtut. Das wissen wir und damit gehen wir nichtleichtfertig um. Wenn wir das noch beklatschen würden,dann hätte ich das Gefühl, ich säße auf Ihrer Seite.
Sie haben, Herr Bosbach, als Herr Stoiber hier erklärthat, er wolle und er werde vorschlagen, dass der Kündi-gungsschutz in Betrieben mit 20 und weniger Beschäf-tigten abgeschafft wird, zum Teil geklatscht.
– Das ist ja hochinteressant. Könnten Sie jetzt auch nochsagen, weshalb Sie nicht im Saal waren, als Herr Stoibersprach?
Ich möchte Ihnen nur abschließend sagen: Sie warennicht im Saal und auch nicht im Bilde.
Ich erteile das Wort Herrn Kollegen Guido
Westerwelle, FDP-Fraktion.
r
–
e
h
e
d
g
S
d
u
h
v
f
s
–
m
D
d
p
k
d
K
u
s
a
G
g
ß
s
d
A
c
d
I
i
a
M
i
A
Wenn Sie brav Bitte sagen, dann frage ich einmal, obiner in unseren Reihen für Sie ein Paar Stöckelschuheat.Ich glaube, dass diese Diskussion heute in einem sornsten Umfeld stattfindet, dass wir uns mit der entschei-enden Frage zu Beginn auseinander setzen sollten.Herr Kollege Müntefering, Sie haben heute eine Redeehalten, die vor allen Dingen ein Kennzeichen hat.
ie haben in dieser Rede eine Arbeitsteilung versucht,ie wir in den Wahlkämpfen, im Bundestagswahlkampfnd in den Landtagswahlkämpfen, schon zweimal erlebtaben. Die Arbeitsteilung, die Sie in diesem Hause undor der deutschen Öffentlichkeit versuchen, sieht wieolgt aus: Erstens. Wer die Arbeit von Rot-Grün kriti-iert, ist gegen Deutschland.
Dass dabei noch einer von Ihnen klatscht, veranlasstich zu der Bemerkung: Einer muss in jedem Saal derümmste sein, aber Sie müssen sich nicht freiwillig mel-en.
Zweitens. Wer wie wir in der Außen- und Sicherheits-olitik eine Haltung vertritt, die sich an der Zugehörig-eit zum Bündnis und der Völkergemeinschaft orientiert,er wird – das hat der Bundeskanzler selbst getan – zumriegswilligen gestempelt. Ich glaube, wir nehmen innserer Zusammenarbeit und auch in dem Ansehen die-es Hauses in der Öffentlichkeit Schaden, wenn wir unsuf diese Art und Weise auseinander setzen. Wer Rot-rün kritisiert, ist nicht gegen Deutschland, sondern ge-en die Politik von Rot-Grün, und wer eine andere Au-en- und Sicherheitspolitik will, ist kein Kriegswilliger,ondern ein genauso großer Friedensfreund wie Sie aufer Seite der Regierungsfraktionen.
Wir haben nicht zum ersten Mal über eine andereusrichtung der Außen- und Sicherheitspolitik gespro-hen. Wenn Sie nach Alternativen fragen, dann sollteniese auch aufgezeigt werden.
m Januar kam es endlich zu einem Gipfel der Europä-schen Union mit einer Erklärung der Staatschefs, in derusdrücklich die militärische Intervention als letztesittel zur Beseitigung von Massenvernichtungswaffenm Irak gebilligt wurde. Hätten Sie diese Haltung vonnfang an vertreten, befänden wir uns heute nicht so
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2715
)
)
Dr. Guido Westerwellenahe an einem Krieg. Dass wir heute einem Krieg sonahe sind, ist dem Versagen der Diplomatie zu verdan-ken, ausdrücklich auch dem Versagen der deutschen Au-ßenpolitik dieser Regierung.
Da Sie sich in Ihren Zwischenrufen so heftig dagegenwehren, will ich einen Ihrer Genossen zitieren,
der sich heute auf europäischer Ebene zu diesem Themageäußert hat. Es handelt sich um den früheren Kollegenin diesem Hause, Günter Verheugen. Ihr SPD-Kollegehat als EU-Kommissar heute Vormittag der Europäi-schen Union vorgeworfen, durch ihre Uneinigkeit in derIrakfrage an politischem Gewicht zu verlieren. Er hatfestgestellt, der Einfluss Europas werde nicht geltend ge-macht, weil alle wie ein Hühnerhaufen durcheinanderliefen. Genau das haben wir kritisiert. Ein besondersschädliches Huhn, um in diesem Bild zu bleiben, wardiese Regierung.
Wir alle wollen keinen Krieg, sondern den Frieden.Aber wir wollen auch Sicherheit in der Welt und wirwollen nicht, dass ein Diktator in unserer unmittelbarenNachbarschaft im Besitz von Massenvernichtungswaffenist. Der irakische Diktator Saddam Hussein weigertsich seit Jahren beharrlich, den einschlägigen Resolutio-nen zur Entwaffnung des Iraks nachzukommen. Er hatinsgesamt gegen 17 Resolutionen der Vereinten Natio-nen verstoßen und damit vielfach das Völkerrecht gebro-chen. Der irakische Diktator ist nicht das Opfer, sondernder Täter. Es ist mir wichtig, das in dieser Debatte zu be-tonen, weil in der öffentlichen Diskussion mittlerweileOpfer und Täter verwechselt werden.
Er ist ein Menschenverächter, der sein Volk unterdrückt,vergewaltigt, mordet und – das muss leider festgestelltwerden – mit biologischen und chemischen Waffen gera-dezu vergast. Alle, die sich einer Wertegemeinschaft zu-gehörig fühlen, haben den Auftrag, geschlossen demirakischen Diktator entgegenzutreten. Wäre diese Ge-schlossenheit der Völkergemeinschaft von Anfang angewahrt worden, statt sie von beiden Seiten des Atlan-tiks infrage zu stellen, wären wir heute in einer besserenSituation.
Der irakische Diktator kann seinem Volk einen letztenDienst erweisen. Er kann ihm Freiheit und Frieden ver-schaffen, indem er das Land verlässt.WseldalkemWlBhmoahKlMndwnh„–sßltighksSVtiaPSVwlasds
Für die Freien Demokraten ist und bleibt der Sicher-eitsrat die völkerrechtliche Legitimationsinstanz füronfliktlösungen. Damit sind wir bei einer sehr sensib-en Frage, über die auch außerhalb dieses Hauses vonitgliedern dieses Parlaments diskutiert wird, und zwaricht nur von dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzen-en der Grünen, Herrn Ströbele. Kollege Ströbele, der,ie gesagt, immerhin stellvertretender Vorsitzender ei-er Regierungsfraktion ist, vertritt die Auffassung, esandle sich bei der geplanten Intervention um einenvölkerrechtswidrigen Angriffskrieg“.
Nein, Sie müssen genau zuhören, was gesagt wird. Dasind nämlich ganz feine Unterschiede.Ich würde mir als Oppositionspolitiker nicht anma-en – gerade weil ich als Jurist weiß, wie unterschied-ich das Völkerrecht in den einzelnen Ländern interpre-ert wird; ich sehe am Nicken, dass die Experten dasenauso sehen –, die deutsche völkerrechtliche Mehr-eitsmeinung zum alleinigen Maßstab für die Weltvöl-errechtsmeinung erklären. Hier muss man vorsichtigein. Wir als Abgeordnete dürfen aber in einer solchenituation wie der jetzigen ein klares Wort der beidenerfassungsminister erwarten. Ich möchte von der Jus-zministerin und vom Innenminister von dieser Stelleus hören, wie sie das bewerten; denn sie haben demarlament Rechenschaft abzulegen.
ie sind für die Einhaltung der Verfassung zuständig.on ihnen dürfen wir also erwarten, dass sie darlegen,ie die Bundesregierung das bewertet. Sie haben gesagt,uwarm komme man nicht weiter. Ich kann dazu nuragen: Das richtet sich vor allen Dingen an die Adresseer Regierung, die sich bisher vor einer klaren juristi-chen Bewertung drückt.
Metadaten/Kopzeile:
2716 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dr. Guido WesterwelleWir müssen – das ist bereits angesprochen wordenund das wird weiterhin angesprochen werden – nochüber einen anderen Punkt reden. Es geht nicht nur umunsere Kritik an dem Verhalten der deutschen Außenpo-litik und der deutschen Diplomatie, sondern auch umdas, was uns möglicherweise konkret bevorsteht. Wirentscheiden in dieser Woche über die Verlängerung einesMandats, das – wir alle hoffen, dass diese Einschätzungrichtig ist – weit sicherer ist als das, worüber wir imAugenblick diskutieren. Herr Kollege Gerhardt und ichhaben Ihnen, Herr Bundeskanzler, das bereits in demgestrigen Gespräch dargelegt, zu dem Sie uns dankens-werterweise eingeladen hatten, um uns zu informieren.Es muss übrigens positiv erwähnt werden, dass es einensolchen Gesprächsfaden wieder gibt. Ich appelliere anSie – ich hoffe, dass Sie das tun werden –, diesen Ge-sprächsfaden fortzusetzen. Man kann zwar in solchenSituationen wie der jetzigen vieles politisch unterschied-lich bewerten. Aber wir alle haben dieselbe Ver-pflichtung, nämlich das Beste für unser Land zu tun. Siekönnen sich aber nicht lauwarm um die Frage herum-drücken: Ist für den Einsatz deutscher Soldaten inAWACS-Aufklärungsflugzeugen ein entsprechendesMandat dieses Parlaments notwendig oder nicht? Siemüssen gegenüber dem Deutschen Bundestag verbind-lich klarstellen, welches Mandat diese Soldaten habenund wie die unkalkulierbaren Risiken aussehen, die sichim Laufe eines solchen Mandats ergeben können. Das istkeine akademische, sondern eine außerordentlich hand-feste Frage, die uns natürlich auch in der Praxis beschäf-tigen muss.Alle Fraktionen haben Briefe von unseren Soldatin-nen und Soldaten bekommen – einige haben hier dieseDebatte verfolgt –, in denen sie fragen, wie sich derDeutsche Bundestag dazu stellt. Die Verfassungslage inDeutschland ist klar: Die Bundeswehr ist eine Parla-mentsarmee und keine Regierungsarmee. Die Verpflich-tung jedes Abgeordneten ist, dafür zu sorgen, dass dieSoldaten nicht in eine unklare Situation geraten. Zu-nächst einmal trägt jeder von uns – gleichgültig ob er derOpposition, einer der Regierungsfraktionen oder derRegierung angehört – Verantwortung gegenüber jedemeinzelnen Soldaten, der einen – im Zweifelsfall lebens-gefährlichen – Auftrag wahrnimmt.
Man darf Soldaten wegen eines solchen Auftrags nichtin eine unklare Rechtslage schicken.Ich verweise auf ein Schreiben, das mir unser ExperteGünther Nolting dankenswerterweise überlassen hat.Dieses Schreiben hat eine Truppenkameradschaft ausGeilenkirchen – sie stellt Mitglieder der Besatzung unse-rer AWACS-Flugzeuge – an uns gerichtet. Angehörigedieser Truppenkameradschaft schreiben uns, die deut-schen Soldaten befänden sich aufgrund der direkten Un-terstellung des Verbandes unter das NATO-Kommandoohne entsprechenden Parlamentsbeschluss kurzfristig ineinem Kriegseinsatz, ohne dass die verfassungsmäßigeGrundlage eingehalten und damit die rechtliche Absi-cherung gegeben sei.dtSdSndngdSkesMSeFvgßktDehBFimjakUumsgswmrhsfHs
nd wir damit den Druck von Saddam Hussein genom-en haben. Wir werden feststellen: Dieser Krieg hattattgefunden; er hat Menschenleben gekostet und esilt, jedes Menschenleben zu betrauern. Wir werden fest-tellen: Das NATO-Bündnis ist um Jahrzehnte zurückge-orfen worden. Dasselbe gilt für unser Ziel einer ge-einsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik.Ich komme am Schluss dieses Teils meiner Ausfüh-ungen zu folgendem Ergebnis: Herr Bundeskanzler, Sieaben dieses Land nicht nur wirtschaftspolitisch ruiniert,ondern auch außenpolitisch in eine totale Sackgasse ge-ührt.
err Bundeskanzler, das muss Ihnen ins Stammbuch ge-chrieben werden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2717
)
)
Dr. Guido WesterwelleWir merken schon jetzt, wie sich die Vorzeichen ver-ändert haben. In der öffentlichen Diskussion ist vonAchsen die Rede – übrigens auch von zahlreichen IhrerKolleginnen und Kollegen –, und zwar von Achsen nichtmehr im Sinne von Bündnis. Die Achse, die jetzt ge-meint ist, ist Berlin–Paris als Alternative zur früherenAchse mit Washington. Ich habe zu den VereinigtenStaaten das kritisch gesagt, was gesagt werden muss.Glauben Sie allen Ernstes, dass der deutschen Außen-politik gedient ist, wenn eine Achse Berlin–Paris–Lon-don–Washington durch eine Achse Paris–Berlin–Mos-kau–Peking ersetzt wird? Das wird nicht funktionieren!Man muss doch vorhersehen, was hiermit an histori-schem Schaden angerichtet wird!
Jetzt merken wir, wie Sie sich einlassen. Ich kann die-ses Kapitel etwas kürzen, weil wir schon am Freitag aus-führlich darüber gesprochen haben.
– Es ist sehr bemerkenswert, wie Sie dazwischenrufen.Es ist manchmal bedauerlich, dass die Qualität Ihrer Zwi-schenrufe nicht über die Fernsehgeräte zu den Zuschaue-rinnen und Zuschauern vordringt. Dass man sich bei einersolch ernsten Debatte so niveaulos einbringt, wie Sie dastun, wäre ganz bestimmt auch unserem Volk peinlich.
Wir merken jetzt, wie Sie sich darauf einrichten undAusreden bringen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben das am Freitag bereits in-toniert. Bei der zweiten, der eigentlichen Regierungser-klärung, die genauso länglich war wie Ihre, nämlich vonHerrn Clement, ist das präzise ausgeführt worden. Span-nend ist es, als Abgeordneter einmal beide Regierungser-klärungen genau nachzulesen; denn sie stehen in einerinteressanten Spannung zueinander. Sie machen jetzt ge-nau das, was Sie in Wahrheit intellektuell nicht machendürfen: Sie finden schon jetzt die Begründung dafür,dass Sie sowohl haushaltspolitisch als auch wirtschafts-politisch alle Ihre Ziele, unsere Ziele, verfehlen werden.Sie sagen schon jetzt – am Freitag haben Sie damit ange-fangen; Herr Müntefering hat es wieder intoniert –: Wirwerden die Arbeitslosigkeit leider nicht so verringernkönnen – wegen der Weltlage. Wir werden die Stabili-tätskriterien leider nicht einhalten können – wegen derWeltlage. – Das hat mit der Weltlage nichts zu tun.
Das hat auch mit Globalisierung nichts zu tun. Das hatetwas mit schlechter Politik und vor allem auch etwasmit katastrophalen Rahmenbedingungen für unsere Wirt-schaft, verursacht durch die Bundesregierung, zu tun.
dh–rnnBnDerrdbsSIlmddWldahsfAcuwLebnad
as schenken Sie sich besser; das können Sie wirklichinsammeln.Wir haben erreicht, dass wir über Wirtschaftspolitikeden, und das muss auch erfolgen. Wir sagen Ihnen: Eseicht nicht aus, dass Sie in der Wirtschaftspolitik nuras machen, was Sie am Freitag angekündigt haben, wo-ei Ihre eigenen Leute das, was Sie angekündigt haben,chon wieder einrollen. Sie müssen mutiger werden.
ie müssen wirklich eine Ruck-Rede halten. Sie müssenhren Worten auch Taten folgen lassen. Sie müssen end-ich begreifen: Der Weg der Münteferings – da predigtan in Wahrheit nur noch Klassenkampf –,
er Weg, der in der Wirtschaftspolitik des 19. Jahrhun-erts begründet ist, führt in der Moderne nicht weiter.
ir brauchen in einer Dienstleistungsgesellschaft end-ich moderne Strukturen auf dem Arbeitsmarkt. Wirürfen nicht mehr von Ihrem Weltbild des Hochofen-rbeiters, der Dienstmagd und des Stallknechts ausge-en. Das ist von gestern.Deswegen brauchen wir niedrigere Steuern. Daschafft auch höhere Staatseinnahmen. Wir brauchen einlexibles Arbeitsrecht. Das schafft Bewegung auf demrbeitsmarkt. Wir brauchen Privatisierung. Wir brau-hen Subventionsabbau,
nd zwar tatsächlich auch und gerade da, wo Sie sichehren, zum Beispiel bei der Kohle. Wenn wir diesesand nicht von der bürokratischen Staatswirtschaft inine soziale Marktwirtschaft umwandeln, dann bleibt esei der Massenarbeitslosigkeit. Sie wird größer undicht kleiner werden – leider.
Deswegen werden wir uns auch mit denen unter Ihnenuseinander setzen und auseinander setzen müssen, die ausen Gewerkschaften kommen; das sind 75 Prozent. Wir
Metadaten/Kopzeile:
2718 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dr. Guido Westerwellehaben im Deutschen Bundestag mittlerweile nicht mehrdas, was im Grundgesetz angelegt ist, nämlich einen fairenInteressenausgleich der Tarifparteien. Wenn 75 Prozentvon Ihnen selber aus einer Gewerkschaft kommen, dann istder im Grundgesetz angelegte Interessenausgleich zwi-schen den Tarifparteien in Wahrheit aufgehoben.
Sie vertreten nicht mehr Arbeitnehmerinteressen, son-dern Funktionärsinteressen. Wir von der Opposition ma-chen mehr für Arbeitnehmer und Arbeitslose als Sie mitIhren roten Fahnen am 1. Mai.
Ich will zum Schluss noch eine aktuelle Bemerkungaufgreifen, Herr Bundesinnenminister, die ebenfalls hierhingehört – auch das muss in großer Klarheit und Nüch-ternheit hier vorgetragen werden –: Wie Sie, Herr Bun-desinnenminister, als Verfassungsminister gestern eineEntscheidung des Bundesverfassungsgerichtes kommen-tiert haben, nämlich als absurd, rechtsirrtümlich, falsch,als Fehler, so etwas haben wir noch nicht erlebt.
Ich sage Ihnen das in großer Klarheit, Herr Schily:Sie, Herr Kollege Beck von den Grünen und leider auchHerr Kollege Beckstein von der CSU haben das Verfah-ren gegen die NPD von Anfang an angestrengt, undzwar nicht aus juristischen, sondern aus politischen Op-portunitätsgründen. Sie sind jetzt gescheitert. Deswegenmöchte ich Sie bitten, Ihr eigenes Versagen in der Pro-zessführung nicht zu kaschieren, indem Sie jetzt dashöchste deutsche Gericht attackieren.
Wir befinden uns in einer schwierigen Zeit; das wis-sen Sie alle. Dass sich diese Debatte heute überwiegendum Außenpolitik dreht, ist nahe liegend und nachvoll-ziehbar. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren,wir stehen an einem solchen Tag natürlich auch vor einerGeneralbilanz dessen, was der Bundeskanzler mit seinerrot-grünen Regierungskoalition zu verantworten hat.Diese Regierungskoalition ist innenpolitisch, wirt-schaftspolitisch, außen- und sicherheitspolitisch auf gan-zer Länge gescheitert. Neuwahlen wären wirklich dasBeste für unser Land.
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem
Abgeordneten Otto Schily.
Herr Kollege Westerwelle, Sie haben mich persönlich
angesprochen, aber falsch zitiert. Ich habe nämlich nicht
d
h
d
D
li
w
m
–
w
d
h
t
m
d
M
I
d
a
n
t
w
a
G
t
b
z
d
F
d
d
f
t
B
v
ü
h
m
K
as muss in einer rechtlichen Auseinandersetzung mög-
ch sein.
Sie behaupten hier vor dem Deutschen Bundestag,
as Sie vorher bereits öffentlich erklärt haben, es seien
ir bei der Führung dieses Prozesses Fehler unterlaufen.
Hören Sie doch einmal zu! – Ich wäre Ihnen dankbar,
enn Sie das konkretisieren würden. Konkretisieren Sie
as bitte! Diese Meinung der FDP ist interessant. Ich
abe immer respektiert, dass Sie die Auffassung vertre-
en haben – diese Auffassung kann man vertreten –, dass
an eine Partei nur politisch bekämpfen und nicht von
em Verbotsverfahren Gebrauch machen soll. Diese
einung habe übrigens auch ich ursprünglich vertreten.
ch habe mich dann auf der Grundlage der Erkenntnisse,
ie wir gewonnen haben, anders entschieden. Ich bin
uch heute noch der Meinung, dass eine Partei, die orga-
isierten Antisemitismus vertritt, in der deutschen Par-
eienlandschaft keinen Platz haben darf.
Ich wundere mich schon, dass Sie nicht das zitieren,
as die Mehrheit des Senats gesagt hat, dass es nämlich
uch um die Würde und um die Wahrung des Art. 1 des
rundgesetzes geht, sodass man von allen Möglichkei-
en Gebrauch machen sollte, die ein solches Verfahren
ietet.
Die Auffassung, die auch in einigen Kommentaren
um Ausdruck kommt, ein Verbotsverfahren könne nur
ann in Betracht gezogen werden, wenn die Exekutive in
orm der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und
er Länder vor Einleitung eines Verfahrens und während
es Verfahrens auf die Beobachtung einer aggressiv ver-
assungsfeindlichen und antisemitischen Partei verzich-
et, halte ich schlicht für falsch; das stimmt.
Deshalb ist das keine mangelnde Achtung vor dem
undesverfassungsgericht. An Respekt vor dem Bundes-
erfassungsgericht wird mich hier im Hause niemand
berbieten. Aber ich nehme mir die Freiheit, die Mehr-
eitsmeinung des Senats zu teilen und die Minderheits-
einung zu kritisieren.
Einen Moment, Herr Kollege Westerwelle. Derollege Christian Ströbele möchte auch noch eine
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2719
)
)
Präsident Wolfgang ThierseKurzintervention machen. Dann können Sie auf beide re-agieren.
– Auf wen wollen Sie sich beziehen? Auf den KollegenWesterwelle?
– Wenn Sie sich auf den Kollegen Westerwelle beziehenwollen, können Sie jetzt Ihre Kurzintervention machen.
Herr Kollege Westerwelle, Sie haben mich angespro-chen und gesagt, ich würde deutsche Rechtsregeln beider Beurteilung internationaler Konflikte zugrunde le-gen.
Deshalb möchte ich Ihnen sagen, wie es nach internatio-nalen Rechtsregeln aussieht.
Die Resolution der Generalversammlung der VereintenNationen Nr. 3314 vom 14. Dezember 1974 definiert,was eine internationale Aggression und was ein An-griffskrieg sind. In Art. 1 steht ganz eindeutig:Aggression bedeutet Anwendung von Waffenge-walt durch einen Staat gegen die Souveränität, dieterritoriale Unversehrtheit oder politische Unabhän-gigkeit eines anderen Staates...Dann kommt in Art. 2 ein wichtiger Satz:Wendet ein Staat als erster Waffengewalt unter Ver-letzung der Charta an, so stellt dies einen Beweisdes ersten Anscheins für eine Angriffshandlung dar...In Art. 5 heißt es:Ein Angriffskrieg ist ein Verbrechen gegen denWeltfrieden.Herr Kollege Westerwelle, auch nach dieser Defini-tion der Vereinten Nationen, die dafür die zuständige In-stanz sind und das festgelegt haben, sage ich: Es handeltsich, wenn morgen oder in den nächsten Tagen der Kriegbeginnen sollte, unter diesen Umständen um einen völ-kerrechtswidrigen Angriffskrieg im Sinne des Grundge-setzes und im Sinne der Resolution und der Definitionder Vereinten Nationen.Herr Kollege Westerwelle, wir müssen uns mit diesemganz wichtigen Punkt auch hier im Deutschen Bundestagauseinander setzen und dazu Stellung beziehen. Aber wirsollten dabei nicht vergessen, dass – bei aller Auseinan-dersetzung und auch bei unterschiedlicher Rechtsausle-gung in diesen Details – das Wichtigere ist und auch inZBKKVkluSdBfzceddhzgdMdIg–FndId–sgeS
Da vermisse ich von Ihnen in der Tat eine klare Stel-ngnahme.
ie, sowohl die CDU/CSU als auch die FDP, haben inen letzten Monaten nichts unversucht gelassen, um derundesregierung in dieser ganz wichtigen Grundsatz-rage Knüppel zwischen die Beine zu werfen und allesu tun, um die Position der Bundesregierung zu schwä-hen. Darüber sollten Sie nachdenken. Sie selber müssenrst einmal Tritt fassen und klar definieren: Stehen Sie inieser Frage hinter der Bundesregierung oder wollen Sieie Bundesregierung bei dieser wichtigen Arbeit weiter-in diskreditieren und behindern?
Kollege Westerwelle, bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Ströbele,unächst eine Antwort auf Ihren Beitrag. Ich habe nichtesagt, Sie hätten sich im Völkerrecht ausschließlich aufie deutsche Meinung – nach meiner Einschätzung: dieehrheitsmeinung – berufen. Ich habe an der betreffen-en Stelle auf einen Zwischenruf geantwortet. Ich willhnen erläutern, was ich meine.Ich habe ebenfalls im Staatsrecht meine Ausbildungemacht.
Ich weiß gar nicht, was das Raunen soll. Wir von derDP sind der Überzeugung, dass es auch in der Politikicht schadet, wenn man mehr zu Ende gebracht hat alsie Fahrschule.
ch wusste nicht, dass man sich für eine Berufsausbil-ung im Bundestag entschuldigen muss.
Bei Ihnen ja. Das ist wahr.Ich will mich mit Ihnen an dieser Stelle auseinanderetzen, Herr Kollege Ströbele. Ich habe gesagt: Wir Ab-eordnete haben zunächst einmal ein Recht darauf, zurfahren, wie die beiden Verfassungsminister diesenachverhalt bewerten;
Metadaten/Kopzeile:
2720 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dr. Guido Westerwelledenn diese Minister haben einen entsprechenden Appa-rat mit Völkerrechtsjuristen. Sie müssen uns, den Mit-gliedern des Deutschen Bundestages, gegenüber mittei-len, ob die Auffassung, die Sie vertreten, die offizielleMeinung der Bundesregierung ist.
Im Übrigen will ich Ihnen sagen: Alles, was Sie ge-sagt haben, vertreten Sie bitte heute und morgen in IhrerKoalition; das müssen Sie uns doch nicht sagen. WennSie, Herr Kollege Ströbele, als Abgeordneter des Deut-schen Bundestages zu dem Ergebnis kommen, dass dasein völkerrechtswidriger Angriffskrieg ist – wie Sie eshier gesagt haben –, dann muss ich Ihnen sagen, dass Siedann, wenn Sie die Pflichten aus dem Grundgesetz ken-nen, die Sie als einzelner Abgeordneter haben, Sie ent-sprechend handeln müssen. Wenn Sie sagen, das sei einvölkerrechtswidriger Angriffskrieg, dann haben Sie nachdem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland an-dere Verpflichtungen, als sich einfach nur vor die Kame-ras zu begeben, Herr Kollege Ströbele.
Was Sie machen, reicht nicht. Das weiß auch jeder, derhier sitzt. Ich würde mir nicht herausnehmen, an der Stelledie Situation so zu bewerten. Ich würde vielmehr abwar-ten wollen – das ist schon immer Tradition in diesemHause gewesen, beispielsweise Anfang der 90er-Jahre,damals mit anderer Rollenverteilung –, damit die Regie-rung als erste das Wort bekommt und ihre juristische undvölkerrechtliche Meinung darlegen kann. Dann werdenwir unsere Meinung öffentlich äußern. Andersherumkann es nicht gehen.Nun zum dem, was Sie, Herr Kollege Schily, ange-sprochen haben. Sie machen es sich zu einfach, wenn Siesagen, Sie hätten die Mehrheit des Senates auf IhrerSeite. Warum ging es überhaupt um die Verfahrensein-stellung? Warum konnte es überhaupt zu dieser Ent-scheidung kommen? – Weil Sie schlampig geklagt ha-ben, Herr Kollege Schily,
und weil Sie im Laufe des Verfahrens von einem Fehlernach dem anderen überrascht worden sind.Wir sind die einzige Fraktion in diesem Hause, diedieses Verfahren ganz klar abgelehnt hat. Deswegen ma-chen Sie uns bitte keine Vorwürfe. Was haben wir unsvon Ihnen beschimpfen lassen müssen! Wir sind vonzahlreichen Mitgliedern der Koalitionsfraktionen – bei-spielsweise von Herrn Stiegler und von Herrn Beck – alsAnwälte und Freunde der Nazis in die rechtsradikaleEcke gestellt worden. Wir haben von Anfang an gesagt:Die NPD ist eine widerwärtige Partei. Man muss sie po-litisch bekämpfen, juristisch geht das schief.
WfimKdmmfdlrwZzdnHmAbthRdtsdsHmFDDlpwWmgm
ieder aufheben. Mehr politische Bildung ist in dieseneiten gefragt und nicht weniger. Auf diesen Punkt ein-ugehen wäre eine angemessene Antwort von Ihnen iner Haushaltsdebatte gewesen.
Ich erteile das Wort Kollegin Krista Sager, Bünd-
is 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Wir haben uns am letzten Freitag sehr ausgiebigit den innenpolitischen Herausforderungen befasst.uch morgen werden wir über die Wirtschafts- und Ar-eitsmarktpolitik sprechen und streiten, so wie wir ges-ern über die Haushaltspolitik gesprochen und gestrittenaben. Ich denke, die Bürgerinnen und Bürger haben einecht darauf, dass wir uns hier in der Generaldebatte aufas Thema eines bevorstehenden Irakkrieges konzen-rieren. Denn dieses Thema treibt die Menschen in die-em Land um und beunruhigt sie.Dazu sage ich eines, meine Damen und Herren voner Opposition: Wir werden auch darüber sprechen müs-en, worin wir uns nicht einig sind. So einfach, wie Sie,err Westerwelle und Herr Glos, es sich heute hier ge-acht haben, so einfach kann man es sich in dieserrage nicht machen.
as war wirklich billig. Dazu kann ich nur feststellen:ie Art und Weise, wie Sie hier wochen- und monate-ang in der Irakpolitik herumlaviert haben, halten wirolitisch für zu leicht, auch Sie, Herr Glos. Sie sind ge-ogen und für zu leicht befunden worden.
enn man sich Ihre Irakpolitik anschaut, dann kommtan zu dem Ergebnis: Eine Slalomstrecke ist im Ver-leich dazu ein Vorbild an Geradlinigkeit. Im Vergleichit Ihrer Irakpolitik ist ein Halm im Wind so stabil wie
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2721
)
)
Krista SagerStahlbeton. Das muss man feststellen, wenn man sichIhre Politik hier anschaut.
Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land habenein tiefes Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit. DieMenschen sind in diesen Tagen bedrückt und bestürzt.Viele empfinden wohl auch Wut und Enttäuschung.Aber eines betone ich ganz deutlich: Wut darf jetzt unserHandeln nicht bestimmen. Deswegen finde ich es gut,dass es zahlreiche Beispiele für ein echtes Mitgefühl mitden Menschen im Irak, mit den Menschen in dieser Re-gion gibt.Ich sage aber auch: Dieses Mitgefühl muss ebenso dieMenschen in den USA einschließen, die heute aufgrundder tiefen Verletzungen im Zusammenhang mit den Er-eignissen des 11. September 2001 meinen, dass die USAein Vorrecht hätten, jenseits jeder internationalen Ord-nung und jeder internationalen Regelung zu handeln.Auch wenn man diese Position für falsch hält, müssenwir die Gefühle dieser Menschen in unser Mitgefühl ein-beziehen.
Bei den notwendigen Entscheidungen, die wir jetzttreffen müssen, werden wir uns nicht von denjenigen ir-ritieren lassen, die völkerrechtliche Diskussionen instru-mentalisieren möchten, um der Bundesregierung nur einStöckchen hinzuhalten, um von ihren eigenen Problemenabzulenken. Wir werden uns davon leiten lassen, dass esjetzt auch darauf ankommt, die internationalen Struktu-ren und die internationale Ordnung zu restabilisieren.Das ist der Maßstab unserer Politik.
Wir werden einen Krieg erleben, der unnötig, nichtgerechtfertigt, falsch und überflüssig ist. Wir werdendiesen Krieg nicht verhindern können, so fatal dies auchist. Wir werden einen Krieg erleben, der gegen die Mehr-heit im Sicherheitsrat, gegen die Mehrheit der Bevölke-rung in der Europäischen Union und gegen den Willenvon Millionen Menschen in dieser Welt geführt wird.Wir werden einen Krieg erleben, zu dem es eine Al-ternative gibt. Das ist das besonders Fatale: Es gibt eineAlternative zu diesem Krieg. Das ist die Fortsetzung derAbrüstung des Iraks mit friedlichen Mitteln.
Dieser Krieg ist eben nicht das letzte Mittel, Herr Glos,sondern offensichtlich ein gewolltes Mittel, weil mansich für eine falsche Strategie entschieden hat. Er ist eingewollter Krieg, weil der Weg, der gangbar gewesenwäre, die Fortsetzung der Arbeit der Waffeninspekteure,wwbaignngrgAdbgihawdhOgKsgEswddAGnmchlmngisdwhnv
Es ist eine Tatsache, zu der Sie heute keine Stellungezogen haben, dass die Bedrohung, die vom Irak hätteusgehen können, noch nie so gering war wie heute. Esst eine Tatsache, zu der Sie heute keine Stellung bezo-en haben, dass die internationale Kontrolle des Irakoch nie so stark gewesen ist wie im Moment. Es ist fer-er eine Tatsache, zu der Sie heute keine Stellung bezo-en haben, dass die Arbeit der Waffeninspekteure erfolg-eich gewesen ist, dass die Waffeninspekteure selberesagt haben, dass sie erfolgreich arbeiten und dass ihrerbeit nicht zu Ende ist. Es wäre notwendig gewesen,iese Arbeit fortzuführen. Gerade auf der Basis des Ar-eitsprogramms von Blix wäre das eine gute Perspektiveewesen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hatn diesem Konflikt immer eine klare Haltung gehabt. Sieat unermüdlich für einen Strategiewechsel in Richtunguf eine friedliche Lösung gearbeitet. Das ist richtig ge-esen. Die Bundesregierung hat das nicht getan, weil sieen grausamen Charakter des Regimes im Irak überse-en hat, und sie hat es nicht getan, weil sie das Leid derpfer dieses Regimes übersehen hat, sondern sie hat esetan, weil sie die massiven Risiken und Gefahren diesesrieges gesehen hat.Ich werfe der Opposition in diesem Hause vor, dassie sich mit diesen Gefahren und Risiken bis zum heuti-en Tage nicht ernsthaft auseinander gesetzt hat.
s besteht ja nicht nur das Risiko für die zahllosen un-chuldigen Opfer. Das allein ist schon schlimm genug,enn man eine Alternative zum Krieg hat. Es bestehtoch auch die Gefahr der zunehmenden Destabilisierungieser Region. Es besteht doch auch die Gefahr, dass dientiterrorallianz auseinander bricht. Es besteht auch dieefahr, dass der Terrorismus mehr Zulauf bekommt undicht weniger. Es besteht auch die Gefahr, dass funda-entalistische Bewegungen möglicherweise pro-westli-he Regierungen hinwegfegen können. Der Islamismusat infolge dieses Konfliktes in Pakistan schon jetzt Zu-auf bekommen. Es ist doch eine Gefahr, dass Funda-entalisten tatsächlich in den Besitz von Massenver-ichtungswaffen und auch in den Besitz der Atombombeeraten können.Wir müssen auch überlegen, was es für die Sicherheitn der Welt heißt, wenn so genannte Schurkenstaatenich anschauen, wie der Irak und wie Nordkorea behan-elt werden. Da besteht doch die Gefahr, dass ein Landie der Iran erst recht versuchen wird, an die Bombeeranzukommen. Diese Bemühungen werden nicht we-iger werden, wenn hier von der US-Regierung vonornherein gesagt wird: Wir verfolgen eine Präventiv-
Metadaten/Kopzeile:
2722 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Krista Sagerkriegsstrategie, um die arabische Region zu ordnen undSchurkenstaaten aufzumischen. Das führt nicht zu mehrStabilität und nicht zu mehr Sicherheit in der Welt.
Meine Damen und Herren, die größte Gefahr von al-len ist doch die, dass die Menschen in der islamischenund in der arabischen Welt den Eindruck bekommen, essolle ein christlicher Kreuzzug gegen sie eröffnet wer-den, es gehe hier um eine Konfrontation der Kulturen.Ich bin froh, dass Millionen Menschen auf der Welt ge-gen diesen Krieg demonstriert haben, und ich bin auchausgesprochen dankbar dafür, dass der Papst sich so ein-deutig gegen diesen Krieg positioniert hat.
Dadurch besteht die Chance, dass die Menschen in derislamischen und in der arabischen Welt erkennen, dass eshier nicht um einen Kreuzzug und nicht um einen Kon-flikt der Kulturen geht.Ich bin auch besonders dankbar für den Einsatz derBundesregierung.
Die Bundesregierung hat viel Respekt bekommen für ih-ren Einsatz für eine friedliche Lösung. Sie hat mit ihremEinsatz für eine friedliche Lösung aber auch deutlich ge-macht, dass es hier nicht um einen Konflikt der Kulturengeht, sondern dass auch in der westlichen Welt, in derchristlichen Welt, Menschen in diesem Krieg Unrechtsehen und ihn verhindern wollen.
Wir sind in Europa als unmittelbare Nachbarn der is-lamischen Welt auch unmittelbar betroffen. Es ist docheine Lehre des alten Europa, dass man mit seinen unmit-telbaren Nachbarn in Frieden und in Sicherheit lebenmuss und dass das nur eine gemeinsame Sicherheit undnicht eine Sicherheit gegen die anderen sein kann.
Meine Damen und Herren, jetzt werfen wir einmal ei-nen Blick auf die Motive der Opposition. Die Motiveder Bundesregierung habe ich dargestellt; es sind ehren-werte und gute Motive, auch wenn sie letztlich nicht er-folgreich gewesen ist.
Aber welches sind die Motive der Opposition?Die FDP erklärt uns, sie lehne den Krieg ab, weil erwahrscheinlich ohne UN-Legitimation geführt werdensolle. In derselben Erklärung hat sie sich zu dem Ziel desRegimewechsels positiv geäußert. Ich frage die Vertreterder FDP, wie sie sich zu diesem Krieg verhalten hätten,wenn es eine UN-Resolution gegeben hätte, die diesenKaSmdDtskSeDswhEEBrnhEswhdgiAizusfMBgeEHle
ie haben sich zu dem Ziel des Regimewechsels und da-it auch zu der Strategie eines Präventivkriegs, der zuiesem Regimewechsel führen soll, positiv geäußert.as Einzige, was Sie stört, ist, dass es keine UN-Resolu-ion gibt, die das legitimiert. Das müssten Sie den Men-chen aber auch einmal so deutlich sagen; denn damit er-lären Sie im Grunde genommen, Sie hätten sich imicherheitsrat für eine kriegslegitimierende Resolutioningesetzt, wenn Sie dazu Gelegenheit gehabt hätten.as wäre in Bezug auf Ihre Position die Wahrheit gewe-en.
Herr Westerwelle, das hätte ich von Ihnen wirklich er-artet, zumal Sie sagten, man hätte sich hier für die Ein-eit Europas besonders stark machen sollen. Welcheinheit Europas meinten Sie denn? Wäre das nicht dieinheit Europas auf Grundlage der Position von Tonylair gewesen? Darüber hätten Sie den Menschen hiereinen Wein einschenken müssen. So viel zu dem von Ih-en gebrauchten Begriff „lauwarm“! Was Sie hier gesagtaben, stellte in Wirklichkeit eine lauwarme politischerklärung dar, weil Sie die entscheidende Antwortchuldig geblieben sind.
Meine Damen und Herren, die FDP ist in dieser Frageieder nur in einer einzigen Hinsicht berechenbar: Sieängt ihr Fähnchen wie immer in den Wind.
Am 13. März letzten Jahres forderte Herr Westerwelleie Bundesregierung auf, unverzüglich in Washingtonegen einen möglichen US-Angriff auf den Irak zuntervenieren. Im März letzten Jahres forderte erußenminister Fischer auf, zügigst – also nicht erstm April, sondern noch im März – nach Washingtonu fahren,
nd begründete dies damit, dass die deutsch-amerikani-che Freundschaft es auch verlange, gegen Amerika of-ene kritische Worte zu finden. Zugleich erklärte er imärz letzten Jahres, er habe den Eindruck, dass sich dieundesregierung bereits mit einem Alleingang der USAegen den Irak abgefunden habe. Schließlich verlangter, Fischer müsse in den USA klar machen, dass dieuropäer ein militärisches Vorgehen gegen Saddamussein ablehnten. – Soweit Herr Westerwelle im Märztzten Jahres.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2723
)
)
Krista SagerIm Herbst letzten Jahres hat er dann behauptet, dieBundesregierung habe sich viel zu früh festgelegt. Wasist denn das für eine Position!
Herr Westerwelle, ich habe in den letzten Monaten nichterkennen können, in welchem europäischen HühnerhofSie am liebsten mitgegackert hätten. Das war ganz offen-sichtlich unklar.
Bei Ihnen ist nur auf eines Verlass: Sie sind wendig wieein Wetterhahn und schwankend wie ein Rohr im Wind.
Im März letzten Jahres sind Sie für ein bisschen Friedeneingetreten, im Herbst für ein bisschen Krieg und heutesind Sie für ein bisschen „Ich weiß nicht mehr recht“.
Das Einzige, was bei Ihnen immer sicher ist, ist, dassSie bei jeder Gelegenheit den Versuch machen werden,der Bundesregierung ein neues Stöckchen hinzuhalten.Aber Stöckchen-Hinhalten ist kein Ersatz für eine ver-antwortungsvolle politische Position in einer so wichti-gen Frage.
Überboten wurde dieses traurige Bild der FDP in denletzten Monaten in der Tat nur
von dem traurigen Bild, das die CDU/CSU abgelieferthat, allen voran ihre Vorsitzende Angela Merkel.
Über Herrn Stoiber muss man schon fast kein Wortmehr verlieren. Im Wahlkampf hat er sich mit der Forde-rung überschlagen, im Falle eines Krieges müsse es einÜberflugverbot geben. Wir wissen inzwischen, dass HerrStoiber für viele Überraschungen gut ist, sicher auch inder Zukunft.
In der Irakfrage hat er sich wie ein Hase im Zickzackdurch die Furchen bewegt. Man musste ja schon Angsthaben, dass Herr Stoiber aus Versehen auf dem Schoßvon Christian Ströbele landet. Das ist Christian Ströbelezum Glück erspart geblieben.
Herr Glos, Sie haben heute hier von Geradlinigkeitesprochen. Der Einzige, der sich in den letzten Tagenalbwegs geradlinig geäußert hat, ist der saarländischeDU-Ministerpräsident Peter Müller.
r hat gesagt, die Position „Egal was passiert, wir stehenn der Seite von Amerika!“ sei nicht seine Haltung. Aberenau dies ist in den vergangenen Wochen und Monatenie Haltung von großen Teilen der CDU gewesen. Vorllen Dingen war es die Position von Angela Merkel.
Frau Merkel, an Ihrer Position ist wirklich peinlichnd beschämend, dass Sie zu feige sind, den Bürgerin-en und Bürgern reinen Wein über das einzuschenken,as Sie wirklich wollen.
s ist peinlich und unerträglich, wie Sie bis zum gestri-en Tage herumgeeiert sind. Gestern haben Sie gesagt,ie unterstützten das Ultimatum der USA. Es bedurftereier Nachfragen, was das denn bezogen auf Ihre Hal-ung zum Krieg bedeutet. Dann haben Sie endlich ge-agt, ja, Sie unterstützten das Ultimatum mit allen Fol-en. Das ist aber wirklich zu wenig, wenn es darum geht,en Bürgerinnen und Bürgern die Wahrheit zu sagen.arum stellen Sie sich nicht hin und sagen ehrlich: Ichin dafür, dass die Arbeit der Waffeninspekteure beendetird, ich bin dafür, dass an die Stelle der Arbeit der Waf-eninspekteure der Krieg gegen den Irak tritt. – Das istie Frage, um die es geht. Da hätten Sie ehrlich seinüssen.
Meine Damen und Herren, wir haben in der Vergan-enheit manch schwierige Frage beantworten müssen.ir haben uns mancher Auseinandersetzung gestellt unduch in schwierigen Fällen Verantwortung übernom-en: in der Kosovo-Frage, in der Afghanistan-Frage,uch in der Frage, wie man eine weitere Eskalation inazedonien verhindern kann. Wir haben uns diesen Fra-en gestellt und auf all diese Fragen klare Antworten ge-eben, genauso wie wir jetzt zum Irakkrieg ganz klarein sagen. Eine solch klare Aussage aber ist von derDU eben nicht gekommen.
Frau Merkel, Sie haben in den letzten Wochen gebets-ühlenartig gesagt, eine zweite Resolution wäre hilf-eich. Verschwiegen haben Sie aber, dass diese zweite
Metadaten/Kopzeile:
2724 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Krista SagerResolution, um die es die ganze Zeit schon ging, von denUSA und Großbritannien als kriegslegitimierend ver-standen worden wäre. Als Sie gesagt haben, eine zweiteResolution wäre hilfreich, hätten Sie für die Bürgerinnenund Bürgern klar hinzufügen müssen: Ja, ich, AngelaMerkel, würde im Sicherheitsrat einer kriegslegitimie-renden Resolution zustimmen. – Diese klare Antwortsind Sie den Bürgerinnen und Bürgern schuldig geblie-ben.
Sie haben wochen- und monatelang versucht, denEindruck zu erwecken, die Bundesregierung sei mit ihrerHaltung zum Irakkrieg isoliert. Ich frage Sie: Wen, glau-ben Sie, vertreten Sie mit Ihrer Position eigentlich nochin diesem Land? Sie haben landauf, landab verkündet,Sie hätten den Eindruck, dass die Bundesregierung iso-liert sei, und zwar zu einem Zeitpunkt, als sich die Bun-desregierung mit aller Kraft bemüht hat, der Arbeit derWaffeninspekteure eine Chance zu geben. Ohne diedeutsch-französische Initiative hätte es im Sicherheitsratnicht die Haltung gegeben, der Arbeit der Waffenin-spekteure die Zeit und die Ressourcen zu geben, die siegebraucht haben. Ohne die deutsch-französische Initia-tive hätte es keinen Beschluss der EU-Außenministerund keinen Beschluss der europäischen Regierungschefsgegeben, die damit bewirken wollten, dass es durch dieArbeit der Waffeninspekteure zu einer friedlichen Ab-rüstung kommt.Und was haben Sie gemacht? – Sie haben diese Bemü-hungen hintertrieben. Sie sind durch Ihre Anbiederei inden USA der Bundesregierung in den Rücken gefallen.
Dabei haben Sie ganz genau gewusst, worum es in dieserFrage geht; das ist für mich das eigentlich Schlimme. Siekönnen sich nicht damit herausreden, Sie hätten nicht ge-wusst, worum es geht. Sie haben bei Ihrem Handeln im-mer das innenpolitische Kalkül gehabt, das Sie der Bun-desregierung versucht haben unterzuschieben.
Sie haben gehofft, dass die Bundesregierung imUNO-Sicherheitsrat am Ende mit Syrien alleine dasteht.Sie waren tief enttäuscht, als sich gezeigt hat, dass derSicherheitsrat nicht aus einem Haufen käuflicher Länderbesteht, sondern dass die Länder – das gilt auch für diekleinen Länder und die Länder Lateinamerikas und Afri-kas – Rückgrat gezeigt haben.
Es wäre Ihnen am liebsten gewesen, wenn das eingetre-ten wäre, von dem viele ausgegangen sind, nämlich dassdiese Länder am Ende nationalen, strategischen, mate-riellen und finanziellen Interessen den Vorrang gegebenhätten.Sie haben bei der Frage, was die Wahl der richtigenStrategie in Bezug auf den Irak angeht, von Anfang angahbgnddEmsnfbwdgGSSsgbguh–hdiId
r hat weiter gesagt – das können Sie nachlesen –, manüsse sich mit dieser Strategie der USA auseinanderetzen.
Die Bundesregierung hat sich – im Gegensatz zu Ih-en – mit dieser Strategie auseinander gesetzt und hatestgestellt, dass sie hoch gefährlich ist. Deswegen ha-en wir uns dieser Strategie nicht angeschlossen underden es auch nicht tun. Sie dagegen haben sich mitieser Strategie nicht auseinander gesetzt, obwohl Sieenau wussten, worum es geht. Jetzt haben Sie sich imrunde zu Helfershelfern gemacht, indem Sie sagten,ie teilten das Ultimatum mit allen Konsequenzen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
chäuble?
Ja.
Frau Kollegin Sager, ich möchte Sie nach der Beleg-
telle für das Zitat fragen, das Sie mir eben in den Mund
elegt haben. Ich bin einigermaßen überrascht, welche
emerkenswerten Ausführungen ich nach dem, was Sie
esagt haben, gemacht haben soll. Ich kenne diese nicht
nd wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir die Belegstelle
ierfür nennen würden.
Herr Schäuble, ich habe Sie nicht zitiert.
Hören Sie bitte zu! – Ich habe Sie nicht zitiert, sondernabe lediglich gesagt, dass Sie in dieser Debatte aufiese entscheidende Frage hingewiesen haben. Das habech im Protokoll nachgelesen und ich bin gerne bereit,hnen diese Stelle herauszusuchen.Im Herbst letzten Jahres haben Sie gesagt, es gebe inen USA vor dem Hintergrund der Ereignisse des
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2725
)
)
Krista Sager11. September eine Strategiedebatte, die in Richtungeines Präventivkriegs gehe.
Mit dieser Strategie müsse man sich auseinander setzen.Das haben Sie sogar eingefordert. Aber Sie selber habendas, was Sie gefordert haben, nicht erfüllt.
Und obwohl Sie sich mit dieser Strategie nie ernsthaftauseinander gesetzt haben, sind sie ihr im Grunde ge-nommen jetzt hinterhergelaufen. Das ist das Schlimme.
Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Kolle-
gen Schäuble?
Ja.
Frau Kollegin Sager, nachdem ich jetzt doch beruhigt
bin, dass ich offenbar etwas ganz anderes gesagt habe als
das, was Sie gerade vorgetragen haben,
möchte ich Sie gerne fragen, ob Sie bereit sind, zu bestä-
tigen, dass ich sinngemäß Folgendes gesagt habe: Die
Fragen, die sich die Amerikaner stellen, nämlich was zu
tun ist in einer Zeit, in der die auf gegenseitige Vernich-
tungsfähigkeit gegründete Abschreckungsstrategie des
Kalten Krieges nicht mehr ausreicht, um in der globali-
sierten Welt des 21. Jahrhunderts Sicherheit zu gewähr-
leisten, müssen wir aufnehmen?
Ob die Antworten, die die Amerikaner geben, richtig
sind, ist eine ganz andere Frage. Mit den Fragen müssen
wir uns aber beschäftigen.
Herr Schäuble, das, was ich zuerst gesagt habe, habenSie offensichtlich nicht wahrnehmen können, weil Sienoch in Ihre Akte vertieft waren.
Tatsache ist, dass ich immer gesagt habe: Ich finde esrichtig, dass Sie die Frage bezüglich der Auseinanderset-zung mit der amerikanischen Regierungsstrategie aufge-worfen haben. Ich sage nur: Die Bundesregierung hatsdwgusdmddinsddTSmrsbhdhvradszdmnahppwfdjobWWsUaUkDdSvs
Herr Schäuble, ich will Ihnen auch gerne etwas zuem, was Sie angesprochen haben, sagen. Natürlichüssen wir uns mit der veränderten Sicherheitslage iner Welt auseinander setzen. Ich habe gerade gesagt,ass die Bundesregierung das sehr deutlich getan hat,dem sie sich mit den Risiken der jetzigen Präventiv-chlagstrategie auseinander gesetzt hat. Der Fehler – aucher US-amerikanischen Regierung – in dieser Frage istoch, dass übersehen wird, dass man den internationalenerrorismus nicht durch Erstschläge gegen so genanntechurkenstaaten bekämpfen kann, weil es beim Terroris-us nicht um Staaten, sondern um international operie-ende Netzwerke geht. Die entscheidende Frage wirdein, ob diese Netzwerke durch das, was wir in der Weltetreiben, stärker oder schwächer werden. Diese Frageaben Sie falsch beantwortet.
Meine Damen und Herren, wir werden uns aber auchamit auseinander setzen müssen, wie es jetzt weiterge-en soll. Natürlich ist es fatal, dass hier ein Alleingangorgenommen wird, jenseits der internationalen Struktu-en und der internationalen Ordnung. Natürlich ist esuch fatal, dass die einzige militärische Supermacht aufer Welt alleine über Krieg und Frieden entscheidet. Ichage eines aber ganz deutlich: Gerade weil wir nicht ak-eptieren, dass die einzige militärische Supermacht aufer Welt alleine über Krieg und Frieden entscheidet,üssen wir jetzt verstärkt daran arbeiten, die internatio-alen Strukturen zu stabilisieren. Das heißt, wir müssenn den Fortschritten in der europäischen Integrationart arbeiten. Vor allen Dingen mit Blick auf die osteuro-äischen Staaten ist das unbedingt notwendig. Die euro-äische Integration kann nicht erfolgreich fortgesetzterden, wenn wir das NATO-Bündnis als eine Basis da-ür nicht stabilisieren. Deswegen ist es auch richtig, dassie Bundesregierung all ihre Entscheidungen, die sieetzt zu treffen hat, auch unter dem Gesichtspunkt trifft,b die internationalen Strukturen stabilisiert oder desta-ilisiert werden.ir werden den Dialog über die Sicherheitslage in derelt verstärkt führen müssen, mit den europäischen Ge-ellschaften, mit den USA und mit den Menschen in denSA. Wir werden darüber reden müssen, dass amllerwenigsten eine interkulturelle Gesellschaft wie dieSA Konflikte der Kulturen unbeschadet überstehenann. Das halte ich für eine zentrale Aufgabe in demialog, der uns bevorsteht. Wir müssen den Menschen inen USA deutlich machen, dass wir das Leid und denchock, den sie am 11. September erlebt haben, nichterkennen, dass dies aber nicht die Ausgangsbasis dafürein kann, Leid über die Menschen in anderen Ländern
Metadaten/Kopzeile:
2726 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Krista Sagerzu bringen. Das kann nicht die richtige Strategie sein.Wir werden auch darüber reden müssen, dass das Leid,das die Menschen in den USA am 11. September erlebthaben, für eine politische Strategie von Kräften in derUS-Administration missbraucht wurde, die ihre politi-sche Strategie schon längst vor dem 11. September fest-gelegt hatten.
Wir werden in den nächsten Wochen und Monatendas umsetzen müssen, was der Bundeskanzler amFreitag als Programm der Regierung dargestellt hat. Wirwissen, dass vieles von dem, was wir uns vorgenommenhaben, den Menschen in diesem Lande etwas abverlan-gen wird. Wir wissen, dass dies nicht alles nur frohe Bot-schaften sind. Aber ich sage klar und deutlich: Wir wer-den diese Schritte gehen müssen, um unsere sozialenSicherungssysteme zukunftssicher zu machen. Wir wer-den diese Schritte gehen müssen, um die Lohnnebenkos-ten senken zu können und um Chancen für mehr Be-schäftigung zu schaffen.Es geht nicht darum, eine dauerhafte Ausgrenzungvon Menschen in diesem Land einzig und allein mate-riell zu kompensieren. Uns geht es darum, den Men-schen in diesem Land wirklich die Chance auf Teilhabeund Beschäftigung zu geben. Das ist das Ziel unsererPolitik und unserer Reformen. Aber wer glaubt, bei derVerkündigung solcher Schritte „Bravo“ rufen und klat-schen zu müssen, der sollte seine Neigungen vielleichtlieber in irgendwelchen SM-Szenen statt in der Politikausleben.
Die Umsetzung wird nämlich nicht immer sehr ange-nehm sein, aber sie ist eben notwendig.
Mit Blick auf die CDU/CSU sage ich: Was wir erlebthaben, ist ein buntes Schauspiel. Frau Merkel hat erklärt,der Bundeskanzler müsse endlich einmal konkret wer-den. Am Freitag war der Bundeskanzler konkret. Aberwir müssen feststellen, dass dies die CDU/CSU kalt er-wischt hat. Kaum wird es in diesem Lande einmal kon-kret, laufen Sie umher wie ein aufgeschreckter Hühner-haufen: Merkel gegen Stoiber, Stoiber gegen Merkel,Seehofer gegen Stoiber, Wulff und von Beust auf derSeite von Seehofer und Merkel, Koch und Schäuble fürStoiber.KhdsafnebssBcwSoSebKewcmmsvS
ein Mensch in diesem Lande kann noch erkennen, wo-in Sie mit Ihrer Politik wollen.
Besonders interessant fand ich die Meldung von dpa,ie Fraktion der CDU/CSU sei der Tanker und der Vor-itzende der CSU, Herr Stoiber, sei das Schnellboot. Ichls Hamburgerin habe mich darüber gewundert und ge-ragt: Wenn man einem großen Boot helfen will, in ei-em schwierigen Gewässer den Kurs zu finden, dann istin Bugsierer oder ein Schlepper besser. Ein Schnellbootringt in diesem Falle nichts. Herr Stoiber hat sich offen-ichtlich das Schnellboot ausgesucht, weil er den Tankerchnell einholen, entern und die Brücke besetzen will.ei Ihnen wollen offensichtlich viel zu viele auf die Brü-ke. Nur diejenige, die auf der Brücke steht, weiß nicht,o es lang geht.
olange Sie sich in der CDU/CSU nicht geeinigt haben,b Sie nun ein Schub-Schub-Verband oder ein Schub-chlepp-Verband sein wollen, so lange sollten Sie voniner großen Fahrt Abstand nehmen. Ich befürchte, dassei Ihnen niemand das Kapitänspatent besitzt.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Romer?
Nein. – Ich möchte Ihnen zum Schluss meiner Rede
inen guten Tipp aus der christlichen Seefahrt geben,
eil Sie ihn offensichtlich bitter nötig haben. In der
hristlichen Seefahrt gibt es eine sichere Regel, an die
an sich auch in der Politik halten sollte: Rot und Grün
arkieren das sichere Fahrwasser. Schwarz und Gelb
ind die Markierungen für Gefahren und Untiefen, da-
on sollte man sich fernhalten.
Es spricht jetzt der Herr Bundeskanzler Gerhardchröder.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2727
)
)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Frau Merkel hat den Wunsch geäußert – was ichverstehe –, nach mir zu reden; deswegen haben wir dieGeschäftsführer um Entschuldigung dafür gebeten, dasswir ihre Spielchen beenden wollen.
Das Thema ist wichtig genug. Es kann kein Zweifeldaran bestehen: Ein Krieg im Irak wird immer wahr-scheinlicher. Wir haben von Anfang an – das ist in dieserDebatte auch deutlich geworden – unsere feste Überzeu-gung klar gemacht, dass wir einen solchen Krieg verhin-dern wollen.
Wir haben das in den internationalen Gremien zum Aus-druck gebracht und auch gegenüber der Öffentlichkeit indiesem Hohen Hause wiederholt deutlich gemacht. Ichfreue mich natürlich über die große Unterstützung, diediese Position sowohl von der Regierungskoalition alsauch vom deutschen Volk erfährt.
Gerade in Europa, zumal in Deutschland, hat sich tiefin das kollektive Bewusstsein der Menschen eingegraben– das ist von Generation zu Generation weitergegebenworden –, was Krieg für die Menschen bedeutet. Viel-leicht liegt hier ein Unterschied in unserer Herangehens-weise: Auch das gehört dazu, neben dem, was Frau Sager– ganz eindrucksvoll, wie ich fand – eben dargestellt hat,als sie über das Mitgefühl mit denjenigen gesprochen hat,die als Folge der Ereignisse vom 11. September politischhandeln und handeln müssen. Auch wenn ich das unter-streiche – dies bringt uns nicht ab von unserer festen undeindeutigen Position. Ich fand es aber gut und richtig,dass sie auch auf diesen Teil der politischen und mensch-lichen Dimension hingewiesen hat.
Mit den politischen Entscheidungen, die wir getroffenhaben und von denen wir nichts abstreichen werden, ha-ben wir alle miteinander für Klarheit gesorgt. Ich hoffe,die Union wird das jetzt in gleicher Weise tun. Ich fügeaber hinzu: Wir brauchen auch Besonnenheit in der Ar-gumentation. Emotionen – sie werden uns, aber nicht nuruns, sondern ganz viele Menschen im Land in dennächsten Tagen alle miteinander beschäftigen –, so ver-ständlich sie angesichts des Bevorstehens oder gar desBeginns eines Krieges bei jedem sein mögen, dürfen daspolitische Handeln nicht dominieren. Das gilt nach au-ßen und ich hoffe, das gilt auch nach innen.Die Positionen von Regierung und Opposition sindkontrovers. Das schafft Klarheit, aber wir sollten uns zu-sammennehmen und alle unseren Beitrag dazu leisten,dass die Debatte bei aller notwendigen Polemik, die garnidLIWaSDAAiveegdiiFkeranaratdrSdrHtüszbisB
ch sagte: Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Haltung.ir lehnen ein militärisches Vorgehen gegen den Irakb. Die ganz normale Konsequenz ist, dass sich deutscheoldaten an Kampfhandlungen nicht beteiligen werden.
ies gilt sowohl für die deutschen Soldaten in denWACS-Flugzeugen als auch für die deutschen ABC-bwehrkräfte in Kuwait.Dieses Thema wird, wie das auch hier angeklungenst, in den nächsten Tagen natürlich kontrovers und auserschiedenen Perspektiven diskutiert werden. Bevor ichtwas zur Sache sage, will ich deutlich machen: Ich fands richtig, dass darauf hingewiesen worden ist – ichlaube sogar, es war Herr Ströbele, der es getan hat –,
ass die Frage von Krieg und Frieden die zentrale Fragest, mit der wir uns auseinander setzen müssen. Es gehtn erster Linie – immer noch und immer wieder – um dierage, was wir dabei tun können, und nicht um die Dis-ussion über unterschiedliche Meinungen – die es nuninmal gibt – zu Fragen des Völkerrechts.
Die NATO-AWACS-Flugzeuge führen über dem Ter-itorium der Türkei Routineflüge durch. Dies geschiehtuf der Basis der Entscheidung des Verteidigungspla-ungsausschusses der NATO vom 19. Februar 2003. Ihreusschließliche Aufgabe ist die strikt defensive Luft-aumüberwachung über der Türkei. Sie leisten – das gehtus den Rules of Engagement hervor – keinerlei Un-erstützung für Einsätze im oder gegen den Irak. Durchie Zuordnung der AWACS-Flugzeuge zum Befehlsbe-eich des NATO-Oberbefehlshabers Europa, also desACEUR, ist eine strikte Trennlinie zu den Aufgabenes Kommandeurs des US Central Commands, des ame-ikanischen Generals Franks, gezogen. Übrigens verfügterr Franks – so ist mir von unseren Fachleuten mitge-eilt worden – für Militäroperationen gegen den Irakber fast 100 eigene US-AWACS-Flugzeuge.Räumlich getrennt von diesen und mit gänzlich unter-chiedlichem Auftrag überwachen also die NATO-Flug-euge unter dem Kommando des NATO-Oberbefehlsha-ers Europa den Luftraum über der Türkei und sichernhn. Hier liegt der Grund, warum wir davon überzeugtind, dass es dazu keines Beschlusses des Deutschenundestags bedarf.
Metadaten/Kopzeile:
2728 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Bundeskanzler Gerhard Schröder– Herr Schäuble, auf Ihren Zwischenruf bezogen: Ichhabe gesagt, wir seien davon überzeugt. Ich habe nichtgesagt, Sie seien davon überzeugt. Wir sind davon über-zeugt, dass das richtig ist, und dieser Überzeugung wer-den wir auch Rechnung tragen.
Auch die Aufgaben der deutschen ABC-Abwehrsol-daten sind klar begrenzt. Sie handeln auf der Basis einesBeschlusses des Deutschen Bundestags – anders wäre esauch nicht möglich –, nämlich auf der Basis des Be-schlusses zu Enduring Freedom, wie Sie wissen. DiesesMandat, das der Deutsche Bundestag gegeben hat, ist ein-ziger und ausschließlicher Auftrag dieser Kräfte. Auchsie werden sich an Einsätzen gegen den Irak nicht betei-ligen. Bestandteil dieses Mandats für Enduring Freedomist allerdings auch die humanitäre Hilfe in Kuwait. Daherführen die deutschen ABC-Abwehrsoldaten zusammenmit kuwaitischen Stellen auch entsprechende Übungendurch. Noch einmal zur Klarstellung: Dafür gibt es einMandat in all den Punkten, in denen es benutzt wird.Dazu bedarf es deshalb auch keines neuen Mandats.
Lassen Sie mich noch ein Wort zur Frage der Siche-rung amerikanischer Einrichtungen, zur Nutzung der Ba-sen und zu den Überflugrechten sagen.Unsere Position zum Irakkrieg – ich habe sie nocheinmal erläutert – haben wir politisch klar definiert. Aberdiese klare Position, die sich von der unserer Bündnis-partner – jedenfalls von jener der Vereinigten Staatenund Großbritanniens – unterscheidet, ändert nichts da-ran, dass es sich um Bündnispartner und befreundete Na-tionen handelt.
Zu diesem Bündnis, zur NATO, gehören Rechte undPflichten. Diesen Pflichten, die sich aus dem NATO-Ver-trag und den verschiedenen Stationierungsabkommen er-geben, werden wir auch jetzt Rechnung tragen.
Das ist der Grund, warum ich von Anfang an gesagthabe: Es mag zwar unterschiedliche völkerrechtlichePositionen geben, aber vor dem Hintergrund unsererBündnisverpflichtungen werden wir die Nutzung derBasen weiter gestatten, Überflugrechte nicht versagenund natürlich die Anlagen unserer Freunde und, soweitnötig, auch ihrer Familien schützen und sichern.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang etwas un-terstreichen, das ich bereits öffentlich zum Ausdruck ge-bracht habe. Selbstverständlich ist es in einer Zeit zuge-spitzter internationaler Situation – was gibt es für einegrößere Zuspitzung als einen Krieg im Nahen Osten, imIrak und um den Irak? – besonders wichtig, den Men-schen in unserem Lande deutlich zu machen, dass dieSasuleSDtrSinsuFAHDsddrJuDrsFADa–n
In der Debatte ist – ein bisschen durchsichtig – ver-ucht worden, in der Frage nach den Ursachen Ursachend Wirkung zu verwechseln. Ich will mich zu dieserrage aus guten Gründen nicht weiter äußern.
ber darüber nachdenken sollten Sie schon noch einmal,err Westerwelle.
enn ich halte es für absurd, Ursache und Wirkung in die-er Form zu verwechseln. Im Übrigen sollten Sie – auchas ist Ihnen eindrucksvoll vorgehalten worden – sicharum bemühen, das nachzulesen, wozu Sie die Bundes-egierung noch im März und im Sommer vergangenenahres aufgefordert haben
nd mit welcher Begründung Sie dies getan haben.
ann würden Ihnen viele Ihrer Worte, die Sie so großspu-ig ausgesprochen haben, im Hals stecken bleiben. Des-en bin ich mir ganz sicher, meine Damen und Herren.
Im Übrigen rate ich Ihnen dringend, sich in diesenragen gelegentlich bei Herrn Genscher, dem früherenußenminister, kundig zu machen.
ann würden Sie auf erstaunliche Gedanken stoßen, dieuch bereits öffentlich geäußert worden sind.
Dass das heute Morgen geschehen ist, hat man abericht gemerkt. Das war das Problem.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2729
)
)
Bundeskanzler Gerhard SchröderEs ist dann auf die Situation in Europa hingewiesenworden. Natürlich wäre es gut gewesen, wenn man nichtnur, aber auch in dieser Frage bereits eine Außenpolitikin Europa gehabt hätte. Natürlich wäre es gut gewesen,wenn es gelungen wäre, diese in Europa insgesamt zuverankern, gar keine Frage. Hier hat es gewiss Fest-legungen gegeben, auch von uns, aber keineswegs nurvon uns und keineswegs nur öffentlich, sondern auchhier. Ich finde, hierhin gehört es, oder etwa nicht?
Natürlich begann mit der offiziellen Erklärung derFünf, der sich später viele der Beitrittsländer angeschlos-sen haben, eine erkennbare politische Differenz in derBewertung der Sache, über die wir jetzt reden. Es istdoch gar keine Frage, dass das so war. Das gilt nicht nurfür den Brief der Fünf, sondern auch für das, was vonverschiedenen Regierungen der Beitrittskandidaten un-terschrieben worden ist, gar keine Frage. Aber mansollte auch verstehen, dass es wenig Sinn macht, sichnoch jetzt darüber zu beklagen. Es hat schon Sinn ge-macht, das auszusprechen, was der französische Präsi-dent gesagt hat, nämlich darauf hinzuweisen, dass Eu-ropa nicht nur Rechte materieller und immaterieller Artbegründet, sondern auch Pflichten mit sich bringt. Daswar schon in Ordnung. Ich denke, dafür sollte man ihnnicht kritisieren.
Man muss auch verstehen, warum in bestimmten Län-dern so und nicht anders gehandelt worden ist. Dort hatman größere Schwierigkeiten, als wir sie – Gott sei Dank –in Deutschland haben, Souveränitätsrechte abzutreten,die man so lange so schmerzlich entbehrt hat. Wir hattendazu 50 Jahre Zeit, die anderen noch nicht einmal zwölf.Diesen Zusammenhang muss man sehen, wenn man dasbewertet, was in Polen, in Tschechien und in anderenLändern geschehen ist. Deswegen bleibt die Aufgabe be-stehen, während und erst recht nach einer militärischenAuseinandersetzung dafür zu sorgen, dass diese Differen-zen geduldig, aber auch nachhaltig eingeebnet werden.Auch das ist ein Teil der europäischen Politik, die wir ma-chen.
Zu dem heute Morgen hier angeklungenen Vorwurf,Deutschland habe es in letzter Zeit an europäischemEngagement gemangelt: Wenn ich gelegentlich Rück-schau auf Debatten über Außenpolitik und speziell aufdie Vorwürfe halte, die uns wegen mangelndem sorg-samem Umgang im deutsch-französischen Verhältnis ge-macht worden sind, dann wundert mich schon gelegent-lich die Debatte, die gerade jetzt auch von Ihnen, HerrSchäuble, geführt wird.
Ich erinnere mich noch an die Zeit, als Sie sich – sowurde das genannt – am Stottern des deutsch-französi-shwEnIwmthua–EurkEdfzmmdSdiHadsEwddwzfkbas
s ist schon etwas merkwürdig, wie Sie Außenpolitikach jeweiliger Befindlichkeit zu formulieren versuchen.ch jedenfalls kann nichts Schlechtes daran finden, dassir zusammen mit unseren französischen Freunden undit anderen intensivst dafür gearbeitet haben, eine mili-ärische Auseinandersetzung im und um den Irak zu ver-indern,
nd dass wir weiter intensivst dafür arbeiten, dass dasuch geschieht.
Das Gegenteil haben wir erreicht? Was Europa angeht:s gab eine Zeit, in der Sie durch das Land gezogen sindnd behauptet haben, wir hätten uns in Europa und erstecht im Weltsicherheitsrat vollständig isoliert. Davonann indessen wirklich keine Rede sein.
s ist doch wohl eher Ihre Politik als unsere, die, so wieie Dinge liegen, im Weltsicherheitsrat keine Mehrheitinden würde. Auch das sollten Sie gelegentlich einmalur Kenntnis nehmen.
Ich kehre zum Thema Europa zurück. Man kann undan darf der deutschen Bundesregierung keine Vorwürfeachen, was ihr Engagement für Europa und speziell fürie Erweiterung Europas angeht, die für die baltischentaaten, für die Polen, für die Tschechen und für die an-eren, die ich jetzt nicht alle aufführen will, so wichtigst. Es sind Frankreich und Deutschland gewesen, die imerbst in Brüssel mit dem schwierigen und gelegentlichuch kritisierten Agrarkompromiss dafür gesorgt haben,ass wir in Kopenhagen eine wahrhaft historische Ent-cheidung treffen konnten, die dazu führt, dass auch inuropa zusammenwächst, was zusammengehört. Dasaren doch französische und deutsche Politik.
Natürlich wissen wir, dass diese beiden Länder aufieser Basis eine besondere Verantwortung dafür haben,ass der Integrationsprozess, also insbesondere das,as im Konvent beraten wird, die Neuordnung der Be-iehungen der Institutionen in Europa ein wirklicher Er-olg wird. Dafür werden wir ungeachtet der Schwierig-eiten, die es aktuell gibt, arbeiten. Es wird sich sehrald zeigen, dass die französisch-deutsche Zusammen-rbeit in diesem Fall wieder einmal im Zentrum dessenteht, worum es geht.
Metadaten/Kopzeile:
2730 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Bundeskanzler Gerhard SchröderWenn Deutschland und Frankreich besonders eng zu-sammenarbeiten, dann werden wir – ich weiß das wohl –gelegentlich von dem einen oder anderen Kollegen dahingehend kritisiert, diese Zusammenarbeit bestimme inEuropa zu viel voraus. Aber wenn wir nicht besonders engzusammenarbeiteten – so sind jedenfalls meine Erfahrun-gen –, dann werden wir dafür kritisiert, dass wir es nicht ge-tan haben. Insofern glaube ich, dass die französisch-deut-sche Zusammenarbeit auch bezogen auf die europäischeEinigung – ich erinnere an die bevorstehenden weiterenSchritte zur Integration – von riesigem Wert ist. Deswegenbin ich froh, dass diese Zusammenarbeit gerade zu Zeiteneiner schweren Krise so gut gestaltet werden konnte.
Lassen Sie mich aus einem bestimmten Grund aufeine Frage zu sprechen kommen, die hier insbesondeream letzten Freitag eine Rolle gespielt hat und die in dieeigentlichen Beratungen des Bundeshaushalts natürlichhineinragt. Ich möchte deutlich sagen: Die Inhalte dessen,was ich am letzten Freitag unter dem Motto Agenda 2010vorgestellt habe, werden wir Punkt für Punkt umsetzen.Ich bin den und dem Vorsitzenden der Koalitionsfraktio-nen für ihre Unterstützung sehr dankbar.Es kommt mir darauf an, dass klar wird: Wir lassennicht zu, dass der Prozess der Umsetzung durch die – ge-genwärtig so schwierige – internationale Lage infragegestellt wird. Es ist gerade in einer schwierigen Zeit ganzwichtig, nicht aufzuhören, den Reformprozess voranzu-bringen. In einer solchen Zeit muss die Arbeit vielmehreher noch verstärkt werden. Das begreife jedenfalls ichals unsere Aufgabe, als die gemeinsame Aufgabe vonRegierung und Koalition.
Der drohende Irakkrieg darf nicht als Ausrede dafürbenutzt werden, den Reformprozess, der skizziert wor-den ist, zu verzögern oder gar in Teilen nicht zu realisie-ren. Das Gegenteil ist richtig: Gerade in einer schwieri-gen Zeit brauchen wir diese Reformen und wir werdendafür sorgen, dass sie realisiert werden.
Es geht dabei um Strukturreformen. Was die Nachfrage-seite betrifft, geht es um das, was unter dem Stichwort„öffentliche Investitionen“ deutlich geworden ist. Ichunterstreiche, was der Vorsitzende der SPD-Fraktion hierzu den kommunalen Investitionen gesagt hat: Es istrichtig, dass wir den Kommunen mit den 7 MilliardenEuro, die wir an zinsverbilligten Krediten zur Verfügungstellen wollen, helfen. Genauso richtig ist es, dass sie dieMöglichkeit behalten oder erhalten müssen, diese Kre-dite auch in Anspruch zu nehmen; denn nur dann werdensie in Arbeit umgesetzt werden können.
ddtlsfsnndndfnFklGlfhngduefMKisDfBdhDwkwöuzrDs
Wir haben deutlich gemacht – der Bundesfinanzmi-ister hat es in der gestrigen Debatte gesagt –, dass wiriesen Prozess eben nicht durch mehr Verschuldung fi-anzieren. Zugleich haben wir aber auch klar gesagt,ass die Antwort auf eine sich möglicherweise verschär-ende ökonomische Lage – niemand von uns hofft das –icht prozyklische Politik sein darf. Sondern für denall, dass sich Wachstumserwartungen, die wir im Ein-lang mit allen wichtigen und großen Instituten formu-iert haben, so nicht realisieren lassen, aus welchenründen auch immer, müssen die automatischen Stabi-isatoren wirken, damit es eben nicht zu einer Verschär-ung der Situation kommt, die anderswo ihre Ursachenat. Was der Finanzminister dazu gesagt hat, gilt.
Natürlich müssen wir sowohl im Kreis der Finanzmi-ister im Ecofin-Rat – niemand kann ernsthaft etwas da-egen haben – als auch am Freitag – ich gehe jedenfallsavon aus – oder jedenfalls im April im Kreis der Staats-nd Regierungschefs darüber reden, dass wir dann, wennin Krieg im Irak schwerwiegende ökonomische Folgenür die Wirtschaft in Europa und für die Wirtschaft deritgliedstaaten hat, auch eine faire Debatte mit derommission darüber führen müssen, was die Alternativet.
abei geht es niemandem darum, den Stabilitätspakt ein-ach wegzudrücken, sondern es geht darum, auf seinerasis unter Umständen nötige und vernünftige Entschei-ungen zu treffen. Die werden wir dann in aller Offen-eit auch hier im deutschen Parlament diskutieren.
Bei all den Fragen, die die Sozialstaatlichkeiteutschlands betreffen, ist deutlich geworden, wasirklich das Ziel dessen ist, was wir vorhaben. Auch daann ich an das anschließen, was hier bereits diskutierturde. Es geht uns darum, unter radikal verändertenkonomischen Bedingungen in Deutschland, in Europand in der Welt, häufig zusammengefasst – nicht falschusammengefasst – unter dem Stichwort der Globalisie-ung, die Substanz von Sozialstaatlichkeit zu erhalten.em dienen diese Maßnahmen. Nichts anderem dienenie. Das halten wir auch fest.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2731
)
)
Bundeskanzler Gerhard SchröderDeshalb kommt es darauf an, auf dem Arbeitsmarkteine neue Balance zwischen der Sicherheit der Beschäf-tigten einerseits und der Notwendigkeit der Flexibilitätder Unternehmen andererseits zu finden. Das werden wirmit den Maßnahmen, die der Bundesminister für Wirt-schaft und Arbeit zum Kündigungsschutz, zur Frage desZusammenlegens von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfesowie auch zur Frage der Dauer des Bezuges von Ar-beitslosengeld dargestellt hat, anstreben und auch Positi-ves erreichen. Ich bitte Sie darum, dies nicht aufzuhal-ten, sondern dabei mitzuhelfen.Das Gleiche gilt genauso für die anstehende großeReform, die wir im Gesundheitswesen brauchen. Dabeigeht es darum, die Strukturen marktnäher zu machen.Dabei kann sich aber nicht jeder das heraussuchen, waser gern hätte, sondern da gilt es, die Marktnähe auchdann gemeinsam durchzusetzen, wenn die Klientel, dievon mangelnder Marktnähe bisher etwas hatte, an der ei-nen oder anderen Stelle einmal aufschreit. Es geht da-rum, auch dies gemeinsam durchzusetzen.
Natürlich wissen wir, dass wir im Leistungskatalogetwas verändern müssen. Das haben wir gesagt und daswerden wir auch tun, genauso wie es am Freitag darge-stellt worden ist.Ich habe sehr genau dem zugehört, was der bayeri-sche Ministerpräsident, Herr Stoiber, dazu gesagt hat.Darüber müssen wir dann ernsthaft reden. Als es beimThema Abbau von Überbürokratisierung, um mehr Be-wegung zu schaffen, um die Handwerksordnung ging,war auf einmal nicht mehr die Rede vom Abbau der Bü-rokratie und von mehr Flexibilität,
sondern man hat sich eingegraben und gefordert, dass indiesem Bereich alles so bleibt, wie es ist. Dazu werdenSie etwas sagen müssen. Wir werden Sie dazu auffor-dern.
Mir kommt es darauf an, dass Folgendes deutlichwird. Bei der Reformdebatte hat sicher der eine oder an-dere Nachholbedarf, gar keine Frage. Aber das Ganzeimmer nur auf der einen Seite des Hauses abzuladen, dasist, wie sich an der Diskussion über die Handwerksord-nung gezeigt hat und weiter zeigen wird, ein großer Feh-ler. Das geht Sie in gleicher Weise an und das wird sichsehr bald herausstellen.Schließlich und letztlich:
Es ist sehr interessant, sich anzuschauen, wie die unter-schiedlichen Positionen zu dem, was wir am Freitag dis-kutiert haben, gestaltet worden sind, welcher Verbandund welche Gewerkschaft sich zu welcher Frage wie ge-äußert hat. Man kann das kurz und präzise zusammen-fdGtdzDjwusgWuwwsdUwCbiiEKiidkvnon
Meine herzliche Bitte an die, die es angeht, auch die-enigen, die Öffentlichkeitsarbeit betreiben, ist: Selbstenn einem ein einzelner Schritt im Sinne des Ganzennd der notwendigen Bewegung nicht weit genug geht,ollte man sich einmal herablassen, diesen Schritt zu be-rüßen und zu unterstützen.
enn nämlich die Gefahr der Selbstblockade durch dienterschiedlichen Maximalpositionen nicht überwundenird, dann besteht in der Tat die Gefahr, dass am Endeeniger herauskommt, als unser Land braucht. Das müs-en wir verhindern und das wird die Koalition verhin-ern.Deswegen können Sie sich vorstellen, dass ich für dienterstützung dankbar bin, die in diesem Prozess so-ohl am Freitag als auch heute deutlich geworden ist.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt die Fraktionsvorsitzende der CDU/
SU, Angela Merkel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die De-atte zum Etat des Bundeskanzlers findet in diesem Jahrn einer besonderen Zeit statt. Jeder vernünftige Menschn diesem Lande und auch in diesem Hause hat ein Ziel:r möchte Krieg und militärische Aktionen vermeiden.
Wir alle – mir geht es jedenfalls so, ebenso vielenolleginnen und Kollegen in unserer Fraktion und, wiech glaube, auch in anderen Fraktionen – halten deshalbn diesen Stunden den Atem an. Wir sind betroffen, dassie Wege, die zu einer friedlichen Lösung hätten führenönnen, vielleicht in einer Sackgasse enden. Wir sindoller Sorge um die Menschen im Irak, um die Soldatin-en und Soldaten und um die Sicherheit.Wir sind auch unsicher, ob vielleicht andere Länder,b unser Land von Anschlägen betroffen ist. Ich weiß ge-au wie Sie alle in diesem Hause, dass gerade die älteren
Metadaten/Kopzeile:
2732 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dr. Angela MerkelBürgerinnen und Bürger in unserem Lande Sorge undAngst haben, weil sie persönlich, anders als ich, Kriegerleben mussten.Auch das Gefühl des Ärgers und der Fassungslosig-keit darüber, dass der Westen, dass die demokratischenLänder sich über diese Sache so haben zerstreiten müs-sen, kommt dazu. Es gibt die Hoffnung, dass, wenn derKrieg nicht zu vermeiden ist, er wenigstens wenig Opferkostet und schnell vorbei ist. Ich glaube, wir Politikerkönnen und dürfen uns – wir tun es ja auch nicht – nie-mals von diesen Emotionen freimachen. Aber wir müs-sen uns auch genau fragen: Was haben wir zu tun? Dafürtragen wir die Verantwortung. Wir tragen die Verant-wortung genauso für das, was wir nicht tun.Deshalb ist heute die Stunde, in der wir bei aller Ge-meinsamkeit der Gefühle ganz offen und ganz ehrlich,wie es auch der Bundeskanzler getan hat, über die Alter-nativen und über die Unterschiede sprechen. Die Fragenum Frieden und Freiheit können auf gar keinen Fall,auch nicht in Bezug auf den Irak, so beantwortet werden,dass man ausschließlich darüber spricht, wie viele Opferes jetzt kosten könnte, wenn militärisch eingegriffenwird, sondern wir müssen uns auch – ich sage nicht aus-schließlich – vor Augen führen, wie viele Opfer SaddamHussein schon gekostet hat, wie viele Leute er auf demGewissen hat und wie viele es noch kosten könnte, wenner weiter im Amt bleibt.
Wir debattieren in diesem Hause nicht zum erstenMal über Krieg und Frieden. Wir haben es oft und lei-denschaftlich getan. Vor allen Dingen mussten wir estun, obwohl wir alle nach 1989 vielleicht gedacht haben,diese Debatten blieben uns nach dem Ende des KaltenKrieges erspart. Wir haben es im Zusammenhang mitdem Kosovo und auch im Zusammenhang mit Afghanis-tan getan. Ich weiß, dass es vielen damals gerade auchhier nicht leicht gefallen ist; es ist auch uns nicht leichtgefallen.Die Debatte hatte nur einen Unterschied: Damals warsich die große Mehrheit in diesem Hause darüber einig,wie wir uns zu entscheiden hatten. Diesmal gibt es mehrUneinigkeit. Deshalb sage ich mit aller Überzeugung:Fangen wir nicht damit an – leider ist das in den letztenWochen immer wieder und auch heute passiert, HerrMüntefering –, dass unterschwellig der Eindruck erwecktwird: Wer mit Ihrem Kurs nicht einverstanden ist, derwolle den Krieg;
Sie wollen den Frieden, wir wollen den Krieg. Wir wer-den diese Arbeitsteilung nicht mitmachen und sie wirdauch bei der Bevölkerung nicht ankommen.
So wie Sie uns das nicht unterstellen
krt–csdgsigwawfPsFsEukULzwkmhMfn
Der Unterschied in diesem Hause – ich wiederhole esern – besteht nicht darin, ob wir Krieg oder Friedenollen. Der Unterschied besteht vielmehr in der Frage,uf welchem Weg man glaubt, das, was man erreichenill, am besten zu erreichen. Dabei gibt es Unterschiede.
Frau Kollegin Merkel, gestatten Sie eine Zwischen-
rage des Abgeordneten Volmer?
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage.
Frau Sager, als Erstes müssen wir aufhören, einemhantom hinterherzujagen. Im Falle des Iraks handelt esich nicht um einen Präventivschlag, sondern um dierage, wie die UNO und der UN-Sicherheitsrat ihre Be-chlüsse auch wirklich durchsetzen können.
s handelt sich nicht um die erste Resolution, sondernm die 17. Resolution. Es geht hier natürlich – ichomme noch darauf zu sprechen – um die Autorität desN-Sicherheitsrates und darum, ob er in Zukunft in derage sein wird, wichtige Resolutionen auch durchzuset-en. Diese Durchsetzung muss uns gelingen, egal zuelchem Ergebnis wir im Zusammenhang mit dem Irakommen.
Die Unterschiede zwischen Ihnen und uns im Zusam-enhang mit dem Irak waren schon zu einem ganz frü-en Zeitpunkt sichtbar, als Sie nämlich militärischeittel von vornherein ausgeschlossen haben. Ich bin deresten Überzeugung, dass man das in diesem Falleiemals hätte tun dürfen, genauso wenig, wie man es in
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2733
)
)
Dr. Angela Merkelanderen Fällen getan hat. Die einzige Möglichkeit, einenDiktator zum Einlenken zu bringen, ist, dass man mit derletzten Konsequenz, also mit militärischen Optionen,droht. Es ist unsere Überzeugung, dass man so handelnmuss, um 17 Resolutionen Nachdruck verleihen zu kön-nen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein.
Gestatten Sie überhaupt Zwischenfragen?
Nein, ich gestatte keine Zwischenfragen.
Krieg ist niemals die Fortsetzung von Politik mit nor-malen Mitteln. Das darf Krieg niemals werden. Aber ichsage auch: So wie wir uns als Deutsche die Entschei-dung, ob wir militärische Aktionen billigen, nicht leichtmachen sollten, so dürfen wir es uns wegen unserer Ge-schichte auch nicht so leicht machen, sie von vornhereinauszuschließen.
Paul Spiegel hat doch Recht gehabt, als er gesagt hat:Die KZs sind nicht von Zivilisten, sondern von Soldatenbefreit worden. – Auch das ist Teil der deutschen Ge-schichte.
Wir sind der Überzeugung: Der erfolgreichste Weg,um militärische Aktionen zu vermeiden, wäre gewesen,dass wir, die Demokraten dieser Welt, also die Europäi-sche Union und ihre Verbündeten, den Druck auf Sad-dam Hussein gemeinsam erhöht hätten.
Deshalb ist die Alternative, Herr Müntefering, vor dieSie uns stellen wollten,
vollkommen falsch. Es geht doch nicht um die Frage, obman Frieden will oder ob man Soldaten in den Irak schi-cken will. Es geht vielmehr um die Frage – das ist dieAlternative –, ob man es durch Einigkeit der Demokra-ten, die gemeinsam eine Resolution verabschiedet ha-bdesnu–ngJgevgdtWDbWvdEkgd
Herr Poß, regen Sie sich nicht so auf! Sie können esachlesen: Vor acht Wochen habe ich dies schon einmalesagt. Da haben Sie sich nicht ganz so aufgeregt.
etzt ist die Sache leider sehr schwierig.Frau Sager, Sie haben von einem EU-Sondergipfelesprochen. Wir aber hätten vorgeschlagen,
inen Gipfel nicht erst im Februar – auf diesem wurdeon der Bundesregierung endlich das akzeptiert, was all-emein unsere Meinung ist, dass militärische Optionenas letzte Mittel sind –, sondern sehr viel früher abzuhal-en.
arum nicht im September? Warum nicht im Oktober?ann hätte Europa in der Weltgemeinschaft noch etwasewirken können.
Ich sage Ihnen, was wir auch anders gemacht hätten.ir hätten bei der Verabschiedung der Resolution 1441on Anfang an darauf geachtet,
ass die Inspektionen eine zeitliche Befristung haben.ine solche zeitliche Befristung hätte uns die Möglich-eit zu einem koordinierten Aufbau von Inspektionenegeben, die Hans Blix nur deswegen sehr erfolgreichurchführen konnte,
Metadaten/Kopzeile:
2734 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dr. Angela Merkelweil parallel dazu eine militärische Drohkulisse entstan-den ist. Das sagt er selbst. Hören Sie ihm doch zu!
Eines ist doch klar: Diktatoren auf dieser Welt habenmanchmal die Eigenschaft, dass sie auf gar nichts reagie-ren außer auf militärische Gewalt.
Wenn es gut läuft, dann reagieren sie auf gemeinschaftli-chen Druck, aber eben nicht auf eine zerrissene Weltge-meinschaft. Hier gibt es eine unterschiedliche Wahrneh-mung in unserer Welt.
Wir bedauern im Übrigen so wie Sie, dass die Lageim UN-Sicherheitsrat jetzt so ist, dass er – ich betonedas – in keine Richtung handlungsfähig ist. Ich fügehinzu, dass an der Entwicklung des Zustandes, so wie erjetzt besteht, viele beteiligt gewesen sind. Da nehme ichdie USA überhaupt nicht aus.
Wir sind hier im deutschen Parlament
und wir haben über die deutsche Position zu diskutieren.Ich bin ganz sicher, dass wir es anders gemacht hätten.Darüber müssen wir in diesem Hause sprechen.
Eine Entscheidung im UN-Sicherheitsrat ist bedauer-licherweise nicht möglich gewesen, weil ein Veto vonFrankreich, eines von Russland und vielleicht auch einesvon anderen gedroht hätten. Aber eine Entscheidung indie andere Richtung ist auch nicht möglich gewesen,weil sonst ein Veto von Amerika und Großbritannien ge-droht hätte. Zur Wahrheit der Geschichte gehört,
dass das eine Veto nicht mehr wert ist als das andere,sondern dass beide ihre Berechtigung haben und dieUNO deshalb leider nicht der Ort der Entscheidungenist, wie ich es mir und wie wahrscheinlich auch Sie essich gewünscht hätten.
uvkddshusnkeicAbtusLDscGKBdKknmuishSwRsM
nd über die Struktur der Welt und die sicherheitspoliti-che Ordnung viel aussagen wird. Der Bundesaußenmi-ister, der heute nicht hier sein kann, hat oft auf die Risi-en hingewiesen, die mit einer militärischen Aktion, mitinem Krieg im Irak verbunden sind. Das respektiereh; darüber habe ich viel nachgedacht.
ber ich muss Ihnen sagen: Denken Sie bitte auch darü-er nach, was damit verbunden ist, wenn wir gar nichtsn, wenn wir die 18., 19. und 20. Resolution verab-chieden und weitere zwölf Jahre im Irak nichts passiert.assen Sie uns auch über diesen Fall diskutieren, meineamen und Herren.
Anfang der 90er-Jahre – die Außenpolitiker werdenich erinnern – haben wir in Europa eine leidenschaftli-he Diskussion darüber geführt, dass Hans-Dietrichenscher und die Bundesregierung damals dafür waren,roatien diplomatische Beziehungen anzubieten. Derundesaußenminister sagt in diesen Tagen oft: Passt auf,ass es in diesem Raum, im Irak, um den Irak und inurdistan, nicht zu einer Balkanisierung kommt.
Meine Damen und Herren, damals wurde gesagt: Wieönnt ihr diplomatische Beziehungen zu Kroatien auf-ehmen? Das wird zu einer Zersplitterung und nicht zuehr Frieden führen. Vor dem Kosovo-Krieg haben wirns gefragt, welche Risiken damit verbunden sind. Dast doch vollkommen klar. Trotzdem hat sich im Nach-inein erwiesen, dass diese Region weit entfernt ist vontabilität; aber sie ist immerhin stabiler, als sie es früherar, und Menschenrechtsverletzungen finden in diesemaum auch nicht statt.Über genau dieselben Fragen haben wir jetzt zu ent-cheiden und wir kommen an vielen Stellen zu andereneinungen als Sie. Das ist doch legitim.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2735
)
)
Dr. Angela MerkelWir kommen zu dieser Meinung, genau wie der Bundes-außenminister, im Blick auf die Zukunft des Iran, imBlick auf die Stabilität der Region und der Länder umden Irak herum, die erkennbar unter dem Diktator Hus-sein leiden. Es stellt sich auch die Frage, wie Länder wieSaudi-Arabien und Jordanien in der Lage sind, Terroris-mus zu bekämpfen, wenn sie von einem MachtmonopolIrak umzingelt werden.
Und es stellt sich die Frage, wie die Sicherheit Israelsmit einem erstarkenden Irak und einem erstarkendenIran zu gewährleisten ist. All diese Fragen treiben unsgemeinsam um. Diese Fragen haben wir zu beantwortenund sie sind mit einem einfachen Nein und mit Nichtstunmit Sicherheit nicht zu beantworten.
Es stellt sich mir eine zweite Frage, die für mich ge-nauso wichtig ist. Wir haben jetzt die Blockade des UN-Sicherheitsrates erlebt. So etwas muss für die Zukunftverhindert werden.
Aber wir sagen – und wir alle in diesem Hause sagendas –: Das Gewaltmonopol muss bei der UNO liegen.
– Meine Damen und Herren, ganz ruhig. – Aber die mili-tärische Drohkulisse kann und wird auf absehbare Zeitvon der UNO nicht aufgebaut werden, sondern sie wirddurch Nationalstaaten erzeugt werden.Kommen wir noch zu den Fragen: Wie sieht es denndamit aus, mit deutschen, französischen und anderen Fä-higkeiten einen wirklichen Beitrag zu einer solchenDrohkulisse zu leisten? Was können wir denn schaffen,wenn es um etwas geht?
Deshalb heißt unsere Schlussfolgerung angesichts derLage und bedauerlicherweise: Es ist ein ziemliches De-saster, in dem wir uns befinden. Angesichts dieser Situa-tion haben wir gesagt: Wir unterstützen als letzte Chancedes Friedens das Ultimatum, das dem Diktator SaddamHussein gestellt ist.
Es wäre gut – und ich sage das jetzt mit voller Leiden-schaft –, wenn Sie sich wenigstens in diesen 48 Stundendazu aufraffen könnten, gemeinsam mit uns dieses Ulti-matum zu unterstützen und die letzte Chance zu nutzen,den Krieg im Irak wirklich zu verhindern.FddfDlAwdUtdNmss–rtNDGDMUvhFDa
Weil die Frage, wie es mit dem Irak weitergeht, einerage von zukunftsträchtiger Bedeutung ist, bin ich froh,ass der Bundeskanzler sich heute stark für eine Säuleer deutschen Außenpolitik ausgesprochen hat, nämlichür die Integration Europas und für die politische Union.
ass sie durch das, was in den letzten Wochen vorgefal-en ist, nicht einfacher geworden ist, liegt auf der Hand.ber wir, meine Damen und Herren, werden genausoeiterarbeiten, wie wir es bis jetzt getan haben:
urch eine Unterstützung der Konventsarbeit, durch dienterstützung der Arbeiten an einem Verfassungsver-rag. Wir werden für eine ausbalancierte Politik sorgen,ie Deutschlands Rolle auch im Hinblick auf alle seineachbarn wirklich gerecht wird.
Herr Bundeskanzler, ich habe Ihre Bemerkung zu denittel- und osteuropäischen Ländern nicht ganz ver-tanden. Ich weiß nicht, was Sie meinten. Meinten Sie,ie seien noch nicht ganz erwachsen?
Er hat sich ein bisschen kryptisch ausgedrückt. – Ichate dazu, dass wir diese Länder ernst nehmen. Wir soll-en unseren Nachbarn Polen genauso ernst wie unserenachbarn Frankreich nehmen. Damit fahren wir gut.
ie Europäische Union darf niemals ein Eliteklub ihrerründungsländer werden.
ie politische Union wird uns nur gelingen, wenn alleitgliedstaaten gleichermaßen akzeptiert und in diesenion einbezogen werden.
Meine Damen und Herren, in diesen Tagen hört manon Ihnen in Bezug auf die transatlantischen Bezie-ungen immer: Das sind unsere Freunde und Partner.reundschaft beruht immer auf Gegenseitigkeit.
as müssen die Amerikaner lernen, aber das müssenuch die Deutschen beherzigen. Ich kann Ihnen dazu nur
Metadaten/Kopzeile:
2736 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dr. Angela Merkelsagen: Wenn schon der Besuch eines Oppositionsführersin Amerika inzwischen zum Gegenstand von wirklichabsurden Bemerkungen der Regierungsfraktionen ge-worden ist,
dann stellen Sie sich selber in die Ecke, meine Damenund Herren. Man wundert sich außerhalb Deutschlandsüber Sie.
Herr Bundeskanzler, Sie haben heute kein Wort dazugesagt, dass eine Achse Paris–Berlin–Moskau und einAngebot russischer Politiker, Deutschland Sicherheits-beistand leisten zu können, nicht das sind, was uns in dieZukunft führt. Dazu muss man doch ein Wort sagen. Soetwas wird jetzt in deutschen Zeitungen geschrieben undbleibt hier völlig unwidersprochen. Für uns sind dastransatlantische Verhältnis und die NATO der Sicher-heitsverbund; darauf setzen wir und das wollen wir vor-anbringen.
Frau Sager, es ist doch vollkommen richtig, dass HerrSchäuble darauf hingewiesen hat, dass sich nach dem11. September die Lage verändert habe, dass es eineneue Sicherheitsarchitektur geben werde,
dass es neue Bedrohungen geben werde und dass wir aufdiese völlig anderen Bedrohungen anders antwortenmüssten.
Weil dies wahr ist, habe ich auch mit Interesse das Inter-view des Bundesaußenministers in der „FAZ“ vomMontag gelesen, in dem er sagt:Die militärische Überlegenheit Amerikas ist nichtdas Ergebnis eines großen strategischen Master-plans finsterer Kräfte zur Beherrschung der Welt,sondern eine Tatsache, die sich aus dem Gang derGeschichte ergeben hat. Insofern geht es nicht da-rum, hier eine antiamerikanische Stimmung zu ver-breiten, wenn ich sage, dass auch wir Europäer aufdiesem Sektor stärker werden müssen …
Wir müssen unsere militärische Kraft verstärken,um auch in diesem Sektor als Faktor ernst genom-men zu werden.
Meine Damen und Herren, hier sind wir richtig dabei.DdmdPaSHEJNEdntSSarFtFdknafn–dhmVasVSs
Deshalb kann ich nur sagen: Machen wir es dannoch wenigstens so wie Frankreich. Frankreich hat sei-en Wehretat um 6 Prozent erhöht. Die französische Ver-eidigungsministerin läuft freudig umher. Herr Struck,ie träumen von so etwas.
ich damit, militärisch stark sein zu wollen, zu brüsten,ber nichts dafür zu tun, ist das, was diese Bundesregie-ung auszeichnet. Wort und Tat stimmen auf keinemeld überein.
Deshalb ist dieser Haushalt kein Haushalt der Stabili-ät, sondern ein Haushalt der Stagnation und er ist einearce hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit. Am Endeieses Jahres wird nichts stimmen, aber – um das gleichlar zu stellen – es wird nicht wegen des Irakkriegesicht stimmen, sondern weil all Ihre Wirtschaftsdatenuf weniger als Sand gebaut sind, weil sie zum Teil er-unden, erhofft oder erträumt sind, aber mit der Realitätichts zu tun haben.
Herr Müntefering, Sie sprachen von Innovationenich bin doch dabei –, aber schauen Sie bitte einmal aufie Investitionen, die notwendig sind, damit es über-aupt Innovationen geben kann. Die Fluthilfe war ein-alig und nächstes Jahr fehlen auch die Erlöse aus demerkauf der UMTS-Lizenzen. Dann sieht es ganz trübeus.Schauen Sie sich einmal an, was bei den Wissen-chaftsorganisationen los ist. Jetzt haben Sie wieder einersprechen auf das nächste Jahr verschoben. Meinenie, dass Ihnen in Deutschland noch irgendeine Wissen-chaftsorganisation ein Versprechen für das nächste Jahr
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2737
)
)
Dr. Angela Merkelabnehmen wird? Ihr Problem ist, dass Ihnen in Deutsch-land innenpolitisch überhaupt kein Mensch mehr ir-gendein Wort glaubt.
weil sie nach langem Ringen überhaupt noch ein biss-chen bekommen hat. Soll ich Ihnen sagen, was sie be-kommen hat? Sie hat das bekommen, was Sie vorigesJahr versprochen haben und was die DFG bereits ausge-geben hat.
Die Max-Planck-Gesellschaft hat zum Teil noch über-haupt nichts ausgegeben und sitzt da wie Neese. Wennsich in Deutschland herumspricht, dass man auf nichtshoffen kann, werden noch mehr Wissenschaftler wegge-hen. Sie wissen das viel besser, wenn Sie allein in IhremKämmerchen sind.
Der gesamte Wissenschaftshaushalt ist ein einziges Be-trübnis.
Herr Müntefering, er hat mit Innovation leider wenig zutun.
Zu den Kommunen. Herr Müntefering hat heute dieKatze aus dem Sack gelassen und gesagt: Na klar, dieSchwachen bekommen nichts, aber die Starken bekom-men etwas, denn sie können noch Kredite aufnehmen.Da habe ich wieder etwas dazugelernt, nämlich dass dieneue sozialdemokratische Politik offensichtlich die Poli-tik ist, die Starken stärker zu machen und die Schwachenschwächer zu machen. Das ist etwas ganz Neues. Wenndas zu Ihrem Prinzip wird, müssen wir uns mehr für dieSchwachen einsetzen.
Tatsache ist, dass Herr Eichel eine Steuerreform imJahre 2000 gemacht hat. Damals hatten Sie Angst vordem Vermittlungsausschuss und haben sich die Mehrheitmehr oder weniger erkauft.
Diese Steuerreform hat fatale Folgen. Dann haben Sieden Kommunen noch die Gewerbesteuerumlage weg-gewimmdüiStgCNsnzHgbslwDbwdWcbWsmu
Ich wundere mich, dass Sie es nach dem Gegackeres Wochenendes im Blätterwald
berhaupt noch wagen, uns wegen kleiner Unterschieden zwei Parteien überhaupt anzusprechen.
chauen Sie doch lieber, dass Sie Ihre eigenen Mehrhei-en zusammenbekommen.Worin liegt der Unterschied? Das kann ich Ihnen ganzenau sagen. Im Gegensatz zu Ihnen haben CDU undSU ein Modell für den Kündigungsschutz vorgelegt.
ach diesem Modell haben Arbeitnehmer bei Neuein-tellung die Möglichkeit, zwischen zwei Optionen, ei-em normalen Kündigungsschutz oder einer Abfindung,u wählen.
err Clement hat dieses Modell verworfen, obwohl erenau weiß, dass es richtig ist; denn es versetzt den Ar-eitgeber in die Lage, bereits bei der Einstellung Rechts-icherheit darüber zu haben, wie es bei einer Kündigungaufen wird. Deshalb werden wir dieses Modell aucheiterhin vertreten.
arüber hinaus hat die CSU zusätzlich einen Vorschlagezüglich einer Mittelstandskomponente gemacht. Jetztarten wir ab, welcher von Ihren drei Vorschlägen aufen Tisch kommt.
ir haben – da brauchen Sie sich keine Sorgen zu ma-hen – noch weiter gehende Vorschläge, die Deutschlandesser tun würden als Ihre.
enn Ihre Vorschläge einigermaßen verträglich seinollten, dann werden wir ihnen zustimmen. Aber ich ver-ute, dass Sie noch lange Zeit damit zubringen werden,m sich zu einigen, was Sie überhaupt wollen.
Metadaten/Kopzeile:
2738 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dr. Angela MerkelHerr Müntefering, da Sie ständig wiederholen, wiekonkret Sie geworden sind,
muss ich Sie darauf hinweisen, dass der Bundeskanzlerdas, was er uns über die Zusammenlegung von Arbeits-losen- und Sozialhilfe gesagt hat, schon seit drei Jahrenverkündet. Aber wie immer liegt die Tücke im Detail.Sollen zum Beispiel die Jobcenter bei der Kommune an-gesiedelt sein? Wenn ja, welche zusätzlichen Aufgabensoll dann die Bundesanstalt für Arbeit bekommen? UnserVorschlag lautet, den Kommunen mehr Geld zu geben,weil wir der Meinung sind, dass über die Vermittlungortsnah entschieden werden muss. Es kann nicht sein,dass diejenigen, die gut zu vermitteln sind, zur Bundes-anstalt für Arbeit kommen und diejenigen, die schlechtzu vermitteln sind, bei den armen Kommunen verblei-ben. Auf all diese Fragen habe ich von Ihnen noch keineeinzige Antwort bekommen. Herr Gerster, die Kommu-nen und Sie in der Fraktion sind in diesen Fragen zerstrit-ten und können uns deswegen nichts Konkretes sagen.Wir warten darauf, dass Sie uns endlich etwas vorle-gen, was über allgemeine Bekundungen hinausgeht. Siewerden es nicht schaffen – das sage ich Ihnen voraus –,die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen,ohne die Fragen zur Gemeindefinanzreform zu klären.Doch davon sind Sie weit entfernt. Sie sind so weit wieam Anfang der ganzen Diskussion. Wir aber wollen auchhier Ergebnisse sehen.
Der Bundeskanzler hat einige richtige Maßnamenvor; das ist keine Frage. Diese hat er allerdings nur des-halb vorgelegt, weil er am Freitag nach Brüssel muss.Brüssel hat ihm nämlich Daumenschrauben angelegt:Wenn Anfang Mai nicht Konzepte auf dem Tisch liegen,wie Deutschland den Stabilitätspakt auch nur ansatz-weise erfüllen will, dann wird Deutschland schwereStrafen zu erwarten haben. Weil Sie, Herr Bundeskanz-ler, dort rapportieren müssen, haben Sie endlich die Be-richte der OECD und der Bundesbank in die Hand ge-nommen und das getan, von dem wir seit Tag und Jahrwissen, dass es in Deutschland getan werden muss, je-denfalls ansatzweise. Das ist die Wahrheit. Ohne diesenDruck hätten Sie gar nichts gemacht.
Aber, Herr Bundeskanzler, Sie müssen zugeben:Wenn Sie in Ihrem Kämmerlein sitzen und darüber nach-denken, was Deutschland wirklich braucht, dann mussdoch auch Ihnen klar werden, dass die Agenda 2010angesichts der Aufgaben, die vor uns liegen, allenfallseinen kleinen Prolog bekommen hat, der bis zum Julidieses Jahres reicht, aber doch niemals mit Maßnahmenaufgefüllt wurde, die bis zum Jahr 2010 reichen.Das Problem, das Sie haben, ist – das wird in denkommenden Wochen noch deutlicher werden –: Sie kön-nen den Menschen nicht sagen, wohin die Reise geht.IdfdSbdsuzvdon–uwHtdMmdAbdbS
ch möchte in diesem Zusammenhang Goethe zitieren,er gesagt hat: Die Teile habt ihr in der Hand, allein esehlt das einig Band. – Sie haben keine Vorstellung voner Welt in dieser Zeit.
ie sind eine Partei, die im Industriezeitalter stecken ge-lieben ist und die in Verbänden, Schichten und Klassenenkt. Sie haben nicht die Kraft, den Menschen in die-em Lande wirklich etwas zuzutrauen. Das unterscheidetns. Das wird sich auch in den kommenden Monateneigen.Herzlichen Dank.
Es liegen zwei Wünsche nach einer Kurzintervention
or. Zunächst erhält der Fraktionsvorsitzende der Sozial-
emokraten, Franz Müntefering, und danach der Abge-
rdnete Ludger Volmer das Wort. Frau Merkel, Sie kön-
en dann im Zusammenhang darauf antworten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Worterteilung
nd die Beurteilung, ob sie korrekt wahrgenommen
ird, ist immer noch Sache des Präsidiums.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Frau Merkel, Sie haben mich an einer bestimm-en Stelle angesprochen. Darauf möchte ich eingehen,enn ich habe mich ein wenig gewundert.
Diese Stunde, die Diskussion des Kanzleretats amittwochmorgen, ist immer die große Zeit des Parla-ents. Das Parlament nimmt sein Recht wahr, die Bun-esregierung zu kontrollieren. Das ist eine besondereufgabe der Opposition.
Ich habe vorhin mit Interesse erfahren, dass Sie nichtereit waren, vor dem Bundeskanzler zu sprechen undie Regierungspolitik zu kritisieren. Sie haben darum ge-eten, dass der Bundeskanzler als Erster spricht, damitie antworten können. Das haben wir akzeptiert,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2739
)
)
Franz Münteferingweil wir uns vorstellen konnten, dass Sie ein Interessedaran haben, auch auf die außenpolitische Situation ein-zugehen.
Ich muss Ihnen aber sagen: Das, was Sie hier abgelie-fert haben, war keine Antwort, es war eine vorbereiteteFrechheit und nichts anderes.
– Es tut mir Leid für Sie.Sie behaupten, wir hätten durch unsere Politik dazubeigetragen, dass der Krieg im Irak wahrscheinlicherwird.
Ich sage Ihnen: Halten Sie an der Stelle ein!
Zerstören Sie nicht all das, was in diesem Land unterDemokraten miteinander gewachsen ist. Halten Sie ein!
Deshalb war Ihre Bitte, nach dem Kanzler zu reden,feige und die Art und Weise, wie Sie uns angegangensind, frech.
Ich habe mich aber nicht um meinetwillen gemeldet.Die deutsche Geschichte zeigt, dass die Sozialdemokra-ten, seitdem es sie gibt, dazu beigetragen haben, dassFrieden in diesem Land und darüber hinaus herrschte.An Krieg und ähnlichen Dingen waren wir nie beteiligt.So etwas haben wir auch nie mit ausgelöst. Diese ge-schichtliche Tatsache merken Sie sich einmal!
Ich habe mich gemeldet, weil Sie durch die Art undWeise, mit der Sie hier agierten, Millionen Menschen indiesem Land beschimpft haben.
Es geht um die Menschen, die in den vergangenen Tagenunterwegs waren – und immer noch unterwegs sind –,um zu demonstrieren – Junge und Alte – und um uns Po-litikern zu sagen, dass sie Angst haben und dass wir da-für sorgen sollen, dass es diesen Krieg nicht gibt. Darumbemühen wir uns. Sie beschimpfen auch all diejenigen,die sich in diesen Tagen auf den Weg gemacht und unsauhuGWdhIisKAPRfghdwssdAdsmmDAAmümd
Solange es in Zukunft Menschen gibt, wird es auchewalt auf der Welt geben. Es wird in einer verändertenelt immer komplizierter und schwieriger werden, mitieser Gewalt klarzukommen. Ich sage Ihnen: Wir ste-en vor einer großen Herausforderung, die am Beispielrak exemplarisch zu diskutieren und nachzuvollziehent. Der Bundeskanzler, diese Bundesregierung und dieseoalition werden mit ihrem Bemühen, bis zum letztenugenblick dafür zu kämpfen und zu streiten, dass dasroblem Irak friedlich gelöst werden kann, historischecht behalten. Dafür stehen die Sozialdemokraten, da-ür steht diese Koalition.
Sehr geehrte Frau Merkel, ich wollte Ihnen vorhinerne eine Zwischenfrage stellen. Da Sie sie abgelehntaben, muss ich Sie nun in einer Kurzintervention mitem konfrontieren, was Sie gestern Abend gesagt haben.Sie haben viel über das geredet, was Sie getan hätten,ären Sie an der Regierung gewesen. Ich will darüberprechen, was Sie tun, während Sie in der Oppositionind. Sie haben gestern Abend erklärt, Sie unterstütztenas Ultimatum von Präsident Bush.
uf Nachfrage von Journalisten – das ist zum Beispiel iner heutigen Ausgabe der „Berliner Zeitung“ nachzule-en – haben Sie gesagt: „Wenn wir uns hinter das Ulti-atum stellen, dann impliziert das alle Folgen, die sichit dem Ultimatum ergeben …“Folge eins: Die Inspektoren sind abgezogen worden.amit ist die erfolgs- und hoffnungsträchtige friedlichebrüstungsmission gescheitert.
uch für diese Folge müssen Sie die Konsequenzenittragen.Folge zwei: Just in diesem Moment geht die Meldungber die Ticker, dass amerikanische Truppen in die ent-ilitarisierte Zone im Irak eingerückt sind. Das heißt,er Krieg beginnt in dieser Minute. Sie, Frau Merkel,
Metadaten/Kopzeile:
2740 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dr. Ludger Volmerverantworten mit Ihrer Äußerung von gestern Abenddiese fatale Entwicklung mit.
Frau Merkel, wenn heute oder morgen Nacht dergrößte militärische Erstschlag der Kriegsgeschichte ver-übt wird, dann mögen die 3 000 Waffen, die dort einge-setzt werden, noch so zielgenau sein und mancherSchlag noch so chirurgisch präzise sein. Es wird Tau-sende von Toten und Zehntausende von Verletzten sowieMillionen von Flüchtlingen geben. Diese Konsequenzen,Frau Merkel, implizieren Sie mit.
Dazu hätte ich mir von Ihnen eine klare Haltung ge-wünscht.Ich sage Ihnen: Ich wundere mich über den Stim-mungswechsel in der Union. Zwei Jahre zuvor, imFrühjahr 2001, hatten wir in den Ausschüssen eine De-batte darüber – hören Sie gut zu –, ob nicht das Embargogegenüber dem Irak aufgehoben werden müsse. DieseDebatte wurde von der CDU/CSU mit der Begründungangemahnt, der Irak sei doch gar nicht mehr gefährlichund von ihm gehe keine Gefahr mehr für den Weltfrie-den aus.
Die Bundesregierung – das war teilweise meineRolle – hat damals erklärt: Wir müssen über die Aufhe-bung der Sanktionen reden, aber bitte vergessen Sienicht, dass der Irak Potenziale zur Herstellung von Mas-senvernichtungswaffen besitzt, die unschädlich gemachtwerden müssen.
Herr Kollege Volmer, Ihnen stehen für eine Kurzinter-
vention nur drei Minuten Redezeit zur Verfügung. Diese
sind jetzt vorbei.
Sorry!
Frau Merkel, Ihre Politik ist inkonsistent. Wie Sie
versuchen, Ihre inneren Widersprüche – Herr Glos hat
heute Morgen erklärt, er verstehe die Politik von Herrn
Bush nicht – zu kaschieren, indem Sie diese Bundesre-
gierung angreifen, ist schändlich.
Herr Kollege Volmer, ich muss Sie jetzt bitten aufzu-
hören.
Sie betreiben ein schändliches Spiel mit all denjeni-
gen, die eine friedliche Lösung suchen.
s
s
w
–
M
M
p
K
D
i
r
k
m
n
g
m
L
w
I
l
e
m
–
P
m
a
D
f
Herr Müntefering, ich weiß nicht, ob wir uns in die-em Hause mit Kindererziehungsmethoden beschäftigenollten. Ich nenne nur die Stichworte „Kulleraugen“ – dasar Freitag – und „frech“ von heute.
Wofür soll ich mich denn entschuldigen? Herrüntefering hat diese Äußerungen gemacht.Erstens. Ich möchte Sie nur daran erinnern, Herrüntefering, dass uns der Bundeskanzler der Bundesre-ublik Deutschland in einer seiner letzten Reden als dieoalition der Kriegswilligen bezeichnet hat.
ies war eine nicht zu überbietende Äußerung, von derch noch heute sage, dass sie völlig daneben und unge-echtfertigt war. Genau dazu äußern wir uns und dasönnen Sie uns nicht verbieten. Das ist in diesem Parla-ent immer noch möglich.
Zweitens möchte ich, damit hier keine Missverständ-isse bei den Menschen, die uns zuschauen, entstehen, sa-en: Ich habe 35 Jahre lang in einem Land gelebt, in deman nicht demonstrieren durfte. Deshalb werde ich dieetzte sein, die nicht respektiert, dass Menschen für das,as sie für richtig halten, in diesem Land demonstrieren.
ch freue mich darüber, dass das möglich ist. Trotzdem er-aube ich mir, ab und zu eine andere Meinung zu haben.
Drittens. Herr Volmer,
s ist fatal: Die Bundesregierung hat die Resolution 1441it verabschiedet.
Die Bundesregierung hat sie auf dem NATO-Gipfel inrag ausdrücklich unterstützt, obwohl Deutschland da-als noch nicht im UN-Sicherheitsrat war. Damit gilt siels politisch mit getragen durch die Bundesregierung.as wissen Sie doch auch. Stellen Sie es hier nicht in-rage!
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2741
)
)
Wie auch immer die Diskussionen im Jahr 2000 ge-wesen waren: Irgendetwas muss alle in diesem Hausdazu veranlasst haben, zu sagen, dass der Irak unverzüg-lich und als letzte Chance abzurüsten hat, weil ihm an-sonsten „serious consequences“, ernsthafte Konsequen-zen, drohen. Das haben Sie und wir unterstützt. Dabeisollten wir auch am heutigen Tag bleiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte jetzt
doch ein paar Worte sagen. Jeder merkt, dieses Thema
ist für alle Seiten sehr aufwühlend. Ich finde aber, wir
müssen unter uns – das sage ich an alle Seiten gerichtet –
klarstellen, dass der Krieg nicht in diesem Raum stattfin-
det, auch nicht in Worten.
Wir müssen auch morgen wieder zusammenarbeiten. Ich
bitte, daran auch in Zukunft zu denken.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch sagen: In ei-
ner wirklich sinnvollen Regelung, die historische Ursa-
chen hat, hat man festgelegt, dass die Leitung der Sitzun-
gen nicht kritisiert werden darf. Es finden permanent
Eingriffe statt. Ich kann Ihnen versichern: Ich kenne die
Geschäftsordnung ziemlich gut und ich weiß, was ich
darf und was nicht. Ich weiß auch, dass Kurzinterventio-
nen drei Minuten dauern dürfen. Diese Zeit einzuhalten
ist wirklich die leichteste Übung. Diese können Sie mir
überlassen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gerhard
Rübenkönig.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte FrauMerkel, das, was Sie heute von sich gegeben haben, be-stätigt genau das, was Sie in der „Washington Post“schon vor einigen Wochen gesagt haben. Sie haben demKanzler unterstellt, er habe Sie als Koalition der Kriegs-willigen bezeichnet. Nach Ihrem heutigen Redebeitragund Ihrem gestrigen Interview muss ich feststellen, dassder Kanzler damit völlig richtig liegt. Ich unterstütze vondieser Stelle aus die Position der Bundesregierung undder sie tragenden Koalition.Die Initiativen und die Aktivitäten für den Frieden imIrak gehen weiter. Wir geben die Hoffnung nicht auf, ob-wfIueKuwVWEHsSasegsgBDvdstrubdu2sldasuBmLPLkdi
edingung dafür ist natürlich auch – Ihr Zwischenrufacht es ganz deutlich –, dass die CDU/CSU-regiertenänder dem Steuervergünstigungsabbaugesetz in einigenassagen zustimmen, damit wir die Kommunen und dieänder, was vorhin angedeutet worden ist, besser stellenönnen.
Ich glaube, dass Sie nicht in der Lage sind, die erfor-erlichen Maßnahmen zu beschließen. Frau Präsidentin,ch darf ganz kurz einen Ausschnitt mit der Überschrift
Metadaten/Kopzeile:
2742 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Gerhard Rübenkönig„CDU/CSU – Zänkische Schwestern“ aus dem „Han-delsblatt“ von gestern zitieren, der das deutlich macht:Für die Union neigt sich die bequeme Zeit des blo-ßen Neinsagens dem Ende zu. Seit der Kanzler mitdem Mut der Verzweiflung die Pläne zum Umbaudes Sozialstaats in ungewöhnlicher Genauigkeit– hören Sie genau zu –skizziert hat, müssen CDU/CSU ihrerseits Farbebekennen. Kaum aber wird es bei den Konservati-ven konkret, kracht es auch schon mächtig im Ge-bälk. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel unter-breitet Alternativen, aber diese werden vom CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber verworfen.Das ist genau der Punkt, der immer wieder deutlichwird: dass wir bereit sind, einen Rahmen zu schaffen, indem sich die Wachstumskräfte wieder entfalten können.Ich denke allerdings, dass wir alle bereit sein müssen,diesen Rahmen auszufüllen, damit unser Land wiedernach vorne gebracht wird.In diesem Zusammenhang ist es notwendig, dass So-zialstaat und wirtschaftliche Leistungskraft immer wie-der aufs Neue austariert werden. Das ist die Aufgabe,vor der wir stehen und der wir uns stellen müssen. Dabeiverbieten sich radikale Lösungen, wie sie derzeit täglichin vielen Zeitungen von neoliberalen Kommentatorenund auch von einigen von Ihnen angeboten werden. Sokönnen wir den Staat sicherlich nicht reformieren.
Wir wollen keine andere Gesellschaft in Deutschland.Wir wollen keine Gesellschaft des Hire and Fire, keineEntsolidarisierung und Ausgrenzung und keinen schwa-chen Staat.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Maßnahmen, dieder Kanzler in der Regierungserklärung mit der Agenda2010 vorgestellt hat, die Deutschland voranbringen wer-den und deren Grundgedanken ich nochmals kurz dar-stellen möchte, setzen zu Recht an beiden Seiten an. DieStrukturreformen auf der Angebotsseite werden ihrepositive Wirkung mittelfristig entfalten. Kurzfristig wer-den die Nachfrageimpulse über die Stärkung kommuna-ler Investitionen bereits in diesem Jahr positiv wirken.Eines steht unverändert fest: Ohne Strukturreformenverpufft jeder Nachfrageimpuls. Ohne konjunkturpoliti-sches Gegensteuern laufen die Reformen ins Leere. Des-wegen verbessern wir die Investitionsbedingungen fürdie Kommunen und investieren mehr in die Forschung.Wir reformieren den Arbeitsmarkt über das Hartz-Kon-zept hinaus und senken dadurch die Lohnnebenkostenmaßgeblich. Dieses Wachstums- und Beschäftigungs-konzept ist in sich schlüssig und in die Zukunft gerichtet.Die Agenda 2010 wird zu mehr Investitionen führen.Die Bundesregierung und die sie tragende Koalition stel-len die Gemeinden bereits in diesem Jahr um bis zu2 Milliarden Euro besser. Im Interesse der Kommunenbad1ddGmsnlamrsleIhdRgsfmsdsCSuzgalMMgzb–Sd1lKdln
Die Agenda 2010 wird auch zu mehr Beschäftigung füh-en. Wir werden die Rahmenbedingungen für den Mittel-tand deutlich verbessern und das Arbeitsrecht an den Stel-n flexibilisieren, an denen sich im Laufe der Jahre – inhrer Regierungszeit! – Beschäftigungshemmnisse gebildetaben. Eingeführt werden der gleitende Kündigungsschutz,as Optionswahlrecht, die Sozialauswahl und verbesserteegelungen für Existenzgründer. Durch diese Neuregelun-en wird die psychologische Hemmschwelle bei Neuein-tellungen unseres Erachtens deutlich vermindert.Gleichzeitig wird aber auch die Handwerksordnunglexibilisiert. Auch dabei sind Sie gefordert, meine Da-en und Herren. Denn bei diesem Konzept handelt esich nicht um eine Sackgasse; vielmehr wird es zu einereutlichen Zunahme der Existenzgründungen und Be-chäftigungsverhältnisse führen.
Darüber hinaus erhalten Langzeitarbeitslose besserehancen, wieder Arbeit zu finden. Arbeitslosenhilfe undozialhilfe werden zusammengelegt, um Zuständigkeitnd Leistungen aus einer Hand sicherzustellen. Gleich-eitig werden Langzeitarbeitslosen, die eine Beschäfti-ung aufnehmen, für eine bestimmte Zeit deutlich mehrls die bisherigen 15 Prozent der Transferleistungen be-assen. Wir setzen damit ein deutliches Signal für dieenschen in unserer Gesellschaft, die länger als zwölfonate arbeitslos sind.Die Agenda 2010 entlastet vor allen Dingen diejeni-en, die mit ihrer Leistung in stärkerem Maße unser so-iales System erhalten. Die Menschen, die in den Betrie-en und in den Büros ihre Arbeit tun, erwarten, dass wir auch Sie fordern das ja ständig – die Belastung durchteuern und Abgaben senken. Wir werden wie geplantie Steuern zum 1. Januar 2004 und noch einmal zum. Januar 2005 senken.
Zu unseren Maßnahmen zur Erneuerung der sozia-en Sicherungssysteme: Wir erwarten von der Rürup-ommission ergänzende Vorschläge für eine Anpassunger Rentenformel. Wir werden, wie es der Bundeskanz-er angekündigt hat, versuchen, durch Umsetzung ord-ungs- und strukturpolitischer Maßnahmen die Kranken-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2743
)
)
Gerhard Rübenkönigversicherungsbeiträge auf unter 13 Prozent zu drücken.Des Weiteren werden wir die Bezugsdauer des Arbeits-losengeldes für die unter 55-Jährigen auf zwölf Monateund für die über 55-Jährigen auf 18 Monate begrenzen.Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Dies fällt uns So-zialdemokraten sicherlich nicht leicht. Aber es gibt keineandere Alternative. Deshalb ist unsere Entscheidungrichtig. Ich denke, wir werden das auch umsetzen.
Die Agenda 2010 eröffnet Perspektiven für eine bes-sere Zukunft. Aus diesem Grund investieren wir inBildung und Forschung, in Kinderbetreuung, in Ganz-tagsschulen, in neue Technologien wie zum Beispiel denTransrapid und in die Grundlagenforschung deutlichmehr als Sie während Ihrer Regierungszeit. Deshalb set-zen wir in der gegenwärtig schwierigen wirtschaftlichenSituation ein Zeichen und erhöhen im kommenden Jahrdie Etats der Max-Planck-Gesellschaft und anderer For-schungseinrichtungen um 3 Prozent. Deshalb fördernwir auch – lassen Sie mich darauf kurz zurückkommen –solche notwendigen Technologien wie den Transrapidmit 2,3 Milliarden Euro. Dies ist kein Unsinnsprojekt,wie Sie es gestern formuliert haben, Herr Austermann,und wie auch Ihr ehemaliger Zukunftsminister ständigbehauptet hat. Wir stehen dazu. Wir brauchen solcheneuen Technologien; denn wir sind der Meinung, dass soein dringend notwendiger Ruck durch den Wirtschafts-standort Deutschland geht.
Lassen Sie mich abschließend Folgendes feststellen:Wir halten an den Zielen fest, bis 2006 einen ausgegli-chenen Haushalt vorzulegen und die Maastricht-Krite-rien zu beachten, auch wenn der Weg – das sage ich sehrdeutlich – schwieriger geworden ist und auch wenn dasnur bei strikter Ausgabendisziplin und einer wirtschaftli-chen Erholung zu meistern ist. Wir haben uns vorgenom-men, das Land zu modernisieren, die ZukunftsfähigkeitDeutschlands zu stärken sowie die Politik der Gerechtig-keit und der Solidarität voranzutreiben. Mit der Agenda2010 und der Konsolidierung des Bundeshaushalts sor-gen wir für mehr Investitionen im Bereich der Kommu-nen, der Wirtschaft und der privaten Haushalte. Wirschaffen damit die Voraussetzungen für mehr Beschäfti-gung, Wachstum und soziale Sicherheit in Deutschland.Der Bundeshaushalt 2003 trägt diesen Zielen Rech-nung. Daher stimmen wir dem Einzelplan 04 wie auchdem Gesamthaushalt zu.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich habe noch einen Ordnungsruf zu erteilen. Herr
Kollege Ramsauer hat in Bezug auf die Fraktionsvorsit-
z
e
I
d
S
–
–
z
s
f
B
H
A
g
D
L
t
s
v
a
z
r
p
T
w
t
l
ü
V
r
ch rufe Sie dafür zur Ordnung.
Außerdem rufe ich Sie dafür zur Ordnung, dass Sie
er amtierenden Präsidentin gestern „Feigheit“ in der
itzungsleitung vorgeworfen haben.
: Das ist
richtig! – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]:
Darf ich mich dazu äußern? – Gegenruf des
Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie
werden gleich rausgetragen, Herr Ramsauer!)
Nein, Sie dürfen sich zu Ordnungsrufen nicht äußern.
Herr Kollege Ramsauer, wenn ich Sie das dritte Mal
ur Ordnung rufe, dann müssen Sie diese Sitzung verlas-
en. Sie wissen, dass es da einen berühmten Präzedenz-
all gibt.
itte, lassen Sie das!
Jetzt hat der Kollege Kampeter das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Nach dem Vortrag des Kollegen Rübenkönig zurgenda 2010 muss man klar machen, dass dieses Pro-ramm auch „4711“ heißen könnte.
ieses Programm ist ohne jedwede Perspektive für unserand und es enthält keine tief greifende wirtschaftspoli-ische Analyse. Die Quintessenz der Agenda 2010 wirdein, dass man den Haushaltsansatz um 1 Million Euroerändert hat. Soll das ein Zukunftsprogramm mit Blickuf das Jahr 2010 sein? Das ist eher lächerlich als über-eugend.
Der Haushaltsentwurf der rot-grünen Bundesregie-ung ist letztlich ein Dokument wirtschafts- und finanz-olitischer Hilflosigkeit. Die Fakten liegen auf demisch. Der Sachverständigenrat, die Bundesbank, dieissenschaftlichen Forschungsinstitute und der Interna-ionale Währungsfonds, sie alle glauben, dass Deutsch-and vor drei zentralen Herausforderungen steht:Erstens. Unser Land hat eine tiefe Konjunkturkrise zuberwinden. Die Binnenkonjunktur liegt am Boden.om Export gehen leichte Impulse aus. Die Bundesregie-ung setzt im Wesentlichen darauf, dass die amerikanische
Metadaten/Kopzeile:
2744 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Steffen KampeterVolkswirtschaft zur Lokomotive wird. Während dieseBundesregierung im außenpolitischen Bereich gegen dieAmerikaner arbeitet, setzt sie im wirtschaftspolitischenBereich Hoffnung auf sie.Zweitens: die Überwindung der hartnäckigen Struk-turkrisen. Die Strukturkrisen treffen uns insbesondereauf dem verkrusteten Arbeitsmarkt. Man kann sie aberauch im überbordenden Steuersystem identifizieren.
Drittens – diese Herausforderung wird diese Bundes-regierung mit der Agenda 2010 wahrscheinlich nicht be-wältigen –: die Überwindung einer vielschichtigen, tiefgreifenden Vertrauenskrise in unserem Land.
Derzeit ist die Vertrauenskrise das Kernübel in der Bun-desrepublik. Den Verbraucherinnen und Verbrauchernfehlt es an Vertrauen; denn sie trauen den staatlichenEntscheidungsträgern nicht mehr und sie haben ange-sichts von 5 Millionen Arbeitslosen Sorge um ihrenArbeitsplatz. Sie verweigern sich dem Konsum. AlsAusdruck dieser enormen Vertrauenskrise steigt dieSparquote.Die Unternehmen reagieren auf diese Vertrauenskrisedadurch, dass sie Investitionen zurückstellen. Die Anle-ger bekommen diese Vertrauenskrise dadurch zu spüren,dass der DAX im internationalen Vergleich sehr vielstärker als die Aktienindizes der übrigen europäischenVolkswirtschaften zurückgegangen ist.
Auch unsere sozialen Sicherungssysteme, insbeson-dere das Rentensystem, spüren diese Vertrauenskrise;denn keiner glaubt, dass dieses soziale Sicherungssystemnoch in der Lage ist, Jüngeren dauerhaft Alterseinkünftezu sichern.Die Hauptursache für die vielfältige Vertrauenskrisein Deutschland hat gewissermaßen ein Gesicht: dieseBundesregierung. Die falsche Politik von Rot-Grünmuss daher beendet werden.
Um Deutschland wieder nach vorne zu bringen – da-rüber diskutieren wir in dieser Woche –, ist es nötig, dievor uns liegenden Aufgaben entschlossen anzugehen.Leitlinie und Kompass der Union bleiben dabei die so-ziale Marktwirtschaft für das 21. Jahrhundert. MehrWettbewerb und weniger Bevormundung, das muss dasLeitmotiv aller Reformschritte der nächsten Wochen,Monate und Jahre sein. Mehr Eigenverantwortung undweniger Bürokratie, daran müssen sich alle Gesetz-gebungsvorhaben, die uns aus der Krise herausführensollen, messen lassen.Im Hinblick auf das, was der Kollege Münteferingund der Kollege Rübenkönig heute hier vorgetragen ha-ben, muss man feststellen, dass alle von Rot-Grün ge-planten Maßnahmen die Vertrauenskrise in DeutschlandesBmlasutrSDdteKMdwVwdDmSDNeDdnhFtefdvnVlieePuesss
as Gegenteil ist richtig.
iedrigere Steuersätze werden unseren Staatshaushalther konsolidieren, weil sie wachstumsförderlich sind.eswegen ist die Behauptung des Kollegen Müntefering,ass dieses Steuersatzerhöhungsprogramm den Kommu-en hilft, irreführend. Das ist eine Täuschung. Das darfier nicht unwidersprochen bleiben.Ebenso wenig darf unwidersprochen bleiben, dass dieorschungsinvestitionen in Deutschland auf einem gu-n Weg sind. Der Kollege Müntefering hat hier ange-ührt, dass Innovationen gesichert werden sollen undass es darum geht, soziale Gerechtigkeit auf hohem Ni-eau zu gewährleisten. Ich glaube nicht, dass Innovatio-en das Ziel haben, soziale Gerechtigkeit zu garantieren.ielmehr sollen sie wirtschaftliche Entwicklungsmög-chkeiten schaffen. Vor diesem Hintergrund ist es schoninigermaßen erstaunlich, dass die großen Forschungs-inrichtungen in Deutschland – ich nenne die Max-lanck-Institute, ich nenne die Fraunhofer-Gesellschaftnd ich nenne die Deutsche Forschungsgemeinschaft –ntgegen der Zusage der Bundesregierung nicht die zu-ätzlichen Mittel bekommen, die sie für ihre Arbeit anich benötigen. Das ist ein Schlag gegen den For-chungsstandort Deutschland
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2745
)
)
Steffen Kampeterund das ist eine Aufforderung an die Wissenschaftlerin-nen und Wissenschaftler, dieses Land, das sich nichtmehr um seine Forscherinnen und Forscher kümmert,endlich zu verlassen. Das ist ein Signal, das von diesemHaushalt ausgeht. Das ist ein wesentlicher Grund dafür,dass wir den Haushalt ablehnen werden.
Das gilt auch für die hier bereits angesprochenenStrohfeuerprogramme mit Zinsvergünstigungen für denBaubereich. Wir sind in der Bundesrepublik Deutsch-land derzeit in einer Niedrigzinsphase. Investitionenwerden durch Zinssubventionen nicht in dem Maß geför-dert, wie das vielleicht bei den alten Beschäftigungspro-grammen von Rot-Grün noch der Fall war. Diese Stroh-feuerprogramme sind so angelegt, glaube ich, dass esnoch nicht einmal ein Strohfeuer geben wird. Die Pro-gramme werden verpuffen. Sie werden der Bauwirt-schaft keinen wesentlichen Impuls geben. Was wir fürdie Bauwirtschaft brauchen, ist eine Veränderung dersteuerlichen Rahmenbedingungen, die es wieder attrak-tiv machen, im Baubereich zu investieren. Dazu hat dieRegierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Kraft.
Noch nicht einmal das, für das sich die Regierungselbst rühmt, klappt, nämlich das Verkaufen. Liebe Kol-leginnen und Kollegen, wir lesen in der Zeitung vonheute, dass der Regierungssprecher schwer angeschla-gen ist, weil die Berliner Staatsanwaltschaft ein Ermitt-lungsverfahren wegen Unterschlagung und anderer De-likte gegen ihn eingeleitet hat.
Ich wüßte nicht, dass es in der Geschichte der Bundesre-publik Deutschland einen Regierungssprecher gegebenhat, der sich einer solchen Herausforderung gegenüber-gesehen hat.
Mit jedem Tag, an dem der Bundeskanzler weiter duldet,dass ein so Beschuldigter für die Regierung spricht – dasmag ein Markenzeichen für schlechte Politik sein –,
übernimmt er mehr an Verantwortung für das, was derGrund für die Anklage ist, die offensichtlich vorbereitetwird. Deshalb fordert die CDU/CSU-Bundestagsfraktionin der Debatte über den Etat des Kanzleramts die Entlas-sung des Regierungssprechers durch den Bundeskanzler.
Herr Kollege Müntefering, auch wenn Sie glauben,im Augenblick der Parlamentsdebatte nicht folgen zumüssen,smisteDIWFÖ„DmbNgwDsIskmsgbgsksndlierrIds
age ich Ihnen: Im Kern geht es darum, ob die sozialde-okratische Bundestagsfraktion bereit und in der Laget, sich der Herausforderung einer gemeinwohlorientier-n Politik in Deutschland zu stellen.Es gibt in diesem Zusammenhang eine sehr intensiveiskussion darüber, ob der Staat nicht Opfer organisierternteressen ist. Es gibt einige Hinweise darauf, dass es fürachstum und Beschäftigung schädlich ist, wenn sichraktionen zu sehr bestimmten Partikularinteressen öffnen.
Es gibt zum Beispiel eine Analyse eines bekanntenkonomen, von Mancur Olson, der das unter dem TitelAufstieg und Niedergang von Nationen“ belegt hat.iejenigen, die sich nur den Interessengruppen wid-en und ausschließlich deren Interessen im Gesetzge-ungsverfahren einzubringen versuchen, wirken beimiedergang von Nationen mit.
Die starke Verflechtung einer bestimmten Interessen-ruppe mit Ihrer Bundestagsfraktion ist, glaube ich, eineesentliche Wachstumsbremse in der Bundesrepublikeutschland. Das muss hier vor dem Forum der deut-chen Öffentlichkeit deutlich ausgesprochen werden.
Wir sind sehr dafür, die Kompetenz von Verbänden odernstitutionen einzubeziehen. Aber man muss, wenn es Vor-chläge gibt – wir haben ja in der Bundesrepublik kein Er-enntnis-, sondern ein Handlungsdefizit –, auch handeln.Ich will am Beispiel des Papieres der Bundesbank ein-al aufzeigen, in welche falsche Richtung Ihre wirt-chaftspolitischen Rezepte zum gegenwärtigen Zeitpunktehen. Die Bundesbank ist deswegen unverdächtig, eineesondere Nähe zu den wirtschaftspolitischen Vorstellun-en der Opposition zu haben, weil an ihrer Spitze ein ge-tandener Sozialdemokrat steht. Sie genießt in der Bevöl-erung ein hohes Maß an Vertrauen. Die Vorschläge, dieie vor wenigen Tagen unterbreitet hat, lassen an Klarheitichts vermissen: Die Bundesbank fordert eine Konsoli-ierung auf der Ausgabenseite, insbesondere beim staat-chen Konsum, weil sich dies in der Vergangenheit als amrfolgreichsten für die Erreichung der Maastricht-Krite-ien erwiesen hat. Das Gegenteil macht diese Bundes-egierung: Der staatliche Konsum wird erhöht und dienvestitionen werden gesenkt. Die Vorschläge der Bun-esbank finden keine Berücksichtigung. Das schadet un-erem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Metadaten/Kopzeile:
2746 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Steffen KampeterDie Bundesbank fordert, dass die gesamtwirtschaft-lichen Annahmen einer Konsolidierungsstrategie vorsich-tig gesetzt werden. Zu optimistische Prognosen entspre-chen nicht einem verlässlichen und vertrauensbildendenKonsolidierungskurs. Die Wahrheit aber ist, dass dieseBundesregierung das Wirtschaftswachstum in Deutsch-land beharrlich zu hoch angibt und die Arbeitslosigkeitzu niedrig einschätzt. Vor diesem Hintergrund schadet diePolitik der Bundesregierung einem dauerhaften Konsoli-dierungserfolg in Deutschland.
Schließlich fordert die Bundesbank die Einbettungvon Konsolidierungsmaßnahmen in erforderliche struk-turelle Reformen, um die gesamtwirtschaftlichen Wachs-tumsperspektiven zu verbessern. Die Wahrheit bei dieserBundesregierung aber ist – das ist uns seit der angeb-lichen Ruckrede vom Freitag klar –, dass es hier nichtum richtige Reformen, sondern lediglich um Reförm-chen geht. Die Reformen werden nicht entschlossen an-gegangen. Keine der notwendigen Strukturreformen,beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt, wird vorangetrie-ben. Lediglich in Teilbereichen werden Rezepte angebo-ten. Es schadet unserem Land, dass der Ratschlag derBundesbank auch in dieser Frage nicht entsprechend be-rücksichtigt wird und die Beschreibung von Problemenals Ersatz für Handeln dient.
Dies gilt leider auch für die Stabilität der gemeinsa-men Währung, die wir von der CDU/CSU-Bundestags-fraktion durch die Politik der Bundesregierung eher ge-fährdet als gefördert sehen. In Maastricht haben sich diePartner des Euroraumes gegenseitig versprochen, dieStabilität der gemeinsamen Währung durch Haushalts-disziplin zu sichern. Dem deutschen Finanzminister stehtzwar zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Wasser bis zumHals; aber er setzt sich nicht für die Einhaltung desMaastricht-Vertrages ein. Seine Bekenntnisse am gestri-gen Tag waren windelweich. Der deutsche Finanzminis-ter wird zum Weichmacher der europäischen Währung.Das ist gegen das deutsche Interesse. Deswegen werdenwir diese Politik nicht weiter unterstützen.
Im Verlauf dieser Debatte ist auch einiges zur Privati-sierung in Deutschland gesagt worden. Vor wenigen Ta-gen hat die Deutsche Telekom einen Jahresverlust be-kannt gegeben, der mit 24,8 Milliarden Euro höher istals die Nettokreditaufnahme des Bundes. Die Bundes-regierung sitzt im Aufsichtsrat dieses Unternehmens.Wir werden im Verlauf der nächsten Wochen und Mo-nate sehr genaue Auskunft darüber verlangen, ob sie ihreEigentümerposition im Interesse der Steuerzahlerinnenund Steuerzahler so wahrgenommen hat, dass vom deut-schen Steuerzahler Schaden abgewendet wird. Denn wirmüssen aus unserem Beteiligungsbesitz bei der Telekomund den Postunternehmen die Postpensionskassen finan-zieren. Der Beteiligungsbesitz liegt durch die miese Poli-tik der Bundesregierung
dinwBdsDWshzmdIuVdmgrdfWstMMptdm
Wenn in diesem Zusammenhang auch noch immerieder Diskussionen darüber aufkommen, dass großeanken schlechte Kredite mit Staatsgarantien absichern,ann ist das angesichts eines Pleitenrekordes im Mittel-tand nur noch zynisch zu nennen. Diese Politik schadeteutschland. Wir werden sie in umfassender Art undeise ablehnen.Bei den anstehenden Reformarbeiten wird es ent-cheidend darauf ankommen, dass die Grundzusammen-änge erkennbar bleiben. Es ist dem Sachverständigenratur Begutachtung der wirtschaftlichen Lage zuzustim-en, wenn er in seinem letzten Jahresgutachten schreibt,ass das Kurieren an den Symptomen nicht weiterhilft.ch zitiere:Notwendig ist vielmehr eine schonungslose Dia-gnose, denn nur auf ihr lässt sich eine langfristig orien-tierte, ganzheitliche Therapie aufbauen. Nur durchgrundlegende Strukturreformen kann Deutschlandfür die zunehmenden Herausforderungen des welt-weiten Wettbewerbs... angemessen gerüstet werden.Entscheidend ist, Risikobereitschaft, Leistungswillennd Eigenverantwortlichkeit zu stärken. Die gerechteerteilung der Anpassungslasten ist für die Akzeptanzer Reformen zwar ebenfalls wichtig, aber die Prioritätuss bei Förderung von Wettbewerb und Wachstum lie-en. In diesem Sinne werden wir die Politik der Bundes-egierung weiterhin kritisch verfolgen.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Pau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wiriskutieren seit gestern über den Bundeshaushalt. Ichinde, wir muten uns und unseren Nerven einiges zu.ährend wir über Haushaltsposten und Einzelplänetreiten, läuft außerhalb dieses Hauses die Uhr in Rich-ung Krieg. Es ist ein Krieg, den Hunderte Millionenenschen ablehnen, ein Krieg, der Hunderttausendeenschen treffen wird.Die PDS im Bundestag hat gestern den Bundestags-räsidenten ersucht, eine Sondersitzung des Bundes-ages zu diesem Thema einzuberufen. Herr Thierse hatas mit Verweis auf die Geschäftsordnung abgelehnt, zu-al der Bundestag ja sowieso tage. Das tut er, allerdings
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2747
)
)
Petra Paunicht ausdrücklich zu diesem bedrückenden Thema. In-sofern war ich froh, als heute Morgen mit dem Beitragdes Bundeskanzlers die Debatte eine andere Wendung zunehmen schien. Allerdings hat sich das, wenn ich anmeine letzten zwei Vorredner denke, schon wieder erle-digt.
Herr Merz von der CDU hatte seiner Rede gesternähnliche Gedanken vorangestellt. Der Unterschied istnur: CDU/CSU könnten kraft Fraktionsstatus eine solcheDebatte auf die Tagesordnung setzen lassen. Die PDS imBundestag kann das nicht.
Dass die CDC/CSU-Fraktion das nicht getan hat, ent-larvt die Worte von gestern als pure Polemik.
Dabei steht die gesamte Haushaltsdebatte unterKriegsvorbehalt. Denn die Kriegskosten, die Kriegslas-ten und die Kriegsverluste werden auch uns heimsuchen.Das wäre übrigens ein Grund mehr – wenn auch nichtder wichtigste –, vehement gegen den drohenden Kriegzu sein.Der Bundeskanzler hat wiederholt, dass er, die Bun-desregierung und die rot-grüne Koalition einen Krieg ge-gen den Irak weiter ablehnen. Das unterstützen wir aus-drücklich und nicht nur im Bundestag.Deshalb möchte ich Klartext reden: Beginnen dieUSA, wie angekündigt, einen Feldzug gegen den Irak,dann wäre das Völkerrechtsbruch, Massenmord, jaStaatsterrorismus. Umso erregter höre ich heute vonFrau Merkel, dass sie und ihre CDU diesen Kurs derUSA-Führung unterstützen, und zwar mit allen denkba-ren Folgen. Es tut mir Leid, ich stelle mir die Frage: SindSie wirklich von allen guten Geistern verlassen?
Mit diesem Kurs werden Sie, Frau Merkel, und wird dieUnion der Bundesrepublik ein Fall für das Bundes-verfassungsgericht. Denn mit diesen Äußerungen – dahat die SPD Recht – ist die CDU/CSU Teil der Allianzder Kriegswilligen. Ich möchte auch sagen – FrauMerkel hat ja vorhin auf ihre Biografie angespielt –: Daskönnen Sie unmöglich in der DDR gelernt haben.
Wir haben den Bundestagspräsidenten im Übrigennicht um die Debatte gebeten, um einmal so über Kriegoder Nichtkrieg zu reden, und auch nicht, um eineaußenpolitische Debatte anzuregen, sondern wir habendarauf verwiesen, dass wir spätestens mit Kriegsbeginnein gravierendes innenpolitisches Problem haben wer-den.uAggwhHAKvlsBwIgGsvAaSwARHNRBwFhkBWIIstidn
ch stimme also der vom Bundeskanzler heute vorgetra-enen Deutung ausdrücklich nicht zu.Genau bei dieser Frage liegt die Messlatte für dierünen. Sie beklagen die Ohnmacht, die uns alle ange-ichts der Unbeirrbarkeit der US-Führung befällt. Daserstehe ich sehr gut; das geht sehr vielen Menschen so.ber bitte: Nutzen Sie wenigstens die Macht, die Ihnenls Regierungspartei anheim gestellt wurde! Verhindernie, dass Deutschland durch die Hintertür mitschuldigird! Sie würden sonst selbst mitschuldig.
lles Recht der Welt stünde auf Ihrer Seite; denn keinecht und kein Vertrag zwingt die Bundesrepublik, zumelfershelfer zu werden. Sie waren bisher standhaft.un wagen Sie auch den Folgeschritt!
Ich habe heute das Argument gehört, wir hättenechte und Pflichten als NATO-Partner. Richtig! Auchelgien als NATO-Partner hat Rechte und Pflichten undar trotzdem gestern in der Lage, die Häfen für die US-lottille zu sperren.
Nun noch ein Wort an die CSU. Ich habe in Debattenier schon mehrfach gesagt, dass ich zwölf gute Gründeenne, ja nicht CSU zu wählen, und dass der 13. Grundeckstein heißt. Bayerns Innenminister hat bereits vorochen gewarnt – nicht vor einem Krieg gegen denrak, sondern davor, dass Kriegsflüchtlinge aus demrak die deutschen Lande erreichen könnten. Sie sollten,o Beckstein, „menschenwürdig in der Kriegsregion un-ergebracht werden“. Heute lese ich, dass er außerdemrakische Bürger, welche auf dem Gebiet Bayerns leben,urch den Staatsschutz überwachen lassen will. Ich weißicht, was ein solcher Zyniker im Beichtstuhl erzählt.
Metadaten/Kopzeile:
2748 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Petra PauAber ich weiß: Als Politiker und Minister ist er einekreuzgefährliche Fehlbesetzung.
Wir können jetzt gern über den Haushalt, auch überden Kanzlerhaushalt weiter debattieren. Die USA unddie Allianz der Kriegswilligen verschieben derweil diegesamte Weltarchitektur. Stabiler wird sie dadurch nicht,auch nicht gerechter und demokratischer – im Gegenteil.Danke.
Das Wort hat jetzt die Staatsministerin Christina
Weiss.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sicherkönnte man mit einer zackigen Handbewegung die Frageparieren, ob einem in dem Moment, da der Krieg in dieWelt zieht, der Sinn nach Kultur steht. Doch diese Gestewäre zu einfach; denn Kultur ist auch in Krisenzeitenkein Luxusgut,
sondern eine essenzielle Verständigung über die gemein-samen Werte des Zusammenlebens der Völker. Daraufmüssen wir pochen.
Wir haben gesehen, dass es gerade die kreativen unddie kreativsten Köpfe waren, die dem Frieden laut undvernehmbar das Wort redeten. Die diesjährige Berlinalegeriet zu einem manifesten Auftritt der Neinsager. Ame-rikanische Schauspielerinnen und Schauspieler wieSusan Sarandon, Martin Sheen, Dustin Hoffman oderGeorge Clooney haben gemeinsam mit den deutschenKollegen ihre Stimme erhoben. Das ist nicht folgenlosfür sie geblieben. Sie wollten Anstoß geben, Anstoß,darüber nachzudenken, ob die Sprache der Waffen wirk-lich die letzte aller Verständigungsmöglichkeiten seinmuss.Künstlerinnen und Künstler haben uns alle zur Kom-munikation aufgerufen, weil sie selbst etwas davon ver-stehen. Der menschliche Geist wäre findig genug, Eska-lationen zu verhindern. Der Umgang mit Kunst ist einhervorragendes Wahrnehmungstraining, um zu neuenund ungewöhnlichen Lösungen zu gelangen, um aus al-ten Denkmustern auszubrechen.Das gilt auch für die Haushaltspolitik, um die es heutegeht. Wir stehen vor einem gewaltigen Umbau unsererKulturlandschaft. Wir brauchen auch hier Mut zur Ver-änderung. Da wir nicht zulassen wollen, dass am Endeallein die Verwaltung überlebt, die Kunst aber wegge-sstdlgzzcasDdKznDeTen–IbdnEDwdcdMn
Der Bund unterstützt daher jene Reformprojekte, diearauf angelegt sind, die kulturelle Arbeit wirkungsvol-er und einfacher zu machen. Der Bund selbst wird mitutem Beispiel vorangehen und Reformfreude zum Prin-ip erheben. Ich erinnere an die bevorstehende Novelleum Filmförderungsgesetz und an den neuen gesetzli-hen Rahmen für die Deutsche Welle. Daran werden wirrbeiten.Dass es uns mit tragfähigen Reformen ernst ist, lässtich am besten an der Rettungsaktion zugunsten deseutschen Musikrates ablesen, der längst als Kultur-inosaurier verschrieen war.
lare, flache Strukturen, ein gutes kaufmännisches Kon-ept und effiziente Kontrolle haben dem Musikrat eineeue Perspektive gegeben und die Projekte gerettet.
Es hat sich schon herumgesprochen, dass es derruck des Bundes war, der die Berliner Opernstiftungrmöglichte. Zehn Jahre nach Schließung des Schiller-heaters, in denen nicht viel passierte, kann nun zumrsten Mal davon die Rede sein, dass die Berliner Büh-en an Haupt und Gliedern reformiert werden.
Das hat sehr wohl etwas mit dem Haushalt zu tun. –ch habe diesen Prozess durch Moderation vorangetrie-en. Wir haben dem Land Berlin verdeutlicht, dass wirie Probleme nicht durch einfaches Abkaufen lösen kön-en, sondern nur dann Geld einsetzen können, wenn hierigenverantwortung übernommen wird.
er neue Hauptstadtkulturvertrag
ird Innovationen fördern, Reformen unterstützen unden gesamtstaatlichen Aufgaben Rechnung tragen.Meine Damen und Herren, wenn ich davon gespro-hen habe, dass man in schwierigen Zeiten besonders inie Köpfe investieren muss, dann gilt das in besonderemaße für die neuen Bundesländer. Bei meiner Reiseach Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2749
)
)Staatsministerin Dr. Christina WeissThüringen konnte ich mich davon überzeugen, welcheBedeutung kulturelle Hilfe für die Identität der Städte hat,welche Hoffnung die Kultur den Menschen gibt und wassich damit bewegen lässt. Das Programm „Kultur inden neuen Ländern“ gehört zu den Leuchttürmen einerBundespolitik, die die deutsche Einheit beim Wort nimmt.Neben den Fördermaßnahmen des Solidarpak-tes II unddem Investitionsförderungsgesetz werden in diesem Jahr23 Millionen Euro in die neuen Länder fließen.
Die „FAZ“ schreibt über die Wirkung dieses Pro-gramms:Ein anderes Bild vom Osten Deutschlands scheinthier auf, ein selbstbewusstes und vor allem der ei-genen Kraft zu Veränderungen bewusstes, das dieallbekannten Katastrophenberichte aus der meck-lenburgischen Provinz wohltuend konterkariert.Weiter heißt es, dass die Kulturmillionen „hier sehr gutund vor allem auf Dauer angelegt sind“. Das sind12,5 Prozent mehr, als es ursprünglich im Finanzplan-ansatz vorgesehen war. Das ist ein Erfolg in schwierigerHaushaltszeit. Wir alle sollten gemeinsam dafür kämp-fen, dieses wichtige, Hoffnung machende Programm inden nächsten Jahren zu verstetigen.
Der Kulturetat der Bundesregierung zeigt aber auch,dass wir uns zum Gedenkstättenkonzept zur Erinne-rung an die beiden deutschen Diktaturen bekennen. DerAnsatz aus dem Vorjahr konnte um 10,4 Prozent auf ins-gesamt 8,5 Millionen Euro erhöht werden.
Hier zeigt sich, dass diese Regierung aufrecht und wach-sam mit der Erinnerung an die nationalsozialistischeSchreckensherrschaft und mit der Chronik der SED-Ver-brechen umgeht.
Wir sind nach wie vor bereit, den großartigen Entwurfdes Schweizer Architekten Peter Zumthor für die„Topographie des Terrors“ in Berlin zu unterstützen.
Es bleibt dabei: Der Bund wird bis zu 50 Prozent der ge-deckelten Gesamtkosten übernehmen. Wir hoffen sehr,dass der Berliner Senat endlich die notwendigen Voraus-setzungen für den zügigen Weiterbau schafft.Ich unterstütze an dieser Stelle auch noch einmal aus-drücklich den Vorschlag des Bundespräsidenten, in derMitte Berlins eine Gedenkstätte für die Menschen einzu-richten, die während der Zeit des Nationalsozialismusunter Einsatz ihres eigenen Lebens Verfolgten geholfenund Menschen gerettet haben.
fkzzibzdmgmorRmkPwdgesBamggEntKC
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat jetzt der Kollege Günter Nooke von derDU/CSU-Fraktion.
Metadaten/Kopzeile:
2750 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnenund Kollegen! Ich will zu Ihrer Vorbemerkung zu denKünstlern bei der „Berlinale“ nur festhalten: Es wärenatürlich gut gewesen, wenn die Menschen bei ihrerMeinung bleiben, egal, wo auf der Welt sie ihren Filmverkaufen, weil so etwas manchmal auch Gefühle gegen-über Amerika weckt und der Eindruck entsteht, als sei esdoch mehr Mittel zum Zweck als in der Sache begründetgewesen.
Insofern würde ich das nicht ganz so positiv sehen. Lei-der war das nicht ganz eindeutig; ich hätte es mir andersgewünscht.
Ich möchte zum Haushalt reden und noch einmal dasProblem deutlich machen, dass wir es hier mit Haus-haltsansätzen für Kultur und Medien zu tun haben, zudenen ich bei der Erstellung des Haushalts schon gesagthabe: Sie lassen vermuten, dass sie deshalb so schlechtsind, weil der bisherige Amtsinhaber nicht mehr anwe-send war und die zukünftige Amtsinhaberin noch nichtvoll im Amt stand. Die miserablen Zahlen, die wir jetzthaben, lassen leider die Vermutung zu, dass die persönli-che Anwesenheit der Staatsministerin eher einen nochnegativeren Einfluss gehabt hat; denn leider hat sich inden vergangenen Monaten an den Zahlen nichts zumGuten verändert. Ganz im Gegenteil, mittlerweile musssogar der Eindruck entstehen, dass hier eher noch abge-baut wurde.Um es sehr konkret darzustellen: Der Entwurf vomSommer sah noch einen Mittelrückgang um rund24 Millionen Euro vor. Das ist vielleicht – wie schon imvergangenen Jahr – nicht ganz zufällig die Summe, diefür die neu gegründete Kulturstiftung des Bundes zurVerfügung steht. Der neue Entwurf hingegen sieht eineKürzung um weitere 12 Millionen Euro vor. Das ist einereale Kürzung von über 4 Prozent bei unverändert lau-fendem Betrieb. Jetzt stehen für die Kultur weniger Mit-tel zur Verfügung, obwohl ein größeres Engagement desBundes – zum Beispiel bei den Stätten des Weltkultur-erbes und in Berlin – angekündigt war. Unter den vielenSachverhalten des Koalitionsvertrages ist dies einer derwenigen Punkte, deren Nichteinlösen auch bei der Op-position auf Kritik stößt.Doch das eigentlich Anstößige ist nicht die überpro-portionale Kürzung bei der Kultur; viel schlimmer istaus unserer Sicht der plan- und ziellose Umgang mit denMitteln, die Ihnen zur Verfügung stehen, Frau Staats-ministerin. Ich belege dies anhand zweier Beispiele ausjüngster Geschichte in Berlin, die sich auch auf das be-ziehen, was Sie gerade ausgeführt haben.Erstens. Für die kulturelle Nutzung des „Palastesder Republik“ werde man selbstverständlich keine öf-fentlichen Gelder ausgeben. So schreibt es auch die Ex-p1fsMwafmtezwaKmWwDfvdDscdasWdddtrbZdwsügailseaispmvGsmh
ie Bundesregierung hat diesen Beschluss zügig umzu-etzen und sich nicht Gedanken über Probleme zu ma-hen, die es eigentlich gar nicht geben dürfte.Zweitens. So verständlich und richtig das Anliegener Sinti und Roma ist, ein Mahnmal zum Gedenkenn ihre Opfer der nationalsozialistischen Terrorherr-chaft zu errichten, so grundverkehrt ist auch hier dereg zu dessen Realisierung. Berlin schafft Fakten, in-em es ein Grundstück zur Verfügung stellt, und diktiertem Bund mit dem Hinweis auf dessen originäre Zustän-igkeit 2 Millionen Euro Baukosten plus jährliche Be-iebskosten in Höhe von 300 000 Euro ins Ausgaben-uch. Nun beteiligt sich mit ihrer Zustimmung zu dieserumutung auch die Staatministerin für Kultur und Me-ien, Frau Weiss, an der Aktion: wohl zuständig, aberie in der letzten Zeit immer öfter plan- und ziellos. Be-onders schwer wiegt nämlich, dass der Entscheidungber dieses neue Mahnmal kein Gesamtkonzept zu-runde liegt. Völlig ungewiss ist nach wie vor, wie dernderen Opfergruppen gedacht werden soll.Exakt dies ist das Problem, das die beiden Beispielelustrieren, auch wenn man es als Kulturpolitiker in die-em Hause nicht gern sagt: Mehr noch als an Geld fehlts an seriöser und zukunftsfähiger Planung; mehr nochls an Geld mangelt es an belastbaren Konzepten. Diest besonders in einer Haushaltsdebatte eine ziemlich de-rimierende Erkenntnis. Der erste Schritt hätte hier seinüssen, dass die Bundesregierung endlich ein Konzeptorlegt, aus dem ihre Vorstellungen für die Zukunft deredenkstätten hervorgehen. Das ist bis heute nicht ge-chehen, auch in Ihren Ausführungen nicht, Frau Staats-inisterin. Bei dem, was Sie zum Zumthor-Bau gesagtaben, habe ich eher herausgehört, dass es wahrscheinlich
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2751
)
)
Günter Nookebilliger wäre, die Baustelle komplett zu schließen unddas Geld, das sie an jedem Tag kostet, zu sparen.Dabei müsste die Gedenkstätten- und Erinnerungs-kultur längst ein wichtiges Thema für uns sein. Hierhabe ich immer die konstruktive Mitarbeit der CDU/CSU-Fraktion angeboten. Zum Beispiel ist jetzt die Ge-denkstätte „Mittelbau Dora“ in den Haushalt eingestellt.Die Gedenkstätte in allen Ehren, aber warum wird sieplötzlich vom Bund finanziert? Welches Kriterium giltfür den Mittelbau Dora, das für Bautzen nicht gilt?Ich meine damit auch Folgendes: Der Bund muss sichnicht nur der NS-Zeit, sondern auch der SED-Diktaturannehmen.
Die von Ihnen angesprochenen Themen haben dies wie-der deutlich gemacht. Es darf nicht der Eindruck entste-hen, die NS-Zeit sei für die Koalition geschichtspolitischwichtig und deshalb eine Angelegenheit des Bundes,während die SED-Zeit nicht Teil gesamtdeutscher Ge-schichte sei und daher bei den neuen Bundesländern an-gesiedelt bleiben könne. Deutschland hat bei dem ThemaDiktaturgeschichte eine größere Verantwortung, aber ichwill jetzt gar nicht die Summen, die wir im Zusammen-hang mit der „Topographie des Terrors“ diskutieren unddie wir für die Normannenstraße oder für Hohenschön-hausen bräuchten, gegenüberstellen.Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit eine konkreteFrage zum Haushalt 2003 stellen: Wo ist eigentlich derHaushaltsansatz für die anstehenden Feierlichkeiten an-lässlich des besonderen Gedenkens zum 50. Jahrestag desVolksaufstandes vom 17. Juni? Ich sehe nichts. Auch daszeigt, wie einseitig Sie Ihre Gedenkstättenpolitik betreiben.
Nun noch ein Wort zum FDP-Antrag, in dem es umdie Mittel für die Kultur in den neuen Ländern geht.Das haben Sie dankenswerterweise angesprochen. Ichstimme mit Ihnen überein, dass manches Geld, das dortausgegeben wurde, vielleicht sinnvoller war als so man-che Wirtschaftsförderung in Gewerbegebieten, die nichtgenutzt werden. Insofern lautet meine Frage: Warumsprechen Sie davon, dass dafür Gelder zur Verfügungstehen, wenn der Etat um 10 Millionen Euro gekürztworden ist? Den Mut, ihren eigenen Antrag auf Auf-stockung der Mittel auch im Haushaltsausschuss zu stel-len, den jetzt die FDP gestellt hat, hatten die Kollegenvon der Koalition nicht. Das ist politisch furchtbar un-glaubwürdig und für die Förderung der Kultur in denneuen Ländern einfach furchtbar. Wir haben jetzt dieChance, es gemeinsam besser zu machen. Meine sehrverehrten Damen und Herren von der Koalition, nutzenSie die einmalige Chance, diesem Antrag mit uns undder FDP gemeinsam zuzustimmen und damit etwas fürdie Kulturförderung in den neuen Ländern zu tun.Zum Schluss: Die Verunsicherung bei den Kultur-schaffenden ist groß und wächst mit diesem Haushaltleider auch weiter. Erst steht die Spendenabzugsfähigkeitzur Disposition, dann der ermäßigte Mehrwertsteuersatz.Mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz, dessen TitelühgKdtmvGtsbgwhjkbdshSKtdbduuSwimws
enn Sie nicht bereit sind, darauf einzugehen. Es könnteelfen, eklatante Fehlentscheidungen, wie sie hier auchetzt wieder getroffen wurden, zu vermeiden, und esönnte mehr konzeptionelle Verlässlichkeit in die De-atte bringen.
Danke, dass Sie hier zumindest dafür gesorgt haben,ass wir heute über Kultur reden konnten, aber wir müs-en mehr daraus machen. Frau Staatsministerin, das wareute zu wenig.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Merkel von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Ich verstehe Kultur als Mit-el, Bindung und Verbindung zu schaffen. Ich glaube,ass das in der Situation, in der wir uns im Augenblickefinden, ein ganz wesentlicher Vorteil von Kultur ist,en wir auch weiterhin fördern müssen.Ich bin davon überzeugt, dass Kultur als Bindungnd Verbindung zwischen Menschen und Völkernnter der rot-grünen Regierung in Berlin eine erheblichetärkung erfahren hat,
eil die Kultur durch die Anbindung der Kulturpolitik Bundeskanzleramt an die höchste Stelle angegliederturde.Mit Frau Dr. Christina Weiss hat die bundesdeut-che Kulturlandschaft eine Streiterin und Mitstreiterin
Metadaten/Kopzeile:
2752 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Petra-Evelyne Merkelgewonnen. Ich freue mich, dass ich als neue Abgeord-nete mit Ihnen arbeiten kann, und bin sicher, dass derKulturbereich von Ihrer Energie, Feinsinnigkeit undDurchsetzungsfähigkeit profitieren wird.
Bindungen und Verbindungen brauchen wir in unse-rem Land und für unser Land. Hätten wir die Bundes-kulturstiftung, die erstmalig 1973 von Willy Brandt – dereine Anregung von Günter Grass aufnahm – vorgeschla-gen wurde, nicht Anfang 2002 gegründet, müssten wirsie jetzt erfinden. Ich weiß, Herr Kampeter war damalsüberhaupt nicht von der Idee begeistert, in der Zwi-schenzeit hat aber auch er damit Frieden geschlossen.Die Bundeskulturstiftung – auch als Dach für kleinereStiftungen gedacht – fördert sowohl national als auch in-ternational bedeutsame Vorhaben und wird durch unserenHaushalt eine Verdoppelung der Mittel, Herr Nooke, er-fahren, nämlich von 12,5 Millionen Euro auf 25,565 Mil-lionen Euro.
Die Bundesregierung und die rot-grüne Koalition habenhier einen Schwerpunkt gesetzt, und das trotz Haus-haltssanierung. Das betone ich besonders, da die Maß-nahmen zur Haushaltssanierung auch an diesem Haus-halt nicht vorbeigehen konnten.
Ein weiterer Schwerpunkt ist das Programm „Kul-tur in den neuen Ländern“. Wir konnten die Zielset-zung der Koalitionsvereinbarung zwar nicht vollständigerfüllen, aber es ist uns gelungen, 2,5 Millionen Euromehr einzustellen, als es im Regierungsentwurf vorgese-hen war. Dem Programm stehen vom Bund nun 23 Mil-lionen Euro zur Verfügung. Mit diesen Mitteln werdenüberregional bedeutende Kultureinrichtungen in denneuen Ländern und mit ihnen gefördert. Das bedeutet:Es wird die Infrastruktur verbessert. An dieser Stellekann ich deswegen schon sagen: Wir lehnen den Antragder FDP ab.Im Zusammenhang mit den neuen Ländern möchteich auf einen anderen Haushalt verweisen. Ein neueskulturelles Angebot in Mecklenburg-Vorpommern wirddurch den Haushalt des Ministeriums für Verkehr, Bau-,Wohnungswesen und Aufbau Ost von Manfred Stolpefinanziert, nämlich das Ozeaneum in Stralsund. Eswird zusammen mit dem Meereskundemuseum imNordosten unseres Landes die dort bereits vorhandeneAttraktivität steigern.
Die Aufgaben, die mit dem Kulturetat finanziert wer-den, sind vielfältig. Sie reichen vom Hauptstadtkultur-vertrag – er wird in diesem Jahr neu verhandelt werdenmüssen – über die Bonn-Vereinbarung, die gerade abge-schlossen ist, die Förderung von Musik und Literatur biszur Pflege von kulturellen Minderheiten und von Ge-dnS5dHaFzsFtdtsvZm–wTawbbalsdqaelhsdFDf9rdBBnma
Sie haben Recht: 300 000 Euro. 300 000 DM wäre zuenig.Ein anderes Weltkulturerbe liegt direkt vor unsererür. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz leistet unternderem den Wiederaufbau der Museumsinsel. Dortird es eine der größten Baustellen in der Bundesrepu-lik Deutschland geben, die sicherlich über längere Zeitestehen wird. Die Zuschüsse hierfür steigen weiterhinn. Ich kann Ihnen als Berliner Abgeordnete nur empfeh-en: Nehmen Sie sich, falls Sie die Museumsinsel nichtchon kennen, eine halbe Stunde Zeit, laufen Sie hinterem Reichstagsgebäude an der Spree entlang und über-ueren Sie die Friedrichstraße. Dann kommen Sie genauuf die Museumsinsel. Dort können Sie erkennen, welchin Schatz, welch ein Erbe der Bundesrepublik Deutsch-and im Augenblick mit handwerklichem Geschick ge-oben wird. Christina Weiss hat formuliert, es handeleich wahrlich um eine Aufgabe von nationalem Rang.
Viele von Ihnen waren dabei, als wir in Versailles dieeutsch-französische Freundschaft gefeiert haben. Diesereundschaft spiegelt sich ebenfalls im Kulturetat wieder.as Berlin-Brandenburgische Institut für deutsch-ranzösische Zusammenarbeit in Genshagen erhält00 000 Euro. Das sind 750 000 Euro mehr, als im Regie-ungsentwurf vorgesehen. Durch Sanierung und Umbaues Schlosses Genshagen wird gemeinsam mit dem Landrandenburg die Grundlage geschaffen, im Umfeld derundeshauptstadt ein deutsch-französisches Begeg-ungszentrum arbeitsfähig zu machen. Wichtig ist fürich – ich denke, das gilt auch für Sie –, dass mittelfristiguch Polen in die Kooperation einbezogen wird.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2753
)
)
Petra-Evelyne MerkelEine weitere herausragende Institution im Kultur-haushalt ist die Deutsche Welle, die den Auftrag hat, alsStimme Deutschlands in der Welt durch unabhängigenJournalismus und pluralistische ProgrammgestaltungKenntnisse über Deutschland zu verbreiten. Als Kultur-träger vermittelt die Deutsche Welle im AuslandDeutschland als Kulturnation und wirbt für die deutscheSprache. Dies ist außerordentlich wichtig, wenn man be-denkt, wie viele Menschen in autoritär und totalitär re-gierten Staaten leben, die ihren Bürgern das Recht aufPresse-, Informations- und Meinungsfreiheit verweigern.Die Deutsche Welle ist in diesen Ländern, insbesonderein Krisen- und Konfliktregionen, Garant für objektive,ungefilterte Information.Die Deutsche Welle war der erste Fernsehsender,der internationale Nachrichten nach Afghanistan brin-gen konnte. Seit August 2002 werden in den beidenLandessprachen Dari und Paschtu täglich zehn Minu-ten Weltnachrichten ausgestrahlt. Das Programm wirdvom Auswärtigen Amt finanziert. In diesem Jahr wirddie Deutsche Welle ein neues Haus beziehen, denSchürmann-Bau.Ich möchte jetzt von der Deutschen Welle, die fürDeutschland wirbt, zu den Internationalen Filmfest-spielen in Berlin kommen, die im Bundeshaushalt ver-ankert sind und ebenfalls für Deutschland werben. DieFilmförderung nimmt mit 10,7 Millionen Euro im kultu-rellen Teil und mit 4,7 Millionen Euro im wirtschaft-lichen Teil einen nicht unwesentlichen Platz ein. Mit die-sen insgesamt 15,4 Millionen Euro wird Unterstützungfür den Film geboten.Nach dem Umzug der Filmfestspiele an den Potsda-mer Platz ist Deutschland für die internationale Film-wirtschaft wieder interessanter geworden. Auch derdeutsche Film spielt wieder mit. Ich finde, der Kino-schlager „Good bye, Lenin!“ ist zu Recht ein Erfolg. DasGleiche gilt übrigens auch für den Leiter der Filmfest-spiele, Dieter Kosslick. Er hat ein sicheres Gespür fürdie Auswahl der Filme und er ist eine Persönlichkeit, dieden Internationalen Filmfestspielen in Berlin gut tut.
– Ich danke Ihnen, Herr Kampeter.Die internationalen und auch die nationalen Topschau-spielerinnen und -schauspieler, -regisseure und -produ-zenten machen um Deutschland keinen Bogen mehr,sondern kommen gern hierher. Ich betone auch noch ein-mal: Wie politisch diese Berlinale sein kann, zeigte diebeeindruckende Rede von Dustin Hoffman gegen einenmöglichen Krieg im Irak. Das war kein Mittel zumZweck.
Herr Nooke, wenn Sie sich angeschaut hätten, was sichim Vorfeld der Oscar-Verleihung in Amerika abgespielthat, könnten Sie das nicht behaupten.Ich komme zum SchlussnhAimg–ISgBrP„eFedandIudcFewllWsldü
Ja, genau.
ch sagte Ihnen ja: Das war Ihre Pflichtaufgabe. Das tunie immer; auch in den Vorgesprächen haben Sie diesesagt. Wir warten also ab. Alle zwei Jahre gibt es einenericht der Bundesregierung, danach wird evaluiert. Ih-en Antrag werden wir ablehnen.Den Antrag von Frau Lötzsch und Frau Pau von derDS, in dem es um die Erhöhung des Betrages für dieStiftung für das sorbische Volk“ geht, lehnen wirbenso ab. Auch hier weise ich darauf hin, dass wir dasinanzierungsabkommen mit unseren Mitteln mehr alsrfüllen. Wir haben diesen Bereich also gut bedient undie Mittel für die „Stiftung für das sorbische Volk“ nichtbgesenkt. Insofern wird auch dieser Antrag von unsicht akzeptiert.Der Gesamtetat der Beauftragten für Kultur und Me-ien beträgt 883 Millionen Euro. Es war mein Anliegen,hnen aufzuzeigen, wie viele Anstöße und Initiativennd wie viel Bewegung mit diesem Etat ausgelöst wer-en. Herr Kampeter und Herr Rexrodt, vielleicht errei-hen wir es ja, dass sich auch die CDU/CSU und dieDP bewegen und diesem Kapitel zustimmen.
Frau Kollegin Merkel, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer
rsten Rede im Deutschen Bundestag. Herzlichen Glück-
unsch!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor der nament-
ichen Abstimmung hören wir noch eine Rede. Der Kol-
ege Jens Spahn von der CDU/CSU-Fraktion wird das
ort erhalten. Auch er hält seine erste Rede im Deut-
chen Bundestag. Ich bitte um Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In deretzten Woche haben wir die 36. Regierungserklärunges deutschen Bundeskanzlers gehört. Heute beraten wirber den Bundeshaushalt 2003, der uns spätestens jetzt
Metadaten/Kopzeile:
2754 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Jens Spahnwieder in die harte Realität Ihrer und seiner Politik zu-rückholt.
Als Vertreter der jüngeren Generation will ich an dreiPunkten beispielhaft darlegen, wo ich mir deutlichere undmutigere Worte des Bundeskanzlers und mutigere Tatenin dem uns vorgelegten Bundeshaushalt gewünscht hätte.Erstens. Deutschland braucht ein neues Verhältnisvon Staat und Gesellschaft. Wir müssen den Bürgernmehr Freiheit und Selbstverantwortung zutrauen. Geradeauch die jungen Menschen in diesem Land wollen ihrLeben eigenverantwortlich gestalten. Voraussetzung da-für ist, den Menschen den dafür nötigen Freiraum zu ge-ben, auch den finanziellen Freiraum.Ich kenne viele gleichaltrige Handwerker aus meinemWahlkreis, aus Gronau, Ahaus, Steinfurt oder Rheine,junge Maurer oder Zimmerleute, die beim Blick auf ihreLohnabrechnung Monat für Monat mit der vollen Wuchtder Sozialabgaben in Deutschland konfrontiert werden.
Sie sind natürlich frustriert und flüchten vielfach in dieSchwarzarbeit. Es ist doch niemandem begreiflich zumachen, dass in diesem Land ein Handwerker sechsStunden arbeiten muss, um sich am Ende von seinemNettolohn selbst einen Handwerker für nur eine Stundeleisten zu können.
Nicht den Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegenvon der Sozialdemokratie, sondern dem System mussman einen Vorwurf machen. Nicht die Menschen zu äch-ten, wie es der Kanzler am Freitag in seiner Rede ver-langt hat, ist der richtige Weg, sondern legale Beschäfti-gung attraktiver zu machen, das ist der richtige Weg.
Wir nehmen den Menschen zu viel von ihrem hartverdienten Geld weg. Parolen zum Konsumverzicht vonHerrn Müntefering – Sie erinnern sich – weisen in diefalsche Richtung; denn die Bürger erwirtschaften all das,was der Staat verbraucht, nicht umgekehrt.
In diesem Bewusstsein müssen wir das Verhältnis vomStaat zu seinen Bürgern neu justieren. Die Menschenwollen keine sozialistische Bevormundung und Rund-umbetreuung.
Sie wollen eine eigenverantwortliche Teilhabe und Be-teiligung.
Zweitens. Die Wahrung der Generationengerechtig-keit ist die größte sozialpolitische Aufgabe der vor unsliegenden Jahre. Seit Jahrzehnten – das sage ich aus-drücklich – lebt Deutschland über seine Verhältnisse undverschiebt die Lasten auf nachfolgende Generationen.VliihRtrptowRrn2FbsenlävliFAoimaledgsadLwMtiFfoPssdGSntuI
Gehen Sie ehrlich mit den Menschen und insbeson-ere mit den jungen Menschen in diesem Land um. Sa-en Sie ihnen offen, wie es um die sozialen Sicherungs-ysteme steht. Fassen Sie endlich den Mut, das Nötigenzugehen, statt den tatsächlichen Zustand immer wie-er zu verleugnen.
Drittens. Bildung ist der Schlüssel für individuelleebenschancen und Motor für gesellschaftliche Ent-icklungen. Bildung begründet Wohlstand, politischeündigkeit, kulturelle Teilhabe und berufliche Perspek-ven. Bildung ist damit die eigentliche und neue sozialerage in Deutschland. Bildung ist die Schlüsselressourceür die Zukunft dieses Landes. Wenn ich nach Chinader Südostasien schaue, dann weiß ich, mit welchenotenzialen wir in Zukunft werden Schritt halten müs-en, um unsere Position in der Welt und unseren Lebens-tandard zu erhalten und auszubauen. Sie verstehen Bil-ung in guter sozialdemokratischer Tradition als reineeldfrage: Pumpen wir noch ein paar Milliarden insystem, dann wird es schon klappen. Mindestens ge-auso wichtig ist es aber, im föderalen Wettbewerb Leis-ngen von Lernenden und Lehrenden zu fordern, übernhalte zu streiten und Werte zu vermitteln.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2755
(C)
)
Jens SpahnSprechen wir zuerst darüber und dann über die Finanzie-rung. Alles andere ist Flickschusterei und beraubt unsunserer Möglichkeiten für die Zukunft.Als Vertreter der jungen Generation kann ich zusam-menfassend von der Bundesregierung diese drei genann-ten Dinge für eine generationengerechte Politik einfor-dern: ein gesellschaftliches Klima, in dem Freiheit undSelbstverantwortung gedeihen können, eine ehrlicheIch schließe die Aussprache. Wir kommen zur Ab-stimmung über den Einzelplan 04 in der Ausschussfas-sung. Hierzu liegen Ihnen drei Änderungsanträge vor,über die wir zuerst abstimmen.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derCDU/CSU auf Drucksache 15/650? – Wer stimmt dage-gen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mitden Stimmen der Koalitionsfraktionen bei ZustimmungRentenreform, die die Rentenhöhe mit der Lebenserwar-tung und der Lebensarbeitszeit verknüpft, und eine ge-meinsam mit den Ländern gestaltete leistungsorientierteBildungspolitik, die anerkennt, dass Bildung die neuesoziale Frage in Deutschland ist.
Nirgendwo sind im vorgelegten Bundeshaushalt dienotwendigen großen Neuerungen zu sehen, die unserLand so dringend braucht. Nun mögen einige der Dinge,die der Kanzler am Freitag hier angesprochen hat, punk-tuell in die richtige Richtung weisen. Das Schlimme ist,dass die jungen Menschen in diesem Land mittlerweileein ironisch-gleichgültiges Verhältnis zu seiner unstetenAnkündigungspolitik haben.
Elmar Brandts Schröder-Song mit dem viel sagendenTitel „Alles wird gut“ mag dem Letzten als Beweis fürdiesen Ansehensverlust dienen.
Wenn wir hier im Deutschen Bundestag dazu beitra-gen wollen, den zukünftigen Generationen ein anständigbestelltes Land zu hinterlassen, brauchen wir zuallerersteines: einen verlässlichen, einen wirklich mutigen, einendurchsetzungsstarken und konfliktbereiten Kanzler.
Kurzum: Ein neuer Kanzler, wahlweise eine neue Kanz-lerin, wäre ein wirkliches Zeichen des Aufbruchs.
Herr Kollege Spahn, ich gratuliere auch Ihnen im Na-
men des Hauses zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bun-
destag. Herzlichen Glückwunsch!
d
F
W
S
C
t
1
W
r
Z
a
p
S
m
v
s
S
I
r
n
A
S
A
h
d
H
b
t
b
g
Metadaten/Kopzeile:
2756 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2757
)
)
r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbacherbert Frankenhauserr. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritzochen-Konrad Frommeans-Joachim Fuchtelr. Jürgen Gehborbert Geisoland Gewaltberhard Giengereorg Girischichael Glosalf Göbelr. Reinhard Göhneranja Gönnerosef Göppelr. Wolfgang Götzerte Granoldurt-Dieter GrillRMMMKOHGKHUSUMJBEPRJKMHSDDBSIBSVGEJJKNMHTRMGGDWDDBKWPUWEDDDESCeinhard Grindelichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundarl-Theodor Freiherr vonund zu Guttenberglav Guttingolger-Heinrich Haibacherda Hasselfeldtlaus-Jürgen Hedrichelmut Heiderichrsula Heineniegfried Heliasda Carmen Freia Hellerichael Hennrichürgen Herrmannernd Heynemannrnst Hinskeneter Hintzeobert Hochbaumoachim Hörsterlaus Hofbauerartin Hohmannubert Hüppeusanne Jaffker. Dieter Peter Jahrr. Egon Jüttnerartholomäus Kalbteffen Kampeterrmgard Karwatzkiernhard Nikolaus Kaster
olker Kaudererlinde Kaupackart von Klaedenürgen Klimkeulia Klöcknerristina Köhlerorbert Königshofenanfred Kolbeartmut Koschykhomas Kossendeyudolf Krausichael Kretschmerünther Krichbaumünter Kringsr. Hermann Kueserner Kuhn
r. Karl A. Lamers
r. Norbert Lammertarbara Lanzingerarl-Josef Laumannerner Lensingeter Letzgusrsula Lietzalter Link
duard Lintnerr. Klaus W. Lippold
r. Michael Lutherorothee Mantelrwin Marschewski
tephan Mayer
onny Mayer
DWDDLDMHKMSBDHBHMCGDFMERDUDSDBRRDTHDPCKHKDHDFHDKDVAPADHANGBCADDBUWH
Metadaten/Kopzeile:
2758 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
(D)
und des BÜNDNISSESbrachten Entwurfs einesder Vorschriften zum dpauschalensystem für Kschalenänderungsgeset– Drucksache 15/614 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit undVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, SeniorNach einer interfraktionelledie Aussprache zwei Stundenkeinen Widerspruch. Dann ist sehnden Fraktionen der SPD90/DIE GRÜNEN einge- Gesetzes zur Änderungiagnoseorientierten Fall-rankenhäuser – Fallpau-z
Soziale Sicherung
en, Frauen und Jugendn Vereinbarung sind für vorgesehen. – Ich höreo beschlossen.dwmazuümWEaKvHgiesen Tagen bewegt uns und deltpolitische Lage mehr alsehr als verständlich. Auch ichlles dafür tun, die Krise und du bewältigen. Trotzdem müssensere Tagesaufgaben erledigeber den Bundeshaushalt 2003Vor einem Jahr hat Bundesfeint, der Bundeshaushalt 200as heißt das? Ursprünglichuro Neuverschuldung vorgesber bei 31,8 Milliarden Euroante genäht heißt also 10 Mierschuldung.
ses Jahr wieder ein Bildn Sie bitte nicht wieder,Ich rufe die Punkte I. 19 a und 19 b auf:a) hier: Einzelplan 15Bundesministerium für Gesundheit und SozialeSicherung– Drucksachen 15/563, 15/572 –Berichterstattung:Wort der Kollege Dr. Michael Luther von der CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! InDie Beschlussempfehlung ist angenommen. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat dasKurt SegnerMatthias SehlingMarion SeibHeinz SeiffertBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnChristian von StettenGero StorjohannAndreas StormMax StraubingerMatthäus StreblThomas Strobl
Michael StübgenAntje TillmannEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzVolkmar Uwe VogelAngelika VolquartzAndrea Astrid VoßhoffGerhard WächterMarko WanderwitzPeter Weiß
Gerald Weiß
Ingo WellenreutherAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschWilly Wimmer
Matthias WissmannWerner WittlichDagmar WöhrlElke WülfingWolfgang ZeitlmannWolfgang ZöllerWilli ZylajewFDPRainer BrüderleErnst BurgbacherHelga DaubJörg van EssenOHRDHJDDCKUDDGJSHISMEntschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmsammlung des Europarates und der WEU, der ParlamentariscRauber, HeCDU/CS
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2759
)
)
Nun möchte ich ein Wort zur Gesundheitsreform sa-en. Der Bundeskanzler hat in seiner Rede am letztenreitag auch auf die Notwendigkeit einer Gesundheitsre-orm hingewiesen. Ich will nicht auf die einzelnen Vor-chläge eingehen; das werden meine Fraktionskollegenm Folgenden sicherlich tun. Ich will etwas zur Haus-altsrelevanz sagen. Ich zitiere hier wiederum den Kanz-r:Außerdem werden wir das tun müssen, was wir imRahmen der Rentenstrukturreform vorgemacht ha-ben: die Befreiung der gesetzlichen Krankenversi-cherung von einer Reihe so genannter versiche-rungsfremder Leistungen.
Metadaten/Kopzeile:
2760 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dr. Michael LutherDas heißt, der Bundeskanzler will auch in diesem Be-reich den Einstieg in die Steuerfinanzierung.Ich habe gerade versucht, eindrucksvoll aufzuzeigen,
welche Folgen diese Entwicklung hat. Wenn man glaubt,damit die Probleme einer Sozialversicherungskasse lö-sen zu können, dann ist man auf dem Holzweg.
Ich befürchte: Wegen des mangelnden Mutes der SPDund der Grünen zu Reformen wäre das Ergebnis einerGesundheitsreform lediglich der Einstieg in die Steuerfi-nanzierung. Damit wäre eine Steuerspirale in Gang ge-setzt. Das Ende dieser Entwicklung ist für mich nicht ab-sehbar. Wir, die Haushälter, dürfen den eingeschlagenenWeg auf keinen Fall mitmachen.
Wir brauchen eine grundlegende Gesundheitsreform,die beitragssenkend wirkt. Wenn es dazu kommt, dannkann man sicherlich auch über andere Fragen nachden-ken. Das darf aber erst dann und nicht vorher geschehen.Zu einer grundlegenden Gesundheitsreform gehören– das will ich ehrlich sagen – Ehrlichkeit und Mut; dennman muss den Bürgern sagen, was auf sie zukommt.Momentan verschieben Sie alle Entscheidungen aufKommissionen. Frau Schmidt, Sie haben in Ihrem Mi-nisterium gute Beamte. Die können eine Gesundheits-reform verfassen. Sie müssen ihnen nur klare Vorgabenmachen. Legen Sie das Ergebnis dann bitte dem Parla-ment vor, lassen Sie die Experten im Parlament, im Ge-sundheitsausschuss, darüber beraten und lassen Sie ih-nen Zeit dafür! Wenn Sie diesen Weg beschreiten, dannwerden Sie feststellen, dass am Ende auch etwas Ver-nünftiges dabei herauskommt.
Ganz nebenbei – das will ich hier auch noch festhalten –können Sie dann die 1 Million Euro, die die Rürup-Kommission kostet, einsparen.
Frau Ministerin, Ihr bisheriges Stückwerkeln bringtnichts. Die Leute trauen Ihnen Reformen nicht mehr zu.Nur eines ist sicher: Rot-Grün ist für eine seriöse Haus-haltspolitik ein Risiko.
Der Haushalt ist vor dem Hintergrund Ihrer Pläne zurGesundheitsreform eben nicht auf Kante genäht, sondernauf Sand gebaut.
Lassen Sie mich dazu kommen, wie Sie letztlich wei-tere Haushaltsrisiken eingebaut haben. Ich will als erstesBnDSKsubmzdhTdHEkrPdbBkdBAd9DhEsZdpHlsBgbtwPFelib
in Kapitel für sich. Zu dem Thema hatten wir hier kürz-ch auch eine Aktuelle Stunde.
Dabei – davon bin ich fest überzeugt – darf es nichtleiben, sondern es muss weitergehen. Man muss die Öf-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2761
)
)
Dr. Michael Lutherfentlichkeit informieren. Man muss die Öffentlichkeitvorbereiten, und zwar offen und ehrlich.
Für alle Eventualitäten müssen Vorbereitungen getrof-fen werden. Wer wäre dafür zum Beispiel besser prädes-tiniert als die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä-rung? Mir ist während der Haushaltsberatungen unklargeblieben, warum Sie der BZgA in dem Titel „Gesund-heitliche Aufklärung der Bevölkerung“ 10 Prozent strei-chen. Ich finde, das ist falsch. Wir wollten die BZgAarbeitsfähig halten und sind deshalb der Meinung, dassgerade dieser Titel hätte aufgestockt werden müssen.An diesem Beispiel kann man zeigen, was man auchan vielen anderen Stellen im Haushalt zeigen könnte: Siesetzen die Schwerpunkte im Haushalt falsch. Ob derPlan das wert ist, was man von ihm sagt, wird man se-hen. Ich vermute, am Jahresende wird vieles überhauptnicht mehr stimmen. Meine feste Überzeugung als Haus-hälter ist: Dieser Haushalt ist nicht auf Kante genäht,sondern auf Sand gebaut.Meine Damen und Herren, ab diesem Jahr sind dieFachbereiche Gesundheit und soziale Sicherung zusam-mengelegt. Das ist ein richtiger Schritt, der große Chan-cen bietet. Das Ministerium muss sich erst finden; das istmehr als verständlich. Deshalb habe ich als Haushältermeine konstruktive Unterstützung angeboten.Ich hoffe nun, dass Sie, Frau Schmidt, die großenChancen, die dieses neue Ministerium bietet, im Inte-resse Deutschlands nutzen. Sie könnten als echte Re-formministerin für die sozialen Sicherungssysteme in dieGeschichte eingehen.
Wenn Sie es gut machen, dann haben Sie auch die Unionhinter sich. Aber aufgrund dessen, was wir bislang wis-sen, kann man nur eines feststellen: Sie machen es zur-zeit sehr schlecht.
Deshalb müssen wir das als Opposition entsprechendkritisieren.
Lassen Sie mich noch einen Satz anfügen. Es warenintensive Haushaltsberatungen und es gehört sich, dassman an dieser Stelle den Mitarbeitern des Ministeriumsdankt, die uns aktiv begleitet haben. Das sei an dieserStelle getan.
Mein Schlusssatz: Ob der Haushalt das wert ist, wasdas Papier gekostet hat, auf dem er gedruckt ist,
wird sich am Jahresende zeigen. Wir können diesenHaushalt nur ablehnen.dhSaEdgdzldrElsMÖhWwd1osntldÖ
Metadaten/Kopzeile:
2762 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Ich muss sagen: Wenn die Koalition die Ökosteuernicht eingeführt hätte – Sie müssten uns im Nachhineineigentlich dankbar sein –, hätten wir heute eine nochverschärftere Diskussion darüber, wie schlimm und wieschädlich es gewesen ist, den Aufbau Ost über die So-zialversicherungssysteme zu finanzieren.
Ehrlich gesagt: Der Spaß, in diesen Zeiten Haushalts-politik zu machen, hält sich durchaus in engen Grenzen.
Aber es überkommt mich geradezu ein Grauen, wenn ichmir vorstelle, dass die Opposition derzeit tatsächlich ver-antwortlich entscheiden müsste;
vor allem, wenn ich mir die Themen Irak sowie Kriegund Frieden und die Ausführungen von Frau Merkeldazu heute Morgen vor Augen halte. Aber das gilt auchfür andere Themen: Fällt die Ökosteuer weg, müsstendie Renten runter oder die Beiträge rauf. Weiterhin wur-den wir mit Milliardenforderungen während der Etatbe-ratungen in den Ausschüssen und auch im Haushaltsaus-sSrAgfDiPNihdkssrsVnmveadsbuisgnIszspaMisp-d
auf.Oder nehmen wir die Forderung nach 7 Prozent – Herrustermann, da hat Ihnen ja Frau Merkel aus der Seeleesprochen – zusätzlich für Verteidigungsausgaben. Darage ich Sie, Herr Austermann: Woher denn nehmen?
iese Antwort sind Sie immer schuldig geblieben. Dasst eine unsaubere, unredliche und auch eine verlogeneolitik, wenn man so agiert.
ein, so geht es nicht. Die Zeit der Streudosengeschenkest schon lange vorbei. Wer den Sozialstaat im Kern er-alten will, der darf heute weder Schulden machen nocharf er auf gerecht verteilte Einnahmen verzichten.Lassen Sie mich noch einmal auf die Rente zurück-ommen. Ohne die Rentenreform und ohne die Öko-teuer würden die Beiträge zur Rentenversicherung, wiechon gesagt, auf 21,2 Prozent steigen. Die Renten-eform 2001 war richtig. Die ersten Zahlen zeigen: Wirind mit dem Aufbau einer kapitalgedeckten privatenorsorge als zweiter Säule der Rentenversicherung auf ei-em guten Weg. Bis zum Ende letzten Jahres haben im-erhin 5,4 Millionen Verträge zur individuellen Alters-ersorgung abgeschlossen werden können.Dabei hat vor allem die betriebliche Altersvorsorgeinen starken Zulauf. Die Bundesregierung geht davonus, dass in den nächsten Jahren circa zwei Drittel bisrei Viertel der Beschäftigten ihre zusätzliche Altersver-orgung über eine Betriebsrente aufbauen werden. Dieetriebliche Altersvorsorge steht, nachdem sie 16 Jahrenter der Kohl-Regierung praktisch vergessen wordent, vor einer starken Wiederbelebung. Auch dies ist einroßer Erfolg der Riester-Rente, den die Oppositionach wie vor leugnet.
Die Rente, Herr Luther, ist sicher.
ch finde es problematisch, dass Sie versuchen, die Men-chen an dieser Stelle zu verunsichern. Denn zusätzlichu der Bundesgarantie, die immer greift und die dafürorgt, dass der Rentner und die Rentnerin jeden Monatünktlich ihre Rente bekommen, hat der Gesetzgeberusdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, dass auch einonat quasi im Vorgriff ausgezahlt werden kann. Diest eine weitere Möglichkeit, auf die bei Liquiditätseng-ässen zurückgegriffen werden kann.Es liegt doch im Interesse von Haushaltswahrheit undklarheit, wenn man das nicht als Spardose auffasst, son-ern wenn man die vorgesehenen Möglichkeiten nutzt
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2763
)
)
Waltraud Lehnund nicht mehr Geld zurückstellt, als tatsächlich erfor-derlich ist. Der Rentenversicherungsträger bleibt stetsuneingeschränkt handlungsfähig.Der Zuschuss zur Rentenversicherung unterliegtderzeit im Wesentlichen zwei großen Einflüssen, auf dieich eingehen möchte.Zum einen wirkt sich die Arbeitslosigkeit direkt aufden Zuschuss aus. Das muss uns durchaus Sorgen berei-ten. Mit steigenden Arbeitslosenzahlen entstehen derRentenversicherung Beitragsausfälle, die durch Bundes-zuschüsse ausgeglichen werden müssen. Deshalb habenwir in der letzten Zeit einen permanenten und auch er-heblichen Anstieg des Zuschusses.Zum anderen möchte ich angesichts der Tatsache,dass Herrn Luther und der CDU/CSU offensichtlich im-mer nur der demographische Faktor einfällt, wenn es umdie Frage geht, wie man im Bereich der Rente zu sinn-vollen Veränderungen kommen kann, Folgendes sagen:Wir haben bereits bewiesen, dass wir mit der Schaffungeiner zusätzlichen Säule andere Wege gehen können.Aber lassen Sie mich auf eine Fehlentwicklung zusprechen kommen. Für das ZusatzversorgungssystemOst müssen inzwischen 2,5 Milliarden Euro bereitge-stellt werden. Wohlgemerkt, ich rede von einer Zusatz-rente. Die Tendenz ist steigend. Die Anzahl der Rentnerund Rentnerinnen, die nach dem Anspruchs- und An-wartschaftsüberführungsgesetz, einem Gesetz aus derKohl-Ära, und der Rechtsprechung des Bundesozial-gerichtes Anspruch auf höhere Renten haben, nimmtweiterhin zu. Allein von 2002 auf 2003 sind hier500 Millionen Euro zusätzliche Ausgaben erwachsen.Es kann meines Erachtens doch nicht richtig sein,dass wir 13 Jahre nach der Wiedervereinigung eine Ren-tenformel Ost haben, die es vielen Rentenbeziehern inden neuen Bundesländern erlaubt, sich auf dem Klage-wege höhere Renten als die Rentner in Westdeutschlandzu erstreiten, nur weil es damals diese Zusatzversor-gungssysteme gab, in die weder sie noch andere je ein-gezahlt haben. Wenn man diese Fehlentwicklung er-kennt, dann muss man an dieser Stelle gegensteuern. Daskann nur durch die Politik erfolgen.
Frau Kollegin Lehn, erlauben Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Luther?
Ja, selbstverständlich.
Herr Luther, bitte.
Ich habe Fragen zu Ihrer Bemerkung hinsichtlich des
Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes.
S
G
d
w
D
d
w
S
d
h
H
A
m
k
n
g
R
D
s
i
d
d
q
t
D
–
e
F
s
D
s
r
d
N
r
q
n
H
im
E
g
B
d
w
B
li
J
Ich bin davon überzeugt, Herr Luther, dass sicherlichiemand, als dieses Gesetz erarbeitet worden ist, damiterechnet hat, dass sich nach und nach alle Gruppen derentenbezieher aus Ostdeutschland einklagen werden.ieses Gesetz ist aber mit einer derart heißen Nadel ge-trickt worden, dass sich die Sozialgerichte – jedenfallsm Moment – auf der Grundlage eines Urteils eines Bun-esgerichtes in die Lage versetzt sehen – das entsprichtem bestehenden Recht –, so zu entscheiden, dass dasuasi eine Öffnung für eine unbegrenzte Zahl von Be-roffenen nach sich zieht.Diese Erkenntnis besteht inzwischen seit langer Zeit.enn das, was Sie ansprechen, ist neun Jahre alt.
Nein, das ist nicht neu. – In dieser Zeit musste maningreifen. Das Genannte ist eine der Möglichkeiten, umehlentwicklungen zu korrigieren.Ich behaupte nicht, dass wir unterschiedlicher Auffas-ung sind, was die Behebung dieses Problemes angeht.enn wir werden das gemeinsam lösen können und lö-en müssen. Ich wollte darauf hinweisen, dass eine Kor-ektur bei den Ausgaben nicht zwangsläufig bedeutet,ass man den demographischen Faktor, so wie ihnorbert Blüm angelegt hat, einführen muss.Meine Damen und Herren, neben der Sozialversiche-ung umfasst der Haushalt weitere Aufgaben, die zwaruantitativ nicht sehr umfangreich, dafür aber nicht we-iger wichtig in ihrer Bedeutung sind. So haben wir imaushalt 2003 22 Millionen Euro für Modellprogramme Bereich der Rehabilitation und rund 14 Millionenuro für Modellprogramme im Bereich der Pflege vor-esehen. Für das „Europäische Jahr der Menschen mitehinderungen“ stehen 4 Millionen Euro zur Verfügung.Rund 153 Millionen Euro haben wir im Haushalt fürie Beschaffung von Impfstoffen eingesetzt. Damit sindir in der Lage, bis Ende des Jahres für 82 Millionenundesbürger, also für die gesamte Bevölkerung, 100 Mil-onen Dosen Impfstoffe in zentralen Depots vorzuhalten.eder von uns hofft, dass wir diesen Impfstoff nicht
Metadaten/Kopzeile:
2764 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Waltraud Lehneinsetzen müssen. Aber ich glaube, dass es wichtig undrichtig war, angesichts einer nicht wahrscheinlichen, aberimmerhin möglichen Bedrohungslage die Gefahrenab-wehr im Sinne einer Vollversorgung der Bevölkerung si-cherzustellen.Der Bundeskanzler hat am vergangenen Freitag inseiner Rede zur Vorstellung der Agenda 2010 betont,dass es zur Konsolidierung des Haushaltes und zum Ab-bau der Verschuldung überhaupt keine Alternative gibt.Sie bleiben wichtige Ziele der Bundesregierung.Der Bundeskanzler hat außerdem deutlich gemacht,welche Maßnahmen erforderlich sein werden, um inDeutschland mehr Wachstum und Beschäftigung zu er-reichen und damit einen leistungsfähigen Sozialstaat zusichern. Von diesen Maßnahmen ist auch und gerade derSozial- und Gesundheitsbereich erheblich betroffen.Dies wird sich noch nicht in diesem Haushalt, aber zwei-felsohne in den zukünftigen Haushalten, und dort über-wiegend unmittelbar in den Sozialversicherungssyste-men, niederschlagen.In der Gesundheitspolitik werden wir grundlegendeFragen zu beantworten haben. Unser Gesundheitssys-tem ist heute nicht mehr nur ein Sozialsystem, sondernauch ein großer, in einer alternden Wohlstandsgesell-schaft wachsender Wirtschaftszweig mit einem Volumenvon mehr als 200 Milliarden Euro pro Jahr.
Wir werden klären müssen, ob wir wie FDP ausschließ-lich mehr Geld in dieses System pumpen
und damit einen Selbstbedienungsladen für die Anbietervon Gesundheitsleistungen schaffen wollen oder ob wirdurch Qualitätsverbesserungen und eine effektivereSteuerung mehr Wirtschaftlichkeit erreichen.
Wahrscheinlich liegt die Lösung in einem Mix.Im internationalen Vergleich hat das deutsche Ge-sundheitswesen immer noch Vorbildfunktion.
Zu seinen Stärken gehören nach wie vor eine Versorgungohne Warteliste, ein umfassender Versicherungsschutzfür alle und ein einheitlicher, vom persönlichen Einkom-men unabhängiger Leistungsanspruch, der für alle glei-chermaßen nur durch das medizinisch Notwendige defi-niert wird.Es gibt aber auch Bereiche, in denen wir unsere Vor-bildfunktion längst eingebüßt haben. So liegt die Le-benserwartung in Deutschland mittlerweile unter demDurchschnitt in Europa. Sie hat sich in den letzten zehnJahren schlechter entwickelt als in unseren Nachbarlän-dern. Bei einem Vergleich der Sterblichkeitsraten nacheinem Schlaganfall, bei Zuckererkrankung oder beiDarm- oder Brustkrebs mit Frankreich, Italien, England,Finnland, Schweden, den Niederlanden und auch mitdsimzgewgpEimeKtisutäaSleKwunneghlSSmnafshfamPb
In meinen Dank schließe ich ausdrücklich die betrof-enen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
ber auch die Verhandlungsführer beider Häuser ein, dieit sehr hoher Leistungsbereitschaft und mit großemroblemlösungswillen zu einem reibungslosen Gelingeneigetragen haben.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2765
)
)
Waltraud LehnIhnen gegenüber stand ein Berichterstatterteam, dasbisweilen ungeduldig, aber bis zur letzten Minute – ichdenke, über alle Parteigrenzen hinweg – fair und kon-struktiv gearbeitet hat. Auch bei ihm möchte ich michherzlich bedanken.Vielen Dank.
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der
Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin
Lehn, ich bin doch arg befremdet darüber, dass Sie
die Haushaltsdebatte zu einem Angriff auf die Ost-
rentnerinnen und Ostrentner nutzen. Einmal abgese-
hen davon, dass Ihnen allen bekannt sein dürfte, dass
der Rentenpunkt Ost noch immer wesentlich niedri-
ger ist als der Rentenpunkt West, haben Sie, was die
Zusatzversorgungssysteme betrifft, schlicht die Un-
wahrheit gesprochen.
Sie wissen, dass das bei Abschluss des Einigungsvertra-
ges – ich sage es ganz neutral – übersehen wurde und die
rechtlichen Konsequenzen nicht beachtet wurden. Vor
allen Dingen finde ich es nicht fair und nicht redlich, zu
behaupten, die Bürgerinnen und Bürger, die jetzt auf der
Grundlage eines Urteils des Verfassungsgerichts ihre
Rente erstreiten, hätten in diese Systeme nicht einge-
zahlt. Das stimmt einfach nicht. Sie können die verschie-
denen Berufssparten durchgehen und sich zum Beispiel
die Lehrerinnen und Lehrer oder Eisenbahnerinnen und
Eisenbahner anschauen; von ihnen ist sehr wohl einge-
zahlt worden.
Abschließend weise ich Sie darauf hin, dass immer
gern versucht wird, die Durchschnittsrenten in Ost und
West miteinander zu vergleichen. Insbesondere wird im-
mer betont, dass ein Rentnerehepaar im Osten angeblich
eine höhere Rente als ein Rentnerehepaar im Westen be-
ziehe. Dabei wird aber häufig außer Acht gelassen, dass
die Frauen im Osten ein langes und sehr intensives Be-
rufsleben hatten. Ich bin also arg befremdet und von Ih-
nen, Frau Kollegin Lehn, auch enttäuscht, dass Sie nach
13 Jahren staatlicher Vereinigung derart wenig Realitäts-
kenntnis besitzen.
Schönen Dank.
Frau Kollegin Lehn, zur Erwiderung.
d
u
R
a
m
m
m
s
r
S
g
d
S
h
E
w
s
K
f
l
d
d
b
p
g
l
A
w
s
d
n
s
d
r
d
i
g
r
R
t
s
m
G
z
ot-Grün scheint festgestellt zu haben, dass mit Budge-ierung ein modernes Gesundheitswesen nicht zu organi-ieren ist.Der Kanzler hat Konzepte auf den Tisch gelegt, dieir sehr bekannt vorgekommen sind. Ich glaubte, Rot-rün lege Konzepte auf den Tisch, die die Liberalen seitehn Jahren propagieren.
Metadaten/Kopzeile:
2766 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dr. Dieter ThomaeSie haben sehr deutlich gesagt, es gebe keine Alternativedazu, den Mut aufzubringen, über das Leistungspaket zureden. Ich war schon erstaunt, dass der Kanzler hier dasKrankengeld genannt hat; das war ein mutiger Schritt.Noch mehr, meine Damen und Herren, haben mich dieAusführungen des Bundeskanzlers erstaunt, Selbstbetei-ligung und Selbstbehalt einzuführen. Zum ersten Malhabe ich von der SPD-Seite gehört, dass die Selbstbetei-ligung steuernde Wirkung hat.
Für diese Einsicht habe ich viele Jahre gekämpft. Ichhoffe, dass sich diese Einsicht bei der SPD insgesamtdurchsetzt, damit eine vernünftige Reform auf den Weggebracht wird.
Angesichts der ökonomischen Situation in der Bun-desrepublik Deutschland, insbesondere der hohen Ar-beitslosigkeit – wir alle wissen, es sind nicht 4,7 Millio-nen Arbeitslose, denn wenn man auch die Personen hin-zurechnet, die sich in Fort- und Weiterbildungsmaßnah-men befinden, ist man ganz schnell bei 7 Millionen –,müssen Regierung und Opposition versuchen, ein Kon-zept auf den Weg zu bringen.
Dabei aber muss natürlich auch das berücksichtigt wer-den, für das wir schon viele Jahre eintreten:Die Liberalen sind der Auffassung, dass die Freibe-ruflichkeit eines der tragenden Elemente im Gesund-heitswesen ist.
Die Freiberuflichkeit muss gesichert werden. In denStaaten, in denen die Freiberuflichkeit angegriffen oderbeseitigt worden ist, ist das Gesundheitswesen erheblichteurer geworden und sind Wartezeiten und Altersgrenzendie Konsequenz.Schauen Sie sich einmal die Niederlande an, die vonSPD und Grünen lange Zeit begeistert beobachtet wor-den sind! Sie stellen fest, dass heute viele niederländi-sche Patienten über die Grenze nach Deutschland kom-men, und zwar sowohl zur ambulanten als auch zurstationären Versorgung, weil es in ihrem Land nennens-werte Wartezeiten gibt. Die Niederlande können für unskein Beispiel sein.
– Wir haben das nie gesagt. Sie haben doch keine Ah-nung, hören Sie doch auf!
WntizsGeMzsIs–bs–bsadavlawsugnsEEHB1rfPDs
Dazu gehören natürlich auch vernünftige Honorare.m Krankenhaus haben wir das mit den DRGs ge-chafft.
Ja, die Bundesländer, in denen wir vertreten waren, ha-en mitgemacht. Die FDP hat im Bundesrat dafür ge-timmt.
Dann müssen Sie das beobachten.Neben den DRGs brauchen wir feste Preise in der am-ulanten ärztlichen Versorgung. Wir haben nicht um-onst große Probleme, genügend Nachwuchs für denmbulanten Bereich zu finden. Viele wissen das, weil sieie Situation in den neuen Bundesländern kennen. Aberuch die Situation in den alten Bundesländern ist nichtiel besser. Die jungen Mediziner gehen aus Deutsch-nd weg, vor allem – es geht nicht nur um die Ethik –eil ihre finanzielle Situation nicht vernünftig organi-iert ist. Das ist versäumt worden.
Neben dieser Freiberuflichkeit, der Kostenerstattungnd der Selbstbeteiligung nenne ich einen letzten wichti-en Punkt: Wir müssen die Härtefallregelung neu defi-ieren. Diejenigen, die die Härtefallregelung in An-pruch nehmen, müssen all ihre Einkommen offen legen.rst dann haben wir eine vernünftige Härtefallregelung.ine Quote von 50 Prozent bei der Inanspruchnahme derärtefallregelung kann nicht der Wahrheit entsprechen.ei Offenlegung aller Einkommensarten werden nur5 Prozent unter eine Härtefallregelung fallen.Wenn wir die von mir angesprochenen Punkte be-ücksichtigen, haben wir die Voraussetzungen geschaf-en, um ein freiheitliches System zu organisieren: ohnelanwirtschaft, ohne Dirigismus und ohne Budgetierung.as wollen die Liberalen. Dann stehen wir gern zu Ge-prächen bereit.Herzlichen Dank.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2767
)
)
Ich erteile das Wort der Abgeordneten Birgitt Bender,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit mei-nem Vorredner stimme ich überein – bis zum Ende sei-nes ersten Halbsatzes.
Es ist wahr: Der Gesundheitsbereich ist eines der ent-scheidenden innenpolitischen Reformfelder. Das hatauch der Kanzler am Freitag festgestellt. Bis dahin be-steht also Einigkeit.Doch dann hören die Gemeinsamkeiten leider schonauf, Herr Dr. Thomae. Sie wollen mehr Geld für dieÄrzte und wollen dieses Geld von den Patienten neh-men. Bereits mit diesen wenigen Worten ist Ihr gesund-heitspolitisches Konzept umschrieben. Ich kann Ihnennur sagen: Das ist nicht unser Weg.
Wir wissen, dass ein grundlegender Umbau des Hausesder Gesundheitsversorgung ansteht. Wir arbeiten an denBauplänen.Sehen Sie es mir nach, dass ich mich nun mit den Vor-schlägen der größeren Oppositionspartei auseinandersetze. Denn letztendlich brauchen wir die CDU/CSU fürein gemeinsames Konzept; das wissen wir.
Auf der Suche nach Ihren Zielen habe ich im Beschlussdes Fraktionsvorstandes CDU/CSU-Bundestagsfraktiongelesen, man wolle erreichen, dass die Beiträge auf13 Prozent gesenkt werden. Das finde ich prima.
Der Kanzler hat sogar von einer Senkung auf unter13 Prozent gesprochen.Nun schaue ich mir Ihre Maßnahmen hierzu an, HerrKollege Storm. Gestern Abend, als wir zusammen beiVertretern der Krankenhäuser waren, haben Sie dasFüllhorn ausgepackt: Sie haben den Krankenhäusern zu-gestanden, dass sie mehr Stellen brauchen, ihnen1,7 Milliarden Euro versprochen und gesagt, den Bei-tragssatzeffekt würden Sie in Kauf nehmen. Dieserwürde – Herr Kollege Storm, rechnen Sie bitte mit –0,17 Beitragssatzpunkte zusätzlich ausmachen.
Das ist aber noch nicht alles. Eben war ich mit HerrnSeehofer bei Vertretern der Apotheker. Herr SeehoferhdAmsbeRsaW1kZawDbrmdsLdtupWWninnrMbsdR
ondern alle, die durch das Beitragssatzsicherungsgesetzetroffen sind. Das würde bedeuten, dass der Einspar-ffekt von 2,8 Milliarden Euro verloren ginge.
echnen Sie mit, Herr Kollege Storm: Dadurch würdeich eine Erhöhung um 0,28 Prozentpunkte ergeben, dieuf den Beitragssatz aufgeschlagen werden müssten.ie Sie auf diese Weise jemals einen Beitragssatz von3 Prozent und weniger erreichen wollen, ist mir voll-ommen schleierhaft.
Heute Morgen hat Herr Seehofer wieder das Themaahnersatz angesprochen. Bei dem Thema sind Sie sichuch untereinander nicht einig. Erst habe ich gelesen, Sieollten Zahnbehandlung als Ganzes herausnehmen.ann haben Sie aus sozialen Aspekten Bauchschmerzenekommen und davon Abstand genommen. Eine He-ausnahme des Zahnersatzes aus dem Katalog – ichöchte nicht näher darauf eingehen, was dafür oder wasagegen spricht – würde eine Senkung um 0,4 Beitrags-atzpunkte bringen. Das entspricht dem, wie Sie denobbyisten an Mehrausgaben versprochen haben. Da-urch erreichen Sie also nichts, außer dass Sie den Leis-ngskatalog ausdünnen.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der Op-osition: Das ist kein Konzept.
ir brauchen richtige Reformen. Diese gehen wir an.ir werden den Leistungserbringern mehr zumuten, ih-en aber auch Chancen bieten.Ich will von Ihnen wissen: Machen Sie mit, wenn wir einem solidarischen Rahmen mehr Wettbewerb orga-isieren? Machen Sie mit bei der Umstellung des Hono-ierungssystems für die ambulant tätigen Ärzte?
achen Sie mit beim Hausarztmodell? Machen Sie mitei der besseren Vernetzung zwischen ambulanter undtationärer Behandlung? Machen Sie mit beim Ausbauer integrativen Versorgung? Machen Sie mit, um mehrationalität bei der Arzneimittelverordnung zu erreichen?
Metadaten/Kopzeile:
2768 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Birgitt BenderMachen Sie mit bei Deregulierung des Arzneimittelhan-dels? Machen Sie mit, um mehr Vertragsfreiheit für Kas-sen und Leistungserbringer zu erreichen und damit denPatienten mehr Wahlmöglichkeiten zu eröffnen?
Ich will wissen, ob Sie bei diesen Reformen dabei sindoder ob es Ihnen nur um die Themen Zahnersatz und Zu-zahlung geht.
Ich will wissen: Machen Sie sich zum Sprachrohr allerLobbyisten, die immer nur auf die jeweils anderen zei-gen und in der Summe alles so lassen wollen, wie es ist?
Oder stellen Sie sich, wie es notwendig wäre, einer wirk-lichen Strukturreform?
Auch wir wissen, dass die gesetzliche Krankenkassein der Tat ein Einnahmeproblem hat.
Dem werden wir uns stellen.
Uns geht es darum, den Faktor Arbeit zu entlasten. Eskann nicht dabei bleiben, dass wir die soziale Sicherungin der Gesundheitsversorgung allein über die Lohnein-kommen finanzieren und damit den Faktor Arbeit ver-teuern.Die Perspektive der Grünen dazu heißt Bürgerversi-cherung. Wir wollen alle versichern, und zwar unabhän-gig von ihrem Erwerbstätigenstatus und ihrem Einkom-men. Das wäre die Art von Versorgung, die die größteGerechtigkeit beinhalten würde. Wir wissen aber auch,dass dies keine kurzfristige Perspektive ist.Deswegen reden wir jetzt zum Beispiel – der Kanzlerhat es angesprochen – über versicherungsfremde Leis-tungen. Diese werden wir uns genau anschauen. Wir se-hen dort Möglichkeiten des Einsparens, etwa beim Ster-begeld.
Leistungen wie das Mutterschaftsgeld oder die Beitrags-freiheit in der Elternzeit wollen wir aber nicht abschaf-fen, sondern steuerfinanzieren.Ein weiterer Vorschlag der Grünen auf der Einnah-meseite lautet, dass auch Vermögenseinkünfte verbei-tragt werden; denn es ist nun einmal eine Gerechtigkeits-lücke, wenn nur die Einkommen aus abhängiger Arbeitfür die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversiche-rung herangezogen werden.DzlpgddoeBbwvbgreduÜsahskrLsghümcttdAd
er Sachverständigenrat hat dies jüngst noch einmalum Thema gemacht und eine entsprechende Empfeh-ung abgegeben. Das würde übrigens 0,4 Beitragssatz-unkte bringen.Man müsste sich auch die Familienmitversicherungenauer anschauen; denn es ist zu fragen, warum Frauen,ie keine Kinder erziehen oder Angehörige pflegen,urch die Gemeinschaft der Beitragszahlenden subventi-niert werden sollen. Der Sachverständigenrat hat dazuin Splittingverfahren vorgeschlagen. Das würde dieesserverdienenden in einer Alleinverdienerehe stärkerelasten, die anderen aber nicht. Dieses Modell haltenir für äußerst diskussionswürdig. Es würde laut Sach-erständigenrat übrigens 0,7 bis 0,9 Beitragssatzpunkteringen. Auch hier will ich wissen, ob Sie dabei wären.
Meine Damen und Herren, auch das will ich deutlich sa-en: Um das Ziel, auf unter 13 Prozent zu kommen, zu er-eichen, wird ein Paket auch Zumutungen für Versichertenthalten. Es wird mehr Zuzahlungen geben. Ich bin aberagegen, dies als vorgebliches Allheilmittel anzupreisennd sich damit vor den Strukturreformen zu drücken.
Der Kanzler hat es angesprochen: Es gibt auch dieberlegung, einzelne Bereiche auszusteuern. Der Aus-teuerung von Unfällen hat er – das finde ich richtig –ber ausdrücklich eine Absage erteilt; denn letztlichätte die Botschaft gelautet: Leute, hockt vor dem Fern-eher und esst Erdnüsse; denn wenn ihr Sport treibt,ann euch etwas passieren. – So kann Gesundheitsförde-ung eben nicht aussehen. Wir wollen, dass sich dieeute bewegen, weil Bewegungsmangel eine der we-entlichen Ursachen unserer Volkskrankheiten ist.
Das Krankengeld ist von Gesundheitsvorsorgeleistun-en klar abgrenzbar, weil es sich um eine Geldleistungandelt. Nur noch 39 Prozent der Versicherten habenberhaupt einen solchen Anspruch. Auch daran kannan erkennen, wie sich die gesetzliche Krankenversi-herung verändert hat. Es ist kein Vergnügen, diese Leis-ung zu streichen, im Interesse der Entlastung des Fak-ors Arbeit treten wir dem aber näher.Kurz und gut: Wir brauchen ein Gesamtkonzept, dasie Gesundheitsversorgung verbessert und den Faktorrbeit entlastet. Ich will wissen, was die Oppositionazu beizutragen hat.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2769
)
)
Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege
Andreas Storm, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir allehaben noch die Rede des Bundeskanzlers vom vergange-nen Freitag im Ohr. Wie ein roter Faden zog sich dieForderung, die Lohnnebenkosten zu senken, durch diesozialpolitischen Teile der Rede.Umso verwunderlicher ist es, dass Sie die Hauptfor-derung in diesem Bereich, nämlich das Absenken derSozialabgaben unter die 40-Prozent-Grenze, sang- undklanglos beerdigt haben.
Das war kein Zufall, sondern die logische Konsequenz.Wenn man nämlich unter all diese Maßnahmen einenStrich zieht, dann wird deutlich: Von einer Absenkungder Sozialabgaben sind wir trotz der Kanzlervorschlägemeilenweit entfernt. Wenn alle Maßnahmen für das Ge-sundheitswesen, die der Kanzler am Freitag genannt hat,realisiert würden, dann würden wir im nächsten Jahrtrotz allem nur mit Mühe unter die 14-Prozent-Markekommen; denn der Beitragsdruck bei den Kranken-kassen ist im Moment so hoch, dass der Löwenanteil dergeplanten Einsparungen ausschließlich dafür verwendetwerden muss, um ein weiteres Drehen an der Beitrags-satzspirale im nächsten Jahr zu verhindern.
Von dem Ziel eines Beitragssatzes von 13 Prozent blei-ben wir meilenweit entfernt.Es kommt aber noch viel schlimmer. Während bei dengesetzlichen Krankenkassen eine Trendwende zumindestin Reichweite ist, sieht es bei der Rentenversicherungwirklich desaströs aus.
Der Bundeskanzler hat zur aktuellen Finanzlage derRentenkassen am Freitag kein Wort verloren. Einen Tagvorher, am letzten Donnerstag, hat die Bundesversiche-rungsanstalt für Angestellte deutlich gemacht, dass nachihrem Kenntnisstand im nächsten Jahr die Beiträge fürdie gesetzliche Rentenversicherung auf 19,9 Prozent an-gehoben werden müssen. Dies würde heißen: Das, wasden Menschen auf der einen Seite durch eine Absenkungder Krankenkassenbeiträge im Rahmen einer großen Ge-sundheitsreform gegeben würde, wird auf der anderenSeite bei den Renten wieder abkassiert. Bei einer solchdilettantischen Herangehensweise ist es klar, dass vondieser Rede am Freitag keine positive Signalwirkungausgehen konnte.wBpWsmdnMcBneRsbwpcRSMrKtrdwAmsr„bDslibrBdhgvluain
Nun haben Sie das Dilemma. Ich finde übrigens, dass esakzeptabel ist, dass der Kanzler das Thema Neuordnung
Metadaten/Kopzeile:
2770 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Andreas Stormder Rentenbesteuerung am Freitag nicht erwähnt hat, ob-wohl die Vorschläge, die die Rürup-Kommission am Be-ginn dieser Woche vorgelegt hat, bereits überall bekanntwaren. Denn die geplante Neuregelung der Rentenbesteu-erung, der Übergang zu einer so genannten nachgelager-ten Besteuerung, über den ja im Grundsatz Konsens be-steht, betrifft das Nettorentenniveau in zweierlei Weise.Zum einen wird das Nettoeinkommen der jungen Ge-neration durch die kommende Freistellung der Renten-versicherungsbeiträge höher ausfallen. Schon von dahersinkt rein rechnerisch das Rentenniveau. Zum anderenwerden in Zukunft die Renten besteuert. Auch das hatnatürlich Auswirkungen auf das Rentenniveau.Meine Damen und Herren, bei der Vorlage des Rürup-Berichts wurde zweierlei deutlich. Zum einen werden,wenn die Vorschläge zur Besteuerung umgesetzt werden,bereits im Jahr 2005 etwa 4 Millionen Rentnerhaushaltebetroffen sein, nämlich diejenigen Rentnerhaushalte, dieauch über andere Einkunftsarten verfügen. Zum anderenwerden auch diejenigen Jahrgänge, die ab dem Jahre2014 in den Ruhestand gehen und eine Standardrente –also die berühmte Eckrente, die im Moment bei gut1 000 Euro liegt – bekommen, voll von der Rentenbe-steuerung erfasst, selbst dann, wenn sie keine zusätz-lichen Einkommen haben.Jetzt muss man einmal überlegen, um welche Alters-jahrgänge es sich handelt. Wer im Jahre 2014 in Rentegeht, der ist heute Anfang 50. Das heißt, dies ist einThema, das nicht nur die ganz Jungen, sondern auch bzw.vor allen Dingen die mittleren Jahrgänge betrifft. Deswe-gen besteht bei der Umsetzung der Reform auf den steuer-lichen Bereich noch erheblicher Diskussionsbedarf.Meine Damen und Herren, es kann nicht sein, dassSie, wie es das Ministerium noch in der letzten Wochegetan hat, die Warnungen der Rentenversicherungs-träger ignorieren und erklären: Wir warten bis Novem-ber dieses Jahres, um absehen zu können, wie hoch derBeitrag im nächsten Jahr wird.
Dann wäre das Kind nämlich in den Brunnen gefallen.Dann könnten Sie nicht mehr handeln. Denn Sie könnennicht, wie Sie das in den letzten beiden Jahren getan ha-ben, noch einmal in die Rücklagen der Rentenkassen grei-fen. Da ist nichts mehr drin. Das werden wir schon in die-sem Sommer merken. Auch können Sie nicht noch einmaldie Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenkassen an-heben. Hoffentlich wird Ihnen Ihr grüner Koalitionspart-ner hier endlich einen Strich durch die Rechnung machen.Denn ein solches Vorgehen würde zu massiven Zusatzlas-ten für die künftige Generation führen.
Das heißt, meine Damen und Herren, dass wir raschKlarheit über die tatsächliche Lage der Rentenfinanzenbrauchen. Ich nehme die Ankündigung des Kanzlersvom Freitag ernst, dass Sie uns noch vor der Sommer-pause reinen Wein einschenken und eine klare BilanzvdbsPnTAatnnsnGzGgDtmDRtRv1esdnlMdrSdnggGgihvd
Frau Ministerin, wir sind bereit, mit Ihnen über dierobleme der Rentenversicherung und auch über eineeue Rentenformel zu sprechen, aber nur dann, wenn diehemen „Neuregelung der steuerlichen Behandlung derlterseinkünfte“ und „neue Rentenformel“ gemeinsamngegangen werden. Denn eines ist klar: Wenn die Ren-en Zug um Zug voll in die Besteuerung fallen und eineeue Rentenformel gilt – im Klartext: dies bedeutet jaicht, dass die Rentenerhöhungen größer, sondern dassie kleiner werden –, dann wird auch das Leistungs-iveau der Renten für die heute mittlere und die jüngereeneration sinken.Deshalb muss man wissen, wo die Grenze für ein ak-eptables Niveau der Rente ist, sodass man mit gutemewissen sagen kann, dass man eine angemessene Ge-enleistung für die eingezahlten Beiträge bekommt.enn eines werden wir nicht mitmachen: eine Demon-age der gesetzlichen Rentenversicherung auf Raten. Esuss rasch Klarheit geschaffen werden.
Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt ansprechen.er Bundeskanzler hat stolz verkündet, die Riester-ente sei ein großer Erfolg und ein Einstieg in die kapi-algedeckte Vorsorge. In Wirklichkeit ist die Riester-ente einer der größten Flops aus der ersten Amtszeiton Gerhard Schröder. Er sagt selber, dass nur etwa5 Prozent der Anspruchsberechtigten bislang entwederinen privaten oder betrieblichen Riester-Vertrag abge-chlossen hätten. Das bedeutet nichts anderes, als dassie große Mehrheit der Menschen in diesem Lande nochicht ergänzend vorsorgt.Insofern ist es völlig inakzeptabel, dass bei der Vor-age des Berichts der Rürup-Kommission am letztenontag vorgeschlagen wurde, in Zukunft sollten die tra-itionellen Vorsorgeformen wie etwa Lebensversiche-ungen nicht mehr steuerlich begünstigt werden. Wennie ausschließlich Riester-Produkte begünstigen wollen,ie die Menschen aus guten Gründen bislang nicht an-ehmen, aber die weit verbreiteten traditionellen Vorsor-eformen in Zukunft diskriminieren, dann wird das Er-ebnis sein, dass die ergänzende Vorsorge bei der jungeneneration noch weniger verbreitet ist als bei der jetzi-en Rentnergeneration.
Deswegen muss eine große Rentenreform auch be-nhalten, dass wir von der untauglichen Riester-Rente
in zu einer Förderrente wechseln, die attraktiv ist undon den Menschen angenommen wird, weil sie wissen,ass sie ihnen etwas bringt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2771
)
)
Andreas StormWir sind zu einer gemeinsamen Rentenreform bereit, aberSie müssen in Vorlage treten und bitte schön noch bis zurSommerpause deutlich machen, wie Sie sowohl die ge-setzliche Rentenversicherung als auch die ergänzende pri-vate Vorsorge in Zukunft neu ordnen wollen. Der jetzigeWeg führt in der Rentenversicherung an die Wand.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kühn-Mengel von
der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Ich bin schon sehr erstaunt darüber, was Sie,Herr Kollege Storm, gerade gesagt haben. Ganz deut-lich: Wir haben die Riester-Reform gemacht und damitverhindert, dass Rentnerinnen und Rentner in die Sozial-hilfe abgleiten. Wir haben das Rentensystem durch dieEinführung einer kapitalgedeckten Säule stabilisiert.
Sie haben dagegen gestimmt.
Im Wege der Ökosteuer haben wir dazu beigetragen, dasRentenniveau überhaupt auf einem vernünftigen Niveauzu halten. Dort haben Sie genauso wenig zugestimmtwie beim Beitragssatzsicherungsgesetz und anderen Ge-setzen, die dazu gedient haben, unser System zu stabili-sieren. Ohne diese Maßnahmen wären wir in einer vielschwierigeren Situation.
Wir haben die Erfahrung machen müssen, dass eineLegislaturperiode zu kurz ist,
um die Folgen einer über Jahrzehnte verfehlten Gesund-heits- und Sozialpolitik zu beseitigen.
Sie stricken fortwährend an einer Legende, indem Sie sotun, als hätten Sie uns ein intaktes und blühendes Sozial-und Gesundheitswesen überlassen. Dem ist nicht so. InWahrheit leidet unsere Regierung nach wie vor an derErblast, die Sie uns hinterlassen haben. Ordnungspo-litisch gesehen hätten zum Beispiel die Steuerzahler undSteuerzahlerinnen die vereinigungsbedingten Lastenschultern müssen, die die Regierung Kohl den Sozialsys-temen aufgebürdet hat.
Diese eklatanten Fehlentscheidungen haben dieArbeitskosten spürbar und nachhaltig in die Höhe ge-ttgfudsatcDHwlrdiGugzsuVtiauKtig–DdlabWlasg
as machen wir gemeinsam mit der Ministerin. Sie,err Kollege Thomae, haben doch gegen alles gestimmt,as das Gesundheitswesen transparenter und in der Qua-ität attraktiver gemacht hätte.
Wenn Sie Nachbarländer wie die Niederlande anfüh-en, dann sollten Sie zum Beispiel auch erwähnen, dassort etwa 150 Leitlinien für Patienten und Patientinnenn eine vernünftige Alltagssprache gebracht wurden.
enau das wollen wir auch. Wir wollen, dass das vonns geplante Institut für Qualität in der Medizin die Auf-aben wahrnimmt, Leitlinien zu entwickeln, die Qualitätu verbessern und vor allem Transparenz herzustellen.Eines ist klar: Wir haben ein teures Gesundheitswe-en. Es ist in vielen Bereichen zu teuer, wenig wirksamnd erlaubt sich viele Doppelstrukturen.
or allem aber ist es zu wenig an den Patienten und Pa-entinnen orientiert. Das werden wir in der nächsten Zeitngehen und eine entsprechende Steuerung vornehmen,m unser Solidarsystem zukunftsfest zu machen.Wir wollen eine solidarische Finanzierung in derrankenversicherung, aber dabei ist auch zu berücksich-gen, dass diese Finanzierung zu stark konjunkturabhän-ig ist. Wir haben – darauf weisen wir immer wieder hin ein Ausgabenproblem.
enken Sie an die gestiegenen Arzneimittelausgaben,ie trotz der Vereinbarung der Leistungserbringer in ek-tante Höhen gestiegen sind und uns große Problemeereiten.
ir leisten uns Doppelstrukturen und Fachärzte auf ambu-nter wie auf stationärer Ebene. Wir leisten uns geschlos-ene Sektoren und ein großes Maß an Überversorgung. Zu-egebenermaßen gibt es auch eine Unterversorgung. Den
Metadaten/Kopzeile:
2772 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Helga Kühn-Mengelgenauen Umfang der Über-, Unter- und Fehlversorgunghaben die Gutachter auf 1 200 Seiten festgehalten.
Wir sollten darangehen, die notwendigen Instrumentezu schaffen, die den Wettbewerb fördern, den Patientendienen, Transparenz schaffen und vor allem die Qualitätverbessern und die sektoralen Systeme aufbrechen. Daswerden wir in der Strukturreform im Gesundheitswesenangehen.
Wir brauchen diese Strukturreform, um sie mit denErgebnissen der Rürup-Kommission zu verbinden. Dennes geht nicht an, möglicherweise frisches Geld in einSystem fließen zu lassen, das über viele Jahre hinweg In-effizienzen aufgebaut hat.Richtig ist auch, dass die Krankenversicherungennicht allein an die Löhne gebunden und damit konjunk-turabhängig werden dürfen. Deswegen sollten wir in dernächsten Zeit gemeinsam prüfen, ob wir die Einnahme-basis verbreitern und andere Einnahmen zur Finanzie-rung der Krankenversicherung heranziehen können. Eswird auch über die versicherungsfremden Leistungen zureden sein. Das Mutterschaftsgeld zum Beispiel ist einefamilienpolitisch und gesellschaftspolitisch gewollteGröße und muss steuerlich finanziert werden. Das istganz selbstverständlich.Genauso wichtig ist es, dass wir gemeinsam mit allenAkteuren im Gesundheitsbereich nach Reserven suchen,die sich noch im System verbergen und die wir aus-schöpfen können. Das ist uns Politikern nur gemeinsammit den Akteuren im Gesundheitswesen und den Patien-ten und Patientinnen möglich. Dabei erwarten wir auchIhre Mitarbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen von derOpposition.Ich höre nicht auf, zu betonen, dass wir im Prinzipüber eine gute medizinische Infrastruktur und ein funk-tionstüchtiges System verfügen. Wir müssen aber gleich-zeitig daran arbeiten, dass dieses System durchsichtigerund durchlässiger wird und zur Förderung des Wett-bewerbs beiträgt.Wir werden aber auch gemeinsam mit der Ministerinan den anderen Säulen der Sozialpolitik zu arbeiten ha-ben. Gesundheits- und Sozialpolitik sind nicht ein bloßesAnhängsel der Wirtschaftspolitik. Vielmehr sind sie einwesentlicher Teil des Kitts, der unsere Gesellschaft zu-sammenhält. Deshalb will ich noch kurz etwas zur Pfle-geversicherung und zur Sozial- und Arbeitslosenhilfeausführen.Die Pflegeversicherung hat sich in den acht Jahrenihres Bestehens bewährt. Sie ist und bleibt ein integralerBestandteil der Sozialversicherung. Vor kurzem ist siewegen ihres Defizits im Jahre 2002 ins Gerede gekom-men und eine für ihre Vereinfachungen bekannte Zeitunghat sie flugs für pleite erklärt. Aber allen Unkenrufenund aller Panikmache zum Trotz wird sie ihre Leistun-gen auch in Zukunft erbringen.pKfWKgbdswrhpdvILtiLKimwHSAcIwzmwidhridlhwwsrk
So werden wir auch in schwierigen Zeiten die Strängeer Kranken-, der Pflege-, der Renten- und der Unfall-ersicherung sowie der Sozialhilfe zusammenbinden.ch denke, dass nur die deutsche Sozialdemokratie in derage ist, all diese großen Aufgaben gerecht zu erledigen.
Das Wort hat nun der Kollege Otto Fricke, FDP-Frak-
on.
Werter Präsident! Meine Damen und Herren! Herruther hat das schöne Beispiel mit dem Haushalt, der aufante genäht ist, erwähnt. Noch besser ist es, wenn man Zusammenhang mit dem Einzelplan 15 sagt – icheiß, dass die Ministerin das kann –, dass in diesemaushalt sehr viele Luftmaschen gehäkelt sind. Lassenie mich als drittem Haushälter in dieser Runde ein paarnmerkungen dazu machen, warum man davon spre-hen kann, dass hier Luftmaschen gehäkelt worden sind.ch will versuchen – auch wenn manches schon erwähntorden ist, aber noch nicht von jedem –, das kurz an ein-elnen Punkten darzustellen.Wir haben uns im Haushaltsausschuss – das ist fürich, der in diesem Bereich neu ist, bemerkenswert ge-esen – regelmäßig mit der Schwankungsreserve undhren illiquiden Mitteln auseinander gesetzt, obwohl wiras auch schon in den letzten Legislaturperioden getanaben. Aufgrund dessen, was ich nun auch durch die Be-ichte des Bundesrechnungshofs verstanden habe, binch mir ziemlich sicher – ich werde nicht wetten; dennas macht ein guter Jurist nicht –, dass wir hier erheb-iche Schwierigkeiten bekommen werden, und zwar frü-er – das gebe ich gerne zu –, als Sie es hoffen. Auchenn im Haushaltsgesetz die Möglichkeit geschaffenird, Zuschüsse frühzeitig auszuzahlen, muss ich fest-tellen, dass es so viele Risiken für die Rentenversiche-ung gibt, dass wir nie und nimmer bis September damitlar kommen werden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2773
)
)
Otto Fricke
Wetten können Sie mit mir!)– Wetten können Sie also mit dem Kollegen Kolb ab-schließen; das ist auch in Ordnung.Schuld ist nicht nur die hohe Arbeitslosigkeit. Das ist– hier gebe ich Ihnen Recht – einer der Gründe. Ein wei-terer Grund ist – das wissen auch Sie –, dass in allen Be-reichen, zum Beispiel beim Weihnachtsgeld sowie beim13. und 14. Monatsgehalt, eingespart wird, und zwarnicht nur im öffentlichen Dienst. Ich erwähne nur, dassdie Kommunen – theoretisch – erst 2004 das Weih-nachtsgeld für 2003 auszahlen können. Sie wissen, wasdas für die Schwankungsreserve bedeutet, die wesentlichauf den auf das Weihnachtsgeld erhobenen Beiträgen be-ruht. Ich erinnere auch daran, dass hier in vielen anderenBereichen, in denen es – zum Glück – keine Tarifver-träge gibt, eingespart wird, um Arbeitsplätze zu erhalten.Wenn es so kommt, wie ich es befürchte, dann wirddas großes Misstrauen bei den Bürgern hervorrufen, dieentweder in die Rentenversicherung einzahlen oder – fürdiese gilt das noch viel mehr – die Leistungen aus derRentenversicherung bekommen. Selbst wenn die Bürgeres nicht sofort an dem merken, was ausgezahlt wird, dieMedien werden – wir alle wissen doch, wie sehr wir vondiesen abhängig sind – darüber berichten, und zwarmanchmal auch vereinfachend. Dagegen müssen wir an-gehen, sei es in der Regierungsverantwortung oder in derFunktion einer kontrollierenden Opposition.Die Rentenbesteuerung – dies ist auch im Zusam-menhang mit der Riester-Rente zu sehen – wird für Sie,meine Damen und Herren von der Regierungskoalition,ein „wunderbares“ Problem werden, und zwar deswe-gen, weil Sie die Frage beantworten müssen, wie dieFörderung des Eigentums in den Bereich der Besteue-rung so hineingebracht werden kann, dass der Weg zumEigentum, der ja wichtig ist, weiterhin offen bleibt.Ein weiterer Punkt, an dem man sehen kann, dass imHaushalt Luftmaschen gehäkelt worden sind, ist dieKünstlersozialkasse. Der Zuschuss mag zwar nur – dasist ein kleiner Titel – 91 Millionen Euro betragen.Aber auch an dieser Stelle werden wir erleben, dass fürden Zuschuss an die Künstlersozialkasse mehr Geld be-nötigt wird, als im Moment etatisiert ist. Das Gleichewird im Bereich der Beteiligung an der Bundesknapp-schaft gelten, und das trotz ihrer zusätzlichen Aufgaben.Ich bin einmal gespannt, welche Zahlungen da notwen-dig sein werden.Frau Lehn, ich komme nun zum – bereits angespro-chenen – AAÜG. Ich sehe diesen Bereich etwas andersals Sie. Es geht in diesem Zusammenhang einzig undallein um die Frage, was durch den Einigungsvertragbestandsgeschützt ist. Der Einigungsvertrag und dieentsprechenden Begleitgesetze haben das nicht aus-drücklich geklärt. Diese Klärung nehmen vielmehr dieGerichte in unserem Land vor.Man muss einmal ehrlich sein: Es war das Bundesso-zialgericht – dort sind viele Richter tätig, die vonseitendsdInsdaamGghssswdwdPimssliWtFdzIta„ggDdiHtduHsdd
nabhängig von der Frage, wer die Schuld daran trägt.Ich komme zum Schluss. Früher, meine Damen underren von der Opposition, galt die FDP, wenn sie ge-agt hat: „Die Rente ist unsicher“, als böser Bube, der inie Ecke gestellt worden ist. Heute werden diejenigen inie Ecke gestellt, die sagen: „Die Rente ist sicher.“
Metadaten/Kopzeile:
2774 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Otto FrickeHerzlichen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Markus Kurth, Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! HerrFricke, Ihnen ist es vielleicht gut gegangen. Dass es derganzen Generation, die Sie auch noch als „GenerationGolf“ bezeichnet haben, gut gegangen ist, weise ich alsMitglied derselben Generation – ich bin Jahrgang 1966 –zurück. Es ist durchaus nicht allen gut gegangen. Aufdiejenigen, denen es nicht immer gut geht, konzentrierenwir uns trotz der jetzt notwendigen Reformen. Ichglaube, das ist der Unterschied zwischen uns beiden.
Nicht erst seit letztem Freitag war und ist klar: DieSicherung der Zukunft der Sozialsysteme, die Entlastungdes Faktors Arbeit und die Hebung von Wirtschaftlich-keitsreserven in den Sozialsystemen erfordern Schritte,die man nicht leichten Herzens geht.
Die Koalition hat Einzelmaßnahmen auf den Tisch ge-legt und viele dieser Maßnahmen sind natürlich kein An-lass für Bravorufe und Begeisterung. Das haben derKanzler und auch unsere Fraktionsvorsitzende KristaSager ganz richtig festgestellt.
– Ja, Sie freuen sich darüber.Uns ist sehr wohl bewusst: Etwa die Ausgliederungdes Krankengeldes aus der gesetzlichen Krankenversi-cherung oder die Kürzung des Niveaus der Arbeitslosen-hilfe ist nur vermittelbar, wenn man sich erstens das Zieldieser Schritte vor Augen hält und zweitens eine Per-spektive konkreter Chancen für diejenigen eröffnet, dieauf die Leistungen des Sozialstaats angewiesen sind.
Beides, Ziel und Perspektive, haben wir im Blick.Es ist unser Ziel, die Finanzierung der Sozialver-sicherungssysteme nicht allein auf abhängige Beschäf-tigung zu stützen. Mit der Riester-Rente haben wir einenersten Schritt getan. Neben der faktischen Inanspruch-nahme darf man auch die Symbolwirkung des Einstiegsin dieses zusätzliche Sicherungssystem nicht unterschät-zen. Wenn dieser Einstieg vorher gelungen wäre – Siehaben ihn in Ihrer Regierungszeit nicht geschafft –, dannwären wir bei der Entwicklung und Entfaltung diesesSystems jetzt vielleicht insgesamt schon viel weiter. Die-sem Zusammenhang sollten Sie sich einmal stellen.dzzAWVSThPbrPgBucAfIsauLvssnDWtwkehggmbstsHdbBSsFzsm
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2775
)
)
Markus KurthEine solche Entwicklung würde letztlich richtig teuerwerden.Im Übrigen ist die Annahme, Sozialhilfe beziehendePersonen seien arbeitsunwillig – dazu muss ich dochnoch kurz ausholen –, empirisch nicht eindeutig belegt;denn immerhin sind bereits 15 bis 20 Prozent der er-werbsfähigen Sozialhilfeempfänger – das sind rund150 000 Personen, zumeist Haushaltvorstände – regulärerwerbstätig und beziehen ergänzende Sozialhilfe. Wirmüssen des Weiteren sehen, dass Familien mit Kindernim Durchschnitt weniger lange Sozialhilfe beziehen alsAlleinstehende, und zwar ganz erheblich weniger lange.Unterstellt man aber die Logik der so genannten Sozial-hilfefalle – Roland Koch und Edmund Stoiber bemühendiese gern –, dann müsste das genaue Gegenteil festzu-stellen sein.
– Den beziehe ich mit ein. – Von vielen wird vorgerech-net, gerade bei Bedarfsgemeinschaften mit Kindernwürde sich die Arbeitsaufnahme nicht lohnen, weil fürsie der Anspruch auf Transferzahlung so hoch sei. Wirsehen aber, dass sich diese bemühen, aus der Sozialhilfeherauszukommen. Diese Hängemattenideologie trägt beiBetrachtung der Realität also offensichtlich nicht sehrweit.
Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir unsereDebatte über die Schwächsten in unserer Gesellschaftendlich wieder sachlich führen. Nehmen wir uns dieFreiheit und den Mut, einmal wieder positiv über einePolitik der sozialen Gerechtigkeit zu debattieren! Versu-chen wir doch einmal, uns nicht gegenseitig mit Kür-zungsvorschlägen zu überbieten, sondern machen wiruns die Mühe, die Politik von ihrem Ende her zu den-ken. Beantworten wir ehrlich die Frage, welche Gesell-schaft wir durch unsere Politik schaffen wollen und inwelchen Verhältnissen wir im Jahre 2010 leben wollen.Bündnis 90/Die Grünen übernehmen da Verantwortung.Danke.
Bevor nun die Kollegin Widmann-Mauz die Ausspra-
che fortsetzt, hat der Kollege Fricke um eine Kurzinter-
vention gebeten.
Herr Kollege Kurth, ich fand es schon etwas platt,
dass Sie bei der Frage, ob es einem gut gegangen ist oder
nicht, auf das Materielle abgehoben haben. Aus meiner
Lebensüberzeugung heraus ist auch das Materielle si-
cherlich ein nicht unerheblicher Punkt; aber ich glaube,
dass bei der Frage, ob es einem gut geht oder nicht, das
Immaterielle, das Seelische viel wichtiger ist. Sie wissen
n
w
g
k
f
d
g
v
I
–
t
G
G
W
r
d
t
G
Z
r
i
g
w
d
F
W
M
h
r
n
s
e
b
l
enau auf dieses Spiel sollten wir uns nicht einlassen.
ir sollten neben der Gerechtigkeit zwischen den Gene-
ationen nicht die Gerechtigkeit innerhalb der verschie-
enen Lebensalterskohorten vergessen.
Ich glaube, wir kommen nur zu einer Gesamtbetrach-
ung, wenn wir die verschiedenen Komponenten von
erechtigkeit – dazu gehören Verteilungsgerechtigkeit,
ugangsgerechtigkeit, Teilhabegerechtigkeit und Ge-
echtigkeit zwischen den Generationen –
n ihrer Dimension gleichberechtigt betrachten. Ich habe
anz erhebliche Zweifel, dass Sie zu dieser gleichge-
ichtigen und übersichtlichen Betrachtung überhaupt in
er Lage sind.
Nun hat die Kollegin Widmann-Mauz, CDU/CSU-
raktion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!enn Hans Eichel einen Haushalt vorlegen will, der dieaastricht-Kriterien erfüllt, muss Ulla Schmidt endlichandeln. Die Reform der gesetzlichen Krankenversiche-ung ist ein ganz wesentlicher Beitrag, um die Lohn-ebenkosten zu senken, die Wirtschaft zu stärken, Men-chen wieder in Arbeit zu bringen und den Haushalt zuntlasten. Frau Schmidt, Sie sind unser Maastricht-Pro-lem. Gerhard Schröder hat dies erkannt, nur Sie ringeneider noch mit sich.
Metadaten/Kopzeile:
2776 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Annette Widmann-MauzUm ganz nüchtern die Bilanz aufzumachen, wo wir inder gesetzlichen Krankenversicherung stehen, ist es not-wendig, noch einmal darzustellen, wie hoch die Ver-schuldung der Kassen eigentlich ist: Defizit im Jahr2001 3 Milliarden Euro, im Jahr 2002 3 Milliarden Euro.Das ist also ein Minus von insgesamt 6 Milliarden Euro,und das trotz einer Welle von Beitragssatzanhebungenseit 2001 um mehr als 0,7 Beitragssatzpunkte auf aktuell14,4 Prozent – Tendenz steigend.Hinzu kommt: Die Kassen sind massiv verschuldet.2 Milliarden Euro Schulden in 2002; der Schätzerkreishat es gerade bestätigt.Das ist die Bilanz Ihrer völlig verfehlten Wirtschafts-,Arbeits- und Gesundheitspolitik.
Die Leidtragenden sind uns ja bekannt: Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer, Patientinnen und Patienten. Siealle zahlen immer höhere Beiträge und bekommen eineimmer schlechtere Versorgung.Auch das Beitragssatzsicherungsgesetz hat mit denMinusrunden und Zwangsrabatten nicht zu stabilen Bei-trägen geführt. Im Gegenteil, es hat desaströse Konse-quenzen für die Versorgung in den Leistungsbereichen.Ursächlich für diese desolate Situation ist Ihre Politik.Das Ganze kam ja nicht über Nacht, sondern hat sichlängst abgezeichnet, aber Sie wollten es nie wahrneh-men. Nach den Debattenbeiträgen, die wir von der SPDbisher gehört haben, scheint mir, dass Sie es nach wievor nicht wahrnehmen wollen, obwohl der Sachverstän-digenrat ein neues Gutachten vorgelegt hat. Frau Kühn-Mengel, ich empfehle Ihnen, dieses Gutachten zu lesen;denn es macht durchaus deutlich, dass wir das Problemin der gesetzlichen Krankenversicherung bei den kon-junkturellen und strukturellen Wachstumsschwächen derFinanzierungsgrundlagen sehen müssen. Dies resultiertaus einem unterdurchschnittlichen Anstieg der Arbeits-entgelte und der steigenden Zahl von Arbeitslosen.Das heißt aber umgekehrt, ohne Reformmaßnahmenwerden wir keine Stärkung der Finanzierungsbasis in dergesetzlichen Krankenversicherung erreichen. Dies ver-kennen Sie, Frau Schmidt, nach wie vor. Ihr Lachenzeigt es wieder deutlich. Es reicht eben nicht aus, nurbesser zu wirtschaften. Sie müssen die Finanzbasis stär-ken, sonst haben Sie keine Chance.Der Sachverständigenrat sagt es Ihnen deutlich. Erschreibt es Ihnen ins Stammbuch. Der Hinweis auf be-stehende Unter-, Über- und Fehlversorgung vermag dieanstehenden Finanzierungsprobleme kurzfristig nicht zulösen und auch mittelfristig lediglich abzumildern. Siehaben dies kontinuierlich ignoriert und bestritten. Sieverfolgen auch seit Jahr und Tag, seit Sie im Amt sind,eine allein auf die Ausgabenseite konzentrierte Politik.Wenn die wenigstens systematisch wäre, könnte manVerständnis haben. Aber mit Ihren Entscheidungen ver-schlechtern Sie die Versorgung und führen zu finanziel-len Mehrbelastungen. Die Stichworte Bürokratie, DRGs,DMPs, Aut-idem-Regelung, Zwangsrabatte, Positivlis-teFuAFZiGBAsvwewdemL–nsszerBmbeThbwhdbcdrnicSmKrket
Ja, Herr Dreßen, Sie bereichern die Debatte ja auch umette Zitate.Sie, Frau Schmidt, ringen nach wie vor mit der Um-etzung. Bleiben Sie dabei, wie Sie einmal so schön ge-agt haben, dass es eine Lebensgefahr für unseren So-ialstaat bedeute oder ökonomischer Unsinn sei, wennin Teil der Beiträge in kapitalgedeckte Zusatzversiche-ungen investiert wird. So haben Sie dies zuletzt beimundeskongress der Arbeitsgemeinschaft der Sozialde-okraten im Dezember letzten Jahres gegeißelt.Man darf gespannt sein, ob die SPD ihrem Kanzleredingungslose Gefolgschaft leistet. Wird denn eins zuins umgesetzt oder wird der Kanzler von seiner eigenenruppe wieder weich gespült? Dass Skepsis in Ihren Rei-en herrscht, haben wir letzte Woche gemerkt. Daraucht man nicht einmal auf die Beiträge von Kollegenie Herrn Dreßen oder Herrn Schösser näher einzuge-en.Wir von der Union würden es begrüßen, wenn auch iner SPD eine echte Reformbereitschaft zum Durch-ruch käme. Wir von der Union haben bereits vor Wo-hen unsere Vorschläge klar formuliert. Wir sind froh,ass der Kanzler erkannt hat, dass die Union die besse-en Konzepte hat. Sie, Frau Schmidt, sind noch langeicht so weit. Das wissen und spüren wir. Deshalb habeh große Zweifel, ob aus Ihnen einmal ein echter Horsteehofer werden wird.
Wir haben eine anspruchsvolle Aufgabe vor uns. Wirüssen ganze Leistungsblöcke aus der gesetzlichenrankenversicherung ausgliedern. Wir müssen versiche-ungsfremde Leistungen umfinanzieren und eine stär-ere Eigenbeteiligung der Versicherten und der Patienteninfordern. Nur so schaffen wir es, den Arbeitgeberbei-rag auf einem niedrigeren Niveau zu stabilisieren. Bei
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2777
)
)
Annette Widmann-Mauzder grundsätzlich richtigen Auswahl der Instrumente,wie wir sie in der letzten Woche gehört haben, verhehleich allerdings nicht, dass wir bei einzelnen Vorschlägendes Kanzlers doch ganz erhebliche Probleme haben.Lassen Sie mich das an dem Beispiel des Kranken-geldes deutlich machen. Die Herausnahme des Kranken-geldes aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Kran-kenversicherung, so wie es der Kanzler vorgeschlagenhat, und eine private Absicherung führen an mehrerenStellen zu größeren Bedenken. Die private Krankenver-sicherung kalkuliert die Prämien risikoäquivalent, waszur Folge hat, dass ältere Menschen, chronisch Krankeund Personen mit Vorerkrankungen kaum einen bezahl-baren Versicherungsschutz finden werden.Will man diese Personengruppen in den Versiche-rungsschutz einbeziehen, müsste die Absicherung desKrankengeldes über Pauschalprämien verpflichtend ge-macht werden.
Die Weigerung der privaten Krankenversicherungen,dem Ministerium entsprechende Angebote zu unterbrei-ten, zeigt deutlich, wie wenig Interesse an diesem Ge-schäft besteht.
Bliebe also die Absicherung des Risikos durch die ge-setzliche Krankenversicherung, allerdings ausschließlichaus Mitteln der Versicherten. Da aber die Rentner nichtmehr mit Arbeitsunfähigkeit konfrontiert werden kön-nen, haben sie keinen Anlass, eine Zusatzversicherungzur Absicherung des Krankengeldes abzuschließen. Bis-her sind aber die Beiträge der Rentnerinnen und Rentnerauch in die Finanzierung des Krankengeldes geflossen.Sie könnten also mangels Leistungsanspruchs nichtmehr zur Beitragszahlung verpflichtet werden. Das heißtumgekehrt, dass die Absicherung insgesamt teurer wird,und zwar von 150 auf 218 Euro pro Mitglied, wie unsdieser Tage vorgerechnet wird.Darüber hinaus würden die gesetzlichen Krankenkas-sen gerne bei der Tarifausgestaltung auch die Leistungs-höhe und die Bezugsdauer berücksichtigen. Das führtaber zu einer Benachteiligung der gewerblich Beschäf-tigten gegenüber den Angestellten im Dienstleistungsge-werbe. Wir haben nämlich keine einheitlichen Tarifver-träge in unserem Land. Der Malocher, wie es so schönheißt, in der Metallindustrie müsste sein Risiko bereitsab der 42. und der Angestellte im Dienstleistungsbereicherst ab der 48. Krankheitswoche absichern. Der Malo-cher müsste also höhere Prämien zahlen als der Ange-stellte im Dienstleistungsbereich.
Sagen Sie uns einmal ganz offen, ob Sie sich wiederan einer Ungleichbehandlung der abhängig Beschäftig-ten im Vergleich zu den Beamtinnen und Beamten in un-serem Land beteiligen wollen, wie Sie es beim Sterbe-geld schon einmal getan haben? Die Beamtinnen undBeamten brauchen nämlich kein Krankengeld, weil siensSlejezknuWnHAÜrEegZwZa1ndaeaeGumKtezslc1SBDag
Metadaten/Kopzeile:
2778 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit undSoziale Sicherung:Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Widmann-Mauz, Sie machen mich manchmal sehrunsicher. Ich frage mich, ob Sie nicht heimlich Mitgliedder SPD geworden sind. Es ist schon das zweite Mal,dass Sie aus SPD-internen Briefen mit der Überschrift„Liebe Genossen!“ usw. zitieren. Ich habe das, was Sieangesprochen haben, nicht gesagt. Man sollte Aussagennicht aus dem Zusammenhang reißen. Es wäre alsoschön, wenn Sie mir das nächste Mal Ihre Informationengeben würden.Es kommt darauf an, was privat abgesichert werdensoll. Das medizinisch Notwendige kann nicht ergänzendabgesichert werden. Denn die Privatversicherungen neh-men Menschen mit Vorerkrankungen nicht auf. Dass wirein Gesundheitssystem haben, in dem alle Menschen un-abhängig von ihrem Geldbeutel und ihren Vorerkrankun-gen sämtliche Leistungen erhalten, ist eine große Errun-genschaft, die wir gemeinsam fortsetzen sollten.
Es geht nicht, einzelne Risiken, die auch medizinischNotwendiges umfassen, aus dem Leistungskatalog dergesetzlichen Krankenkassen herauszunehmen und pri-vat zu versichern. Denn diejenigen Menschen, die kranksind, oder diejenigen, die schon krank zur Welt kommen,hätten keine Chance, sich versichern zu lassen, bzw.müssten, weil Leistungen im Krankheitsfall kaum be-zahlbar wären, sehr viel Geld haben. Wenn das mit demvon Ihnen Zitierte in Einklang steht, dann habe ich dasgesagt; dazu stehe ich.
Lassen Sie mich aber an diesem Tag zunächst einmalDank sagen für die gute Zusammenarbeit, die wir trotzeiniger Differenzen mit den Mitgliedern des Haushalts-ausschusses hatten. Am heutigen Tag gilt mein besonde-rer Dank den Berichterstattern im Haushaltsausschussfür meinen Geschäftsbereich: Frau Lehn, Frau Hajduk,Herrn Luther und Herrn Fricke. Wir haben zwar Kontro-versen gehabt; wir haben uns aber immer wieder geei-nigt. Ich glaube, dass der Haushalt, der heute vorliegt,eine sehr gute Grundlage für mein Ministerium und dieArbeit ist.
Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden,dass wir uns im Moment in sehr schwierigen Zeiten be-finden. Der Kollege Luther hat gesagt, wir seien heute inemssTbguvtskWkdMdgesBvfVaGkwdwnsmieMkcrbafopgMksuKkUdsl
Das wichtigste Ziel im Hinblick auf die Beitragssatz-ntwicklung und die Risiken in den sozialen Sicherungs-ystemen ist, Beschäftigung zu schaffen. Hierzu hat derundeskanzler am vergangenen Freitag eine Vielzahlon Vorschlägen gemacht, zum Beispiel zur Zusammen-ührung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe, zueränderungen im Zusammenhang mit dem Bürokratie-bbau und der mittelständischen Wirtschaft sowie zumesundheitswesen und zur Rente. Die Sozialpolitik kanneine Arbeitsplätze schaffen. Aber wir müssen schauen,ie wir den Faktor Arbeit entlasten müssen, und wir beier Neuorganisation der Systeme folgende Fragen beant-orten: Was gehört zum paritätisch finanzierten Teil ei-es Sozialversicherungssystems? Was sind gesamtge-ellschaftlich notwendige Aufgaben, die erledigt werdenüssen? Wo kann man den Menschen zumuten, etwasndividuell, privat abzusichern? Das muss nicht immer ininer privaten Versicherung erfolgen, Frau Widmann-auz, sondern man kann auch andere Wege gehen. Manönnte zum Beispiel das Krankengeld in der gesetzli-hen Krankenversicherung belassen, es aber aus der pa-itätischen Finanzierung herausnehmen, sodass die Ar-eitnehmer diesen Teil selber zahlen, weil auf dernderen Seite die Arbeitgeber die sechs Wochen Lohn-ortzahlung auch allein zahlen. So etwa könnten wir esrganisieren.Ich glaube, es wird darauf ankommen, das Solidar-rinzip nicht außer Kraft zu setzen. Deshalb sind wirefordert, Regelungen zu finden, die sehr nahe bei denenschen sind. Das gilt für die Absicherung des Kran-engeldes genauso wie für Leistungen aus der Unfallver-icherung. Wir müssen eine Regelung finden, die risiko-nabhängig allen gleiche Chancen bietet, wenn sie aufrankengeld angewiesen sind, auch Leistungen zu be-ommen. Dasselbe würde für Leistungen nach einemnfall und auch für die Zahnbehandlung gelten, umiese drei Blöcke einmal zu nennen. Die Menschen müs-en unabhängig vom individuellen Risiko durch das So-idarsystem abgesichert sein. Sie müssen in diesen Fällen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2779
)
)
Bundesministerin Ulla Schmidtnotwendige Leistungen unabhängig von der Frage derindividuellen Leistungsfähigkeit bekommen. Das ist dieHerausforderung, die wir annehmen.
Die Reform wird sich auch dadurch auszeichnen, dasswir schmerzhafte Einschnitte, die gemacht werden müs-sen, um die Lohnnebenkosten zu senken, so absichern,dass sie für die Menschen verkraftbar sind.Beim Krankengeld müssen wir selbstverständlichdarauf achten, dass die Verkäuferin, die bei Aldi beschäf-tigt ist und nur sechs Wochen Lohnfortzahlung hat, nichtschlechter gestellt wird als der Beschäftigte im öffentli-chen Dienst, der nach zehn Jahren Zugehörigkeit erheb-lich länger Anspruch auf Lohnfortzahlung hat. Deshalbkann der Weg nur sein, in der gesetzlichen Krankenversi-cherung nach solidarischen Regelungen zu suchen. Da-mit entlasten wir den Faktor Arbeit und sichern gleich-zeitig die Menschen so ab, dass sie im Falle einerKrankheit nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind, weil ih-nen kein Krankengeld mehr gezahlt wird. Ich glaube, dasist der Weg, den wir gemeinsam gehen sollten.
Unser Ziel ist, den Beitragssatz in der GKV auf unter13 Prozent zu senken. Sie wissen alle, dass das ein sehrehrgeiziges Ziel ist. Bei allen Entwicklungen in diesemJahr und auch bei Veränderungen, die im Bereich von Ar-beitslosenhilfe und Sozialhilfe beschlossen werden, ummehr Beschäftigung zu schaffen, müssen wir immer be-achten, dass sie auch zu Einnahmeausfällen in den sozia-len Sicherungssystemen führen können. Das wissen Sieund das weiß ich auch. Wenn wir dieses Ziel erreichenwollen, dürfen wir nicht nur auf die nackten Zahlen sehen,sondern müssen ein Gesamtpaket auf den Weg bringen.Wir müssen über die Frage der Strukturreform dis-kutieren. Jeder weiß: Es kann in diesem System nichtmehr so weitergehen wie bisher. Wir müssen dafür sor-gen, dass das Geld der Versicherten effektiv und effizienteingesetzt wird, dass es genau da ankommt, wo es ei-gentlich hingehört.
Dabei werden wir uns mit vielen Lobbyistengruppen indiesem Lande anlegen müssen; das haben wir heuteMorgen gesehen.
Es wird schwierig, einen Beitragssatz von unter13 Prozent zu fordern und gleichzeitig die Apotheker-schaft und die Ärzte außen vor zu lassen und bei denKrankenhäusern alles zurückzunehmen nach dem Motto:Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Nachdieser Methode werden wir keine Gesundheitsreform aufden Weg bringen, sondern Belastungen fördern.
WtdidwvwadddtkghdcmbcndkllrEAbhKBge0anmeWafIw
Der Kollege Spahn sprach vorhin davon, es müsstelar gesagt werden, wohin die Reise geht. Auch Sie wol-en unter oder auf 13 Prozent kommen.Frau Widmann-Mauz, Sie haben einen Antrag vorge-egt, in dem es heißt, Sie wollten den Großhandels-abatt wieder rückgängig machen; die 600 Millionenuro Entlastung sollen also wegfallen.
ußerdem haben Sie einen Verzicht auf alle Nullrundeneschlossen. Drittens sagt der Kollege Seehofer, dereute nicht hier ist, man müsse bei den Glaspalästen derrankenkassen etwas machen, während zugleich imundesrat eine Nullrunde auch für die Verwaltungsaus-aben der Krankenkassen blockiert wird.
Mit all diesen Forderungen kommen wir wieder aufine Belastung von vielleicht 2 Milliarden Euro; das sind,2 Prozent. Dadurch würde es noch viel schwieriger,uf einen Beitragssatz von 13 Prozent zu kommen. Aberachdem Sie jetzt erklärt haben, Sie wollten diesen Wegit uns gemeinsam gehen, hoffe ich, dass Sie sich dafürinsetzen, dass wir einen Schritt nach vorn kommen.Dies gilt auch für die hochpreisigen Arzneimittel. Frauidmann-Mauz, Sie sitzen lange genug im Gesundheits-usschuss und wissen, dass rund 70 Prozent neu einge-ührter hochpreisiger Arzneimittel keine medizinischennnovationen sind und nicht gegeben werden müssen,eil es vergleichbare, aber kostengünstigere Arzneimittel
Metadaten/Kopzeile:
2780 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Bundesministerin Ulla Schmidtgibt. Nur rund 30 Prozent dieser Arzneimittel stellenwirkliche Innovationen dar. Wenn wir die Innovationenund den mit ihnen verbundenen zusätzlichen Nutzen aufDauer für alle sicherstellen wollen, dann müssen wir ver-hindern, dass Arzneimittel ohne zusätzlichen Nutzen zudreimal so hohen Kosten abgegeben werden. Anderswerden wir nicht schaffen, was wir uns vorgenommenhaben. Hier darf man es sich nicht zu leicht machen.
Der dritte Punkt, den ich noch ansprechen möchte, ist dieSteuerfinanzierung, die vom Kollegen Luther kritisiertworden ist, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. – Manch-mal lese ich auch das, was meine Kolleginnen und Kollegenaus der CDU/CSU schreiben. – Ich dachte immer, dass wiruns in diesem Punkt einig sind, weil wir dies alles schonlange fordern. Ich bin sehr froh, dass uns jetzt der Einstieg ge-lingen wird, den wir bei der Rente bereits geschafft haben.Herr Kollege Luther, es geht nicht um eine Steuerfinanzie-rung der Rente. Was haben wir gemacht?
In den letzten zehn Jahren waren wir uns in diesemHause immer einig, dass dies der richtige Weg ist. Wirhaben gesagt: Es gibt Leistungen, die die Beitragszahle-rinnen und Beitragszahler zahlen müssen, und es gibtLeistungen in unserem sozialen Sicherungssystem, beidenen es ungerecht wäre, sie nur von Arbeitgebern sowieArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zahlen zu lassen.Solche gesamtgesellschaftlichen Leistungen müssen da-her über Steuern finanziert werden. Zum Beispiel zahlenwir bei der Rente knapp 12 Milliarden Euro über Steuern,damit Mütter oder Väter – in der Regel sind es Mütter –für die ersten drei Jahre der Kindererziehung Beitragszei-ten in der Rentenversicherung anerkannt bekommen, so-dass Kindererziehung nicht dazu führt, dass man im AlterEinbußen bei der Rente hat. Ich bin froh, dass wir dies fürdie jüngere Generation – die ältere profitiert nicht so sehrdavon – haben sicherstellen können.Wenn wir alle Bereiche durchforsten, stellen wir fest,dass wir eine ganze Menge machen können. Bei der Ren-tenversicherung müssen wir die Einnahmeproblemeselbstverständlich berücksichtigen. Der Bundeskanzlerhat hier richtigerweise gesagt, dass unsere Berechnungender Beschäftigungs- und Wachstumsentwicklung etwaszu optimistisch waren. Das wissen wir heute alle.
– Ja, das waren wir. Das waren aber auch alle Institute.Herr Austermann, Sie sind Haushälter und wissen, dassalle Institute fast jede Woche etwas anderes sagen. Dasmacht es manchmal etwas schwierig. Die Annahmenwaren optimistisch. Schließlich wollen wir alle, dass esvorwärts geht. Ich als optimistische Frau will, dass esimmer vorwärts geht.
Wir mussten auf die Prognose, dass die Lebenserwar-tung – Gott sei Dank – höher ausfällt, reagieren. DeshalbhdswSlsiRMsGwumISSSSebswvkSDD
Wir haben vorgesorgt: Wenn sich in der in der Voraus-chau zeigt, dass die Beiträge 2030 die 22-Prozent-renze überschreiten, muss der Staat handeln. Der Staatird handeln. Wir werden die Entwicklung beobachtennd zur Nachjustierung der Rentenformel Vorschlägeachen.
Frau Ministerin, sind Sie geneigt, nach Beendigung
hrer Redezeit noch eine Zusatzfrage des Kollegen
torm aufzunehmen?
Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
oziale Sicherung:
Wenn Sie es gestatten.
Bitte schön.
Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
oziale Sicherung:
Jetzt glaubt Herr Storm, ihr klatscht für ihn!
Ich bedanke mich zunächst einmal dafür, dass diePD-Fraktion klatscht, wenn ich eine Frage stelle.Frau Ministerin, in der letzen Woche haben Sie nochrklären lassen, dass Sie mit der Beitragssatzfestsetzungis November warten wollen. Habe ich Sie richtig ver-tanden, dass Sie noch vor der Sommerpause überlegenollen, wie die Beitragssatzprobleme, die in der Renten-ersicherung im nächsten Jahr drohen, gelöst werdenönnen und nicht bis zum November warten wollen?Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit undoziale Sicherung:Herr Kollege Storm, Sie beschäftigen sich mit denaten zur Rentenversicherung. Auf der Grundlage deraten der Rentenversicherungsträger können wir immer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2781
)
)
Bundesministerin Ulla Schmidterst im Herbst sagen, wie die Entwicklung im kommen-den Jahr aussehen wird. Wir arbeiten aber – das wissenSie – mit der Rürup-Kommission. Wenn die Entwicklun-gen anders sind, als wir sie prognostiziert haben, brau-chen wir eine Nachjustierung der Rentenformel.Dazu gibt es verschiedene Vorschläge. Ein Vorschlaggeht beispielsweise dahin, auf der Einnahmeseite dieEinkommen aller Beitragszahler, auch der Bezieher vonArbeitslosenhilfe, Arbeitslosengeld usw., einzubeziehen.Wir werden hier Vorlagen einbringen und im Parlamentdann darüber beraten.Man kann aber noch nicht sagen, wie die Entwicklungim nächsten Jahr aussehen wird.
Es gibt Risiken. Es bestehen aber immer noch Chancen,dass das Wachstum in diesem Jahr ansteigt, weil die Ge-setze, die wir hier zum Teil gemeinsam verabschiedethaben, greifen. Ich höre Sie noch sagen: Wenn wir die400-Euro-Jobs regeln, entstehen 800 000 Arbeitsplätze.– Sie können doch nicht so wenig Vertrauen in Ihre eige-nen Reformen haben. Wie die Entwicklung im kommen-den Jahr aussehen wird, wissen wir im Herbst,
weil dann der VDR und die Rentenversicherungsträger– von denen stammen auch Ihre Zahlen – die Daten vor-legen. Der Präsident der Bundesversicherungsanstalt fürAngestellte hat am vergangenen Sonntag gesagt: Imkommenden Jahr können die Rentenbeiträge stagnieren,sinken,
aber sie können auch steigen. Das sage auch ich Ihnen,weil man zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr sagen kann.
Das, was Sie als Letztes gesagt haben, wird so man-
cher schon vermutet haben.
Nun hat die Abgeordnete Frau Dr. Lötzsch das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bun-desrepublik ist auf dem Weg in die Ich-AG. Die Ich-AGwird zum Programm. Dabei geht es nicht nur um denUmbau des Arbeitsmarktes, sondern auch um den Umbaudes Sozialstaates: weg von dem solidarischen System hinzu einem kommerziellen System. Jeder soll sich um seineRisiken selber kümmern, ob er kann oder nicht. Die Ver-sicherungen müssen schließlich auch von etwas leben.Auf diese Weise – so hat uns am Freitag auch derBundeskanzler seine Vorhaben verkündet – wird das so-lssssVtrdsrhweGdPnwzhVbezdwvAdARsdwDBBatoRBdKdcAnsAgKb
Metadaten/Kopzeile:
2782 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
– Diese Länder haben höhere Mehrwertsteuersätze. Aberda sie auf diese Produkte keine Mehrwertsteuer erheben,ist Ihre Zwischenbemerkung hinfällig. Sie ergibt keinenSinn.Der Bundesminister saniert seine Haushaltskassenalso über die Krankenversicherung und mithilfe derMehrwertsteuer auf Arzneimittel. In dieser Frage kannich nur sagen: Weniger Staat! Mit dem willkürlichen Zu-griff des Staates auf die Beiträge der Versicherten mussendlich Schluss sein.
Wir als PDS fordern erstens die Stärkung der Einnah-men der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Wegehabe ich dargestellt. Zweitens fordern wir die Finanzie-rung versicherungsfremder Leistungen durch den Bund.Drittens fordern wir mehr Geld für die Gesundheitsprä-vention. Ich glaube, es würde allen in diesem Hause guttun und wir würden uns wohl fühlen, wenn wir den Prä-ventionsgedanken verwirklichen. Viertens fordern wirden Erhalt des Krankengeldes, damit die Leute nichtkrank zur Arbeit gehen müssen, sondern etwas für ihreGesundheit tun können. Ansonsten könnte man, wennman krank zu Hause bliebe, seine Krankheit nicht mehrfinanzieren.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Nächster Redner in der Aussprache zum Einzel-
plan 15 ist der Kollege Zöller, CDU/CSU.
s
v
b
n
m
P
W
e
c
v
h
m
1
c
g
J
D
z
d
r
d
d
G
n
r
d
r
a
d
d
e
F
c
s
r
l
k
d
n
i
z
n
m
e
g
s
d
d
Frau Ministerin, Sie sagen, dass Sie zum Beispiel beien Apothekern etwas tun wollen. Können Sie mir erklä-en, wieso Sie generell eine Nullrunde verordnen undabei einen Bereich herausgreifen, der fast 80 Prozenter Einsparsumme finanzieren soll? Es wird wohl Ihreheimnis bleiben, wie das sozial gerecht sein soll.Wir reden heute auch noch über einen weiteren Punkt,ämlich über die Gesetzgebung zum Fallpauschalenände-ungsgesetz. Erst seit knapp drei Monaten besteht für dieeutschen Krankenhäuser die Möglichkeit, ihre stationä-en Leistungen mit diagnoseorientierten Fallpauschalenbzurechnen. Gleichzeitig hat die Bundesregierung mitem Beitragssatzsicherungsgesetz allen Krankenhäusern,ie nicht auf das neue Fallpauschalensystem umsteigen,ine Nullrunde verordnet. Die Zustimmung zum neuenallpauschalengesetz wollte man sich mit dem Verspre-hen der Etaterhöhung um 0,81 Prozent quasi erkaufen.Vergessen wir bitte nicht: In dem Fallpauschalenge-etz werden die Vergütungen in einem Wirtschaftsbe-eich mit einem Jahresumsatz von weit mehr als 50 Mil-iarden Euro völlig neu geregelt. Dass bereits nach sourzer Zeit Grundsätze dieses Regelungswerkes geän-ert werden müssen, bestätigt unsere damalige Ableh-ung. Es besteht ein völlig unnötiger Zeitdruck und Siegnorieren Fachargumente. Jetzt sollen plötzlich nichtuzuordnende Fälle ausgenommen werden. Das sind ge-au die Fälle, bei denen wir seit jeher eine Abrechnungit Fallpauschalen für nicht durchführbar hielten. Einrnsthafter Dialog mit Fachverbänden, Selbstverwaltun-en und Ländern war hier offenbar niemals beabsichtigt.Der Hauptfehler war, dass Rot-Grün ein Vergütungs-ystem zu 100 Prozent übernimmt, obwohl dessen Erfin-er in seinem Heimatland nur 50 Prozent der Leistungenamit abrechnet. Dies geschieht nach dem Motto, egal,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2783
)
)
Wolfgang Zöllerob es funktioniert oder nicht. Dahinter kann doch nur derGedanke in Richtung einer Staatsmedizin stecken;
denn wenn sämtliche Leistungen in Fallgruppen erfasstwerden, genügt eine Senkung des Basisfallwertes, damitallen Krankenhäusern die Vergütung gekürzt wird. Diesgeschieht unabhängig davon, ob die Krankenhäuser we-gen der demographischen oder medizinisch-technischenEntwicklung, unabweisbarer Fallzahlen oder Kostenstei-gerungen mehr Geld benötigen. Das ist keine Gesund-heitspolitik nach dem medizinisch Notwendigen, son-dern nach staatlicher Kassenlage.
Ich sage Ihnen voraus, dass diese Reform des Geset-zes nicht die letzte Änderung sein wird. Sie haben näm-lich die Rechtsprechung bezüglich der Arbeitszeitrege-lung nicht entsprechend berücksichtigt. Sie werden insehr kurzer Zeit wieder nachbessern müssen. Hätten Sieetwas sorgfältiger gearbeitet und die Vorschläge derSachverständigen und auch unsere Vorschläge gebüh-rend geprüft, so hätten Sie gleich zu Beginn einen Ge-setzentwurf vorlegen können, der allen Beteiligten weni-ger Verunsicherung, weniger Zeitverlust und bessereKalkulierbarkeit beschert hätte. Aber späte Einsicht istbesser als keine. Ich empfehle Ihnen im Übrigen dieLektüre von Faust. Ich meine nicht den „Faust“ vonGoethe, sondern Hans Georg Faust. Er hat in einer sehrguten Analyse die Probleme untersucht.
Lassen Sie mich einen zweiten Bereich ansprechen.In der Pflegeversicherung tickt eine demographischeZeitbombe. Der Altersaufbau der Bevölkerung wird un-sere Sozialsysteme dramatisch verändern. Deshalb ist esmehr als bedauerlich, dass der Bundeskanzler in seinerRegierungserklärung das Thema Pflegeversicherung mitkeinem Wort erwähnt hat.
Wollte der Sachverständigenrat wenige Tage zuvor dieSolidargemeinschaft quasi abschaffen, so wäre es amFreitag eigentlich die Pflicht des Kanzlers gewesen, die-ses Problem aufzugreifen und Stellung zu beziehen. Lei-der Fehlanzeige!Dabei sind viele Probleme im stationären Bereich un-gelöst. Es ist ein falscher Ansatz, Qualitätsmängel da-durch beheben zu wollen, dass Sie Qualität von außen indas System hineinbringen, anstelle genügend ausgebil-detes Personal zu finanzieren, damit Qualität geleistetwerden kann. In diesem Ansatz unterscheiden wir unsganz wesentlich. Auch Personalgewinnungsproblemewarten auf eine zukunftsweisende Antwort.Darüber hinaus dürfen wir die Probleme im ambulan-ten Bereich der häuslichen Krankenpflege nicht einfachunter den Tisch fallen lassen. Nicht sauber geklärte Zu-ständigkeiten führen zu Verschiebebahnhöfen von Leis-trVmnbnEsdidbIqndZSGsWddBwghuMkmztsdddwibnekSMAmdgwPP
Metadaten/Kopzeile:
2784 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Nun hat der Kollege Schmidbauer für die SPD-Frak-
tion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichglaube, es ist notwendig, ein paar Sätze zu dem, wasHerr Kollege Zöller eben angeführt hat, zu sagen. Innächster Zeit werden wir – zwar nicht im Rahmen desHaushalts, aber generell – noch genügend Gelegenheithaben, um über das Thema Pflege zu sprechen. Denn dasist uns ein Kernanliegen, zu dem wir auch inhaltlich ste-hen. Wir sind uns völlig klar darüber, dass wir immerwieder vor neuen Herausforderungen stehen werden.Herr Kollege Zöller, ich wäre Ihnen nur sehr dankbargewesen, wenn Sie auch etwas dazu gesagt hätten, wieSie die Frage nach der Finanzierung der Mehrkosten imPflegebereich, die Sie eben aufgelistet haben, beantwor-ten. Sind Sie denn der Auffassung, dass – nachdem diePflegeversicherung bisher ausschließlich von den Ar-beitnehmern dieses Landes finanziert wurde – in Zu-kunft auch die Arbeitgeber einen Beitrag dazu leistensollten? Es wäre interessant, einmal zu hören, wie Siesich die Zukunft der Pflegeversicherung vorstellen undauf welcher Basis sie aufgebaut werden soll.Ein weiterer Punkt: Sie sprechen immer von der Erb-last. Aber ich finde, dass wir nur eine Erblast festzustel-len haben: dass wir ein sehr teures Gesundheitssystemvorgefunden haben, zu dem der Sachverständigenratsagt, dass es sich vor allem durch Überversorgung, Fehl-versorgung und Unterversorgung auszeichne. Wenn dieskeine Erblast ist, dann weiß ich nicht, was mit dem Be-griff Erblast in Verbindung zu bringen wäre.
Wenn Sie dann noch davon sprechen, dass wir in dergesetzlichen Krankenversicherung 2 Milliarden Eurovon Ihnen geerbt hätten, so verschweigen Sie der Öffent-lichkeit nach wie vor, dass ein Jahr bevor Sie abgewähltworden sind, 30 Prozent der Menschen in unseremLande weniger Zahnersatzleistungen in Anspruch neh-men konnten, weil die Differenz zwischen Ihrer Privatre-gelung und dem, was die Krankenkassen erstatten durf-ten, so groß geworden ist, dass sich ein Drittel derMenschen keinen Zahnersatz mehr leisten konnte. Dasmussten wir in den nachfolgenden Jahren wieder aus-gleichen.EwdzWWkszmlgZilehzzlshWstEhl5KmZzspknJhdmMZ
ir wollen im Gesundheitswesen mehr Effizienz, mehrirtschaftlichkeit und mehr Gestaltungsmöglichkeiten.Ich will nun aber zu unserem zentralen Anliegenommen, welches heute auch auf der Tagesordnungteht. Das ist die Einbringung des Gesetzentwurfesur Änderung des Fallpauschalengesetzes. Ich möchteich zunächst herzlich dafür bedanken, dass es mög-ich war, dieses Gesetz ganz unbürokratisch auf die Ta-esordnung zu setzen. Damit gewinnen wir natürlicheit. Ich hoffe, dass damit ein gutes Signal verbundenst und wir mit diesem Gesetz schnell an das Ziel ge-angen. Die Krankenhäuser in Deutschland verdienens, dass wir ihnen in einer schwierigen Situation dabeielfen, Entwicklungen im Krankenhausbereich voran-ubringen.
Wir werden noch öfter bei der Krankenhausvergütungu einer Fortschreibung kommen müssen, weil das einernendes System ist. Bei einem lernenden System müs-en alle Beteiligten aus dem Lernen Konsequenzen zie-en.
ir haben aus dem Lernen die Konsequenz ziehen müs-en, dass der Gesetzgeber in einigen Bereichen nachjus-ieren muss. Das ändert aber nichts daran, dass das imndeffekt die Fortschreibung einer Erfolgsstory ist.Ich glaube, dass die Neuorientierung im Kranken-aussektor in Deutschland weniger als im internationa-en Vergleich geschätzt wird. Wir sind endlich das1. Land, das bei einem neuen Vergütungssystem imrankenhauswesen angelangt ist. Es führt kein Wegehr zurück, sondern es führt nur noch ein Weg in dieukunft. Das ist wichtig. Viele haben der Koalition nichtugetraut, dass sie den größten Ausgabenblock im Ge-undheitswesen, nämlich den Krankenhausbereich, an-ackt und ihn neu ordnet. Das lassen wir uns jetzt nichtaputtreden.Jetzt wird endlich Leistung sachgerecht bezahlt undach Leistung abgerechnet. Wir haben in diesem neuenahrhundert nicht mehr die Situation, dass die Kranken-äuser nach der Zahl der belegten Betten bezahlt wer-en, die Menschen also im Bett „festgehalten“ werdenüssen, damit die Erträge des Krankenhauses stimmen.it solchen antiquierten Vorstellungen werden wir dieukunft nicht meistern.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2785
)
)
Horst Schmidbauer
Es müssen Systeme her, die die Leistung ordentlich ab-bilden.
Viel wichtiger dabei ist, dass endlich der Patient inden Mittelpunkt rückt. Wir sehen in den Krankenhäu-sern, die mit diesen Fallpauschalen arbeiten, dass sichdie Strukturen des Krankenhauses ändern. Der Patient istplötzlich Mittelpunkt des Betriebsablaufs, er wird inten-siver betreut und versorgt. Man weiß, dass die Gewinnerdieser Entwicklung diejenigen sind, die den Patienten inden Mittelpunkt stellen und den Betriebsablauf auf ihnausrichten. Nur wenn das geschieht, haben die Kranken-häuser die Chance, Fortschritte zu erzielen.Wir sehen einen weiteren Fortschritt für den Patientendarin, dass endlich eine ganzheitliche Betrachtung derKrankengeschichte stattfindet. Wir wollen darüber hi-naus den informierten Patienten, was Transparenz undQualität erforderlich macht. Das werden wir mit demGesetz konsequent in die Tat umsetzen. Das Gesetz führtzu mehr Gerechtigkeit.Es stellte sich die Frage, welche Schlussfolgerungenwir aus dem Lernprozess ziehen. Es hat sich herauskris-tallisiert, dass wir eine weitere Differenzierung bei denFallpauschalen brauchen. Die Gespräche mit den medi-zinischen Fachgesellschaften, mit Behindertenorganisa-tionen und mit Selbsthilfeorganisationen haben gezeigt,dass wir wesentliche Elemente, die in Australien nicht inden Fallpauschalen geregelt sind, in Deutschland regelnmüssen und auch regeln können.Deshalb öffnen wir nun das Gesetz und lassen dieRegelung auch für neue Bereiche zu, wie zum BeispielEpilepsie, Geriatrie, Pädiatrie und die Behandlung vonschwerstbehinderten Menschen. Von der Öffnung desGesetzes für diese wichtigen Personengruppen profitie-ren die Patienten und letztendlich auch die Kranken-häuser, weil sie eine sachgerechte Vergütung bekommen.Dafür wollen wir das Gesetz ändern. Wir müssen auchdie Konfliktlösungsmechanismen im Gesetz ändern,weil wir gesehen haben, dass sich die Selbstverwaltungim vergangenen Jahr stark blockiert hat. Deswegen istauch in diesem Bereich eine Änderung vorgesehen.Wir müssen leider auch einen Schritt gehen, der unssicherlich allen wehtut. Zum 1. Januar 2004 hätte erst-mals die Chance bestanden, eine neue Vergütungsformfür Auszubildende in Krankenhäusern in dem Sinneeinzuführen, dass endlich die ausbildenden Krankenhäu-ser belohnt würden, während die nicht ausbildendenKrankenhäuser Zahlungen leisten müssten.
Weil sich die Selbstverwaltungen, das heißt die Kran-kenhausgesellschaften auf Länderebene, und die Ländernicht auf ein Verfahren zur Bewertung einigen konnten,sind wir leider gezwungen, das Gesetz um ein Jahr auf2005 zu verschieben. Das tut weh, aber wir müssen inder Anhörung nach Lösungsmöglichkeiten suchen, umuns in der Zwischenzeit so zu positionieren, dass die mitdtiV7msaDwb–dsnlmWpSdiWSsIwndn
Ich ärgere mich auch über einen weiteren Aufschub.iele Krankenhäuser – 500 in der ersten Stufe, weitere00 in der zweiten Stufe – wollen in diesem Jahr 2003it den neuen Fallpauschalen arbeiten. Die Krankenhäu-er stellen sich derzeit mit all ihren Einrichtungen undllen Beschäftigten darauf ein. Wir hoffen, dass wir amonnerstag die Blockade der B-Länder überwinden,eil sonst die 700 Krankenhäuser nicht die Chance ha-en –
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
ja, Herr Präsident –, das Konzept umzusetzen. Ich bin
er Meinung, wir dürfen diese 700 Krankenhäuser, die
ich darauf eingestellt haben und motiviert sind, einen
euen Weg zu beschreiten, nicht gegen die Wand fahren
assen. Ich bitte die Opposition, ihren Einfluss geltend zu
achen und den Krankenhäusern zu helfen, den neuen
eg unbeschadet gehen zu können.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-lan 15 – Bundesministerium für Gesundheit undoziale Sicherung – in der Ausschussfassung. Wer füren Einzelplan 15 in dieser Fassung stimmt, den bittech um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –er enthält sich? – Der Einzelplan 15 ist mit dentimmen der Koalition gegen die Stimmen der Oppo-ition so angenommen.Wir kommen zum Fallpauschalenänderungsgesetz.nterfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-urfs auf Drucksache 15/614 an die in der Tagesord-ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt esazu anderweitige Vorschläge? – Das ist offensichtlichicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.Ich rufe nun Zusatztagesordnungspunkt 1 auf:1 Beratung des Antrags der BundesregierungBeteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an demEU-geführten Einsatz auf mazedonischem Territoriumzur weiteren Stabilisierung des Friedensprozesses undzum Schutz von Beobachtern internationaler Organisatio-nen im Rahmen der weiteren Implementierung des politi-schen Rahmenabkommens vom 13. August 2001 auf derGrundlage des Ersuchens des mazedonischen PräsidentenTrajkovski vom 17. Januar 2003 und der Resolution 1371
Metadaten/Kopzeile:
2786 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom
26. September 2001– Drucksache 15/696 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOEine Aussprache ist dazu nicht vorgesehen. Inter-fraktionell wird die Überweisung des Antrages aufDrucksache 15/696 an die in der Tagesordnung aufge-führten Ausschüsse vorgeschlagen. – Darüber besteht of-fensichtlich Einvernehmen. Dann ist die Überweisung sobeschlossen.Ich rufe nun Tagesordnungspunkt I.15 auf:Einzelplan 14Bundesministerium der VerteidigungDrucksachennummer 15/562, 15/572Berichterstattung:Abgeordnete Dietrich AustermannBartholomäus KalbDr. Elke LeonardAlexander BondeJürgen KoppelinEs liegen drei Änderungsanträge der Fraktion derCDU/CSU sowie ein Änderungsantrag der FDP-Frak-tion vor. Des Weiteren liegt ein Entschließungsantrag derCDU/CSU-Fraktion vor, über den wir morgen nach derSchlussabstimmung abstimmen werden.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ichkeinen Widerspruch. Dann ist auch das so beschlossen.Erster Redner ist der Kollege Dietrich Austermann,CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zurzeitsind 9 000 Soldaten – darunter 1 700 Wehrpflichtige –und zivile Mitarbeiter weltweit im Einsatz.Sie sind eingesetzt, um die Freiheit zu sichern und dieMenschenwürde wiederherzustellen. Ich glaube, dass esnotwendig ist, dass wir von dieser Stelle aus für dasganze Haus und für das ganze Land den Soldaten für ih-ren schwierigen und gefahrvollen Dienst immer wiederdanken.
Dies ist angesichts der gegenwärtigen Situation, der da-mit verbundenen Diskussion und beabsichtigter weite-rer Einsätze besonders wichtig; denn die Debatte derletzten anderthalb Tage wird ja von dem außenpoliti-schen Problem überlagert, das sich mit den Stichwörtern„Irakkrise“, „Irakkrieg“ und „Irakeinsatz“ beschreibenlässt.dÜkgBdwdkSzBnfddVtwWsgusBbDnsßettbdndhßBandodkbvodsNbwad
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2787
)
)
In dieser Debatte über den Bundeswehretat muss manfeststellen, dass die Verteidigungshaushalte, die Rot-Grün seit der Regierungsübernahme und damit seit derÜbernahme der Verantwortung für die Bundeswehr vor-gelegt hat, zwar unterschiedlich ausgestaltet waren, abereigentlich immer das Gleiche zum Ziel hatten: Es wurdegekürzt, es wurde gestrichen. Die finanzielle Situationder Bundeswehr hat sich verschlechtert.
Die Finanzen der Bundeswehr sind zu knapp.Diesen Zustand hat man mit unterschiedlichen Begrif-fen bezeichnet. Man sprach von einem Nothaushalt, voneinem Übergangshaushalt oder einem Brückenhaushalt.Herr Scharping – er hat die Verantwortung für die Bun-deswehr jetzt erfreulicherweise nicht mehr; er hat aberviel Durcheinander angerichtet – war in dieser Angele-genheit – wie auch in anderen – sehr erfinderisch. Dashat nicht dazu beigetragen, dass sich die Situation derBundeswehr verbessert hat. Eine Reform aus einemGuss hat es nicht gegeben und es wird sie auch nicht ge-ben, solange die finanzielle Situation nicht konkret ver-bessert wird.Jetzt soll offensichtlich eine drastische Reduzierung er-folgen, um finanziellen Spielraum für notwendige Maß-nahmen zu bekommen. Eine drastische Reduzierung be-deutet für mich, dass es nach der letzten Bundeswehrreformunter Scharping, die die Schließung von etwa 70 Standortenmit sich brachte, zu weiteren 40 bis 50 Standortschlie-ßungen und wahrscheinlich zur Auflösung einer Divisionkommen wird. Ich bin sehr gespannt, was der Verteidi-gungsminister heute dazu sagt. Man kennt das ja: An einemTag werden von Regierungsmitgliedern Erklärungen abge-geben, die kurz danach – ich denke in diesem Fall an den28. März, dann wird der Generalinspekteur seine konkretenPläne vorlegen – möglicherweise nicht mehr gelten.Sparbeiträge zur Konsolidierung des Bundeshaushal-tes werden zulasten der Investitionsmöglichkeiten ge-lmdWghswL–mbkdotbkMgJddhDWsDfdVpwWdwkdwwsbamdtc
Ja, eine halbe Milliarde. – Ein Grund dafür ist, dassan Einsparungen, die in einem Chefgespräch verein-art wurden, zustimmen musste. Bisher war es so – soenne ich es –, dass man zur Kürzung eines Etats entwe-er eine reale Kürzung – der Etat wird herabgesetzt –der eine globale Minderausgabe vornimmt, was bedeu-et, dass an bestimmten Stellen noch Sparbeiträge er-racht werden müssen.Mittlerweile gibt es eine neue Form, wie man Etat-ürzungen vornehmen kann: Gespräche zwischen eineminister und dem Finanzminister. In diesen „Chef-esprächen“ wird zugestanden, dass man im Laufe desahres einen bestimmten Betrag einsparen muss. Das haten Vorteil, dass ein Etat größer erscheint, als er ist, undass die Verbündeten im Ausland, die die genauen Ge-eimnisse unserer Beratungen nicht kennen, glauben: Dieeutschen sind wacker und bleiben bei ihrer Linie. Inirklichkeit sind im Laufe der Etatberatungen, wie ge-agt, eben einmal 250 Millionen Euro verloren gegangen.ass das für den Betrieb der Bundeswehr, für Beschaf-ungsvorhaben der Bundeswehr sowie für Investitionener Bundeswehr Konsequenzen hat, dürfte deutlich sein.Schon jetzt ist klar, dass außer den bereits bekanntenorhaben in diesem Jahr und in den Jahren bis 2007raktisch keine neuen Beschaffungen mehr getätigterden können.
as das für die Bundeswehr, die gezwungen ist, zu mo-ernisieren, bedeutet, ist für jedermann ersichtlich. Ichiederhole: Es werden bis zum Jahre 2007 praktischeine neuen Beschaffungen getätigt werden können. Bisahin besteht nämlich kein Finanzspielraum. Selbstenn Sie die Hälfte der Standorte schließen würden,ürde Sie das nicht in die Lage versetzen, von der einge-chlagenen Linie deutlich abzuweichen, es sei denn, maneabsichtigt tatsächlich, die Bundeswehr als Steinbruchnzusehen.Der Auftrag an den Generalinspekteur, nach Einspar-öglichkeiten zu suchen, ist nur dann zu erfüllen, wennie Bundeswehr nicht behutsam reformiert, sondern wei-er „durcheinander geschüttelt“ wird. Für Letzteres spre-hen allerdings gewisse Ankündigungen. In Schleswig-
Metadaten/Kopzeile:
2788 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dietrich AustermannHolstein zum Beispiel wurden falsche Standortentschei-dungen getroffen: die Auflösung der Marineflieger-einheit, die Begrenzung der Luftabwehr, die Begrenzungder Anzahl der Hubschrauber und die Reduzierung derAnzahl von gepanzerten Fahrzeugen. Wenn man dieZahl der internationalen Einsätze steigern und die Bun-deswehr stärker auf internationale Einsätze ausrichtenwill, dann muss man vor allen Dingen auf gepanzerteFahrzeuge und nicht auf Holzgewehre oder andere Ge-räte setzen.Der Wunsch, weniger gepanzerte Fahrzeuge für dasHeer bereitzustellen, steht auch im Widerspruch zurBündnisverpflichtung; denn kein Einsatz im Rahmen ei-ner Krisenreaktion ist ohne diese gepanzerten Fahrzeugemöglich.Der Verteidigungsminister weist immer wieder daraufhin, dass ein gesicherter Etat zur Verfügung steht. Diescheinbare Anhebung der Investitionssumme ist aller-dings nur auf die Umbuchung der Mittel für Auslands-einsätze aus dem allgemeinen Etat in den Verteidi-gungsetat zurückzuführen. Im Laufe des Jahres dürfte esschwierig sein, die Mittel für internationale Einsätze auf-zubringen, weil der Etatansatz in diesem Jahr rückläufigist. In diesem Jahr steht die Entscheidung darüber an,wer in Afghanistan Lead Nation wird. Die Franzosenweigern sich bisher, einer Übernahme dieser Funktiondurch die NATO insgesamt zuzustimmen. Das bedeutet,dass unter Umständen auch Deutschland weitere Kostenzu tragen hat. Von anderen internationalen Einsätzen, diesich in diesem Jahr ergeben werden, will ich gar nicht re-den.Nun hat der frühere Verteidigungsminister, den manleider immer wieder erwähnen muss, weil er viele Stell-schrauben im Etat gleichzeitig gedreht und damit vielSchaden angerichtet hat, aus ideologischen oder aus wel-chen Gründen auch immer geglaubt, man könne durchPrivatisierungsmaßnahmen eine Fülle von effizienz-steigernden Maßnahmen einleiten. Es wurde die Gesell-schaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb,GEBB, gegründet. Sie sollte das Ganze verbessern undgewaltige Erträge erwirtschaften. Sie deckt nach zwei-einhalb Jahren Tätigkeit noch nicht einmal ihre eigenenKosten, die inzwischen in der Größenordnung von60 Millionen DM liegen. Ich habe den Eindruck, dasssich auch die Genossen inzwischen von dem Hurra-Patriotismus gegenüber der GEBB verabschieden.Die Fuhrparkgesellschaft, die die gesamten Fahr-zeuge der Bundeswehr übernehmen sollte, scheint er-folgreich zu sein, aber nur deshalb, weil offensichtlichnicht richtig gerechnet wird. Sie ist im Laufe der nächs-ten vier Jahre teurer, als es der herkömmliche Betriebdurch die Bundeswehr selbst wäre.Interessant ist: Inzwischen kümmert sich die EU umdieses Vorhaben. Sie prüft zurzeit die Mehrwertsteuerbe-freiung für die Fuhrparkgesellschaft. Aber nur durch dieMehrwertsteuerbefreiung der privaten Gesellschaft, diedie Bundeswehr einrichten wollte, gibt es überhaupt nurden Hauch einer Chance, dass sich diese Maßnahmerechnen könnte. Dass dann auch noch ein General imAufsichtsrat dieser Fuhrparkgesellschaft sitzt, sprichtnkwdndPTddnlStdseafgNnDdEkZvFLdoUsteHedgeBMwWds
ie schadet der Bundeswehr. Sie verwischt Verantwor-ung. Das ist der größte Unfug, der im Bereich der Bun-eswehr angerichtet worden ist.
Der Anteil des Verteidigungsetats am Bundeshaushaltinkt weiter. Er liegt noch bei 9,8 Prozent. Dass das Ist-rgebnis im letzten Jahr ein Plus aufgewiesen hat, ist nuruf die Verstärkung aus dem Antiterrorpaket zurückzu-ühren. Der Investitionsanteil wächst nur nominal. Wennleichwohl Finanzierungsspielräume zugunsten voneuvorhaben aufgezeigt worden sind, dann betrifft dasur Vorhaben, die anfinanziert werden, aber nicht aufauer finanziert werden.Wir sind uns mit dem Ministerium über die Beschaffunger Großraumtransportflugzeuge einig. Ich glaube, dassinigkeit im ganzen Hause besteht, nachdem inzwischenlar ist, dass die Zahl von 73 nicht mehr gilt, sondern dieahl von 60 gilt. Wir haben allerdings Zweifel, ob die auchom Vorgänger des jetzigen Ministers geplante Art derinanzierung in Ordnung ist. Man möchte eine Zahlung beiieferung. Zurzeit grübeln Finanzministerium und Vertei-igungsministerium darüber, wie man das machen kann,hne dass es im Haushalt beim Bund oder in der Bilanz, desnternehmens, das uns den Kredit vermitteln soll, er-cheint. In beiden Fällen wäre das nämlich für die Beteilig-n schädlich.Ich sage Ihnen: Kommen Sie auf die Rechtslage, dieaushaltsordnung, zurück! Machen Sie das Ganze nachinem ordentlichen Modell, zumal die Finanzierungurch Tabaksteuer und Versicherungsteuer längst gere-elt sein sollte.Hinter diesem Thema versteckt sich aber auch nochtwas ganz anderes, nämlich dass durch die zu geringeneschaffungen und den zu geringen Spielraum für dieodernisierung der Bundeswehr auch unsere deutscheehrtechnische Industrie in gewaltige Probleme kommt.enn man das auffangen will, dann muss man endlichazu übergehen, auf europäischer Ebene eine Harmoni-ierung des Exports anzustreben.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2789
)
)
Dietrich AustermannEs kann nicht sein, dass wir neben der Tatsache, dasszu wenig Geld für die Modernisierung der Bundeswehrvorhanden ist, auch noch den Firmen die Möglichkeitversagen, innerhalb des NATO-Gebietes Geschäfte zumachen, die auch zur Aufrechterhaltung der Verteidi-gungsbereitschaft der NATO-Partner notwendig sind.Mir leuchtet überhaupt nicht ein, dass man sich hiernoch vor Wochen mit Verve dafür eingesetzt hat, dieTürkei in die Europäische Union aufzunehmen, undgleichzeitig sagt, Waffenlieferungen dürften nicht statt-finden.Die Harmonisierung des Exports auf europäischerEbene scheint mir notwendig zu sein. Das schließt dieAufforderung ein – das sage ich auch als norddeutscherAbgeordneter –, die gewünschte Lieferung von U-Bootendurch HDW an Taiwan zu prüfen. Interessanterweise hatsich der ehemalige Kollege Opel dafür ausgesprochen.Meine Damen und Herren, der einzige erfreulicheFaktor an dem Verteidigungsetat ist, dass die Ausgabenfür Forschung, Entwicklung und Erprobung auf rund1 Milliarde Euro angestiegen sind. Sie erreichen damitübrigens gerade einmal das Niveau des Jahres 1984.Wenn es richtig ist, dass dieser Ausgabenbereich die Zu-kunftsfähigkeit der Bundeswehr reflektiert, dann liegtder jetzigen Bundesregierung die Zukunft der Bundes-wehr offensichtlich nicht sonderlich am Herzen; denndieser Bereich hätte deutlich eher und mehr verstärktwerden müssen.Wie es ohne zusätzliche Finanzmittel gelingen soll,erstens den Reformprozess voranzubringen und die Be-triebsstrukturen zu optimieren, zweitens Fähigkeits-lücken in Ausrüstungen und Material zu schließen unddrittens den Beitrag der Bundeswehr zur internationalenKrisenbewältigung in unverändertem Umfang aufrecht-zuerhalten, bleibt unerfindlich, wenn man sich dieFinanzplanung anschaut.Zunächst hieß es, der Generalinspekteur habe denAuftrag, durch Strecken, Schieben und Streichen Luft imEtat zu gewinnen. Inzwischen scheint dies zu den Aktengelegt worden zu sein. Kürzungen der Programmvolu-mina können erst in späteren Jahren Einsparungen brin-gen. Also bleibt nur der Eingriff in den Betrieb. Dies be-deutet eine neue Diskussion um Standorte, die sich überdas ganze Bundesgebiet ausdehnen dürfte.Kein vernünftiger Haushälter wert sich gegen denVersuch, die Bundeswehr sparsamer zu machen. EineReform der Reform Scharpings ist geradezu geboten.Aber dies darf nicht mit der Brechstange geschehen.Lassen Sie mich mit einem Hinweis auf den Berichtdes Wehrbeauftragten schließen, der feststellt, dasssich die Zahl der Beschwerden im letzten Jahr und auchin den ersten Monaten dieses Jahres erheblich gesteigerthat. Das hängt mit der Unterfinanzierung der Bundes-wehr zusammen. Es hängt damit zusammen, dass immermehr Material und Mittel aus dem täglichen Betrieb ab-gezogen und ins Ausland geschafft werden müssen undim Inland Lücken entstehen.Das macht deutlich, dass wir eine Umkehr brauchen.Deswegen haben wir als CDU/CSU in den BeratungenetMwEiunnsZRpSgwut„wEbsrDaOEgdsSKaDhwAMaIIgr
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Elke Leonhard,
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-en! Aufgrund der aktuellen Situation zwei Punkte vor-eg: Wir sind gegenwärtig Augenzeugen zweier außen-nd sicherheitspolitischer Ansätze; zum einen der „Mili-arisierung der Außenpolitik“ und zum anderen einerRenaissance der Diplomatie“, die – wenn auch gegen-ärtig nicht erfolgreich – an Intensität und Dichte füruropa und die Vereinten Nationen Geschichte schrei-en wird.Der Helsinki-Prozess dauerte 22 Jahre und die Um-etzung des Korbes III hat die Welt humaner und siche-er gemacht, trotz anfänglicher Skepsis.Der ehemalige Bundeskanzler der Bundesrepublikeutschland Willy Brandt hat am 11. Dezember 1971nlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises inslo gesagt: Der Krieg darf kein Mittel der Politik sein.s geht darum, Kriege abzuschaffen, nicht nur, sie zu be-renzen!Lassen Sie mich zu Beginn ein aufrichtiges Danke anas Bundesministerium der Verteidigung aussprechen,tellvertretend seien Minister Dr. Struck und die Herrentaatssekretäre Wagner, Eickenboom, Biederbick undolbow namentlich genannt. Aber auch die Haushalts-bteilung hat die Bücher offen gelegt. Ebenso gilt meinank den Berichterstattern der CDU/CSU-Fraktion. Wiraben eben gesehen: Die Sorge ist berechtigt; da redenir nicht darum herum. Wir streiten über begründetensätze. Ich werde auf diesen Punkt zurückkommen.ein Dank geht auch in Richtung der FDP und natürlichn meinen Kollegen vom Bündnis 90/Die Grünen.Mit der gebotenen Sachlichkeit sind wir bemüht, dienvestitionsquote von 24,6 auf 30 Prozent zu steigern.ch sage das jetzt, weil viele der Fragen, die Sie auf-eworfen haben, damit beantwortet werden. Die Diffe-enzen liegen eher im Grundsätzlichen und lassen sich
Metadaten/Kopzeile:
2790 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dr. Elke Leonhardauf die Termini Friedensumfang, Heimatschutztruppe,Wehrpflicht und Entsendegesetz reduzieren.Entschiedene Vorbehalte habe ich – wenn ich „ich“sage, ist es nicht mit der Fraktion abgestimmt – bezüg-lich der Vorstellung der Opposition zur verfassungs-rechtlichen Erweiterung der Aufgaben der Bundeswehrim Innern. Zur Optimierung der Zusammenarbeit vonBundeswehr, Polizei, Grenz-, Zivil- und Katastrophen-schutz sage ich Ja, aber die bestehenden verfassungsmä-ßigen Grundlagen reichen dafür schon aus.
Sie müssen nur konsequenter umgesetzt werden. Die Zu-sammenarbeit der verschiedenen Institutionen muss ingemeinsamen Übungen erprobt werden.Dennoch ist eines festzustellen: Wer das Papier derUnion liest, erkennt, dass es durchaus eine tragfähigeGrundlage für eine weiterführende Diskussion ist, weiles keine substanziellen Widersprüche gegen die neuenverteidigungspolitischen Richtlinien erwarten lässt. DieSchaffung einer Nationalgarde, wie von der FDP vorge-schlagen,
ist nicht hilfreich. Eine Schattenarmee würde mehr Pro-bleme schaffen, Herr Kollege, als sie zu lösen vorgibt.Dennoch – das muss auch gesagt werden – enthält dasFDP-Papier klar artikulierte sozial-liberale Grundsätzesowie die Ablehnung eines Automatismus, der die deut-schen Soldaten an allen denkbaren Missionen teilnehmenlässt. Gefordert – das ist besonders sympathisch – werdeneine „Kultur der Zurückhaltung“ und ein stärkerer Ein-satz – ich sagte es schon – von Politik und Diplomatie.Nun möchte ich zum Haushalt 2003 kommen. DerHaushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat am20. Februar 2003 den Regierungsentwurf des Verteidi-gungshaushaltes 2003 abschließend beraten. Unter Be-rücksichtigung der ab 2002 bereitgestellten Zusatzmitteldes Antiterrorprogramms von rund 767 Millionen Eurohat der Verteidigungshaushalt unverändert ein Volumenvon rund 24,4 Milliarden Euro. Der Anteil des Verteidi-gungshaushaltes an den Gesamtausgaben des Bundes be-trägt im kommenden Jahr – es wurde schon gesagt –9,8 Prozent. Im Ergebnis ist dies eine Verstetigung derAusgaben gegenüber dem Haushalt 2002.Innerhalb des Einzelplanes 14 sind eine angemessenefinanzielle Vorsorge für die Fortführung der laufendeninternationalen Einsätze, der geplante Aufwuchs bei denZeit- und Berufssoldaten einschließlich der beschlosse-nen Attraktivitätsmaßnahmen und der sozialverträglicheAbbau von Zivilpersonal, der dazu beiträgt, dass die Per-sonalausgaben mittelfristig bis auf maximal rund 51 Pro-zent der Verteidigungsausgaben eingefroren werdenkönnen, berücksichtigt.Über die Mittel für den notwendigen Ausbildungs-und Übungsbetrieb der Streitkräfte und die Finanzierunglaufender Entwicklungs- und Beschaffungsvorhaben,insbesondere auch der Großvorhaben, die Sie eben ange-sebsgbübDtrrDBVaksKadd–sdQBvSpgUdrdggssvhjucNfdBnaTn
wenn Sie einen guten hatten, dann haben wir einenehr guten Verteidigungsminister – und seiner Kollegen,ie ihn unterstützt haben, nachgelesen. Jetzt liegt dieuote bei 25 Prozent. Wir werden sie weiter steigern.
Zum Personal: Auch im Haushalt 2003 wird dasundesministerium der Verteidigung durch Planstellen-erbesserung die Attraktivität des Dienstes in dentreitkräften fördern. Im Rahmen des Attraktivitäts-rogramms sind nahezu 5 000 Planstellenverbesserun-en für Soldaten, im Wesentlichen für Mannschaften undnteroffiziere, vorgesehen. Auf dieser Basis werden iniesem Jahr rund 13 000 Beförderungen möglich, davonund 10 700 bei den Unteroffizieren und rund 2 100 beien Mannschaftsgraden. Mit rund 200 Planstellenhebun-en kann auch im Bereich der mittleren Besoldungs-ruppen des Zivilpersonals ein erster Schritt zur Verbes-erung der Beförderungsmöglichkeiten getan werden.Lassen Sie mich noch ein Wort zur Konsolidierungagen. Der Verteidigungshaushalt ist weiterhin in dieon der Bundesregierung fortgesetzte Politik der Haus-altskonsolidierung eingebunden, um die aktuellen kon-nkturellen Verwerfungen aufzufangen und die jährli-hen Zins- und Tilgungsverpflichtungen zu begrenzen.ur so können die notwendigen Gestaltungsspielräumeür wichtige Zukunftsinvestitionen auch für den Vertei-igungshaushalt zurückgewonnen werden.Zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes trägt dieundeswehr durch den Verzicht in Höhe von 94 Millio-en Euro – ich sage das ganz deutlich – auf Einnahmenus der Veräußerung von Wehrmaterial sowie auf eineneil der Verstärkungsmöglichkeiten zugunsten der inter-ationalen Einsätze bei. Hinzu kommen 151 Millionen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2791
)
)
Dr. Elke LeonhardEuro, die im Haushaltsvollzug im Einzelplan 14 zu er-wirtschaften sind. Verstärkungsmöglichkeiten des Ein-zelplans 14 bestehen noch in Höhe von 192 Millio-nen Euro aus dem gesamten Bundeshaushalt zur Finan-zierung der internationalen Einsätze im Zusammenhangmit der Übernahme der Funktion als Lead Nation inAfghanistan.Einige Worte zur Perspektive. Der Minister hat am5. Dezember 2002 in groben Umrissen die Neuausrich-tung der Bundeswehr skizziert und am 21. Februar mitelf Kriterien die Kerngedanken der neuen verteidigungs-politischen Richtlinien konkretisiert. Er wird voraus-sichtlich im Mai dieses Jahres die neuen verteidigungs-politischen Richtlinien erlassen. Erst auf der Grundlagedieser Richtlinien werden wir, wie er treffend formu-lierte, nicht nur die Leitplanken, sondern auch die Fahr-bahnmarkierungen der qualitativen Anpassung an dieneuen außen- und sicherheitspolitischen Notwendigkei-ten erkennen.Die Etablierung eines gesellschaftlichen Diskursesscheint mir – ich sage „mir“, weil dieser Gedanke nichtmit der Fraktion abgesprochen ist – erforderlich. Aberwer will, dass die Soldaten für ihren verantwortlichenAuftrag auch weiterhin die Akzeptanz der Gesellschaftund damit die nötige Rückendeckung haben, muss einenDiskurs, der von den parlamentarischen Gremien undvon den Plenardebatten in die Gesellschaft strömt, etab-lieren.Wer den Menschen draußen intensiv zuhört, der wirderfahren, dass sie Ängste haben. Ich glaube, es ist wich-tig, dass die Menschen hören, sehen und fühlen, dass al-les dafür getan wird, die Bedrohung zu erkennen und zuminimieren. Ich bin sicher: Die gegenwärtigen Ängsteder Menschen, die, wie Psychologen und Ökonomen sa-gen, auch ökonomische Folgen haben, werden in demMaße reduziert, wie die Prozesse der Sicherheitspolitiktransparent werden. Insofern steht eine große Aufgabevor uns.Was muss transparent werden?Erstens. Europa ist nicht zuletzt aufgrund der Verän-derungen der sicherheitspolitischen Bedingungen nach1990 zu einem Stabilitätsraum geworden, der ohne exis-tenzielle Bedrohung ist. Gleichwohl müssen wir gewahrwerden, dass terroristische Bedrohungen und die zuneh-mende Verbreitung von Massenvernichtungswaffen dieinternationale Staatengemeinschaft mit der Gefahr derDestabilisierung ihrer politischen Ordnungen konfron-tieren.Zweitens. Sicherheit in und für Europa ist unteilbar.Kein einzelner Staat – auch nicht die USA – kann alleinFrieden, Sicherheit und Stabilität für sich oder sein Um-feld garantieren. Moderne militärische Fähigkeiten blei-ben daher Teil einer intelligenten, langfristigen und um-fassenden Vorsorge im Hinblick auf unsere Sicherheit.Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stellen sich komple-xere und immer weniger berechenbare Herausforderun-gen. Das Aufgabenspektrum unserer Streitkräfte istdamit vielfältiger und differenzierter geworden. Wir las-sen uns dabei von dem Prinzip leiten, dass gemeinsameRfwodislkdiKwtPGdHibnsxsdwegdtDdSnPBsJssdFft
Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist derntelligente Umgang mit Ressourcen. Er ist ebenso be-timmend für unsere Reformüberlegungen wie der intel-igente Umgang mit knappen Ressourcen. Sie werdenünftig noch stärker als bisher vor allem zur Erfüllunger originär militärischen Aufgaben eingesetzt und – wommer möglich und zweckmäßig – durch multinationaleooperationen gebündelt werden. So ist es der Bundes-ehr beispielsweise gelungen, die Ausgaben für interna-ionale Einsätze seit 1995 zu verzehnfachen, ohne denlafond wesentlich zu erhöhen.
leichzeitig ist der Verteidigungshaushalt weiterhin inie von der Bundesregierung fortgesetzte Politik deraushaltskonsolidierung eingebunden.Wir haben also folgende Situation: Die Bundeswehrst erstens zu einer Armee im Einsatz geworden. Derzeitefinden sich rund 10 000 Soldaten in sechs internatio-alen Einsätzen. Die Erfahrung aus internationalen Ein-ätzen zweitens, das mit wachsender Dynamik komple-er werdende sicherheitspolitische Umfeld drittens undchließlich viertens die Erfahrungen der Bundeswehr beier Umsetzung der Reformen machen eine Weiterent-icklung der Reformen zwingend erforderlich. Dies istine ständige Aufgabe. Sie erfordert enorme Anstren-ungen bei den Soldaten und den zivilen Mitarbeiterner Bundeswehr, die seit Jahren erbracht und auch wei-erhin erforderlich sein werden.Lassen Sie mich an dieser Stelle unseren Soldatenank und Respekt aussprechen. Sie sind gegenwärtigie besten Botschafter der Bundesrepublik Deutschland.
ie sichern den Frieden und zivile Prozesse!
Um an die Rede des Bundeskanzlers vom vergange-en Freitag anzuschließen: Die Bundeswehr hat dierobleme nicht auf die lange Bank geschoben. Dieundeswehr lässt Lösungen nicht an Einzelinteressencheitern. Insofern vollzieht sich in der Bundeswehr seitahren beispielhaft, was anderen Bereichen der Gesell-chaft, die weit mehr im Blickpunkt stehen, noch bevor-teht.Der Weg ist klar vorgegeben: Damit die Ausrüstunger Bundeswehr umfassend modernisiert und den neuenähigkeiten angepasst werden kann, müssen Freiräumeür neue Investitionen geschaffen werden. Die Inves-itionsausgaben im Verteidigungshaushalt hatten 1997
Metadaten/Kopzeile:
2792 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dr. Elke Leonhardeinen Anteil von 21,6 Prozent; das sagte ich soeben. Füreine umfassende Modernisierung der Ausrüstung ist – dashaben wir hochgerechnet – eine Investitionsquote vonrund 30 Prozent erforderlich. Wir liegen im Übrigen mitunserer Quote von 25 Prozent durchaus in der oberenSpitze des mit vergleichbaren Nationen besetzten Feldes,müssen uns also nicht verstecken.Die rot-grüne Koalition hat die Investitionsquote auf24,7 Prozent im Jahre 2002 angehoben und noch imZeitraum des 36. Finanzplanes bis 2006 wird dieser Wertschrittweise auf über 27 Prozent angehoben.
Aufgrund des konstanten Plafonds müssen die Be-triebsausgaben gesenkt werden.Der Verteidigungsminister beabsichtigt, bereits 2004die Bundeswehrplanung an die voraussichtlich verfüg-baren Finanzmittel anzupassen. Damit werden erstmalsin der Geschichte der Bundeswehr die militärischen Pla-nungen nicht nur an den militärischen Forderungen aus-gerichtet, sondern zusätzlich mit betriebswirtschaft-lichen Methoden und Prinzipien in Einklang gebracht.Das führt zu einer Optimierung der Leistung der Bun-deswehr bei neuem Plafond.Was heißt das konkret? Bei der Suche nach der je-weils optimalen Lösung darf es grundsätzlich keine Ta-bus geben.
Umfang, Struktur und Ausstattung bedürfen ständiger,eingehender und kritischer Prüfungen sowie gegebenen-falls neuer Entscheidungen. Dies haben wir bereits in derKoalitionsvereinbarung deutlich gemacht. So ist bei-spielsweise die Umfangzahl von 285 000 Soldaten keineuniverselle Naturkonstante. Sie muss sich aus den ange-sprochenen Randbedingungen ableiten. Wer den Konso-lidierungskurs fortsetzen und den investiven Anteil bisauf 30 Prozent steigern will, kommt nicht umhin, überdie Umfangzahl von 280 000 Soldaten nachzudenken.Das ist meine Auffassung.
Ich habe immer wieder gesagt: Man muss redlich seinund sorgfältig zwischen dem, was schon Mehrheitsmei-nung ist, und dem, was man selbst zu verteidigen ge-denkt, trennen.Die Ökonomisierung der Reform – ich würde denVorgang so bezeichnen – verlangt weitere intelligenteAnsätze. Dieser Prozess ist in vollem Gange. Lassen Siemich exemplarisch die Konzeption der Informations-und Kommunikationstechnologie erwähnen. Der Mi-nister formulierte ebenso treffend wie bildhaft: Der Sol-dat der Zukunft wird über einen Laptop nicht nur mit sei-nen Vorgesetzten oder seinen Stäben, sondern mit allenStellen verbunden sein. Er muss mit amerikanischenoder belgischen Kameraden, die im gleichen Auslands-einsatz sind, vernetzt sein können.
–dI–nr–NihddJwsnNmgGBunnttshFKdhbS
Ich war 16 Jahre in Amerika und ich sage Ihnen: Es isticht vorbei. Wir haben bald wieder eine andere Regie-ung, dann geht es anders weiter.
Nicht hier! Damit es keine Missverständnisse gibt:icht in der Bundesrepublik! Die nächsten Wahlen sindn den Vereinigten Staaten von Amerika!!
Entgegen den Ratschlägen des Bundesrechnungs-ofes, dessen Mitarbeitern für ihre Gründlichkeit zuanken ist, haben wir uns entschieden, grünes Licht füren nächsten Planungsschritt zu geben, damit nach dreiahren Stillstand in diesem so wesentlichen Prozess keineiteres Jahr durch unprofessionelle Experimentier-chritte vertan wird. Die Lösung heißt: strategische Part-erschaft und Kooperation mit der Wirtschaft.Die Reform der Bundeswehr ist auf Effektivität undachhaltigkeit angelegt. Sie ist mit der strikten Ökono-isierung beispielhaft für die notwendigen Anstrengun-en in anderen Bereichen wie Wirtschaft, Arbeitsmarkt,esundheit und Rentenpolitik. Die Menschen in derundeswehr haben es verdient, dass wir ihre Leistungennd ihre Reformwilligkeit anerkennen.
Mit dem Bundeshaushalt 2003 wird ein ausgewoge-er Verteidigungshaushalt verabschiedet. Er leistet ei-erseits einen enormen Beitrag zur Konsolidierung undrägt andererseits zur konsequenten Forsetzung der größ-en Reform der Bundeswehr mit beispielhaften Reform-chritten ohne zusätzliche Ansprüche an den Bundes-aushalt bei.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Günther Nolting,
DP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frauollegin Leonhard, wenn Sie im Zusammenhang miten transatlantischen Beziehungen davon sprechen, wirätten bald eine neue Regierung und dann werde allesesser, dann kann ich dem nur zustimmen. Wir werdenie dabei tatkräftig unterstützen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2793
)
)
Günther Friedrich NoltingMeine Damen und Herren, ich danke zu Beginnmeiner Rede allen Soldatinnen und Soldaten sowie allenzivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundes-wehr für ihre außerordentlich guten Leistungen, die sieim letzten Jahr erbracht haben,
und zwar, Herr Kollege Austermann, sowohl im Auslandals auch im Inland, zum Teil unter widrigsten Umstän-den. Wir können auf den Leistungswillen und die Leis-tungsfähigkeit der Bundeswehrangehörigen stolz sein.Stolz können wir allerdings nicht auf die Leistungender Bundesregierung sein;
denn diese Bundesregierung gibt der Bundeswehr zwarimmer wieder neue Aufgaben und Aufträge, nicht aberdie dazu nötigen Mittel. Frau Kollegin Leonhard, als Sieheute den Haushalt bejubelt haben, haben Sie vergessen,aufzuzeigen, dass aus dem jetzigen Haushalt rund1,2 Milliarden Euro für Auslandseinsätze bezahlt werdenmüssen und dass seit 1999 die Personalkosten um rund1 Milliarde Euro gestiegen sind. Daher kann ich nur fest-halten, dass es um diesen Haushalt schlecht bestellt ist.
Die Auswirkungen dieser verfehlten Politik sind imletzten Bericht des Wehrbeauftragten ungeschminktdargestellt worden. Auch dazu haben Sie heute nichtsgesagt. Daher zeige ich auf, wie es um die Bundeswehrwirklich bestellt ist. Wenn mit der Bundeswehr alles inOrdnung ist, wie Sie sagten, Frau Kollegin Leonhard,warum haben wir dann einen Anstieg der Eingaben beimWehrbeauftragten um 32 Prozent?
Seit Bestehen des Amtes des Wehrbeauftragten, also seit1959, hat es noch nie eine so hohe Zahl von Eingabengegeben. Warum gibt es dann ein Fehl von circa 1 200Offizieren und 20 000 Unteroffizieren? Diese Fragenmöchte ich vom Minister beantwortet bekommen. Werkann denn ernsthaft von einer hohen Attraktivität desDienstes in der Bundeswehr sprechen, Herr MinisterStruck, wenn im vergangenen Jahr von 12 000 Oberfeld-webeln, die die Voraussetzungen zur Beförderung zumHauptfeldwebel erfüllten, nur 2 500 befördert wurden?Warum, Herr Minister Struck, würden mehr als dieHälfte der Berufssoldaten, die vom Personalanpassungs-gesetz betroffen sind, die Bundeswehr vorzeitig verlas-sen, wenn sie denn könnten? Wenn mit der Bundeswehralles in Ordnung ist, wie seitens der Bundesregierungimmer wieder beteuert wird, warum war dann das Be-werberaufkommen bei den Offizieren im Jahre 2002 er-neut rückläufig? Warum halbierte sich dann das Bewer-beraufkommen bei den Sanitätsoffizieren in den fünfJahren rot-grüner Regierung? Warum verweigerten dannim vergangenen Jahr fast 190 000 Wehrpflichtige, alsorund 45 Prozent eines Jahrgangs, den Wehrdienst? Die-ser Fragenkatalog ließe sich problemlos erweitern.
zdnbDpatvBhsZrWFsBnSnGDgnRhffscgg2IwfAwamszc6
er gordische Knoten der Bundeswehr heißt Wehr-flicht. Wird dieser nicht durchgeschlagen, gibt es keineuch nur mittelfristige Planungssicherheit für die Solda-en und ihre Familien.Meine Damen und Herren, die FDP hat bereits vorier Jahren praktikable Vorstellungen zur Reform derundeswehr vorgelegt. Diese tragen sowohl den sicher-eitspolitischen Anforderungen als auch den gesell-chaftspolitischen Notwendigkeiten Rechnung. Langeeit wurden unsere Reformvorschläge entweder igno-iert oder als nicht realisierbar abgetan. Doch dieeizsäcker-Kommission und andere Institutionen mitachverstand griffen die Vorstellungen der FDP auf undchlossen sich diesen an.Vier Jahre sind nun vergangen, ohne dass sich für dieundeswehr etwas zum Positiven verändert hat. Aber ei-ige Sicherheitspolitiker aus der Union und auch derPD sind allmählich aufgewacht und nähern sich we-igstens mit einigen wenigen ihrer zu Papier gebrachtenedanken den FDP-Vorschlägen an.
ie Pläne des Verteidigungsministers jedoch hinken so-ar den vorsichtigen Veränderungswünschen seiner eige-en Fraktionskolleginnen und -kollegen hinterher. Seineeformvorstellungen sind mutlos und werden darüberinaus nur halbherzig weiterverfolgt.
Herr Minister Struck, Sie sprechen von einer solideninanziellen Grundlage für den weiteren Weg der Re-ormen. Sie behaupten, die Planung bis zum Jahr 2006ei eine Weichenstellung, um den angeblich erfolgrei-hen Weg zu Ende gehen zu können. Herr Struck, ver-essen Sie dabei eigentlich, dass die von Ihnen gelobteleich bleibende Finanzausstattung in Höhe von4,4 Milliarden Euro realwirtschaftlich eine Absenkunghres Haushaltes pro Jahr bedeutet? Ihre Haushaltslöchererden von Jahr zu Jahr größer und mit ihnen die Unzu-riedenheit der Bundeswehrangehörigen.
ngesichts der steigenden Verantwortung und der Aus-eitung von Aufträgen ist das aus unserer Sicht unver-ntwortbar.Herr Minister Struck, völlig unverständlich ist fürich in diesem Zusammenhang – ich will nur ein Bei-piel nennen – Ihre Entscheidung zum Transportflug-eug A400M. Mir ist schleierhaft, wie Sie bei Strei-hung der Evakuierungsoption auf eine Bestellung von0 Transportflugzeugen kommen. Der reinen Logik der
Metadaten/Kopzeile:
2794 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Günther Friedrich NoltingMathematik folgend, ergibt sich für diesen Fall ein be-deutend geringerer Bedarf.
Ich empfehle Ihnen eine erneute Überprüfung diesesSachverhaltes. Immerhin sind bei Berichtigung diesesRechenfehlers weit mehr als 1 Milliarde Euro einzuspa-ren.
Sie sehen, es gibt viele Möglichkeiten, Gelder einzuspa-ren bzw. umzuschichten. Leider werden diese nicht ge-nutzt.Jedoch gibt es Bereiche, in denen nicht gespart wer-den darf. Dazu gehört die Anhebung des Ostsoldes aufdas Westniveau.
Die Soldaten, die uns seit Jahren die deutsche Einheitvorleben, werden immer wieder vertröstet. Dieser Zu-stand ist unhaltbar. Liebe Kolleginnen und Kollegen,wären Sie bereit, sich alle zwei Jahre – häufig viel öf-ter – für ein halbes Jahr oder, wie es bei der Marine derFall ist, für 180 Tage im Jahr zwecks Auslandseinsat-zes von Ihrer Familie zu trennen? Wären Sie bereit,100 Prozent Leistung im Auslandseinsatz unter hartenBedingungen zu erbringen, aber zu Hause mit 90 Pro-zent Gehalt abgespeist zu werden, nur weil Sie aus denneuen Bundesländern kommen? Das ist keine Armeeder Einheit!
Die FDP hat ihre Vorstellungen zur Reform derBundeswehr wiederholt dargelegt. Unsere Forderungenlassen sich kurz und klar zusammenfassen: Wir wollennicht mehr Soldaten in der Gesamtheit, sondern einehöhere Zahl einsatzbereiter Soldaten. Wir fordern nichtmehr, sondern modernere Waffensysteme. Wir brauchennicht mehr, sondern leistungsfähigere Großverbände.Wir brauchen keine gleichartigen, flächendeckendenStrukturen, sondern Einrichtungen und Standorte, dieauf die militärischen Anforderungen und örtlichen Gege-benheiten ausgerichtet sind. Wir brauchen keine riesigenDepots und Lager, in denen Material aus Zeiten des Kal-ten Krieges verrottet, sondern Lagerkapazitäten, die denBedarf decken.Herr Kollege Austermann, Sie haben hier das Ent-sendegesetz angesprochen. Ich würde lieber von einemBeteiligungsgesetz sprechen, denn wir wollen für diebewaffneten Einsätze deutscher Streitkräfte Rechts-sicherheit schaffen. Ein entsprechender Antrag der FDPliegt vor. An dieser Stelle will ich gleich hinzufügen:Wir wollen die Entscheidung über Auslandseinsätzenicht auf die Bundesregierung übertragen. Wir habeneine Parlamentsarmee. Das Parlament muss in Gänzein der Verantwortung bleiben. Ich hoffe, dass auch dieUnion an diesem Grundsatz weiterhin festhält.
dMsbSddsogrnBGbdüswmrSeGfsdslHpMBfbosdrnfß
Darüber hinaus zeigt dieser – wenn auch zurzeit nochehr kleine – Einsatz die Bereitschaft und die Fähigkeiter Europäischen Union, durch die Erledigung ihrericherheitspolitischen Hausaufgaben so etwas endlich al-eine zu bewältigen. Dies ist, wie ich finde, ein wichtigerinweis.
Anfang Dezember 2000 haben wir hier den Einzel-lan 14 in erster Lesung beraten. Kurz danach gab derinister die ersten Schritte zur Weiterentwicklung derundeswehrreform bekannt. Das waren die Überprü-ung der Beschaffungsvorhaben und die Neujustierungei den Aufgaben der Bundeswehr. Dabei wurde die Pri-rität auf die Krisenbewältigung im Dienste der gemein-amen Sicherheit gesetzt. Inzwischen ist bereits derritte Schritt erfolgt, nämlich die Reduzierung von Aus-üstung, um Betriebskosten zu sparen, damit dringendotwendige Investitionsmittel frei werden.Folgen wird in den nächsten Monaten die Überprü-ung von Umfang, Struktur und Wehrform. Wir begrü-en ausdrücklich die Zusage des Ministers, dass die
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2795
)
)
Winfried NachtweiÜberprüfung der Wehrform nicht erst, wie in der Koali-tionsvereinbarung festgelegt, am Ende der Legislatur-periode, sondern schon Ende dieses Jahres oder Anfangnächsten Jahres erfolgen soll. Denn das entspricht derKonsequenz, bei den ersten Schritten der Weiterentwick-lung der Bundeswehrreform.Vor vier Wochen hat die CDU/CSU ihren Alternativ-vorschlag zur Bundeswehrreform vorgelegt. Damalsging es in der öffentlichen Diskussion vor allem um dieso genannte Heimatverteidigung – mir ist bis heute nichtklar, was das soll –
und um die faktische Relativierung des Parlamentsvor-behalts. In der kurzen öffentlichen Diskussion um IhreAlternativvorschläge wurde dagegen kaum wahrgenom-men, dass in ihnen programmatisch die Grundlinie vor-gezeichnet wird, die die Unionsführung in diesenWochen hinsichtlich des Irakkonfliktes vertritt. Ich willdas an drei Punkten deutlich machen:Erstens. Wirklich notorisch haben Sie von derUnionsführung – das betone ich ausdrücklich; denn etli-che Kolleginnen und Kollegen in der Union denkenanders – in den letzten Wochen die Arbeit der Rüstungs-inspekteure im Irak kleingeredet und haben, um Wortevon gestern aufzugreifen, den einseitigen Abbruch ihrererfolgreichen Arbeit ausdrücklich unterstützt.
Dieses Verhalten steht im Einklang mit Ihrem Papierzur Bundeswehr. In ihm ist im Grunde genommen nichtmehr die Rede – man findet höchstens ein oder zweiSätze dazu – von anderen Mitteln wie Rüstungskon-trolle, Abrüstung und Nichtverbreitung. Kollege Raidel,Sie wissen selbst, welche wirksamen Maßnahmen undwelche Erfolge es in diesem Bereich gegeben hat. Das istalso wirklich eine bewährte Politik. Aber das scheintprogrammatisch für Sie keine Rolle mehr zu spielen.Programmatische und reale Politik stehen in diesem Be-reich bei Ihnen in einer Linie.Zweitens. In Ihrem Papier wird, wenn auch in ver-schlüsselten Formulierungen, deutlich, dass Sie die Türnicht nur für präventive militärische Einsätze öffnenwollen, sondern auch für präventive kriegerische Mili-täreinsätze. Wenn Sie jetzt das Kriegsultimatum desamerikanischen Präsidenten mit all seinen Konsequen-zen durch Ihre Vorsitzende mittragen, dann unterstützenSie im Klartext genau einen solchen Präventivkrieg.
Und schließlich drittens. Es fällt schon auf, was Sieinzwischen alles schweigend hinnehmen. Gleichzeitighöre ich das Getöse Ihrer Kritik an der Politik der Bun-desregierung. Sie nehmen die Ultimaten der USA gegen-über den Vereinten Nationen schweigend hin. Das hat esikcgzdSkstZstiuRFdWRVstiNwfpv
Sie schweigen zu den offenkundigen Pressionsversu-hen eines ganz wichtigen Mitglieds des Sicherheitsratesegenüber vielen anderen, sehr viel kleineren und poten-iell erpressbaren Mitgliedern des Sicherheitsrates undem deutlichen Übergehen der Mehrheitsmeinung imicherheitsrat.Dieser Krieg – wenn es zu ihm kommt – wird offen-undig jenseits der Charta der Vereinten Nationentattfinden. Vor dem Hintergrund Ihres so genannten al-ernativen Bundeswehrpapiers ist das offensichtlich keinufall; denn dort – lesen Sie noch einmal nach –
pielen die Vereinten Nationen und die VN-Charta prak-sch keine Rolle. Dabei bilden die Vereinten Nationennd die VN-Charta den entscheidenden einhegendenahmen für den Einsatz von Militär.
Herr Kollege Nachtwei, denken Sie bitte an Ihre Zeit.
Wir verrechnen unsere Redezeiten innerhalb der
raktion.
Über Jahrzehnte hinweg hat gerade die CDU/CSU
en Charakter des transatlantischen Bündnisses als
ertegemeinschaft und Partnerschaft demokratischer
echtsstaaten betont. Zurzeit verlässt die Regierung der
ereinigten Staaten dieses Wertefundament und – das
age ich in dieser Deutlichkeit – verrät die große Tradi-
on ihrer Vorgängerregierungen, ohne die die Vereinten
ationen und der Völkerbund wohl gar nicht entstanden
ären.
Herr Kollege Nachtwei, gestatten Sie eine Zwischen-
rage der Kollegin Lenke?
Nein, jetzt nicht. Ich bin bei meinen Schlusssätzen, daasst das nicht. Sie können meinetwegen eine Kurzinter-ention abgeben.
Metadaten/Kopzeile:
2796 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sieschweigen nicht nur dazu, Sie unterstützen das jetztauch. Wenn Sie an der Regierung wären,
würden nun auch Bundeswehrsoldaten in den Irakkrieggeschickt.
Wir kennen uns lange genug. Deshalb weiß ich, dassSie keine Kriegstreiber sind und lieber Frieden wollen.Warum aber lassen Sie sich derart in den Krieg treiben?Warum brechen Sie in diesen Tagen mit der Politik dermilitärischen Zurückhaltung, die hier bisher Konsenswar? Offenbar sind Ihnen die Werte einer Sicherheits-politik, die Friedenspolitik sein soll, abhanden gekom-men.
Am Tag der Haushaltsberatung zum Verteidigungsetatist das ein äußerst beunruhigendes und für mich auch äu-ßerst bestürzendes Zeichen.Danke.
Ich gebe der Kollegin Lenke das Wort zu einer Kurz-
intervention.
Herr Nachtwei, wir haben heute den Verteidigungs-
haushalt zu beraten. Ich habe in Ihrer Rede nichts von
Reformen der Bundeswehr und von Haushaltsansätzen
gehört. Das bedauere ich außerordentlich, weil anläss-
lich dieser Haushaltsberatung gerade die Grünen eine
Aussage in Bezug auf die Wehrpflicht und die Wehr-
gerechtigkeit hätten machen müssen.
Ich wundere mich schon sehr, dass die grüne Fraktion
die in dieser Republik bestehende Wehr- und Zivildien-
stungerechtigkeit zulässt. Von Ihnen gab es kein Wort
zur Bundeswehrreform und zur Umgestaltung der Bun-
deswehr hinsichtlich der Wehrpflicht. Das bedauere ich.
Daher möchte ich Sie fragen, ob Sie als Grüner noch
dazu eine Aussage machen wollen.
Herr Kollege Nachtwei, bitte.
Frau Kollegin, Sie haben offenkundig nicht ganz zu-
gehört. Ich habe mich nämlich im ersten Teil meiner
R
b
I
w
r
d
m
n
z
H
w
d
h
u
D
w
f
g
r
b
a
p
C
g
l
T
C
u
i
r
d
i
g
f
s
g
z
te
ch habe betont, dass die bisher eingeleiteten Schritte
ie Überprüfung der Beschaffungsplanung, Neujustie-
ung der Aufgaben und schließlich eine Abspeckung bei
er Ausrüstung, erste konsequente Maßnahmen im Rah-
en der Bundeswehrreform sind. Ich habe auch die
ächsten Schritte genannt.
In diesem Zusammenhang habe ich mich allgemein
ur Wehrform geäußert. Ich habe hier oft genug unsere
altung zu unserer Meinung nach legitimen und not-
endigen Wehrform deutlich gemacht. Nach Auffassung
er Grünen ist die Zeit der Wehrpflicht abgelaufen. Wir
alten eine Freiwilligenarmee im Sinne einer modernen
nd effektiven Bundeswehr für die angemessene Form.
ies brauche ich aber nicht bei jeder Rede notorisch zu
iederholen. Das möchte ich dann sagen, wann ich es
ür richtig halte.
Am heutigen Tag, der unter dem Vorzeichen des Krie-
es steht, nur wieder über das Wie der Bundeswehr-
eform zu reden – das ist oft das Kennzeichen dieser De-
atte –, aber die ganz entscheidende Frage des Wofür
ußer Acht zu lassen, halte ich gerade zum jetzigen Zeit-
unkt für unpassend. Die Tatsache, dass sich bei der
DU/CSU ein Paradigmenwechsel zeigt, muss klar an-
esprochen werden. Das wurde in dieser Deutlichkeit
eider bisher noch nicht zum Ausdruck gebracht.
Ich bedanke mich für Ihr Angebot, mich zu diesem
hema ergänzend zu äußern.
Nächster Redner ist der Kollege Christian Schmidt,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Lieber Winfried Nachtwei, irgendetwasst heute mit Ihnen durchgegangen. Zur Bundeswehr-eform möchte ich Folgendes sagen: Die Frage nachem Wie ist der eine Punkt. Die Frage nach dem Wozust der andere Punkt. Auch wir stellen uns diese Fragenerade im Hinblick auf die Reihenfolge, in der die Re-orm der scharpingschen Reform – das darf man inzwi-chen auch in Koalitionskreisen ungestraft sagen – vor-enommen wird.Wenn diese Reform dazu führt, dass die vorher fest-ulegenden Aufgaben und dazu notwendigen Fähigkei-n der Bundeswehr besser entwickelt werden können,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2797
)
)
Christian Schmidt
dann ist sie in Ordnung. Wenn sie nach den Vorgabendes Bundesministers der Finanzen gestaltet wird, dannist sie sehr fragwürdig. Das muss man gerade bei denHaushaltsberatungen sagen.Kollege Austermann hat in seinen Ausführungen ei-nen wichtigen Punkt angesprochen. Es ist nicht so, dassder Verteidigungsetat von der Opposition automatischabgelehnt wird. Das ist nie so gewesen. Er muss aberdann abgelehnt werden, wenn er nicht den Herausforde-rungen entspricht, die ich gerade definiert habe.
Manchmal muss man dem Verteidigungsminister indiesen Kampflinien – um in dieser Sprache zu bleiben –sogar helfen, um seinen Etat zu verteidigen, wenn esAussicht auf Erfolg gibt.Kommen wir doch noch einmal auf die aktuelle Fragezurück. Herr Müntefering hat sich heute Vormittag inseiner Entgegnung auf Frau Kollegin Merkel in eine Be-hauptung verstiegen, die ich schlechterdings nicht nach-vollziehen kann. Er hat die Gelegenheit nicht ungenutztgelassen, die große Sozialdemokratische Partei als diePartei des Friedens darzustellen und zu suggerieren, alleanderen Parteien seien dies nicht. Dabei ist ihm einekleine Unaufmerksamkeit passiert, indem er gesagt hat,die SPD habe noch nie für einen Krieg gestimmt.
Ich möchte nicht bis zum Ersten Weltkrieg und aufdie Fragen, die damals in diesem Haus bzw. im kaiserli-chen Reichstag beschlossen worden sind, zurückblicken.Ich frage Sie nur: Was war denn dann der Kosovo-Krieg?
Erfolgte er auf der Basis einer Resolution des Sicher-heitsrats der Vereinten Nationen oder nicht? Ich möchtenur, dass wir – bei allem Pathos – die Kirche im Dorflassen. Bei jedem – ich schließe mich selbst sein – ist derMagen im Moment keine besonders ruhige Gegend.Man empfindet es als unangenehm und es schmerzt ei-nen, dass wir in eine Situation gekommen sind, in der dieDiplomatie versagt hat und der Ausdruck Ultima Ratioeine Rolle spielt.Frau Kollegin Leonhard, an dieser Stelle möchte ichIhre Worte von der „Renaissance der Diplomatie“ auf-greifen. Ich glaube, es lohnt sich schon, den Blick aufuns Europäer zu richten, um zu klären, wo die Diploma-tie versagt hat und wo sie bis heute unehrlich gewesenist. Joschka Fischer ist unehrlich, wenn er sagt – –
– Hört doch einmal zu!
ber all die anderen Fragen möchte ich gar nicht disku-ieren.
Wenn man kurz vor Toresschluss sagt, dass man dochitmacht und Blauhelme in den Irak schickt – wer auchmmer das gesagt hat, es war nicht der Verteidigungs-inister; er wusste, warum –, der muss sich vorhaltenssen, dass er diese Fragen unseriös, unpräzise undicht tiefgehend behandelt hat
nd dass er keine Ahnung von den Konsequenzen hatte,ie zu verhindern gewesen wären.Auch Herrn Volmer mag manches im Halse steckenleiben, wenn er daran denkt, was vor zwei oder dreiahren im diplomatischen Bereich nicht getan wordenst. Wir waren schon einmal in einer solchen Situation.brigens haben wir alle uns bei der Kosovo-Entschei-ung fragen müssen, ob wir nicht nach Dayton versagtaben. Über solche Fragen muss man über die Par-eigrenzen hinweg diskutieren.Lieber Kollege Erler, ich bin allerdings nicht wie an-ere bereit, hier Zusammenhänge zu konstruieren. Einollege meinte heute Nachmittag, kurz nachdem Herrüntefering gesprochen hat, er müsse noch einmal dasort, mit dem wir belegt worden waren, aufgreifen. Da-egen verwahre ich mich energisch. Wir streiten überieles. Aber wenn es um meine Friedensgesinnung geht,asse ich mir von niemandem etwas vorschreiben. Aucher großen sozialdemokratischen Bewegung muss klarein, dass sie das zu respektieren hat.
Jetzt komme ich noch auf Ihre Vorlesung zu sprechen,err Kollege Nachtwei. Ich werde Ihnen sofort per In-ernet und E-Mail unser Papier zur Verfügung stellen.
Metadaten/Kopzeile:
2798 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Christian Schmidt
Darin steht – ich zitiere sozusagen uns selbst –:Prinzipiell wird angesichts denkbarer Szenarienund einer praktisch nicht gegebenen Vorwarnphaseeine allein reaktive Handlungsweise nicht ausrei-chen. Politische Maßnahmen genießen prinzipiellVorrang. Als Instrumentarium zur Risikominderungmuss das gesamte völkerrechtliche Handlungsspek-trum von diplomatischen Maßnahmen, Kontrolleund Verifikation bis hin zur militärischen Option als„ultima ratio“ politisch verfügbar sein. Entschei-dungen von großer Tragweite müssen in den Forender Weltgemeinschaft unter der Prämisse der Erhal-tung des Weltfriedens getroffen und dann gemein-schaftlich umgesetzt werden.Das ist der Punkt, der uns jetzt eine unangenehmeSituation kommentieren lässt. Alle, die wir hier sitzen,können leider nur kommentieren. Wir sind nicht Han-delnde, wir sind nicht aktiv.Jetzt komme ich zur Bundeswehr. Kein Mensch in derCDU/CSU hat die Forderung erhoben, die Bundeswehrsolle quasi die letzte verfügbare Heeresdivision, die sienoch hat, in den Irak entsenden. Nein, wir haben nur vonden Anforderungen gesprochen, die heute zum großenTeil vom Bundeskanzler akzeptiert sind, zum Beispiel dieÜberflugrechte, aber auch die Unterstützung des türki-schen Bündnispartners, die Frage der Zahl der Patriot-Ra-keten und derer, die sie bedienen, die AWACS-Flugzeugeund die ABC-Abwehrkräfte in Kuwait. Mehr ist übrigensnie gefordert worden. In diesen Punkten sollten wir uns ei-nigen, damit kein Popanz entsteht, der von den wahrenFragen ablenkt. Die wahre Frage besteht darin, wie dasBündnis NATO, die Europäische Union und wir unterWahrung unserer Interessen sicherheitspolitisch überle-ben, wenn dieser Konflikt, was immer wahrscheinlicherwird, nicht mehr friedlich zu lösen ist und SaddamHussein militärisch entwaffnet worden ist.Damit bin ich bei der Reform der Bundeswehr. DieReform, die momentan angedacht wird, muss durchge-führt werden. Sie muss uns befähigen, unsere Interessenim Bündnis zu vertreten. Das ist nichts Neues. Es ist einealte Formulierung, die aber umso mehr Bedeutung hat,als wir merken, dass wir in Europa in den letzten Jahrennoch nicht einmal in der Lage waren, die Konflikte inder Region mit europäischen Mitteln zu lösen, die manals geographischen Hinterhof bezeichnen könnte.Das Kosovo ist nicht größer als zwei Landkreise undes hat einer amerikanischen Intervention bedurft. Gottsei Dank herrscht dort – Sie haben Mazedonien ange-sprochen – einigermaßen Stabilität, ich will nicht vonFrieden sprechen. Wir hoffen, dass wir nicht auf dieProbe gestellt werden und mehr als die 70 Soldaten, dielobenswerterweise in Mazedonien im Einsatz sind, ineine Situation schicken müssen, die wir möglicherweisewieder nicht ohne die Amerikaner beherrschen können.Deswegen sei klug und überlege, wie man ein Bünd-nis halten kann, das nach wie vor die gemeinsame Wer-teorientierung zur Basis hat. Das ist das transatlantischeBündnis. Dazu gehört, dass wir die Aufforderung, diewir alle in Prag unterzeichnet haben, umsetzen.hFlsdwusEubPihrwtrwaWinKrgzkimdFNkeÜsIbsFvKgFgsnadnc
Auch die muss finanziert werden. Ich habe den Ein-ruck, dass die Bündnispartner von uns erwarten, dassir Lösungen anbieten und diese auch schnellstmöglichmsetzen.Das Gleiche gilt übrigens für die politisch äußerstchwierige Frage der NATO-Response-Force, dieseinheit, die 21 000 Soldaten umfassen, gemeinsam übennd nach kurzer Vorwarnzeit einsatzfähig sein soll.Herr Kollege Nachtwei, Sie werden nicht daran vor-eikommen, darüber reden zu müssen. Ich will nicht denarlamentsvorbehalt aufheben. Im Gegenteil: Wenn mann neu strickt, käme man vielleicht zu einem Initiativ-echt des Parlaments. Dann würden Sie allerdings gegen-ärtig mit einem Antrag konfrontiert, der AWACS be-ifft, über den Sie dann abstimmen könnten. Das könnenir gegenwärtig nicht. Die Gründe dafür ergeben sichus der Verfassungslage.Aber zurück zu der Frage des Parlamentsvorbehalts:ie wollen Sie die NATO-Response-Force, die nicht nurnerhalb kürzester Zeit einsatzbereit sein soll, sondernraft ihrer Funktion und Existenz auch ein Instrumenta-ium der nicht militärischen Sicherheitspolitik ist, alslaubwürdige Komponente darstellen, wenn davon aus-ugehen ist, dass sie in vielen Fällen sozusagen nur hin-end eingesetzt werden kann? Ich bin dafür, dass wir uns Parlament grundsätzlich die politische Entscheidungarüber vorbehalten sollten. Aber wir sollten mit derlexibilität nicht so weit gehen, dass Instrumente wie dieATO-Response-Force – sofern es zu ihrer Gründungommt; aber sie wird notwendig sein, um die NATO zurhalten – politisch und militärisch belastet werden.ber diese Themen werden wir reden müssen.Der Kollege Nolting hat das Entsendegesetz ange-prochen. Zu dem Gesetz liegt ein Antrag der FDP vor.ch habe nichts dagegen, wenn wir auch weiterhin wieisher verfahren; wir haben das Thema nämlich sehrachlich und nüchtern diskutiert. Wir sollten in dieserrage, die das Parlament als Ganzes betrifft, durchausersuchen, gemeinsame Wege zu gehen. Wir haben ausarlsruhe bereits eine Grundlage erhalten. Über die Aus-estaltung können wir noch reden. Ob wir uns in allenragen einig werden, wird sich dann zeigen.Ich bin aber – das sage ich an die Bundesregierungewandt – durchaus bereit, solche Fragen in einer kon-truktiven und diskursiven Weise zu erörtern. Es gehtämlich darum, den Soldaten ein möglichst hohes Maßn Rechts- und Einsatzsicherheit zu bieten. Das habenie Soldaten verdient.Was die Änderung der Verfassung bei einer Ausdeh-ung im Zuge der Neuabgrenzung von Aufgabenberei-hen angeht, bitte ich Sie: Machen Sie das Thema nicht
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2799
)
)
Christian Schmidt
zum ideologischen Popanz! Versuchen Sie, nüchtern zuüberlegen, welche Verpflichtungen wir unserer Bundes-wehr auferlegen müssen! Denn letztlich handelt es sichum eine Frage der äußeren Sicherheit. Insofern geht esdarum, zu prüfen, wo einerseits Fähigkeiten der Bundes-wehr nutzbar gemacht werden müssen und wo anderer-seits die Grenze zur rein polizeilichen Aufgabe verläuft.Meiner Meinung nach kann es nicht darum gehen,Planstellen von der Polizei auf die Bundeswehr zu über-tragen. Zwar könnte die Bundeswehr mehr Planstellen gutgebrauchen, aber die Polizei hat eine andere Aufgaben-stellung als die Bundeswehr. Das wird auch so bleiben.Aber es gibt andere Fragestellungen, die vor 20, 30 oder40 Jahren außerhalb unserer Vorstellungskraft lagen, dieaber heute auf uns zukommen können,
zum Beispiel eine Bedrohung durch ABC-Waffen, an-dere Bedrohungslagen, so genannte Renegade-Situatio-nen oder Luftangriffe und die bestimmter Regelungenbedürfen. Für mich ist die Verfassungsänderung keinSelbstzweck. Es geht vielmehr darum, nüchtern zu klä-ren, wie wir Rechtssicherheit schaffen und uns sicher-heitspolitisch optimal aufstellen können.
Darüber müssen wir reden.
– Ich denke, dass auch in der Innenpolitik diese Erkenntnisgewonnen werden muss. Ich kann diejenigen in der Koali-tion und in der Regierung, die bei den apodiktischen Äuße-rungen des Herrn Schily die Stirn gerunzelt haben, nur dazuermuntern, bei ihrer Position zu bleiben. Wir aber werdenHerrn Schily auch weiterhin sehr scharf beobachten.
Die verteidigungspolitischen Richtlinien, die angekün-digt sind, werden sich mit der Neudefinition der Aufgabenbeschäftigen. Sie werden sich auch mit der Frage beschäf-tigen müssen, wo die Bundeswehr zu welchen Zweckeneingesetzt werden kann. Es ist nicht von einer Bundes-wehr auszugehen, die weltweit an allen Gefahrenherdeneingesetzt werden kann. Das ist personell und materiellnicht zu schaffen und das ist auch nicht die Aufgabe un-seres Landes. Im Verbund wird das allerdings bei einer ge-meinsamen Interessendefinition notwendig sein.Daraus ergibt sich die Frage, wie die Bundeswehrverstanden wird. Wird sie als reine Interventionsarmeeverstanden? Der Satz, dass die LandesverteidigungDeutschlands am Hindukusch beginne, hat schon etwasfür sich; denn so halten wir Gefahren für unser Land aufDistanz. Um Landesverteidigung im verfassungsrechtli-chen Sinne handelt es sich deswegen aber noch nicht.Herr Kollege Austermann hat kürzlich darauf hingewie-sen, dass sich dann sehr schnell die verfassungsrechtlichrelevante Frage stellen werde, wofür wir unsere Armeeeigentlich aufstellten. Vielleicht muss zukünftig – auchdeugbnLbhsgkWkhLaWneuddDmsweBzaklZD
Ich bedanke mich für diesen Hinweis. Ich finde, ich
önnte noch länger über das sprechen, was notwendig ist.
Herr Kollege Schmidt, ich finde nicht, dass Sie noch
änger reden können.
Frau Präsidentin, dann werden wir das zu gegebener
eit in den Ausschüssen und in diesem Hause fortsetzen.
Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung,r. Peter Struck.
Metadaten/Kopzeile:
2800 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Nicht nur als ehemaliges Mitglied des Haus-haltsausschusses, sondern auch aus fester Überzeugunggehört es sich, dass ich als Minister gleich zu Beginn denBerichterstattern für meinen Haushalt danke. Ich tue dasauch, weil ich weiß, dass der Einzelplan 14 ein schwieri-ger, umfangreicher und in der Materie oft kontrovers dis-kutierter Haushalt ist. Ich bedanke mich besonders beider Kollegin Elke Leonhard, die zum ersten Mal als Be-richterstatterin mit dem Einzelplan 14 befasst war, beiAlexander Bonde, bei Dietrich Austermann, der sich alsBerichterstatter schon länger mit dem Einzelplan 14 be-fasst, bei Bartholomäus Kalb und bei Jürgen Koppelin.
Wenn ich das Ergebnis der Beratungen im Haushalts-ausschuss – auch nach den intensiven Vorbereitungendurch die Berichterstatter – bewerte, dann muss ich alsBundesminister der Verteidigung sagen: Ich kann mitdem zufrieden sein, was mir die Koalitionsfraktionen be-schert haben. Ich wäre noch zufriedener, wenn auch dasRealität werden würde, was die Oppositionsfraktionenbeantragen. Allerdings muss ich als jemand, der auch et-was von Finanzen versteht, sagen: Ich bin natürlich froh,dass Sie mir mehr Geld geben wollen. Aber ich weißganz genau, dass das Geld nicht da ist. Insofern ist dasnicht mehr als eine Geste. Deshalb verlasse ich mich lie-ber auf die handfesten Aussagen meiner Fraktion.
Ich möchte zuerst etwas zu dem Thema Auslands-einsätze sagen. Ich muss nicht betonen, dass ich alsBundesminister der Verteidigung meinen Soldatinnenund Soldaten danke, die im Ausland eingesetzt sind. Ichmöchte aber wegen der aktuellen Situation meiner Sorgeüber die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten anden Standorten außerhalb des Bündnisgebiets Ausdruckverleihen.Wir wissen, dass die Situation in Afghanistan ohne-hin nie ruhig und nie stabil war. Über dem Lager hat eshäufiger Schüsse gegeben. Es ist allerdings überhauptnicht auszuschließen, dass diejenigen Kräfte in Afgha-nistan, die die Präsenz der ausländischen Schutztruppeohnehin ablehnen, einen Krieg im Irak zum Anlass neh-men, gegen die ISAF-Truppe verschärft vorzugehen.Was ich dargestellt habe, gilt auch für die Situation unse-rer Marinesoldaten am Horn von Afrika und für die Situ-ation der Soldaten auf dem Balkan.Herr Austermann hat die Frage gestellt: Was wird ei-gentlich, wenn Deutschland und die Niederlande ihrebisherige Funktion in Afghanistan nicht mehr wahrneh-men? Wir, die Bundesregierung, arbeiten auf der Grund-lage eines Bundestagsbeschlusses, der uns ermächtigt,bis zum 10. August die so genannte Lead-Nation-Funk-tion in Kabul wahrzunehmen. Wir versuchen – HerrAustermann, Sie haben das zu Recht angesprochen –,der NATO mehr Verantwortung in Afghanistan zu über-tdFkBWsakMreVNdNkcklgrNatazduddPkummDsESasbnCnFgimjedgr
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2801
)
)
Darauf können wir, auch als Bürger eines wichtigenStaates in Europa, stolz sein.Ich will etwas zu dem Thema Standortschließungensagen. Herr Kollege Austermann hat es angesprochen.Das, was er dazu gesagt hat, ist aus der Sicht Schleswig-Holsteins – ich erinnere an die Debatten über dasMarinefliegergeschwader 2 – vielleicht verständlich. Ichwill den Hintergrund der Entscheidungen, die ich vomGeneralinspekteur der Bundeswehr erbitte, erläutern. Esist völlig klar, dass wir die Reform der Bundeswehr vor-antreiben müssen. Wir müssen Stückzahlen weiterhinsenken, wie wir es bei bestimmten Beschaffungsvorha-ben getan haben. Die Reduzierung der Stückzahlen unddie damit verbundenen Maßnahmen werden sich fürmeine Nachfolgerin oder meinen Nachfolger – ich ver-mute nicht, dass ich im Jahr 2010 oder 2012 noch Bun-desminister der Verteidigung sein werde; man weiß esaber nicht –
aber nicht finanziell auswirken.Wir müssen aber auch noch weitere Maßnahmen er-greifen. Wir wollen uns so schnell wie möglich von ver-altetem und wartungs- und kostenintensivem Materialtrennen. Wir konzentrieren uns bei der Beschaffung aufdas Material, das die Bundeswehr für den Einsatz heuteund auch morgen braucht. Wir verfolgen multinationaleKooperationslösungen. Wir vermeiden unnötige Redun-danzen und gestalten den Betrieb effizient. Das istGrundlage für die Weisung des Generalinspekteurs, diebekanntlich ergangen ist.Das Heer wird eine ausgewogene Struktur mit in sichlebensfähigen und zu flexibler Truppeneinteilung befä-higten Großverbänden entwickeln und realisieren, allesunter der Überschrift: Die Bundeswehr im Einsatz. Ichglaube nicht, dass wir darüber politischen Streit habenwerden.Wir wollen zum Beispiel die Durchhaltefähigkeit vonFernmeldepionieren und ABC-Abwehrkräften verbes-sern. Vor allem die Soldaten sind es, die beim Wehr-beauftragten vorstellig werden. Von Christian Schmidtund auch von Günther Nolting ist die gestiegene Zahlvon Eingaben beim Wehrbeauftragten angesprochenworden. Das hat natürlich auch etwas mit den Auslands-einsätzen zu tun. Wenn man mehr Auslandseinsätzedurchführt, braucht man sich nicht darüber zu wundern,dass es Soldaten gibt, die sich dadurch beschwert fühlenund das auch vortragen. Ich nehme das alles sehr ernst.Herr Nolting, Sie haben einige Vorschläge unterbrei-tet, zum Beispiel zur Besoldungsanpassung Ost/West.Die Besoldungsanpassung Ost/West würde ich gern ma-chen. Sie scheitert nicht an der Bundesregierung. SiewwdwLwMt„agfDumbFmgmvfBmWn9litrkbtelidEzndsihWwicBü
ir werden die Situation an jedem einzelnen Standortoch einmal ausführlich diskutieren.Wir haben 304 Tornados. Inhalt der Weisung ist, 80 bis0 Tornados – ich habe gestern zum ersten Mal öffent-ch gesagt, dass es auch 100 sein können – außer Be-ieb zu nehmen. Dadurch wird die Verteidigungsfähig-eit der Bundesrepublik Deutschland überhaupt nichteeinträchtigt. Wir sparen aber eine Menge Betriebskos-n. Wir können umstrukturieren. Auch das wird natür-ch zu Debatten führen. Es wird die Frage gestellt wer-en: Sind auch die 46 Marineflieger-Tornados ausggebek dabei?Um auch hier öffentlich etwas zu Schleswig-Holsteinu sagen, Herr Kollege Austermann: Der 28. März isticht das Fallbeildatum. Der 28. März ist das Datum, zuem mir der Generalinspekteur den Vorschlag der In-pekteure der Teilstreitkräfte vorlegen soll. Ich bewerten dann. Es ist eine politische Entscheidung zu treffen.eil es massive Maßnahmen in der Region gibt – icheiß von ihnen und sie beeindrucken mich auch –, wollteh klarstellen: Das ist nicht der Tag der Entscheidung.
is zur Entscheidung wird es noch etwas länger dauern.Meine Damen und Herren, ich will Ihre Geduld nichtberstrapazieren,
Metadaten/Kopzeile:
2802 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Bundesminister Dr. Peter Struckaber ich will noch etwas zu den gestellten Fragen sagen.Zu Strategic Airlift ist, glaube ich, von ChristianSchmidt gefragt worden. Das heißt, wir wollen Groß-raum-Lufttransportkapazität schaffen, bis der ersteA400M bei uns steht. Sie wissen, dass wir uns in Pragverpflichtet haben, dafür die Federführung zu überneh-men. Es hat verschiedene Gespräche mit den anderenneun Staaten gegeben, die sich an diesem Projekt beteili-gen wollen. Es hat Berechnungen gegeben. Das Ergebnisist – darüber werden wir noch verhandeln und auf einerVerteidigungsministerkonferenz voraussichtlich im Junientscheiden –, dass es auf ein Mixmodell zwischen Kau-fen und Leasen wahrscheinlich von Antonow-Groß-raumflugzeugen hinausläuft, die in Konkurrenz zu dengroßen Boeings, den Galaxys, die Sie ja alle kennen, ste-hen. Aber wenn man die Daten zur Kenntnis nimmt, dieuns bisher vorgelegt worden sind, dann muss man sagen,dass das Angebot, das wir da bekommen haben, in wirt-schaftlicher Hinsicht das realistischste ist.Nun erheben die amerikanischen Freunde verständli-cherweise einige Einwände. Wir sind aber bei dem Stra-tegic Airlift, auf einem guten Weg.Dann ist angesprochen worden, wie weit ich mit demKollegen Otto Schily bin, was den Einsatz der Bundes-wehr in bestimmten Situationen angeht.
Der Kollege Otto Schily hat in der Arbeitsgruppe, diewir eingerichtet haben, jetzt ein so genanntes Luftpoli-zeigesetz vorgelegt. Es geht um den Frankfurter Fall,den wir alle kennen.
Ich glaube, es ist klar, dass ein Eingriff jedenfalls bei ei-nem solchen Fall nur mit einer klaren gesetzlichen Kom-petenz für die Luftwaffe erfolgen kann.
Ob das Luftpolizeigesetz reicht oder ob man nichtvielleicht, wie die Verteidigungspolitiker der SPD-Frak-tion dargelegt haben, auch noch andere Fälle im Kopfhaben muss, zum Beispiel Gefährdungen unseres Landesterroristischer Art über Wasser, bei denen vielleicht nurdie Marine helfen kann, werden wir klären. Aber dieAntwort auf die Frage ist: Wir werden in Kürze inner-halb der Bundesregierung dazu eine abschließende Ent-scheidung herbeiführen und diese dann den Koalitions-fraktionen und den zuständigen Ausschüssen vorlegen.Mit Blick auf den bevorstehenden Irakkrieg will ichnoch etwas zur Situation unserer Soldaten in Kuwaitsagen. Das deutsche ABC-Abwehrkontingent bestehtzurzeit aus knapp 100 Soldaten. Sie werden dort bleiben,und zwar ausschließlich im Rahmen des Mandates, dasihnen der Bundestag gegeben hat. Im Falle eines terroris-tischen Anschlages gegen die im Camp Doha stationier-ten US-Streitkräfte oder gegen die Zivilbevölkerung desLandes werden sie humanitäre Hilfe leisten. Die deut-schen ABC-Abwehrkräfte werden auch im Falle einesKvmnCwsFaaSdvehbldrbgemSsgkwidtfdEwmdawbKmüdfsKaw
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2803
)
)
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Alex
Bonde, Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren! Ich möchte zum Anfang meiner Rede kurz
einen Zuhörer begrüßen. Ein herzliches Willkommen an
den ehemaligen Vorsitzenden des Verteidigungsaus-
schusses, Helmut Wieczorek. Schön, dass Sie uns auch
zu später Stunde die Treue halten.
Rot-Grün hat hinsichtlich des Plafonds des Verteidi-
gungsministeriums Wort gehalten. Der Plafond ist bei
24,4 Milliarden Euro stabil. Dennoch haben wir auch
in diesem Bereich einen notwendigen Konsolidie-
rungsbeitrag in Höhe von 94 Millionen Euro geleistet.
Damit schaffen wir eine verlässliche Basis für weitere
Reformen und für die Modernisierung der Bundes-
wehr.
Die Opposition hat auch in diesem Feld durch Auf-
wuchswünsche auf Pump in Höhe von einer halben
Milliarde Euro hier und von über 1 Milliarde Euro im
Verteidigungsausschuss auf sich aufmerksam gemacht;
nicht durch einen seriösen Umgang mit Finanzen.
Ich muss Ihnen sagen, dass ich heute, an einem Tag,
an dem Befürchtungen und Meldungen die ganze Pro-
blematik des Einsatzes von Militär deutlich machen,
meine Schwierigkeiten habe, hier nur auf einer Zahlen-
ebene das Militär zu diskutieren.
Ich finde dies auch schwierig in einer Situation, in der
wir sehr deutlich sehen, welche unheilvollen Reize von
militärischen Mitteln ausgehen können und wie hoch
der Reiz des Einsatzes militärischer Mittel sein kann –
und das, obwohl zivile, friedliche Mittel zur Problemlö-
sung noch nicht ausgeschöpft sind. In der Debatte heute
Morgen hier im Plenum habe ich sehr unterschiedliche
Kulturen im Umgang mit Militär erlebt. Ich muss sagen:
Herrn Glos und Frau Merkel zuzuhören ist schon sehr
beklemmend.
–
e
–
n
s
g
S
u
z
l
n
w
m
e
i
a
P
d
r
G
t
d
w
d
t
i
a
n
i
v
l
r
ti
i
t
a
s
C
g
D
g
F
Nein, es ist kein Genuss, Herr Schmidt. Ich muss Ihnen
hrlich sagen: Nach den Argumenten von heute Morgen
wenn Sie das jetzt noch bestätigen, macht mich das
och ein Stück weit bedrückter – hatte man zum Teil
chon die Sorge, dass es auch hier im Hause Menschen
ibt, die heute weniger gern über den Haushalt unserer
oldaten und stattdessen lieber über Marschbefehle für
nsere Soldaten reden wollen.
Herr Austermann, da Sie eben Außenminister Fischer
itiert haben, muss ich Ihnen sagen: Mir wäre viel woh-
er, wenn die Opposition in den letzten Wochen und Mo-
aten sehr viel häufiger auf Fischer gehört hätte. Sie
äre dann jetzt nicht in der Situation, hier rumeiern zu
üssen und nichts darüber sagen zu können, was denn
igentlich ihre Position zum amerikanischen Ultimatum
st. Sie wäre auch nicht in der Situation, hier – wenn sie
ufrichtig wäre – zugeben zu müssen, dass sie mit ihrer
osition den Kriegseinsatz, der heute, morgen oder in
en nächsten Tagen stattfinden kann, legitimiert.
Wenn Sie schon nicht auf Außenminister Fischer hö-
en, dann hören Sie doch wenigstens auf Ihren Kollegen
röhe, der in einem „Spiegel online“-Artikel von ges-
ern, bezeichnenderweise mit der Überschrift „Müller ru-
ert zurück, Merkel schlingert“, mit der Aussage zitiert
ird, dass er die Unterstützung des Ultimatums durch
ie Fraktion nicht mittragen könne, da dies einen Mili-
ärschlag einschließt. Ich glaube, wir wissen damit, wer
n dieser Frage auf welcher Seite steht. Da hilft Ihnen
uch das Rumeiern und ein Beschönigen dieser Frage
ichts.
Ich finde es traurig, dass der jahrzehntelange Konsens
n der Weltgemeinschaft bei der Frage des Einsatzes
on Militär bedroht ist. Ich finde es auch sehr bedauer-
ich, dass dieser Konsens – trotz aller Beschönigungs-
eden – in diesem Hause offensichtlich nicht mehr exis-
ert.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 14n der Ausschussfassung. Es liegen drei Änderungsan-räge der Fraktion der CDU/CSU sowie ein Änderungs-ntrag der Fraktion der FDP vor, über die wir zuerst ab-timmen.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derDU/CSU auf Drucksache 15/668? – Wer stimmt dage-en? – Enthaltungen? –
er Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionegen die Stimmen der CDU/CSU bei Enthaltung derDP abgelehnt.
Metadaten/Kopzeile:
2804 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerWer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derCDU/CSU auf Drucksache 15/669? – Wer stimmt dage-gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit denStimmen der Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU und der FDP abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derCDU/CSU auf Drucksache 15/670? – Wer stimmt dage-gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit denStimmen der Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU und der FDP abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derFDP auf Drucksache 15/683? – Wer stimmt dagegen? –Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stim-men der Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSUund der FDP abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über denEinzelplan 14 in der Ausschussfassung. Wer stimmt da-für? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerEinzelplan 14 ist mit den Stimmen der Koalition gegendie Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 23Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam-menarbeit und Entwicklung– Drucksachen 15/568, 15/572 –Berichterstattung:Abgeordnete Brigitte Schulte
Jochen BorchertAntje HermenauJürgen KoppelinEs liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion derFDP vor. Über den Entschließungsantrag werden wirmorgen nach der Schlussabstimmung abstimmen.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist es so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeJochen Borchert, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir beraten heute einen Haushalt für das Bundesministe-rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung, der finanziell eine völlig unzureichende Basis fürdie deutsche Entwicklungspolitik darstellt.
Daran ändert auch der Hinweis, der heute sicherlichwieder kommen wird, auf den Anstieg der ODA-Zahlennichts, auch wenn dies immer als Erfolg der Regierungs-politik dargestellt wird. Der Anstieg um 11 Prozent seit1998 ist fast ausschließlich auf den gestiegenen Schul-denerlass für Entwicklungsländer zurückzuführen.fSdadEcLzpvphvwA2ngI5AfszduI8Dwla21MkgJMr3dDVEslu
m nächsten Jahr, im Jahr 2004, sollen sogar weitere0 Millionen Euro aus dem Einzelplan 23 durch dasuswärtige Amt bewirtschaftet werden. Diesmal sind sieür Südosteuropa vorgesehen.Frau Ministerin, bereinigt um diese 30 Millionen Euro,tehen Ihnen in diesem Jahr lediglich 3 738 000 000 Eurour Verfügung. Im Vergleich zum Haushalt 1998, also zuem im letzten Jahr vor dem Regierungswechsel – damalsmfasste der Einzelplan 23 4 052 000 000 Euro –, stehenhnen in diesem Jahr 314 Millionen Euro bzw. knappProzent weniger zur Verfügung.
ies ist wahrlich kein Ruhmesblatt der rot-grünen Ent-icklungspolitik.
Aber auch im Vergleich zum Haushalt 2002 ist die Bi-nz negativ. Im vergangenen Jahr hatte der Einzelplan3 ein Volumen von 3 699 000 000 Euro. Hinzu kamen52 Millionen Euro aus dem Antiterrorprogramm undittel aus dem Einzelplan 60 für Afghanistan. Damitonnten Sie über insgesamt 3 851 000 000 Euro verfü-en. Im Vergleich zum Jahr 2002 haben Sie in diesemahr 113 Millionen Euro bzw. knapp 3 Prozent wenigerittel zur Verfügung. Während der Bundeshaushalt umund 0,4 Prozent sinkt, sinkt der Einzelplan 23 um knappProzent.Frau Ministerin, Sie und die Entwicklungspolitik sindie Verliererinnen der Haushaltsberatungen 2003. Dieebatte in diesen Tagen hat gezeigt: Der gescheiterteersuch einer Haushaltskonsolidierung geht zulasten derntwicklungshilfe. Die Haushaltskonsolidierung ist ge-cheitert; die schmerzhaften Einschnitte in die Entwick-ngshilfe bleiben bestehen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2805
)
)
Jochen BorchertFrau Ministerin, Sie haben in der ersten Lesung desHaushaltes darauf hingewiesen, dass die Entwicklungs-politik weit mehr umfasst als die Maßnahmen des Einzel-plans 23. Auch die Beiträge anderer Ressorts und andererstaatlicher Ebenen müssten berücksichtigt werden. Wennman sich die Zusammenstellung der entwicklungspoliti-schen Ausgaben, die im Einzelplan 23 veröffentlichtworden sind, unter Zugrundelegung internationalerRichtlinien ansieht, dann kommt man zu dem Ergebnis,dass wir uns gemeinsam fragen sollten, ob alle Mittelsinnvoll eingesetzt worden sind. Der Zusammenhangzwischen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeitund den Ausgaben für humanitäre Hilfsmaßnahmen au-ßerhalb der Entwicklungshilfe sowie den Ausgaben derGemeinden gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetzleuchtet sicherlich kaum jemandem ein.Bei dem Hinweis auf die Beiträge anderer Ressortsstellt sich aber auch die Frage, wie diese Maßnahmenkoordiniert werden. Einer der zentralen Bereiche derEntwicklungspolitik ist die bilaterale technische Zu-sammenarbeit. Die Maßnahmen in diesem Bereich wer-den von der GTZ, der Deutschen Gesellschaft für Tech-nische Zusammenarbeit, durchgeführt. Die GTZ hat ihreLeistungsfähigkeit auch im internationalen Wettbewerbmit anderen Durchführungsorganisationen bewiesen.Welchen Sinn macht es da, dass 23 Millionen Euro derGTZ durch das Auswärtige Amt bewirtschaftet und ineigener Regie in Afghanistan eingesetzt werden? DasBMZ und das AA wollen die Maßnahmen durch monat-liche Treffen eines Lenkungsausschusses koordinieren.Der Zugriff des AA auf die Mittel der TZ erfolgtenicht, um knappe Mittel möglichst effizient einzusetzen.Vielmehr ist auch dies die Auswirkung eines rot-grünenStreits innerhalb des Kabinetts um Einfluss auf die Ent-wicklungspolitik. Und in diesem Streit unterliegen Sie,Frau Ministerin, im Gegensatz zu all Ihren Ankündigun-gen.Das Auswärtige Amt macht Ihnen inzwischen sogardie Sprecherrolle bei der Geberkoordinierung streitig.Das war bisher ein herausragender Bestandteil desBMZ-Profils. Erhard Eppler muss sich grün ärgern,wenn er sieht, wie Sie sein Erbe aufs Spiel setzen undwie Sie hilflos nach Worten suchen, um Ihre Niederlagezu kaschieren.
Das Ergebnis der Verteilung der Mittel der Zusam-menarbeit auf mehrere Etats ist in erster Linie ein Be-schäftigungsprogramm in den Ministerien zulasten ei-ner effizienten Entwicklungspolitik. Ich will dies amBeispiel eines anderen Ressorts ansprechen. Im Einzel-plan 10, Bundesministerium für Verbraucherschutz, sindin diesem Jahr neu 10 Millionen Euro für die bilateraleZusammenarbeit mit der FAO eingestellt worden. DasBMVEL will die Mittel unter anderem in Afghanistaneinsetzen für den Aufbau staatlicher Strukturen zur Um-setzung des Rechts auf Nahrung sowie zur Förderungvon Organen der Zivilgesellschaft. Die Projektplanungwill das BMVEL mit der FAO in enger Zusammen-arbeit mit dem BMZ, der GTZ, dem AA und dem BMFvdblefMsmDnisVdmpDdblupbtODEdrwvdtusvuagSdEAvwvdwfBwdOli
Metadaten/Kopzeile:
2806 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Brigitte Schulte,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen!Herr Kollege Borchert, wir beide gehören zu den Abge-ordneten – ich sehe unseren Ausschussvorsitzenden ge-rade nicht –, die schon lange in der Politik sind und des-wegen auch Erinnerungen an Oppositions- undRegierungszeiten haben. Wir können uns daher sehr gutdaran erinnern, dass der frühere Berichterstatter zumEinzelplan 23 – das waren Sie nämlich früher schon ein-mal – sehr viel Wünschbares vorschlug, aber bei der Re-gierung von Helmut Kohl leider nicht durchsetzenkonnte. Ich war nun auch ein paar Jahre lang nicht or-dentliches Mitglied des Haushaltsausschusses des Bun-destages. Gleichwohl stelle ich heute fest, dass es dieBundesregierung zu Beginn der 90er-Jahre versäumte,die wohlgeordneten Finanzverhältnisse unter Herrn Kol-legen Stoltenberg – er war der letzte Finanzminister, derden Haushalt halbwegs im Griff hatte – beizubehalten. Inden 90er-Jahren ging die Struktur des Bundeshaushaltesvöllig aus dem Leim, weil großzügig Geschenke an alleWelt gemacht worden sind. Deshalb haben wir heute dasProblem, dass wir manches Wünschbare leider nicht be-zahlen können.Mir macht es wirklich Spaß, die Welt einmal nicht nuraus der nationalen Sicht eines Regierungsmitglieds, ei-nes Mitglieds einer Regierungspartei oder einer Opposi-tionspolitikerin, sondern im internationalen Kontext zubetrachten, weil man dann lernt, dass die Perspektivenandere sind. Allerdings hätte ich mir gewünscht, meineDamen und Herren, dass wir den Haushalt heute in eineranderen Situation beraten könnten. Ich weiß nicht, ob esIhnen genauso geht. In den vielen Jahren meiner politi-schen Arbeit habe ich zwei besonders schreckliche Situ-ationen erlebt: Ich meine die entsetzliche Erfahrung desAuseinanderbrechens Jugoslawiens, die damit verbunde-nen Bürgerkriege und schließlich das militärische Ein-greifen bis hin zu Kampfeinsätzen, an denen auch dieBundeswehr im Jahre 1999 beteiligt war. Ich kann michrecht gut daran erinnern, wie viel Gewalt und Zerstörungich bei den vielen Besuchen gesehen habe, die ich alsVorsitzende des Ausschusses für zivile AngelegenheitendivtKmrkdZBIMdpKtzgmsIWMLßwLssmAdgbLfsMgZWbai
ch finde, Sie, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter iministerium, die Abgeordneten im Fachausschuss sowieie Außenpolitiker, Wirtschaftspolitiker und Haushalts-olitiker – das sind nicht zuletzt die Kolleginnen undollegen, die ich hier sehe und die an dieser Debatteeilnehmen – das UN-Ziel, die Armut in der Welt bisum Jahr 2015 zu halbieren, mit viel Schwung und En-agement angegangen. Wenn der Finanzminister nochehr Geld zur Verfügung gestellt hätte, dann wären wirchon ein Stück weiter.
Überlegen Sie einmal, was der militärische Einsatz imrak kostet. Was könnte man mit dem Geld alles tun?ie viele Waffen würden nicht eingesetzt? Wie vieleenschen, Soldaten und Zivilisten würden nicht umseben kommen? Wie viel Infrastruktur – die anschlie-end mit Beträgen in Milliardenhöhe wieder aufgebautird – würde nicht zerstört werden? Wie viele natürlicheebensgrundlagen würden bewahrt bleiben?Dabei haben die Teilnehmer der 55. UN-Generalver-ammlung in ihrer Millenniumserklärung beschlos-en, dass der Anteil der Bevölkerung, deren Einkom-en weniger als 1 Dollar pro Tag beträgt, und dernteil der Menschen, die Hunger leiden, halbiert wer-en solle. Sie hatten sich vorgenommen – die Bundesre-ierung und Heidemarie Wieczorek-Zeul waren dabeiesonders beteiligt –, dass endlich möglichst vieleneuten auf der Erde hygienisches Trinkwasser zur Ver-ügung stehen solle. Außerdem – das scheint mir per-önlich das Wichtigste zu sein – sollten Jungen undädchen gleichberechtigten Zugang zu allen Bildungs-ängen erhalten.
Diese Aufgaben zu lösen ist ein Wettlauf gegen dieeit, an dem sich sehr viele engagierte Menschen auf derelt beteiligen müssen. Ich bin mir sicher, dass Sie da-ei auf meiner Seite sind. In diesem Punkt stehen wirlle beieinander.Eine hat in den letzten vier Jahren mit aller Kraft, mithrer Durchsetzungsfähigkeit, mit ihrer Zähigkeit und
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2807
)
)
Brigitte Schulte
mit ihrem Namen viel geleistet. Frau Bundesministerin,ich finde, Sie haben der deutschen Entwicklungspolitikwieder einen Namen und ein Gesicht gegeben. Das sollteman in aller Deutlichkeit anerkennen.
Deshalb wollen die Mitglieder des Haushaltsausschussesund die Berichterstatter – Kollege Borchert bringt das inseinen Anträgen zum Ausdruck – helfen, damit die ge-setzten Ziele von Deutschland realisiert werden können.Nicht alle Felder der nationalen und internationalenPolitik haben für den Bürger nachvollziehbare Ziele. An-ders ist das auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Zusam-menarbeit. Im Jahr 2002 betrug die Weltbevölkerung6,211 Milliarden Menschen. Davon lebten – man kannes auch den Bürgern in Deutschland nicht oft genug sa-gen – nicht einmal 1,2 Milliarden Menschen in den stär-ker entwickelten Regionen der Welt, also beispielsweisebei uns, im westeuropäischen und nordamerikanischenTeil der Welt, über 5 Milliarden lebten in weniger ent-wickelten Regionen und 700 Millionen in den ärmstenLändern der Erde.Nur jemand, der an seiner eigenen Zukunft inDeutschland und der seiner Angehörigen nicht interes-siert ist, der kann darüber hinwegsehen, wie die Lage beiunseren Nachbarn im südlichen und östlichen Mittel-meerraum bereits aussieht. Ich möchte Sie ein bisschennachdenklich machen: Marokko hat heute schon eineBevölkerung von 31 Millionen. Nach den Prognosen derUN wird sie bis 2050 auf über 50 Millionen anwachsen.Algerien hat 31 Millionen Einwohner. Ich kann michnoch an die Zahlen erinnern, die wir in der Schule ge-lernt haben; da lag deren Einwohnerzahl bei weit unter20 Millionen. Sie wird bis 2050 auf 51 Millionen Men-schen anwachsen. Ägypten liegt bei 70 Millionen Ein-wohnern. Als ich das Land vor zehn Jahren privat be-sucht habe, waren es 60 Millionen Einwohner. Ichempfand es schon damals als hoffnungslos übervölkert.Die Bevölkerungszahl Ägyptens wird bis 2050 auf114 Millionen anwachsen. Die Einwohnerzahl von Pa-lästina wird demnach von 3,4 Millionen auf 11,8 Millio-nen wachsen. Israel wächst von 6 Millionen auf 10 Mil-lionen Einwohner. Der arabische Anteil der Bevölkerungist daran ganz erheblich. Ich meine nicht die besetztenGebiete; die habe ich Palästina zugerechnet. Der Irak,über den wir zurzeit häufig reden, hat eine Bevölkerungvon 24 Millionen Einwohnern.
Sie wird bis 2050 auf 53,6 Millionen ansteigen. Die Be-völkerung Jordaniens wird sich von 5 Millionen Men-schen auf 10 Millionen verdoppeln, die von Syrien von17 Millionen Menschen auf 36 Millionen. Die Türkei,deren Zukunft uns besonders wichtig sein muss, hatheute 69 Millionen Einwohner – denken Sie an die Zah-len, die Sie in der Schule gelernt haben – und wird imJahr 2050 auf etwa 100 Millionen Einwohner kommen.Die Bevölkerung im Iran – es kann uns nicht gleichgül-tig sein, wie es bei der Nachbarnation des Iraks aussieht –wn–sn7SstrnwdkwemHmnstefkimdnEuwwAuttgsdrmgkgmngDbes
Was für eine Herausforderung angesichts der Zahlen,ie ich genannt habe! Die Milleniumserklärung zur Be-ämpfung der Armut ist also keine Lyrik, vor allem,enn man bedenkt, dass die Bevölkerungen der von mirrwähnten Staaten – ich könnte noch mehr nennen –ehrheitlich aus Analphabeten bestehen, von denen dieälfte jünger als 20 Jahre ist. Dort können weder dieeisten Jungen, geschweige denn die Mädchen auf ei-en Zugang zu Bildung hoffen.Um die Lage der Frauen in den von mir nur bei-pielhaft aufgrund ihrer Nähe zur EU genannten Staa-n – ich sage immer, die Menschen könnten von dortast zu Fuß, zumindest aber mit dem Schlauchbootommen – darf sich der Deutsche Bundestag nicht nur Entwicklungshilfeausschuss kümmern und nicht nurann, wenn wir den Haushalt beraten. Er muss die Mi-isterin und die Parlamentarische Staatssekretärin Frauid, die sich bereits darum kümmern, stärker als bishernterstützen.
Über den Haushalt, den wir später verabschiedenerden, kann ich nur sagen: Es stimmt, auch ichünschte mir natürlich, er wäre höher. Den höchstennteil am Gesamthaushalt hat dieser Einzelplan 1982nter der Regierung von Helmut Schmidt gehabt. Spä-er haben Sie es versäumt, ihn auf die gewünschten An-eile zu bringen, und auch heute würde ich den Anteilerne erhöhen. Deswegen haben wir auch kein Ver-tändnis gehabt – das sage ich an die Haushälter, die iner vorangegangenen Legislaturperiode zuständig wa-en –, dass Sie ihn im Jahre 2000 mithilfe des Finanz-inisteriums um 8,5 Prozent gekürzt haben. Das ist an-esichts der Zahlen, die ich Ihnen genannt habe,ontraproduktiv.Herr Kollege Borchert, auch wenn Sie heute nicht netteredet haben – ich weiß, dass Sie das besser können –,uss ich Ihnen sagen: Ich hätte Ihnen bei der Forderungach einer Anhebung der Verpflichtungsermächtigungerne zugestimmt. Aber der Finanzminister hat keineeckung gefunden. Wir könnten den Kollegen Dilleritten, dass er für den nächsten Haushalt auf jeden Fallinen entsprechenden Deckungsvorschlag vorbereitenoll.
Metadaten/Kopzeile:
2808 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Brigitte Schulte
Zur FDP: Hat sich mein Kollege Jürgen Koppelinvorsichtshalber verflüchtigt?
Ich glaube, Ihr Vorschlag, das Ministerium aufzulösenund die Aufgaben in das Auswärtige Amt einzugliedern,ist angesichts der vor uns liegenden Aufgaben ein ver-späteter Karnevalsscherz.
Die Bundesrepublik Deutschland hat erfolgreich da-rum gekämpft, dass Einrichtungen der UN nach Bonnkommen. Es sind schon einige dort, es könnten aber ru-hig noch mehr werden. Das würden sie auch wollen. Be-sonders erfreulich ist, dass das United Nations Develop-ment Programme dabei ist und dass dessen Mitarbeiternicht mehr nur am East River sitzen, sondern inzwischenauch am Rhein arbeiten. Wie ich festgestellt habe, fühlensie sich dort auch wohl.Notwendig wäre es – ich hoffe auf Ihre Unterstützung –,dass wir die Mittel im nächsten Jahr und in den Jahrenkräftig aufstocken, um gerade diese Programme zu för-dern. Auch mir gefällt es nicht, dass viele Aufgaben, dieim Einzelplan 23 gut aufgehoben sind, aufgeteilt werdenauf verschiedene Einzelpläne. Wir haben deswegen denAuftrag an den Rechnungshof gegeben, zu überprüfen,ob diese Aufgaben nicht im Einzelplan 23 konzentriertwerden müssten.Wer in der Weltliga mitspielen will – das wollen wir –,
der muss im eigenen Interesse mehr für die Entwick-lungsarbeit tun, der muss Krankheiten und Analphabe-tentum, Armut, Familienplanung und Sexualaufklärungzu seinen Aufgaben machen.
Frau Kollegin, auch wenn es mir schwer fällt, muss
ich Sie an die Überschreitung der Redezeit erinnern.
Ich bin sofort fertig, Herr Präsident. Die anderen ha-
ben auch überzogen.
Meine Damen und Herren, wir haben hervorragende
Leute bei der UN – in Bonn und in New York. Wir haben
aber auch hervorragende Mitarbeiter in unseren interna-
tionalen und nationalen Organisationen. Es würde sich
lohnen, all diese hier einmal zu erwähnen. In der Kürze
der Zeit kann ich das leider nicht.
Herr Präsident, Sie gestatten, dass ich noch zwei
letzte Zahlen nenne: Ich finde, es stünde der Bundesre-
publik gut an, wenn sie die Zahl der jungen Akademiker,
die sich auf Einladung der Bundesrepublik Deutschland
– dies wurde mit Mitteln aus dem Haushalt finanziert –
nach ihrem Studium hier in Deutschland weiter qualifi-
z
u
l
6
m
z
t
f
u
E
F
F
B
–
s
p
d
D
i
ä
w
G
p
e
h
d
u
E
E
w
z
v
w
S
T
I
b
g
w
e
l
Das Wort hat nun der Kollege Markus Löning, FDP-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieberau Kollegin, Sie haben unseren Antrag zur Fusion vonMZ und AA als Karnevalsscherz bezeichnet.
Lieber Herr Ströbele, dann müssten Sie Ihren ge-chätzten Herrn Außenminister eigentlich als Faschings-rinz bezeichnen; denn auch er wollte ja die Integrationes BMZ in das AA.
as war schon damals ein vernünftiger Vorschlag vonhm und daran hat sich – der Antrag liegt vor – nichts ge-ndert.Kollege Borchert hat es dargestellt: Der Einzelplanird zerfleddert und aus anderen Häusern dirigiert. Einroßteil der Entwicklungshilfe – unter finanziellen As-ekten – findet in anderen Häusern statt. Noch sehr vielntscheidender aber ist: Zum Beispiel aus Afghanistanören wir von Reibungsverlusten, die dadurch entstehen,ass die Abstimmung zwischen dem Auswärtigen Amtnd dem BMZ nicht funktioniert. Geld, Effizienz undinsatz gehen hier verloren. Wir setzen uns mit unseremntschließungsantrag dafür ein, dass diese Effizienzieder hergestellt und im Sinne der Entwicklungshilfe,um Beispiel bei der Minenräumung und anderen sinn-ollen Projekten – anstatt bei der Verwaltung –, genutztird.Frau Ministerin, ich habe gerüchteweise gehört, dassie unserem Entschließungsantrag nicht folgen wollen.rotzdem möchte ich auf einige Strukturvorschläge fürhr Haus eingehen, die Sie in letzter Zeit vorgebracht ha-en. Man hört das eine oder andere. Teilweise ist es be-rüßenswert, teilweise aber auch nicht. Auf einen Punktill ich hier besonders eingehen: Sie haben sichntschlossen, einen größeren Teil Ihres Hauses nach Ber-in zu verlegen. Das begrüße ich ausdrücklich. Diesen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2809
)
)
Markus LöningVorschlag finde ich sehr vernünftig. Leider konnten Siesich nicht dazu durchringen, Ihr ganzes Haus hierher zuverlegen und ins AA zu integrieren.
– Ich kann und darf hier doch wohl Wünsche äußern,Frau Kollegin. Ich hoffe, das ist durchaus auch in IhremSinne.
Lieber Herr Kollege, wir sollten der Bundesregierung
aber in der Tat nicht vorwerfen, dass sie sich an geltende
Gesetze hält.
Gut, trotzdem möchte ich hier noch einmal den
Wunsch äußern: Ich glaube allen Ernstes, dass es der
Entwicklungspolitik gut täte, wenn wir die Kompetenz
in diesem Bereich in Berlin – wo sich die ausländischen
Gesprächspartner befinden und wo sich auch die ent-
sprechenden Institutionen gruppieren – konzentrieren.
Ich glaube, das würde der Entwicklungspolitik schluss-
endlich größere Durchschlagskraft und Effizienz ver-
schaffen.
Lassen Sie mich noch zu einem anderen Thema kom-
men, nämlich zu den Entschuldungsstrategien. Frau
Ministerin, Sie tragen Ihr Engagement auf diesem Gebiet
immer mit einem großen Stolz vor sich her. Den Weg,
den die Bundesregierung hier geht, teile ich – wenn auch
mit Abstrichen.
In der letzten Woche aber mussten wir im Ausschuss
in Sachen Bolivien einiges zur Kenntnis nehmen, das
mich bezogen auf die Entschuldungsstrategien schon
sehr nachdenklich gemacht hat. Bolivien hat vor knapp
zwei Jahren seinen Completion Point erreicht und ist um
2 Milliarden US-Dollar entschuldet worden. Der deutsche
Steuerzahler hat sich daran mit 380 Millionen Euro betei-
ligt. Die bolivianische Regierung bemüht sich nun darum
– diese Situation muss man sich einmal vorstellen –, wei-
tere 35 Millionen Euro als Budgethilfe zu erhalten, um
auf dieser Basis einen nochmaligen Kredit in Höhe von
117 Millionen Euro zu bekommen. Das heißt, sie bemüht
sich um einen Kredit von insgesamt 150 Millionen Euro,
und zwar knapp anderthalb Jahre nach ihrer Entschul-
dung.
Das ist ein ernstes Warnsignal. Ich habe in meiner
Rede im Dezember des letzten Jahres an dieser Stelle auf
ähnliche Probleme in Uganda hingewiesen. Auch aus
Äthiopien kommen negative Signale. Dort scheint sich
die Lage nicht so zu entwickeln, wie wir uns das wün-
schen. Wenn wir mit dem Geld der deutschen Steuerzah-
ler entschulden, was die FDP – wie auch ich – im Prinzip
richtig findet, können wir dann, wenn es schief geht,
nicht einfach sagen: Die Kriterien waren vielleicht zu
weich angelegt. Man muss sie ein wenig großzügiger
a
s
v
d
l
w
m
E
d
le
–
v
in
z
m
u
m
L
b
Z
T
t
B
r
e
s
E
E
i
n
n
t
g
d
H
G
A
a
K
Nun erteile ich dem Abgeordneten Thilo Hoppe,
ündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esuft schon sehr gemischte Gefühle hervor, am Vorabendines Krieges über den Haushalt für wirtschaftliche Zu-ammenarbeit und Entwicklung zu debattieren.
s fällt schwer, eine Rede über die Fortschritte in derntwicklungszusammenarbeit zu halten, die sich auchm Haushalt widerspiegeln, wenn man weiß, dass in we-igen Stunden die Bomben fallen, die das Elend nuroch größer machen.Es macht mich traurig und wütend, dass in den nächs-en Tagen Milliarden für Krieg, Zerstörung und Tod aus-egeben werden, Geld, das dringend für einen ganz an-eren Kampf benötigt wird, den Kampf gegen denunger.
enaue Zahlen kann es jetzt natürlich noch nicht geben.ber Schätzungen aller Experten gehen davon aus, dassllein in den nächsten beiden Wochen mehr Geld imrieg verpulvert wird – im wahrsten Sinne des Wortes –,
Metadaten/Kopzeile:
2810 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Thilo Hoppeals alle Staaten dieser Welt in einem Jahr gemeinsam fürdie Entwicklungszusammenarbeit ausgeben.Dass sich die Bundesregierung mit allem Nachdruckfür eine friedliche Lösung engagiert hat, ist allen Bürge-rinnen und Bürgern bewusst. Im Rahmen einer entwick-lungspolitischen Debatte möchte ich aber auch die Rolleder Entwicklungsländer in diesem Konflikt hervorheben.Besonders betonen möchte ich die Rolle der Entwick-lungsländer im Weltsicherheitsrat, die Anerkennungund Respekt verdient, insbesondere die Haltung der afri-kanischen Staaten.
– Natürlich, ebenso der lateinamerikanischen Staaten! –Sie haben trotz massiven Drucks seitens der USA, derauch die Androhung der Streichung von Entwicklungs-hilfe beinhaltet haben soll, Rückgrat bewiesen und diedeutsch-französischen Friedensvorschläge unterstützt.
Sie haben sich in dieser wichtigen Frage allen Unkenru-fen zum Trotz als nicht käuflich erwiesen.Nach diesem Krieg wird nichts mehr so sein, wie eswar – weder politisch noch wirtschaftlich. Der völker-rechtswidrige Präventivschlag gegen den Irak wird die Weltweiter entzweien, neue Konfliktherde schüren und denGlauben an Konfliktprävention und Friedenspolitik nach-haltig beeinträchtigen. Auch wird dieser Krieg über dieMenschen im Irak unermessliches Leid bringen; nicht nurdurch die Bomben, sondern auch durch die Unterbrechungder Nahrungsmittellieferungen und durch die Zerstörungder Infrastruktur, zum Beispiel der Wasserversorgung.Es ist Schlimmstes zu befürchten. Aber – auch wenndas paradox klingt – ich hoffe und bete, dass ich mit die-sen Befürchtungen nicht Recht behalten werde, dass inletzter Sekunde noch ein Wunder geschieht bzw. dassder Krieg, wenn er nicht mehr verhindert werden kann,sehr schnell über die Bühne gehen wird.Wir müssen uns aber auch darauf einstellen, dass die-ser Krieg die Not erheblich vergrößert und dass die inter-nationale Gemeinschaft im Bereich der humanitärenHilfe und des Aufbaus großen Herausforderungen ge-genüberstehen wird. Dabei ist es wichtig, darauf zu ach-ten, dass die humanitäre Hilfe nicht instrumentalisiertwird, dass die Hilfsorganisationen freien Zugang habenund dass die Vereinten Nationen die humanitäre Hilfenach wie vor koordinieren.Ich denke, in dieser Situation ist es auch für Deutsch-land sehr wichtig, die humanitäre Hilfe und den Aufbauunter dem Dach der Vereinten Nationen politisch, finan-ziell und mit Personal zu unterstützen. Das kann unterUmständen auch bedeuten, dass wir mit den Mitteln, diedafür im Haushalt eingestellt sind, nicht auskommenwerden, und dass, zumindest was den Haushalt 2004 be-trifft, sowohl im Einzelplan 23 als auch im Einzelplan 05– ich meine den Bereich der humanitären Hilfe im Haus-halt des Auswärtigen Amtes – nachgebessert werdenmuss.AdspAzuknM4gvrfuprFEetTngEdtnhdHmishAaukfCmSdhGghF
Wenn ich den Kolleginnen und Kollegen von derDU/CSU in diesem einen Punkt Recht gebe, dannöchte ich damit aber nicht sagen, dass ich Ihnen, wennie an die Regierung gekommen wären, zugetraut hätte,ies auch umzusetzen. Ihre Haushälterinnen und Haus-älter hätten Ihrem Finanzminister bei weitem wenigereld für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfü-ung gestellt. Unter Kohl hatte die ODA-Quote einenistorischen Tiefstand erreicht. Das wurde schon vonrau Kollegin Schulte gesagt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2811
)
)
Thilo HoppeLassen Sie mich zum Schluss sagen, dass es in derEntwicklungspolitik nicht allein auf das Geld und denHaushalt ankommt. Seit 1998 verstehen wir Entwick-lungspolitik auch als internationale Strukturpolitik, alsQuerschnittsaufgabe, als einen Beitrag für eine gerechte,soziale und ökologische Gestaltung der Globalisierung.Dazu wäre vieles zu sagen, was aber in der mir zurVerfügung stehenden Redezeit nicht unterzubringen ist.Exemplarisch möchte ich auf einen Antrag zu den lau-fenden WTO-Agrarverhandlungen hinweisen, der amletzten Donnerstag hier in diesem Haus von den Koali-tionsfraktionen eingebracht wurde. Das ist ein Antrag,der auf mehr Kohärenz bezüglich der Agrar- und Ent-wicklungspolitik zielt, ein Antrag, der sich für den voll-ständigen Abbau der handelsverzerrenden Agrarexport-subventionen einsetzt und zugleich fordert, dass ein Teilder dadurch frei werdenden Mittel gezielt für die Ent-wicklungszusammenarbeit eingesetzt wird, insbesonderefür den Aufbau der ländlichen Struktur und die Stärkungeiner nachhaltigen Landwirtschaft.Auch so versteht die Koalition umfassende Entwick-lungspolitik. Wenn wir auf diesem Weg weiter mutig vo-rangehen, dann bin ich optimistisch, dass wir einen nen-nenswerten, wertvollen Beitrag zur Verwirklichung derMillenniumsziele liefern werden, nämlich bis zum Jahr2015 die Zahl der in Armut und Hunger lebenden Men-schen zu halbieren.Ganz zum Schluss noch ein Wort zu dem Antrag derFDP: Rot und Grün lassen sich nicht auseinander divi-dieren. Sowohl das Auswärtige Amt als auch das BMZhaben ihre spezifischen wichtigen Aufgaben und ergän-zen sich. Das ist auch gut so.
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Ralf Brauksiepe,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Herr Kollege Hoppe, wir alle teilen Ihre Besorgnis überdie aktuelle weltpolitische Lage. Ich respektiere auch dieSelbstkritik, die Sie in Bezug auf die entwicklungspoliti-schen Anstrengungen und den BMZ-Etat hier zum Aus-druck gebracht haben.Man muss schon feststellen, dass der KollegeBorchert wie üblich Recht mit seiner Voraussage hatte,dass von Rot-Grün wieder wortreich der untauglicheVersuch unternommen wird, das Absenken der Entwick-lungshilfe, das Zurückbleiben der entwicklungspoliti-schen Anstrengungen gegenüber Ihren eigenen Erwar-tungen und Ankündigungen zu kaschieren.
Sie haben eine merkliche Erhöhung des BMZ-Etats ver-sprochen. Sie geben im Kernbereich der deutschen Ent-wicklungszusammenarbeit – und das ist der BMZ-Etat –w„FEdddaqzmdw7QcSeSMutivaeskfslehshZsgwsO0WAdmtädluGz
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir stim-en in einem überein: Es geht nicht nur um die Quanti-t der Entwicklungszusammenarbeit, sondern auch umie Qualität. Dabei kommen wir nicht um die Feststel-ng herum, dass für uns ein entwicklungspolitischesesamtkonzept bei Rot-Grün nicht erkennbar ist.Ich will nur ein Beispiel nennen. Sie versuchen zur-eit, im Bundestag und im Bundesrat eine Vielzahl von
Metadaten/Kopzeile:
2812 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Dr. Ralf BrauksiepeSteuererhöhungen auf anderen Gebieten durchzubekom-men. Das BMZ hat im vergangenen Jahr eine Studieüber die Durchführbarkeit einer so genannten Devisen-transaktionssteuer veröffentlicht, die jetzt im Raumsteht. Bisher hat die Bundesregierung diese Steuer nichtgefordert. Wir fragen uns nun: Wollen Sie jetzt auchnoch eine solche Devisentransaktionssteuer in die De-batte einbringen? Ist das Ihre Position und/oder die dergesamten Bundesregierung? Um es deutlich zu sagen:Wir wollen sie nicht, aber wir würden gerne Ihre Posi-tion kennen, damit wir uns mit Ihnen konzeptionell aus-einander setzen können. Darauf warten wir noch.In der jüngsten Überprüfung der deutschen Entwick-lungszusammenarbeit, die die OECD vorgenommen hat,kommt sie zu einem kritischen Ergebnis. Die deutscheEntwicklungszusammenarbeit wird als ein wenig koor-diniertes und untereinander unzureichend kooperieren-des, unüberschaubares Instrumentarium dargestellt, dasdurch eine zentralistische Entscheidungsstruktur behin-dert wird.Es liegt uns fern, zu behaupten, dass alle diese Pro-bleme völlig neu sind, aber wichtig ist für uns die Frage,in welche Richtung es weitergehen soll. Vor dem Hinter-grund der bereits angesprochenen Probleme planen Sienun in Ihrem Hause gegen den einstimmigen Willen derPersonalversammlung eine Umstrukturierung im BMZ,die von Experten unter anderem mit den Begriffen „de-saströses Management“ und „Geringschätzung der Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter“ qualifiziert wird.
Daraus folgt für uns: Form und Inhalt Ihrer Planungenlösen die Strukturprobleme der deutschen Entwicklungs-zusammenarbeit nicht, sondern sie verschärfen sie.Unsere Vorstellungen einer modernen Entwicklungs-zusammenarbeit aus einem Guss gehen davon aus, dassEntwicklungspolitik ohne humanitäre Beweggründenicht sinnvoll betrieben werden kann, dass aber Ent-wicklungspolitik sowohl im Interesse der Empfängerlän-der als auch in unserem eigenen nationalen Interesseliegt, wenn wir sie richtig gestalten.Ich will kurz ein paar Beispiele skizzieren. Ich denke,wir müssen den Sektor Bildung und Ausbildung wiederin den Mittelpunkt der Entwicklungspolitik stellen. Dasist zurzeit nicht der Fall. Die Verbesserung des Ausbil-dungsstandes gerade der jungen Menschen ist für die Zu-kunftschancen der Entwicklungsländer von herausragen-der Bedeutung. Denn um Hilfe zu einer wirksamenSelbsthilfe leisten zu können, ist es unerlässlich, Men-schen zu qualifizieren und sie dadurch in die Lage zuversetzen, sich selbst zu helfen.Ich denke, es ist darüber hinaus in diesem Haus auch un-strittig, dass verstärkte Anstrengungen zum Schutz der na-türlichen Lebensgrundlagen unternommen werden müs-sen und dass gleichermaßen verstärkte Anstrengungennotwendig sind, um die oft mangelhaften staatlichen Rah-menbedingungen in Entwicklungsländern zu verbessern.Herr Kollege Hoppe, Sie sprachen eben von den afri-kanischen Ländern, die sich von den Vereinigten StaatennWmRdlnhwsÜadKgrwSfamdswsgFdawDgratmrHsbtedwAsEEGbuEk
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2813
)
)
Dr. Ralf BrauksiepeIch möchte in diesem Zusammenhang eine, wie ichdenke, aus Ihrer Sicht eher unverdächtige Zeugin zitie-ren: Die britische Entwicklungsministerin Claire Shorterklärte erst jüngst, die europäische Entwicklungspolitiksei eine Schande, und drohte damit, wenn sich nicht baldetwas ändere, werde man die Beiträge streichen und dasGeld wieder selbst ausgeben. Auch die Deutsche Welt-hungerhilfe denkt in diese Richtung. Uns ist natürlichklar, dass so etwas nicht von heute auf morgen möglichist. Schließlich gibt es völkerrechtliche Verpflichtungen,die es einzuhalten gilt. Aber zumindest mittelfristig musses eine solche Perspektive geben und darf eine solcheMaßnahme kein Tabu sein. Das Geld muss endlich denArmen zur Verfügung stehen und darf nicht irgendwogelagert werden.Wir gehen als CDU und CSU eigentlich davon aus,dass es bei allen Differenzen, die wir hier haben, auchThemen von gemeinsamem Interesse gibt und auch inZukunft geben wird. Eigentlich sollte es das gemeinsameInteresse von uns Parlamentariern sein, die schleichendeSelbstentmachtung des BMZ zu verhindern, die ja schonin vollem Gange ist. Natürlich ist der BMZ-Etat undseine Höhe – im Gegensatz zum Etat des AuswärtigenAmtes – ein Instrument der politischen Auseinanderset-zung. Sie stellen beispielsweise auch Mittel, die dasAuswärtige Amt bewirtschaftet, in den BMZ-Etat ein,um den Eindruck zu erwecken, Sie täten mehr in diesemBereich, als Sie tatsächlich tun. Im Bereich des Stabili-tätspaktes Afghanistan und des Stabilitätspaktes Südost-europa sind bis zum Jahr 2006 240 Millionen Euro vor-gesehen, die Sie zum Schein beim BMZ-Etat einstellen,die Sie aber zur Bewirtschaftung an das Auswärtige Amtgeben.Eben wurde gesagt, der Entschließungsantrag derFDP – auch wir weisen ihn mit Abscheu und Empörungzurück; ich sage das nur, um keinen Zweifel aufkommenzu lassen – sei ein verspäteter Karnevalsscherz. MeineDamen und Herren von der Regierung, wenn Sie das sosehen, dann frage ich, warum Sie vorauseilenden Gehor-sam leisten. Im Entschließungsantrag der FDP steht:„Die finanziellen Mittel aus dem Einzelplan 23 werdenin den Einzelplan 05“ – das ist der Etat des AuswärtigenAmtes – „übertragen.“ Mit 240 Millionen Euro bis zumJahr 2006 leisten Sie vorauseilenden Gehorsam. LassenSie das doch und handeln Sie stattdessen im Sinne derHaushaltstransparenz und aus inhaltlichen Gründen!
Das Auswärtige Amt hat eine andere Aufgabe.
Herr Kollege Brauksiepe, ich muss Sie an die Rede-
zeit erinnern.
Jawohl. – Es bleibt also dabei: Es ist nicht nur eine
Frage der Haushaltstransparenz, sondern auch eine Frage
unterschiedlicher inhaltlicher Schwerpunkte und unter-
schiedlicher Konzepte von AA und BMZ. Mit uns ist
eine solche schleichende Selbstentmachtung nicht zu
m
v
s
s
h
d
b
d
M
D
V
d
s
S
i
v
6
f
s
t
m
e
k
E
s
b
u
d
s
S
ü
ß
w
t
t
S
L
d
k
G
Dieser Krieg aber wird verheerende Folgen für die Zi-ilbevölkerung mit sich bringen. Bereits jetzt sind0 Prozent der Bevölkerung von den Nahrungsmittelhil-en aus dem so genannten Food-for-Oil-Programm voll-tändig abhängig. Aufgrund des Krieges werden zukünf-ig etwa 10 Millionen Menschen versorgt werdenüssen. Man schätzt, dass bis zu 3 Millionen Flüchtlingentweder versuchen werden, in die Nachbarländer zuommen, oder im Land selbst auf der Flucht sein werden.ine entsprechende Entwicklung können wir zum Teilchon jetzt verfolgen.Ich sage an dieser Stelle: Dieser Krieg ist falsch. Eredeutet eine Missachtung jeder moralischen, ethischennd christlichen Verantwortung. Ich danke den Kirchen,ass sie unser aller Gewissen dafür geschärft haben.
Dieser Krieg ist politisch wie im Übrigen auch wirt-chaftlich für die gesamte Welt eine Katastrophe. Wennie vernetzt denken würden – die Kollegen, die sich hierber die Entschuldung eines Landes wie Bolivien geäu-ert haben –, wäre Ihnen doch klar: Auf alle Länderirkt sich die Kriegsangst in Form sinkender Wachs-umsraten aus. Wenn ein Land, das selbst kaum expor-ieren kann, in einer solchen Situation in wirtschaftlichechwierigkeiten gerät, dann dürfen wir das nicht diesemand vorwerfen, sondern wir müssen dazu beitragen,ass sich die Situation verbessert. Dass wir die Auswir-ungen dieser Situation gesehen haben, war einer derründe dafür, dass wir gesagt haben: Ein solcher Krieg
Metadaten/Kopzeile:
2814 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Heidemarie Wieczorek-Zeulist fatal für alle, aber vor allen Dingen für die schwächs-ten Entwicklungsländer.
Wir wissen uns mit den Millionen von Menschen inder Welt und auch in unserem Land, die gegen diesenKrieg sind, einig. Wir wollten – wie alle UN-Organisati-onen – diesen Krieg mit all unseren Möglichkeiten ver-hindern, weil wir eine humanitäre Katastrophe verhin-dern wollten. Ich sage aber auch: Gerade deshalb werdenwir den betroffenen Menschen im Irak selbst und in denNachbarländern humanitäre Hilfe und Nothilfe leisten;denn es geht um die Menschen. Wir fordern, dass alleMittel, die noch im Food-for-Oil-Programm vorhandensind, ausschließlich und umgehend für die Versorgungder irakischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und le-bensnotwendigen Medikamenten verwendet werden.
Wir sind in enger Abstimmung mit der EU daraufvorbereitet, die UN-Hilfsorganisationen bei Ihrer Versor-gung und Unterbringung von Menschen auch finanziellzu unterstützen. Das gilt sowohl für das Welternährungs-programm als auch für das Internationale Rote Kreuzund für den UN-Hochkommissar für Flüchtlinge. Dieshabe ich gegenüber Ruud Lubbers, dem zuständigenUN-Hochkommissar, zum Ausdruck gebracht. Wir wer-den für diese Initiativen 10 Millionen Euro zusätzlichzur Verfügung stellen.Der UN-Sicherheitsrat – das ist heute Morgen undauch jetzt mehrfach angesprochen worden – hat in sei-nen Beratungen mit seiner Mehrheit – das gilt auch fürdie große Mehrheit in den Vereinten Nationen – denWunsch der Völker nach Frieden unüberhörbar artiku-liert. Die Völker haben damit deutlich gemacht, dass sieeine Weltordnung wollen, die dem 21. Jahrhundert ent-spricht, eine Weltordnung von Partnern und Gleichbe-rechtigten und nicht eine solche der Unterordnung.
Ich möchte an dieser Stelle besonders den Entwick-lungsländern im UN-Sicherheitsrat danken. Sie habenalle die beschämt, die meinen, Entwicklungsländer lie-ßen sich ihre Zustimmung zu einem Krieg abpressenoder abkaufen. Sie haben deutlich gemacht, dass sie al-len Pressionen zum Trotz eine Weltordnung der Glei-chen wollen. Das ist ein ermutigendes Zeichen für diekünftige Weltordnung. Um langfristig Stabilität undFrieden in der Welt zu schaffen, brauchen wir keine Ko-alition der Kriegswilligen, sondern wir brauchen einemultipolare Ordnung des Friedens und des Rechts; denngerade sie schützt die Schwächeren in dieser Welt.
Viele Menschen aus Entwicklungsländern, die ich ge-troffen habe, und zwar aus allen Regionen der Welt, ha-bfiruth2gdhJheN2datUmDdfdrbntWtvdGuwnR
Ich warne vor einer neuen Rüstungsspirale. Die Rüs-ungsausgaben weltweit – das muss man sich vor Augenalten – sind von 761 Milliarden US-Dollar im Jahr000 auf 839 Milliarden US-Dollar im Jahr 2002 gestie-en. Die Finanzmittel dieser Welt werden aber vielringlicher im Kampf gegen Hunger, Armut und Krank-eit gebraucht.
Jedes Jahr sterben 10 Millionen Kinder unter fünfahren an vermeidbaren Krankheiten und viele Kinderaben nicht die Chance, in die Schule zu gehen. Ich haltes daher für obszön, Mittel in Kriegen zu verschwenden.iedrig geschätzt betragen die Kosten eines Irakkriegs00 Milliarden US-Dollar. Das ist viermal so viel, wie iner Welt in einem Jahr für Entwicklungszusammenarbeitusgegeben wird. Das ist obszön. Wir müssen dazu bei-ragen, dass das so benannt und auch so erkannt wird.
Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht um diemsetzung der Resolution 1441
it nichtmilitärischen Mitteln.
ie Nummer dieser Resolution kennt jeder. Ich möchte,ass die Weltgemeinschaft mit der gleichen Leidenschaftür die Umsetzung der Resolution 55/2 kämpft. Das istie UN-Resolution, die im Jahr 2000 auf der UN-Gene-alversammlung von der internationalen Gemeinschafteschlossen wurde, in der sich die Gemeinschaft vorge-ommen hat, eine drastische Reduzierung der weltwei-en Armut und des Hungers, den Zugang zu sauberemasser für alle, den Zugang aller Kinder zum Schulun-erricht zu erreichen und die Bekämpfung von HIV/Aidsoranzutreiben. Das sind die Aufgaben. Die Nummerieser Resolution muss jeder kennen. Die internationaleemeinschaft muss alle Anstrengungen unternehmen,m das zu erreichen, so wie auch wir dies tun.
Ich möchte an dieser Stelle auch daran erinnern, dassir über den Konflikten im Nahen und Mittleren Ostenicht die Konflikte und den Wiederaufbau in anderenegionen vergessen dürfen. Ich gedenke in dieser
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2815
)
)
Heidemarie Wieczorek-ZeulDebatte eines guten Freundes unseres Landes, einesHoffnungsträgers für die Perspektiven des Balkans,Zoran Djindjic, der vor wenigen Tagen ermordet wurdeund dessen Tod uns alle erschüttert hat. Er stand für denAufbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und fürdas friedliche Zusammenleben verschiedener ethnischerGruppen. Wir danken ihm für das Engagement, das erfür sein Land, für Frieden und Stabilität sowie gutes Zu-sammenleben erbracht hat.
Wir haben in dieser Situation aber auch alle zusam-men gespürt, wie wichtig es ist, diese Ordnung inSüdosteuropa weiter zu stabilisieren und den demokrati-schen und wirtschaftlichen Wiederaufbau mit mindes-tens so viel Engagement zu begleiten wie das Eingreifenwährend eines Konfliktes. Ich freue mich, dass wir inden zweieinhalb Jahren unsere Leistungen gegenüberSerbien und auch gegenüber Zoran Djindjic im Umfangvon 100 Millionen Euro haben erbringen und damit ei-nen Beitrag zur Unterstützung des Aufbaus haben leistenkönnen. Ich habe zugesagt, dass ich in den nächsten Ta-gen weitere Gespräche führen werde, damit diese Hilfenauch für die Zukunft abgesichert und möglicherweiseausgeweitet werden können.Liebe Kolleginnen und Kollegen, Entwicklungspoli-tik muss sich aber trotz aller aktuellen Konflikte immerauch als Krisenprävention verstehen und einbringen.Übrigens ist – das sage ich denen, die sich da Sorgen ma-chen, damit sie die Relationen sehen können – der Haus-halt des BMZ, den natürlich auch ich gern finanziellnoch besser ausgestattet sähe – das werden wir auchschaffen –, fast doppelt so groß wie der Haushalt desAuswärtigen Amtes. Uns geht es entwicklungspolitischum die Stärkung regionaler Kooperation. Wir wollen,dass Krisenprävention in den Mittelpunkt gestellt wird.Wir müssen dazu beitragen, dass die Konkurrenz um na-türliche Ressourcen entschärft und der Zugang zu saube-rem Trinkwasser ermöglicht wird.
Das hat praktische Konsequenzen; denn täglich ster-ben fast 6 000 Kinder an Krankheiten, die durch ver-schmutztes Wasser übertragen wurden. Es ist doch jedeAnstrengung von uns allen, und zwar in der internationa-len Gemeinschaft, wert,
dass diesem Skandal entgegengewirkt wird und die not-wendigen Investitionen, die wir in diesem Haushalt ineinem Umfang von 350 Millionen Euro vorgesehen ha-ben, tatsächlich realisiert werden. Das werden wir tun.
Wenn ich das sagen darf: Auch da gilt Kohärenz beimHandel. Da kann man gut von Freihandel reden. Aberman muss dann auch – Sascha Raabe hat das zusammenmit anderen in seinem Antrag getan – die Schlussfolge-rungen ziehen. Die Entwicklungsländer werden sehr ge-n1eostedwwwdvswlBwtflbnduMwsGMKüsrläw
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht uns um dieeitere konsequente Reform der Strukturen der Ent-icklungszusammenarbeit. Ich bin ganz sicher, dassir jenseits der einzelnen Formulierungen diese notwen-igen Reformen im Interesse der Effizienz gemeinsamoranbringen werden. Es geht darum, zu verzahnen zwi-chen dem, was wir an bilateralen Fähigkeiten haben,as wir in den großen internationalen Organisationeneisten können und was wir in bestimmten Sektoren zumeispiel über die Weltbank voranbringen können.Höhere Finanzmittel zu haben ist wichtig. Aber icheise darauf hin: Während das Soll des Gesamthaushal-es gegenüber 2002 um 1,7 Prozent sinkt, steigt der Pla-ond des Einzelplans 23 um runde 2 Prozent auf 70 Mil-ionen Euro.
Einige haben festgestellt, dass auch andere Ressortseteiligt sind. Das ist eben das neue Denken. Wir wollenicht, dass nur ein Ressort international und globalenkt, sondern wir wollen, dass alle Ressorts mitdenkennd zur Gestaltung der Welt beitragen.
eine Güte, da sind Sie wirklich noch weit hinterher.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe gehört,as der Bundeskanzler heute Morgen gesagt hat. Ich ge-tehe: Ich habe Angst vor diesem Krieg, Angst vor derleichgültigkeit einer Kriegsmaschinerie, in der dasenschenleben nichts mehr zählt; Angst vor den großenriegsstrategen, die in den nächsten Tagen und Wochenber der angeblichen Faszination von Taktik, militäri-chem Gerät und Strategie das Leid der Zivilbevölke-ung verdunkeln; Angst vor der Gewöhnung an Krieg.
Aber ich will an dieser Stelle auch sagen: Diese Angsthmt mich nicht. Als Mensch, als Politikerin und Ent-icklungsministerin stehe ich hier,
Metadaten/Kopzeile:
2816 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Heidemarie Wieczorek-Zeulweil ich dieses Gefühl der Angst umsetze in Entschlos-senheit, in Handlungswillen und die Überzeugung, dasses einen Weg gibt, wie die Welt trotz alledem friedlichgestaltet werden kann.
Ich muss ehrlich sagen: Als wir Saddam Husseinschon als Verbrecher bezeichnet haben, da haben dieUSA und andere – vermutlich auch mit Ihrer Unterstüt-zung und Kenntnis –
Saddam Hussein noch militärisch ausgerüstet. Da wollenwir doch einmal ganz offen und ehrlich sein.
Ihre Heuchelei ist wirklich unerträglich.Ich will sagen: Wenn wir den Menschen eine Perspek-tive bieten, sich zu entwickeln, wird es Gerechtigkeit ge-ben. Wenn wir andere Länder und Regierungen alsgleichberechtigte Partner akzeptieren,
wird es eine multipolare Weltordnung geben, in der dieStärke des Rechtes gilt. Wenn wir diese Welt gerechter ge-stalten, wird es friedlichere Verhältnisse geben. Denn Frie-den und Gerechtigkeit gehören untrennbar zusammen.Ich bin davon überzeugt, dass wir diese gerechtereWeltordnung gemeinsam schaffen und voranbringenkönnen. Ich bin überzeugt, dass die Bundesregierung mitihrer Haltung im Irakkonflikt Frieden und Gerechtigkeitlangfristig gestärkt hat.
Ich bin überzeugt, dass Frieden und Gerechtigkeit mög-lich sind. Für diese Art der Entwicklungszusammen-arbeit stehe ich mit meiner politischen Überzeugung undmit unserer Regierung und Koalition.Ich danke Ihnen.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 23 – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung – in der Ausschussfassung.
Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für
den Änderungsantrag auf Drucksache 15/672? – Wer
s
a
s
W
E
S
C
d
k
K
E
s
w
w
V
E
b
i
a
B
b
r
n
m
s
r
L
i
d
d
S
g
s
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2817
)
)
Im Bereich der landwirtschaftlichen Sozialpolitiksind weitere Einschnitte durch eine globale Minderaus-gabe in Höhe von 20 Millionen Euro vorgesehen. Wennich die Statements beim gestrigen ParlamentarischenAbend richtig verstanden habe, sind sich die landwirt-schaftlichen Sozialversicherungsträger mit der Regie-rung über diese Einschnitte einig. Dies kann ich nur sointerpretieren, dass es bei der Verwaltung offensichtlichnoch erhebliche Einsparpotenziale gibt. Eine erneuteAnhebung der Unfallversicherungsbeiträge für die Bau-ern können wir mit Sicherheit nicht mittragen. Wir wer-den ganz genau hinschauen, ob diese Einsparung bei denLandwirten vorgenommen wird oder ob bei der Verwal-tung eingespart wird. Darauf können Sie sich verlassen.
Dass die Gasölbeihilfe im letzten Haushalt deutlichgekürzt wurde und jetzt erneut gekürzt wurde, sei derVollständigkeit halber nur noch einmal erwähnt und inErinnerung gerufen. Diese und weitere Maßnahmen wir-ken sich eindeutig als Standortnachteil für Deutschlandaus.Ein wohl einmaliges haushaltstechnisches Vorgehenist die Einführung eines Titels ohne Haushaltsmittel.
Es ist nicht ein Cent im Haushalt dafür vorgesehen. Manrechnet allerdings mit Mitteln aus einem anderen Be-reich, den man offensichtlich als Sparbüchse vorgesehenhat
–rtwAhw5znadphltcIsKndkFumwZrcvzn–wmld–rWcZ
Man könnte nun meinen, dass bei ordentlicher Haus-altsführung dieser Titel im Regierungsentwurf gekürztorden wäre. Weit gefehlt! Dieser Titel wurde auf0 Millionen Euro angehoben. In der Bereinigungssit-ung hat die Koalition diesen Titel zwar auf 31 Millio-en Euro gekürzt,
ber auch das ist nicht gerechtfertigt. Vertraglich gebun-en sind ganze 860 000 Euro. Das ist wohl das kom-lette Gegenteil vom Grundsatz der Klarheit und Wahr-eit in der Haushaltsführung.
Nun fragt man sich: Wofür das Ganze? Die Erklärungiegt eben in einem neuen Titel, dem so genannten Ak-ionsprogramm „Bäuerliche Landwirtschaft“, der de-kungsfähig mit dem vorher genannten Titel sein soll.m Gegenzug dazu werden die Mittel für die Gemein-chaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und desüstenschutzes“ um 107 Millionen Euro auf 764 Millio-en Euro gekürzt, obwohl praktisch alle Vorschläge ausiesem Programm über die GAK abgewickelt werdenönnten.Dazu ein Beispiel. Im Aktionsprogramm waren dieörderung der Übernahme von bäuerlichen Betriebennd gegebenenfalls die Existenzgründung in Verbindungit neuen Einkommensquellen vorgesehen. In der GAKurden dagegen bis 2002 unter anderem gefördert: dieuweisung zur Verbilligung von Zinsen für die Förde-ung der Wiedereinrichtung und Modernisierung bäuerli-her Familienbetriebe, die Zuweisung zur Verbilligungon Zinsen im Rahmen der Gewährung von Starthilfenur Umstrukturierung von landwirtschaftlichen Unter-ehmen usw., usf.
Austermann [CDU/CSU]: Da wird gekürzt?) Genau.Über die eigentlichen Ursachen dafür, warum immereniger Kinder von Landwirten den Betrieb überneh-en wollen, hat sich die rot-grüne Regierung offensicht-ich keine Gedanken gemacht. Die Landwirtschaft an-auernd von nationaler Seite zusätzlich zu belasten zweistellige Einkommensrückgänge in den letzten Jah-en, Arbeitszeiten von 60 bis 70 und mehr Stunden prooche und dann auch noch der Buhmann der angebli-hen Ministerin für Landwirtschaft zu sein – ist für dieukunft nicht sonderlich motivierend. Daran wird auch
Metadaten/Kopzeile:
2818 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Ilse Aignereine noch so schön klingende Existenzgründungsoffen-sive nichts ändern.
All diese Maßnahmen, die in dem so genannten Ak-tionsprogramm vorgeschlagen werden, sind problemlosüber die Gemeinschaftsaufgabe auszuführen.
Warum ist aus unserer Sicht eine Förderung über dieGAK besser? – Übrigens, Frau Ministerin, auch die Um-weltverbände fordern dies. Der BUND, der DeutscheNaturschutzring, der NABU und der WWF haben lang-fristig eine Verstetigung und Absicherung der GAK ge-fordert. – Der entscheidende Vorteil für die Landwirt-schaft selbst ist, dass die Bundesmittel um 60 Prozentdurch Ländermittel aufgestockt werden. Deshalb verliertdie Landwirtschaft durch die vorgesehene Kürzung nichtnur die Bundesmittel, sondern zusätzlich in diesemHaushaltsjahr die Förderung der Länder in Höhe von160 Millionen Euro.Jetzt bleibt die Frage: Warum wird dieses Programman der GAK vorbei neu aufgelegt? Ein gängiges Argu-ment ist, dass die Länder die Mittel nicht abgerufen ha-ben oder sie nicht mehr abrufen werden können.Schauen wir uns also die letzten Jahre an: In den Jahren1999, 2000 und 2001 wurden die Mittel zu 98,5, zu 97,6und zu 98,7 Prozent abgerufen. Als Ergebnis bleibt, dassdie Mittel zwar kontinuierlich gekürzt wurden, die ver-bleibenden Mittel aber jeweils fast vollständig abgerufenwurden. Wer sagt denn eigentlich, dass die Mittel beigleich hohem Ansatz nicht mehr abgerufen werden?
– Genau.Also scheint der Grund an anderer Stelle zu liegen.Man will damit wohl insbesondere diejenigen Länderfördern, die nicht dazu bereit sind, ihre landwirtschaftli-chen Strukturen im Sinne der Umwelt zu fördern. Zufäl-lig sind dies meist Länder, die der Couleur der Bundesre-gierung entsprechen oder ihr bis vor kurzem entsprochenhaben.
Dass es hier gravierende Unterschiede gibt, zeigt dieFörderung der Länder bei Agrarumweltmaßnah-men. Laut Agrarbericht förderte 2001 und 2002 Baden-Württemberg diese Maßnahmen mit 104 Euro pro Hek-tar, Bayern mit 64 Euro pro Hektar und – jetzt kommt es –Nordrhein-Westfalen mit ganzen 11 Euro pro Hektar,Niedersachsen mit 4 Euro pro Hektar und Schleswig-Holstein mit 1 Euro pro Hektar.
–lfdsLuwngtuuLkUgWdvhZDbzdh6tzShnLs9SmaFtRnh„wh
Dass durch die Bundesprogramme konkurrierend zuänderprogrammen Parallelstrukturen aufgebaut werdennd darüber hinaus zur Umsetzung eine zusätzliche Ver-altung im Ministerium aufgebaut werden muss, sei nurebenbei bemerkt. Dies trifft praktisch auf alle Pro-ramme zu: auf den Ökolandbau, auf tiergerechte Hal-ngsverfahren, auf Modell- und Demonstrationsvorhabennd auf das so genannte Aktionsprogramm „Bäuerlicheandwirtschaft“. Dies ist aus Effizienzgesichtspunktenontraproduktiv, sowohl was die verwaltungsmäßigemsetzung als auch die Übersichtlichkeit der Förderpro-ramme betrifft.
ir haben deshalb den Bundesrechnungshof gebeten,iesen Sachverhalt genauestens zu prüfen. Ich gehe da-on aus, dass er dies auch tun wird.Ein Posten im Haushalt ist zwar sehr „gering“; aber erat mich erheblich gestört: die einseitige Förderung desertifizierungssystems für Forstwirtschaft, FSC.
ie Bundesregierung hat laut Koalitionsvereinbarungeschlossen, allein diese Zertifizierung zuzulassen bzw.u bevorzugen. Warum stört mich dies? Weil die Bun-esregierung damit eindeutig gegen deutsche Interessenandelt. Der deutsche Forst und Privatwald ist zu über0 Prozent der Fläche nach dem vollkommen gleichwer-igen europäischen Zertifizierungssystem PEFC zertifi-iert. Nur fünf von 16 Bundesländern haben ihrentaatsforst nach FSC zertifiziert, eines davon nur des-alb, weil es zu dem damaligen Zeitpunkt PEFC nochicht gegeben hat.Worin besteht der Unterschied? FSC wurde in ersterinie für Länder mit großflächigen Waldbesitzen ge-chaffen. Kanada zum Beispiel ist solch ein Land.5 Prozent der Waldflächen sind in staatlichem Besitz.ie vergeben den Holzeinschlag über Konzessionen undan kann nicht immer davon ausgehen, dass die Nutzeruch die Nachhaltigkeit im Hinterkopf haben.Diese Struktur trifft mitnichten auf die deutscheorstwirtschaft zu. Über die Hälfte der Flächen ist tradi-ionell in Privathand, etwa ein Drittel in Staatshand, derest sind kommunale Flächen. Auf alle Fälle kennzeich-en wesentlich kleinere Flächen diese Struktur.Diese Besitzer haben seit Jahrzehnten auf eine nach-altige Waldbewirtschaftung geachtet. Der BegriffNachhaltigkeit“ kommt übrigens direkt aus der Forst-irtschaft. Hier gilt und galt die Regel, immer einenundertjährigen Bestand zu haben, um sich selbst und
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2819
)
)
Ilse Aignerder nachfolgenden Generation nicht das Wasser abzugra-ben.
Um die Verhältnisse in Deutschland noch einmal et-was deutlicher darzustellen: 6,33 Millionen Hektar sindnach PEFC zertifiziert, ganze 432 000 Hektar nach FSC.Das ist ein Verhältnis von 93,6 Prozent zu 6,4 Prozent.Was reitet also die Bundesregierung eigentlich, FSC zufördern und auch noch die Verlagerung des Sitzes nachDeutschland mit 256 000 Euro zu fördern?
Sollte da vielleicht jemandem in eine Spitzenposition ge-holfen werden? Oder wollen Sie dadurch besonders denImport tropischen Holzes fördern?
Eine Entwicklung ist schließlich nicht nur in diesemEinzelplan zu hinterfragen: der Aufwuchs bei den Aus-hilfskräften. Im Jahr 1998 beliefen sich die Ausgabenfür Aushilfskräfte noch auf 4,15 Millionen Euro, im Jahr2003 beträgt der Ansatz 25,7 Millionen Euro, also fünf-mal so viel allein in diesem Haushalt. Selbst wenn ichzwei Positionen herausrechne, die vorher nicht in diesemTitel enthalten waren, ist es ein gravierender Aufwuchs.
Sie können sicher sein, dass wir diese Entwicklung zu-sammen mit der rasant ansteigenden Summe für Sach-verständigengutachten in den nächsten Haushalten äu-ßerst genau unter die Lupe nehmen werden. Ich glaube,auch der Bundesrechnungshof wird das tun.
Zum Schluss: Sehr geehrte Frau Ministerin, sorgenSie dafür, dass die Bauern verlässlich planen können.Sorgen Sie dafür, dass die Landwirte für die Erhaltungunserer Kulturlandschaft auch die Anerkennung erfah-ren, die sie verdienen. Eine staatliche Pflege unsererLandschaft ist nicht unser Ziel; ich hoffe, das ist auchnicht das Ziel der Bundesregierung. Sorgen Sie dafür,dass unsere Bauern gleiche Wettbewerbsbedingungenzumindest auf europäischer Ebene haben.
Sie können von einem 100-Meter-Läufer nicht verlan-gen, dass er dieselbe Zeit wie seine Konkurrenten läuft,wenn Sie ihm beide Beine zusammenbinden.Sehr verehrte Frau Ministerin, stellen Sie in dernächsten Zeit unter Beweis, dass Sie nicht eine Ministe-rin gegen Landwirtschaft, sondern eine Ministerin fürLandwirtschaft sind. Ich glaube, unsere Landwirte habendas durchaus verdient.Vielen Dank.
Sghdgfdd4nGngnshhnecdgFHdaswRtdlaswi–megbwbgc
So, wie Sie es sagen, ist es nicht.Zur EU-Agrarreform. Frau Aigner, fast zeitgleichit unserer Regierungsübernahme im Jahre 1998 fandine Reform der EU-Agrarpolitik statt, in die wir zu-unsten der konventionellen Landwirtschaft stark einge-unden waren. Dass uns auch die konventionelle Land-irtschaft am Herzen liegt, haben wir mit unsererisherigen Arbeit immer wieder gezeigt. Es ist uns auchelungen, diese Landwirtschaft in ihrem Bestand zu si-hern und zu stärken.
Metadaten/Kopzeile:
2820 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Ernst Bahr
Ich werde heute auf die Bereiche etwas näher einge-hen, die immer wieder in der Kritik stehen – Sie habenes zum Teil angesprochen, Frau Aigner – und die einemoderne Landwirtschaft ausmachen: die Stärkung desVerbraucherschutzes, Verfahren tiergerechter Haltungsowie die Förderung, Verarbeitung und Marktfähigkeitder nachwachsenden Rohstoffe.Wir haben den Verbraucherschutz gestärkt, indemwir die Mittel dafür auf über 78 Millionen Euro erhöhthaben. Dieser Aufwuchs kann sich sehen lassen. Eingroßer Anteil kommt der Aufklärung der Verbraucherzugute. Allein in diesem Bereich haben wir die Mittelauf 21 Millionen Euro angehoben. Dies entspricht einemZuwachs von 60 Prozent und ist auch notwendig.
Im Gegensatz zur Opposition haben wir erkannt, dassdie Verbraucher zu Recht wissen wollen, was in den Le-bensmitteln enthalten ist. Das zeigen nicht zuletzt dieLebensmittelskandale der Vergangenheit und leider auchder Gegenwart. Die Leidtragenden sind die Landwirteund die landwirtschaftlichen Betriebe, weil man in Zei-ten der Verunsicherung seine Produkte nur schlechtabsetzen kann. Es gibt keine bessere Werbung für dielandwirtschaftlichen Produkte als eine offene und unvor-eingenommene Aufklärung und Information der Ver-braucher. Ich wünsche mir, dass sich diese Einsicht auchin den Reihen der Opposition durchsetzt und sie unserepolitischen Maßnahmen unterstützt.Mit der Verabschiedung des Verbraucherschutzgeset-zes haben wir den Verbraucherschutz gestärkt; in diesemBereich können wir einiges vorweisen. Wir haben einBundesinstitut für Risikobewertung eingerichtet undjetzt mit fast 40 Millionen Euro ausgestattet. Dieses In-stitut soll die wissenschaftliche Beratung zum gesund-heitlichen Verbraucherschutz intensivieren. Wir wollendamit erreichen, dass in Zusammenarbeit mit den euro-päischen Behörden der Verbraucherschutz auch über dieGrenzen hinweg besser funktioniert. Damit stellen wiruns, wie ich glaube, einer wichtigen Aufgabe. Zusam-men mit dem Bundesamt für Verbraucherschutz undLebensmittelsicherheit werden wir die Qualität der Ver-braucheraufklärung deutlich verbessern.Wichtig ist uns die wirtschaftliche und politische Un-abhängigkeit der prüfenden Instanzen; daran wollen wirmit allen politischen Kräften arbeiten. Hier geht es unsinsbesondere um die Stiftung Warentest, für die wireine finanzielle Ausstattung zu besorgen haben, die ihreUnabhängigkeit sichert.
– Das werden wir nicht tun, Peter Harry. Wir haben ei-nen Zuschuss von 6,5 Millionen Euro für diese Stiftungbereitgestellt, mit dem die Stiftung sehr zufrieden ist.Aber euren Antrag kann man leider schon rein rechne-risch nicht nachvollziehen. Es sollen über fünf Jahre je-weils 12 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden,dnzJbSlSdfWbgnhdtgbdw21SdbGEiDlöismsRwSZInrseür
elbst wenn man einen Zinssatz von 6 Prozent zugrundeegte, würde man bei jährlich 3,3 Millionen Euro landen.elbst wenn das möglich wäre, wäre das nur die Hälfteessen, was wir der Stiftung zur Verfügung stellen. Inso-ern haben wir einen Schritt in die richtige Richtung getan.
Wir wollen der Landwirtschaft neue Impulse geben.ir wollen ihr helfen, neue Wege zu gehen, und denäuerlichen Betrieben eine weit reichende Perspektiveeben. Deswegen gilt unsere Förderung verstärkt denachwachsenden Rohstoffen. Allein in diesem Bereichaben wir 43 Millionen Euro bereitgestellt. Wir hoffen,ass die Entwicklung von neuen Technologien dazu bei-rägt, dass wir in der Landwirtschaft und den nachfol-enden Bereichen Arbeitsplätze erhalten und neue Ar-eitsplätze schaffen können. Weltweit zeigt sich, dassiese Produkte gute Zukunftschancen haben.Die Entwicklung im Bereich der ökologischen Land-irtschaft zeigt ebenfalls deutlich positive Zeichen.001 stieg die Anzahl der Betriebe in diesem Bereich auf4 702. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einerteigerung um 15 Prozent. Im Vergleich zu 1995 hat sichie Anzahl der Betriebe sogar verdreifacht und die bear-eitete Fläche verdoppelt. Das zeigt, dass es auf diesemebiet vorwärts geht. Das zeigt sich auch, wenn man dasinkommen betrachtet. 2001 erzielte jede Arbeitskraftm Ökolandbau ein Jahreseinkommen von 28 227 Euro.as ist ein höheres Einkommen als in der konventionel-en Landwirtschaft. Das belegt, dass die Zukunft derkologischen Landwirtschaft gesichert ist.
Wir haben auch die Sicherung der sozialen Systemens Auge gefasst. Wir wollen, dass die Kosten für dieoziale Absicherung der Landwirte weiterhin von unsitgetragen werden. Sie wissen, dass das für die Alters-icherung genauso zutrifft wie für die Kranken- und dieentenversicherung. Bei der Unfallversicherung habenir eine leichte Absenkung vorgenommen. Frau Aigner,ie sagten richtigerweise, dass wir diese Absenkung mitustimmung der Unfallversicherer vorgenommen haben.nsgesamt haben wir diesen Bereich aber um 25 Millio-en Euro aufgestockt. Das heißt, dass die sozialen Siche-ungssysteme der Landwirtschaft weiterhin gesichertind. Dieser Bereich hat im Haushalt des Ministeriumsin Volumen von 3,8 Milliarden Euro. Man kann nichtbersehen, dass ein großer Betrag für die soziale Siche-ung bereitgestellt wird.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2821
)
)
Ernst Bahr
Ich bin damit leider am Ende meiner Redezeit ange-kommen.
– Peter Harry, ich denke, wir könnten uns noch eine Weileunterhalten; über andere Themen aber sicherlich mehr undbesser. – Ich denke, ich habe deutlich machen können,dass wir den Verbraucherschutz stärken wollen. Wir wol-len der Landwirtschaft durch die Neuausrichtung unsererAgrarpolitik eine Perspektive geben, sodass die Arbeits-plätze der Landwirte und im ländlichen Raum insgesamtgesichert werden. Wir wollen den Bestand der Landwirt-schaft, auch der konventionellen Landwirtschaft, sichern.
Wir haben eine entsprechende finanzielle Ausstattungzur Verfügung gestellt. Unsere Ziele werden wir umset-zen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Jürgen Koppelin von
der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inder deutschen Landwirtschaft herrscht Katastrophen-stimmung. Die Landwirtschaft leidet nicht nur unter derschlechten Konjunktur in unserem Land, sondern auch– das ist bekannt – unter der rot-grünen Steuer- undFinanzpolitik, die die Einkommenssituation der Land-wirte erheblich verschlechtert hat.
Für die Landwirte ist in den kommenden Jahren keineEinkommensverbesserung in Sicht. Auch das Höfe-sterben – das ist schon angesprochen worden – geht wei-ter: weitere 17 000 Landwirte haben ihren Hof stillgelegt.Das macht überaus deutlich, dass die rot-grüne Landwirt-schaftspolitik keine Zukunftsperspektiven bietet.
Die Hoffnungslosigkeit der deutschen Landwirtezeigt sich auch darin, dass die Investitionen in den Be-trieben ebenfalls erheblich zurückgegangen sind. Per-spektiven – das ist das Problem – können die Landwirtevon der Bundesministerin Künast nicht erwarten.Wenn man sich den Einzelplan 10 anschaut, kannman sehr schnell erkennen, dass für die MinisterinKünast – obwohl sie offiziell für die Landwirtschaft zu-ständig ist; das steht auf Seite 2 des Haushaltsplanes –die Landwirtschaft überhaupt keinen Stellenwert hat.
DnwdgAsrelvewdSwmHsgBuAdgwlHGsFstbÖawmuwsh
Während der bisherigen Haushaltsberatungen habenir auch über die knappen Finanzmittel diskutiert. Wirüssen allerdings feststellen, dass das nicht für denaushalt von Frau Künast gilt. Dort fließt der Finanz-trom, allerdings nur in die Bereiche, die sich in ir-endeiner Weise „Öko“ nennen. So gibt es, um zweieispiele zu nennen, höhere Beiträge für Ökobetriebend es sind üppige finanzielle Polster eingeplant, umufträge für Gutachten zu vergeben. Die Ergebnisseieser Gutachten – das kennen wir schon – stehen ei-entlich schon fest oder zumindest können wir erahnen,ie die Ergebnisse aussehen werden. Dafür ist unglaub-ich viel Geld vorhanden. Der Höhepunkt in diesemaushalt ist, dass man Geld für nicht wissenschaftlicheutachten, wie die Ministerin das bezeichnet, heraus-chmeißt. Ich weiß, was damit gemeint ist.
rau Künast ist die Spitze der Bewegung und zeigt be-onders deutlich, dass die Grünen eine reine Klientelpar-ei sind und nichts anderes.
Das macht die Ministerin natürlich auch deswegen, daestimmte Bereiche der Landwirtschaft, nämlich diekobetriebe, eine noch schlechtere Ertragslage hättenls heute, wenn sie diese nicht in diesem Maße päppelnürde; das weiß sie ganz genau. Das ist zu bedauern; dasuss ich ganz offen sagen.
Mit diesem Haushalt betreibt Ministerin Künast nachnserer Auffassung nur ein Ziel – das können Sie sehen,enn Sie ihn intensiv lesen –: Sie will die Landwirt-chaft spalten. Nichts anderes will sie mit diesem Haus-alt erreichen.
Metadaten/Kopzeile:
2822 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Jürgen KoppelinGerüchteweise hört man, dass die Ministerin auch fürden Verbraucherschutz zuständig sein soll. Ich sage:gerüchteweise; denn es gibt kaum Aktivitäten des Minis-teriums in diesem Bereich. Das wird zum Beispiel beimThema BSE deutlich. Der Rechnungshof hat uns mitge-teilt, das Referat Fleischhygiene sei personell ausge-dünnt worden, obwohl sich gerade dieses Referat mitBSE beschäftigt. Das müssen Sie uns erklären.Ein weiteres Beispiel betrifft die Stiftung Warentest.Diese Stiftung leistet hervorragende Arbeit. Damit dasso bleibt, fordert die FDP, dass sie als unabhängige Stif-tung etabliert wird. Wir wollen, dass diese Stiftung unab-hängig von dem Einfluss aus der Politik wird und unab-hängig arbeiten kann.
Ministerin Künast versteht unter Verbraucherschutznicht den Schutz der Verbraucher, sondern allein denSchutz der Verbraucherverbände. Gegenüber den Ver-brauchern steht sie mit leeren Händen da. Das ist ihrePolitik.
Im Ministerium werden – auch das ist sehr interes-sant – mehr und mehr neue Stellen geschaffen. Wir be-streiten nicht, dass die eine oder andere dieser Stellennotwendig ist, aber die Zahl der in diesem Ministeriumgeschaffenen Stellen ist ein einziger Skandal.
Da diese Stellen nicht im Bereich des Verbraucher-schutzes angesiedelt sind, muss ich fragen, wofür Minis-terin Künast diese Stellen braucht. Der Haushalt gibtAufklärung und der Bundesrechnungshof hat uns das be-stätigt: Die Leitung des Ministeriums mit Frau Künast ander Spitze saugt sich mit Stellen voll.
– Es gibt Berichte des Rechnungshofes, in denen das ge-schrieben steht. Das können Sie nicht bestreiten. Siemüssen den Rechnungshof kritisieren und nicht mich.Der Bericht liegt vor. Wenn Sie ihn nicht kennen, dannstelle ich ihn Ihnen gerne zur Verfügung. Darin könnenSie lesen, wie die Stellen angehoben wurden und wosich diese Stellen befinden. Das alles ist vom Bundes-rechnungshof kritisiert worden. Darüber haben wir imHaushaltsausschuss beraten.Frau Künast verfolgt mit der Schaffung dieser Stellennur ein einziges Ziel, nämlich aus dem Landwirtschafts-ministerium in der Wilhelmstraße die ideologische Zen-trale für Bündnis 90/Die Grünen zu machen. Nichts an-deres hat sie vor.
Die Sorgen der Landwirte interessieren diese Ministerinüberhaupt nicht. Diese sind für sie Nebensache. Haupt-sache, sie kann als Heilige für die Legehennen durch dasLand ziehen. Das ist das Ergebnis dieser Politik.
kdSnudgIBGLmhEhSSterdzDhddmsEe
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!iebe Kollegin Aigner und lieber Kollege Koppelin, ichuss schon sagen, die Katastrophenstimmung, die Sieier verbreiten, kann ich überhaupt nicht verstehen.
s war Renate Künast, die die Agrarpolitik aus der Kriseerausgeführt hat.
ie wollen sich wohl überhaupt nicht mehr an den BSE-kandal, die Maul- und Klauenseuche, den Tiermehlfut-erskandal, die Schweinepest und den Nitrofen-Skandalrinnern.
Wir hatten enorme Probleme im Landwirtschaftsbe-eich. Im Endeffekt sagen Sie jetzt nichts anderes, alsass alles wieder dahin zurück soll, wo es bereits vorwei bis drei Jahren war.
as kann doch wirklich nicht das Ziel sein. Das, was Sieier bieten, ist erbärmlich.
Sie haben überhaupt keine Reformperspektive, son-ern handeln sowohl hier als auch da nur schlicht nachem Motto: Rollback, Rollback, Rollback.Kollege Koppelin, ich muss wirklich sagen: Der Satzit der ideologischen Zentrale war richtiger Stuss. Dasollten Sie sich einmal klar machen.
s geht nämlich um ganz klare Inhalte, zu denen manrnsthaft Stellung nehmen muss; man muss über sie
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2823
)
)
Franziska Eichstädt-Bohligdiskutieren. Insofern ist völlig klar: Renate Künast isteine Ministerin für die Landwirtschaft,
die Reformen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft an-strebt. Mir ihr wird es kein Zurück in eine Zeit geben, inder es Skandale, Gift, Chemie und Pestizide gab.
Es ist also völlig richtig, dass es hier einen ganz klarenUnterschied gibt.Kollege Bahr hat eben auch schon darauf hingewie-sen, dass wir zu diesen Reformen, für die wir in derLandwirtschaft zunehmend Unterstützung gewinnen,stehen.
– Das ist ziemlich klar. – Es geht eben nicht nur um denökologischen Landbau, sondern auch um die konventio-nelle Landwirtschaft. Unser Haushalt enthält einige Re-formbausteine. Diese haben wir gesichert, obwohl wirteilweise auch Kürzungen vornehmen mussten. Das warnicht immer ganz leicht. Obwohl wir unser Konsolidie-rungsziel erreichen wollen, war es uns wichtig, die Re-formbausteine zu sichern.Zu den nachwachsenden Rohstoffen hat KollegeBahr das Wichtigste schon gesagt. Hierfür haben wir63,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das ist einwichtiger Baustein, um für die Landwirtschaft neue wirt-schaftliche Perspektiven zu eröffnen, um dem Landwirt,der gleichzeitig Energiewirt ist, neue Chancen zu gebenund um in den anderen Bereichen landwirtschaftlicheRohstoffe, beispielsweise Hanf, zu Stoffen zu verarbei-ten, sodass hier ganz neue Perspektiven eröffnet werden,anstatt immer nur in dem Bereich zu wirtschaften, indem bisher schon gearbeitet wurde.
Ich komme zum Bereich Ökolandbau. Ich muss ganzdeutlich sagen, dass es nicht darum geht, einfach nur dieNische Ökolandbau auszuweiten. Das ist der eine Teil. Derandere Teil ist aber genauso wichtig. Die konventionelleLandwirtschaft muss mehr Chancen bekommen, naturnahzu produzieren. Deswegen haben wir das Biosiegel einge-führt, das eben nicht nur für den engeren Bereich des öko-logischen Landbaus gedacht ist, sondern durch das auchdie Chance eröffnet wird, im Zwischenbereich ein Siegeldafür zu erhalten, dass ökologisch, naturverträglich undgesund produziert wird, sodass entsprechende Nahrungs-mittel zur Verfügung gestellt werden können.
Eigentlich sollten Sie inzwischen so weit sein, dass Siedas unterstützen, anstatt hier einfach herumzupöbeln.Das trägt nichts Konstruktives zur Sache bei.zhtiliLdrSrsusdDmsgfkdsw–FddSsGdSLd
In meinen nächsten Sätzen komme ich ganz konkretur artgerechten Tierhaltung. Im Haushaltsausschussaben wir uns intensiv darum gestritten. Ich finde es rich-g und wichtig, den Landwirten und dem landwirtschaft-chen Gewerbe – es geht ja nicht nur um die Bauern undandwirte selbst, sondern auch um Gewerbestrukturen –ie Chance zu geben, ihre Ställe und Legehennenbatte-ien
chritt für Schritt umzubauen, damit es zu einer artge-echten Tierhaltung kommt.Wir können den Tierschutz doch nicht ins Grundge-etz schreiben, entsprechende gesetzliche Regelungennd Verordnungen weiter befördern und es dabei belas-en. Wir wollen eine Politik, in der wir fordern und iner wir das Geforderte dann auch fördern.
as sollte eigentlich Ihre Unterstützung haben. Ich binir sicher, dass es gelingt, die Bauern und Landwirtechrittweise zu überzeugen, dass sie durch dieses Pro-ramm wirklich etwas für ihr eigenes Unternehmen undür die Tierhaltung in ihrem Bereich tun können.Ich möchte auf einen weiteren Punkt zu sprechenommen. Ich bin erstaunt, dass Sie sich so sehr gegenas Aktionsprogramm „Bäuerliche Landwirtschaft“tellen, wohingegen Sie sich gleichzeitig beschweren, eserde für die traditionellen Landwirte zu wenig getan.
Wir warten darauf und werden das ebenso wie dieachpolitiker von der Ministerin einfordern. Dann wirdiskutiert und in die Praxis umgesetzt.
Auf der Grünen Woche hat sich herausgestellt, dassie Beteiligten genau an diesem Baustein der Reform zurtabilisierung des ländlichen Raumes sehr interessiertind.
enauso verhält es sich mit dem Modellvorhaben undem Projekt „Regionen aktiv“.
ie sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin, dieandwirtschaft nicht nur separat, sondern zusammen miter Natur zu sehen. Erzeuger sollen mit Verbrauchern
Metadaten/Kopzeile:
2824 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Franziska Eichstädt-Bohligzusammengebracht werden, um so die Landwirtschaftals integrierte Form wahrzunehmen.Wenn Sie immer nur jammern können und keine bes-seren Rezepte haben,
sollten Sie lieber still sein. Sie können nicht immer nurdas Rollback fordern. Solange Sie keine guten Ideen ha-ben, brauchen wir Ihr Gerede – ich hätte beinahe Ge-blöke gesagt – nicht ernst zu nehmen. Aber wir sind ja inder Landwirtschaftsdebatte.
Ein Wort zum Verbraucherschutz – Kollege Bahr hatschon einiges dazu gesagt –: Wir wollen und werden Ver-braucherschutz und Verbraucherinformationen Schritt fürSchritt ausweiten und intensivieren. Als Erstes werdenwir uns den Nahrungsmittelbereich vornehmen; denn ge-sunde Ernährung ist sehr wichtig. Aber gesundheitlicherVerbraucherschutz geht noch weiter. Nicht nur die Nah-rungsmittel, sondern auch die Produktsicherheit steht imVordergrund. Danach werden wir uns Schritt für Schrittdem wirtschaftlichen Verbraucherschutz bis hin zu Fi-nanzdienstleistungen zuwenden, bei denen der Verbrau-cher manchmal übers Ohr gehauen wird. Wir informierendarüber, was dagegen getan werden kann.Insofern habe ich überhaupt kein schlechtes Gewis-sen, dass wir dafür nicht nur Geld, sondern auch ein paarStellen bereitgestellt haben. Kollege Koppelin, sagen Sieeinmal konkret, was Sie dagegen haben, wenn wir diesenBereich stärken. Ich verstehe die Bedenken der FDPnicht, aber offenbar braucht sie das, weil sie gegen allesist.
Ich möchte ein paar Worte zur Gemeinschaftsauf-gabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küs-tenschutzes“ sagen. Wir haben uns gegen Ambitionengewandt, hier die Mittel zu kürzen; das wissen Sie ganzgenau. Darüber haben wir intensiv miteinander disku-tiert. Aber Sie wissen auch, dass sich inzwischen dieLänder Zug um Zug – das sind nicht nur Schleswig-Hol-stein und Niedersachsen – aus der Finanzierung zurück-ziehen.
– Die Mittel werden immer geringer. Sie haben nicht ge-sagt, in welcher Höhe die Länder gegenfinanzieren.
Der Beitrag der Länder wird von Jahr zu Jahr immer ge-ringer. Dem hat sich die Finanzplanung schrittweise an-gepasst. Aber wir halten die Mittel auf dem Level, dendie Länder mittragen. Richtig ist aber, dass wir darüberhwSbhwdmggdpztnvlCbmDcswuDnnwuws
Zu den Einsparungen in der landwirtschaftlichenozialpolitik. Sie haben gestern erlebt, dass mit den Ver-änden eine einvernehmliche Lösung erzielt wurde. Da-er sollte es in diesem Punkt keine Kritik geben. Dassir zum Gesamtvolumen der Konsolidierung auch iniesem Bereich unseren Beitrag zum Sparen erbringenüssen, sollte nicht weiter strittig sein.Ich möchte noch ein paar Takte zu Ihren Anträgen sa-en. In ihnen spiegelt sich die Grundhaltung wider, ge-en alles zu sein. Die CDU/CSU möchte die Mittel fürie Gemeinschaftsaufgabe gerne erhöhen. Das wirdraktisch nicht gelingen, weil die Länder nicht kofinan-ieren können. Das ist also ein Luftantrag.
Zur FDP muss ich sagen: Sie hat in ihren vielen An-rägen – wir haben die rosa Anträge vorhin erhalten –ach der Rasenmähermethode die Kürzung aller Mittelerlangt. Die Landwirtschaft der 80er-Jahre lässt herz-ich grüßen. Wir wünschen Ihnen dabei viel Spaß.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Klöckner von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichin neu im Bundestag und dachte immer, dass uns Pole-ik gegen die Regierung nicht weiterbringt.
eswegen bin ich davon ausgegangen, dass eine sachli-he Auseinandersetzung hilfreich sein würde. Aber mantößt sehr schnell an die Grenzen des guten Willens,enn man sich anschaut, wie Sie Agrarpolitik betreibennd den Agrarhaushalt aufstellen.
a bleibt wenig Raum für rationales Argumentieren.Hier wird ein negatives Bild von den Bauern gezeich-et und es wird ein Landwirtschaftstraum geträumt, dericht mit den Bauern geträumt wird. Wenn Sie von Öko-iesen sprechen und sagen, dass es den Bauern gut gehend wir nicht wüssten, wie es den Bauern gehe, danneiß ich nicht, welche Pappmascheebauern Ihnen vorge-tellt worden sind.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2825
)
)
Julia Klöckner
Glauben Sie mir: Unsere Bauern verlangen gewisskeine Wunder. Sie verlangen in ihrer Situation einfachnur Unterstützung. Liebe Frau Künast, mancher Bauerwünschte, einmal mit solcher Sorge bedacht zu werden,wie Sie sie den Blumen, Pflanzen und Tieren zukommenlassen.
Leider sind Sie in erster Linie Anwältin Ihrer Partei.
– Ja, aber das geschieht erst im Jahre 2005, dann sind wiralle gerettet. – Sie sind viel zu wenig Agrarministerin.Das ist schade.
Es heißt, auch die Landwirtschaft müsse ihren Beitragzu den BSE-Folgekosten leisten. Das Gleiche wird ge-sagt, wenn es um die Erhöhung der Mehrwertsteuer oderum die Ökosteuer geht. Überall sollen die Bauern alsoihren Beitrag leisten. Aber Sie sollten wissen: Kühekann man nicht ewig melken.
– Ja, ein bisschen Futter brauchen sie auch.Ärger erregend ist die Tatsache, wie und wo Siedie Kürzungen vornehmen. Wir erwarten mehr Fan-tasie und Verständnis für die Bauern. Landwirtschafthat – das sagt das Wort – nämlich auch etwas mitWirtschaften zu tun. Bauern sind auch da, um Ein-kommen zu erzielen.
Eines muss klar gesagt werden: Nur wirtschaftlich ge-sunde Betriebe können auf Dauer nachhaltig arbeitenund letztlich auch die Auflagen, von denen ihnen immermehr gemacht werden, erfüllen. Das, was Sie noch fürden Berufsstand der Bauern übrig haben, ist eine andereArt der Sterbehilfe.
Die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe – GAK – wer-den um 107 Millionen Euro geringer ausfallen. Mit die-sen Kürzungen und Umschichtungen setzen Sie in dieserZeit gerade die falschen Zeichen.Sie verhalten sich innerhalb Ihres Agraretats übrigenssehr widersprüchlich. Auf der einen Seite verlangen Sievon der EU den Ausbau der zweiten Säule. Auf der an-deren Seite streichen Sie in Deutschland die Kofinanzie-rungsmittel dafür. Der Weg geht einfach in die falscheRichtung.mgnwövddH4DKdüdnbsprDSImc–musmsdutAhddvn
Den Bauern muss angst und bange werden, bedenktan, dass mit den gestrichenen Mitteln das Bundespro-ramm „Tiergerechte Haltungsverfahren in der Legehen-enhaltung“ von 13 auf 50 Millionen Euro aufgestocktird. Entfallen sind im Haushalt die Mittel für die Gas-lverbilligung. Aber die Ökosteuerbelastung in Höheon etwa 460 Millionen Euro dürfen die Bauern wie-erum tragen.Ist Ihnen, liebe Frau Ministerin, eigentlich bewusst,ass die Landwirtschaft zwischen 1999 und 2002 gut dieälfte des Rückgangs der Bundessubventionen, also00 Millionen Euro, getragen hat? Mittlerweile hateutschland im EU-Vergleich neben dem Vereinigtenönigreich die niedrigsten nationalen Beihilfen. Alle an-eren Länder haben also mehr für ihre Landwirtschaftbrig als Sie.
Fatal ist, dass der Begriff Wettbewerbsfähigkeit iner derzeitigen Agrarpolitik der Bundesregierung garicht vorzukommen scheint. Deutlich wird dies an derelastenden Steuer- und Haushaltspolitik, an der ein-eitigen und ideologischen Ausrichtung Ihrer Agrar-olitik und an der untragbar gewordenen Bürokratisie-ung.
enn Sie sollten wissen: Gute Produkte werden nicht amchreibtisch gemacht. Das wäre nämlich ein Wunder.
n der jetzigen Zeit sagen Sie ja: Wunder brauchenanchmal etwas länger. Aber ich sage Ihnen: Wir brau-hen keine Wunder. Wir brauchen Taten, die man abergerade wenn man in der Regierung ist – selbst angehenuss.
Die eigentumsfeindliche Naturschutzgesetzgebungnd die nationalen Alleingänge zum Schaden der heimi-chen Landwirtschaft müssen endlich rückgängig ge-acht werden. Wir müssen zu einer konstruktiven Zu-ammenarbeit kommen. Es geht nicht, dass die Bauernafür, dass sie gute Arbeit leisten, mit Abzügen, Lastennd letztlich auch Missachtung belohnt werden.Wie schon im Jahre 1998 wird die Schaffung leis-ungs- und wettbewerbsfähiger Betriebe als Ziel Ihrergrarpolitik hingestellt. Wenn Sie das tun wollen – dasört sich ja sehr gut an; Papier ist auch geduldig –,ann frage ich Sie: Warum haben Sie vier Jahre langas Gegenteil gemacht? Jetzt beginnt das Gleicheon vorn. Der verhängnisvolle Irrweg, die moderne,achhaltige Landwirtschaft und die ökologische
Metadaten/Kopzeile:
2826 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Julia KlöcknerLandwirtschaft gegeneinander auszuspielen, wird lei-der weiterhin beschritten.
– Schauen Sie sich doch einmal die einzelnen Haushalts-pläne an. Schauen Sie sich doch an, wer gefördert wird.Fragen Sie die Biobauern, die Biomilch herstellen. Sieklagen und rüsten jetzt wieder auf konventionelle Pro-duktion um, weil die Preise im Keller sind.
Frau Kollegin Klöckner, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Ostendorff?
Er kann jetzt mal entspannt sein. Das ist meine ersteRede. Ich habe ihm auch keine Zwischenfrage gestellt.
Sie haben vor, in den nächsten zehn Jahren den Anteildes Ökolandbaus auf 20 Prozent zu puschen. Das istdoch fern jeglicher Marktmechanismen, das ist Planwirt-schaft.
Sagen Sie nicht, dass Sie nicht zwischen ökologischwirtschaftenden und konventionell wirtschaftenden Be-trieben unterscheiden. Durch diese Politik werden unsereeinheimischen Ökolandwirte selbst in wirtschaftlicheSchwierigkeiten kommen, weil ein höheres Angebot un-weigerlich zu niedrigen Preisen führt.
Ökonomie durch Ökologie zu ersetzen, das ist der fal-sche Weg und nicht gerade sehr weise. Man kann zwareinmal die Worte vertauschen, weil sie beide mit Ökoanfangen, aber das Nachsehen haben dann die Betriebe,weil sie bluten müssen.2,5 Millionen Euro sollen für Anzeigen in Zeitschrif-ten ausgegeben werden, hat Staatssekretär Thalheim unsin der vergangenen Fragestunde geantwortet. Ich habe ge-fragt, ob er uns sagen könne, ob die Nachfrage gestiegensei und ob er eine Korrelation zwischen den geschaltetenAnzeigen und der Nachfrage herstellen könne. Man hörtund staunt und PR-Fachleute schütteln mit dem Kopf:Das könne man nicht nachvollziehen. Also wird hier Geldeinfach in die Luft geblasen. Er sagte, Image könne mannicht nachvollziehen. Die Bauern pfeifen auf ein grün-äugiges Image, das nur für eine Ministerin kreiert ist.
gkbHssddfdEmwwsftbmseSmBwghFSddrglj7sF
s kann doch nicht sein, dass einseitig Werbemaßnah-en forciert werden. Wenn ständig Reklame für Um-eltschutz betrieben wird, dann sollte das konsequenter-eise vom Budget des Herrn Trittin abgezogen werden.
Ein Auseinanderdividieren der so genannten biologi-chen und der konventionellen Landwirtschaft ist ein-ach nur Unsinn. Das tun die Marktteilnehmer nicht, dasun die Verbraucher nicht und das sollte auch die Politikitte sein lassen. Manchmal ist die Welt einfacher, alsan denkt. Gute Produkte sind gute Produkte, egal obie biologisch oder konventionell erzeugt worden sind,gal ob sie importiert sind oder hier produziert wurden.chlechte Produkte bleiben schlechte Produkte.
Etwas weniger Ideologie und Feindbilder, dafür etwasehr Verständnis und Fairness, das wünschen sich dieauern. Wenn Sie mit ihnen sprechen würden, dannürde Ihnen das auch klar werden.Wir müssen dankbar sein, dass der Bundesrat das soenannte Steuervergünstigungsabbaugesetz abgelehntat.
ragen Sie doch einmal Ihre Kollegen, warum siecheinänderungsanträge eingebracht haben. Gerade voren Landtagswahlen haben sie gesagt, sie unterstütztenie Gartenbauern und die Bauern, was die Pauschalie-ung und die Umsatzsteuer angeht. Als es so weit war,ab es überhaupt keine Änderungsanträge mehr.Wo bleibt die Logik bei den Umsatzsteuersätzen fürandwirtschaftliche Vorprodukte und Futtermittel? Darfetzt der Kampfhund zu einem Umsatzsteuersatz vonProzent futtern, die arme Kuh aber zu einem Umsatz-teuersatz von 16 Prozent? Das kann es nicht sein. Inrankreich beträgt der Umsatzsteuersatz 5,5 Prozent.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2827
)
)
Julia KlöcknerWenn Sie jetzt noch sagen, Sie unterstützten die deut-sche Landwirtschaft, dann ist das blanker Hohn.
Mit dem, was Sie vorhaben, können Sie keine goldeneKuh gewinnen. Ich glaube, für ein lahmendes Ökokälb-chen reicht es auch nicht mehr.Was müssen wir tun, um die Kuh vom Eis zu bekom-men? Dringend erforderlich sind Maßnahmen zur Ent-bürokratisierung. Wir müssen auch Wettbewerbsbehin-derungen der EU im Binnenmarkt unterbinden.Bei einem Blick in den aktuellen WTO-Antrag derKoalition wird einem angst und bange.
Wessen Regierung sind Sie eigentlich? Wen vertretenSie? 99 Prozent des Antrags beschäftigen sich mit derEntwicklungshilfe. Das ist zwar sehr edel und gut, aberdem nationalen und dem europäischen Markt wird nurein Satz gewidmet. Vielleicht verstehen Sie zu wenigvon Entwicklungshilfe; denn die gut funktionierende Zu-ckermarktordnung hat sehr wohl die Entwicklungsländerim Blick. Ich möchte im Übrigen keine Produkte essen,die in Ländern hergestellt werden, in denen die Men-schen verhungern müssen.
Verehrte Ministerin Künast, auch die Union tritt fürgesunde Nahrungsmittel ein, die über jeden Zweifel er-haben sind. Auch die Union tritt für Tier- und Natur-schutz ein. Aber die Union tritt auch für diejenigen ein,die sich der Arbeit in der Landwirtschaft widmen. Wirwollen keine Politik gegen die Bäuerinnen und Bauern,sondern wir wollen die Politik mit ihnen und für sie ge-stalten. Deshalb stimmen wir Ihrem Haushaltsplan aufkeinem Fall zu.
Frau Kollegin Klöckner, ich gratuliere Ihnen im Na-
men des ganzen Hauses zu Ihrer ersten Rede im Deut-
schen Bundestag. Herzlichen Glückwunsch!
Ich erteile dem Kollegen Friedrich Ostendorff zu ei-
ner Kurzintervention das Wort.
Frau Kollegin, auch von mir herzlichen Glückwunsch
zu Ihrer ersten Rede.
Es hat mir fern gelegen, Ihnen eine Frage zu stellen.
Vielmehr wollte ich Ihnen nur helfen, zwei wichtige Irr-
tümer in Ihrer Rede zu korrigieren. Sie können das noch
nicht wissen; Sie sind ja neu hier. Das bin ich zwar auch,
aber ich habe es schon gelernt.
l
l
S
g
f
D
D
F
m
B
A
i
I
V
A
i
s
M
b
–
d
G
s
s
Das eine hätten Sie allerdings wissen können, näm-
ich dass wir alle rot-grünen Anträge zur landwirtschaft-
ichen Besteuerung durchbekommen haben. Das wissen
ie sicherlich auch.
Ihre andere Behauptung betrifft die Gasölverbilli-
ung, die seit 1999 nicht mehr im Agrarhaushalt aufge-
ührt ist.
as kann man nachlesen, wenn man sich vorbereitet.
iese Steuermindereinnahme befindet sich im Etat des
inanzministers. Das Agrarressort ist seit 1999 nicht
ehr dafür zuständig.
Wollen Sie etwas erwidern, Frau Kollegin Klöckner?
itte schön.
Die Gasölverbilligung war eindeutig bis 2001 imgrarhaushalt aufgeführt. Wenn Ihnen das nicht bekanntst, dann haben Sie sich nicht gut vorbereitet.
ch unterhalte mich auch mit Kollegen von der SPD.ielleicht informieren Sie sich auch einmal dort.
uch wenn ein Titel nicht im Agrarhaushalt aufgeführtst, kann man sich darüber austauschen, wenn es in die-em Zusammenhang etwas zu monieren gibt.
an sollte den schwarzen Peter nicht anderen zuschie-en.
Vielleicht hören Sie zu, wenn ich Ihnen antworten soll.Ihrer Äußerung, Sie hätten alle Änderungsanträgeurchbekommen, ist entgegenzuhalten: Wenn Sie denartenbauern kurz vor den beiden Wahlen, die kürzlichtattgefunden haben, versprechen, dass die Mehrwert-teuer für Blumen und Pflanzen nicht von 7 Prozent auf
Metadaten/Kopzeile:
2828 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Julia Klöckner16 Prozent erhöht wird, ist das zwar zu begrüßen, aberdie Gartenbauern können sich schon langsam darauf vor-bereiten, ihre Betriebe zu schließen, weil die Erhöhung2005 doch erfolgen wird. Ob es besser ist, langsamer zusterben als sehr schnell, weiß ich nicht.
– Das ändert nicht viel.Sie haben außerdem vielen Bauern versprochen – dashaben wir nachgelesen; die Kopien haben uns im Aus-schuss bzw. in der Arbeitsgruppe vorgelegen –, dass derVorsteuerabzug für landwirtschaftliche Futtermittel nichtso umgesetzt wird wie vorgesehen.
– Es lag etwas Schriftliches vor; es war drin, nachhernicht mehr. Ich denke, hier steht Behauptung gegen Be-hauptung. Jeder kann sich selber sein Urteil bilden.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Jella Teuchner von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau
Klöckner, auch von meiner Seite herzlichen Glück-
wunsch zu Ihrer ersten Rede. Wenn Sie aber Ihre Rede
mit dem Hinweis beginnen, dass Sie die Polemik nicht
fortsetzen wollten bzw. dass Sie kein Verständnis für Po-
lemik hätten, dann sollten Sie sich selber daran halten
und dürfen die Polemik nicht in diesem Maße überzie-
hen.
Sie, die Sie als ehemalige Weinkönigin mit Sicherheit
auf Anzeigen des Weinhandels und der Winzer angewie-
sen waren, dürfen eine derartige Aussage nicht machen,
wenn es – Sie haben eine Anzeigenkampagne angespro-
chen – um Werbemittel geht.
So etwas wollen wir hier nicht haben.
– Nein danke, ich lasse keine Zwischenfrage zu.
Wir beraten heute über den Einzelplan 10, den Haus-
halt für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-
s
A
W
h
L
f
z
g
S
d
w
W
g
S
i
1
c
2
u
p
L
s
W
t
s
d
s
i
t
a
l
H
d
W
t
e
V
H
Wir bieten den Konsumenten außerdem über die Mit-el für die Stiftung Warentest – im Gegensatz zu manchnderen haben wir lange Gespräche mit den Verantwort-ichen dieser Stiftung geführt – und die Projektförderungilfestellung für eine bewusste Konsumentenentschei-ung.
ir wissen, dass zuverlässige Informationen eine wich-ige Grundlage für eigenverantwortliche Konsumenten-ntscheidungen sind. Mit diesen Mitteln bieten wir denerbraucherinnen und Verbrauchern diese Informationen.Die Liste der geförderten Projekte zeigt, dass wir imaushalt wichtige Impulse setzen. Sie zeigt aber auch,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2829
)
)
Jella Teuchnerdass die Finanzierung von Informationen nur ein Teil derVerbraucherpolitik ist. Der Verbraucher ist ein aktiverTeilnehmer am Marktgeschehen, der als Einzelner dasRecht auf Schutz hat und der die Möglichkeit zur Ge-genwehr braucht. Stärkere Handelsverflechtungen,grenzüberschreitender Handel sowie komplexer wer-dende Produkte und Dienstleistungen bedingen eine Ver-braucherpolitik, die verstärkt die Grundsätze des Ver-hältnisses von Verbrauchern und Anbietern regelt. DiePolitik muss Regelungen schaffen, die einen vorsorgen-den Verbraucherschutz und die Verantwortlichkeit derAnbieter über den Einzelfall hinaus sicherstellen.Wir werden uns weiterhin um den gesundheitlichenVerbraucherschutz kümmern. Wir werden die Produkt-sicherheitsrichtlinie so umsetzen, dass das Produkt-sicherheitsgesetz zu einer Auffangvorschrift für allesicherheitsrelevanten Aspekte von Produkten wird. Dazugehören verbesserte Kriterien für die Sicherheitsbeurtei-lung und ein besserer Zugang für die Öffentlichkeit zuProduktinformationen.Verbraucherpolitik ist eine Querschnittsaufgabe, diealle Ressorts betrifft. Es ist eine Aufgabe, die die Zusam-menarbeit von EU, Bund und Ländern bedingt. Ich freuemich, dass wir es geschafft haben, dieser Aufgabe einstärkeres Gewicht innerhalb der Politik zu geben.
Wir haben ein hohes Verbraucherschutzniveau er-reicht, sei es beim gesundheitlichen Verbraucherschutz,sei es beim wirtschaftlichen Verbraucherschutz oder seies bei der rechtlichen Stellung der Verbraucherinnen undVerbraucher. Dieses Verbraucherschutzniveau werdenwir auch auf den sich wandelnden Märkten halten. Wirgreifen dabei die Initiativen der Wirtschaft und der Ver-braucherverbände gerne auf. Auch wir sehen in Selbst-verpflichtungen eine Möglichkeit, Regelungen einver-nehmlich zu treffen. Damit solche SelbstverpflichtungenWirkung zeigen, müssen Regelungen für die Nichtum-setzung getroffen werden. Auch außergerichtliche Streit-schlichtungsverfahren, die von Verbrauchern und Unter-nehmen akzeptiert werden, können den Zugang zumRecht erheblich erleichtern und für schnelle und unbüro-kratische Lösungen sorgen.Eigeninitiative ergänzt in vielen Bereichen das bishe-rige staatliche Handeln. Gleichzeitig entsteht insbeson-dere durch das Zusammenwachsen Europas ein breite-res, aber auch ein unübersichtlicheres Angebot anDienstleistungen und Waren. Die private Altersvorsorgegewinnt dabei genauso an Bedeutung wie die verschie-densten Angebote zur Aus- und Weiterbildung. DieseHerausforderung nehmen wir an. Wir geben den Ver-braucherinnen und Verbrauchern Informationen und vorallem die Möglichkeit zur politischen Vertretung.
In den Haushalt 2003 wurden die dazu notwendigenMittel eingestellt.KiwISeVDagceewtstiKIbkw–nsdb
Bevor ich der Kollegin Klöckner das Wort zur einer
urzintervention erteile, will ich darauf hinweisen, dass
ch wegen der fortgeschrittenen Stunde danach keine
eitere Kurzintervention zulassen werde.
ch bitte um Ihr Verständnis.
Frau Kollegin Klöckner, bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Teuchner, es ehrt
ie, dass Sie an den deutschen Wein denken. Aber es ist
igentlich schon eine Unverschämtheit, einen solchen
ergleich mit dem Deutschen Weininstitut zu ziehen.
as Deutsche Weininstitut – Sie haben dieses Thema
ngesprochen – hat einen Plan, aus dem genau hervor-
eht, was es mit welcher Werbekampagne, also mit wel-
hen Kaufanreizen, erreichen möchte. Letztlich wird es
inen Bericht darüber geben, ob und wie das, was man
rreichen wollte, erreicht worden ist oder nicht. Plan-
irtschaft hat nicht nur etwas mit dem Wort „Plan“ zu
un. Sie sollten sich einmal informieren, was Planwirt-
chaft wirklich bedeutet.
Frau Teuchner, Sie haben mich vielleicht nicht rich-
ig verstanden. Herr Thalheim antwortete auf eine Frage
n der Fragestunde: Nein, es gibt keine nachweisbaren
orrelationen in dieser Sache; dabei geht es nur um das
mage. Wenn die Bundesregierung Geld für Imagewer-
ung ausgibt, dann dürfen wir, die Oppositionspoliti-
er, schon fragen, für welches Image Geld ausgegeben
ird.
„Freiheit für das Ei“ ist für die Bauern wirklich zu we-
ig.
Frau Kollegin Teuchner hat das Wort zur Erwiderung.
Fakt ist doch wohl, dass Sie von dem Parlamentari-chen Staatssekretär eine Antwort auf Ihre Frage nacher Anzeigenkampagne, die praktisch erst jetzt anläuft,ekommen haben.
Metadaten/Kopzeile:
2830 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Jella TeuchnerWenn man nicht weiß, ob eine Kampagne angelaufen istoder nicht, dann kann man sich nicht in dem von Ihnengewünschten Sinne äußern.Ich kann mich nur daran erinnern, dass seitens derCMA Anzeigen geschaltet werden, denen ein festgeleg-tes Konzept zugrunde liegt. Nachdem die entsprechen-den Kampagnen gelaufen sind, kann man feststellen,welchen Effekt sie gehabt haben.
Ich gehe davon aus, dass Ihnen der StaatssekretärThalheim nach Ablauf dieser Kampagne eine Antwortauf Ihre Frage geben kann. Ich denke, einen unmittel-baren Zusammenhang, wie Sie ihn andeuten, gibt esnicht.
Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Goldmann
von der FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Wir müssen den Einzelplan 10 – Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft – unter dem Ge-sichtspunkt prüfen, ob er die Weichen für eine zukunfts-fähige Landwirtschaft richtig stellt. Frau Eichstädt-Bohlig, ich gebe Ihnen Recht: Wir müssen die Weichenfür eine zukunftsfähige Landwirtschaft stellen. Niemandvon uns will, wie Sie es gesagt haben, zu den Skandalenzurück. Ich würde da auch sehr vorsichtig sein. Sehrviele Vorgänge, die mit dem Begriff „Skandal“ belegtsind, waren nicht zu Zeiten der Regierung von Schwarz/Blau-Gelb, sondern zu Zeiten von Rot-Grün:
Nitrofen, Nitrofuran, Dioxin, Apolda, Acrylamid. Ichnenne das nicht „Skandale“, aber die Ereignisse werdenvon dem einen oder anderen Verbraucher als Skandalempfunden. All das ist unter Ihrer Regierung und nichtunter unserer Regierung in den Medien gewesen.
– Das ist nicht lange her.Liebe Frau Eichstädt-Bohlig, lassen Sie uns die Dis-kussion nicht so platt und so falsch führen nach demMotto: Die blöken und stellen Anträge, die uns um Jahr-zehnte zurückwerfen. – Lesen Sie sich die Anträgeschlicht und ergreifend einmal durch! Wenn Sie das tun,werden Sie zu dem Ergebnis kommen, dass unsere An-träge darauf abzielen, unternehmerische Landwirtschaftim Markt zu halten.
HcduTmwWsdldve––dfVdWkgWdfGltegnzge
ir sollten nur nicht so tun, als ob am ökologischen We-en die deutsche Landwirtschaft genesen könnte; das ister Fehler, der bei diesem Haushalt gemacht wird.
Frau Eichstädt-Bohlig, ich will nicht wieder unterstel-en, dass Sie das nicht wissen, aber es ist doch so: Wiriskutieren im Moment über Cross Compliance. Es gibton der europäischen Ebene 38 Vorschläge dazu, wasingehalten werden soll.
38.
38! – Wissen Sie eigentlich, dass schon jetzt 35 voniesen 38 Vorschlägen von deutschen Bauern in guterachlicher Praxis eingehalten werden, weil sie selbst dieerantwortung für ihr agrarisches Tun wahrnehmen,
a sie ganz genau wissen, dass sie im internationalenettbewerb nur mit Qualitätsprodukten werden bestehenönnen? Tun Sie also nicht so, als ob wir den Bauern sa-en müssten, was gut für sie ist!
ir müssen die Weichen dafür stellen, dass die Bauernas umsetzen können, von dem sie wissen, dass es gutür sie ist.
enau das passiert mit diesem Haushalt nicht.Ich bin in Sorge um diesen Haushalt. Ich habe mir dasange überlegt und mich gefragt, ob ich mit dieser Posi-ion falsch liege. Sie gaukeln den Ökobetrieben vor, dasss für sie eine Marktchance von 10, 12, 15, 20 Prozentibt. Diese Marktchance gibt es schlicht und ergreifendicht, weil der Qualitäts- und Sicherheitsunterschiedwischen dem konventionellen Produkt und dem ökolo-ischen Produkt nicht so ist, wie es Ihrer Ideologieweltntspricht.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2831
)
)
Hans-Michael GoldmannWir haben es doch vor kurzem bei der Präsentation ei-ner ernst zu nehmenden Untersuchung der Lohmann-Stiftung erlebt. Herr Ostendorff war dabei. Ich habe esals normal und richtig empfunden, dass Sie davon be-troffen waren. Der Vergleich von Intensiv- und Freiland-haltung, der Vergleich zwischen Intensiv-, Freiland- undökologischer Haltung war vernichtend für die ökologi-sche Haltung.
– Herr Kollege Ostendorff, Sie können sich gern zu einerZwischenfrage melden. Ich antworte Ihnen dann auch.Herr Professor Ellendorf hat eine wissenschaftlicheUntersuchung vorgestellt.
– Sie könnten einen Ökobeitrag leisten, indem Sie nichtso furchtbar herumbrüllen.
Ich finde es unangenehm, wie Sie hier durch Lautstärkeund Aggressivität ein Thema an sich reißen, bei dem Sieschlichtweg falsch liegen.
Es waren Kollegen von Ihnen da, die diese wissen-schaftliche Untersuchung im Grunde genommen bestä-tigt haben.
Sie wissen genauso wie ich – ich kenne mich in der Ge-flügelwirtschaft aus –, dass dort, wo Geflügel frei läuft,besondere ökologische Belastungen für den Boden ent-stehen.
Reden Sie also nicht so an der Sache vorbei!
Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen. FrauKünast, Sie betreiben mit dieser grundökologischenOrientierung meiner Meinung nach eine Politik, die indie Sackgasse führt, die die ökologisch orientierten Be-triebe an die Wand fährt. Die Menschen, die in dieserGlaubenshaltung – so muss ich fast sagen – wirtschaften,beuten sich selbst aus. Sie haben mit ihrer Produktorien-tierung im Regelfall keine Marktchancen.–EhrNdSgdfmdKvnbdgndHssLds
Herr Ostendorff, der Agrarbericht hat es dargelegt. Dieinbußen bei den konventionellen Landwirten waren er-eblich, bei den ökologisch orientierten Landwirten wa-en sie dramatisch.
ehmen Sie doch einfach mal zur Kenntnis, dass Sieort auf dem falschen Weg sind.
Herr Kollege Goldmann, kommen Sie bitte zum
chluss.
Ich komme zum Schluss.
Ich fordere Frau Künast sehr nachdrücklich auf: Le-
en Sie Ihre ideologischen Scheuklappen ab. Ich sage
as auch im Hinblick auf die Geflügelpest. Frau Künast,
ordern Sie Ihre Kollegin Höhn in Nordrhein-Westfalen
it Nachdruck auf, einzustallen. Es ist eine Katastrophe,
ass in Niedersachsen eingestallt werden muss und drei
ilometer südlich in Nordrhein-Westfalen nicht. Das
ersteht kein Mensch. Das ist unfachlich. Das ist in mei-
en Augen – das sage ich Ihnen ganz ehrlich – ein Ver-
rechen an der Geflügelwirtschaft und an den Tieren;
enn die kommen dabei zu Tode und sind die Leidtra-
enden einer ideologischen Politik, die meiner Meinung
ach keinerlei Rechtfertigung hat.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Matthias Weisheit von
er SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Goldmann, ich finde es immer wieder wunder-chön, wenn auf der einen Seite der unternehmerische,elbstständige und wissenschaftlich gut ausgebildeteandwirt in den Himmel gehoben wird und man ihm aufer anderen Seite vorschreibt, er solle seine Hühner ein-tallen.
Metadaten/Kopzeile:
2832 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
Matthias Weisheit– Das ist so! Man braucht das den Leuten nicht vorzu-schreiben, sondern sie machen das von allein.
– Ich lasse keine Zwischenfrage zu, denn ich habe über-haupt keine Lust, die Debatte heute Abend zu verlän-gern.Ich möchte auf einen zweiten Punkt eingehen, HerrGoldmann.
– Ihre Fachkenntnis bezieht sich natürlich auf das, wasvon Professor Ellendorf und von der Lohmann-Stiftungerzählt wird.
– Da gehe ich auch nicht mehr hin.
– Nein, ich habe mich gar nicht erst angemeldet, weil ichnicht mehr zu Lobbyveranstaltungen gehe, wo die In-teressen von vornherein klar sind.
Der Name Ellendorf spricht für sich. Das wissen wirdoch. Da gibt es eine Geschichte im Zusammenhang mitHühnerhaltung in Celle, die ein paar Jahre zurückliegt.Über den Mann brauchen wir hier nicht zu reden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Weisheit hat
das Wort.
Dann kommt die nächste Geschichte, Herr Goldmann.Ich finde es ganz schön frivol, was Sie hier machen.
– Peter Harry, ich kann meine private Meinung in demZusammenhang durchaus äußern und sagen, dass derName für sich spricht und dass ich zu Veranstaltungenmit ihm nicht gehe. Dann ist der Fall erledigt.imgoda–dvsdlgeüBSDNfghnnso–gIImsd
Ich halte Folgendes für frivol: Seit den BSE-Fällenst die Öffentlichkeit wirklich aufmerksam, was Lebens-ittel und Verstöße gegen die Lebensmittelsicherheit an-eht. Vorher war diese Aufmerksamkeit nicht allzu groß,bwohl sie auch damals schon vorhanden war. Aber inen letzten Jahren sind eine ganze Reihe von Dingenufgekommen und ruck, zuck aufgeklärt worden.
Ja, das sind sie. Sie haben zwar in Fragestunden undurch endlose Debatten im Ausschuss versucht, das zuerdrehen, und behauptet, dass die Bundesregierungchuld sei, dass das nicht funktioniert. Aber was Sie inem Zusammenhang probiert haben, war immer erfolg-os. Die Arbeit auf Bundesebene funktioniert hervorra-end. Es wäre auch ganz schön gewesen, wenn einmalin lobendes Wort
ber das Institut für Risikoabschätzung und über dasundesamt für Verbraucherschutz gekommen wäre.
ie arbeiten nämlich hervorragend.
as wäre besser gewesen als die einseitige Polemik.Eigentlich wollte ich Sie heute loben.
achdem ich mir die Anträge angesehen habe, habe ichestgestellt: Da werden wenigstens keine Luftnummernebaut. Ich meine, die Gesamtdiskussion über den Haus-alt war ja schon eine kabarettreife Leistung. Auf der ei-en Seite wird geklagt, dass der Haushalt von den Ein-ahmen her sowieso nicht stimme. Auf der anderen Seiteatteln Sie in jedem Ressort Milliarden drauf,
hne dass irgendwo ein Ausgleich dafür da ist.
Nein, nein, das war sehr kabarettreif, was heute undestern geboten wurde.
ch habe gesagt: Ich wollte Sie loben, dass Sie das mithren Anträgen im Bereich des Einzelplanes 10 nicht ge-acht haben. Auf der anderen Seite ist es mit dem Lobchon vorbei. Denn wie Sie einsammeln – das ist klar –,as ist die alte – ich sage es ganz deutlich – ideologische)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2833
)
)
Matthias WeisheitLinie gegen alles, was Öko heißt und in eine neue Rich-tung geht.
Mit der Linie werden Sie keinen Erfolg haben. DieseKoalition und die Ministerin werden dagegen Erfolg ha-ben.Jetzt komme ich zu etwas, von dem Sie überhauptnicht denken, dass mir das heute Abend noch einfallenwürde.
– Ach Peter Harry, hör doch auf mit dem blöden Ge-schwätz. Das ist wirklich nicht mehr zu ertragen.
– Doch, natürlich ist sie erfolgreich, auch in der Land-wirtschaftspolitik. Ich will jetzt die Ministerin loben.
– Ja, ja, jetzt lass mich doch einmal ausreden. Das machtkeinen Sinn.
Also liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist kein Re-
deduell, sondern das Wort hat der Kollege Weisheit.
Wir hatten vor über einem Jahr auch auf Druck der
Opposition permanent und ständig Ärger. Es hieß, diese
Bundesregierung verhindere Pflanzenschutz, sie mache
die Obstbauern kaputt und so fort. In der Zwischenzeit
hat diese Ministerin gemeinsam mit den Naturschutzver-
bänden, gemeinsam mit den Obstbauern, gemeinsam mit
dem UBA, gemeinsam mit dem neuen Amt – die frühere
BBA – eine Regelung erarbeitet, die den Einsatz von
Plantomycin erlaubt, wenn es unbedingt notwendig ist,
und mit der Lücken im Pflanzenschutz geschlossen wur-
den. Das ist eine hervorragende und gute Arbeit, die hier
geleistet worden ist. Das nützt den Bauern sehr viel
mehr; das erkennen sie übrigens auch an.
Bei den Abstandsregelungen sind ähnliche Dinge
auf dem Weg. Diese nützen sehr viel mehr als die stän-
dige einseitige Polemik gegen die Ministerin, gegen die
Regierung, gegen die rot-grüne Koalition und alles, was
man neu machen will.
Herzlichen Dank.
C
L
I
s
K
b
l
h
s
I
s
–
e
g
a
i
h
H
s
S
t
b
t
V
d
h
I
d
t
m
m
B
T
s
n
r
K
m
R
n
w
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!iebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg ein Wort zuhnen, Frau Teuchner: Ich fand es schon ein ganz schöntarkes Stück, was Sie vorhin zu meiner Kollegin Julialöckner gesagt haben, als Sie kritisiert haben, wie wirei uns die Reden inhaltlich aufteilen, zumal meine Kol-egin Ilse Aigner von vornherein gesagt hat, worüber wireute sprechen werden. Ich denke, es ist schon eine Ent-chuldigung dafür fällig, dass Sie so mit uns umgehen.ch finde, das entspricht nicht dem Stil des Hohen Hau-es.
Das Zweite. Herr Weisheit, es leuchtet doch einselbst dann, wenn man kein Agrarexperte oder Tier-xperte ist –, dass die Übertragungsrate bei der Geflü-elpest bei frei laufenden Hühnern wesentlich größer istls dann, wenn die Tiere eingestallt sind. Ich denke, dasst eine Logik, die man nachvollziehen kann. Ansonstenätte das Land Niedersachsen nicht so gehandelt, wieerr Goldmann es uns eben gesagt hat.
Ich wollte eigentlich vor allem über Verbraucher-chutzpolitik sprechen. Wir haben am vergangenenamstag das 20-jährige Jubiläum des Weltverbraucher-ags begangen. Dabei ist deutlich geworden, dass Ver-raucherpolitik in den letzten 20 Jahren stetig an Bedeu-ung gewonnen hat. National und international ist dieerbraucherpolitik immer mehr zu einer Kernaufgabees Staates geworden. Dies ist eine Meinung – ich bineute gar nicht so sehr auf eine Auseinandersetzung mithnen aus –, die von Ihnen geteilt wird. Schließlich istas Ministerium im Jahre 2001 entsprechend aufgewer-et worden und hat eine zusätzliche Bedeutung bekom-en.Aber – das ist das Traurige –: Worte und Taten stim-en hier leider nicht mehr überein. Den Worten derundesregierung und der Ministerin folgen leider keineaten. Heute, also zwei Jahre, nachdem das Verbraucher-chutzministerium geschaffen wurde, haben wir es nuroch mit einer reinen Ankündigungspolitik der Ministe-in zu tun. Deutliche Impulse und auch ein schlüssigesonzept müssen wir heute vermissen.
Lassen Sie mich ein paar Beispiele nennen. Da ist ein-al die auch von Herrn Weisheit vorhin angesprocheneeorganisation der Behörden. Dass wir dieser Neuord-ung sehr skeptisch gegenübergestanden haben, habenir hier im Hause und auch im Ausschuss hinlänglich
Metadaten/Kopzeile:
2834 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Ursula Heinendiskutiert. Wir haben die Trennung, die vorgenommenworden ist, abgelehnt. Zudem kommt es gerade im Be-reich des Risikomanagements entscheidend auf die Fä-higkeit zur schnellen Reaktion an. Das zeigen auch dienegativen Erfahrungen mit der Eistorte, die wir vor we-nigen Wochen gemacht haben.Die Trennung hat eben nicht zu einer Vereinfachungder Kommunikationswege und der Entscheidungspro-zesse geführt, sondern sie hat nur ein neues, ein ganzschwerfälliges System geschaffen, mit dem im Krisen-fall nicht effizient reagiert werden kann. Die Zweiteilungführte im Fall der Eistorte zu einem heillosen Durchei-nander, bei dem die eine Hand nicht wusste, was die an-dere Hand machte. Das Ergebnis waren ein erheblicherImageschaden und Umsatzeinbußen für das betroffeneUnternehmen.
Ich will in Erinnerung rufen: An ein und demselbenTag hat das Land A Entwarnung, das Land B eine zu-rückhaltende Bewertung gegeben und das Land C hatgar eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen.Wir müssen uns als mündige Verbraucher fragen: Wassoll das eigentlich? Als Abgeordnete müssen wir sagen:Hier gibt es einen klaren Bedarf an Koordinierung zwi-schen den Ländern. Das ist eine Aufgabe, die docheigentlich das Bundesamt für Verbraucherschutz undLebensmittelsicherheit, jedenfalls nach dem Neuorgani-sationsgesetz, wahrnehmen sollte.
Sie, Frau Künast, haben in einem Interview – ichglaube, in der vergangenen Woche – selbst gesagt, dassdieses Amt über die „Defizite des Föderalismus hinweg-hilft“. Doch bei dem einzigen Fall, bei dem das tatsäch-lich in jüngster Zeit verlangt worden wäre, muss man sa-gen: Fehlanzeige. Die Regierung hat das Problem aberselber erkannt; denn anderenfalls wäre es nicht zu erklä-ren, warum Sie bereits im September letzten Jahres einConsultingunternehmen beauftragt haben,
eine exakte Aufgabenabgrenzung zwischen dem Bun-desinstitut für Risikobewertung auf der einen Seite unddem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebens-mittelsicherheit auf der anderen Seite zu eruieren.In den Erläuterungen zu dem entsprechenden Haus-haltstitel heißt es dieses Jahr:Bis zu diesem Zeitpunkt – sprich: bis das Gutachten vorliegt –ist die Verlagerung von Stellen und Mitteln auf dieneuen Einrichtungen … als vorläufig zu betrachten.So steht es im Haushaltsplan. Da frage ich mich: Heißtdas, dass die Stellenverlagerung zwischen den beiden In-stituten im Rahmen der Neuorganisation wieder zurück-genommen werden kann, wenn das Gutachten andere Er-kWAeSli1seaddznbmbsEfisarinlidHHhdtev„beddtudgPgnbb
Das Stichwort Sachverständige hat meine Kolleginigner schon netterweise angesprochen. Ich will nur nochinen Punkt hinzufügen. Wie kann man den Etatposten fürachverständige um 650 000 Euro erhöhen – ursprüng-ch betrug die Erhöhung 751 000 Euro, von denen Sie00 000 Euro wieder zurückgenommen haben –, wennich unter Ihrer Obhut zehn Bundesforschungsanstalten,ine Zentralstelle für Agrardokumentation, das Bundes-mt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit,as Bundesinstitut für Risikobewertung und schließlichie Wissenschaftlichen Beiräte zur Agrarpolitik – da läufturzeit die Neuberufung – und zur Verbraucher- und Er-ährungspolitik befinden? Darüber hinaus gibt es die Le-ensmittelbuch-Kommission und die Tierschutz-Kom-ission. Da fragen wir uns natürlich schon: Wozurauchen Sie 650 000 Euro mehr für Sachverständige?
Um zur Stiftung Warentest zurückzukommen: In die-em Jahr erhält die Stiftung Warentest 6,5 Millionenuro. Das ist in der Tat mehr, als sie im Vorjahr zur Ver-ügung hatte. Deshalb stimmen wir Ihrer Tendenz zu: Est löblich, dass Sie die Stiftung Warentest etwas besserusstatten.Leider sind Sie aber immer noch nicht auf unsere An-egung eingegangen, die Stiftung Warentest tatsächlich die Selbstständigkeit zu entlassen. Herr Bahr irrt näm-ch, wenn er sagt, dass die Stiftung Warentest angesichtser 6,5 Millionen Euro, die sie nach wie vor aus demaushalt benötigt – dabei ist sie davon abhängig, wie dieaushälter konkret damit umgehen –, vollständig unab-ängig von der Politik ist.Wir haben einen Sockelbetrag vorgeschlagen, damitie Stiftung Warentest in Zukunft weiter vernünftig arbei-n kann. Der sollte – Herr Weisheit, von wegen Gegen-orschläge, die ausgeblieben sein sollen! – über den TitelAufklärung der Verbraucher“ finanziert werden. Sie ha-en das abgelehnt, auch wenn Sie selbst im Ausschussine entsprechende Notwendigkeit gesehen haben. Ichenke, heute Abend werden CDU und CSU die Anträgeer FDP unterstützen, die sich damit befassen, die Stif-ng Warentest in die Unabhängigkeit zu entlassen.
Ein anderer Bereich, in dem falsch gespart wird, sindie Verbraucherzentralen. Sie machen einen hervorra-enden Job. Aber sie haben zurzeit erhebliche finanziellerobleme. In einigen Bundesländern bzw. in einigen Re-ionen drohen Schließungen. Das dürften Sie eigentlichicht zulassen, wenn Sie es mit der Stellung des Ver-raucherschutzes tatsächlich ernst meinen.Deshalb verlangen wir von Ihnen, dass Sie die Ver-raucherzentralen besser ausstatten.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2835
)
)
Ursula HeinenDenn, Frau Künast, sind die Informationskampagne zurLegehennenverordnung, für die 500 000 Euro vorgese-hen sind, und die Informationskampagne zur Bekannt-machung des neuen Biosiegels, für die 6,5 MillionenEuro vorgesehen sind, tatsächlich so viel wichtiger alsdie Ausstattung der Verbraucherzentralen?
Oder wird es bei den Verbraucherzentralen so zugehen,wie Sie es auch in anderen Politikbereichen machen,nämlich dass Sie den Kommunen eine Mitfinanzierungaufs Auge drücken?Dazu ein Beispiel: In der Stadt Köln gibt es seit Mitteder 90-er Jahre die Verabredung, dass die Stadt mitfinan-ziert. Es sind mittlerweile fast 50 Prozent geworden, diewir der ansässigen Verbraucherzentrale geben müssen:200 000 Euro pro Jahr. Das ist für die Kommunen heut-zutage ein ordentlicher Betrag. Deshalb erwarten wirvon Ihnen, dass Sie das ändern.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass mitdieser Bundesregierung Verbraucherpolitik in diesemLand nur noch unter dem Aspekt der Öffentlichkeitswir-kung vollzogen wird. Anders ist die Diskussion, die Siepünktlich zur Grünen Woche zum Thema Preisdumpingins Leben gerufen haben, nicht zu erklären. Der Bundes-kanzler hat sie zum Glück kassiert. Aber diese Diskus-sion taucht immer wieder bei Ihnen auf.Wir sagen dazu: Jeder soll selbst entscheiden, ob erbeim Discounter oder beim Einzelhändler einkauft. Siedürfen nicht vergessen, dass die Menschen heutzutagedank Ihrer Politik verdammt wenig Geld in der Taschehaben, um sich teure Nahrungsmittel leisten zu können.
Dann zu sagen: „Wir machen eine Initiative gegen dasPreisdumping“, ist wirklich eine Verkennung der tat-sächlichen Lebensverhältnisse in Deutschland. Mit demGehalt eines Abgeordneten bzw. einer Ministerin kannman das alles locker bezahlen.
– Herr Goldmann vielleicht nicht, aber alle anderen.
Schauen Sie sich aber einmal an, was die Menschenin diesem Lande wirklich verdienen.
Seit Beginn dieser Legislaturperiode besteht ein Ini-tiativrecht für Fragen des wirtschaftlichen und recht-lichen Verbraucherschutzes. So weit, so gut! Das be-grüßen und das unterstützen wir. Aber wir erwarten unsddszvnidnlPdKggSesdAdeJgbnb1sdrfisIßd
ber ich bin nun tief enttäuscht;
enn alle Reden der Opposition – das muss man auchinmal festhalten – haben vor Polemik gestrotzt.
Meine Damen und Herren, 2003 ist kein einfachesahr, auch global gesehen. Deutschland hat wirklichroße wirtschaftliche Aufgaben zu meistern und wir ha-en niemals einen Hehl daraus gemacht, dass es ein stei-iger Weg wird, 1,5 Billionen Staatsschulden abzu-auen.Der Weltwirtschaft machen die Auswirkungen des1. September 2001 noch immer zu schaffen. Der Zu-ammenbruch der New Economy und die Skandale aner Börse haben ihre Wirkung immer noch nicht verlo-en. Warum bringe ich das an dieser Stelle an? Ganz ein-ach, weil man die Lage des Bundeshaushaltes eben nichtoliert betrachten kann, weil Deutschland eben nicht diensel der Glückseligen ist und weil wir morgen mit gro-er Verantwortung den Haushalt 2003 beschließen wer-en: selbstbewusst, reformorientiert und sparsam.
Metadaten/Kopzeile:
2836 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Waltraud Wolff
Wir können und wollen nicht Geld verteilen, das nichtda ist. Meine Damen und Herren der Opposition, das warIhre Gangart, unsere ist das nicht. Gerade in Bezug aufunseren Haushaltstitel ist es wichtig, sich auf das We-sentliche zu konzentrieren und da zu investieren, wo dieMittel zukunftsorientiert, verbraucherschutzorientiert,umweltschutzgerecht und dem Tierschutz entsprechendeingesetzt werden. Kurz gesagt: Der Einzelplan 10 istAusdruck einer nachhaltigen Agrarpolitik.
Nachhaltigkeit bedeutet auch Prävention. Ein Bei-spiel ist die Hochwasserkatastrophe an der Elbe. Alledrei Landkreise meines Wahlkreises waren betroffen. Ichnenne nur das Wörlitzer Gartenreich und das DörfchenGübs, das heute auch bundesweit bekannt ist. Die hoch-wassergeschädigten Landwirte in ganz Deutschland er-hielten durch die Sofortmaßnahmen schnelle Hilfe. Pro-bleme gab es nur, weil sich die Länderregierungen mitder Auszahlung so schwer getan haben. Mit dem Son-derprogramm Hochwasser stellte das Bundesministe-rium für Verbraucherschutz 30 Millionen Euro unter an-derem zur Deichsicherung und Deichsanierung zurVerfügung.
In diesem Jahr ist im Bundeshaushalt ein Betrag von320 Millionen Euro für den Hochwasserschutz einge-stellt. Diese Präventivmaßnahmen sind für die Landwirt-schaft von großer Bedeutung. – Es wäre schön, wenn dieOpposition auch einmal zuhören würde. –
Die hochwassergebeutelte Landwirtschaft wurde bei-spielsweise durch die erhöhte Flächenstilllegungsprä-mie und auch durch Ausgleichszahlungen von bis zu50 000 Euro pro Betrieb umgehend direkt unterstützt.Ich will auch daran erinnern, dass Solidarität heute inDeutschland noch immer in beeindruckender Weisepraktiziert wird.
Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass die Menschen inunserem Land sehr gut verstanden haben, dass wir dienächste Stufe der Steuerreform um ein Jahr verschobenhaben. Ich komme aus Sachsen-Anhalt, das ist nicht ge-rade das reichste Land.
Unsere Pflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bür-gern ist es, in extremen Situationen schnell zu helfen.Gegenüber den Steuerzahlern haben wir aber auch diePflicht, einen von Verantwortungsbewusstsein geprägtenHaushalt vorzulegen. Es gilt also, die Haushaltskonsoli-dierung weiter voranzubringen. Das heißt doch auf gutDeutsch, wie wir alle wissen: Wir kommen gar nicht um-hgaGncsgzWHbldmWDw–mzCMhkga7SsMwavnrsegTdnd
ir haben Raum für die Förderung von tiergerechtenaltungssystemen, für die weitere Ausweitung des An-aus von nachwachsenden Rohstoffen und für den öko-ogischen Landbau geschaffen.Die Opposition bemängelt die Höhe der Ausgaben fürie tiergerechten Haltungssysteme; das ist hier auch inehreren Beiträgen zum Ausdruck gebracht worden.
ir wollen die Einführung dieser Systeme unterstützen.as Argument, im letzten Jahr sei aus diesem Titel rechtenig abgeflossen, ist vordergründig richtig.
Ja, natürlich, vordergründig ist es richtig; das kannan auch so diskutieren. Aber ich bin der festen Über-eugung, dass man neuen Programmen auch einehance geben muss, sich entwickeln zu können.
an darf sich bei Neuerungen nicht sofort ins Bocks-orn jagen lassen, wenn die erhofften positiven Auswir-ungen nicht augenblicklich eintreten; dann würde ei-entlich alles stagnieren. An dieser Stelle muss manuch ein bisschen Weitsicht zeigen.
Meine Damen und Herren, da es, wie gesagt, um1 Prozent des Haushalts geht, sage ich noch etwas zurozialpolitik. Uns kommt es darauf an, dass die landwirt-chaftliche Sozialversicherung nur in einem vertretbarenaß von den Kürzungen in Mitleidenschaft gezogenird. Deshalb haben wir uns auf die Glättung der Bundes-usgaben für die Unfallversicherung auf 250 000 Euroerständigt. Diese Zuschüsse werden damit für dieächste Zukunft stabilisiert. Daneben wird für den Be-eich der landwirtschaftlichen Sozialversicherung in die-em Jahr – das ist auch schon angesprochen worden –ine globale Minderausgabe von 20 Millionen Euro aus-ebracht. Dies war keine Entscheidung vom grünenisch, sondern das haben wir mit dem Bundesverbander Berufsgenossenschaften besprochen. Hier ist Einver-ehmen hergestellt worden, was sich gestern auch aufem parlamentarischen Abend gezeigt hat.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2837
)
)
Waltraud Wolff
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zumSchluss: Die Welt wächst immer mehr zusammen. DieRegierungskoalition meint es mit ihrem Bekenntnis zurErweiterung der EU ernst. Wir meinen es auch mit un-seren Ankündigungen zu einer fairen Ausgestaltung dernächsten WTO-Runde ernst. Dann allerdings werden wirnicht umhinkommen, die Zuweisungen zu den Markt-ordnungen weiter abzusenken. Daher bin ich der Auffas-sung, dass die Bundesregierung den eingeschlagenenWeg weitergehen muss, der durch Entkoppelung, dieStärkung der verbraucherorientierten Maßnahmen undeine umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft gekenn-zeichnet ist. Die Schwerpunkte in diesem Haushalt sindrichtig gesetzt. Deshalb können wir uns darauf freuen,morgen diesen Haushalt zu beschließen.Schönen Dank.
Die Bundesministerin Renate Künast hat jetzt aus-nahmsweise als letzte Rednerin das Wort. Normaler-weise sollen die Mitglieder der Bundesregierung nichtals letzte Redner das Wort haben. Aber es hat keinenEinwand dagegen gegeben.
Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es warnicht mein spezieller Wunsch; ich hatte das Gefühl, michnur den Wünschen anderer gefügt zu haben.
– Das machen wir gerne. Wir können es noch zehn Jahrelang so machen, dass ich als Erste rede.
Das gilt insbesondere dann, Herr Goldmann, wenn dasVergnügen so wie jetzt ist, dass – –
– Wir können es ja zu einer früheren Uhrzeit machen,dann wird auch diesem Gesichtspunkt entsprochen.Ist Ihnen aufgefallen, dass diese Debatte das Gegen-teil einer Generaldebatte ist? Einige standen am Redner-pult, machten weit ausholende Bewegungen und sagten,es werde zu wenig gespart, man müsse vielmehr nachdem Rasenmäherprinzip – wahrscheinlich mit einematombetriebenen Rasenmäher – vorgehen, damit manmöglichst viele Subventionen auf einmal streichenkann.
JsmgdsdantLdsuDodT–ssPdPgramLbCloSfgwdPdcnEbdu
Man muss feststellen – das muss ich Ihnen ehrlich sa-en –, dass hier einiges gesagt wurde, was von mangeln-er Sachkenntnis zeugt. Frau Heinen hat vorhin kriti-iert, dass einige Kooperationen und Koordinationenurch das Bundesamt nicht stattgefunden haben. Sie kamuf das schöne Beispiel der Torten zu sprechen. Ichehme ja gerne einiges auf meine Schultern; die sindragfähig. Sie sollten aber zumindest das ABC der Bund-änder-Zuständigkeiten kennen. Wenn Sie möchten,ass wir die Länderzuständigkeiten aufheben, dann müs-en Sie das auch im Rahmen der Föderalismusreformnterstützen.
ann kann kein Bundesland – egal ob es von Rot-Gründer der CDU geführt wird – mehr sagen, es sei zustän-ig. Dann kann nicht jeder Landesvertreter zum Themaorte jede Woche eine andere Aussage machen.
Frau Heinen, ich weiß, dass Sie einen Satz, den ich ge-chrieben habe, ansprechen wollen. Ich sage Ihnen: Estimmt, wir wollen mehr koordinieren. Wir wollen dieroblemfälle und Auswüchse des Föderalismus mithilfees Bundesamtes aufheben. Das haben wir an vielenunkten – Stichworte: Acrylamid und Nitrofen – längstetan. Ich habe aber nicht geschrieben, dass ich die föde-ale Zuständigkeit aufheben möchte. Wenn Sie michber dazu animieren und mir zusagen, dass Sie zustim-en, dann tue ich das gerne, weil dann in den Bereichenebensmittelsicherheit und Agrarverwaltung manchesesser wird.
Ich finde es komisch, dass Sie die Einsetzung einesonsultingunternehmens kritisieren. Das ist nun wirk-ich bar jeden Wissens über den Aufbau von Organisati-nen. Das ist nämlich völlig normal. Es gibt einigechnittstellen in Bezug auf die Zuständigkeiten. Ichinde es besser, ein Consultingunternehmen zu beauftra-en, das die Arbeitsabläufe bis zum letzten durchspielt,eil man dann alles sauber klären kann. Wir haben mitem Föderalismus an dieser Stelle genug Probleme. Dierobleme habe im Übrigen nachher nicht ich, sondernie haben zum Beispiel die Landwirte und die Verbrau-her. Die Verbraucher wissen nicht, wie sie sich bei ei-em Problem verhalten sollen, und die Landwirte habeninkommenseinbußen.Ihre grundsätzlichen Aussagen, die über den Ver-raucherschutzbereich hinausgingen, erinnern mich anie alte Weisheit „Wir selber schaffen unsere Zukunftnd nennen sie Schicksal“. Nach diesem Motto haben
Metadaten/Kopzeile:
2838 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
)
)
Bundesministerin Renate KünastSie sich heute wieder verhalten. Das tun Sie immer wie-der, und zwar auf Kosten der Landwirtschaft, zulastender Bäuerinnen und Bauern.
Sie können so lange reden, wie Sie wollen. Die Post,die bei uns eingeht, klingt mittlerweile anders: Lieberunsere Politik, die der Zukunft zugewandt und an denErfordernissen der Zukunft orientiert ist, als eine Politik,die immer nur erzählt, es würde sich nichts verändern.Mittlerweile verfügt jeder Bauer über einen Internetzu-gang und weiß, dass es demnächst WTO-Verhandlun-gen gibt. Es nützt ihm nichts, wenn Sie ihm Sand in dieAugen streuen und so tun, als würde man dort zu keinemErgebnis kommen. Wir bereiten die Bauern darauf vorund zeigen ihnen entsprechende Einnahmemöglich-keiten.
Der vorliegende Haushalt zeigt, dass wir die Moder-nisierungslinien zur gesellschaftlichen und wirtschaft-lichen Erneuerung umsetzen. Das will ich Ihnen an eini-gen Punkten erläutern. Modernisierung – das muss manan dieser Stelle sagen – heißt Wohlstand für alle undnicht nur für einige wenige. Auf den Vorwurf, ich würdedie Arbeit meiner Vorgänger zerstören, reagiere ich mitder Antwort: Ich habe noch gar nicht richtig angefangen,das alte System zu beenden, nach dem immer nur dieGroßen gewinnen und die kleine bäuerliche Landwirt-schaft und die Familienbetriebe ziemlich leer ausgehen,nach dem die Grünlandstandorte und die Milchbauernbei der Verteilung der großen Prämien immer leer ausge-hen. Natürlich werde ich das beenden. Daran werde icharbeiten.
Sie wissen selbst, welch ungeheurer Preisdruck durchdieses System entsteht. Herr Deß, in Bayern spielen dievielen kleinen mittelständischen Molkereien die Milch-bauern gegeneinander aus. Ich weiß, dass in diesem Be-reich Gelder umgeschichtet werden müssen, und zwarauch aus dem Ackerbaubereich, wo die Bauern so vielverdienen, dass sie im Zweifelsfall im Winter mehrereMonate Urlaub machen können.
Ich will auch die kleinteilige Landwirtschaft und dieLandwirtschaft in benachteiligten Gebieten. Das ist dasZiel unseres Haushaltes.
Nachhaltige Landwirtschaft im Bereich des konven-tionellen und des ökologischen Landbaus heißt für uns,dass wir zu einer WTO-kompatiblen Produktion kom-men und die WTO-Verhandlungen entsprechendbeeinflussen müssen. Dann gilt es, eine Reihe andererTdsDhbgem–iarHdnsbDiwdstrsmgznldblsmsockndodanddH
Frau Aigner, Sie haben Recht. Genau das möchte ichm Rahmen der GAK erreichen. Sie müssen mir dabeiber helfen. Die GAK ist nämlich nicht darauf ausge-ichtet, den bäuerlichen Familienbetrieben zu helfen.ier besteht eine Schieflage. Angesichts der Tatsache,ass die 16 Agrarminister, auch die der B-Länder, bei ei-er Sitzung des PLANAK-Ausschusses die Fördertatbe-tände für das nächste Jahr nicht umgeändert haben,rauche ich Ihre Hilfe, und zwar noch in diesem Jahr.iese nehme ich gerne in Anspruch. Ihr Angebot werdech nicht vergessen, Frau Aigner.Wenn wir das Aktionsprogramm „Bäuerliche Land-irtschaft“ in der GAK hätten – das will ich erreichen –,ann könnten wir viele andere Programme wie zum Bei-piel zum Wegebau ersatzlos streichen; denn dieses Ak-ionsprogramm käme den Bauern wirklich zugute. Dazueicht es allerdings nicht aus, hier nur Reden zu halten,ondern dann müssen Sie sich bei den Landwirtschafts-inistern der Bundesländer dafür entsprechend enga-iert einsetzen.
Angesichts der Kürze der Zeit will ich nicht mehr vielum Ökolandbauprogramm sagen. Nur so viel: Bei ei-em Verhältnis von über 700 Millionen Euro zu 30 Mil-ionen Euro – das eine ist eine dreistellige Zahl, das an-ere eine zweistellige – kann man nicht ernsthaftehaupten, dass die eine Gruppe die andere wirtschaft-ich knebeln und aushungern würde. Ich glaube, manollte die Kirche im Dorf lassen.Es ist wissenschaftlich außerdem noch offen – dasuss ich Ihnen an dieser Stelle sagen –, ob die Inhalts-toffe der Produkte der beiden verschiedenen Spartender die Produkte selbst unterschiedlich sind oder wel-he besser sind. Darüber möchte ich jetzt auch nicht dis-utieren.Für mich ist viel spannender, in diesem und demächsten Jahr eine Debatte über Preise zu führen, die fürie Landwirte reell sind, egal ob in der konventionellender der ökologischen Landwirtschaft. Ich freue mich,ass die Bauern diese Debatte aufgenommen haben,uch wenn sie neidisch waren, dass sie gerade zur Grü-en Woche begonnen hat. Aber ich bin der Meinung,ass sie in diesen Rahmen gehört hat. Ich freue mich,ass die Bauern, auch die in Bayern, das Heft in dieand genommen haben, sich nun verbünden und sogar
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003 2839
)
)
Bundesministerin Renate KünastKartelle bilden wollen, um gegen die ablehnende Hal-tung der Wirtschaft anzugehen.
Ich freue mich auch, dass selbst der Einzelhandel in die-ser Frage Maßnahmen ergreift. Das werden wir auchgerne im Rahmen der Debatte um das UWG diskutieren.Die Reformierung des UWG ist längst beschlossene Sa-che, was bei einigen Ihrer Redebeiträge dagegen nichtzum Ausdruck gekommen ist.
Ich will nun ein Stichwort zum Thema Verbraucher-information sagen. Dazu wurde hier viel geredet und eswurden viele Aspekte angesprochen. Ich kann Ihnen nursagen: Daran arbeiten wir schon längst. Ich würde mirwünschen, wenn Sie in dieser Frage nicht nur an mir he-rummäkeln würden. Legen doch auch Sie hierzu einmalVorschläge auf den Tisch.
Schon Ihre Fraktionsvorsitzende hat gesagt hat, dieCDU/CSU habe in den Städten wegen eines mangelndenVerbraucherschutzes verloren. Ich fordere Sie auf: LegenSie ein Programm vor. Von uns werden Sie noch in die-sem Jahr ein Programm bekommen, nämlich einen Ak-tionsplan zum Verbraucherschutz. So etwas möchte ichauch von Ihnen gerne lesen. Und ich sage Ihnen: Ma-chen Sie keine mittelalterliche Politik. Legen Sie endlichein Angebot für ein Verbraucherinformationsgesetzvor. Das ist doch an Ihnen gescheitert, weil Sie – zulas-ten der Bauern und der Verbraucher – die Informationnicht zulassen wollten.
Meine Damen und Herren, heute sind in dieser De-batte viele Details angesprochen worden, zum Beispielauch zum Personalabbau im Bereich der Tierhygiene,der angeblich zulasten der Bekämpfung von BSE geht.Ich muss Ihnen empfehlen, sich kundig zu machen, wodie Stelle zur BSE-Bekämpfung bei uns ressortiert ist.Das ist nämlich nicht der Bereich der Tierhygiene. Wirhaben nichts zu befürchten. Wir haben die Abteilungen 2und 3, die nur 16 neue Stellen bekommen haben, trotz-dem mit insgesamt 30 Stellen ausgestattet, weil wir um-geschichtet haben. Vielleicht könnten wir noch besserumschichten; Empfehlungen hierzu nehme ich von Ih-nen gerne entgegen.Wir haben, dem Beschluss folgend, Bonn zu einerStadt mit vielen internationalen Organisationen auszu-bauen, die FEC nach Bonn geholt. Ich weiß gar nicht,was Sie wollen. Sie haben gedacht, wir würden Bonn zueiner internationalen Stadt machen und Jobs bieten, aberin einer Weise, die Ihnen passt. Dass das nicht immergeht, damit müssen Sie in einer Demokratie leben.vwdunleutissvocngnk–urreCgdmFÄaFhSFÄa
Frau Kollegin Künast.
Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-
chutz, Ernährung und Landwirtschaft:
Ich möchte Sie an dieser Stelle um eines bitten: Las-
en Sie uns diese Hektik herausnehmen, diesen Haushalt
erabschieden und wieder zu einer positiven und sach-
rientierten Debatte kommen. Die Bauern und Verbrau-
her werden es Ihnen danken.
Ich schließe die Aussprache.Ich darf darauf hinweisen, dass der nächste Tagesord-ungspunkt – er ist zugleich der letzte – zu Protokoll ge-eben werden soll. Deswegen bitte ich Sie, noch ein we-ig hier zu bleiben, damit wir das ordentlich abwickelnönnen.Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 10 Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährungnd – in der Ausschussfassung. Es liegen ein Ände-ungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und neun Ände-ungsanträge der Fraktion der FDP vor, über die wir zu-rst abstimmen. Ich bitte um Aufmerksamkeit.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derDU/CSU auf Drucksache 15/673? – Wer stimmt dage-en? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist miten Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim-en von CDU/CSU und FDP abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derDP auf Drucksache 15/675? – Gegenstimmen? – Dernderungsantrag ist mit gleichem Stimmenverhältnisbgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derDP auf Drucksache 15/677? – Gegenstimmen? – Ent-altungen? – Der Änderungsantrag ist mit gleichemtimmenverhältnis abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derDP auf Drucksache 15/678? – Gegenstimmen? – Dernderungsantrag ist mit gleichem Stimmenverhältnisbgelehnt.
Metadaten/Kopzeile:
2840 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 34. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 19. März 2003
(C)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsWer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derFDP auf Drucksache 15/679? – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Der Änderungsantrag ist mit gleichemStimmenverhältnis abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derFDP auf Drucksache 15/681? – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Der Änderungsantrag ist mit gleichemStimmenverhältnis abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derFDP auf Drucksache 15/682? – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Der Änderungsantrag ist mit gleichemStimmenverhältnis abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derFDP auf Drucksache 15/684? – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Der Änderungsantrag ist mit gleichemStimmenverhältnis abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derFDP auf Drucksache 15/686? – Gegenstimmen? – DasFranziska Eichstädt-BohligOtto FrickeEs liegen drei Änderungsanträge der Fraktion derFDP vor. Mit Ihrem Einverständnis sollen alle Reden zuProtokoll gegeben werden. Gibt es Widerspruch? – Dasist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung über denEinzelplan 16 – Bundesministerium für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit – in der Ausschussfassung.Zunächst stimmen wir über die Änderungsanträge derFDP-Fraktion ab. Wer stimmt für den Änderungsantragauf Drucksache 15/687? – Gegenstimmen? – Enthaltun-gen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen derKoalitionsfraktionen bei Zustimmung der FDP-Fraktionund Enthaltung der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag aufDrucksache 15/688? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koaliti-onsfraktionen bei Zustimmung von CDU/CSU und FDPgleiche Ergebnis.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derFDP auf Drucksache 15/697? – Gegenstimmen? – Glei-ches Stimmenverhältnis.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über denEinzelplan 10 in der Ausschussfassung. Wer stimmt da-für? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerEinzelplan 10 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-nen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP ange-nommen.Ich rufe auf:Einzelplan 16Bundesministerium für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit– Drucksachen 15/564, 15/572 –Berichterstattung:Abgeordnete Elke FernerAlbrecht FeibelaDDtEsgSvot9(Dbgelehnt.Wer stimmt für den Änderungsantrag aufrucksache 15/689? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –er Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koali-ionsfraktionen bei Zustimmung der FDP-Fraktion undnthaltung der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt.Abstimmung über den Einzelplan 16 in der Aus-chussfassung: Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-en? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 16 ist mit dentimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmenon CDU/CSU und FDP angenommen.Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-rdnung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-ages auf morgen, Donnerstag, den 20. März 2003,Uhr, ein.Die Sitzung ist geschlossen.