Protokoll:
14223

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 223

  • date_rangeDatum: 13. März 2002

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:07 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Politik für den Mittelstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 22125 A Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 22125 B Dr. Hansjürgen Doss CDU/CSU . . . . . . . . . . 22126 A Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 22126 B Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22126 C Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 22126 D Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . 22127 A Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 22127 A Christian Lange (Backnang) SPD . . . . . . . . . 22127 C Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 22127 C Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 22128 A Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 22128 A Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22128 D Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 22128 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 22129 A Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 22129 B Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22130 B Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 22130 C Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . 22130 D Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 22131 A Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22131 C Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 22131 C Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 14/8460) . . . . . . . . . . . . . . . 22132 A Widerspruch des BMG gegen die restriktive Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Abgabe von Sondennahrung, zum Beispiel an Menschen mit apallischem Syndrom (Wachkoma) MdlAnfr 1 Dr. Ilja Seifert PDS Antw PStSekr’in Gudrun Schaich-Walch BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22132 A ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . 22132 B Forderungen hinsichtlich der restriktiven Ent- scheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Abgabe von Sonden- nahrung, zum Beispiel an Menschen mit apal- lischem Syndrom (Wachkoma) MdlAnfr 2 Dr. Ilja Seifert PDS Antw PStSekr’in Gudrun Schaich-Walch BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22132 D ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . 22133 A Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen für die Re- gion Oberfranken MdlAnfr 3 Hans Michelbach CDU/CSU Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW 22133 C ZusFr Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . 22133 D ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . 22134 B Zusagen an Frankreich über Leistungen für eine schnellere Realisierung der TGV-Verbin- dung über Straßburg/Kehl Plenarprotokoll 14/223 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 223. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. März 2002 I n h a l t : MdlAnfr 4 PeterWeiß (Emmendingen) CDU/CSU Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW 22134 C ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 22134 C Kosten für das Anmieten und für das Betreiben der beiden räumlich getrennten Messestände 129 sowie 202/203 auf der Fachmesse für Bildungs- und Informationstechnologie „Learntec“ im Februar 2002 in Karlsruhe MdlAnfr 5 Werner Lensing CDU/CSU Antw PStSekr Wolf-Michael Catenhusen BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22135 B ZusFr Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . 22135 B Kosten für das Anmieten und für das Betreiben eines gemeinsamen Messestandes auf der Fachmesse für Bildungs- und Informations- technologie „Learntec“ im Februar 2002 in Karlsruhe MdlAnfr 6 Werner Lensing CDU/CSU Antw PStSekr Wolf-Michael Catenhusen BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22135 D ZusFr Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . 22135 D Wettbewerbsverzerrung aufgrund der EU- Osterweiterung, Fördermaßnahmen für Ober- franken MdlAnfr 7 Hans Michelbach CDU/CSU Antw PStSekr’in Margareta Wolf BMWi . . . 22136 B ZusFr Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . 22136 C ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 22137 B ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . . . 22137 C ZusFr Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . 22138 A Änderung des „VW-Gesetzes“ MdlAnfr 8 Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ . . . . . . . 22138 B ZusFr Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU 22138 C Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gegen den falschen und den echten Mehltau im ökologi- schen und im gewerblichen Anbau von Sta- chel- und Johannisbeeren MdlAnfr 9 Peter Dreßen SPD Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 22139 B ZusFr Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 22139 C ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . 22140 A ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 22140 B Einspareffekte bei Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe MdlAnfr 32 Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 22140 D ZusFr Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU 22141 A ZusFr Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . 22141 C ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . 22142 A Beschäftigungsdauer der ehemaligen Chefin der GEBB sowie Höhe des Jahresgehalts und der Abfindung MdlAnfr 13, 14 Albrecht Feibel CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg 22142 B, C ZusFr Albrecht Feibel CDU/CSU . . . . . . . . . 22142 C ZusFr Werner Siemann CDU/CSU . . . . . . . . 22144 A ZusFr Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU 22144 B Belästigungen von Angehörigen der in Afgha- nistan eingesetzten Soldaten des „Kommandos Spezialkräfte“ der Bundeswehr MdlAnfr 15 Martin Hohmann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 22144 C ZusFr Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . 22144 D Aussagen des Jahresberichts 2001 des Beauf- tragten für Erziehung und Ausbildung beim Generalinspekteur der Bundeswehr zur Loya- lität der Soldaten MdlAnfr 18 Werner Siemann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 22145 A ZusFr Werner Siemann CDU/CSU . . . . . . . . 22145 B Einsatzfähigkeit des „Tornado“-Geschwaders der Marineflieger MdlAnfr 19 Werner Siemann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 22145 D ZusFr Werner Siemann CDU/CSU . . . . . . . . 22146 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. März 2002II Konsequenzen für die Entwicklungszusam- menarbeit unter anderem mit den Ländern Saudi-Arabien, Nordorea und Laos aufgrund des vom Missions- und Hilfswerk „Offene Grenzen“ veröffentlichten „Verfolgungsin- dex“ für Christen MdlAnfr 20 PeterWeiß (Emmendingen) CDU/CSU Antw StMin Dr. Christoph Zöpel AA . . . . . . 22146 C ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 22147 A Erörterung der Benes-Dekrete mit dem polni- schen Staatspräsidenten MdlAnfr 21 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw StMin Dr. Christoph Zöpel AA . . . . . . 22147 D ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 22148 A Erörterung der Situation der deutschen Min- derheit in Polen mit dem polnischen Staatsprä- sidenten MdlAnfr 22 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw StMin Dr. Christoph Zöpel AA . . . . . . 22148 D ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . 22149 A Stärkung der Stellung der Kommunen auf europäischer Ebene, insbesondere Garantie des kommunalen Selbstverwaltungsrechts im Europäischen Verfassungsvertrag MdlAnfr 23 Klaus Hofbauer CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 22149 C ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . . . 22149 D Übereinstimmung des Schutzes des kommu- nalen Selbstverwaltungsrechts im Europä- ischen Verfassungsvertrag mit Art. 28 GG MdlAnfr 24 Klaus Hofbauer CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 22150 B ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . . . 22150 C Identitätsfeststellung der Antragsteller im Asylverfahren MdlAnfr 25 Wolfgang Dehnel CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 22150 D ZusFr Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . 22151 A Erkennungsdienstliche Maßnahmen zur Iden- titätsfeststellung der Antragsteller im Asylver- fahren MdlAnfr 26 Wolfgang Dehnel CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 22151 D ZusFr Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . 22152 C Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. Milliardendefizit in der gesetzlichen Krankenversicherung 22152 D Dr. Sabine Bergmann-Pohl CDU/CSU . . . . . 22152 D Ulla Schmidt, Bundesministerin BMG . . . . . 22154 A Dr. Dieter Thomae FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 22155 D Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22156 D Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22158 A Dr. Martin Pfaff SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22159 C Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 22160 D Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22162 A Wolfgang Zöller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 22163 B Eike Maria Hovermann SPD . . . . . . . . . . . . 22164 C Dr. Wolf Bauer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 22166 A Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . . . 22167 A Gudrun Schaich-Walch, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22168 C Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 22170 A Regina Schmidt-Zadel SPD . . . . . . . . . . . . . 22171 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22172 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 22173 A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Diethard Schütze (Berlin) (CDU/CSU) zur namentlichen Ab- stimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der In- tegration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) und über den von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufent- halts und der Integration von Unionsbürgern Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. März 2002 III und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) (Druck- sachen 14/7987, 14/8046, Drucksache 14/7387 und Drucksache 14/8395) – 222. Sitzung . . . . 22173 D Anlage 3 Umwandlung der Bundeswehr in eine Berufs- armee MdlAnfr 10 Benno Zierer CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 22173 D Anlage 4 Unterrichtung des Deutschen Bundestages über den Einsatz deutscher Soldaten im Aus- land, insbesondere über den Einsatz zur Terro- rismusbekämpfung MdlAnfr 11, 12 Jürgen Koppelin FDP Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 22174 A Anlage 5 Beseitigung eventueller Mängel der Kälte- schutzausrüstung der Bundeswehrsoldaten; Ein- setzung von Stäben und Arbeitsgruppen zur Überarbeitung der Bundeswehrreform MdlAnfr 16, 17 Günther Friedrich Nolting FDP Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 22174 B Anlage 6 Höhe der betrieblichen Umstellungskosten durch die Angabe der Steuernummer auf Rech- nungen; Angabe der Umsatzsteuer-Identifika- tionsnummer bereits ab 1. Juli 2002 MdlAnfr 27, 28 Heinz Seiffert CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 22174 C Anlage 7 Auswirkungen der Angabe der Steuernummer auf Rechnungen auf die Erteilung von telefoni- schen Auskünften durch Finanzämter; Iden- titätsangaben des Steuerpflichtigen MdlAnfr 29, 30 Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 22174 D Anlage 8 Kriterien für die Restrukturierung der Bundes- anstalt für Arbeit MdlAnfr 31 Benno Zierer CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 22175 A Anlage 9 Leistungskürzungen bei der Arbeitslosenversi- cherung; Zusammenlegung von Arbeitslosen- hilfe und Sozialhilfe MdlAnfr 33, 34 Johannes Singhammer CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 22175 C Anlage 10 Vorschläge des designierten Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit bezüglich Meldung der Arbeitslosen bei den Vermittlungsstellen sowie teilweise Abschaffung der Arbeitsbe- schaffungsmaßnahmen MdlAnfr 35, 36 Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 22176 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. März 2002IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. März 2002
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. März 2002 Regina Schmidt-Zadel 22172 (C)(A) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. März 2002 22173 (C) (D) (A) (B) Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 13.03.2002 Gila DIE GRÜNEN Beck (Köln), BÜNDNIS 90/ 13.03.2002 Volker DIE GRÜNEN Berninger, Matthias BÜNDNIS 90/ 13.03.2002 DIE GRÜNEN Bierstedt, Wolfgang PDS 13.03.2002 Bodewig, Kurt SPD 13.03.2002 Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ 13.03.2002 DIE GRÜNEN Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 13.03.2002 DIE GRÜNEN Dr. Fink, Heinrich PDS 13.03.2002 Dr. Friedrich CDU/CSU 13.03.2002 (Erlangen), Gerhard Friedrich (Altenburg), SPD 13.03.2002 Peter Fuchs (Köln), Anke SPD 13.03.2002 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 13.03.2002 Gloser, Günter SPD 13.03.2002 Haack (Extertal), SPD 13.03.2002 Karl-Hermann Hartnagel, Anke SPD 13.03.2002 Holetschek, Klaus CDU/CSU 13.03.2002 Irmer, Ulrich FDP 13.03.2002 Dr. Krogmann, Martina CDU/CSU 13.03.2002 Merten, Ulrike SPD 13.03.2002 Mosdorf, Siegmar SPD 13.03.2002 Ostrowski, Christine PDS 13.03.2002 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 13.03.2002 Scheel, Christine BÜNDNIS 90/ 13.03.2002 DIE GRÜNEN Schily, Otto SPD 13.03.2002 Schlee, Dietmar CDU/CSU 13.03.2002 Schmidt (Hitzhofen), BÜNDNIS 90/ 13.03.2002 Albert DIE GRÜNEN Dr. Schubert, Mathias SPD 13.03.2002 Schuhmann (Delitzsch), SPD 13.03.2002 Richard Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 13.03.2002 Christian Seehofer, Horst CDU/CSU 13.03.2002 Dr. Stadler, Max FDP 13.03.2002 Strebl, Matthäus CDU/CSU 13.03.2002 Dr. von Weizsäcker, SPD 13.03.2002 Ernst Ulrich Welt, Jochen SPD 13.03.2002 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 13.03.2002 Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 13.03.2002* * für die Teilnahme an den Sitzungen des Europarates Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Diethard Schütze (Berlin) (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Be- grenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unions- bürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) und über den von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwan- derungsgesetz) (Drucksachen 14/7987, 14/8046, Drucksache 14/7387 und Drucksache 14/8395) (222. Sitzung) In der Liste der Ergebnisse ist mein Votum mit „Nein“ angegeben. Ich erkläre, dass ich an der Abstimmung nicht teilgenommen habe. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage des Abgeordneten Benno Zierer (CDU/CSU) (Druck- sache 14/8460, Frage 10): entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Treffen Pressemeldungen („WELT am SONNTAG“ vom 24. Februar 2002) zu, wonach die Bundesregierung unter Haus- haltsgesichtspunkten an eine Umwandlung der Bundeswehr in eine Berufsarmee denkt? Die Pressemitteilungen, wonach die Bundesregierung unter Haushaltsgesichtspunkten an eine Umwandlung der Bundeswehr in eine Berufsarmee denkt, treffen nicht zu. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Jürgen Koppelin (FDP) (Drucksache 14/8460, Fragen 11 und 12): Aus welchen Gründen ist die Bundesregierung nicht bereit, über den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland und insbesondere über den Einsatz zur Terrorismusbekämpfung dem Deutschen Bundestag ausreichend Auskunft zu geben? Wann hat die Bundesregierung die Vorsitzenden der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen zuletzt über den Einsatz der deutschen Soldaten im Ausland mündlich infor- miert? Zu Frage 11: Die Bundesregierung hat regelmäßig, zum Beispiel in den zuständigen Ausschüssen, über die aktuelle Lage in den Einsatzgebieten unterrichtet. Um den Erfolg laufender Operationen und das Leben der eingesetzten Soldaten nicht zu gefährden, sind Details zu Einsätzen von Truppenteilen im Rahmen laufender Operationen zur Bekämpfung des internationalen Terro- rismus vertraulich bzw. unterliegen der Geheimhaltung. Zu Frage 12: Die Bundesregierung hat letztmalig am 11. März 2002 die Partei- und Fraktionsvorsitzenden und am 8. März 2002 die Obleute des Verteidigungsausschusses sowie des Auswärtigen Ausschusses unterrichtet. Anlage 5 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting (FDP) (Drucksache 14/8460, Fragen 16 und 17): Kann die Bundesregierung es zweifelsfrei ausschließen, dass die Kälteschutzausrüstung der an dem Übersetzmanöver in der Ostsee vom 6. März 2002 beteiligten deutschen Soldaten gerin- gere Schutzwirkung gegen Unterkühlung aufweist als diejenige der am Übersetzen ebenso beteiligten britischen Soldaten, und welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, eventuelle Mängel an der Schutzausrüstung abzustellen? Hat die Bundesregierung Stäbe und Arbeitsgruppen eingerich- tet, die sich mit einer Überarbeitung der laufenden Bundeswehr- reform beschäftigen, und wenn ja, aus welchem Grund erfolgte diese Einrichtung? Zu Frage 16: Die Schutzbekleidung sowie die persönliche Ausrüs- tung der Soldaten der deutschen Marine orientiert sich an den zu erfüllenden Aufgaben und den gesetzlichen Vorga- ben, insbesondere für die Notfallvorsorge. Die Ausstat- tung der Soldaten richtet sich ebenfalls daran aus. Es gibt keinen Nachweis, dass die deutsche Schutzbekleidung der britischen Schutzbekleidung gegenüber nicht vergleich- bar ist. Zu Frage 17: Es sind keine Stäbe und Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich mit einer Überarbeitung der laufenden Bundes- wehrreform beschäftigen. Anlage 6 Anwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des Abgordneten Heinz Seiffert (CDU/CSU) (Drucksache 14/8460, Fragen 27 und 28): In welcher Höhe beziffert die Bundesregierung die betrieb-lichen Umstellungskosten für die ab 1. Juli 2002 verpflichtendeAngabe der Steuernummer auf den Rechnungen? Ist es in Anbetracht der Umsetzung der Änderungen zur 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, welche ab 1. Januar 2004 die Angabeder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf Rechnungen zwin-gend vorschreibt, nicht sinnvoll, bereits ab 1. Juli 2002 statt derAngabe der Steuernummer die Angabe der Umsatzsteuer-Identifi-kationsnummer vorzuschreiben? Zu Frage 27: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Höhe der durch die Neuregelung verursachten betrieb- lichen Umstellungskosten vor. Es dürfte allenfalls mit ge- ringfügigen einmaligen Umstellungskosten für die Rech- nungsformulare bzw. -vordrucke zu rechnen sein. Dabei handelt es sich um Kosten des laufenden Geschäftsbetrie- bes, die beim Unternehmer regelmäßig anfallen und die nicht näher beziffert werden können bzw. über die statis- tische Angaben nicht gemacht werden können. Zu Frage 28: Die geänderte 6. EG-Richtlinie schreibt nicht zwin- gend vor, dass ab dem 1. Januar 2004 ausschließlich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf Rechnungen anzugeben ist. Den Mitgliedstaaten ist es vielmehr gestat- tet, statt der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer die An- gabe der Steuernummer zu verlangen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des Abgeordneten Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) (CDU/CSU) (Drucksache 14/8460, Fragen 29 und 30): Sieht die Bundesregierung die vertrauensvolle Zusammenar-beit zwischen den Finanzämtern und Unternehmen bzw. derenSteuerberatern dadurch gefährdet, dass ab 1. Juli 2002 die Steuer-nummer zwingend auf Rechnungen anzugeben ist und deshalb Fi-nanzämter unter bloßer Angabe der Steuernummer keine telefoni-schen Auskünfte mehr erteilen? Welche Angaben hat der Steuerpflichtige oder dessen Steuer-berater über seine Identität zu machen, um vom Finanzamt tele-fonisch Auskünfte zu erhalten? Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. März 200222174 (C) (D) (A) (B) Zu Frage 29: Die Bundesregierung sieht durch die Pflicht zur An- gabe der Steuernummer auf Rechnungen die vertrauens- volle Zusammenarbeit zwischen den Finanzämtern und Unternehmen bzw. deren Steuerberatern nicht gefährdet. Auch bisher genügte die bloße Angabe der Steuernummer nicht, um vom Finanzamt telefonische Auskünfte zu er- halten. Die Kenntnis der Steuernummer stellte bisher le- diglich ein Indiz für die Identität des Anrufers dar, allei- nige Legitimationswirkung kam ihr nicht zu. Hieran hat sich nichts geändert. Zu Frage 30: Die Beschäftigten der Finanzverwaltung sind ver- pflichtet, sich vor der Erteilung von Auskünften von der Berechtigung des Anfragenden zu überzeugen. Dies gilt auch für telefonische Anfragen. Da es hier um die Wah- rung des Steuergeheimnisses geht, sind an diese Prüfung hohe Anforderungen zu stellen. Anhaltspunkt einer be- rechtigten Auskunftserteilung kann neben Detailkenntnis- sen aus dem Steuervorgang auch die Kenntnis der Steuer- nummer sein. Persönliche Kenntnis des Steuerpflichtigen oder seines Bevollmächtigten bzw. gegebenenfalls ein Rückruf können Gewissheit verschaffen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Frage des Abgeordneten Benno Zierer (CDU/CSU) (Drucksache 14/8460, Frage 31): Nach welchen Kriterien soll die Restrukturierung der Bundes-anstalt für Arbeit geschehen, und auf welche Weise sollen in dieArbeitsvermittlung private Elemente eingebaut werden, ohne dasses zwischen öffentlichen und privaten Arbeitsebenen zu Reibun-gen und Zielkonflikten kommt? Die Frage der Neuorganisation der Bundesanstalt für Arbeit ist Gegenstand der Erörterung in der von der Bun- desregierung nach dem „Zweistufenplan für kunden- und wettbewerbsorientierte Dienstleistungen am Arbeits- markt“ eingerichteten Kommission „Moderne Dienstleis- tungen am Arbeitsmarkt“, deren Ergebnisse abzuwarten bleiben. Die Kommission trat am 6. März 2002 zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen und soll ihre Arbei- ten vor Ende der Legislaturperiode abschließen. Der durch das Job-AQTIV-Gesetz eingeführte § 37 a SGB III ermöglicht es dem Arbeitsamt, zur Erleichterung und Beschleunigung seiner Vermittlungsarbeit und zu sei- ner Entlastung Dritte mit der Vermittlung oder mit vermitt- lerischen Teilaufgaben zu beauftragen. Das Arbeitsamt kann damit zur Durchführung seiner Aufgabe Kenntnisse und Fähigkeiten Dritter nutzen, die ihm nicht oder nicht in dem Maße zur Verfügung stehen. § 37 Abs. 2 SGB III nimmt darüber hinaus das Arbeitsamt in die Pflicht, bei Arbeitslosen, deren berufliche Eingliederung voraus- sichtlich erschwert ist oder die nicht innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der Arbeitslosigkeit wieder eine Beschäftigung aufgenommen haben, zu prüfen, ob durch Beauftragung eines Dritten die berufliche Eingliederung erleichtert werden kann. Darüber hinaus können Arbeits- lose nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit vom Arbeits- amt verlangen, dass ein Dritter eingeschaltet wird. Damit wird die Bedeutung verstärkter Zusammenarbeit zwi- schen Arbeitsamt und privaten Dienstleistern zu dem für beide Partner gemeinsamen Ziel unterstrichen, Arbeits- lose in Arbeit zu verhelfen. Diese Zusammenarbeit auf der Basis von Verträgen wird Zielkonflikte und Reibungsver- luste vermeiden helfen. Die Streichung der Erlaubnispflicht, der Fortfall des Verbotes, auch von Arbeitnehmern Vergütungen entge- genzunehmen, sowie die Ausgabe von Vermittlungsgut- scheinen durch die Arbeitsämter an Arbeitslose, die kurz- fristig mit einer Änderung des SGB III umgesetzt werden sollen, werden private Vermittler noch stärker in die Ver- mittlung von Arbeitslosen einbeziehen. Damit wird der Wettbewerb zwischen öffentlicher und privater Vermitt- lung zugunsten der Arbeitslosen gestärkt. Ich kann darin nicht die von Ihnen befürchteten Gefahren erkennen. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen des Abgeordneten Johannes Singhammer (CDU/CSU) (Drucksache 14/8460, Fragen 33 und 34): Wie bewertet die Bundesregierung die Vorschläge des desi-gnierten Nachfolgers im Amt des Präsidenten der Bundesanstaltfür Arbeit, Florian Gerster, zu Leistungskürzungen bei der Ar-beitslosenversicherung? Treffen Meldungen zu, wonach die Bundesregierung beab-sichtigt, die Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe zusammenzule-gen und sich das Niveau der Unterstützung künftig eher am Ni-veau der Sozialhilfe als an dem der Arbeitslosenhilfe orientiertensoll? Zu Frage 33: Die Bundesregierung hat mit dem Job-Aqtiv-Gesetz den ersten Schritt unternommen, um die Bundesanstalt für Ar- beit zu einem modernen Dienstleister zu machen. Sie hat in einem zweiten Schritt die Kommission „Moderne Dienst- leistungen am Arbeitsmarkt“, die am 6. März 2002 zum ers- ten Mal getagt hat, eingerichtet, um prüfen zu lassen, wie das Arbeitsförderungsrecht weiter verändert werden muss, um die Bundesanstalt für Arbeit zu einem kunden- und wettbewerbsorientierten Unternehmen umzugestalten. Die Kommission wird ihre Ergebnisse noch in dieser Legisla- turperiode vorlegen. Die Bundesregierung wird sich an- hand dieser Ergebnisse eine umfassende Meinung bilden. Um den Meinungsbildungsprozess innerhalb der Kom- mission nicht zu behindern, beabsichtigt die Bundesre- gierung bis dahin nicht, sich zu den Vorschlägen einzelner Beteiligter zu äußern. Zu Frage 34: Die Bundesregierung beabsichtigt in der nächsten Le- gislaturperiode, die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe für die erwerbsfähigen Sozialhilfebezieher zusammenzu- führen. Übergreifendes Ziel der Reform von Arbeitslo- senhilfe und Sozialhilfe ist es, Langzeitarbeitslosigkeit durch Vermittlung in dauerhafte Beschäftigung zu über- winden. Die Entscheidung, ob sich dieses Hauptziel einer Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. März 2002 22175 (C) (D) (A) (B) Reform besser durch eine Harmonisierung und Optimie- rung der beiden Leistungssysteme oder durch deren Ver- schmelzung erreichen lässt, ist in dem laufenden umfang- reichen Diskussionsprozess zu treffen. Im Rahmen dieses Diskussionsprozesses sind eine Vielzahl von finanzpoliti- schen, sozialpolitischen, verfassungsrechtlichen und or- ganisatorischen Problemen zu lösen. Dabei wird auch über die konkrete zukünftige Ausgestaltung der Leistun- gen zu entscheiden sein. Anlage 10 Anwort des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen des Abgordneten Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU) (Druck- sache 14/8460, Fragen 35 und 36): Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zu den Vor-schlägen des designierten Präsidenten der Bundesanstalt für Ar-beit, Florian Gerster, Sanktionen für Erwerbslose vorzusehen,wenn sie sich nicht früh genug bei den Arbeitsvermittlungsstellenmelden (vergleiche „DER TAGESSPIEGEL“ vom 3. März2002)? Beabsichtigt die Bundesregierung, im Bereich der so genann-ten alten Bundesländer künftig auf das Instrument der Arbeitsbe-schaffungsmaßnahmen weitgehend zu verzichten, diese Maßnah-men in den so genannten alten Bundesländern aber beizubehalten? Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit nicht, ent- sprechende gesetzliche Änderungen vorzunehmen. Be- reits mit dem Job-Aqtiv-Gesetz hat die Bundesregierung den ersten Schritt unternommen, um die Bundesanstalt für Arbeit zu einem modernen Dienstleister zu machen und den Förderbereich der öffentlich geförderten Beschäfti- gung zu modernisieren. Sie hat in einem zweiten Schritt die Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeits- markt“, die am 6. März 2002 zum ersten Mal getagt hat, eingerichtet, um prüfen zu lassen, wie das Arbeitsförde- rungsrecht weiter verändert werden muss, um die Bundes- anstalt für Arbeit zu einem kunden- und wettbewerbsorien- tierten Unternehmen umzugestalten. Die Kommission wird ihre Ergebnisse noch in dieser Legislaturperiode vorlegen. Die Bundesregierung wird sich anhand dieser Ergebnisse eine umfassende Meinung bilden. Um den Meinungsbil- dungsprozess innerhalb der Kommission nicht zu behin- dern, beabsichtigt die Bundesregierung bis dahin nicht, sich zu den Vorschlägen einzelner Beteiligter zu äußern. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 223. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. März 200222176 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422300000
Schönen
guten Tag! Die Sitzung ist eröffnet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Politik für den Mittelstand –
Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie,
Dr. Werner Müller.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Ich dachte, er sei ohne Geschäftsbereich!)


Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Gestatten Sie mir, dass ich auf das heute im Ka-
binett Besprochene kurz eingehe. Das Kabinett hat den
Mittelstandsbericht meines Hauses mit Zustimmung zur
Kenntnis genommen. In diesem habe ich einleitend darauf
hingewiesen, dass mein Haus am letzten Freitag, dem
8. März, eine große Mittelstandstagung im Wirtschafts-
ministerium veranstaltet hat. Fast 300 Vertreterinnen und
Vertreter mittelständischer Unternehmen waren anwe-
send. Obwohl auch Vertreter der Parteien, die dem Bun-
destag angehören, eingeladen waren, konnte ich auf die-
ser Tagung keine Vertreter der Opposition als Gäste
entdecken.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich habe keine Einladung erhalten!)


– Meines Wissens waren Sie eingeladen. – Deshalb will
ich Ihnen das Fazit der Tagung mitteilen: Bezogen auf die
Geschäftsentwicklungen blickt der Mittelstand bereits für
dieses Jahr durchaus mit Zuversicht und Optimismus in
die Zukunft.

Der Mittelstandsbericht der Bundesregierung beschäf-
tigt sich in diversen Kapiteln mit dem, was für den Mit-
telstand notwendig ist. Es wird darauf hingewiesen, dass
die Steuerreform den Mittelstand in den Jahren 1998 bis

2005 in einer Größenordnung von 17Milliarden Euro ent-
lastet und dass die Steuerreform, wie es auch im Jahres-
gutachten des Sachverständigenrates dargelegt wird, in
keiner Weise mittelstandsfeindlich ist.

In dem nächsten wichtigen Kapitel geht es um die
Finanzierung des Mittelstandes. Die Bundesregierung
wird die DtA und die KfW unverändert zur Mittelstands-
finanzierung einsetzen und das Fördervolumen in der bis-
herigen Größenordnung aufrechterhalten. Basel II wird
als ein aufgrund der Globalisierung der Bankenwelt not-
wendiger Prozess dargestellt. Dieser darf aber nicht dazu
führen, dass sich die durchschnittlichen Finanzierungsbe-
dingungen für den Mittelstand in Zukunft verschlechtern.

In einem weiteren Kapitel wird die Beseitigung des
Fachkräftemangels behandelt. Wir verweisen auf drei be-
sondere Notwendigkeiten:

Erstens. Die Ausbildung im Lande muss weiter ausge-
baut werden. Ausbildungsordnungen müssen à jour ge-
halten, also permanent reformiert werden.

Zweitens. Die besonderen Potenziale im Lande sind zu
erschließen. Es gab noch nie eine so gut ausgebildete
Frauengeneration. Die Potenziale dort zu wecken heißt
aber, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Re-
formen vorwärts zu bringen.

Drittens. Um den Fachkräftemangel nicht nachteilig
für den Mittelstand werden zu lassen, brauchen wir drin-
gend das Zuwanderungsgesetz.

Ein weiteres Kapitel ist dem Thema Technologie unter
zwei besonderen Gesichtspunkten gewidmet. Einerseits
muss der Mittelstand – das ist nicht ganz einfach – den
Fortschritt der Informations- und Kommunikationstech-
nologie mitmachen und diese auch anwenden. Dazu un-
terhalten wir unter anderem 24 Kompetenzzentren für
E-Commerce und drei besondere, bundesweit agierende
Kompetenzzentren, zum Beispiel für den Tourismus.

Andererseits muss der Mittelstand, unabhängig von
diesem Aspekt der Technologieanwendung, techno-
logisch moderner werden. Das heißt, wir müssen die
öffentlichen Forschungseinrichtungen und den Mittel-
stand sowie die Industrieforschung des Mittelstandes

22125


(C)



(D)



(A)



(B)


223. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 13. März 2002

Beginn: 13.00 Uhr

untereinander vernetzen. Auch dafür haben wir Mittel in
der Größenordnung von fast 1 Milliarde DM in diesem
Jahr bereitgestellt.

Die außenwirtschaftliche Betätigung des Mittelstandes
muss vorangebracht werden. Auch der Mittelstand muss
sich in die Globalisierung integrieren. Das Außenwirt-
schaftsinstrumentarium des Ministeriums muss noch mit-
telstandsfreundlicher werden.

Das sind die wesentlichen Kapitel des Mittelstands-
berichtes.

Ich darf abschließend sagen: Bei Besprechungen mit
den Industrie- und Handelskammern sowie den Hand-
werkskammern wird bekräftigt, dass die Stimmung im
Mittelstand wieder besser wird. Bei Gesprächen vor Ort
wird das bestätigt, was beispielsweise der Ifo-Geschäfts-
klimaindex zum vierten Mal hintereinander ergeben hat,
nämlich dass die wirtschaftlichen Perspektiven in diesem
Lande wieder gut sind.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422300100
Ich danke
Ihnen, Herr Bundesminister.

Mir liegen eine Reihe von Fragen vor. Zunächst hat der
Kollege Hansjürgen Doss, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Dr. Hansjürgen Doss (CDU):
Rede ID: ID1422300200
Herr Bundesmi-
nister, der Sparkassen- und Giroverband beschreibt in sei-
ner „Diagnose Mittelstand“ die Lage des Mittelstandes
wie folgt: Die Ertragslage ist unzureichend. Die
Eigenkapitalausstattung ist besorgniserregend. Unterneh-
merische Tätigkeit wird immer unrentabler. Die Lage ist
düster. Der Investitionstrend zeigt nach unten. Die
Perspektiven für 2002 lauten: weniger Unternehmen und
noch weniger Arbeitsplätze.

Die Frage ist: Was rechtfertigt Ihren Optimismus? Sie
schreiben: Wir senken Steuern und Abgaben. Wir sichern
die Finanzierung des Mittelstandes. Wir schaffen ein bes-
seres Klima für mehr Selbstständigkeit. Wir bauen Büro-
kratie ab. – Hier gibt es offensichtlich einen Dissens. Wie
erklären Sie ihn?

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Das müssen Sie den Sparkassen- und
Giroverband fragen. Ich weiß nicht, ob er seine spezielle
Kundschaft befragt hat oder wie die Bundesregierung
einen breiten Querschnitt des Mittelstandes zugrunde ge-
legt hat.


Dr. Hansjürgen Doss (CDU):
Rede ID: ID1422300300
Herr Präsident,
Sie erlauben, dass ich noch einmal nachfrage.

Ich denke, Sie machen sich das ziemlich einfach.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Kommentierung oder Frage?)

– Sie schreien sehr schön. – Sie haben sich in Ihren Fest-
stellungen auf die Aussagen der Industrie- und Handels-
kammern sowie der Handwerkskammern bezogen. Neh-
men Sie selektiv nur das zur Kenntnis, was Ihnen passt?

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Herr Doss, ich will Ihnen gerne ein Ge-
genbeispiel nennen. Es ist üblich, dass Bankinstitute ihre
Klientel befragen. Ich habe Ihnen nicht die Umfrage der
KfW bei den von der KfW kreditierten Unternehmen zi-
tiert. Diese Unternehmen haben im November des letzten
Jahres angegeben, dass sie gute bis sehr gute Geschäfts-
aussichten haben. Im Mittel wollen alle von der KfW kre-
ditierten Unternehmen im Jahre 2002 9 Prozent mehr Per-
sonal einstellen.

Das ist, wie gesagt, eine ausschnittsweise Betrachtung,
die bei der KfW-Klientel besonders gut ist. Das Ergebnis
der Untersuchung des Sparkassen- und Giroverbandes bei
seiner Klientel ist offensichtlich anders. Das kann aber
durchaus so sein. Ich weiß aber nicht, ob der Bericht über-
haupt richtig zitiert ist. Ich stehe mit dem Verband in stän-
digem Kontakt. Heute Abend werde ich dort eine Tagung
eröffnen.


(Dr. Hansjürgen Doss [CDU/CSU]: Sie stellen also mein Zitat infrage!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422300400
Der nächste
Fragesteller ist der Kollege Rainer Wend, SPD-Fraktion.


Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1422300500
Herr Bundesminister
Müller, mir wird immer wieder mitgeteilt, dass die Finan-
zierung von Existenzgründungen und des Mittelstandes
zunehmend problematisch werde, insbesondere die
großen Privatbanken sich aus diesem Finanzierungsge-
schäft zurückzögen.

Meine Frage an Sie ist: Teilt die Bundesregierung diese
Bewertung? Wenn ja, welche Möglichkeiten sehen Sie Ih-
rerseits, die Finanzierung von Existenzgründungen und
des Mittelstandes zu verbessern?

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Die Klage, die Sie aus dem Mittelstand
schildern, bezieht sich auf einen Umstand, der der Bun-
desregierung seitens der mittelständischen Wirtschaft,
insbesondere seitens potenzieller Existenzgründer, sehr
wohl bekannt gemacht worden ist. Das Bundeswirt-
schaftsministerium hat sich mit allen am Kapitalmarkt
tätigen Institutionen zusammengesetzt und mit ihnen eine
gemeinsame Erklärung erarbeitet, die auch von dem Bun-
desverband der Privatbanken mit unterschrieben wurde.
Danach ist die Finanzierung des Mittelstandes die vorran-
gige Aufgabe der am Kapitalmarkt Tätigen. Die Bundes-
regierung wird den Bankensektor an dieser Selbstver-
pflichtung messen.

Ich verhehle nicht, dass die Selbstverpflichtung, die
der Bankensektor eingegangen ist, aus unserer Sicht noch
nicht zu befriedigenden Zuständen geführt hat. Wir erle-
ben, dass insbesondere Gründerdarlehen nur unter er-
schwerten Bedingungen gegeben und Antragsteller einer
relativ langen Risikoprüfung unterzogen werden. Wir
überlegen zusammen mit DtAund KfW, wie wir die Mitt-
lerfunktion des Bankensektors so verbessern können, dass
die von der Bundesregierung den Banken des Bundes be-
reitgestellten Gelder wirklich zur Gründung von Existen-
zen verwendet werden.




Bundesminister Dr. Werner Müller
22126


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422300600
Nächster
Fragesteller ist der Kollege Heinrich Kolb, FDP.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1422300700
Herr Minister, ich wun-
dere mich ebenfalls über Ihre wiederholte und so un-
eingeschränkt positive Darstellung der Geschäftserwar-
tungen im Bereich des Mittelstandes. Meine eigenen
Erfahrungen aus fast täglichen Gesprächen mit Mittel-
ständlern sind andere. Vielleicht liegt ein Unterschied
darin, ob man mit Verbandsfunktionären oder mit den Un-
ternehmern selbst spricht. Meine Bitte vorab wäre: Viel-
leicht können Sie bei der Beantwortung der Frage sagen,
was Sie als Wirtschaftsminister unter dem Begriff „Mit-
telstand“ verstehen. Es gibt ja sehr unterschiedliche Auf-
fassungen. Vielleicht erklärt das auch die unterschiedli-
chen Erwartungen, die jeweils beschrieben werden.

Meine Frage ist: Wir hatten im letzten Jahr 33 000 Kon-
kurse und damit einen dramatischen Anstieg der Zahl der
Konkurse. Die Perspektive für dieses Jahr ist leider, dass
diese Zahl noch weiter ansteigt. Teilen Sie diese Ein-
schätzung? Was will die Bundesregierung gegebenenfalls
unternehmen, um diesen Trend zu stoppen?

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Dass die Zahl der Insolvenzen ansteigt,
ist ein Umstand, der seit 1992 belegt ist. Wir haben eine
permanent steigende Zahl – auch prozentual betrachtet –
der Insolvenzen. Die einzige Ausnahme bei diesem lang-
fristigen Trend war das Jahr 1999.

Sie müssen die Zahl der Insolvenzen vor dem Hinter-
grund der Liquidationen in toto sehen. Seitdem diese Bun-
desregierung regiert, ist die Zahl der Unternehmensliqui-
dationen permanent zurückgegangen, und zwar von über
500 000 auf 460 000 im letzten Jahr. Warum gerade im
letzten Jahr die Zahl der Insolvenzen angewachsen ist, er-
klärt sich durch die von Ihnen begonnene Reform des In-
solvenzrechts, die wir fortgesetzt haben. Wie Sie wissen,
kann sich das Kleingewerbe durch Insolvenzantrag von
Restschulden entlasten. Davon ist im letzten Jahr erstmals
und deutlich Gebrauch gemacht worden. Die Zahl der In-
solvenzen im Kleingewerbe ist in einer Größenordnung
von 40 Prozent gestiegen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422300800
Zusatz-
frage?


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1422300900
Herr Minister, verstehe
ich Sie richtig, dass es nach Ihrer Auffassung im deut-
schen Mittelstand kein Insolvenzproblem gibt?

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Wenn Sie zugehört haben, müssen Sie
zugeben, dass ich das nicht gesagt habe. Ich habe gesagt,
dass das Kleingewerbe – ich betone: das Kleingewerbe –
vom neuen Insolvenzrecht Gebrauch macht und insofern
deutlich häufiger Insolvenzanträge gestellt hat, als das
früher, als die Möglichkeit der Restschuldbefreiung nicht
gegeben war, üblich war.

Im Übrigen – ich habe es schon einmal gesagt –: Be-
trachten Sie das Ganze vor dem Hintergrund der großen

Zahl der Liquidationen, die permanent zurückgegangen
ist. Der Saldo von Unternehmensgründungen und Liqui-
dationen liegt unverändert bei 75 000; dies gilt auch für
das letzte Jahr. Im letzten Jahr waren per saldo in Deutsch-
land 75 000 Unternehmen mehr vorhanden.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422301000
Nächster
Fragesteller ist der Kollege Christian Lange, SPD.


Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1422301100
Herr Minister,
Sie haben den Fachkräftemangel angesprochen, der auch
meiner Erfahrung nach in der Tat ein großes Problem dar-
stellt. Ich will es mit einer Frage zur Betriebsnachfolge
kombinieren. Die Bundesregierung hat erstmals die
Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bil-
dung durch die Verbesserung im Bereich des Meister-
BAföG erreicht. Welche Erwartungen verknüpfen Sie
damit insbesondere im Hinblick auf die Frage der Be-
triebsnachfolge? Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit
der Neuordnung der Berufsbilder und meinen Sie, dass da-
durch ein wesentlicher Abbau der Zahl der 300000 Be-
triebe, für die ein Nachfolger gesucht wird, erreicht wer-
den kann?

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Lassen Sie mich zunächst einmal Zah-
len nennen: Es gibt in Deutschland alles in allem 3,3 Mil-
lionen Betriebe, davon der weit überwiegende Anteil mit
Betriebsgrößen von unter 100 Beschäftigten, Herr Kolb.
Das ist der eigentliche Mittelstand. Fast 1 Million der
3,3 Millionen Betriebe werden in den nächsten zehn Jah-
ren einen Nachfolger brauchen. Dabei handelt es sich also
um ein immenses Problem. Schon heute ist es eine Tatsa-
che, dass wir Arbeitsplätze in einer Größenordnung von
50 000 dadurch verlieren, dass in einer beachtlichen Zahl
von Unternehmen, denen die Nachfolgeregelung nicht ge-
lingt, der Betrieb geschlossen wird. Deswegen – auch das
können Sie im Mittelstandsbericht nachlesen – haben wir
die Kampagne „Nexxt“ gestartet, die letztlich nur dann er-
folgreich sein kann, wenn auch genügend Leute zur Un-
ternehmensnachfolge bereitstehen und die Erbschaftsteuer
mittelstandsfreundlich und nicht – wie Sie das wollen – so
wie bei den Kapitalgesellschaften gestaltet wird. Vielmehr
sollte der Mittelstand seine Rechte behalten. Deswegen
müssen wir darauf achten, dass es genügend Gründer gibt.
Daher ist eine flexible Anwendung der Handwerksord-
nung erforderlich, für die Sie, Herr Lange, und ich uns
eingesetzt haben.

Was noch zu Klagen Anlass gibt: Wir müssen uns
bemühen, über das Meister-BAföG für diejenigen, die
sich nach Erhalt des Meisterbriefes selbstständig machen
wollen, neue Dynamik zu bringen und angemessene
Gründungshilfen gewähren.

Ob das Maßnahmenbündel schon ausreicht, ist abzu-
warten. Aber die Problematik ist erkannt und aus meiner
Sicht mit zufrieden stellenden Maßnahmen aufgegriffen
worden.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422301200
Zur nächs-
ten Frage hat der Kollege Hans Michelbach von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.






(C)



(D)



(A)



(B)



Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1422301300
Herr Minister
Dr. Müller, was sagen Sie zu einer aktuellen Umfrage un-
ter 3 000 Mittelstandsunternehmen, die besagt, dass 44 Pro-
zent der Einzelhandelsunternehmen einen Umsatzrück-
gang aufweisen? 49 Prozent der Baufirmen klagen über die
sinkende Zahl der Auftragseingänge, 76 Prozent im Woh-
nungsbau über ein geringeres Bauvolumen. 34 Prozent der
Industrieunternehmen wollen Personal abbauen und nur
noch 32 Prozent melden ausgelastete Anlagen.
50 Prozent der Großhandelsfirmen verzeichnen ein Um-
satzminus und 37 Prozent der unternehmensnahen
Dienstleister sind von Einbußen betroffen. Gibt es bei die-
sen eindeutigen, negativen Zahlen Anlass zur Gesund-
beterei?

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Das Wort „Gesundbeterei“ weise ich
ausdrücklich zurück. Ich bitte Sie, die Statistiken so zu be-
werten, wie man das erwarten kann. Wenn Sie von Umsatz-
einbußen im Großhandel reden, müssen Sie Folgendes
berücksichtigen. Wenn die Einfuhrpreise um 5 Prozent
sinken, dann ergibt sich bei konstantem Volumen schon
deswegen eine Umsatzeinbuße.

Dass sich in der Bauwirtschaft die Auftragslage nicht
rosig darstellt, ist mir bekannt. Das ist auf die viel zu lange
öffentliche Subventionierung des gesamten Bausektors
zurückzuführen, der sich in Ost- und Westdeutschland
jetzt gesundkonsolidiert. Dort gibt es übrigens auch die
höchsten Zahlen von Unternehmensschließungen bzw.
der Insolvenzen, Herr Kolb. Die niedrigste Zahl der In-
solvenzen gibt es bei den Handelsunternehmen.

Zurück zu Ihrem ersten Punkt: Mir ist bekannt, dass
seit September vergangenen Jahres der Einzelhandel
tatsächlich über schleppenden Umsatz klagt. Auch der
Januar ist entgegen den ersten Erwartungen – weil das
Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel überraschend gut
verlief –, ein relativ schlechter Monat für den Einzel-
handel gewesen. Die Bürger konsumieren nur sehr
zögerlich. Die genauen Ursachen dafür müssen wir noch
analysieren. Ich kann Ihnen aber noch eine persönliche
Erklärung für den schlechten Januar geben: Es ist denk-
bar, dass die Bürger zunächst einmal eine etwas zöger-
liche Haltung gegenüber dem neuen Geld, dem Euro, an
den Tag gelegt haben. Aber das ändert, wie gesagt, nichts
daran, dass die Umsätze im Einzelhandel im Januar
schlecht waren.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422301400
Eine Zu-
satzfrage.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1422301500
Herr Bundesminis-
ter, Sie räumen jetzt eine hausgemachte Nachfrage- und
Investitionsschwäche ein.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Untersteller!)

Wissen Sie nicht, dass sich die Ertragslage bei Umsatz-
rückgang und gleichzeitig erhöhten Personal- und fort-
laufenden Bürokratiekosten automatisch verschlechtert?
Können Sie mir angesichts dessen sagen, wie die Eigen-
kapitalausstattung, die notwendig ist, um Investitionen

voranzubringen, gestärkt werden soll? Tatsache ist doch,
dass die Eigenkapitalausstattung mit 4,9 Prozent beim
Handel und mit 2,9 Prozent in der Bauwirtschaft einen ab-
soluten Tiefstand erreicht hat.

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Die Eigenkapitalausstattung des deut-
schen Mittelstandes ist auch im internationalen Vergleich
in der Tat nicht rosig. Deswegen ist er auf Fremdfinanzie-
rung angewiesen. Das war ein wesentlicher Grund, wa-
rum wir die übermäßige steuerliche Belastung, wie wir sie
Ende 1998 vorgefunden haben, zugunsten des Mittelstan-
des verändert haben. Die Steuerreform ermöglicht es dem
Mittelstand, mehr Eigenkapital zu bilden, wenn er – ich
betone das – das will.

Ich komme auf den Konsum zurück: Es ist ja nicht so,
Herr Michelbach, dass den Bürgerinnen und Bürgern das
Geld für den Konsum generell fehlt; denn korrespondie-
rend mit den niedrigen Konsumausgaben wächst die
Sparquote. Das belegt, dass die Bürger, die frei entschei-
den können, ob sie konsumieren oder sparen, zurzeit ei-
nen höheren Teil ihrer Einkommen auf die hohe Kante le-
gen. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen und nicht den
Eindruck zu erwecken, dass wir den Bürgerinnen und
Bürgern etwa durch erhöhte Steuern und Abgaben das
Geld aus der Tasche ziehen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422301600
Nächster
Fragesteller ist der Kollege Rolf Kutzmutz, PDS-Fraktion.


Rolf Kutzmutz (PDS):
Rede ID: ID1422301700
Herr Minister, ich komme auf
die Mittelstandsfinanzierung zurück. Sie haben für den
Bund und die Förderinstitute erklärt, dass man weiterhin
bereit sei, den Mittelstand finanziell zu unterstützen. In
den letzten Jahren war auffallend – das gilt auch jetzt –,
dass der Flaschenhals bei dieser Förderung die Hausban-
ken sind. Gibt es in Ihrem Haus Überlegungen, wie man
diesen Flaschenhals erweitern kann?

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Herr Kutzmutz, wir müssen diesen
Flaschenhals differenziert betrachten. Richtig ist, dass in-
zwischen etwa 80 Prozent der originär von DtAund KfW
ausgelegten Kredite über Volksbanken und Sparkassen
laufen. Das heißt also, vor allem die Privatbanken sind
der Flaschenhals. Man darf dabei aber nicht vergessen:
Wir leben grundsätzlich in einem marktwirtschaftlichen
System. Wenn die Privatbanken sagen würden – ich be-
tone: würden –, dass die Kreditierung von kleinen und
mittelständischen Betrieben, zum Beispiel das Auslegen
eines Kredites von 100 000 Euro, auf Dauer zu teuer sei,
weil man die Kosten nicht mehr hereinbekomme, und
dass man deshalb diese Kundschaft zurückweise, dann
müssten wir versuchen, wirklich unkonventionell zu den-
ken. Zum unkonventionellen Denken möchte ich nur das
Stichwort „Direktvertrieb“ nennen, das heißt – um es
etwas salopp zu formulieren –, man holt sich das Geld
bei mir.






(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422301800
Eine Zu-
satzfrage.


Rolf Kutzmutz (PDS):
Rede ID: ID1422301900
Herr Minister, in diesem Jahr
sind zum ersten Mal 3 Millionen Euro in Ihrem Haushalt
für die Netzwerkmanagementförderung in Ostdeutsch-
land eingestellt. Obwohl das Jahr noch relativ jung ist,
möchte ich Sie fragen: Wurden schon Anträge gestellt, um
Geld in diesem Rahmen anzufordern?

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Herr Kutzmutz, wir mussten das erst
programmatisch aufarbeiten. Wir haben erst vor zehn Ta-
gen dieses Programm mit einer kleinen Presseaktion ge-
startet.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422302000
Nächster
Fragesteller ist der Kollege Ernst Hinsken.


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1422302100
Herr Minister, im Vor-
feld der heutigen Kabinettsentscheidung haben Sie in den
letzten Tagen großen deutschen Tageszeitungen eine Bro-
schüre mit dem Titel „Zukunft Mittelstand – Mittelstands-
politik 2002“ beilegen lassen.


(Dr. Werner Müller, Bundesminister: Haben Sie die auch gelesen?)


– Ich habe sie gelesen, deshalb frage ich. Mich interes-
siert, was die Herstellung und der Vertrieb dieser Bro-
schüre gekostet haben. Herr Minister, mir wäre lieber, Sie
würden etwas für den Mittelstand tun und nicht allein sol-
che Broschüren herausgeben.


(Dr. Elke Leonhard [SPD]: Aufklärung ist wichtig! Was haben Sie denn gemacht?)


Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Ich kann mir vorstellen, dass Ihnen das
lieber wäre. Aber Sie sind ja auch Opposition.

Sie müssen schon gestatten – das ist das gute Recht der
Bundesregierung –, dass wir auf unsere Politik hinwei-
sen, insbesondere wenn wir voller Überzeugung dahinter
stehen und sie für gut befinden. Die Mittelstandspolitik
meines Hauses ist eine gute Politik. Es freut mich, dass
die Aktion, die Sie gerade erwähnten, Sie erreicht hat.
Das zeigt, dass Sie die „FAZ“ lesen; denn wir haben sie
nur wenigen Tageszeitungen beigelegt. Die Aktion ist
insgesamt deutlich kostengünstiger, als wenn wir Anzei-
gen schalten würden, wobei der geringste Kostenblock
das Drucken dieser 1,3-Millionen-Auflage ist. Ich ver-
mute, dass die Aktion insgesamt etwa 200 000 Euro kos-
tet, auf den Pfennig genau kann ich es Ihnen nicht sagen.
Ich kenne die ungefähren Zahlen nur, weil eine Anfrage
Ihrer Fraktion vorliegt, die wir schriftlich beantworten
werden.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422302200
Eine Nach-
frage, Herr Hinsken.


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1422302300
Herr Minister, ich
nehme das, was Sie zu den Kosten gesagt haben, gern zur
Kenntnis. Da ich diese Broschüre aufmerksam gelesen
habe, ist mir natürlich nicht entgangen, dass hier vieles
schöngeschrieben wird und dass Sie zum Beispiel die
steuerliche Schlechterstellung der Personengesellschaf-
ten, der tragenden Säule des Mittelstandes, gegenüber den
Kapitalgesellschaften ebenso wie verschiedene andere
Dinge nicht erwähnt haben.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Stimmt doch gar nicht! Der soll nicht auch noch Lügen verbreiten!)


Deshalb möchte ich fragen: Warum haben Sie nichts ge-
gen die Einstellungshemmnisse getan, die wir in der Bun-
desrepublik Deutschland haben, um den jungen Bürgern,
die bereit sind, in die Selbstständigkeit zu gehen, Mut zu
machen?


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das wäre Desinformation!)


Warum sind Sie unter dem Motto „Bürokratieabbau“
nicht eines der größten Hemmnisse angegangen und ha-
ben das 630-DM-Gesetz, jetzt 325-Euro-Gesetz, abge-
schafft?


(Widerspruch bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Kalauer! – Weiterer Zuruf von der SPD: Es fehlt noch die Ökosteuer!)


Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Herr Hinsken, Ihre erste Frage verstehe
ich, ehrlich gesagt, nicht.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das kann ich mir vorstellen!)


Sie können in der Mittelstandsbroschüre auch keinen Hin-
weis darauf finden, dass Lebkuchen Sägemehl enthalten.
Warum nicht? – Weil es falsch wäre. Wir schreiben in die-
ser Broschüre doch nichts Falsches; wir schreiben in der
Broschüre nur Richtiges. Deswegen brauchen wir in
dieser Broschüre Ihre völlig aus der Luft gegriffene Un-
terstellung, dass die Kapitalgesellschaften bei der Steuer-
reform besser behandelt würden als die Personengesell-
schaften, auch nicht aufzugreifen.

Von mir aus greifen wir sie einmal auf. Wir haben ge-
rade festgestellt, dass die Personengesellschaften erb-
schaftsteuerrechtlich wesentlich besser gestellt sind. Ich
wiederhole noch einmal:

Erstens. Es wäre ein Verbrechen am Mittelstand, wenn
Ihre Forderung durchkäme, dass Kapital- und Personen-
gesellschaften steuerlich gleichgestellt werden müssen.
Das dürfen Sie dem Mittelstand nicht zumuten.

Zweitens. Wenn Sie in Bezug auf den Mittelstand for-
dern, die Besteuerung der Kapitalgesellschaften zu revi-
dieren, müssen Sie immer bedenken: Die allermeisten
Kapitalgesellschaften, GmbHs gibt es im Mittelstand.
Das heißt, ein großer Teil des Mittelstandes würde wieder
schlechter gestellt.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Woher haben Sie die Zahlen denn?)







(C)



(D)



(A)



(B)


Wenn Sie dann noch fordern, dass der Mittelstand
so Steuern zu zahlen hätte wie die Personen- und Kapital-
gesellschaften, dann würden Sie 98 Prozent aller Unter-
nehmen in Deutschland steuerlich schlechter stellen. Eine
solche Forderung würde wahrscheinlich nicht einmal un-
ser Finanzminister aufstellen, der der einzige Nutznießer
Ihrer Forderung wäre.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Das ist doch eine Frechheit, was Sie da sagen! – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Ihre Formen lassen zu wünschen übrig!)


– Es ist keine Frechheit, was ich hier sage; ich sage hier
Tatsachen. Tatsachen sind nur für diejenigen Frechheiten,
die Tatsachen nicht verkraften.


(Beifall bei der SPD)

Inzwischen habe ich die genauen Zahlen, Herr

Hinsken: Grafik und Layout unserer Broschüre koste-
ten 14 000 Euro, die Schalt- und Beilagekosten betru-
gen 143 000 Euro und der Druck der 1,3 Millionen
Exemplare kostete 48 000 Euro. Das Ganze ist um weit
mehr als die Hälfte billiger, als Anzeigen in den Orga-
nen, denen wir die Broschüre beigelegt haben, gewesen
wären.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das sind fast 500 000 DM!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422302400
Nächster
Fragesteller ist der Kollege Engelbert Wistuba, SPD-
Fraktion.


(Engelbert Wistuba [SPD]: Meine Frage hat sich schon erledigt!)


– Die Frage hat sich erledigt. – Dann hat der Kollege
Jürgen Koppelin, FDP-Fraktion, das Wort.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1422302500
Herr Minister, Sie haben be-
richtet, dass Sie dem Kabinett heute den Mittelstandsbe-
richt vorgelegt haben. Damit man sieht, welchen Stellen-
wert der Mittelstand im Kabinett hat, möchte ich erfahren,
wie lange die Diskussion über diesen Bericht gedauert
hat.

Ich frage Sie weiter, ob die schlechte Politik, die die
Bundesregierung für den Mittelstand macht, auch eine
Rolle gespielt hat. Diese Politik kommt nicht unbedingt
aus Ihrem Hause – ich will es einmal bei dem bewenden
lassen, was Sie von Ihrer guten Politik sagten –; die gute
Politik wird von der schlechten Politik des Arbeitsminis-
ters Riester – Kündigungsschutz, Betriebsverfassungs-
gesetz, Teilzeitgesetz usw. – überlagert.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Da sitzt der schwarze Peter! – Peter Dreßen [SPD]: Da kommt wieder der Kahlschläger! Sie machen doch nur sozialen Kahlschlag! – Wolfgang Weiermann [SPD]: Das ist alles, was die FDP kann!)


– Ich habe nicht Sie gefragt, sondern den Minister. Sie
sollten besser zuhören, damit er Ihnen erklären kann, was

beim Mittelstand los ist. Ihr Problem ist ja, dass Sie über-
haupt nicht wissen, was beim Mittelstand los ist.


(Beifall des Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU])

Herr Minister, alle diese Gesetze spielen für den Mittel-
stand eine entscheidende Rolle. Das werden Sie bei der
Tagung in Ihrem Hause ja auch von den Mittelständlern
gehört haben. Ist das diskutiert worden, als Sie den Be-
richt vorgelegt haben?


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Konzentrieren Sie sich mal auf die Frage und lassen Sie die wüsten Behauptungen!)


Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Über die Arbeitsmarktpolitik des Kolle-
gen Riester – –


(Zurufe von der SPD – Jürgen Koppelin [FDP]: Vielleicht kann man den Krakeeler hinaussetzen!)


– Darf ich fortfahren?

(Jürgen Koppelin [FDP]: Ja, natürlich! Sie dürfen immer!)

– Gut. Sie suchen da offenbar jemanden.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Es gibt da ein paar Krakeeler!)


Über die Arbeitsmarktpolitik des Kollegen Riester ist
heute im Kabinett nicht diskutiert worden. Das lag unter
anderem vielleicht auch daran, dass ich etwas längere
Ausführungen zu dem Mittelstandsbericht gemacht habe
und zusätzlich noch das ERP-Wirtschaftsplangesetz im
Kabinett verabschiedet worden ist. Beides zusammen ist
ausgiebig erörtert worden.

Ich weise immer wieder auf Folgendes hin: Wir haben
auch andere Reformen zum Arbeitsmarkt realisiert. Die
frühere Bundesregierung hatte veranlasst, dass man in
Deutschland nicht mehr befristet einstellen kann. Diese
Bundesregierung hat die Möglichkeit, ohne Angabe von
Gründen befristet einzustellen, neu geschaffen.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Das stimmt nicht!)

– Natürlich! Ihr Gesetz war bis Ende des Jahres 2000 be-
fristet. Es musste also ein neues Gesetz geschaffen wer-
den. Dieses ist auch wesentlich flexibler, etwa in der Hin-
sicht, dass die Zeitdauer der Befristung zwischen den
Sozialpartnern vereinbart werden kann. Ich erwähne das
deswegen, weil aus meiner Sicht von der Möglichkeit, be-
fristet einzustellen – insbesondere zum Nachteil älterer
Arbeitnehmer –, viel zu wenig Gebrauch gemacht wird.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422302600
Mit Blick
auf den vorgegebenen Zeitrahmen kann ich nur noch zwei
Fragesteller aufrufen, den Kollegen Hartmut Schauerte
und den Kollegen Rainer Wend.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1422302700
Herr Minister, wir
führen diese Debatte, um dem Mittelstand zu helfen, vor
allem aber, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Zwi-




Bundesminister Dr. Werner Müller
22130


(C)



(D)



(A)



(B)


schen Mittelstand und Arbeitslosigkeit besteht nämlich
ein klarer Zusammenhang. Der Gründungsboom ist leider
vorbei. Die Selbstständigenquote ist rückläufig. Das Wirt-
schaftswachstum ist gleichfalls rückläufig. Wir können
das auch verifizieren.


(Peter Dreßen [SPD]: Das ist keine Frage! Das ist eine falsche Tatsachenbehauptung, sonst nichts!)


– Das gehört zur Frage! – Gucken wir uns einmal die Si-
tuation in den Ländern an! Baden-Württemberg hat ein
Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent und eine hohe Mit-
telstandsquote. Nordrhein-Westfalen hat eine geringe
Mittelstandsquote und ein Wachstum von nur 0,1 Prozent.
Klar erkennbar ist also: je weniger Mittelstand, desto we-
niger Wirtschaftswachstum und desto weniger Ar-
beitsplätze.

Warum organisieren Sie die Steuerreform dann so, dass
die Großkonzerne die Vorteile ab sofort erhalten,


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist das!)

der Mittelstand den eigentlichen Vorteil – was immer auch
zwischendurch an kleinen Schritten passiert – aber erst im
Jahr 2005 erhält? Meinen Sie nicht, dass das der wirt-
schaftlichen Entwicklung abträglich ist?

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Herr Schauerte, ich darf Sie zunächst
darauf hinweisen, dass die überwiegende Zahl der Kapi-
talgesellschaften zum Mittelstand gehört. Sie müssten
also korrekt fragen: Warum gibt es für den einen Teil des
Mittelstandes, wie Sie formulieren, Steuervorteile sofort
und für den anderen Teil erst später?

Ferner ist die Gewerbesteuerbelastung der Personen-
gesellschaften ab sofort quasi entfallen.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Das ist doch wohl ein Witz!)


– Das ist kein Witz!

(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Sie haben doch vorher den Höchststeuersatz von 43 auf 48,5 Prozent heraufgesetzt! Das wissen Sie gar nicht! Peinlich!)


– Es kann sein, dass Sie verwechseln, wer wann an der Re-
gierung war. Der Höchststeuersatz ist von 1982 an immer
wieder angehoben worden.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Aber nicht für gewerbliche Einkünfte! Dafür ist die Anrechnung doch gemacht worden! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist ja schlimm, dass der Wirtschaftsminister die gewerblichen Belastungen nicht kennt!)


Bleiben wir bei dem Thema Gewerbesteuerbelastung:
Erstens. Die Gewerbesteuerbelastung entfällt quasi ab so-
fort. Zweitens. Senkungen des Eingangs– und Spitzen-
steuersatzes pro rata sind schon vorgenommen worden,
weitere sind bis 2005 gesetzlich vereinbart. Eine steuer-
liche Schlechterstellung ergibt sich zurzeit bei zu ver-
steuernden Einkommen in einer Größenordnung von

etwa 200 000 Euro aufwärts. Das betrifft wenige, aber
doch einige. Wie gesagt, dieser Zustand verebbt bis zum
Jahre 2005 weitgehend.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422302800
Herr
Schauerte, ich kann leider keine Zusatzfrage mehr zulas-
sen.

Der Kollege Rainer Wend ist der letzte Fragesteller.


Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1422302900
Herr Minister, Sie haben den
Vorwurf, dass Kleinunternehmen und der Mittelstand im
Bereich der Steuerpolitik benachteiligt werden, ein-
drucksvoll widerlegt.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben doch von 43 auf 48,5 Prozent bei den gewerblichen Einkünften erhöht!)


Ein weiterer Vorwurf gegenüber der Bundesregierung
lautet, dass es zu einer Überregulierung der Regelungen
kommt, die unsere Wirtschaft betreffen. Könnten Sie mir
erläutern, was die Bundesregierung in den letzten drei-
einhalb Jahren unternommen hat, um Bürokratisierungen
im Wirtschaftsleben abzubauen?

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Der Abbau von Bürokratie ist aus mei-
ner Sicht eine der großen Notwendigkeiten. Ich darf Ih-
nen sagen, dass die Erfolge, die diese Bundesregierung
erzielt hat, aus meiner Sicht zwar etwas größer als die
früherer Jahre, aber für den Mittelstand nicht ausreichend
sind.

Eine der wichtigsten Änderungen, die wir geplant ha-
ben und von nun an auf rechtlicher Basis versuchsweise
durchführen werden, ist die Einführung einer einheitlichen
Betriebsnummer. Dadurch wird das ganze Meldewesen
– insbesondere nach seiner Digitalisierung, was eine er-
hebliche Vereinfachung mit sich bringt – für die Betriebe
vom Ansatz her zentraler und einheitlicher geregelt.

Ich will Sie auf Folgendes hinweisen: Vonseiten der
Bundesregierung haben wir die Initiative, die Altbundes-
kanzler Schmidt in einem Artikel in der „Zeit“ vom 4. Ok-
tober letzten Jahres angestoßen hat, aufgegriffen: Er
schlug vor, dass die ostdeutschen Länderparlamente das
Recht erhalten sollen, in ihrem Bundesland, falls durch
Mehrheit beschlossen, gewisse Regelwerke – wenn Sie so
wollen: Bürokratiewerke – außer Kraft zu setzen. Das ist
etwas, was der Kanzlerkandidat der CDU/CSU dieser
Tage aufgegriffen hat.

Diese Fragestellung ist im Rahmen der Konferenz der
Wirtschaftsminister der Länder und der Konferenz der
Ministerpräsidenten kurz erörtert worden. Es scheint so
zu sein – diese Erkenntnis basiert auf einem Rechtsgut-
achten der Staatskanzlei Sachsen –, dass der aus meiner
Sicht sehr intelligent entworfene Ansatz zum Abbau der
Bürokratie von Herrn Schmidt verfassungsrechtlich nicht
haltbar ist. Er würde umfangreiche Änderungen des
Grundgesetzes voraussetzen. Deswegen ist er im ersten
Anlauf leider nicht machbar.




Hartmut Schauerte

22131


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422303000
Herr Bun-
desminister, ich danke Ihnen. Damit ist die Regierungs-
befragung beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksache 14/8460 –

Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht
die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Schaich-
Walch zur Verfügung.

Die Frage 1 stellt der Kollege Dr. Ilja Seifert:
Wann und mit welchem Wortlaut setzte die Bundesregierung

die Zusage des Staatssekretärs im Bundesministerium für
Gesundheit, Dr. Klaus Theo Schröder, vom 21. Februar 2002 um,
Widerspruch einzulegen gegen die restriktive Entscheidung des
Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (BÄK) vom
26. Februar 2002 zur Abgabe von Sondennahrung, zum Beispiel
an Menschen mit apallischem Syndrom (Wachkoma), die künst-
lich ernährt werden müssen?

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1422303100
Herr Kollege, am
20. Februar 2002 führte Staatssekretär Dr. Klaus Theo
Schröder ein Gespräch mit Vertretern des Vereins Schädel-
Hirnpatienten in Not, in dem diese ihm ihre Befürchtungen
erläuterten, dass es bei Wirksamwerden der Neuregelung
des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur
Verordnungsfähigkeit von Ernährungstherapeutika zu
medizinisch nicht gerechtfertigten Leistungseinschrän-
kungen komme. Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder
hat zugesagt, dass das Bundesministerium für Gesundheit,
sobald der Beschluss des Bundesausschusses vorliegt, in
der vorgegebenen Beanstandungsfrist – diese beträgt zwei
Monate – sehr genau prüfen wird, ob sich der Bundesaus-
schuss bei seiner Neuregelung an den gesetzlichen Er-
mächtigungsrahmen gehalten hat, das heißt, ob berück-
sichtigt wurde, dass das medizinisch Notwendige auch
diesem Patientenkreis zur Verfügung steht.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422303200
Möchten Sie
eine Zusatzfrage stellen?


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1422303300
Ja, gern, Herr Präsident. – Frau
Staatssekretärin, nun ist ja diese Prüfzeit noch nicht abge-
laufen; das haben Sie gesagt. Unabhängig davon – das
wissen Sie so gut wie ich – steht fest, dass die betroffenen
Patientinnen und Patienten sich nicht wehren können und
deren Angehörige dadurch sehr verunsichert sind, dass
zum Beispiel Wachkomapatientinnen und -patienten in
Zukunft möglicherweise keine Sondennahrung mehr be-
kommen oder bestimmte Dinge wie Ballaststoffe zur De-
cubitus-Prophylaxe usw. nicht mehr verordnet werden
können. Die Angst ist doch sehr groß. Kann denn die Bun-
desregierung nicht schneller als erst in acht Wochen etwas
tun, um die Befürchtungen dieser Menschen, die sich ja
nun wirklich in größter Not befinden, zu zerstreuen?

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1422303400
Die Bundesregie-

rung befindet sich im Augenblick in der Situation, dass ihr
der Beschluss des Bundesausschusses noch nicht zu-
gestellt worden ist. Sie muss, wie gesagt, nach Zustellung
über den Beschluss des Bundesausschusses innerhalb von
acht Wochen entscheiden. Wir werden einer gründlichen
Überprüfung dieser neuen Vorgaben des Bundesaus-
schusses der Ärzte und Krankenkassen den Vorzug vor ei-
ner sehr schnellen Entscheidung geben. Ich kann Ihnen
aber versichern: Wir werden darauf achten – das belegen
nicht nur das Gespräch des Staatssekretärs, sondern auch
Gespräche, die die Ministerin und auch ich geführt haben –,
dass den Patientinnen und Patienten das, was als notwen-
dig erachtet wird, nicht vorenthalten wird. Dazu werden
wir auch die entsprechenden Leitlinien überprüfen. Das
haben wir den Patientinnen und Patienten zugesichert.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422303500
Zweite Zu-
satzfrage.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1422303600
Frau Staatssekretärin, für diese
Zusicherung danke ich Ihnen erst einmal. Es ist wichtig,
dass Unsicherheit beseitigt wird. Das ändert aber nichts an
der schwierigen Situation, dass die Spitzenverbände der
Freien Wohlfahrtspflege und die privaten Pflegeverbände
zurzeit keine Verhandlungen mit dem Bundesausschuss
führen, weil man nicht miteinander reden kann, wenn die
Bedenken der einen Seite überhaupt nicht berücksichtigt
werden. Das Verhalten des Bundesausschusses ist ja et-
was problematisch.

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1422303700
Auch wir haben mit
dem Vorsitzenden des Bundesausschusses und seinen
Vertretern Gespräche geführt und dabei noch einmal auf
die Notwendigkeit der Versorgung dieser Patientinnen
und Patienten hingewiesen. Wir haben das Gespräch auch
auf die Versorgung von Säuglingen ausgedehnt, die nor-
male Milchnahrung nicht vertragen, und darauf gedrängt,
auch dafür die Kosten zu übernehmen. Wir haben Signale,
dass der Bundesausschuss die Anregungen des Ministeri-
ums aufgenommen hat.

Der Bundesausschuss ist per Gesetz verpflichtet, in ei-
nem gesetzlich geregelten Anhörungsverfahren Sachver-
ständige und Betroffene anzuhören. Ob dies auch gesche-
hen ist, wird Bestandteil der Überprüfung sein. Nur vor
diesem Hintergrund könnte überhaupt eine Genehmigung
erfolgen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422303800
Ich rufe die
Frage 2 des Kollegen Dr. Seifert auf:

Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass der BÄK
in dieser Weise die jahrelangen Erfahrungen und begründeten
Forderungen der Angehörigen-Organisationen von Wachkoma-
patienten unberücksichtigt lässt, und welche Maßnahmen will sie
ergreifen, um einer Verschlechterung der gesundheitlichen Ver-
sorgung dieses Patientenkreises durch die am 26. Februar 2002 er-
folgte Konkretisierung des gesetzlichen Leistungsanspruchs auf
Krankenkost nach § 31 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)

in den Arzneimittel-Richtlinien entgegenzuwirken?

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1422303900
Der Bundesaus-






(C)



(D)



(A)



(B)


schuss der Ärzte und Krankenkassen hat bei der Erarbei-
tung der Neuregelung sowohl die Stellungnahmen der
nach § 92 SGB V anhörungsberechtigten Organisationen
– darauf habe ich schon verwiesen – als auch von anderen
Institutionen übermittelte Stellungnahmen in seine Ent-
scheidungsfindung einzubeziehen. Das Bundesministe-
rium für Gesundheit wird im Rahmen seiner Prüfung der
Neuregelung nach § 94 SGB V dafür Sorge tragen, dass
alle Versicherten und insbesondere Wachkomapatienten
auch künftig medizinisch indizierte Ernährungstherapeu-
tika auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung er-
halten.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1422304000
Für die letzte Aussage können
die Patientinnen und Patienten nur dankbar sein. Aller-
dings habe ich in Erinnerung, dass der Bundesausschuss
seine Entscheidung wesentlich restriktiver gefällt hat und
Sondennahrung und andere erforderliche Zusatznah-
rungsmittel nur in wenigen Ausnahmen – was dann immer
mit besonderen Schwierigkeiten versehen ist – bewilligen
will. Diesen Widerspruch zu Ihrer Aussage müssten Sie
mir einmal erläutern.

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1422304100
Ich habe gerade
von unserer politischen Zielsetzung gesprochen, die sich
auch nach dem SGB V ergibt. In diesem Rahmen hat der
Bundesausschuss zu entscheiden. Wie ich vorhin schon
ausgeführt habe, ist uns die Stellungnahme des Bundes-
ausschusses noch nicht zugeleitet worden und nicht be-
kannt. Bekannt sind uns bisher Teile aus Diskussionen
und aus vorbereitenden Protokollen, auf deren Grundlage
es, wie ich ebenfalls schon ausgeführt habe, Gespräche
gegeben hat. Wir wissen, zum Beispiel in Bezug auf die
Ernährung für Säuglinge, dass Anregungen aus den Dis-
kussionen aufgenommen worden sind.

Wie schon gesagt, müssen künftig medizinisch indi-
zierte Ernährungstherapeutika auf Kosten der Kranken-
versicherung zur Verfügung stehen. Wir prüfen das. Wenn
das nicht der Fall ist, werden wir diese Richtlinie nicht
genehmigen.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1422304200
Frau Staatssekretärin, wären
Sie, da es offensichtlich verschiedene Wissensstände gibt
– es kann ja sein, dass das, was mir vorliegt, nicht der
letzte Stand ist –, so freundlich, mir oder vielleicht auch
allen anderen interessierten Kolleginnen und Kollegen
des Parlamentes den Beschluss des Bundesausschusses
zuzuleiten, sobald er Ihnen zugeleitet worden ist?

G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1422304300
Sobald wir diesen
Beschluss zugeleitet bekommen haben, wird das ge-
schehen. Wir werden dann mit Sicherheit auch im Ge-
sundheitsausschuss darüber diskutieren.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422304400
Es gibt
keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Frau Par-
lamentarische Staatssekretärin.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Die Fra-
gen werden durch den Parlamentarischen Staatssekretär
Stephan Hilsberg beantwortet.

Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Hans Michelbach
auf:

Welche Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen plant die Bundes-
regierung für die Region Oberfranken?1)

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1422304500
Herr
Michelbach, im vordringlichen Bedarf des Bedarfsplans
Schiene sind die Region Oberfranken betreffend das
Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 8.1, Nürnberg–
Erfurt, die Ausbaustrecke Nürnberg–Leipzig/Dresden,
Franken-Sachsen-Magistrale, und das länderübergrei-
fende Projekt Ausbaustrecke Nürnberg–Grenze Deutsch-
land/Tschechien, Richtung Prag, enthalten.

Im Bundesverkehrswegeplan 1992 und im Bedarfsplan
für die Bundesfernstraßen sind für Oberfranken 73 vor-
dringliche Maßnahmen vorgesehen. 43 Neu- oder Aus-
baumaßnahmen von Bundesautobahnen und Bundesfern-
straßen konnten bisher in Verkehr genommen werden. Für
die übrigen Maßnahmen des vordringlichen Bedarfs be-
steht weiterhin ein uneingeschränkter Planungsauftrag.

Derzeit laufen in Oberfranken auf der Grundlage der
von der Bundesregierung beschlossenen Programme
– das sind das Investitionsprogramm 1999 bis 2002 und
das Zukunftsinvestitionsprogramm 2001 bis 2003 – Bau-
arbeiten bei folgenden Projekten: Bundesautobahn A 73:
Herbartswind – Landesgrenze Thüringen/Bayern – bis
Coburg – Bundesstraße B 4 –; Bundesstraße B 4: Verle-
gung nördlich Coburg; Bundesstraße B 89: Ortsum-
gehung Burggrub – im Zukunftsinvestitionsprogramm
enthalten –; Bundesstraße B 173: Ortsumgehung Wallen-
fels; Bundesstraße B 303: Verlegung Sonnefeld–Johan-
nisthal, das ist die Ortsumgehung Sonnefeld.

Bis 2003 ist der Baubeginn bei folgenden Maßnahmen
vorgesehen: Bundesautobahn A 9: Anschlussstelle Bay-
reuth-Nord Richtung Sophienberg; Bundesstraße B 173:
Lichtenfels–Zettlitz – das ist die Ortsumgehung Trieb und
Hochstadt, im Zukunftsinvestitionsprogramm enthalten;
gegenwärtig ist allerdings eine Klage anhängig –; Bun-
desstraße B 2: Ortsumgehung Zedtwitz. Außerdem ist im
Rahmen der Bundesstraße B 22 der Baubeginn der Orts-
umgehung Aichig vorgesehen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422304600
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Michelbach.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1422304700
Herr Staatssekretär,
Sie haben die Maßnahmen im Einzelnen dargestellt. Sind
Sie bemüht, noch vor der Bundestagswahl den Bundes-
verkehrswegeplan fortzuschreiben, und welches Finanz-
volumen wird im Bundesverkehrswegeplan in Bezug auf
diese wichtigen Infrastrukturmaßnahmen in Oberfranken
zur Verfügung gestellt?




Parl. Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch

22133


(C)



(D)



(A)



(B)


1) siehe hierzu auch Frage 7

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1422304800
Diese
Frage steht nicht im Zusammenhang mit Ihrer schriftlich
eingereichten Frage.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422304900
Herr
Michelbach, Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1422305000
Herr Staatssekretär,
Sie haben jetzt Maßnahmen bezüglich Oberfranken dar-
gestellt. Der Bundeskanzler hat in diesem Zusammen-
hang auf einer SPD-Veranstaltung das Thema einer ICE-
Trasse in den Raum geworfen. Aber wir wissen
natürlich: Gebaut wird nur das, was im Rahmen der Fort-
schreibung des Bundesverkehrswegeplanes gesetzlich
festgelegt worden ist. Sind Sie bereit, hier eine Aussage
dahin gehend zu treffen, wann und mit welchem Finanz-
volumen der Bundesverkehrswegeplan fortgeschrieben
wird?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1422305100
Sehr
geehrter Herr Michelbach, wir haben hier bereits des Öf-
teren über die Fortschreibung des neuen Bundesverkehrs-
wegeplanes diskutiert. Darüber gibt es Aussagen, auf die
ich verweise. Ich lasse Ihnen das alles gern noch einmal
schriftlich zukommen, auch bezogen darauf, was das für
die Region Oberfranken bedeutet.

Wir haben eine ausreichende Finanzierungsvorsorge
getroffen. Jüngst hat das Kabinett ein Investitions-
programm in Höhe von 90 Milliarden Euro für neue Ver-
kehrswegeprojekte vorgestellt. Es beinhaltet 300 neue
Ortsumgehungen, neue Ost-West-Verbindungen – der
Schwerpunkt liegt dabei in Ostdeutschland – und den
Ausbau von Autobahnen in einer Größenordnung von
1 100 Kilometern. Selbstverständlich wird die Region
Oberfranken in diesem Programm ausreichend berück-
sichtigt.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422305200
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Hartmut Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1422305300
Herr Staatssekretär,
ist die Finanzierung des jetzt vom Bundeskanzler an-
gekündigten Weiterbaus der ICE-Strecke Nürnberg–
Coburg–Erfurt nicht nur kurzfristig gesichert, sondern
auch in der mittelfristigen Finanzplanung enthalten?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1422305400
Sie ist
durch das vom Kabinett beschlossene 90-Milliarden-In-
vestitionsprogramm gesichert.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422305500
Ich rufe die
Frage 4 des Kollegen Peter Weiß (Emmendingen) auf:

Wird der Bundeskanzler, Gerhard Schröder, beim Europä-
ischen Gipfel am 15./16. März 2002 dem französischen Staats-
präsidenten Jacques Chirac konkrete Zusagen hinsichtlich der von
deutscher Seite zu erbringenden Leistungen für eine schnellere

Realisierung der TGV-Verbindung über Straßburg/Kehl machen
können, nachdem der französische Staatspräsident angekündigt

(vergleiche „Dernières Nouvelles d’Alsace“ vom 2. März 2002)


S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1422305600
Sehr ge-
ehrter Herr Weiß – wir treffen uns hier immer wieder we-
gen dieses Themas –, die Bundesregierung will den
kurzen deutschen Anteil von Kehl nach Appenweier
am Südast der Schnellbahnverbindung Paris–Ostfrank-
reich–Südwestdeutschland zeitgleich mit der Fertigstel-
lung der Neubaustrecke in Frankreich, also bis Straßburg,
realisieren. Die Bundesregierung wird sich bei ihren
Entscheidungen an den Terminen orientieren, die von der
französischen Seite für die Fertigstellung des Strecken-
anteils in Frankreich benannt wurden.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422305700
Eine Zu-
satzfrage.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1422305800
Herr
Staatssekretär, da ja nun bekannterweise ein offenkun-
diger Streitpunkt zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und Frankreich ist, ob bereits mit der Realisierung
des ersten Bauabschnitts für den TGV Est Européen eine
Beschleunigung der Verbindungen über Straßburg/Kehl
nach Appenweier realisiert werden kann, möchte ich Sie
fragen: Wird der Bundeskanzler – wenn er dieses Thema
auf dem Gipfeltreffen in Barcelona ansprechen sollte –
dem französischen Staatspräsidenten dazu Neues mit-
teilen können oder bleibt es bei der Aussage der Bun-
desregierung, dass sie sich in keinerlei Verpflichtung
sieht, bis zum Jahr 2006 irgendetwas zur Beschleunigung
einer möglichen TGV-Verbindung über Straßburg/Kehl
nach Appenweier vorzunehmen?

S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1422305900
Sehr ge-
ehrter Herr Weiß, unsere Position als Vorbereitung für das
Gipfeltreffen am 15./16. März 2002 habe ich Ihnen in
meiner gerade gegebenen Antwort auf Ihre schriftlich ein-
gereichte Frage dargestellt.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422306000
Zweite Zu-
satzfrage.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1422306100
Herr
Staatssekretär, da in den Antworten der Bundesregierung
wie der Deutschen Bahn AG zu diesem Sachverhalt im-
mer nur davon die Rede ist, dass es Verhandlungen zwi-
schen der Bundesregierung und der französischen Regie-
rung sowie zwischen der Deutschen Bahn AG und der
SNCF über die Realisierung einer schnellen Verbindung
des TGV über Straßburg/Kehl nach Deutschland gebe,
möchte ich Sie fragen: Was ist Inhalt dieser Verhandlun-
gen und welches Ziel wird damit angestrebt, wenn Sie
sonst immer nur davon sprechen, dass bis zum Jahre 2006
auf deutscher Seite auf keinen Fall etwas passiert?






(C)



(D)



(A)



(B)


S
Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1422306200
Herr
Weiß, ich kann nur wiederholen, was ich bereits gesagt
habe: Die Strecke von Kehl nach Appenweier – das ist der
deutsche Beitrag – ist mit 14 Kilometern sehr kurz. Diese
Strecke zu realisieren hat für uns nur unter der Bedingung
Sinn, dass sie Teil einer Gesamtstrecke wird. Daher
kommt eine vorzeitige Realisierung dieses Teilstücks für
uns nicht infrage.

Es liegt in unserem Interesse, die Strecke so frühzeitig
wie möglich, aber auch mit dem notwendigen verkehrs-
wirtschaftlichen Nutzen in Betrieb zu nehmen. Deshalb
werden wir Sorge dafür tragen, dass sie zeitgleich mit dem
französischen Streckenteil in Betrieb gehen kann.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Also nichts Neues in Barcelona!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422306300
Es gibt
keine weiteren Fragen. Ich danke Ihnen, Herr Staats-
sekretär.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung
steht der Parlamentarische Staatssekretär Wolf-Michael
Catenhusen zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Werner Lensing
auf:

Welche Kosten hat das Anmieten und welche Kosten hat das
Betreiben der beiden räumlich getrennten Messestände 129 sowie
202/203 verursacht, die bei der Fachmesse für Bildungs- und

(5. bis 8. Februar 2002 in Karlsruhe)

angemietet wurden?

W
Wolf-Michael Catenhusen (SPD):
Rede ID: ID1422306400
Lieber
Herr Kollege Lensing, auf Ihre Frage möchte ich Ihnen
antworten: Für den Messestand des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung mit einer Größe von 120 Qua-
dratmetern sind anlässlich der Learntec 2002 Gesamt-
kosten von 63 770,03 Euro entstanden. Die Kosten für
den Messestand zur Präsentation des Förderprogramms
„Neue Medien in der Bildung – Hochschulbereich“ und
der in diesem Kontext vom BMBF geförderten Projekte
betrugen 62 735,25 Euro. Der Messestand war im
Messekatalog als Stand des Bundesministeriums für Bil-
dung und Forschung eingetragen. Beim Messestand für
das Förderprogramm „Neue Medien in der Bildung –
Hochschulbereich“ waren alle Unteraussteller einzeln im
Messekatalog aufgeführt.


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1422306500
Herr Staatssekretär
Catenhusen, ist meine Wahrnehmung richtig, dass Ihre
Auskunft impliziert, man hatte in Ihrem Ministerium von
vornherein die Idee, zwei getrennte Stände unter den Kri-
terien, die Sie gerade erläutert haben, aufzubauen?

W
Wolf-Michael Catenhusen (SPD):
Rede ID: ID1422306600
Die
Entscheidungen wurden nacheinander gefällt. Für uns ist

klar, dass wir wie in diesem Jahr auch in den kommenden
Jahren einenMessestand des Bundesministeriums für Bil-
dung und Forschung auf der Learntec, einer der zentralen
Messen für Lernen in Deutschland, aufbauen. Es hat sich
im Kontext unseres Förderprogramms „Neue Medien in
der Bildung – Hochschulbereich“ die Idee für eine zusätz-
liche Präsentation unseres Hauses auf der Messe ergeben.


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1422306700
Kann ich daraus
schlussfolgern, Herr Catenhusen, dass die Denkprozesse
in Ihrem Hause zwar nacheinander ablaufen – das ver-
stehe ich sehr wohl –, aber dass es unter dem Aspekt des
auch von Ihrem Hause geförderten lebenslangen Lernens
schwierig war, diese Prozesse zu koordinieren?

W
Wolf-Michael Catenhusen (SPD):
Rede ID: ID1422306800
Das
können Sie nicht daraus schließen.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Aber Sie haben Recht: Politik ist ein Prozess, der immer
für Anregungen offen sein sollte. Wir haben von den Be-
suchern dieser Stände keine Klagen darüber gehört, dass
es an zwei Ständen auf der Learntec möglich war, über die
Politik der Bundesregierung informiert zu werden.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422306900
Ich rufe die
Frage 6 des Abgeordneten Werner Lensing auf:

Welche Kosten wären für das Anmieten und welche Kosten
wären für das Betreiben eines gemeinsamen Messestandes ent-
standen?

W
Wolf-Michael Catenhusen (SPD):
Rede ID: ID1422307000
Bei
Messeständen in einer solchen Größenordnung – beide
Messestände hatten eine Größe von 120 Quadratmetern –
ist die Preisdifferenz zwischen Bauen und Betreiben von
einem oder zwei Messeständen marginal unterschiedlich,
da sich während der gesamten Zeit etwa 100 Betreue-
rinnen und Betreuer zur individuellen Beratung von In-
teressierten vor Ort an den beiden Messeständen befan-
den. Messebauer berechnen üblicherweise die Kosten
eines Messestandes nach der Formel Quadratmeter mal
Kostensatz pro Quadratmeter.

Der Kostensatz ist nur von der Qualität des Messebau-
ers abhängig.

Inhaltlich kann ein zweiter Stand natürlich Sinn ma-
chen, wenn es um die Präsentation eines speziellen För-
derprogramms – in diesem Falle des Programms „Neue
Medien in der Bildung – Hochschulbereich“ – geht und
ein größerer Personenkreis damit erreicht werden kann.
Sie wissen, dass viele zufällig auf Messestände stoßen.
Die Präsentation war so ausgelegt, dass auch ein Forum
integriert werden musste.


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1422307100
Da mir, Herr Staats-
sekretär Catenhusen, die von Ihnen vorgetragenen Be-
rechnungen auch schon im Vorfeld meiner Frage klar wa-
ren, werden Sie sehr wahrscheinlich Verständnis für






(C)



(D)



(A)



(B)


meine Frage haben, ob eine rechtzeitige Evaluation auch
unter dem Aspekt erhoffter Synergieeffekte zu einer deut-
lichen Minderung der Kosten hätte führen können.

Wolf–Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär bei

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422307200
Das
können Sie meiner Antwort nicht entnehmen. Wenn Sie
sich vorher schon über die Kosten informiert haben – –


(Werner Lensing [CDU/CSU]: Nein, die Berechnungen!)


– Wenn Sie sich schon über die Berechnungen informiert
haben, wundere ich mich natürlich noch etwas mehr über
Ihre Frage.

Im Kern, Herr Kollege Lensing, kommt es darauf an,
ob es dann, wenn man auf einer Messe zwei Stände an
verschiedenen Ecken und nicht nebeneinander aufbaut,
möglich ist, Beratungspersonal einzusparen. Da der eine
Stand allgemein über die Breite der Förderpolitik des
BMBF informierte, der andere Stand aber den Auftrag-
nehmern des BMBF ermöglichte, ihre Projekte darzu-
stellen, wäre der Personaleinsatz logischerweise auch
durch ein Nebeneinander der beiden Stände nur unwe-
sentlich beeinflusst worden. Wir hätten die Unterauf-
tragnehmer nicht dazu animieren können, das gesamte
Förderprogram des BMBF auf dem Ministeriumsstand
darzustellen.

Lieber Kollege Lensing, damit habe ich, wie ich
glaube, sehr präzise Antworten gegeben.


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1422307300
Um die Regierung
nicht in zusätzliche unnötige Schwierigkeiten zu bringen
und aufgrund Ihrer freundlichen Ansprache verzichte ich
auf eine weitere Frage.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Die haben keine Schonung verdient, Werner!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422307400
Ich danke
dem Kollegen Lensing und dem Parlamentarischen
Staatssekretär.

Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Technologie auf.

Wir kommen zur Frage 7 des Kollegen Michelbach,
zur Gefahr der Wettbewerbsverzerrung aufgrund der
EU-Osterweiterung:

Sieht die Bundesregierung die Gefahr der Wettbewerbsverzer-
rung aufgrund der EU-Osterweiterung, und wenn ja, welche För-
dermaßnahmen plant die Bundesregierung für Oberfranken?

Diese Frage wird von der Parlamentarischen Staatssekre-
tärin Margareta Wolf beantwortet.

M
Margareta Wolf-Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422307500
Lieber Herr Kol-
lege Michelbach, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die
Bundesregierung sieht in der EU-Osterweiterung vor al-
len Dingen eine große politische, aber auch eine große
wirtschaftliche Chance. Von einem größeren EU-Binnen-

markt – das besagen alle Studien – werden in der Regel
gerade die wettbewerbsfähigen Unternehmen in Deutsch-
land profitieren. Allerdings muss eine beitrittbedingte Be-
lastung der Arbeitsmärkte vermieden werden. Deshalb hat
sich die Bundesregierung – das werden Sie verfolgt ha-
ben – für begrenzte flexible Übergangsregelungen im Be-
reich der Arbeitnehmerfreizügigkeit, aber auch des
Dienstleistungssektors eingesetzt, um wirtschaftliche und
soziale Auswirkungen im Zusammenhang mit der Ost-
erweiterung abzufedern. Die Regelungen für den
Dienstleistungssektor beziehen sich, wie Sie wissen,
hauptsächlich auf die Bauwirtschaft und den sensiblen
Handwerksbereich.

Selbstverständlich sehen wir auch die besondere Situa-
tion der Grenzregionen. Aufgrund unserer Initiative hat die
Europäische Kommission ein Programm zur Festigung der
wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der Grenzregionen
vorgeschlagen. Gegenwärtig erfolgt die Konkretisierung
der so genannten Gemeinschaftsaktion für Grenzregionen.
Im Rahmen von „Interreg III A“ kann Oberfranken För-
dermittel aus dem bayerisch-tschechischen Programm er-
halten, in dem EU-Fördermittel in Höhe von 63,8 Milli-
onen Euro für den Zeitraum von 2000 bis 2006 zur
Verfügung stehen. Die Durchführung des Programms ob-
liegt aber, wie gesagt, dem Land Bayern, das seinerseits
die entsprechenden regionalen Förderschwerpunkte setzt.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422307600
Zusatzfrage.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1422307700
Frau Staatssekretä-
rin, Sie sprechen einzelne bescheidene Förderinstrumente
an. Der Bundeskanzler hatte aber Ende 2000 in Weiden in
der Oberpfalz angekündigt, das Spektrum strukturpoli-
tischer Förderinstrumente insgesamt zu nutzen und für
eine vernünftige Förderkulisse mittels eines Grenzregio-
nenprogramms des Bundes und der Länder zu sorgen.
Warum ist bis heute nicht mehr als eine glatte Null dabei
herausgekommen, zumal die entsprechenden EU-Länder
in wenigen Monaten grünes Licht für den Beitritt bekom-
men sollen?

M
Margareta Wolf-Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422307800
Sehr geehrter
Kollege Michelbach, zum einen wird der Abschluss der
Verhandlungen mit den potenziellen Beitrittsstaaten im
Jahre 2004 erwartet. Zum anderen bin ich nicht der Mei-
nung, dass das von Ihnen angesprochene Programm „Ge-
meinschaftsaktion für Grenzregionen“ besonders niedrig
ausgestattet ist. Im Gegenteil: Im Rahmen dieses Pro-
grammes werden Mittel in Höhe von 260 Millionen Euro
verausgabt.

Um zu unterstützen, was der Bundeskanzler in Weiden
gesagt hat, möchte ich Ihnen die Maßnahmen nennen, de-
ren Finanzierung in diesem Programm vorgesehen ist:

Erstens soll das Budget für die transeuropäischen
Netze um 150 Millionen Euro aufgestockt werden.
Gleichzeitig schlägt die Kommission vor, den Höchstför-
dersatz für grenzüberschreitende TEN-Projekte von
10 Prozent auf 20 Prozent anzuheben.




Werner Lensing
22136


(C)



(D)



(A)



(B)


Zweitens sind Kooperationsmaßnahmen zugunsten
kleiner und mittlerer Unternehmen in den Grenzregionen
in einer Größenordnung von 15 Millionen Euro vorgese-
hen. Davon soll ein Projekt der Grenzlandkammern für
die Strategieberatung in Höhe von 10 Millionen Euro un-
terstützt werden.

Drittens werden für Maßnahmen zur Förderung und
Erleichterung der Zusammenarbeit in den Grenzregionen
Mittel in einer Größenordnung von 20Millionen Euro zur
Verfügung gestellt.

Viertens werden für den Einsatz von zusätzlichen Ge-
meinschaftsmitteln im Rahmen des Jugendaustausches
und der Freiwilligendienste für die Grenzregionen
10 Millionen Euro verausgabt.

Last but not least haben wir im Haushalt 2002 30 Mil-
lionen Euro für strukturpolitische Maßnahmen, für die
Unterstützung von Verkehrssystemen in den Grenzregio-
nen und für kleine und mittlere Unternehmen, für Ausbil-
dung und Aktionen im interkulturellen Bereich vorgese-
hen. 18 Millionen Euro werden für Projekte der KMUs in
den Grenzregionen und 2 Millionen Euro für Programme
im Rahmen der Jugendarbeit aufgewandt. – Wir ergänzen
somit die Mittel durch die EU-Programme um 30 Milli-
onen Euro. Ich hoffe, dass wir dadurch die in diesen Re-
gionen vorhandenen verständlichen Ängste auch mate-
riell abfedern können.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1422307900
Frau Staatssekretä-
rin, sind Sie mit mir der Meinung, dass gezielte Förder-
maßnahmen notwendig wären, und zwar insofern, als das
jeweils zuständige Bundesland ein eigenes Förderinstru-
ment bekommt, um im Zuge der EU-Osterweiterung die
Chancengleichheit zu erreichen, insbesondere durch eine
Förderkulisse, die nicht der Beihilfekontrolle der EU un-
terstellt ist?

M
Margareta Wolf-Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422308000
Herr Kollege,
weil ich diese Ihre Meinung teile, habe ich gerade ver-
sucht, deutlich zu machen, dass Oberfranken aus dem
bayerisch-tschechischen Programm Fördermittel in Höhe
von 63,8 Millionen Euro erhalten kann und dass Bayern
in der Lage ist, die regionalen Förderschwerpunkte des
Programmes selber zu definieren und dieses Programm
eigenständig durchzuführen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist doch durch die Beihilfekontrolle verboten!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422308100
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1422308200
Frau Staatssekretä-
rin, Sie haben von den Mitteln der Europäischen Union
für die Grenzregionen in Höhe von circa 200 Milli-
onen Euro berichtet. Sie haben auch, wenn ich Sie richtig
verstanden habe, Zahlen aus dem Bundeshaushalt ge-
nannt und hier 30 Millionen Euro angeführt. Halten Sie
den Haushaltsansatz auf Bundesebene für die deutschen

Grenzregionen angesichts einer so gewaltigen Herausfor-
derung wie der EU-Osterweiterung, vor allem in struktu-
reller Hinsicht, für ausreichend oder meinen Sie nicht
auch, dass er zu gering ist? Denkt die Bundesregierung an
weitere nationale Maßnahmen?

M
Margareta Wolf-Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422308300
Herr Kollege
Koschyk, Europa und der Bund wenden insgesamt
290 Millionen Euro für strukturpolitische Maßnahmen
auf. Sie wissen, dass sich diese Bundesregierung vorge-
nommen hat, den Haushalt zu konsolidieren, die Schulden
abzubauen. Insofern sollten wir jetzt erst einmal abwar-
ten, wie diese strukturpolitischen Maßnahmen tatsächlich
wirken, ob in den Grenzregionen eine Angleichung er-
reicht werden kann.

Im nächsten Haushaltsjahr wird sich die Bundesregie-
rung dann Gedanken darüber machen, ob sie diesen An-
satz erhöht oder ihn so belässt. Grundsätzlich kann man
aber sagen: Die Höhe der eingesetzten Summe sagt nicht
unbedingt etwas über die Qualität der Maßnahmen aus.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422308400
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Hofbauer.


Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1422308500
Frau Staatssekretärin,
der Herr Bundeskanzler hat in Weiden zusätzliche Gelder
des Bundes versprochen. Nun müssen wir feststellen, dass
Sie vorwiegend EU-Gelder erläutert haben: Die EU gibt
weit über 200 Millionen Euro. Der Freistaat Bayern gibt
ungefähr 100 Millionen Euro. Der Bund aber hat sich bis-
her fast nicht beteiligt. Ich muss also feststellen, dass die
Zusage des Herrn Bundeskanzlers in Weiden einfach
nicht eingehalten wurde.

Ich möchte hinzufügen: Wir müssen bedenken, dass
diese EU-Gelder für 23 Regionen von Finnland bis Grie-
chenland bestimmt sind – 150 Millionen Euro für den
Straßenbau. Allein für die A 6 werden noch 150 Milli-
onen Euro benötigt. Dieses Geld reicht also lediglich bei-
spielsweise für eine Straße in Ostbayern.

10 Millionen für den Mittelstand: Was wollen Sie hier
machen? Die Probleme sind riesengroß und wir bekom-
men fast keine Hilfe.

M
Margareta Wolf-Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422308600
Herr Kollege
Hofbauer, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Sie wissen,
dass es überhaupt nur aufgrund der Initiative der Bundes-
regierung bei der Europäischen Kommission dazu kam,
ein Programm „Gemeinschaftsaktion für Grenzregionen“
aufzulegen.

Sie wissen vielleicht, dass sich der Haushaltsrat und
das Europäische Parlament aufgrund nachhaltigen Drucks
seitens der Bundesregierung darauf verständigt haben, zu-
sätzliche Finanzmittel in der Größenordnung von 65 Mil-
lionen Euro einzusetzen. Ich kann nicht erkennen, warum
es strukturpolitisch gesehen klüger wäre, als Bundes-
regierung jetzt statt 30 Millionen Euro 60 Millionen Euro




Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf

22137


(C)



(D)



(A)



(B)


einzustellen. Zunächst einmal muss doch verfolgt wer-
den, welche Wirkung die vom Land Bayern und der Eu-
ropäischen Union getätigten Investitionen haben.

Herr Kollege Hofbauer, ich muss Sie darauf hinweisen,
dass wir im Gegensatz zu Vorgängerregierungen sparsam
mit dem Geld umgehen, weil wir sparen wollen.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Wir sind auch nicht der Meinung, dass man strukturpoli-
tische Fragen allein durch zusätzliche Subventionen lösen
kann. Hier kommt es auch auf intelligente Konzepte der
Länder für die jeweiligen Regionen an, die versuchen,
dieses Problem als Chance für die Grenzregionen zu be-
greifen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422308700
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Brüderle.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1422308800
Frau Staatssekretärin, Sie
sagten eben, dass Oberfranken eigenständig über die För-
dermittel disponieren kann. Angesichts der Tatsache, dass
solche Fördermittel in Brüssel notifiziert werden müssen
bzw. der Beihilfenkontrolle der EU unterliegen, frage ich
Sie: Worin genau besteht die Eigenständigkeit in der Dis-
position der Mittel?

M
Margareta Wolf-Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422308900
Es handelt sich
um das Programm „Interreg III A“. Dies ist ein Pro-
gramm, das EU-Fördermittel zur Verfügung stellt. Es zielt
auf Bayern und Tschechien. Bayern kann eigenständig
Fördermittel aus diesem Programm in einer Größen-
ordnung von 63,8 Millionen Euro beantragen.


(Abg. Rainer Brüderle [FDP] meldet sich zu einer weiteren Zusatzfrage)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422309000
Sie haben
leider keine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Brüderle.

Deswegen rufe ich jetzt die Frage 8 des Kollegen
Jochen-Konrad Fromme auf:

Hat die Bundesregierung ihre Auffassung zur Notwendigkeit
der Beibehaltung des Gesetzes über die Überführung der Anteils-
rechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter
Haftung in private Hand, „VW-Gesetzes“, die in den letzten
Wochen von Mitgliedern der Bundesregierung, unter anderem
dem Bundeskanzler Gerhard Schröder, immer wieder betont
worden ist, geändert vor dem Hintergrund, dass sie in ihrem
neuen Verhaltenskodex für Vorstände und Aufsichtsräte durch die
Bundesministerin der Justiz, Professorin Dr. Herta Däubler-
Gmelin, die Forderung erhoben hat: „Alle Aktionäre sollen glei-

(Golden Shares)


Die Frage wird von dem Parlamentarischen Staats-
sekretär im Bundesministerium der Justiz, Professor
Dr. Eckhart Pick, beantwortet.

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1422309100
Herr Kollege Fromme, das von
Ihnen angeführte Zitat findet sich in dem von Ihnen ange-
sprochenen Corporate Governance Kodex nicht. Insbe-

sondere enthält der Kodex auch keine Soll-Vorschrift,
etwa zur Abschaffung von Stimmrechtsbeschränkungen
welcher Art auch immer. Folglich haben weder die Bun-
desregierung noch die Kodex-Kommission eine solche
Forderung gegenüber wem auch immer erhoben.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422309200
Zusatzfrage.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1422309300
Herr Staats-
sekretär, können Sie mir erklären, wie dieser Eindruck
durch das Vorstellen des Papiers erzeugt werden konnte?
Wenn die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ dies in einer
Überschrift schreibt, muss dieser Eindruck bei der Prä-
sentation ja entstanden sein.

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1422309400
Herr Kollege, ich kann mir das nur
so erklären, dass aus dem Text des Kodex, der auf der
Pressekonferenz damals vorgestellt worden ist und der
den Redakteurinnen und Redakteuren zur Verfügung
stand, falsch zitiert wurde. Ich darf mir erlauben, diese
Passage – es geht um die Bestimmung 2.1.2 – aus dem
Kodex, den Herr Dr. Cromme gemeinsam mit der Bun-
desministerin der Justiz damals vorgestellt hat, zu zi-
tieren:

Jede Aktie gewährt grundsätzlich eine Stimme. Ak-
tien mit Mehrstimmrechten oder Vorzugsstimmrech-
ten („golden shares“) sowie Höchststimmrechte be-
stehen nicht.

Ich will hinzufügen, dass das eine etwas verkürzte
Darstellung der gegenwärtigen Rechtslage ist. In der
Tat gibt es aufgrund des VW-Gesetzes Stimmrechts-
beschränkungen. Ich denke, dass sich dieser Kodex ins-
besondere auch an künftige Investoren aus dem Ausland
richtet. Insofern wäre die Gewichtung sicherlich
schlecht gewesen, wenn die Kodex-Kommission ge-
sagt hätte, dass es eine einzige Ausnahme, nämlich auf-
grund des VW-Gesetzes das VW-Werk, gibt. Insofern
ist deutlich gesagt worden: Grundsätzlich gibt es im
deutschen Recht keine Höchststimmrechte oder gar
Golden Shares.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422309500
Zweite Zu-
satzfrage.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1422309600
Kann ich da-
von ausgehen, dass Sie sich auf der Ebene der EU – diese
will das ja abschaffen – dafür einsetzen werden, dass das
VW-Gesetz – genauso wie englische Regelungen – bei-
behalten wird?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1422309700
Sie kennen den Standpunkt der Bun-
desregierung. Das VW-Gesetz spielt in diesem Unterneh-
men bzw. Konzern eine große Rolle. Deswegen wird die
Bundesregierung erst dann entsprechende Überlegungen
anstellen, wenn von den Betroffenen selbst dieser Wunsch
an die Bundesregierung herangetragen wird. Ich denke,




Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf
22138


(C)



(D)



(A)



(B)


das ist dieselbe Haltung, die auch die Vorgängerregierung
eingenommen hat.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Ich habe nach Europa gefragt; denn dort kommt der Vorstoß her und nicht von der Belegschaft!)


Herr Kollege, Sie wissen, dass es bei den Initiativen der
Europäischen Kommission insbesondere um diese so ge-
nannten Golden Shares geht. Diese haben eine etwas an-
dere Qualität als das Höchststimmrecht im Rahmen des
– verkürzt ausgedrückt – VW-Gesetzes. Nach diesem
werden die Stimmrechte auf ein Fünftel des Grundkapi-
tals beschränkt. Es handelt sich nicht um eine Blockade,
wie sie etwa durch einen Golden Share entstehen könnte.
Insofern sind die bisherigen Initiativen, die sich zum Teil
gegen Mitgliedstaaten richten, ausschließlich auf diese so
genannten Golden Shares gerichtet.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422309800
Ich danke Ih-
nen, Herr Staatssekretär, und rufe den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft auf.

Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Peter Dreßen auf:
Welche Pflanzenschutzmittel können die gewerblichen An-

bauer von Stachel- und Johannisbeeren im ökologischen und kon-
ventionellen Anbau in Deutschland gegen den falschen und den
echten Mehltau einsetzen, nachdem im Rahmen des Pflanzen-
schutzgesetzes die meisten Pflanzenschutzmittel nicht mehr ein-
gesetzt werden dürfen?

Diese Frage wird durch den Parlamentarischen Staats-
sekretär Dr. Gerald Thalheim beantwortet.

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1422309900
Sehr geehrter Herr Kollege Dreßen, ge-
gen echten Mehltau an Stachelbeeren sind zurzeit
Pflanzenschutzmittel mit den Wirkstoffen Lecithin, also
ein Bioblattmehltaumittel, und Schwefel, also diverse
Netzschwefelpräparate, wie zum Beispiel Netzschwefel,
Stulln, Thiovit und Kumulus WG, zugelassen. Beide
Wirkstoffe stehen auch dem ökologischen Landbau zur
Verfügung.

Gegen echten Mehltau an Johannisbeeren ist zurzeit
kein Pflanzenschutzmittel zugelassen. Am 1. März 2002
ist jedoch eine Genehmigung nach § 18 a des Pflanzen-
schutzgesetzes für das Mittel Discus gegen echten Mehl-
tau an Stachelbeeren und Johannisbeeren erteilt worden.
Ein weiterer Genehmigungsantrag mit der gleichen Indi-
kation ist für das Mittel Vento Spezial eingereicht worden.
Falsche Mehltaupilze an Johannis- und Stachelbeeren ha-
ben nach hier vorliegenden Erkenntnissen bisher keine
wirtschaftlichen Schäden verursacht. Aus diesem Grunde
sind keine Pflanzenschutzmittel gegen den Erreger zuge-
lassen.


(Werner Siemann [CDU/CSU]: Sie hätten gleich den Wissenschaftlichen Dienst einschalten sollen!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422310000
Möchten Sie
eine Zwischenfrage stellen, Herr Kollege Dreßen?


Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1422310100
Ja. – Habe ich Sie richtig ver-
standen, dass jetzt ein Ersatzmittel gegen Mehltau zuge-
lassen ist?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1422310200
Das ist richtig. Um den Zwischenruf auf-
zugreifen: Das ist insofern kein Thema für den Wissen-
schaftlichen Dienst, als mit dem Pflanzenschutzgesetz
von 1998 eine Systemumstellung in Deutschland mit der
Folge wirksam geworden ist, dass für circa 800 Anwen-
dungsgebiete keine Anwendungen möglich waren. Die
Bundesregierung hat sich intensiv bemüht, gemeinsam
mit der Biologischen Bundesanstalt hier für Abhilfe zu
sorgen. Bei rund der Hälfte dieser so genannten Lücken
ist diese Abhilfe erreicht worden. Wir arbeiten mit Nach-
druck daran, bis zum Saisonbeginn eine größere Anzahl
weiterer Lücken zu schließen.


Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1422310300
Ich bin in meiner Frage unter-
brochen worden. Herr Staatssekretär, ich komme zu ei-
nem Punkt, der ebenfalls eine große Rolle spielt. Sie wis-
sen, dass das Pflanzenschutzmittel Lebaycid zum Schutz
der Kirschbäume gegen die Kirschfruchtfliege nicht mehr
zugelassen ist. Die Obstbauern, insbesondere am Kaiser-
stuhl, wo es sehr viele Kirschbäume gibt,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Auch in der Fränkischen Schweiz!)


haben die große Befürchtung, dass sie dann keine Kir-
schen verkaufen können. Wenn sie keine Pflanzenschutz-
mittel mehr spritzen dürfen, dann sind Maden in den Kir-
schen. Es ist aber verboten, Lebensmittel mit Maden in
den Handel zu bringen. Gibt es hier eine ähnliche Lösung
wie bei den Stachelbeeren?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1422310400
Nein, eine ähnliche Lösung wie bei den
Stachelbeeren gibt es gegenwärtig nicht. Diese Anwen-
dung bei der Kirschfruchtfliege gehört zu den schwierig
zu schließenden Lücken. Das Problem besteht zum Ersten
darin, dass es keinerlei biologische Möglichkeiten gibt,
die Kirschfruchtfliege zu bekämpfen. Zum Zweiten haben
wir in Deutschland nur noch ein Präparat zugelassen, das
im Gegensatz zu anderen Mitbewerbern, zum Beispiel
Frankreich, viel längere Wartezeiten vorsieht. Zum Drit-
ten ist das Präparat Lebaycid aus Gründen des Umwelt-
schutzes verboten worden.

Die Biologische Bundesanstalt hat allerdings die Mög-
lichkeit, bei Gefahr im Verzuge, das heißt beim Nachweis,
dass gehandelt werden muss, im Ausnahmefall eine Zu-
lassung auszusprechen.


Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1422310500
Ich wollte noch einmal nachfra-
gen, ob die Bundesregierung beabsichtigt, bei Gefahr im
Verzuge dieses Mittel zuzulassen. Es ist unehrlich gegen-
über anderen Ländern, in denen man wie in Frankreich
sieben Tage und bei uns 21 Tage vor der Ernte mit dem
Dimethoat spritzen darf.




Parl. Staatssekretär Dr. Eckhart Pick

22139


(C)



(D)



(A)



(B)


Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1422310600
Mit der Verabschiedung des Pflanzen-
schutzgesetzes 1998 hat der Gesetzgeber ein zum Teil
über den anderen Mitgliedsländern der Europäischen
Union liegendes Schutzniveau in Deutschland festge-
schrieben. Insofern ergeben sich aus der rechtlichen Um-
setzung dieses hohen Schutzniveaus Unterschiede in der
Pflanzenschutzmittelanwendung in den Ländern der Eu-
ropäischen Union.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422310700
Kollege
Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1422310800
Herr Staatssekretär,
könnten Sie noch einmal die Bedingungen erläutern,
unter denen in Deutschland – der Kollege Dreßen hat
vom Kaiserstuhl gesprochen, aber auch die Fränkische
Schweiz ist eines der größten Kirschanbaugebiete in der
Bundesrepublik – eine solche Ausnahmegenehmigung bei
Gefahr im Verzuge für den Einsatz von wirksamen Be-
kämpfungsmitteln gegen die Kirschfruchtfliege erteilt
werden kann?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1422310900
Gefahr im Verzuge besteht insofern, als
wir außer diesem einen Präparat Lebaycid über keine
anwendbaren Alternativen verfügen. Daher bedarf es der
Antragstellung und des Hinweises, dass dieser Schadens-
erreger – in diesem Fall konkret die Kirschfruchtfliege –
in dieser Region und in diesem Jahr besonders stark auf-
tritt und Schädigungen der Kirschen zu erwarten sind. In
der Regel können das die Behörden vor Ort erfassen und
belegen. Damit wäre die Handlungsmöglichkeit für die
Biologische Bundesanstalt gegeben.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422311000
Kollege
Weiß.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1422311100
Herr
Staatssekretär, nachdem bekannt ist, dass etliche Lücken
im Pflanzenschutz nicht geschlossen werden können und
dass zum Beispiel zur Bekämpfung des Feuerbrandes
nichts Adäquates zur Verfügung steht, nachdem bekannt
ist, dass zur Bekämpfung der Kirschfruchtfliege nichts
Adäquates zur Verfügung steht – denn es ist ja von Ihrem
Hause abgelehnt worden, die Wartezeit für Adimethoat zu
verkürzen, sodass die Kirschen nach Ablauf der Wartezeit
verfault an den Bäumen hängen und nicht mehr geerntet
zu werden brauchen –, frage ich Sie: Ist die Bundesregie-
rung bereit, die Bundesratsinitiative des Landes Baden-
Württemberg, die jüngst eingebracht worden ist, zu un-
terstützen, wonach die Übergangsfristen des § 45 Abs. 1
des Pflanzenschutzmittelgesetzes so geändert werden,
dass an die Stelle des 1. Juli 2001 – dieses Datum ist ja ab-
gelaufen – das neue Übergangsdatum 1. Januar 2005 tritt,
was nach dem EU-Recht möglich wäre und uns helfen
würde, die derzeitigen Lücken im Pflanzenschutz wirk-
sam zu schließen?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1422311200
Die Entscheidung liegt nicht bei der
Bundesregierung, sondern beim Gesetzgeber. Der Deut-
sche Bundestag als Gesetzgeber hat sich eindeutig
geäußert, indem er dem Antrag der Fraktionen der SPD
und des Bündnisses 90/Die Grünen zugestimmt hat, wo-
nach ein einfaches Zurückfahren auf die Situation vor
dem 1. Juli des vergangenen Jahres nicht angezeigt ist,
weil es auf der einen Seite gelungen ist, eine ganze Reihe
der bestehenden Lücken – ich habe bereits Zahlen ge-
nannt; von ehedem 800 hat man für 500 Anwendungsge-
biete eine Entscheidung getroffen – zu schließen, und es
zum anderen für das Offenbleiben bestehender Lücken
gute Gründe gibt. Das heißt: Das Adimethoat – um bei
diesem Beispiel zu bleiben – ist ein Insektizid, das zu den
Phosphorsäureesthern gehört, mit erheblicher Giftigkeit;
ich will das einmal so platt sagen. Wir gehen davon aus,
dass die Anwendung dieses Präparats im nächsten Jahr in
ganz Europa generell verboten wird. Es macht deshalb
wenig Sinn, aus Gründen des vorsorgenden Verbraucher-
schutzes einen generellen Freibrief zu geben und am Ende
auf die Situation des vergangenen Jahres zurückzufallen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422311300
Ich danke
Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums der Finanzen, die Fragen 27 und 28 des Kolle-
gen Heinz Seiffert und die Fragen 29 und 30 des Kollegen
Hansgeorg Hauser, werden schriftlich beantwortet.

Da aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Arbeit und Sozialordnung nur eine Frage zur Beant-
wortung ansteht – die Frage 31 des Kollegen Benno
Zierer, die Fragen 33 und 34 des Kollegen Johannes
Singhammer und die Fragen 35 und 36 des Kollegen
Dr. Peter Ramsauer werden schriftlich beantwortet –,
ziehe ich diesen Geschäftsbereich vor.

Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Jochen-Konrad
Fromme auf:

Sieht die Bundesregierung konkrete Einspareffekte allein
durch eine Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozial-
hilfe, und wenn ja, in welcher Höhe werden sie eintreten?

Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-
sekretär Gerd Andres zur Verfügung.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422311400
Herr Abgeordneter Fromme,
Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Übergreifendes Ziel
aller Reformbestrebungen ist es, Langzeitarbeitslosigkeit
durch Vermittlung in dauerhafte Beschäftigung zu überwin-
den. Des Weiteren muss eine Neustrukturierung der Leis-
tungen zu einem Abbau administrativer Doppelstrukturen
führen. Die Entscheidung, ob sich diese Hauptziele einer
Reform besser durch eine Harmonisierung und Optimie-
rung der beiden Leistungssysteme oder durch deren Ver-
schmelzung erreichen lassen, ist in dem bevorstehenden
umfangreichen Diskussionsprozess zu klären.

Im Rahmen dieses Diskussionsprozesses sind eine
Vielzahl von finanzpolitischen, sozialpolitischen, verfas-






(C)



(D)



(A)



(B)


sungsrechtlichen und organisatorischen Problemen zu
lösen. Ich gehe davon aus, dass durch Synergieeffekte
Einsparungen erzielt werden. Die Neuordnung muss sich
gesamtwirtschaftlich rechnen. Zugleich müssen die da-
raus resultierenden Finanzverteilungseffekte ausgewogen
sein. Die genauen Finanzierungseffekte sind vom Inhalt
der Neustrukturierung abhängig und können zum gegen-
wärtigen Zeitpunkt noch nicht quantifiziert werden.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422311500
Zusatz-
frage?


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1422311600
Herr Staats-
sekretär, geben Sie mir Recht, dass, wenn der Bundes-
finanzminister im Zusammenhang mit dem Sparkonzept
zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien diese Maßnahme
an erster Stelle nennt, der Verdacht auf der Hand liegt, im
Bundeshaushalt solle an dieser Stelle kräftig gespart
werden?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422311700
Herr Abgeordneter
Fromme, einen Verdacht kann ich weder bestätigen noch
ausräumen. Es ist Ihre Angelegenheit, wie Sie etwas be-
werten. Der Bundesfinanzminister ist zurzeit dabei, eine
Kommission zu installieren, die sich insbesondere mit der
kommunalen Finanzsituation auseinander setzt. Dass da-
bei beispielsweise Fragen der Ausgaben für die Sozial-
hilfe eine Rolle spielen, ist klar. Aber mit der Frage, ob
man Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe entweder anders
miteinander verzahnt oder auch verschmilzt und mit wel-
chen finanziellen Entwicklungen dabei gerechnet werden
kann, hat das nichts zu tun. Es hängt sehr von der Gestal-
tung ab und davon, welche Maßnahmen durchgeführt
werden, um entsprechende Effekte ausweisen zu können.
Danach haben Sie schließlich gefragt.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1422311800
Wie ich Sie
jetzt verstehen muss, sind durch die organisatorische Zu-
sammenlegung allein keine Einsparungen zu erzielen,
sondern es müssen andere Maßnahmen damit verbunden
werden. Können Sie wenigstens das bestätigen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422311900
Nein, Herr Abgeordne-
ter Fromme. Man muss das Problem sehen, das sich
dahinter verbirgt. Auf der einen Seite gibt es die Arbeits-
losenhilfe, die durch das SGB III garantiert ist und durch
den Bund finanziert wird. Auf der anderen Seite gibt es
die Sozialhilfe, die über die Sozialhilfeträger – sprich:
überwiegend durch die Länder – finanziert wird. Dabei
handelt es sich um zwei unterschiedliche Systeme. Die
Arbeitslosenhilfe ist in ihrer Ableitung sozusagen eine
Lohnersatzleistung, während die Sozialhilfe das sozio-
ökonomische Lebenshaltungsminimum finanzieren soll.
Schon aus den unterschiedlichen Finanzierungsquellen
und Ableitungen ist erkennbar, welche Probleme sich in
diesem Zusammenhang ergeben.

Was die Schnittmenge angeht, beschränkt sich die Aus-
einandersetzung auf diejenigen, die Sozialhilfe beziehen,

im erwerbsfähigen Alter sind und bei denen Anstrengun-
gen unternommen werden müssten, sie in eine Arbeits-
stelle zu vermitteln bzw. in Arbeit zu bringen, damit der
Bezug von Sozialhilfe wie auch von Arbeitslosenhilfe
entfällt. Es handelt sich also um relativ schwierige Mate-
rien, die man angehen muss und die wir – die Bundesre-
gierung hat bereits angekündigt, dass dies in der nächsten
Legislaturperiode angepackt wird – auch angehen wollen.

Aber solange die Entscheidung, ob beides zusammen-
gelegt werden oder ob eine Zusammenführung im Sinne
einer engen Kooperation erfolgen soll, nicht gefällt ist,
sind über die finanziellen Auswirkungen keine Aussagen
möglich.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422312000
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Dr. Klaus Grehn.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1422312100
Herr Staatssekretär, denkt
die Bundesregierung bei der Zusammenlegung auch an
Alternativen und wäre es für die Bundesregierung eine
Alternative, wenn alles, was den Bereich Arbeitslosigkeit
betrifft und alles, was sich um diesen Bereich rankt,
einschließlich privater Vermittlung, in die Arbeitsverwal-
tung eingeordnet und die Sozialhilfe auf das zurückge-
führt würde, wofür sie ursprünglich gedacht war, nämlich
als Hilfe in besonderen Lebenslagen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422312200
Herr Abgeordneter
Grehn, wenn Sie eben der Zielsetzung zugestimmt haben,
zuallererst Langzeitarbeitslose aus der Arbeitslosigkeit
herauszuführen, dann müssen Sie sehen, dass eines der
Modelle unter anderem darin besteht, beispielsweise Ar-
beitslosenhilfeempfänger, die ergänzende Sozialhilfe be-
kommen, zu betreuen und mit ihnen entsprechend umzu-
gehen. Aus der Arbeit des Ausschusses für Arbeit und
Sozialordnung ist Ihnen bekannt, dass die Bundesregie-
rung gegenwärtig einen Modellversuch mit dem Titel
„MoZArT“ durchführt, in dem die Zusammenarbeit zwi-
schen Arbeitsverwaltung und Sozialhilfeträgern in
30 Modellprojekten in der Bundesrepublik erprobt wird.
Wir haben dafür die rechtlichen Grundlagen geändert,
damit es möglich ist, dass Leistungen aus einer Hand ge-
währt werden, also Arbeitsämter auch die Sozialhilfeleis-
tungen auszahlen können oder Sozialämter die der Ar-
beitslosenhilfe.

Wenn dies systematisch durchdacht wird, erscheint es
in der Tat sinnvoll, darüber nachzudenken, wie man in
einer organisatorischen Einheit für diese Zielgruppe – es
geht nur um Sozialhilfeempfänger, die im arbeitsfähigen
Alter sind, einer Arbeit nachgehen könnten und gleich-
zeitig Bezieher von Arbeitslosenhilfe sind – ein Modell
finden könnte, das ermöglicht, dass die Betreuung aus
einer Hand erfolgt, dass alle Maßnahmen der aktiven
Arbeitsförderung stattfinden und Drehtüreffekte – erst
ist jemand in dem einen Leistungssystem und wird dann
an das nächste weitergegeben – unterbleiben und Ähn-
liches mehr. Darüber wird gegenwärtig diskutiert. Wir
haben zwar angekündigt, dass wir die Systeme stärker
miteinander verzahnen wollen. Aber welche Lösung




Parl. Staatssekretär Gerd Andres

22141


(C)



(D)



(A)



(B)


letztendlich herauskommt, kann ich nicht prophezeien.
Wir denken auch über die Alternativen nach, die Sie ge-
nannt haben.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422312300
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Dr. Ilja Seifert.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1422312400
Herr Staatssekretär, wenn ich
Sie richtig verstanden habe, dann ist die Entscheidung
über die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozial-
hilfe noch längst nicht gefallen. Das veranlasst mich zu
der Frage: Müssten Sie nicht das größte Interesse daran
haben, dass in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck ent-
steht, diese Grundsatzentscheidung ist schon gefallen
– wenn man die Presseberichterstattung verfolgt, kann
man ja fast denken, dass die Zusammenlegung schon mor-
gen erfolgt –, dass vielmehr vermittelt wird, dass zwar
Überlegungen über verschiedene Alternativen der Ver-
zahnung angestellt werden, diese aber nicht unbedingt in
der Überführung der Arbeitslosenhilfe in die Sozialhilfe
enden müssen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422312500
Herr Seifert, Sie haben
Recht, wenn Sie sagen, dass die Entscheidung noch nicht
gefallen sei. Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen,
dass die Bundesregierung immer deutlich gemacht hat,
dass gegenwärtig nur Modellprojekte – diese habe ich
eben genannt – durchgeführt werden und dass man daran
interessiert ist, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe – das
macht ja aus ganz unterschiedlichen Gründen Sinn – stär-
ker miteinander zu verzahnen. Aber die Entschei-
dung über die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und
Sozialhilfe wird erst in der nächsten Legislaturperiode ge-
troffen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422312600
Es gibt
keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Par-
lamentarischer Staatssekretär.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Verteidigung. Die Fragen werden von
der Parlamentarischen Staatssekretärin Brigitte Schulte
beantwortet.

Die Frage 10 des Kollegen Benno Zierer und die Fra-
gen 11 und 12 des Kollegen Jürgen Koppelin werden
schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 13 des Kollegen Albrecht Feibel auf:
Von wann bis wann war Annette Fugmann-Heesing bei der

Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb, GEBB,
beschäftigt und wie hoch war ihr Jahresgehalt?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422312700
Herr Präsident, herzlichen
Dank. – Herr Kollege Feibel, es ist ja nicht das erste Mal,
dass Sie danach fragen. Ich bitte deshalb, die Fragen 13
und 14 im Zusammenhang beantworten zu dürfen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422312800
Herr Feibel,
sind Sie damit einverstanden? – Das scheint der Fall zu
sein. Dann rufe ich auch die Frage 14 des Kollegen
Albrecht Feibel auf:

In welcher Höhe hat die frühere Chefin der GEBB, Annette
Fugmann-Heesing, nach ihrem Ausscheiden eine Abfindung er-
halten?

Bitte, Frau Staatssekretärin.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422312900
Frau Dr. Fugmann-Heesing
war vom 21.August 2000 bis zum 31. Dezember 2001 als
Geschäftsführerin der Gesellschaft für Entwicklung, Be-
schaffung und Betrieb tätig. Im Vorfeld dieser Tätigkeit
hat sie seit Anfang Mai 2000 im Rahmen eines Vorver-
trags die Gründung der GEBB vorbereitet. Wie ich Ihnen
bereits in meinen vorangegangenen Antworten, zuletzt
am 15. Januar 2002, mitgeteilt habe, genießt diese Ge-
sellschaft ein rechtliches Eigenleben, das heißt, die
Gesellschaft ist hinsichtlich gesellschaftsinterner Vor-
gänge wie des Abschlusses und der Auflösung von Ar-
beitsverträgen mit Mitarbeitern selbstständig. Die Gesell-
schaft entscheidet auch, ob und wie sie Einzelheiten
der Arbeitsverträge gestaltet. Dies gilt auch für die Frage
nach einer möglichen Abfindung von Frau Dr. Fugmann-
Heesing.


Albrecht Feibel (CDU):
Rede ID: ID1422313000
Verehrte Kollegin, sind
Sie der Meinung, dass wir bei Einrichtungen, die zu
100 Prozent dem Bund gehören, auf jegliche parlamenta-
rische Kontrolle verzichten können? Denn das, was die
Bundesregierung hier und auch in anderen Bereichen
praktiziert, ist nichts anderes, als ihr Handeln der parla-
mentarischen Kontrolle zu entziehen. Das ist der Grund,
warum ich mit Ihren vorhergehenden Antworten – ver-
ständlicherweise – nicht zufrieden war.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie sollen nur fragen!)


B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422313100
Herr Kollege Feibel, Sie wis-
sen ganz genau, dass ich nicht der Meinung bin, dass dem
Parlament etwas vorenthalten werden soll. Aber es gibt
Spielregeln – an deren Ausgestaltung habe ich ein biss-
chen mitgewirkt –: Die GEBB wird vom Bundesrech-
nungshof kontrolliert. Weder der Bundesrechnungshof
noch wir geben der Öffentlichkeit Auskünfte über einen
solchen persönlichen Bereich, nach dem Sie gefragt ha-
ben. Wenn aber der Bundesrechnungshof die GEBB ge-
prüft hat, dann wird er dem Rechnungsprüfungsausschuss
und dem Haushaltsausschuss entsprechende Informatio-
nen geben.


Albrecht Feibel (CDU):
Rede ID: ID1422313200
Wie erklären Sie sich,
dass der Bundesrechnungshof allein für die Vorprüfung
mehr als ein halbes Jahr benötigt, bevor er die eigentliche
Prüfung vornehmen kann? Wie sollen angesichts der
zeitlichen Verzögerung dieser Prüfung, die ein Ersatz für
die parlamentarische Kontrolle sein soll, noch irgendwel-
che Veränderungen herbeigeführt werden können, wenn




Parl. Staatssekretär Gerd Andres
22142


(C)



(D)



(A)



(B)


es nicht möglich ist, aktuelle Zahlen beispielsweise im
Haushaltsausschuss vorzulegen? Insbesondere Ihr Kol-
lege hat sich geweigert, diese Zahlen im Haushaltsaus-
schuss in nicht öffentlicher Runde bekannt zu geben.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422313300
Herr Feibel, Sie wissen doch
sehr genau, dass es eine ganze Reihe von öffentlichen Un-
ternehmen und Gesellschaften gibt, die nicht in der
Öffentlichkeit darstellen, was die Mitarbeiter verdienen
und was sie beim Ausscheiden aus ihrem Arbeitsverhält-
nis bekommen. Bei uns Bundestagsabgeordneten und
auch bei Parlamentarischen Staatssekretären ist es leicht,
eine solche Information zu erhalten. Jeder kann nach-
lesen, was wir bekommen.

Hier geht es doch um eine andere Frage. Der Rech-
nungshof kann die Angelegenheit prüfen. Sie wissen aus
Ihrer Tätigkeit im Haushaltsausschuss, dass es im An-
schluss an eine Prüfung sehr wohl einen Bericht gibt. Die-
ser geht an den Rechnungsprüfungsausschuss. Die Infor-
mation gegenüber dem Parlament findet allerdings nicht
in der Öffentlichkeit statt. Es gibt also Kontrollmechanis-
men und die müssen Sie nun abwarten.


Albrecht Feibel (CDU):
Rede ID: ID1422313400
Wenn Sie der Auffas-
sung sind, dass diese Kontrollmechanismen ausreichen,
aber gleichzeitig die parlamentarische Kontrolle eigent-
lich bejahen, sehe ich darin einen erheblichen Wider-
spruch, weil Sie nicht bereit sind, den zuständigen Aus-
schuss über die notwendigen Fakten zu informieren.

Das führt natürlich auch zu der Vermutung, dass im
Zusammenhang mit den Privatisierungsabsichten oder
vielleicht auch – das sage ich in Anführungsstrichen –
Pseudo-Privatisierungsabsichten der Gesellschaft für Ent-
wicklung, Beschaffung und Betrieb eine weitere – gestat-
ten Sie mir den Ausdruck – Verdunkelungsgefahr in Be-
zug auf das Regierungshandeln besteht.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422313500
Natürlich weise ich das mit
größter Empörung zurück. Wie Sie, Herr Kollege Feibel,
wissen, werden wir uns in der nächsten Woche im Haus-
haltsausschuss auch mit einigen Initiativen der GEBB be-
schäftigen. Ich darf an Flottenmanagement und an Be-
kleidungsmanagement erinnern. Ich hoffe, wir kommen
dort noch ein Stück voran.

Wenn ich mir Ihre Vita und auch Ihre sonstigen Fragen
ansehe, bin ich mir eigentlich ziemlich sicher, dass auch
Sie ein Interesse daran haben, dass moderne Verwaltung
effizient wird. Den Versuch, mit dieser Gesellschaft auch
in den großen Apparat der Bundeswehrverwaltung Effizi-
enz in Abläufe wie zum Beispiel die Beschaffung hinein-
zubringen, halte ich weiterhin für sehr richtig. Sich dazu
einer Gesellschaft zu bedienen, die nicht nur mit Stellen-
plänen arbeitet, wie beim Einzelplan 14 sonst üblich, halte
ich auch für richtig. Außerdem ist das Recht auf Auskunft
dem Parlament in bestimmten Gremien ja auch vor-
behalten.

Aber augenblicklich ist es ja nicht Ihre Absicht, durch
Ihre Fragen herauszubekommen, wie gut wir das Ganze

organisieren, sondern es interessiert die Leute natürlich
vor allen Dingen, welche Entschädigung die ehemalige
Finanzsenatorin bekommt. Auf die Entschädigung hat sie
einen Anspruch. Wie bei anderen Unternehmen der öf-
fentlichen Hand hat sie aber auch Anspruch auf einen ge-
wissen Schutz und deshalb kann das nicht in der Öffent-
lichkeit dargestellt werden.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Warum verbergen Sie es denn, wenn sie einen Anspruch hat?)


– Ich weiß ja, was Sie möchten. Aber ich halte es einfach
für selbstverständlich, dass es Gremien gibt, in denen sol-
che Fragen intern besprochen werden.


Albrecht Feibel (CDU):
Rede ID: ID1422313600
Die letzte Ausführung
ist Ihre Betrachtung der Dinge. Ich sehe das ein bisschen
anders, das ist auch mein gutes Recht.


(Brigitte Schulte, Parl. Staatssekretärin: Richtig!)


Wenn Sie schon nicht sagen wollen, wie Frau Fugmann-
Heesing für das, was sie geleistet hat, honoriert wurde und
ob sie vielleicht eine Abfindung in der Größenordnung
von ein oder zwei Jahresgehältern bekommen hat, nach-
dem sie ein Jahr beschäftigt war, können Sie vielleicht et-
was anderes ausführen, was uns als Parlamentarier dann
doch etwas beruhigt.

Für Frau Fugmann-Heesing sind Zielvorstellungen
formuliert wurden. Ein Ziel war zum Beispiel, Immobi-
lien in der Größenordnung von 1,5 Milliarden DM zu ver-
äußern, damit Geld in die Kasse der Bundeswehr kommt
– das ist Ihr Anliegen ebenso wie unseres –, und so wenig
Kosten wie möglich zu produzieren. Sind diese Zielvor-
stellungen nach Ihrer Auffassung erreicht worden oder
gibt es ganz erhebliche Abweichungen davon?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422313700
Nein, Herr Kollege. Wir wer-
den in der Tat ein wirtschaftlicheres Vorgehen erreichen.
Auch Sie, Herr Feibel, wissen, dass wir zu viele Liegen-
schaften besitzen, sowohl bebaute als auch unbebaute
Liegenschaften. Es kommt jetzt darauf an, beim Verkauf
solcher Liegenschaften – da wollten wir uns ja der Ge-
sellschaft bedienen – darauf zu achten, dass wir auch ei-
nen angemessenen Preis bekommen. Im Moment ist der
Immobilienmarkt nicht so ideal, um beliebig verkaufen zu
können.

Was die wirtschaftlichen Abläufe betrifft – ich bin gern
bereit, das auch noch einmal öffentlich zu diskutieren –,
so haben wir, seit wir die GEBB gegründet haben, doch
einen Umdenkungsprozess erreicht, der zu Einsparungs-
maßnahmen in der öffentlichen Verwaltung, auch schon
bei der Beschaffung, geführt hat. Die Einsparungen – das
will ich gern zugeben – sind natürlich noch nicht mit
1,5 Milliarden zu quantifizieren. Ich gehöre aber auch zu
denjenigen, die die Meinung vertreten, dass das ein biss-
chen Zeit braucht.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Das ist Ihre Vorgabe!)





Albrecht Feibel

22143


(C)



(D)



(A)



(B)


– Ja, aber ich bin der Meinung, dass wir mehr erreichen
werden. Wir werden in einer größeren Zeitspanne mehr an
Wirtschaftlichkeit erreichen. Ich hoffe, dass wir beide das
in der nächsten Wahlperiode gemeinsam verfolgen können.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422313800
Eine Zusatz-
frage des Kollegen Siemann.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1422313900
Frau Staatssekretärin,
Sie haben uns bestätigt, dass das Haushaltsrecht des Bun-
destags durch die Gründung dieser Gesellschaft, auch der
geplanten Gesellschaften zum Bekleidungsmanagement
und Flottenmanagement, nicht beeinträchtigt wird, wol-
len aber die Fragen des Kollegen Feibel nicht beantwor-
ten. In welchen Ausschüssen – da erbitten wir Ihren Rat –
können wir Antwort auf diese Fragen bekommen?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422314000
Aber lieber Herr Siemann,
ich habe doch gerade dargestellt, dass der Rechnungs-
prüfungsausschuss da ein Element ist und es gewährleis-
tet ist, dass der Bundesrechnungshof prüft.


(Zuruf des Abg. Werner Siemann [CDU/CSU])

– Lassen Sie doch die Leute erst einmal arbeiten! – Ich bin
ziemlich sicher, dass hier nichts anderes interessiert als
eine Zahl, die in der Öffentlichkeit eine Neiddebatte aus-
löst, wobei ich nicht Ihnen unterstelle, eine solche Neid-
debatte beginnen zu wollen, um Gottes willen!


(Werner Siemann [CDU/CSU]: Das wäre auch nicht in Ordnung!)


– Nein. Ich bin mir auch ganz sicher, dass Sie das nicht
wollen. – Hierbei geht es einfach um Abläufe, die wir Ih-
nen darstellen werden.

Ich bin davon überzeugt, dass Frau Fugmann-Heesing
mit der ihr eigenen energischen und durchsetzungsfähigen
Art einiges in Bewegung gebracht hat. Das merkt man
spätestens an den Widerständen, die da gewesen sind.

Lassen Sie uns also in Ruhe abwarten. Für diese Fra-
gen haben wir den Rechnungsprüfungsausschuss. Es gibt
den Bericht des Rechnungshofs. Anschließend besteht
sehr wohl auch die Möglichkeit, das im Haushaltsaus-
schuss des Deutschen Bundestags zu behandeln. Es ist
aber kein Gegenstand öffentlicher Darstellung. Das ist bei
dieser Gesellschaft nicht der Fall und das ist, finde ich,
auch in Ordnung.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422314100
Eine Zusatz-
frage des Kollegen Fromme.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1422314200
Frau Staats-
sekretärin, wären Sie bereit, auch in dieser Gesellschaft
die von der Justizministerin vorgestellten 50 Regeln für
Vorstände und Aufsichtsräte durchzusetzen? Wenn das
geschähe, würde sich das Problem erledigen, weil die Ge-
sellschaft das Ganze von sich aus veröffentlichen würde.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422314300
Das ist eine gute Frage. Ich
finde den Gedanken eigentlich auch gar nicht so unsym-
pathisch. Aber lassen Sie die doch erst einmal ein biss-
chen arbeiten! Gegen die Regeln, die die Justizministerin
aufgestellt hat – sie hat natürlich gedacht, dass das Gehalt
allen bekannt ist –, habe ich nichts. Ich persönlich habe
auch keine Probleme damit, dies den Leuten draußen dar-
zustellen. Mit den Gesellschaften, die wir jetzt für die
Bundeswehr brauchen, betreten wir Neuland. Sie wissen,
dass der Widerstand gegen diese Neuausrichtung in Tei-
len sehr energisch ist, berechtigt, zum Teil aber auch un-
berechtigt.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422314400
Ich rufe die
Frage 15 des Kollegen Martin Hohmann auf:

Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu den Vor-
kommnissen von Drohungen gegen Angehörige bzw. zu Beläs-
tigungen von Angehörigen der in Afghanistan eingesetzten Sol-
daten des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr – Bericht
der Zeitung „Welt am Sonntag“ vom 3. März 2002 – und ins-
besondere dazu, wer dahinter steckt?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422314500
Sehr geehrter Herr Kollege
Hohmann, die Berichterstattung der „Welt am Sonntag“
vom 3. März trifft nach unseren Feststellungen insoweit
zu, als es gegenüber der Ehefrau eines Soldaten des Kom-
mandos Spezialkräfte Belästigungen in Form von Tele-
fonanrufen und von schriftlichen Mitteilungen auf das
Mobiltelefon gegeben hat. Anzeige wurde erstattet. Die
polizeilichen Ermittlungen zu Tätern und Motiven sind
noch nicht abgeschlossen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422314600
Zusatzfrage.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1422314700
Frau Staatssekretärin,
vielen Dank. – Hat es seitdem weitere Vorfälle gegeben
oder ist es bei diesem einen Vorfall geblieben?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422314800
Nach unserer Kenntnis gibt es
keine weiteren Vorfälle. Bundesminister Scharping hat
am letzten Sonntag einen Teil der Frauen getroffen – das
haben wir aus vielerlei Gründen der Öffentlichkeit nicht
vorab bekannt gegeben – und hat erfahren, dass ein guter
Teil der Frauen von dem betroffen war, was ihnen und
ihren Kindern nach der Darstellung in der Öffentlichkeit
an Ausführungen zugemutet wurde. Weitere Vorfälle, bei
denen von draußen auf die Angehörigen eingewirkt
wurde, hat es aber Gott sei Dank nicht gegeben. Aller-
dings sind viele Journalisten in der Region präsent. Sie
versuchen, von den Leuten Storys zu erhalten. Erinnern
Sie sich daran, was los war, als die ersten Soldatinnen in
die verschiedenen Verbände kamen. Eine solche Situation
wollten wir vermeiden. Es handelt sich hierbei um einen
sehr eingegrenzten Personenkreis, dessen Standort be-
kannt ist. Wir appellieren immer wieder an Sie, bei die-
sem Thema zurückhaltend zu sein.




Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte
22144


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422314900
Eine zweite
Zusatzfrage.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1422315000
Gibt es aufgrund des
Einsatzortes des KSK irgendwelche Hinweise oder Ver-
dachtsgründe, dass diese Initiative einen islamistischen
Hintergrund hat?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422315100
Es ist gut, dass Sie mich da-
nach fragen; denn es ist natürlich eine berechtigte Frage.
Einen solchen Zusammenhang können wir heute nicht
nachweisen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine
klare Erkenntnis darüber, dass die Vorfälle damit zusam-
menhängen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422315200
Die Fra-
gen 16 und 17 des Kollegen Günther Friedrich Nolting
werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Werner Siemann
auf:

Wie beurteilt die Bundesregierung den Jahresbericht 2001 des
Beauftragten für Erziehung und Ausbildung beim Generalinspek-
teur und welche Konsequenzen wird sie aus diesem Bericht zie-
hen, insbesondere im Hinblick auf Aussagen wie „Der politischen
Leitung wird mit starken Vorbehalten begegnet“ und „Die Zurück-
haltung der ,Generalität‘ wird zunehmend unverhohlen kritisiert.
Die Truppe steht nicht mehr vorbehaltlos hinter der militärischen
Führung“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 1. März 2002?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422315300
Herr Kollege Siemann, der
Jahresbericht des Beauftragten für Erziehung und Ausbil-
dung beim Generalinspekteur soll dem Generalinspekteur
dazu dienen, Trends und Tendenzen in den Streitkräften
rechtzeitig zu erkennen. Die Aussagen im Jahresbericht
sollten für den Generalinspekteur eine Grundlage zur Be-
wertung der Streitkräfte, für seine Beratung des Bundes-
ministers der Verteidigung und gegebenenfalls auch für
erforderliche Maßnahmen, die dann wiederum für das
Parlament relevant wären, sein.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422315400
Eine Zusatz-
frage.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1422315500
Frau Staatssekretärin,
man kann darüber, dass der Bericht an die Öffentlichkeit
gelangt ist, denken, wie man will; aber er ist in der Öf-
fentlichkeit. Er ist ins Internet gestellt und für jedermann
zugänglich. Auch die Soldaten kennen diesen Bericht.
Was wird die Hardthöhe, der Generalinspekteur und der
Minister, konkret veranlassen, um die Dinge, die in dem
Bericht als Missstände angeprangert werden, zu besei-
tigen?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422315600
Ich habe den Bericht mit
großer Aufmerksamkeit gelesen. Ich muss Ihnen sagen:
Ich halte es im Interesse des Verteidigungsministeriums
für wichtig, dass die Darstellung gemäß dem Blankeneser

Erlass offen und sorgfältig ist. Allerdings habe ich an ei-
nigen Anmerkungen des Berichts Zweifel. Ich beziehe
mich nicht auf die Anmerkungen zur politischen Führung;
als Politiker muss man es ertragen, kritisiert zu werden.
Aussagen in diesem Bericht, dass sich die Soldaten von
ihren militärischen Vorgesetzten so wenig vertreten
fühlen, kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Wir
beide wissen das besser.

Andere Fragen, die in der Tat berechtigte Sorgen wi-
derspiegeln, haben sowohl Regierung als auch Parlament
zu klären.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422315700
Eine zweite
Zusatzfrage.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1422315800
Frau Staatssekretärin,
der besondere Vertrauensverlust der Soldaten in die po-
litische Führung wird gerügt, weil Versprechungen zur
Erhöhung der Attraktivität der Bundeswehr nicht einge-
halten worden sind. Es wird ausgeführt, dass man auf den
Kanzler setze, der die Finanzierung richten werde. Kön-
nen wir davon ausgehen, dass die Finanzierung der Bun-
deswehr nun zur Chefsache wird?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422315900
Wir können sehr wohl davon
ausgehen. Wir haben bereits eine große Anzahl von Be-
förderungsmöglichkeiten geschaffen.

Ich bedauere es sehr, dass auch die Soldaten, die in den
letzten Jahren stärker als je zuvor gefordert waren, von der
Abschaffung der Zulagen aufgrund der allgemeinen Spar-
zwänge betroffen sind. Sie haben das, genau wie ich in der
Vergangenheit, gerügt. Gegenüber dem Innenminister
und dem Finanzminister haben wir uns aber nicht durch-
setzen können. Das gilt sowohl für die Zeit, in der Sie das
Land noch regierten, als auch für unsere Regierungszeit.
Eine weitere Attraktivitätssteigerung hinsichtlich der Be-
förderungsmöglichkeiten werden wir erreichen, sobald
ein Teil der älteren Berufssoldaten aus dem Dienst aus-
scheidet.

Weder konnte die vorangegangene Bundesregierung
alle Wünsche erfüllen noch kann dies diese Bundesregie-
rung. Gemeinsam müssen wir uns darüber Gedanken ma-
chen, ob die Besoldungsstrukturen noch stimmen. Wir
brauchen Bündnispartner: den Innenminister und die Län-
der. Ich bin in der Tat der Meinung, dass wir auf diesem
Gebiet noch mehr tun müssen.

Herr Siemann, einen Teil der Klagen, die ich in dem
Bericht gelesen habe, fand ich doch ein bisschen zu banal.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422316000
Ich rufe die
Frage 19 des Kollegen Werner Siemann auf:

Trifft es zu, dass beim Tornado-Geschwader der Marineflieger
nur sechs von 40 Piloten combat ready – volle Einsatzfähigkeit –
sind, „Der Spiegel“ vom 25. Februar 2002, und falls ja, was wird
dagegen unternommen?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422316100
Die Auswertung der






(C)



(D)



(A)



(B)


Ausbildungsergebnisse 2001 ergab, dass mit Stand vom
1. Januar 2002 sechs von gegenwärtig 40 Einsatzbesat-
zungen den Anforderungen von combat ready genügen,
also den höchsten Einsatzbereitschaftsstatus gemäß
NATO-Standard erreicht haben. 33 Einsatzbesatzungen
verfügen jedoch über den Status limit combat ready und
sind damit natürlich auch einsatzfähig, wenn es darauf
ankommt. Das Tornado-Geschwader der Marine verfügt
damit über 39 Besatzungen, die den Anforderungen für
einen Einsatz nach NATO-Standards gerecht werden.

Mit der im Mai 2002 beginnenden Waffeneinsatzaus-
bildung des Marinefliegergeschwaders 2 auf Sardinien
werden neben den sechs bisherigen Besatzungen elf
weitere Besatzungen den Status combat ready wieder-
erlangen. Somit stehen dem Tornado-Geschwader der
Marine voraussichtlich ab Mai 2002 wieder 17 Besat-
zungen mit dem Einsatzstatus combat ready zur Verfü-
gung.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422316200
Weitere Zu-
satzfrage?


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1422316300
Dann, wenn wieder
17 Maschinen voll zur Verfügung stehen. – Wie lange
wird es dauern, bis alle Besatzungen diesen Einsatzstan-
dard erreicht haben werden?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422316400
Es lohnt, sich einmal den For-
derungskatalog anzusehen, der für combat ready erfüllt
sein muss. Unser Problem war, dass wir im letzten halben
Jahr bestimmte Schießübungen mit der Bordkanone nicht
leisten konnten, weil der Flugplatz in Sardinien für uns
gesperrt war. Wie Sie sich vielleicht erinnern, hatten wir
im Jahr 2000 einen etwas unangenehmen Vorfall auf ei-
nem holländischen Flugplatz, als auf einen Turm ge-
schossen wurde. So waren auch die Holländer nicht son-
derlich angetan von der Idee, alle Übungsabläufe bei
ihnen stattfinden zu lassen.

Ich gehe davon aus, dass wir im Laufe des Jahres 2003
diesen Status erreichen können, wenn nicht Übungsmög-
lichkeiten eingegrenzt werden und damit die Ausbildung
in bestimmten Kategorien verhindert wird. Weiterhin
gehe ich davon aus, dass der Klarstand der Maschinen, der
noch nie so hoch war, wie wir es uns immer wünschen
– das wissen Sie ja auch –, es erlauben wird, dass alle
Ende des Jahres 2003 den entsprechenden Standard er-
reicht haben.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1422316500
Frau Staatssekretärin,
gibt es weitere Einheiten in der Bundeswehr, die, obwohl
sie theoretisch voll einsatzfähig sein sollten, zum gegen-
wärtigen Zeitpunkt unter Berücksichtigung dieser Krite-
rien nicht voll einsatzfähig sind?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422316600
Einsatzfähig sind wir; aber den
höchsten Einsatzstandard haben wir sicherlich auch in an-

deren Verbänden nicht immer. Den haben wir übrigens
noch nie überall und bei allen Besatzungen erreicht.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422316700
Wir sind am
Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Frau
Parlamentarische Staatssekretärin.

Wir haben jetzt noch den Geschäftsbereich des Aus-
wärtigen Amtes und des Bundesministeriums des Innern.
Ich weise darauf hin, dass die Aktuelle Stunde nicht vor-
gezogen wird, falls die Fragestunde früher zu Ende geht,
sondern pünktlich um 15.35 Uhr eröffnet wird.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Zur Beantwortung steht Staatsminister Christoph
Zöpel zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Peter Weiß zum
Thema Einschränkung der öffentlichen Religionsaus-
übung in verschiedenen Ländern auf:

Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung hinsicht-
lich der politischen, wirtschaftlichen und Entwicklungszusam-
menarbeit mit denjenigen Ländern zu ziehen, in denen nach dem
vom Missions- und Hilfswerk Offene Grenzen, Seesen/Harz, ver-
öffentlichten Verfolgungsindex Christen hinsichtlich der Ein-
schränkung der öffentlichen Religionsausübung am stärksten ver-
folgt werden, allen voran in Saudi-Arabien, Nordkorea und Laos?

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1422316800
Sehr geehrter Herr Kollege, die Probleme, die Dis-
kriminierung, die Menschenrechtsverletzungen und teil-
weise auch die Verfolgung, denen religiöse Minderheiten,
darunter auch christliche Gruppen, in vielen Teilen der
Welt ausgesetzt sind, werden von der Bundesregierung
mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Die Regierung hat
in ihrer Antwort vom 22. Dezember 1999 auf die Große
Anfrage Ihrer Fraktion zur Verfolgung von Christen in
aller Welt dargelegt, welchen Ansatz sie grundsätzlich
verfolgt, um Bedrohungen der Religionsfreiheit gerade
auch gegenüber Christen entgegenzutreten. Die Bundes-
regierung geht dabei von einem Ansatz aus, der generell
auf den Dialog zur Förderung rechtsstaatlichen und frei-
heitlichen Denkens abstellt.

Im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammen-
arbeit basieren alle fünf Kriterien zur Bewertung von
Rahmenbedingungen in den einzelnen Partnerländern auf
den Menschenrechten und haben wesentlichen Einfluss
auf die Entscheidung der Frage, ob und wie mit einem sol-
chen Land zusammengearbeitet wird. Defizite sind Ge-
genstand des Politikdialogs. Einen Automatismus, der bei
einem bestimmten Maß von Menschenrechtsverletzungen
bestimmte Sanktionen vorsähe, gibt es sinnvollerweise
nicht. Im Übrigen muss jeder Einzelfall im Gesamtkon-
text geprüft werden.

Von den drei in der vorliegenden Frage genannten Län-
dern ist nur Laos Partnerland der deutschen Entwick-
lungszusammenarbeit. Im Rahmen des politischen Dia-
logs thematisiert die Bundesregierung ihre Besorgnisse
über die Menschenrechtslage. Sie wird dies auch anläss-
lich der anstehenden Regierungsverhandlungen zur wei-
teren entwicklungspolitischen Zusammenarbeit im Som-
mer 2002 tun und auf die Einhaltung der in der laotischen
Verfassung garantierten Religionsfreiheit drängen. Dieser




Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte
22146


(C)



(D)



(A)



(B)


Dialog im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ist
der geeignete Rahmen, auf Fortschritte in dem hier ange-
sprochenen Bereich hinzuwirken.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1422316900
Zusatzfrage.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1422317000
Herr
Staatsminister, da Sie in Ihrer Antwort auf die Länder ab-
gehoben haben, mit denen wir aktuell staatliche Entwick-
lungszusammenarbeit pflegen, möchte ich Sie fragen: Hat
die Bewertung einzelner Länder als sehr problematische
Länder hinsichtlich der Gewährung von Religionsfreiheit
Auswirkungen auf die politische Zusammenarbeit zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland, für deren Außen-
politik Sie und das Auswärtige Amt zuständig sind, und
diesen Ländern oder spielt das in den politischen Bezie-
hungen, zum Beispiel zu Saudi-Arabien, keine Rolle?

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1422317100
Das spielt auch bei den Beziehungen mit den ande-
ren Ländern eine Rolle. Ich habe die Fakten in Bezug auf
das Land, in dem die Diskriminierung von Christen nach
unserem Kenntnisstand am wenigsten systematisch er-
folgt, dargelegt. Wenn es Entwicklungszusammenarbeit
gibt, bestehen am ehesten Möglichkeiten der Einwirkung.

In Nordkorea – um zu den beiden anderen Ländern zu
kommen – gehört es zu den angestrebten Folgen der Wie-
deraufnahme diplomatischer Beziehungen, überhaupt
über diese Problematik reden zu können, und zwar im
Rahmen dessen, was an Gesprächen mit der nordkoreani-
schen Regierung möglich ist; ich sehe, Sie nicken, Herr
Kollege Koschyk. Ich sage das nicht ausweichend, son-
dern das ist ein Faktum.

Saudi-Arabien ist ein Land, das relativ unabhängig ist.
Es hat eine hervorragende ökonomische Grundlage und
spielt eine spezifische Rolle. Es gibt eigentlich nur die
Möglichkeit eines kontinuierlichen Dialogs mit der saudi-
schen Regierung – der von den EU-Botschaftern wahrge-
nommen wird –, damit das Land sich den in den entspre-
chenden Erklärungen der Vereinten Nationen festgelegten
Grundsätzen annähert.


(V o r s i t z : Vizepräsidentin Petra Bläss)

Daneben gibt es – das liegt schon an der Grenze des-

sen, was sich für die hier öffentlich stattfindende Erörte-
rung eignet – Bemühungen, die private Religionsaus-
übung in diesem Lande, soweit es angesichts der dort
herrschenden Auffassung darüber möglich ist, aufrecht-
zuerhalten.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422317200
Herr Kollege Weiß zu
einer Nachfrage, bitte.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1422317300
Herr
Staatsminister, da Sie zu Recht die Entwicklungszusam-
menarbeit angesprochen haben, möchte ich Sie fragen:
Hat die Bewertung einzelner Länder als besonders pro-
blematisch hinsichtlich der Gewährleistung der freien Re-
ligionsausübung, die Bestandteil der Menschenrechte ist
und damit zu den fünf Kriterien unserer Entwicklungszu-

sammenarbeit gehört, irgendwelche Auswirkungen? Von
den zehn Ländern, in denen Christen nach der von mir zi-
tierten Untersuchung am stärksten verfolgt werden, sind
die Volksrepublik China, Pakistan und Vietnam Schwer-
punktpartnerländer der deutschen Entwicklungszusam-
menarbeit und das von Ihnen bereits angesprochene Laos
ist Partnerland der deutschen Entwicklungszusammen-
arbeit. Spielt es bei der Einordnung und der Fortentwick-
lung der Entwicklungszusammenarbeit irgendeine Rolle,
dass die Religionsfreiheit dort offensichtlich in einem nur
unzulänglichen Maße gewährleistet ist bzw. in einem ho-
hen Maße behindert wird?

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1422317400
In Ihrer Frage haben Sie drei Länder genannt. Sinn-
vollerweise ist die Vorbereitung auf diese drei Länder
konzentriert worden.

Zu Laos ist festzuhalten: In diesem Land ist die Reli-
gionsfreiheit in der Verfassung garantiert. In einzelnen
Provinzen werden christliche Gruppen unter Druck ge-
setzt. Es gibt vor allem dann Probleme, wenn Missionie-
rung festgestellt wird. Zwischen dem Ergebnis, unsere
Position in der Verfassung, in der Rechtsordnung festzu-
schreiben, und einem der Erkenntnis der Botschaften fol-
genden Hinweis in dem entsprechenden politischen Dia-
log gibt es eigentlich nicht viel Konkretes. Ich würde aber
sagen, eine Verschlechterung hinsichtlich der Religions-
ausübung, also eine Abweichung von der Verfassung von
Laos, bei ausdrücklicher Billigung der Regierung hätte
Konsequenzen für die Art und das Ausmaß deutscher Ent-
wicklungshilfe. So wird auch in anderen Fällen von Men-
schenrechtsverletzungen gehandelt.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422317500
Ich rufe jetzt die Fra-
ge 21 des Kollegen Koschyk auf:

Inwieweit hat die Bundesregierung die Empfehlung des polni-
schen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski, die er in seiner
Rede in der Friedrich-Ebert-Stiftung am 6. März 2002 abgegeben
hat (Quelle: „Süddeutsche Zeitung“ vom 7. März 2002), in der
Diskussion über die Benes-Dekrete eine Lösung zu finden, zum
Anlass genommen, dieses Thema mit dem polnischen Staatsprä-
sidenten zu erörtern, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1422317600
Herr Kollege Koschyk, ich bedanke mich für Ihre
Frage. Ich möchte sie beantworten, indem ich das vorlese,
was Präsident Kwasniewski gesagt hat. Vorher möchte ich
zwei Dinge dazu sagen: Wir teilen seine Auffassung. Aber
aus förmlichen Gründen ist festzustellen: Formelle Ge-
spräche mit dem polnischen Präsidenten kann nur der Prä-
sident unseres Landes führen. Das Auswärtige Amt kann
nicht auf Fragen antworten, die in den Verantwortungsbe-
reich des Bundespräsidenten fallen.

Ich lese Ihnen nun vor, was Präsident Kwasniewski ge-
sagt hat – wir finden das insgesamt richtig; es entspricht
unserer Politik –:

Der Erweiterungsprozess der EU ist etwas anderes
als die Lösung der Fragen, die ein Erbe des Zweiten
Weltkriegs sind. Es wäre völlig unverständlich, pa-
radox, aber auch gefährlich, wenn es sich herausstel-
len würde, dass auf dem Weg der Erweiterung der




Staatsminister Dr. Christoph Zöpel

22147


(C)



(D)



(A)



(B)


EU die Schatten von Hitler, Benes, Roosevelt,
Churchill und Stalin stehen. Das würde bedeuten,
dass wir uns selbst der Kriegs- und Nachkriegslogik
unterwerfen lassen, die wir eigentlich überwinden
wollen.
Es gibt Probleme – eines wurde gelöst. Ich spreche
hier von den Entschädigungen für die Zwangsarbei-
ter, aber wir haben noch andere Fragen: die Frage des

(ich spreche hier von verschiedenen Ländern)

und die der Gesten gegenüber dieser Gruppe. Dies
sind Fragen, über die wir in einem vernünftigen Dia-
log entscheiden sollen, in einem Prozess, der Zeit in
Anspruch nimmt, aber auch historische Wahrheit
und große politische und soziale Sensibilität fordert.
Ich unterstreiche das noch einmal: Die Schatten die-
ser Menschen, die ich erwähnte, dürfen kein Hinder-
nis im Erweiterungsprozess und auf dem Weg zur
EU darstellen. Ansonsten wird alles zerstört werden,
was uns gelungen ist, bisher zu schaffen.

Wenn es nicht der Präsident eines wichtigen Nachbar-
staates wäre, würde ich sagen: Das könnten auch Vertre-
ter der Bundesregierung gesagt haben.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422317700
Die erste Nachfrage
des Kollegen Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1422317800
Herr Staatsminister,
natürlich ist mir klar, dass es keine direkten Konsultatio-
nen zwischen der deutschen Bundesregierung und dem
polnischen Staatspräsidenten gibt. Aber es hat ja Ge-
spräche auch des Herrn Bundeskanzlers mit dem polni-
schen Staatspräsidenten gegeben. Ist dabei vonseiten der
Bundesregierung der in meiner Frage angesprochene Teil
– der polnische Präsident hat sich nicht nur in dieser Rede,
sondern während seines Deutschlandbesuches verschie-
dentlich zu diesen Fragen geäußert – mit dem polnischen
Präsidenten erörtert worden und wird die Bundesregie-
rung die Anregungen des polnischen Präsidenten bei ihren
weiteren Konsultationen und Kontakten mit der polni-
schen Regierung aufgreifen?

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1422317900
Den ersten Teil Ihrer Frage beantworte ich folgen-
dermaßen: Ich kann es Ihnen korrekterweise nicht sagen.
Die Gespräche mit dem Kanzler, die im Kern Vier-Augen-
Gespräche sind, könnte ich wiedergeben. Aber Fragen zu
Gesprächen auf Präsidentenebene können nach unserer
Verfassung nicht von einem Vertreter des Auswärtigen
Amts beantwortet werden.

Für die Politik der Bundesregierung gilt hinsichtlich all
dieser Fragen, dass es sich im Kern um bilaterale Angele-
genheiten handelt. Wir wollen sie nicht dazu nutzen, die
Verhandlungen über EU-Beitritte zu verzögern. Denn un-
seres Erachtens erleichtert ein erfolgter Beitritt die Erör-
terung all dieser Fragen im europäischen Rahmen.

Bei unserem Gespräch mit allen infrage kommenden
Regierungen betonen wir diesen Grundsatz, sind aber er-
freut darüber, dass vor allem im Rahmen des doch etwas
schwierigeren Verhältnisses zwischen Tschechien und

Deutschland ein europäischer Dialog beginnt. Er zeigt,
dass die Überwindung der Folgen faschistischer – konkret
gesagt: nationalsozialistischer – und kommunistischer
Machtausübungen ein Problem aller Demokratien Euro-
pas ist.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1422318000
Darf ich trotzdem
noch einmal fragen, ob und in welcher Art und Weise die
Bundesregierung den Kerngehalt dieser Äußerungen des
polnischen Präsidenten, denen Sie ja zustimmen, zum Ge-
genstand bilateraler Gespräche mit der polnischen Seite
angesichts dessen machen wird, dass der polnische Präsi-
dent zum Beispiel in einem Interview mit der „Welt“ ge-
sagt hat: „Es gibt die Vertriebenen, die auf eine ehrenvolle
Geste hoffen“? Wird die Bundesregierung mit der polni-
schen Regierung über eine vom polnischen Präsidenten so
genannte „ehrenvolle Geste“, also über den Versuch der
Aufarbeitung des Vertreibungsunrechts, in ein Gespräch
treten?

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1422318100
Herr Kollege, ohne dass dieses in der – bezogen auf
ein korrektes Handeln in der Außenpolitik – notwendigen
Form vom Auswärtigen Amt aufgeschrieben wurde, sage
ich für die politisch Verantwortlichen dieser Regierung:
Ja.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422318200
Ich rufe die Frage 22
des Kollegen Hartmut Koschyk auf:

Mit welchen Ergebnissen hat die Bundesregierung die Situa-

(zum Beispiel in Bezug auf die bevorstehende Volkszählung)

dem polnischen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski the-
matisiert und inwieweit hat die Bundesregierung das bereits ein-
mal gescheiterte und nun erneut in den parlamentarischen Bera-
tungen befindliche Minderheitengesetz angesprochen?

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1422318300
Herr Kollege, das polnische Parlament hat, wie Sie
vermutlich wissen, am 15. Februar 2002 in erster Lesung
über das Gesetz über nationale und ethnische Minderhei-
ten beraten. Im Anschluss wurde der Gesetzentwurf an die
Sejm-Kommission zur weiteren Beratung überwiesen. In
der Debatte im polnischen Parlament unterstützten Ver-
treter verschiedener Minderheiten den Entwurf und hoben
insbesondere lobend hervor, dass damit die in Polen le-
benden Minderheiten einen mit den Regelungen in ande-
ren europäischen Ländern vergleichbaren Schutz erhalten
würden. Im Unterschied zu früheren Legislaturperioden
unterstützt die größte Fraktion im Sejm den Gesetzent-
wurf. Die Bundesregierung sah daher keinen Anlass, den
nun vorliegenden Gesetzentwurf anzusprechen.

Die für den Mai geplante Volkszählung in Polen steht
nach Erkenntnissen der Bundesregierung nicht im Wider-
spruch zu den einschlägigen europäischen Normen. Im
Übrigen ist und bleibt die Bundesregierung mit ihrem
Nachbarn und Partner Polen auch weiterhin auf allen Ebe-
nen in einem intensiven Meinungsaustausch auch über die
Fragen der Förderung nationaler Minderheiten.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422318400
Herr Kollege
Koschyk, bitte die erste Nachfrage.




Staatsminister Dr. Christoph Zöpel
22148


(C)



(D)



(A)



(B)



Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1422318500
Herr Staatsminister,
Sie sagen, dass nach Meinung der Bundesregierung die
für den 20. Mai in Polen anberaumte Volkszählung mit
europäischen Normen nicht in Widerspruch stehe. Ich
habe eine amtliche Übersetzung des Fragebogens in deut-
scher Sprache vorliegen. Demnach sollen die Angaben
nicht anonym, sondern unter Nennung des vollen Namens
gemacht werden.

Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Beantwor-
tung der Frage 16, nämlich welche Nationalität jemand
besitzt und ob er eine andere Staatsangehörigkeit neben
der polnischen besitzt, von den Angehörigen der deut-
schen Minderheit mit gewisser Sorge gesehen wird, weil
sie nicht anonym erfolgen kann?

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1422318600
Dass die deutsche Minderheit mit diesem Gesetz-
entwurf – –


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1422318700
Nicht Gesetzent-
wurf, sondern Fragebogen.

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1422318800
Damit kein Missverständnis entsteht: Der Bundes-
regierung ist bekannt, dass die deutsche Minderheit mit
dieser Volksbefragung einige kritische Fragen verbindet.
Nach unseren Informationen führt aber die polnische Re-
gierung mit der deutschen Minderheit derzeit Gespräche
über diese Thematik. Es ist richtig, dass zunächst einmal
eine innerstaatliche Diskussion erfolgt. Nach unserer
Kenntnis werden diese Gespräche von der deutschen
Minderheit als konstruktiv gewürdigt.

Sie verübeln mir sicher nicht, dass ich jetzt nicht alle
Einzelheiten kenne. Aber ich werde mich persönlich verge-
wissern, ob von der polnischen Regierung und von den Re-
präsentanten der deutschen Minderheit die Gespräche so
geführt werden, dass es von deutscher Seite keinen Grund
gibt, in eine im Prinzip innerstaatliche Angelegenheit
Polens – wenn auch nur ganz behutsam – einzugreifen.

Im Übrigen kann ich feststellen, dass solche Fragen un-
serer Botschaft im Umgang mit der polnischen Regierung
mittlerweile selbstverständlich sind.

Ich danke Ihnen für die Hinweise.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422318900
Ich danke Herrn
Staatsminister Zöpel.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums des Inneren. Zur Beantwortung steht der Herr Par-
lamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Ver-
fügung.

Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Klaus
Hofbauer auf:

Welche Initiativen unternimmt die Bundesregierung, um die
Stellung der Kommunen auf europäischer Ebene zu stärken, ins-
besondere eine Garantie des kommunalen Selbstverwaltungs-
rechts im zu erarbeitenden europäischen Verfassungsvertrag zu er-
reichen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1422319000
Herr Kollege Hofbauer, ich darf
Ihre Frage wie folgt beantworten: Die Bundesregierung
hat sich bereits mehrfach in der Vergangenheit für eine
Stärkung der Kommunen auf europäischer Ebene und zur
Aufnahme des kommunalen Selbstverwaltungsrechts in
die europäischen Verträge, die der Konvent und die Re-
gierungskonferenz 2004 möglicherweise zu einem euro-
päischen Verfassungsvertrag weiterentwickeln werden,
eingesetzt.

Die Bundesregierung ist insbesondere bei folgenden
Gelegenheiten dafür eingetreten: im Rahmen der Regie-
rungskonferenz 1996 mit dem Versuch, das Recht der
kommunalen Selbstverwaltung in den Europäischen Ver-
trägen zu verankern, bei der Konkretisierung des Subsi-
diaritätsprinzips zugunsten der Kommunen und Regio-
nen, bei der Ratifizierung der Europäischen Charta der
kommunalen Selbstverwaltung des Europäischen Rates
vom 15. Oktober 1985 und bei der Sicherung einer ange-
messenen Vertretung der regionalen und lokalen Gebiets-
körperschaften auf europäischer Ebene.

Die Länder und Kommunen haben die Möglichkeit, im
Ausschuss der Regionen ihre Auffassungen auf EU-
Ebene geltend zu machen. Der Vertrag von Nizza hat die
Stellung des Ausschusses der Regionen gestärkt, indem
für seine Mitglieder ein politisches Mandat auf regionaler
oder lokaler Ebene vorgeschrieben wird.

Die Bundesregierung steht einem engen Meinungsaus-
tausch mit den Deutschen, die auch die Kommunen im
Konvent zur Zukunft der EU vertreten, offen gegenüber.
Dies sind namentlich der Ministerpräsident des Landes
Baden-Württemberg, Herr Teufel, der vom Bundesrat ent-
sandt wurde, und als Beobachter für den Ausschuss der Re-
gionen Herr Professor Dammeyer aus Nordrhein-West-
falen. Letzterer ist einer von sechs Beobachtern, die aus
Regional- und Kommunalvertretungen in den Ausschuss
der Regionen gewählt wurden. Die Bundesregierung ach-
tet dabei stets auf die Tatsache, dass die Kommunen staats-
rechtlich den Ländern zugeordnet sind. – Diese Bemer-
kung wollte ich noch pflichtgemäß hinzugefügt haben.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422319100
Nun kommen wir zu
den Nachfragen des Kollegen Hofbauer.


Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1422319200
Herr Staatssekretär,
können Sie mir konkret sagen, welche Schwerpunkte hier
von der Bundesregierung angestrebt werden? Wir müssen
ja feststellen, dass das Europarecht immer mehr in die
Rechte und Aufgaben der Kommunen eingreift, insbeson-
dere in die Finanzhoheit, die Planungshoheit, die Organi-
sationshoheit und die großen Bereiche der Daseinsvor-
sorge. Bei den Gemeinden, Städten und Landkreisen hat
man den Eindruck, dass die Übermacht Europas immer
größer wird. Welche konkreten Ziele streben Sie an, um
die Selbstverwaltung der Kommunen zu stärken und de-
ren Gängelung durch Europa zurückzuschrauben?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1422319300
Herr Kollege Hofbauer, wenn






(C)



(D)



(A)



(B)


man darüber reden will, welche Aufgaben und welche
Aufgabenverluste bei der kommunalen Selbstverwaltung
auftreten, dann muss man eine zweifache Diskussion
führen: einmal in Deutschland selbst die Diskussion da-
rüber, wie sich das Verhältnis des Bundes zu den Ländern
und kommunalen Gebietskörperschaften und das interne
Verhältnis der Länder zu den kommunalen Gebietskör-
perschaften entwickelt haben – der größere Teil dessen,
was Sie eben angesprochen haben, ist Ergebnis der Ent-
scheidungen dieser Ebenen – und zum anderen die Dis-
kussion auf europäischer Ebene, die Sie mit Ihrer Frage in
erster Linie im Auge hatten. Dass wir insoweit unter-
scheiden müssen, hängt ganz entscheidend damit zusam-
men, dass wir in Deutschland mit dem Thema der kom-
munalen Selbstverwaltung sehr gute Erfahrungen
gemacht haben, unsere Strukturen und deren rechtliche
Verankerung – das wissen Sie genauso gut wie ich – in Eu-
ropa aber keine gängige Praxis sind. Deswegen fanden
und finden wir bei Fragen der kommunalen Selbstverwal-
tung auch im Zuge anderer Verhandlungen auf EU-Ebene
fast nur die Unterstützung Österreichs. Auch wenn es
schwierig ist, anderen unsere Strukturen zu vermitteln,
können Sie versichert sein, dass wir uns darum ganz kon-
kret bemühen, weil wir das Gut der kommunalen Selbst-
verwaltung hoch schätzen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422319400
Ihre zweite Frage,
bitte, Herr Hofbauer.


Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1422319500
Ich habe keine weitere
Zusatzfrage.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422319600
Dann rufe ich die
Frage 24 des Kollegen Hofbauer auf:

Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ein Schutz des
kommunalen Selbstverwaltungsrechts im europäischen Verfas-
sungsvertrag in Inhalt und Umfang dem Standard der Garantie des
Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz entsprechen muss, und wenn nein,
warum nicht?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1422319700
Herr Kollege Hofbauer, ich
glaube, diese Frage ist zum Teil in Ihre vorhergehende
Frage eingeflossen und daher schon von mir beantwortet
worden. Ich kann Ihre Frage eindeutig mit Ja beantwor-
ten. Bisher aber hat die Forderung Deutschlands und
Österreichs nach Verankerung des Rechts der Kommunen
auf Selbstverwaltung in den europäischen Verträgen nicht
die Unterstützung anderer Mitgliedstaaten gefunden; der
Diskussionsprozess ist Ihnen bekannt. Ich habe eben be-
reits umrissen, welche Schwierigkeiten hier bestehen.
Dies entbindet uns aber nicht von der Aufgabe, diesen Ge-
danken auch weiterhin in die auf europäischer Ebene ge-
führte Verfassungsdebatte einzubringen. Das entspricht
auch der Art und Weise der Pflege unserer Kontakte.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422319800
Jetzt besteht für den
Kollegen Hofbauer noch einmal die Gelegenheit, eine
Nachfrage zu stellen.


Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1422319900
Herr Staatssekretär,
Sie haben die Problematik aufgezeigt: Die Stellung der
Kommunen ist in den verschiedenen Ländern Europas
sehr unterschiedlich. Wir haben in Deutschland allerdings
gute Erfahrungen mit der starken Stellung der Kommunen
gemacht.

Ich entnehme Ihrer Antwort, dass Sie schon fast resi-
gniert haben, den Standard Deutschlands auf europäischer
Ebene umsetzen zu können. Könnten Sie vielleicht einige
der Vorgaben nennen, die Sie den Mitgliedern des Kon-
vents von deutscher Seite mitgegeben haben bzw. mitge-
ben werden? Und könnten Sie auch die Strategie darstel-
len, wie Sie versuchen wollen, dass die in Deutschland
vorhandenen Grundsätze in den europäischen Verfas-
sungsvertrag aufgenommen werden?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1422320000
Lieber Herr Kollege Hofbauer,
wenn Sie bei mir auch nur an irgendeiner Stelle den Hauch
von Resignation festgestellt haben, so muss ich Sie
korrigieren. Wer mich kennt, der weiß, dass mir dies ab-
solut fremd ist, gerade auch bei diesem Sachverhalt. Ich
habe nur versucht, die Konstellationen realistisch dar-
zustellen.

Ich glaube nicht, dass wir hier in unseren Einschätzun-
gen weit auseinander liegen. Im Grunde genommen sind
wir beide von dem Modell der kommunalen Selbstver-
waltung in Deutschland überzeugt. Wir glauben, es hat
sich bewährt. Dies hängt vielleicht ein wenig mit unserer
Biografie zusammen; denn uns beiden ist das Thema der
Kommunalpolitik nicht fremd.

Ich glaube, man sollte eines beachten: Es geht nicht da-
rum, die Debatte in der Richtung zu führen, dass alle un-
serem Beispiel folgen. Umgekehrt aber muss klar sein
– und zwar auf Grund der Erfahrungen, die wir gemacht
haben –, dass wir unser Modell der kommunalen Selbst-
verwaltung beibehalten.

Sie haben mich auch gefragt, welche Strategie wir ver-
folgen. Ich glaube, dass es ausreicht, wenn man auf die
Erfolgsgeschichte der kommunalen Selbstverwaltung bei
uns verweist. Das dürfte das beste Argument sein.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422320100
Jetzt rufe ich die Fra-
ge 25 des Kollegen Wolfgang Dehnel auf:

Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass laut Be-
richt der Zuwanderungskommission circa 80 Prozent der Antrag-
steller im Asylverfahren keinen Pass vorlegen, und wie hoch
schätzt die Bundesregierung den Anteil an absichtlich verborge-
nen bzw. vernichteten Personaldokumenten ein?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1422320200
Herr Kollege Dehnel, die Schät-
zung, dass etwa 80 Prozent der Antragsteller in Asylver-
fahren keinen Pass oder sonstige Personaldokumente
vorlegen, weil sie solche nicht besitzen bzw. weil sie sie
vernichtet haben oder verbergen, ist nicht neu. Das weiß
jeder, der sich mit dieser Materie beschäftigt.

Diese Angabe stammt aus dem so genannten
Süssmuth-Bericht, der Ihnen bekannt sein dürfte. Die




Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
22150


(C)



(D)



(A)



(B)


Zahl selbst ist durch Mitarbeiter des Bundesamtes, die zur
Geschäftsstelle der unabhängigen Kommission Zuwande-
rung abgeordnet waren, dort eingebracht worden. Sie be-
ruht auf aktuellen Schätzungen des Bundesamtes und sei-
ner Außenstellen.

Wie hoch – das ist mir sehr wichtig – der Anteil an ab-
sichtlich verborgenen oder vernichteten Personaldoku-
menten ist, ist nicht feststellbar. Dies muss man der Fair-
ness halber hinzufügen. Deswegen wäre eine
entsprechende Aussage spekulativ.

Aus der Tatsache aber, dass ein Asylbewerber keine
gültigen Personaldokumente im Asylverfahren vorlegt,
kann nicht ohne Weiteres auf einen Asylmissbrauch ge-
schlossen werden, weil im Falle politischer Verfolgung
der Verfolgerstaat im Zweifel keine zur Ausreise berech-
tigenden Reisedokumente ausstellen wird.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422320300
Bitte, Herr Kollege
Dehnel.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1422320400
Herr Staatssekretär,
Sie sagten, die Zahl in dem Bericht beruhe auf einer
Schätzung. Nach meinem Kenntnisstand steht in dem Be-
richt aber ganz klar und deutlich, dass man davon ausge-
hen kann, dass 80 Prozent der Antragsteller in Asylver-
fahren keinen Pass vorlegen. Auch häufen sich gerade in
der letzten Zeit – das haben Sie vielleicht in den Berliner
Zeitungen gesehen – Inserate, mit denen Pässe aus China,
dem Libanon oder sonst woher gesucht werden. Darin
wird sogar die Passnummer angegeben. Damit wird eine
Mithilfe suggeriert; denn bei Vorlegen eines Passes wird
eine entsprechende Verlängerung des Asylverfahrens ge-
nehmigt. Genau darauf hebt auch der Bericht ab. Sie da-
gegen sagen, das sei alles an den Haaren herbeigezogen
und geschätzt. Man kann doch eigentlich davon ausge-
hen, dass es 80 Prozent der Asylbewerber betrifft, oder
nicht?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1422320500
Lieber Herr Kollege Dehnel,
exakt dieser Frage bin ich natürlich in weiser Voraussicht
nachgegangen: Ich ahnte, dass Sie mir diese Frage stellen
würden.

Ich sage Ihnen ganz offen: Es ist eine Schätzung. Es
gibt beispielsweise auch keine Ergebnisse darüber, wie
hoch die Anerkennungsquote bei diesen geschätzten
80 Prozent der Asylbewerber bzw. den verbliebenen
20 Prozent der Asylbewerber ist. Dazu gibt es keine statis-
tischen Erkenntnisse, keine Zählungen.

Auch über den zweiten Teil, den ich dargestellt habe,
gibt es keine Schätzung. Angesichts dessen werbe ich da-
rum, dann, wenn man solche Zahlen verwendet, immer
auch die Zahlengrundlage zu nennen. Deswegen habe ich
auch meine Quelle und die Fundstelle genannt. Dies ist
mir ganz wichtig. Daraus sollte man – das sage ich in aller
Sachlichkeit – auch keine falschen Schlussfolgerungen
ziehen. Deshalb möchte ich jetzt noch einmal auf den letz-
ten Absatz meiner vorhin gegebenen Antwort hinweisen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422320600
Eine weitere Nach-
frage. Bitte, Herr Kollege Dehnel.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1422320700
Herr Staatssekretär,
sind Sie nicht mit mir einer Meinung, dass der Anteil der-
jenigen, bei denen es – eventuell auch unter Einsatz kri-
mineller Mittel – zu einem Verschwinden des Passes
kommt, dennoch sehr hoch sein muss, auch wenn es sich
um eine Schätzung handelt?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1422320800
Herr Kollege Dehnel, ich will
mich gar nicht darauf fixieren, ob diese Zahl gut oder
schlecht geschätzt ist. Aber die Tatsache, dass diese Zahl
geschätzt ist, also diejenigen, die im Asylverfahren keinen
Pass vorlegen, nicht statistisch erfasst sind, ist schon eine
Aussage für sich.

Viel mehr kommt es mir darauf an, nicht automatisch
die Schlussfolgerung zu ziehen, die Sie etwa in Ihre Frage
hineingelegt haben. Dafür gibt es einen einfachen Grund:
Es gibt keine Belege, keine Fakten, nur eine Schätzung.
Zudem hat derjenige – ich sage das, um einen Eckpunkt
zu setzen –, der politisch verfolgt wird, häufig keinen gül-
tigen Pass mehr. Dies ist unter anderem ein Kennzeichen
politischer Verfolgung. Deswegen muss man mit diesem
Umstand sachgerecht umgehen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422320900
Ich rufe jetzt die
Frage 26 des Kollegen Wolfgang Dehnel auf:

Mit welchen erkennungsdienstlichen Maßnahmen will die
Bundesregierung diesen Verhaltensweisen im Umgang mit dem
Gastrecht entgegenwirken, um die ordnungsgemäße Durchfüh-
rung von Asylverfahren einschließlich zweifelsfreier Identitäts-
feststellung gewährleisten zu können?

Dies ist die letzte Frage, die in der heutigen Frage-
stunde aufgerufen wird. Ich weise jetzt schon darauf hin,
dass wir die Sitzung nicht unterbrechen müssen; denn laut
Plan beginnen wir um 15.35 Uhr mit der Aktuellen
Stunde.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1422321000
Frau Präsidentin, vielleicht haben
Sie schon geahnt, dass ich jetzt eine längere Antwort pa-
rat habe, sodass ich die Zeit voll ausnutzen kann.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422321100
Herr Staatssekretär,
Sie kennen die Spielregeln. Es sollte auch noch die
Chance bestehen, zwei Zusatzfragen stellen zu können.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1422321200
Selbstverständlich.

Nach dem Bericht der unabhängigen Kommission
„Zuwanderung gestalten – Integration fördern“ vom
4. Juli 2001 ist aufgrund fehlender Personaldokumente
eine zweifelsfreie Klärung der Identität und des Verfolg-
tenschicksals im Asylverfahren häufig nicht möglich. Die
Bundesregierung hat deshalb mit dem Gesetz zur
Bekämpfung des internationalen Terrorismus eine gesetz-
liche Grundlage für Sprachaufzeichnungen geschaffen,




Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper

22151


(C)



(D)



(A)



(B)


anhand derer eine identitätssichernde Sprachanalyse zur
Bestimmung des Herkunftsstaates oder der Herkunftsre-
gion durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländi-
scher Flüchtlinge auch gegen den Willen des Betroffenen
erfolgen kann. Bislang waren solche Sprachanalysen nur
mit Zustimmung des Asylbewerbers möglich.

Im Jahre 2000 wurden vom Bundesamt circa
700 Sprachanalysen auf freiwilliger Basis durchgeführt.
Im Jahre 2001 waren es circa 1 000. In etwas über 60 Pro-
zent dieser Fälle konnte ein anderer Herkunftsstaat, als im
Asylverfahren angegeben, der Sprache zugeordnet wer-
den. In etwa 30 Prozent der Fälle wurde das vom Asylbe-
werber angegebene Herkunftsland bestätigt. Für den
Bereich der Sprach- und Textanalyse hat das Bun-
desministerium des Innern in den laufenden Haushalts-
verhandlungen mit dem Bundesministerium der Finanzen
den Sach- und Personaleinsatz für die Haushaltsjahre
2002 und 2003 deutlich erhöht. Künftig sollen Mittel für
rund 15 000 Sprachaufzeichnungen zur Verfügung ge-
stellt werden.

Neben diesen neuen identitätssichernden Maßnahmen
nimmt das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge wie auch schon bisher Lichtbilder und Ab-
drücke aller zehn Finger der Asylbewerber auf. Die inso-
weit gewonnenen Unterlagen können gemäß § 16 Abs. 5
des Asylverfahrensgesetzes zur Feststellung der Identität
oder zur Zuordnung von Beweismitteln für Zwecke des
Strafverfahrens oder zur Gefahrenabwehr verarbeitet und
genutzt werden. Durch diese im Rahmen des Gesetzes zur
Bekämpfung des internationalen Terrorismus erfolgte
Neufassung des § 16 Abs. 5 des Asylverfahrensgesetzes
ist es heute möglich, die Fingerabdrücke von Asylbewer-
bern automatisiert mit dem polizeilichen Tatortspuren-
bestand des Bundeskriminalamtes abzugleichen. Alle er-
kennungsdienstlichen Unterlagen aus dem Asylverfahren
können heute entsprechend der durch das Gesetz zur
Bekämpfung des internationalen Terrorismus erfolgten
Änderungen des besagten § 16 zehn Jahre nach dem un-
anfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens aufbewahrt
werden und stehen somit den Strafverfolgungsbehörden
für längere Zeit zur Verfügung.

Um die Rückführung abgelehnter Asylbewerber zu
verbessern, hat die Bundesregierung mit dem Gesetz zur
Bekämpfung des internationalen Terrorismus darüber hi-
naus die Möglichkeit geschaffen, an Staatsangehörigen
von Staaten, bei denen Rückführungsschwierigkeiten be-
stehen, durch die jeweilige Auslandsvertretung der Bun-
desrepublik Deutschland erkennungsdienstliche Behand-
lungen vorzunehmen. Im Falle der Verschleierung der
Staatsangehörigkeit nach der Einreise in das Bundesge-
biet lässt sich so der Herkunftsstaat zweifelsfrei ermitteln.

Darüber hinaus setzt das Bundesamt für die Anerken-
nung ausländischer Flüchtlinge speziell geschulte Reise-
wegbeauftragte ein, die Asylbewerber vornehmlich aus
herkunftsstarken Ländern auf freiwilliger Basis nach
ihren Reisemodalitäten befragen. Das Bundesministe-
rium des Innern hat in den laufenden Haushaltsverhand-
lungen mit dem Bundesministerium der Finanzen den
Sach- und Personaleinsatz für diesen Bereich für die
Haushaltsjahre 2002 und 2003 verdreifacht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422321300
Sie haben es wirklich
fast geschafft. Ich lasse daher jetzt nur noch eine kurze
Zusatzfrage zu und bitte um eine kurze Antwort.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1422321400
Sie waren ja auch
schon bei uns an der Landesgrenze zu Tschechien. Sie
wissen, dass die Bundesgrenzschützer hervorragende,
aber auch schwierige Arbeit leisten. Wenn Menschen, die
illegal über die Grenze kommen, aufgegriffen werden:
Wie ist dann gewährleistet, dass die Maßnahmen des Er-
kennungsdienstes angewandt werden können? Denn die
Bundesgrenzschützer können nicht wissen, ob es sich um
Terroristen oder Asylbetrüger handelt.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1422321500
Ob es eine hundertprozentige Ga-
rantie gibt, Erkenntnisse über Personen zu bekommen, die
beispielsweise im Zusammenhang mit bestimmten terro-
ristischen Strukturen stehen, will ich einmal dahingestellt
sein lassen. Aber Sie haben an dem Maßnahmenkatalog,
Herr Dehnel, gemerkt, worum es uns geht und welche
Möglichkeiten wir eingeräumt haben, einen Zusammen-
hang herzustellen. Dort, wo Erkenntnisse vorliegen, kön-
nen diese genutzt werden, um beispielsweise jemanden an
der Einreise zu hindern. Auch das ist ein ganz wichtiger
Punkt zur Einreisesituation.

Daher haben wir diese Maßnahmen in dem so genann-
ten Sicherheitspaket 2 vorgesehen. Die Praxis wird zei-
gen, wie wirksam diese Maßnahmen sein werden. Aber
Sie wissen: Dieses Gesetz ist erst seit dem 6. Januar die-
ses Jahres in Kraft.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422321600
Die Fragestunde ist
beendet. Ich bedanke mich bei dem Staatssekretär.

Ich verweise darauf, dass die noch offen stehenden Fra-
gen für den Bereich des Bundesministeriums der Fi-
nanzen und des Bundesministeriums für Arbeit und So-
zialordnung – wie üblich – schriftlich beantwortet
werden.

Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Milliardendefizit in der gesetzlichen Kranken-
versicherung

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin für die
Fraktion der CDU/CSU ist die Kollegin Dr. Sabine
Bergmann-Pohl.


Dr. Sabine Bergmann-Pohl (CDU):
Rede ID: ID1422321700
Frau Prä-
sidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!

Unser Gesundheitssystem leidet. Aus den system-
immanenten Überregulierungen folgt der Zwang zu
ständigen gesetzlichen Nachsteuerungen.

Dies schreibt ein SPD-Gesundheitspolitiker, liebe Frau
Schaich-Walch, am 26. Februar 2002 in seinen elf Thesen




Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
22152


(C)



(D)



(A)



(B)


zur notwendigen Neugestaltung des Gesundheitswesens.
Recht hat er.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dieter Thomae [FDP]: Richtig!)


Aber in der rot-grünen Gesundheitspolitik herrscht Kon-
zeptionslosigkeit.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: In der Tat!)

Die Folgen: Die Beiträge explodieren. Die Ausgaben für
Arzneimittel steigen. In einigen Gebieten Ostdeutsch-
lands ist die Versorgung der Bevölkerung durch zuneh-
menden Ärztemangel ernsthaft gefährdet.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Eine Katastrophe!)

Die Patienten sind unzufrieden. Staatsdirigismus greift
um sich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn Herr Eichel und Herr Riester Geld brauchen,

weil aus Brüssel ein blauer Brief droht, dann wird den So-
zialversicherungssystemen durch Verschiebebahnhöfe
Geld entzogen.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Aber richtig!)

Oder es werden Gesetze wie das Arzneimittelbudgetablö-
sungsgesetz geschaffen, deren In-Kraft-Treten man gar
nicht erst abwartet; denn am nächsten Tag berät man be-
reits das Arzneimittelausgabenbegrenzungsgesetz mit der
umstrittenen Aut-idem-Regelung. Als Novum wird ein
Ablasshandel mit der Industrie vereinbart. Es wird ge-
feilscht wie auf einem Basar.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das muss man sich bei Sozialdemokraten einmal vorstellen!)


Wer wundert sich dann noch, wenn diese Regelung
nicht funktioniert, wenn es an den erforderlichen Daten
fehlt und keiner der Beteiligten, insbesondere ältere Pati-
enten, die getroffene Regelung überhaupt akzeptiert?

Frau Ministerin, es hatte doch alles so gut angefangen.
Mit vollmundigen Ankündigungen, es besser machen zu
wollen,


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Haben wir auch!)


sind Sie vor gut einem Jahr mit einer so genannten Ge-
sundheitspolitik des Vertrauens angetreten. Am 15. Fe-
bruar 2001 haben Sie Folgendes gesagt:

Zu einer Kultur des Vertrauens gehört nicht zuletzt
das Vertrauen in die Berechenbarkeit der Finanzie-
rung des Systems.

Jetzt, gut ein Jahr später, ist das Vertrauen bereits aufge-
braucht. Sie haben durch Ihre Politik und durch die Poli-
tik Ihrer Vorgängerin im letzten Jahr in der gesetzlichen
Krankenversicherung ein Defizit in Höhe von 5,48 Milli-
arden DM verursacht.

Sie waren vor einem Jahr auch mit der Aussage ange-
treten:

Dabei geht es nicht nur um Einzelmaßnahmen, son-
dern wir brauchen ein Gesamtkonzept.

Von diesem Konzept ist bis heute weder etwas zu sehen,
noch sieht man überhaupt einen roten Faden in Ihrer Ge-
sundheitspolitik.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das kann man wiederholen! Das war gut!)


Frau Ministerin, Sie haben aus den Fehlern Ihrer Vor-
gängerin wirklich gar nichts gelernt. Anstatt runde Tische
einzuberufen, hätten Sie an einem Gesamtkonzept arbei-
ten sollen. Statt auf Wünsche von Lobbyisten einzugehen,
hätten Sie die Erfahrungen der Sachverständigen im Ge-
sundheitswesen nutzen sollen. Beratungsresistent haben
Sie und die Koalitionsfraktionen es versäumt, sinnvolle
und vor allen Dingen intelligente Steuerungsmechanis-
men einzuführen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie sind in einen puren Aktionismus verfallen und pro-

duzieren allenfalls Stückwerk, ein Einzelgesetz nach dem
anderen:


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Alles gute Gesetze, Frau Bergmann-Pohl!)


Kassenwahlrecht mit Wechselverbot, Wohnortprinzip mit
unzureichender Vergütung im Osten, eine Aufblähung des
Risikostrukturausgleichs mit weiteren finanziellen Ver-
werfungen,


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Reimporte!)

überstürzte Einführung eines DRG-Systems mit Ver-
schiebebahnhöfen in den ambulanten Bereich – das ist nur
eine kleine Kostprobe dieser vielen Gesetze. Alle diese
Gesetze waren nicht aufeinander abgestimmt.


(Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Wir haben Ihren Reformstau beseitigen müssen!)


Sie lassen eine grundlegende Reform der Krankenversi-
cherung vermissen, Herr Schmidbauer,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

die den Leistungserbringern eine verlässliche Zukunft
und den Patienten die notwendige medizinische Versor-
gung sichert. Defizite und Zweiklassenmedizin sind die
Folgen Ihres Handelns.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Mehr als zwei Klassen!)


Der jetzige Kanzler ist mit dem Slogan angetreten:
„Wir wollen nicht alles anders, aber vieles besser ma-
chen.“


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Wir haben fast alles besser gemacht!)


– Was darunter zu verstehen ist, sehen wir, Frau Schmidt-
Zadel: mehr Arbeitslose mit Firmenpleiten ohne Ende,
durch Reglementierung der Wirtschaft Schlusslicht in Eu-
ropa,


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das muss man sich mal vorstellen!)





Dr. Sabine Bergmann-Pohl

22153


(C)



(D)



(A)



(B)


eine chaotische Gesundheitspolitik und – wie in den Me-
dien zu hören und zu lesen ist – ein Korruptionsskandal
der SPD, der seinesgleichen sucht.


(Zurufe von der SPD: Ah!)

Es wird Zeit, dass Sie abgewählt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422321800
Das Wort hat die Bun-
desgesundheitsministerin Ulla Schmidt.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1422321900
Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
möchte mich zu dem letzten Punkt nicht äußern. Bei man-
chen Dingen hätte man lieber geschwiegen.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Das wäre besser gewesen!)


Die gesetzliche Krankenversicherung hat das Jahr
2001 bei einem Ausgabevolumen von rund 138 Milliar-
den Euro mit einem Defizit von rund 2,8 Milliarden Euro
abgeschlossen. Der durchschnittliche Beitragssatz wird
sich nach dreijähriger Beitragssatzstabilität in diesem
Jahr bei etwas unter 14 Prozent einpendeln.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch nicht!)


Wer bei dieser Zahl von Rekorddefiziten in der gesetz-
lichen Krankenversicherung


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: So ist es!)


oder von einem Rekordanstieg bei den Beitragssätzen
spricht, Frau Bergmann-Pohl, hat vergessen, was in der
Regierungszeit von CDU/CSU und FDP gemacht wurde.


(Beifall bei der SPD – Dr. Dieter Thomae [FDP]: Na! Na!)


Es kann sein, dass Sie ein kurzes Gedächtnis haben: Was
stört mich das, was ich gestern getan habe.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern!)


Wenn wir uns die Rekorddefizite und die Beitragssatz-
entwicklung anschauen, müssen wir feststellen, dass wir
allemal besser waren.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine liebe Kollegin ich sage Ihnen eines: 1992 – Sie
brauchen gar nicht zu lachen – hatten Sie eine Defizit von
4,8 Milliarden Euro bei einem Ausgabevolumen von
108 Milliarden Euro und 1995 ein Defizit von 3,7 Milli-
arden Euro bei einem Ausgabevolumen von 124 Milliar-
den Euro. 1996 – hören Sie zu – hatten Sie ein Defizit von
3,6 Milliarden Euro bei einem Ausgabevolumen von
128 Milliarden Euro. In der Zeit von 1991 bis 1998 stieg
der durchschnittliche Beitragssatz von 12,3 Prozent auf
13,6 Prozent.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Sie sollten auch mal die Zahlen von 1993 und 1998 vorlesen!)


Allein im ersten Jahr Seehofer lag der Anstieg bei 0,7 Bei-
tragssatzpunkten.

Worin bestand Ihre Lösung? Was war das Intelligente,
das Sie immer wieder versucht haben?


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Wir waren ehrlich!)


Sie haben nur eine Antwort gekannt: Beitragssatzer-
höhungen, Leistungsausgrenzungen und immer mehr Zu-
zahlungen der kranken Menschen. Das war ihre einzige
Antwort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dieter Thomae [FDP]: Was planen Sie?)


Mit Ihren Spargesetzen der Jahre 1996 und 1997 haben
Sie durch Zuzahlungserhöhungen und Leistungsausgren-
zungen 6 Milliarden Euro von den Versicherten geholt:


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie haben von Zahlen wirklich keine Ahnung!)


Anhebung der Zuzahlungen bei Arznei-, Heil- und Hilfs-
mitteln, Zahnersatz, Krankenhausbehandlung, Fahrtkosten,
Vorsorge- und Rehamaßnahmen, außerdem die Absenkung
des Krankengeldes, die Ausgrenzung des Zahnersatzes für
Kinder und Jugendliche und den Ausschluss von allen
Präventionsmaßnahmen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das stimmt auch wieder nicht, was Sie sagen!)


Kommen Sie nicht mit dem Argument, dies alles hätte
einem guten Zweck gedient, nämlich dem Aufbau des ost-
deutschen Gesundheitswesens.


(Wolfgang Dehnel [CDU/CSU]: Das ist aber die Wahrheit!)


Das können Sie wiederholen, so oft Sie wollen, meine Da-
men und Herren. Es wird dadurch nicht richtiger.


(Wolfgang Dehnel [CDU/CSU]: Hätten Sie sich mal im Osten umgeschaut!)


Bis 1998 gab es überhaupt keinen Kassenarten übergrei-
fenden West-Ost-Transfer; dennoch ist allein im Westen
der Beitragssatz von 12,2 Prozent auf 13,6 Prozent ge-
stiegen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Wo sind denn die jährlichen 1,2 Milliarden für die Krankenhäuser hergekommen?)


1998 gab es zum ersten Mal einen krankenkasseninternen
Ausgleich.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ist das kein Geld?)


Erst 1999 gab es zum ersten Mal einen auf 1,2 Milliar-
den DM begrenzten Transfer von West nach Ost. Wir ha-
ben die Begrenzung aufgehoben und dafür gesorgt, dass
sich die ostdeutschen Kassen endlich entschulden konn-
ten und dass die Angleichung der Gesundheitssysteme in
Ost und West auf den Weg gebracht werden konnte.


(Beifall bei der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





Dr. Sabine Bergmann-Pohl
22154


(C)



(D)



(A)



(B)


Sie haben nichts für den Osten getan. Sie haben im Wes-
ten Defizite verursacht und die Beitragssätze angehoben
bei immer mehr und höheren Belastungen der Patienten
und Patientinnen. Sie können das Gegenteil so oft wie-
derholen, wie Sie wollen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wenn das stimmen würde, was Sie sagen, dann wäre ja alles in Ordnung!)


Jeder kann in die Gesetze schauen.
Vergessen Sie eines nicht, meine Damen und Herren:

Ich bin gegenwärtig die Ministerin in einem Ministerium,

(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Aber wie lange noch?)


dem Herr Seehofer vorgestanden hat und in dem mir all
das aufgelistet werden kann, was zu Ihren Zeiten passiert
ist. Machen Sie sich darüber keine falschen Vorstellungen!

Angesichts dessen, was wir an West-Ost-Transfer auf
den Weg gebracht haben – wobei es uns gelingt, die ost-
deutschen Kassen zu entschulden – unterstützen Sie die
Klage Ihres Kanzlerkandidaten und anderer CDU-regier-
ter Länder und wollen den Risikostrukturausgleich ab-
schaffen, wodurch die ostdeutschen Kassen wieder in eine
desolate Situation kämen.


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie sagen wieder bewusst die Unwahrheit!)


– Ich sage nicht bewusst die Unwahrheit.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Doch, das sagen Sie! Sie sagen bewusst die Unwahrheit)


Sie wollen das nicht hören. Sie müssen auch einmal zu
Ihren Taten stehen, lieber Herr Kollege,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Und Sie dürfen nicht die Unwahrheit sagen!)


und nicht in dem einen Bundesland das eine sagen und in
dem anderen etwas anderes.


(Beifall bei der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wir heißen doch nicht SPD!)


Zu den Arzneimittelausgaben. Frau Kollegin Bergmann-
Pohl, Sie haben in einem Recht: Zwei Drittel der Mehraus-
gaben und des Defizits sind auch der Steigerung der Arz-
neimittelausgaben geschuldet. Das liegt nicht in erster Linie
daran,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: An Ihren dummen Regelungen!)


dass mehr verordnet wurde – das kann man nachprüfen –,

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ist es!)


sondern es wurden mehr teure Medikamente verordnet.

(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Aha!)


Auch dafür gibt es zwei Gründe. Der eine Grund ist, dass
es wirkliche Innovationen gibt.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Dann war es doch in Ordnung!)


Jeder weiß, dass nur dann geforscht und entwickelt wird,
wenn sich das anschließend auch im Preis niederschlägt;
sonst setzt die Industrie die Forschung nicht fort. Bei
wirklichen Innovationen habe ich nichts dagegen.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Aha! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist doch erfreulich!)


Was aber falsch ist und wo wir ansetzen müssen, ist,
dass viel zu viele teure Arzneimittel verschrieben wurden,
obwohl sie keinen erhöhten therapeutischen Nutzen ge-
genüber anderen Medikamenten haben, die sich bereits
auf dem Markt befinden.


(Beifall bei der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dieter Thomae [FDP]: Wie wollen Sie das denn messen?)


Deshalb kann eine intelligente Arzneimittelpolitik nur bei
der Steuerung ansetzen.

Ich erläutere Ihnen, was wir mit dem Ausgabenbegren-
zungsgesetz auf den Weg gebracht haben – dazu stehe ich
nach wie vor.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Nehmen Sie die Hälfte wieder zurück!)


Erstens. Die Menschen sollen die Innovationen bekom-
men, die sie brauchen, um bisher nicht heilbare Krank-
heiten zu bekämpfen oder auch ihre Lebensqualität zu er-
höhen.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Genau!)

Dafür brauchen wir Geld.

Zweitens. Ich erwarte, dass überall da, wo es medizi-
nisch-therapeutisch gleichwertige Medikamente gibt, die
Ärzte und Ärztinnen das Wirtschaftlichkeitsprinzip be-
achten, weil nur dann sicherzustellen ist, dass auch mor-
gen noch die Menschen die teuren Innovationen ver-
schrieben und von der Kasse ersetzt bekommen.

Drittens. Wir werden neue Arzneimittel danach bewer-
ten, ob sie gegenüber anderen einen erhöhten therapeu-
tischen Nutzen haben.


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Immer mehr Bürokratie!)


Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, das ist
eine Arzneipolitik, die auf Dauer die medizinische Ver-
sorgung der Menschen und hohe Qualität bei bezahlbaren
Preisen sicherstellt. Wir machen damit Schluss mit einer
Politik, die die Probleme in der gesetzlichen Kranken-
kasse nur zulasten der Kranken gelöst hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid][CDU/CSU]: Das ist doch Gesundbeterei, was Sie hier machen!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422322000
Für die FDP-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Dr. Dieter Thomae.


Dr. Dieter Thomae (FDP):
Rede ID: ID1422322100
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Es steht eindeutig fest:




Bundesministerin Ulla Schmidt

22155


(C)



(D)



(A)



(B)


1998, als Sie die Regierung übernommen haben, konnten
die Krankenkassen ein nennenswertes Plus vorweisen.
Heute haben sie – das steht definitiv fest – ein nennens-
wertes Minus.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die medizinische Versorgung ist nicht besser gewor-

den. Aufgrund Ihrer Budgetierungspolitik sind viele Leis-
tungen nicht mehr erbracht worden. Die Mediziner kön-
nen nicht mehr alle Arzneimittel, krankengymnastischen
und logopädischen Maßnahmen verschreiben, weil ihr
Budget erschöpft ist. Daran ändert auch nichts, dass Sie
glauben, mit der Beseitigung des Arzneimittelbudgets sei
das Problem gelöst.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist: Aufgrund Ihrer Bud-

getierungspolitik sinkt der Punktwert. Hier gibt es große
Probleme; denn gerade in den neuen Bundesländern wer-
den viele Praxen nicht mehr besetzt. Darunter leidet die
medizinische Versorgung in den neuen Bundesländern
massiv. Dies haben Sie zu verantworten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie machen nun bestimmte Gruppen für das Defizit der

Krankenkassen verantwortlich. Sie beschimpfen die
Ärzte, weil sie zu viele Arzneimittel verschrieben. Man
muss aber feststellen, dass aufgrund Ihrer strengen
Budgetierung hochinnovative Arzneimittel für chronisch
Kranke über viele Wochen und Monate hinweg nicht ver-
schrieben wurden. Diese leiden am meisten unter Ihrer
Politik. Das, was Sie betreiben, ist schlimmer als eine
Zweiklassenmedizin.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie beschimpfen auch die Krankenkassen, weil diesen

die Verwaltungsausgaben davonliefen. Die steigen in der
Tat. Wenn man aber sieht, welche Einzelgesetze Sie auf
den Weg gebracht haben und welche Auswirkungen diese
auf die Verwaltung der Krankenkassen haben, dann darf
man sich nicht wundern, dass zusätzliche Ausgaben im
Verwaltungbereich getätigt werden.

Sie alle wissen: Wir wollen Disease-Management-Pro-
gramme, aber nicht im Zusammenhang mit dem Risiko-
strukturausgleich. Ihre Konzeption der Disease-Manage-
ment-Programme bedeutet eine nennenswerte Ausweitung
der Verwaltungstätigkeiten der Krankenkassen. Dies hat
mir das Bundesversicherungsamt bestätigt. Ich könnte Ih-
nen noch andere Bereiche nennen, in denen Sie die Ver-
waltungsausgaben der Krankenkassen durch planwirt-
schaftliche Instrumente nach oben treiben. Dafür sind Sie
mit Ihrer Konzeption verantwortlich.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Man ist angesichts der unterschiedlichen Vorschläge

aus Ihren Reihen, was in Zukunft im Rahmen der gesetzli-
chen Krankenversicherung gemacht werden soll, fassungs-
los. Herr Gerster hat Vorschläge gemacht, die in Ihrer Frak-
tion nicht mehrheitsfähig sind. Auch das Bundeskanzleramt
scheint seine eigenen Vorstellungen zu haben. Nur von
der SPD-Bundestagsfraktion höre ich überhaupt nichts.


(Detlef Parr [FDP]: Beton!)


Die Gesundheitsministerin sagt jeden Tages etwas ande-
res. Einmal möchte sie diesen Weg und ein anderes Mal
jenen Weg gehen.

Sie sind stolz auf das Ausgabenbegrenzungsgesetz. Ich
sage Ihnen: Sie werden in zwei Punkten Schiffbruch er-
leiden. Sie werden mit der Aut-idem-Regelung Schiff-
bruch erleiden.


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Das funktioniert jetzt schon nicht!)


Ich sage Ihnen auch voraus: Sie werden das Thema der
Reimporte und der Parallelimporte wieder von der Tages-
ordnung streichen müssen; denn das, was Sie planen, wird
nicht funktionieren. Dann werden die Einsparungen, von
denen Sie träumen, völlig dahin sein.

Die Gesundheitspolitik wird im Kanzleramt und im Mi-
nisterium, aber nicht mehr in der Fraktion gemacht. Es ist
eigentlich sehr bedauerlich, dass sich die Fraktion mit
ihren Konzepten und Vorstellungen nicht durchsetzen
kann. Wir erwarten auch von der SPD-Bundestagsfraktion
eindeutige Konzepte, aus denen hervorgeht, wie sie nach
der Bundestagswahl die Gesundheitspolitik organisieren
will. Dazu hören wir, wie gesagt, nichts. Das ist traurig.

Die Ministerin hat versagt. Wir stehen vor einem
Scherbenhaufen. Es wird Zeit, dass wir Rot-Grün ablösen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422322200
Für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Katrin
Göring-Eckardt.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

entwicklung der GKV – wir haben es bereits gehört –
zeigt natürlich deutlich, dass wir Handlungsbedarf haben.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die Ministerin hat gemeint: nicht!)


Es besteht auch Bedarf für Konzepte über diese Legisla-
turperiode hinaus, die wir als Bundesregierung vorgelegt
haben. Sie, Herr Thomae, haben keinen einzigen Vor-
schlag geliefert. Das ist keine Politik.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Unsere Konzepte sind seit einem Jahr bekannt! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wer regiert denn?)


Wir erwarten von Ihnen keine Konzepte, aber den einen
oder anderen Vorschlag könnten Sie hier schon liefern,
wenn Sie es ernst meinen.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Denken Sie an Thüringen!)


Es ist hier bereits gesagt worden: Die GKV hat in der
Tat mit einem Defizit von 2,8 Milliarden Euro abge-
schlossen. In Westdeutschland lag das Defizit bei über
2,9 Milliarden Euro, im Osten, Herr Thomae, wurde er-
freulicherweise ein Überschuss von 0,12 Milliarden Euro
erzielt.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Aber nicht in Thüringen!)





Dr. Dieter Thomae
22156


(C)



(D)



(A)



(B)


Wenn man die Ursachen dieser Finanzentwicklung be-
urteilen will, muss man genau hinsehen. Man kann Ihnen
den Hinweis nicht ersparen, dass die Ursachen eben wirk-
lich nur zu einem ganz geringen Teil kurzfristig sind. Viel-
mehr liegen sie in Ineffizienzen des Systems, die Sie in
Ihrer Regierungszeit gefördert haben und die nicht
kurzfristig zu heilen sind.


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Wie lange wollen Sie das noch erzählen, Frau Göring-Eckardt?)


Die Opposition betreibt – damit wird sie nicht durch-
kommen – Täuschung der Öffentlichkeit, indem sie die
Ursachen für die Finanzentwicklung der Krankenkassen
einseitig der jetzigen Bundesregierung zuschieben will.
Sie wollen damit von Ihren eigenen Fehlern ablenken. Im
Unterschied zu Ihnen doktern wir nicht kurzfristig an
Symptomen herum, sondern wir sagen sehr klar: Es müs-
sen langfristig Änderungen her.


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Wo sind die denn?)


– Ich werde es Ihnen gleich sagen.
Schauen wir uns doch erst einmal die Rekorddefizite

der Krankenkassen an – sie lagen alle in Ihrer Regie-
rungszeit –: 4,8 Milliarden Euro, 3,7 Milliarden Euro und
3,6 Milliarden Euro in den Jahren 1992, 1995 und 1996.
Gezahlt haben das die Versicherten und die Unternehmen.
Herr Thomae, Sie haben gerade von einem Plus geredet,
das Sie uns übergeben haben. Das war vor allen Dingen
ein Plus, das die Patientinnen und Patienten, die Versi-
cherten, zu zahlen hatten


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wer soll es denn sonst zahlen? – Dr. Dieter Thomae [FDP]: Der heilige Geist?)


mit erhöhten Zuzahlungen, die wir zurückgenommen ha-
ben. Das war richtig. Das Zuzahlungsvolumen der Pati-
entinnen und Patienten ist im Zeitraum von 1991 bis 1998
von 0,6 Milliarden Euro auf 2,8 Milliarden Euro gestie-
gen.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Die Budgetierung ist schlimmer!)


Die rot-grüne Regierung hat das zu Recht zurückgenom-
men. Wir haben zu Recht eine Einschränkung vorgenom-
men, weil wir der Meinung sind, dass die zusätzlichen
Kosten im Gesundheitssystem nicht ausgerechnet auf
dem Rücken der Patientinnen und Patienten ausgetragen
werden können.


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Aut idem erfolgt auf dem Rücken der Patienten!)


Die externen Ursachen durch Kostensteigerungen auf-
grund zunehmender Alterung der Bevölkerung oder durch
medizinischen Fortschritt sind von der Politik nicht be-
einflussbar. Das wissen Sie auch und Sie sollten die Men-
schen nicht für dumm verkaufen.


(Detlef Parr [FDP]: Sie führen die Menschen an der Nase herum!)


Sie wissen sehr wohl, wo welche Ursachen wofür liegen.

Es geht darum, die Verteilung der gesellschaftlichen
Kosten durch die Politik zu steuern. Da haben Sie sich nun
wirklich nicht mit Ruhm bekleckert, gerade die FDP
nicht, die vor allen Dingen Lobbypolitik gemacht hat.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Und noch immer macht! – Dr. Dieter Thomae [FDP]: Die Patienten sind klüger, als Sie denken!)


Eine geplante langfristige Reform und nicht Planwirt-
schaft ist zehnmal besser als Lobbypolitik zum Nachteil
der Versicherten.

Wir betreiben keine Kostenverlagerung zuungunsten
der Patientinnen und Patienten.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie kennen Ihre eigenen Gesetze nicht!)


Der Weg der Konsolidierung der Kassen ist mühsam und
lässt sich nicht von heute auf morgen bewerkstelligen.
Wenn Sie das Gegenteil behaupten, betreiben Sie vor al-
len Dingen Augenwischerei. Es geht um eine langfristige
Reform. Schauen Sie sich an, was beispielsweise im
Krankenhausbereich passiert ist! Dort betrug die Kosten-
steigerung in den Jahren 1991 bis 1995 8 Prozent, in den
letzten drei Jahren hatten wir eine Kostensteigerung von
gerade einmal 1 Prozent.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Ihre Zeit ist abgelaufen!)


Hier wurden in der Tat Wirtschaftlichkeitsreserven er-
schlossen


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das hat mit dem Gesetz nichts zu tun! Das ist noch gar nicht in Kraft getreten!)


und mit dem Fallpauschalengesetz werden wir jetzt eine
langfristige Kostenstabilisierung hinbekommen. Ich kann
Ihnen nur empfehlen: Machen Sie deutlich, dass Sie hier
tatsächlich mit an einem Strang ziehen!


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Aber in die gleiche Richtung!)


Hauptursache für das Defizit ist der Arzneimittelsektor.

(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das stimmt doch gar nicht! Es ist die Grundlohnsummenentwicklung! Keine Ahnung!)


Die Ministerin hat deutlich gesagt, was hierzu zu sagen
ist. In der letzten Zeit sind vor allen Dingen teure
Medikamente ohne einen wirklichen Zusatznutzen ver-
schrieben worden. Dieses Problem packen wir mit dem
neuen Gesetz an. Hier kann man nur sagen: Mehr ist
eben nicht immer mehr. Deswegen machen wir nicht
eine einfache Politik nach dem Motto „Mehr Geld ins
System“


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ihr macht überhaupt keine Politik!)


oder nach dem Motto „Die Versicherten und Patientinnen
und Patienten werden es schon irgendwie bezahlen“, son-
dern wir machen eine Politik


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Nach Chaos!)





Katrin Göring-Eckardt

22157


(C)



(D)



(A)



(B)


nach dem Motto: Langfristige Probleme müssen langfris-
tig gelöst werden.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Tja!)

Deswegen braucht man langfristige Konzeptionen, mit

denen die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen ge-
stärkt wird, die integrierte Versorgung gefördert wird und
das System der Stärkung von Hausärztinnen und Hausärz-
ten gestützt wird.


(Zuruf von der CDU/CSU: Seit drei Jahren läuft nichts!)


Damit kommen wir voran und nicht mit kurzfristiger
Rumdokterei, wie Sie sie jahrelang betrieben haben und
offensichtlich wieder betreiben wollen. Das wird nicht so
kommen. Dafür können die Patientinnen und Patienten
und die Versicherten nur dankbar sein.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422322300
Das Wort hat die Kol-
legin Dr. Ruth Fuchs für die PDS-Fraktion.


Dr. Ruth Fuchs (PDS):
Rede ID: ID1422322400
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren von der CDU/CSU, ich hätte mich regel-
recht gewundert, wenn Sie für heute nicht diese Aktuelle
Stunde beantragt hätten.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: In unserem Land muss wenigstens die Opposition noch funktionieren!)


Das war ein gefundenes Fressen, sozusagen eine Retour-
kutsche zu der Aktuellen Stunde vom letzten Mal. Ich
sage dazu nur: Der Wahlkampf hat begonnen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Deswegen haben Sie ja schon eine rote Jacke angezogen!)


Richtig ist natürlich, dass die wachsenden Defizite in
der gesetzlichen Krankenversicherung ein ernst zu neh-
mendes Problem sind. Richtig ist auch die Feststellung,
dass Verursacher dieses Problems in erster Linie schon die
jetzige Bundesregierung ist. Aber Ihre Kritik, meine Da-
men und Herren von der rechten Seite dieses Hauses, hat
fürmich einen ganz bitterenBeigeschmack, dochdazu spä-
ter. Zunächst einmal möchte ich einige Bemerkungen zu
den gegenwärtigen Defiziten und ihren Ursachen machen.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das ist wichtig!)

Frau Ministerin Schmidt, es ist auch unsere Auffassung

damals gewesen, dass die Aufhebung des Arzneimittel-
budgets und des Kollektivregresses ein notwendiger
Schritt ist, aber wir haben von Anfang an gesagt, dass die
vorschnelle Abschaffung dieser Instrumente, ohne dass
man andere funktionstüchtige Instrumente zur Verfügung
hat, eine Fehlentscheidung ist. Wir sehen jetzt auch, was
dabei herausgekommen ist.

Sie haben das ebenfalls sehr schnell erkannt und haben
sehr aktiv versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben.

Die Festbetragsregelung und das Arzneimittelausgaben-
Begrenzungsgesetz, das Sie auf den Weg gebracht haben,
enthielten aber viele Halbheiten und haben zum Teil sogar
neue Probleme geschaffen. Doch der schwerwiegendste
Fehler der Bundesregierung war unserer Meinung nach,
die Politik der sozialpolitischen Verschiebebahnhöfe
nicht zurückzunehmen, obwohl Sie das vor der Wahl ver-
sprochen haben.

Richtig ist, dass Sie von der früheren Regierung 5 bis
6 Milliarden jährliche Einnahmeverluste der GKV über-
nommen haben


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Na, na, na, Frau Doktor!)


– ja, übernommen haben –, aber Sie haben dann das ge-
naue Gegenteil von dem getan, was Sie gesagt haben. Sie
haben nämlich durch weitere Beschneidung der Bemes-
sungsgrundlagen


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ist es!)

bei den Arbeitslosenhilfebeziehern die Einnahmeseite der
GKV verschlechtert.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Natürlich!)


In dem Wissen um die demographische Entwicklung und
den medizinischen Fortschritt, in dem Wissen darum, dass
der medizinische Bedarf und damit die Ausgabenseite
steigt, und in dem Wissen darum, dass, wie Herr Thomae
vorhin schon gesagt hat, die Grundlohnsumme, gemessen
am Bruttoinlandsprodukt, zurückgeht,


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: So ist es!)

hätten Sie das einfach nicht tun dürfen.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Keine Ahnung von Wirtschaftspolitik!)


Die Hoffnung, dass die Arbeitslosenzahlen zurückgehen
oder dass durch die Gesundheitsreform 2000 von heute
auf morgen Wirtschaftlichkeitsreserven erschlossen wer-
den können – Sie haben den Fehler gemacht, das zu glau-
ben; ohne Zweifel werden dadurch aber nur auf längere
Sicht Wirtschaftlichkeitsreserven erschlossen –, hat sich
nicht erfüllt; es ist eine Hoffnung geblieben. Somit sind
die Defizite in der GKV schon hausgemacht. Die Verant-
wortung dafür hat die rot-grüne Regierung zu tragen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der
CDU/CSU, davon mag man sich eine Art Wahlkampfvor-
teil versprechen, aber ich sage Ihnen: Die Menschen
draußen haben so manches nicht vergessen. Sie sind – wie
man immer so sagt – nicht so dumm, wie man meint. In
diesen Zusammenhang gehört auch, dass die jetzige Re-
gierung in dieser Legislaturperiode insgesamt bestrebt
war, etwas von den Belastungen zurückzunehmen, die die
dritte Stufe der seehoferschen Gesundheitsreform für die
Versicherten gebracht hat. Ich will nur folgende nennen:
steigende Zuzahlungen und Selbstbeteiligung, Leistungs-
kürzungen; ich erinnere nur an die unsägliche Streichung
der Erstattung für Zahnersatz für Kinder und Jugendliche.


(Detlef Parr [FDP]: Alter Hut!)





Katrin Göring-Eckardt
22158


(C)



(D)



(A)



(B)


Vorgesehen war das auch für die gesamte Bevölkerung.
Niemand, so glaube ich, hat auch vergessen, dass Sie Ele-
mente der privaten Krankenversicherung wie Selbstbe-
halte und Beitragsrückerstattung einführen wollten,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


die über kurz oder lang die Substanz des Solidaraus-
gleichs zerstört hätten.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Gestärkt hätten!)

– Lieber Kollege Thomae, ich möchte Sie gar nicht erst an
die Blamage mit dem Krankenhausnotopfer erinnern.


(Detlef Parr [FDP]: Heute holen Sie es sich von den Rentnern!)


Lieber Kollege Parr und liebe Kolleginnen und Kolle-
gen von der CDU/CSU, was ist von Ihnen heute zur Zu-
kunft des Gesundheitswesens zu hören? – Es sind die al-
ten Sprüche, nur ein bisschen weniger klar ausgedrückt.
Sie klingen ein bisschen verschwommener.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nach wie vor sprechen Sie von Eigenverantwortung. Was
ist die Versicherung denn anderes? Aufgrund der Versi-
cherungsbeiträge besteht doch eine hohe Eigenverant-
wortung.

Bei Ihnen sieht das so aus: Die CDU ist für Regel- und
Wahlleistungen, die CSU hat sich zurzeit mehr auf Selbst-
behalte, Kostenerstattung und Systeme der Leistungsab-
wahl durch Versicherte verlegt. Im Klartext heißt das:
Auffrischung der dritten Stufe der Gesundheitsreform und
Zerschlagung des Solidargedankens.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Und die PDS? – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Eine sozialistische Partei! Da kann man nichts Vernünftiges erwarten!)


– Und die PDS? Das habe ich Ihnen, Herr Thomae, doch
schon immer gesagt: Wir sind für Gesundheitsreformen,
die den Solidargedanken erhalten.

Wir haben auch Finanzvorschläge. Nachher gehen wir
hinaus und ich gebe Ihnen unsere Finanzvorschläge.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422322500
Frau Fuchs, Sie müss-
ten jetzt vom Pult weggehen, weil Ihre Redezeit abgelau-
fen ist.


Dr. Ruth Fuchs (PDS):
Rede ID: ID1422322600
Ich habe das Dringendste und
Notwendigste angesprochen. Das Schlimme ist nur, dass
die ganze Debatte, die wir hier führen, Wahlkampf pur ist.
Die tatsächlichen Probleme werden durch solche Aktuel-
len Stunden nicht geklärt und den Menschen draußen, die
unter den Defiziten leiden, hilft unser Gequatsche hier
nicht.


(Beifall bei der PDS – Detlef Parr [FDP]: Dann hätten Sie sich die Rede auch sparen können!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422322700
Das Wort hat der Kol-
lege Dr. Martin Pfaff für die SPD-Fraktion.


Prof. Dr. Martin Pfaff (SPD):
Rede ID: ID1422322800
Frau Präsidentin! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Dass die CDU/CSU dieses Thema
jetzt aufgreift, wundert niemanden.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das ist doch selbstverständlich!)


Das gehört zum Parlamentarismus.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Dass sie das in einem Wahljahr tut, verwundert noch we-
niger. Was aber verwundert und vielleicht auch zu kriti-
sieren ist, ist die Qualität der Argumente, die hier vorge-
tragen werden.

Das Kurzzeitgedächtnis ist wirklich erstaunlich. Die
Ministerin hat darauf hingewiesen – ich sage es noch ein-
mal –: 1992 9,3 Milliarden DM Defizit, 1995 7,1 Milliar-
den DM Defizit, 1996 6,9 Milliarden DM Defizit. Das
sollten Sie zumindest erwähnen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die haben alle dieselben Sprechzettel bekommen!)


Damals gab es noch die D-Mark.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und 1998 ein Plus!)

– Auf 1998 komme ich gleich noch zu sprechen. Ich sage
deshalb: Wer im Glashaus sitzt, sollte wahrlich nicht mit
Steinen werfen.


(Beifall bei der SPD)

In Ihren bisherigen Beiträgen wurde die Gesundheits-

politik auf die Finanzpolitik verkürzt. Den Erfolg der Ge-
sundheitspolitik nur an Defiziten oder Überschüssen zu
messen, wie Sie es tun, ist eine sehr verengte Sicht der
Dinge.

Man muss die Ursachen berücksichtigen: die leider an-
haltende Arbeitslosigkeit; die leider eingetretene kon-
junkturelle Abkühlung; die Steigerung der Einkommen
der Mitglieder um nur 1,6 Prozent; die Fehlsteuerung im
Arzneimittelsektor und – das sage ich frank und frei – die
Verschiebebahnhöfe, die wir von der Vorgängerregierung
geerbt haben,


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Die habt ihr selbst gemacht!)


– ja, sowie die von uns selbst zu verantwortenden Ver-
schiebebahnhöfe. Keiner von uns glaubt doch, dass es
solche Sparaktionen, die auch zulasten der gesetzlichen
Krankenversicherung gehen, gegeben hätte, wenn wir
keine Schulden in Höhe von 1,5 Billionen DM geerbt
hätten.


(Zuruf von der SPD: Das ist der Punkt!)

Viel wichtiger ist noch, dass ein Teil der Ausgaben

durchaus gewollt ist, weil sie die Versorgung verbessern:
Sozio- und Psychotherapie, Prävention, Ausweitung der
Rehamaßnahmen, Patientenförderung, Disease Manage-
ment, Zahnersatz bei Jugendlichen, neu geschaffene




Dr. Ruth Fuchs

22159


(C)



(D)



(A)



(B)


Institutionen der Selbstverwaltung zur Qualitätsverbesse-
rung, Weiterbildung im Bereich der Allgemeinmedizin,
Methadonbetreuung.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Die haben alle die gleichen Sprechzettel bekommen!)


Es gibt auch solche Maßnahmen, die die Verteilungs-
gerechtigkeit erhöht haben: Senkung der Zuzahlung,


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Aber sie bekommen die Leistungen nicht!)


Härtefallregelungen für chronisch Kranke, Neuregelun-
gen bei der Krankenversicherung der Rentner, Abschaf-
fung des Krankenhausnotopfers. Das sind doch qualita-
tive Verbesserungen im System.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb sage ich: Defizite haben eine unterschiedliche
Qualität.

Was man zu Ihrer Klage gegen den Risikostrukturaus-
gleich auch immer sagen mag: Tatsache ist, dass ohne die-
sen die Beitragssätze in Mecklenburg-Vorpommern um
1,5 Prozent höher wären; Tatsache ist auch – das muss
man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen –, dass die
Beitragssätze der AOKen in den neuen Ländern um rund
6 bis 7 Beitragssatzpunkte höher lägen. Selbst in
Baden-Württemberg – –


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Außer Sachsen!)

– Ja, wohlgemerkt außer Sachsen. Das ist völlig richtig.
Selbst in Bayern – auch darauf muss ich hinweisen –
wären die Beitragssätze 1,7 Prozentpunkte höher.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Können Sie mir einen Politiker nennen, der den Ausgleich abschaffen will?)


– Ich sagte ja nicht, dass Sie es abschaffen wollen, ich
sagte nur, dass jeder, der das relativiert, also auch Sie, sich
das vergegenwärtigen muss.

Dann wurde noch der Überschuss des Jahres 1998 an-
gesprochen. Wer nicht darauf hinweist, dass dieser Über-
schuss nur durch erhebliche Leistungskürzungen und eine
enorme Ausweitung der Selbstbeteiligung erzielt werden
konnte, ist unredlich.


(Zurufe von der CDU/CSU)

Die Kürzung von Leistungen, die Erhöhung der Zuzah-
lung – all das ist Kunst der Primitiven; das kann jeder ma-
chen.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Innovationen haben Sie heute nicht mehr!)


Ausgaben einfach auf die Haushalte der Kranken und Al-
ten zu übertragen, das ist in meinen Augen auch kein Aus-
druck von Staatskunst. Das ist der Weg der Privatisierung
und Entsolidarisierung, für genau den Sie im Jahr 1998
die politische Quittung bekommen haben.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Der technische Fortschritt kommt!)


Dazu, dass die Instrumente der Entsolidarisierung
– Selbstbeteiligungen, Kostenerstattung, Beitragsrückge-
währ usw. – in einem früheren CSU-Papier sogar als Aus-
druck von Eigenverantwortung bezeichnet wurden, kann
ich nur sagen: Wer Jahr für Jahr Beiträge zur gesetzlichen
Krankenversicherung gezahlt hat, um im Alter im Krank-
heitsfalle Leistungen in Anspruch nehmen zu können, der
hat wahrlich genügend Selbstverantwortung gezeigt. Des-
halb sind Ihre Vorschläge insbesondere angesichts der Zu-
zahlungen, die von Ihnen verantwortet werden müssen,
und der Tatsache nicht überzeugend, dass in den Jahren,
in denen Sie Regierungsverantwortung getragen haben,
trotz dieser Privatisierungsmaßnahmen die Beitragssätze
um über 2 Prozentpunkte gestiegen sind. Da muss man et-
was sorgfältiger herangehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Seit 1993 doch nicht mehr! Das ist doch eine Lüge!)


Wenn Sie wirklich ernst genommen werden wollen,
dann sollten Sie den Bürgerinnen und Bürgern dieses Lan-
des, während Sie ihnen in die Augen schauen, gleichzei-
tig sagen: Mit uns gäbe es kein Defizit, aber wir hätten
eure Selbstbeteiligungen erhöht, eure Leistungen gekürzt
und trotzdem noch die Beiträge erhöhen müssen. Wenn
Sie in der jetzigen Situation so handeln würden, zeigten
Sie Courage.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das ist nicht die Wahrheit!)


Ansonsten wird Ihre Aufregung schnell als Bestandteil
von Wahlkampfgeplänkel enttarnt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422322900
Der nächste Redner ist
der Kollege Aribert Wolf für die Fraktion der CDU/CSU.


Aribert Wolf (CSU):
Rede ID: ID1422323000
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Die rot-grüne Koali-
tion kann sich bemühen, ihre Gesundheitspolitik schön-
zureden, wie sie will; aber die Fakten sprechen eine an-
dere Sprache.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!)

Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutsch-
land sind zur gleichen Zeit im Gesundheitswesen so viele
negative Faktoren


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Und so viele gute Gesetze!)


zusammengekommen wie unter dieser rot-grünen Bun-
desregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Erstens. Die finanzielle Lage der Krankenkassen ist

desolat: ein Defizit von 2,8 Milliarden Euro! Frau
Schmidt, sagen Sie wenigstens wie der Kollege Pfaff die
Wahrheit, nämlich dass die Krankenkassen beim Regie-




Dr. Martin Pfaff
22160


(C)



(D)



(A)



(B)


rungswechsel ein Plus von 1,1 Milliarden DM aufwiesen,
und reden Sie nicht von Schulden, die Sie übernommen
hätten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dass dieses Defizit kein Pappenstiel ist, Frau Schmidt,

sehen Sie daran, dass der Kollege Eichel, als er den blauen
Brief aus Brüssel angedroht bekommen hat, versucht hat,
die Schuld für das Defizit, das Deutschland zu verzeich-
nen hat, auf die Länder und Kommunen zu schieben. Aber
eigentlich hätte er sich erst einmal Sie, Frau Schmidt, vor-
knöpfen müssen, denn das Minus von 2,8Milliarden Euro
bei den Krankenkassen, das Sie zu verantworten haben,
liegt doppelt so hoch wie das Minus, das alle Gemeinden
in ganz Deutschland aufgehäuft haben. Daran erkennen
Sie, wer die wirkliche politische Verantwortung dafür
trägt, dass sogar Europa die Politik der rot-grünen
Bundesregierung rügt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Sie haben nicht die Wahl gewonnen!)


Zweitens. Herr Pfaff, wir kritisieren nicht nur das fi-
nanzielle Defizit, sondern wir kritisieren auch, dass die
Qualität der Versorgung der Patienten durch die Leis-
tungserbringer, also die Pfleger und die Ärzte, immer wei-
ter zurückgeht, weil der Budgetdruck immer weiter
wächst, Sie aber keinerlei Reformen auf den Weg bringen
wollen. All das hinterlässt seine Spuren.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Demotivierend!)

Wir haben also erstens ein Milliardendefizit, zweitens

eine schlechter werdende Versorgung und drittens Re-
kordbeitragssätze.


(Zuruf von der CDU/CSU: Totaler Wahnsinn!)

Noch nie mussten die Bundesbürger für die gesetzliche
Krankenversicherung so viel bezahlen wie unter dieser
Regierung. Allein im Jahr 2001 sind die Beitragssätze von
13,5 auf 14 Prozent gestiegen.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Wie soll das enden?)


Hinzu kommt noch ein vierter Negativpunkt. Vier Ne-
gativpunkte auf einmal hat es noch nie gegeben. Sie ha-
ben ja noch nicht einmal ein Konzept, wie Sie darauf rea-
gieren wollen.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Chaos!)

Bis jetzt hat jede Regierung, die Defizite und steigende
Beitragssätze feststellen musste, gehandelt. Sie aber sind
nicht einmal in der Lage zu handeln, denn Sie wissen
nicht, was Sie tun sollen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Die Zuzahlungen erhöhen? – Dr. Dieter Thomae [FDP]: Wenn sie handeln, geht es daneben!)


Es stehen weitere dunkle Wolken am Horizont, die den
Kostendruck eher erhöhen werden als etwas Positives er-
warten lassen. Sie wissen alle, wie es um die Entwicklung
der Altersstruktur in unserer Bevölkerung bestellt ist und

was der medizinische Fortschritt, der ja nicht stehen
bleibt, sondern weiter voranschreitet, kostet. Ohne Kon-
zept, nur mit einzelnen Steinchen werden Sie die herein-
stürzenden Wassermassen nicht aufhalten können, son-
dern Sie werden unaufhaltsam hinweggeschwemmt
werden.

Und welche Einzelmaßnahmen das sind! Frau Kolle-
gin Bergmann-Pohl hat sie angesprochen. Während Sie
den Pflegekräften in den Krankenhäusern und auch den
Krankenhausärzten, die alle über eine ungeheure Arbeits-
belastung klagen, keine Perspektive bieten, erlauben Sie
der Pharmaindustrie in einem höchst fragwürdigen Akt,
für 400 Millionen DM ein ihr unangenehmes Gesetz ab-
zukaufen. Damals hat es bereits begonnen, nach Kölner
Klüngel zu riechen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Regina SchmidtZadel [SPD]: Wer Millionen im Sack hat, kann von kölschem Klüngel reden!)


Das sehen auch die Bundesbürger so. Zwei Drittel
äußern sich unzufrieden mit Ihrer Gesundheitspolitik. Es
wird höchste Zeit, dass Sie zugeben, dass Sie die selbst
gesteckten Ziele, die Sie in Ihre Koalitionsvereinbarung
hineingeschrieben haben, bei weitem verfehlt haben.

Wenn man selber keine Konzepte hat, bleibt einem in
der Not nur noch eines – auch das haben Sie hier wieder
eindrucksvoll bewiesen, Frau Schmidt –: Man greift zu
Lügen. Man greift zu der Lüge, dass Bayern den Risiko-
strukturausgleich abschaffen will. Die Wahrheit ist, Frau
Schmidt, dass es eine Klage – nicht ein Gesetz oder der-
gleichen – der Bundesländer Bayern, Baden-Württem-
berg und Hessen beim Bundesverfassungsgericht gibt. Es
soll rechtlich überprüfen, ob es gerecht ist, wie Sie den Ri-
sikostrukturausgleich organisiert haben. Kein Mensch
will die Solidarität zwischen West und Ost abschaffen,
kein Mensch will den Risikostrukturausgleich, den Fi-
nanzausgleich, die Finanzströme zwischen West und Ost
abschaffen. Aber es muss gerecht zugehen, Frau Schmidt.
Das soll das Bundesverfassungsgericht überprüfen, nichts
anderes!


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben nur Angst davor, dass das Gericht feststellt,

dass das, was Sie tun, nicht richtig ist, weil es nicht rich-
tig sein kann, dass eine Kasse mehr Geld aus dem Aus-
gleichstopf bekommt, als sie selber für Leistungen be-
zahlt. Es kann nicht sein, dass jemand, der etwas bezahlt,
mehr gutgeschrieben bekommt, als er tatsächlich bezah-
len muss. Das soll das Bundesverfassungsgericht über-
prüfen. Es kann auch nicht sein – das ist doch keine Soli-
darität –, dass eine Kasse, die wenig Geld hat und hohe
Beitragssätze verlangen muss, einer anderen, die niedrige
Beitragssätze und gefüllte Kassen hat, Unterstützungs-
zahlungen leisten muss.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das ist keine Frage des Ost-West-Ausgleichs, sondern
eine Frage der Gerechtigkeit. Das sehen im Übrigen auch
SPD-Mitglieder so, wie die Vorsitzende des Verbandes
der Angestellten-Krankenkassen, Frau Mönig-Raane vom




Aribert Wolf

22161


(C)



(D)



(A)



(B)


DGB. Sie sagt, dass die Zahlerkassen inzwischen so viel
Geld, vor allem an die Ostkassen, zahlen müssen –


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422323100
Herr Kollege Wolf,
ich muss Sie jetzt leider bremsen, denn Ihre Redezeit ist
abgelaufen.


Aribert Wolf (CSU):
Rede ID: ID1422323200
– ich bin gleich fertig –,
dass die Empfänger ihre Beitragssätze teilweise unter das
Niveau der Zahler senken können. Damit wird – das sagt
ein SPD-Mitglied! – der Grundgedanke der Finanzhilfen
auf den Kopf gestellt.

Ich komme zum Schluss. Es wird Zeit, dass die Ge-
sundheitspolitik in Deutschland wieder in bewährte
Hände kommt, dass wieder ein Bundesgesundheitsminis-
ter Seehofer auf dem Amtssitz Platz nimmt, der von Bun-
deskanzler Stoiber die Ernennungsurkunde erhält.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Was werden Sie in München, Herr Wolf?)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422323300
Die nächste Rednerin
in der Debatte ist die Kollegin Monika Knoche für die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


Monika Knoche (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1422323400

Frau Präsidentin! Herr Kollege Wolf, ich will Ihnen Ihre
bayerisch-landsmännische Vorfreude nicht nehmen, aber
ich glaube, daraus wird nichts werden.


(Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist ja erlaubt, jetzt schon mal in die Vollen zu greifen,
den Wahlkampf zu eröffnen und die Abwahl zu prophe-
zeien. Aber wenn die CDU/CSU das tut, muss sie auch
ihre Alternativen darlegen. Dann muss sie etwas auf den
Tisch legen, sagen, um was es geht, und korrekt kritisie-
ren; denn es geht heute um die Defizite,


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Die sind schlimm!)

die Sie zum Anlass für eine Aktuelle Stunde genommen
haben.

Niemand von Ihnen wird bestreiten, dass es durch die
Arzneimittelausgaben einen beträchtlichen Kostenschub
gegeben hat. Niemand von Ihnen hat kritisiert, dass es im
Krankenhausbereich und im Bereich der ärztlichen Ver-
sorgung zu einer Stabilisierung der Ausgaben gekommen
ist


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Bitte?)

und dass jetzt zusätzlich ein DRG-System etabliert wer-
den wird, das ja nicht ausgabensteigernd wirken wird.
Dazu habe ich keine Kritik von Ihnen gehört. Ich vermute,
wenn Sie an der Regierung wären, würden Sie genau das
Gleiche tun.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


– Ich habe nicht gehört, dass Sie sich grundsätzlich gegen
das DRG-System aussprechen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nein! Nur dagegen, wie ihr es macht!)


– Sei es drum, wir haben sehr stabile Ausgabenblöcke.
Was es erstmalig unter dieser Regierung gibt – auch

das können Sie nicht abstreiten –, ist, dass es im materiel-
len Sinne einen West-Ost-Ausgleich unter den Kassen
gibt, den es so vorher nicht gegeben hat.


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Stimmt nicht! Finanzstärkungsgesetz!)


Es hat jeweils in Ostdeutschland und in Westdeutschland
einen Risikostrukturausgleich gegeben.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: 1,2 Milliarden jedes Jahr war festgelegt!)


Das Zusammenführen des solidarischen Ausgleiches gibt
es erst unter dieser Regierung.


(Zuruf von der FDP: Frau Knoche, Sie müssen die Vergangenheit erwähnen!)


Reden Sie also die Tatsachen nicht weg und sagen Sie
nicht, dass es dies gegeben hat!

Auch die Elemente, die zum Risikostrukturausgleich
neu hinzugekommen sind, tragen dazu bei, die Beitrags-
sätze der einzelnen Kassen entsprechend ihren Versor-
gungsausgaben auszutarieren. Auch hier gibt es bei einer
seriösen Betrachtung nichts, was man von Grund auf kri-
tisieren kann.

Herr Wolf, mich hat etwas verwundert, dass Sie die Fi-
nanzpolitik von Herrn Eichel, die Stabilität des Euro und
den blauen Brief der EU-Kommission im Zusammenhang
mit den gesetzlichen Krankenkassen angesprochen haben.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Da kennen Sie sich nicht aus!)


Vielleicht sollten wir darüber einmal intensiver diskutie-
ren. Meines Erachtens können die Defizite der gesetzli-
chen Krankenkassen nicht direkt in die Staats-
verschuldungsquote eingerechnet werden.


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: O doch! – Leider ja!)


– Moment, dies bezieht sich darauf, dass es keine Finanz-
transfers aus dem Steueraufkommen in die gesetzliche
Krankenversicherung gibt.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Sie haben keine Ahnung!)


Bevor man hier also so lautstark in die Vollen geht, sollte
man diese Besonderheit des deutschen Krankenversiche-
rungssystems beachten und vor diesem Hintergrund vor-
schlagen, wie man im Sinne dieses Systems Lösungen
herbeiführen kann. Meines Erachtens müssten Sie, wenn
Sie so denken, die Debatte darüber eröffnen, ob Sie durch
Steuerzufinanzierungen oder auf andere Art und Weise in-
direkt die Verschuldungsquote reduzieren wollen.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Dann haben Sie keine Ahnung! Reden Sie einmal mit Ihrem Kollegen Metzger!)





Aribert Wolf
22162


(C)



(D)



(A)



(B)


Da Sie einen Rückgriff auf 1998 machen, möchte ich
auf die damalige Finanzsituation hinweisen: Unter
Seehofer hat der Gesetzgeber erstmalig in die Beitrags-
satzstabilität eingegriffen und den Beitragssatz gesenkt,
und zwar zu dem Preis, dass das sich dadurch ergebende
Kostenaufkommen zulasten der Kranken unter den Versi-
cherten im Rahmen von Zuzahlungen externalisiert
wurde.


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Mit Sozialklauseln!)


Es ergab sich eine geschönte Bilanz. Denn Sie haben mit
der Systematik der paritätischen Finanzierung gebrochen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Denken Sie einmal an die Rentenversicherung, was Sie da gemacht haben!)


Aus Ihren früheren Beiträgen – heute haben Sie dazu
nichts gesagt – kann ich nur folgende Alternative erken-
nen: Festschreibung des Arbeitgeberbeitragssatzes und
freies Floaten im Rahmen der Zuzahlungen durch Kranke.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Schon wieder ein neuer Vorschlag von Rot-Grün! – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Kommt das in Ihr Wahlprogramm?)


Das wird kein Werbemoment in Ihrem Wahlkampf sein.
Die Menschen haben genügend schlechte Erfahrungen
gemacht, um zu wissen, was das bedeutet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS – Manfred Grund [CDU/CSU]: Mit der Riester-Rente haben sie besonders schlechte Erfahrungen gemacht!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422323500
Jetzt hat der Kollege
Wolfgang Zöller für die CDU/CSU die Chance zu erwi-
dern.


Wolfgang Zöller (CSU):
Rede ID: ID1422323600
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer dann, wenn Fra-
gen zu den Kosten im Gesundheitswesen gestellt werden,
fällt Rot-Grün nichts anderes ein, als mit Statistiken zu
tricksen. Ich will das gleich belegen; denn trotz aller
Trickserei kommen Sie um folgende Tatsachen nicht
herum:

Erstens. 1998 haben wir eine gesetzliche Krankenver-
sicherung übergeben, die einen Milliardenüberschuss zu
verzeichnen hatte.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Plus!)


Heute steht Rot-Grün vor einer Kassenlandschaft mit ei-
nem Defizit von mehr als 5 Milliarden DM.

Zweitens. Sie tricksen auch mit Ihrer Behauptung, dass
die Stabilität der Beiträge nicht gegeben gewesen sei.
1992 wurde unter Seehofer ein Gesundheitsreformgesetz
– im Übrigen mit den Stimmen der SPD – verabschiedet.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Der Erfolg war, dass von 1993 an die Beiträge – ich nenne
sie einmal: 13,4, 13,2, 13,2, 13,5, 13,5, 13,5 und noch ein-
mal 13,5 Prozent – stabil waren. Wer angesichts dieser
Zahlen nicht von stabilen Beiträgen spricht – es tut mir
Leid –, der will einfach die Statistik fälschen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir kommen jetzt zu einem entscheidenden Punkt. Die

Kollegin Knoche hat gesagt, es gebe stabile Ausgaben-
blöcke. Wenn es also in der gesetzlichen Krankenversi-
cherung stabile Ausgabenblöcke gibt, dann kann nur die
Einnahmeseite das Problem sein. Sie hätten Recht, wenn
Sie das so sehen würden. Das Hauptproblem der letzten
Jahre in der gesetzlichen Krankenversicherung ist näm-
lich die Einnahmeseite.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: So ist es!)

Was hat Rot-Grün dagegen getan?


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Chaos!)

Sie haben die Einnahmeseite noch verschlechtert. Wenn
Sie nach unserem Konzept fragen und danach, was wir tun
würden: Wir müssten nur Ihre Maßnahmen zurückneh-
men, die seit 2001 bewirken, dass die Situation auf der
Einnahmeseite schlechter wird. Dann würde das Defizit
verschwinden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch der Abg. Monika Knoche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie haben durch Ihre Maßnahmen die Einnahmeseite in
Milliardenhöhe verschlechtert.

Ich möchte stichpunktartig einige Beispiele nennen.
Sie haben die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu-
lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gesenkt.


(Klaus Kirschner [SPD]: Damit habt ihr angefangen!)


– Entschuldigung, da gibt es einen gravierenden Unter-
schied. Bei uns gab es noch einen Überschuss. Ihre Poli-
tik führt aber zu einem Defizit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Durch die Zuzahlung!)


Ein weiteres Beispiel, das vorhin ebenfalls angeschnit-
ten wurde, sind die Instandhaltungskosten. Warum sind
Sie nicht dem guten Beispiel Bayerns gefolgt? Bayern hat
die Instandhaltungskosten getragen. Was haben Sie ge-
macht?


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Chaos!)

Sie haben den Beitragszahlern die Kosten aufgehalst.

Was haben Sie bei der Reform der Erwerbsunfähig-
keitsrenten und bei der Rentenminderung gemacht? Im
Klartext: Es gibt 2 Milliarden DM weniger Einnahmen
jährlich, weil Sie von der Nettolohnbezogenheit der Ren-
ten abgekommen sind. Mit einem Trick von Riester wur-
den 4 Prozent der Rentenversicherung ganz herausge-
nommen. Das heißt, dass für diese 4 Prozent künftig keine
Beiträge gezahlt werden.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: So ist es!)





Monika Knoche

22163


(C)



(D)



(A)



(B)


Das bedeutet eine zusätzliche Verschlechterung auf der
Einnahmeseite.SiehabenalsogravierendeFehlergemacht,
die Ursachen für die negative Entwicklung nicht richtig er-
kannt und die Einnahmeseite weiter verschlechtert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte noch kurz einen weiteren Punkt nennen.

Sie haben letzte Woche erneut eine Verschlechterung her-
beigeführt. Weil Sie nicht den Mut haben, den Rentnern
vor der Wahl die Wahrheit zu sagen, machen Sie den Bes-
serverdienenden ein Wahlgeschenk, indem sie bis kurz
vor der Wahl weniger Krankenkassenbeiträge zahlen
müssen.

Unser Hauptproblem – darin sollten wir uns eigentlich
einig sein – ist die sinkende Lohnquote in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dieter Thomae [FDP]: So ist es!)


Wir können diese sinkende Lohnquote nur bekämpfen, in-
dem wir eine vernünftige Wirtschaftspolitik machen.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: So ist es! Das ist das Problem!)


Damit sind wir beim entscheidenden Punkt. Sie ma-
chen eine verkehrte Wirtschaftspolitik, selbst in der Ge-
sundheitspolitik. Sie werden zum Beispiel Arbeitsplätze
verlagern. Mit Reimporten wollen Sie Geld in Milliar-
denhöhe einsparen.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Das geht daneben!)


Warum aber sind die Reimporte billiger? – Weil die Me-
dikamente im Ausland nicht mit 16 Prozent, sondern nur
mit 7 Prozent Mehrwertsteuer belegt werden. Die deut-
schen Beitragszahler müssen mehrere Milliarden mehr
zahlen, weil in Deutschland der Mehrwertsteuersatz für
Medikamente so hoch ist. Es ist aber unvernünftig,
Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, nur weil man im
eigenen Land die Hausaufgaben nicht gemacht hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Dieter Thomae [FDP]: Chaos!)


Meine Redezeit ist leider um.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422323700
Wunderbar, dass Sie
das selber erkannt haben.


Wolfgang Zöller (CSU):
Rede ID: ID1422323800
Ja, die Präsidentin
blinkt schon.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden

erleben: Was Rot-Grün sagt und wie Rot-Grün handelt,
kann man nur mit dem Satz „Zwei fremde Welten begeg-
nen sich“ beschreiben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422323900
Während ich jetzt da-
rüber nachdenke, wie man hier oben blinkt,


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


spricht der Kollege Eike Hovermann für die SPD-Frak-
tion.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Haben Sie auch den Segen?)



Eike Hovermann (SPD):
Rede ID: ID1422324000
Frau Präsidentin!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde
ist oft dazu angetan, darüber nachzudenken, ob man mit
einer Redezeit von fünf Minuten wirklich eine politische
Auseinandersetzung führen kann.


(Zuruf von der CDU/CSU: Da haben Sie wohl Recht!)


Ich vermute, dass das heute auch nicht richtig geklappt
hat.

Wir haben den untauglichen Versuch erlebt, die Milli-
ardendefizite einseitig der Bundesregierung anzulasten


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: In diesem Falle haben Sie Unrecht!)


– ich komme gleich auf einige Strukturüberlegungen; das
kann man ja nachvollziehen –; denn Sie wissen ganz ge-
nau, welche Rolle der Föderalismus in unserem Gesund-
heitswesen spielt. Ohne den Bundesrat sind aus meiner
Sicht strukturelle Reformen nur schwer machbar.

Frau Bergmann-Pohl, ich komme gleich noch auf das
von Ihnen verwandte Zitat zu sprechen. Ich habe das näm-
lich gesagt, wenn auch in einem etwas anderen Zusam-
menhang.

Trotz dieser Schwierigkeiten mit dem Bundesrat hin-
sichtlich der DRGs und der integrierten Versorgung haben
wir uns mit Erfolg an Reformschritte herangewagt. Wir
haben sie beschlossen; aber das heißt noch lange nicht,
dass sie umgesetzt werden. Es liegen ja auch in der Um-
setzungsproblematik gewisse Gefahren;


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Da haben Sie wohl Recht!)


Gefahren, Herr Dr. Thomae, weil manche in der Selbst-
verwaltung der Leistungserbringer die integrierte Versor-
gung nicht wollen. Man ist da ja einem durchaus interdis-
ziplinären Leistungsdruck ausgesetzt und macht manches
lieber allein, anstatt sich im Rahmen der ganzen Behand-
lungskette mit den Kollegen niedergelassenen Ärzten und
Krankenhausärzten in den Wettstreit um die beste Ge-
sundheitsversorgung zu begeben.

Bei dem Thema dieser Aktuellen Stunde vergessen Sie
völlig, dass Sie – das ist auch ein Strukturmoment und
schon oft wiederholt worden – mit Beitragserhöhungen,
Zuzahlungen und der Ausgrenzung von Leistungen nicht
Defizite, wohl aber defizitäre Strukturen geschaffen ha-
ben, die viel zäher sind und bestehen bleiben.


(Widerspruch der Abg. Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU])


– Frau Widmann-Mauz weiß das noch nicht; sie bekommt
es gleich erklärt.


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Sie haben Reformen blockiert, Herr Hovermann!)





Wolfgang Zöller
22164


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Schaffung defizitärer Strukturen – Herr Kirschner
würde sagen: die wo viel Geld kriegen und wo nix bei
rauskommt –


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

führte zu Kosten, die uns geblieben sind. Diese Strukturen
sind schwer durch neue zu ersetzen; sie müssen erst wach-
sen. Wir sollten ihnen das Wachstum zugestehen und nicht
ständig an ihnen herumnörgeln.

Die Selbstverwaltung scheint in der bestehenden Form
und mit ihren bestehenden Rechten immer weniger in der
Lage zu sein, die unterschiedlichen und kaum harmoni-
sierbaren Interessen auf neue Wege zu bringen. Es liegt in
den Selbstverwaltungen der Kassen und der Ärzte be-
gründet, dass die integrierte Versorgung nicht richtig an-
gestoßen wird. Mir stellt sich hier die Frage, warum man
das nicht als Modellversuch in einem Bundesland wie
Nordrhein-Westfalen oder bei Herrn Kirschner in der
Nähe der Kasse Zollern-Alb ausprobiert. Das geschieht
nicht; vielmehr wird der Status quo zäh verteidigt. Das ist
aus meiner Sicht das zentrale Problem. Den Patienten und
der Kostentransparenz dient das nicht, der Qualität schon
gar nicht.

Ich erinnere hier nur an den Streit um das ambulante
Operieren: Wir machen es. Woher bekommen wir das
Geld? Findet ein Transfer vom stationären zum ambulan-
ten Sektor statt?


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Nein!)


Die Selbstverwaltung hat es geschafft, dass eine nicht zu
tun und das andere zu lassen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Aber inzwischen hätten Sie es längst machen können, wenn Sie es gewollt hätten!)


– Herr Lohmann, Sie wissen ganz genau, dass ich nicht
Herr Jung bin und im Koordinierungsausschuss die Pro-
bleme für die beiden anderen Sektoren lösen kann.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Vor allem haben Sie keine Mehrheit in der Fraktion!)


Ich erinnere auch an große Defizite bei der Brustkrebs-
oder Diabetesversorgung. Herr Dr. Thomae – – Wo ist er
denn?


(Detlef Parr [FDP]: Ich nehme das entgegen! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Das gilt auch für die Hörgeräteversorgung, hinsichtlich
deren sich Herr Dr. Thomae ungeheuer um den Wett-
bewerb kümmert und die Preise senken will. Das könnte
man auch einmal näher besprechen.

An diesen Beispielen kann man vielfach Geldver-
geudung, kostspielige Drehtüreffekte und mangelnde
Qualität erkennen. Die defizitären Strukturen – Frau
Widmann-Mauz, jetzt wieder der andere Begriff: nicht die
Defizite, sondern die defizitären Strukturen –, die Geld
kosten und nichts bringen, können aber nicht allein der
Bundesregierung angelastet werden. Das ist falsch, weil
Strukturen viel Zeit zum Wachsen benötigen. Sie haben

diese Strukturen mächtig gegossen; in Ihrer Zeit sind sie
gewachsen.

Dies war also ein untauglicher Versuch.

(Zuruf der Abg. Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU])

– Melden Sie sich doch! Ich antworte Ihnen immer ger-
ne. – Dennoch haben wir mit den Disease-Management-
Programmen neue Wege gegen diese defizitären Struk-
turen beschritten.


(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU])


Frau Präsidentin, die randaliert da hinten. Das stört
mich.


(Heiterkeit – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Wenn so junge Frauen einmal randalieren, ist das ganz schön!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422324100
Um im Jargon zu blei-
ben: Das bewegt sich noch auf der Ebene homöopa-
thischer Dosen. Deshalb rüge ich das nicht.


Eike Hovermann (SPD):
Rede ID: ID1422324200
Ihr Ruf nach festen
Punktwerten, Herr Parr, oder gar nach Aufhebung des
Budgets vernebelt doch die Grundsatzproblematik, dass
unendliche Leistungen nicht mit endlichen Mitteln zu
finanzieren sind.

Keiner von uns wird alleine strukturelle Reformen auf
den Weg bringen können.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Die Präsidentin blinkt! Sie müssen Ihr Papier von dem Licht herunternehmen!)


– Ich will versuchen, es in einem Satz zusammenzufassen;
das muss ich wohl auch.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422324300
Es muss aber ein kur-
zer Satz sein.


Eike Hovermann (SPD):
Rede ID: ID1422324400
Wir brauchen die Re-
gierung und die Opposition – wir hoffen, dass die bis-
herigen Verhältnisse bestehen bleiben werden – und auch
die Länder. Der überwiegende Teil dessen, was Sie an
struktureller Reform vorschlagen, Herr Parr, bedarf der
Zustimmung durch den Bundesrat. Lassen Sie uns also,
anstatt die Kultur der gegenseitigen Beschimpfung zu
pflegen, überlegen, in welchen Punkten wir uns treffen,
um bei Lahnstein II sagen zu können, was wir gemein-
sam angehen wollen. Ich wünsche Ihnen dabei viel
Glück.

Herzlichen Dank für das Zuhören.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Detlef Parr [FDP]: Nach dem 22. September werden wir das alles so handhaben!)





Eike Maria Hovermann

22165


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422324500
Für die CDU/CSU hat
jetzt der Kollege Dr. Wolf Bauer das Wort.


Dr. Wolf Bauer (CDU):
Rede ID: ID1422324600
Frau Präsidentin! Meine
Damen! Meine Herren! Es ist schon interessant, was hier
heute alles zu hören war. Ich kann gar nicht alles auf-
greifen.

Herr Pfaff, wir waren vor nicht allzu langer Zeit auf ei-
ner Veranstaltung der Pneumologen. Dort hat der Vorsit-
zende gesagt: Die medizinische Versorgung ist schlechter
geworden. Ich habe bei dem Kollegen Thomae eine An-
leihe gemacht und dazwischengerufen: Können Sie das
bitte noch einmal sagen?


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

Darauf hat er gesagt: Jawohl. Die medizinische Versor-
gung ist schlechter geworden.

Sie können doch in jeden Teil unseres Landes gehen:
Alle werden Ihnen sagen, dass ihnen als Patienten die Ra-
tionierung zu schaffen macht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Das hören Sie nur bei den Leistungserbringern, nicht bei den Patienten!)


Sie bekommen einfach nicht mehr, was sie brauchen. In-
novationen kann man zum Teil ganz vergessen. Die Men-
schen bekommen das Billigste. Und uns werfen Sie vor,
wir würden die Augen vor der Wirklichkeit verschließen!


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Das tun Sie doch auch, jeden Tag neu!)


Sie sollten sich einmal unter das Volk mischen und zur
Kenntnis nehmen, welche Stimmung dort herrscht.

Sie sagen immer wieder, dass die Zuzahlungen doch
von Ihnen reduziert worden seien. Wenn Sie aber ehrlich
wären, hätten Sie die Zuzahlungen ganz abgeschafft.


(Detlef Parr [FDP]: Richtig!)

Sie haben sie bescheidenerweise heruntergesetzt.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Nicht bescheiden!)


Was aber haben Sie damit erreicht? – Sie haben den so-
zial Schwachen die Möglichkeit genommen, die Medi-
kamente zu bekommen, die sie brauchen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Sie haben es nicht begriffen!)


Vorher war aufgrund der Sozialklausel, der Überforde-
rungsklausel, jedem die Möglichkeit gegeben, dass er das
bekommt, was er braucht. Sie aber haben die Zuzahlun-
gen reduziert und die Rationierung eingeführt. Nun kann
sich der sozial Schwache seine Medikamente nicht mehr
selber kaufen. Das kann nur noch der Besserverdienende
tun. Das ist Ihre Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU – Regina SchmidtZadel [SPD]: Herr Bauer, Sie haben es nicht begriffen! Ich gebe Ihnen gerne einmal Nachhilfe!)


Eigentlich wollte ich auf etwas ganz anderes eingehen.
Bei einem Defizit geht es immer um zwei Seiten, nämlich
um die Ausgaben- und die Einnahmenseite. Ich möchte
mich einmal auf die Einnahmenseite konzentrieren. Hier
geht es in der Hauptsache um die Beiträge.

Die Frau Ministerin hat im Januar 2001 gesagt: Ich
erwarte, dass der durchschnittliche Beitrag stabil bleibt. –
Was aus dieser Erwartung geworden ist, haben wir gese-
hen: Der Beitragssatz stieg um 0,5 Prozentpunkte auf eine
Rekordhöhe von mittlerweile 14 Prozent.


(Ulla Schmidt, Bundesministerin: 0,35 Prozent!)


Im Januar 2002 hat sie gesagt – hier gibt es einen feinen
Unterschied –: Ich gehe davon aus, dass die Kassen-
beiträge im Durchschnitt stabil bleiben. – Damit sie im Ja-
nuar 2003 nicht noch eine dritte Variante suchen muss,
werden wir dafür sorgen, dass sie dazu keine Gelegenheit
mehr haben wird.

Es ist heute bereits gesagt worden – das muss man im-
mer wiederholen –: Wir hatten nicht nur in den Jahren
1998 und 1997 einen Überschuss von 1,1 Milliarden DM.
Wir haben auch im Jahr davor – das ist nicht zu bestrei-
ten – das Defizit um 6 Milliarden DM abgebaut. Man
kann jetzt nicht so tun, als sei dies nicht wahr.

Ich war schon ein wenig erschüttert, als die Frau Mi-
nisterin vorhin sagte, dass es im Jahre 2001 ein Defizit in
Höhe von „nur“ 2,8 Milliarden Euro gegeben hätte. Dies
ist nun wirklich so traurig, dass man das Wörtchen „nur“
in diesem Zusammenhang eigentlich nicht benutzen
dürfte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Was zeigt das Ganze? Dies ist letztendlich eine traurige

Bilanz, die Bilanz einer verfehlten kopflosen Gesund-
heitspolitik, die auch durch all Ihr Reden nicht schöner
wird. Es ist nun einmal so.

Heute ist viel über Beitragssätze und Ähnliches ge-
sprochen worden. Ich weiß auch, wie gern Sie als Argu-
ment immer die Erblast heranziehen, wenn Sie nicht mehr
weiterwissen. Auf eines möchte ich in diesem Zusam-
menhang aber ganz besonders hinweisen: Man muss die
Entwicklung der Beitragssätze einmal weiter zurückver-
folgen. In zwölf Jahren SPD-geführter Bundesregierung
sind die Beitragssätze um 3,8 Prozentpunkte gestiegen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ohne deutsche Einheit!)


Wenn man dies auf die zwölf Jahre umrechnet, kommt
man auf eine Steigerung von etwa 0,3 Prozentpunkten pro
Jahr.

Jetzt kommt es aber: In 17 Jahren CDU/CSU-geführ-
ter Bundesregierung gab es eine Steigerung um 1,6 Pro-
zentpunkte. Dies sind auf 17 Jahre umgerechnet pro
Jahr 0,1 Prozentpunkte. Also 0,1 gegenüber 0,3 Prozent-
punkten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Detlef Parr [FDP]: Das muss er noch einmal wiederholen!)


– Das kann ich gern noch einmal wiederholen.






(C)



(D)



(A)



(B)


Jetzt haben wir es mittlerweile geschafft, dass die Bei-
tragssätze in nur einem Jahr um 0,5 Prozentpunkte stei-
gen. Sie müssten uns im Namen der Krankenversicherten
nahezu anflehen, die Regierungsverantwortung zu über-
nehmen, damit es nicht mehr so weitergeht.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422324700
Herr Kollege Bauer,
so viel Zeit für Wiederholungen ist nicht mehr. Ich nehme
jetzt einen Begriff aus dem Plenum auf und sage: Die Prä-
sidentin blinkt.


(Heiterkeit)



Dr. Wolf Bauer (CDU):
Rede ID: ID1422324800
Das ist aber sehr schade.
Ich bedanke mich trotzdem fürs Zuhören.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422324900
Das Wort hat der Kol-
lege Horst Schmidbauer für die SPD-Fraktion.


Horst Schmidbauer (SPD):
Rede ID: ID1422325000
Frau Präsi-
dentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das ganze
Manöver heute ist sehr durchsichtig. Man kann sehr
schnell erkennen, was sich dahinter eigentlich verbirgt:
Man benutzt das Defizit in der gesetzlichen, solidarischen
Krankenversicherung, um die Krankenversicherungen
krank zu reden, sie madig zu machen, um Angst bei den
Bürgerinnen und Bürgern sowie den Patientinnen und Pa-
tienten zu schüren,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Wenn die Sie sehen, haben die sowieso schon Angst!)


um damit den Boden für den Einstieg in eine Zwei-
klassenmedizin zu bereiten. Da machen wir nicht mit.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ihr habt es schon gemacht! – Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Wo waren Sie in den letzten drei Jahren?)


Das lassen wir Ihnen genauso wenig wie die Fehlein-
schätzung des Kollegen Bauer durchgehen.

Ich will noch einmal daran erinnern: Zur Zeit der Re-
gierungsübernahme gab es eine Emnid-Umfrage, die
seinerzeit von der ABDA in Auftrag gegeben worden war.
Herr Kollege Bauer, Sie müssten das Ergebnis dieser
Emnid-Umfrage gut kennen. Seinerzeit sagten 40 Prozent
der Patientinnen und Patienten aus, sie könnten ihr Rezept
nicht mehr oder nicht mehr voll einlösen.


(Dr. Wolf Bauer [CDU/CSU]: Sie wussten noch nicht, was hinterher kommt! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Zurzeit sind es 82 Prozent!)


Das war der entscheidende Grund dafür, dass wir ge-
sagt haben: Sie haben mit der Abzockerei der Patientinnen
und Patienten überzogen. Folge war eine Rationierung bei
den Patienten. Weil die Menschen nicht mehr zu ihren

Arzneimitteln kamen, mussten wir handeln und haben ge-
handelt.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: In die falsche Richtung!)


In der Zwischenzeit sind Zuzahlungen in einer Größen-
ordnung von etwa 2 Milliarden Euro aufgelaufen, die wir
den Menschen zurückzugeben haben. Ich bin stolz darauf,
dass die Ministerin mit allem Nachdruck verfolgt hat,


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Dafür haben Sie die Beiträge angehoben!)


dass vor allen Dingen die chronisch Kranken in diesem
Lande freigestellt werden, damit wir endlich sagen kön-
nen: Wir haben für die Menschen eine soziale Basis un-
abhängig von ihrer Krankheit geschaffen.


(Beifall bei der SPD – Dr. Wolf Bauer [CDU/ CSU]: Dafür müssen die Familienangehörigen bezahlen! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Dafür haben Sie die Familienangehörigen der chronisch Kranken zur Kasse gebeten!)


Das, was Sie wollen, haben Sie lediglich besser ver-
packt. Sie sprechen jetzt von Eigenverantwortung, von
abwählbaren Leistungen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wie die SPD!)

Im Kern handelt es sich aber um nichts anderes als ein neu
verpacktes Grund- und Wahlleistungsmodell, das Sie den
Bürgern schmackhaft machen wollen. Mit Ihren Heils-
versprechungen geht in Wirklichkeit als Nebenwirkung
die Zerstörung des Solidarsystems einher. Das trifft die
Menschen unmittelbar.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Schaut euch einmal die Riester-Rente an! Und dann redet ihr über Solidarsystem?)


Sie müssen den Bürgern vor der Wahl sagen, was von den
heutigen Leistungen abwählbar sein soll und was sie – ich
hoffe, dass es nie so weit kommt, dass Sie etwas zu sagen
haben – bei Ihrem Konzept in Zukunft zusätzlich be-
zahlen müssten. Wie tief müssten sie in ihre Taschen grei-
fen?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Weniger als bei Ihnen!)


Mir ist heute aufgefallen, dass die Opposition an der
Aufklärung der Ursachen, die für dieses Defizit verant-
wortlich sind, nicht interessiert ist.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das müsste ja jetzt Ihre Aufgabe sein! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Er macht beim Zuhören Fehler!)


Wenn Sie die Ursachen nämlich benennen müssten, wäre
Ihre Showveranstaltung doch zu Ende. Ich glaube, das ist
der eigentliche Punkt: Sie sind für die eigentlichen Ursa-
chen und deren Wirkungen blind.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: 6 Milliarden selbst verschuldete Einnahmeverschlechterung!)





Dr. Wolf Bauer

22167


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich glaube, die Ministerin hat es sehr deutlich gesagt:
Das Defizit 2001 geht zu zwei Dritteln zulasten des Arz-
neimittelsektors. Es betrug 11,2 Prozent; das sind umge-
rechnet 3,1 Milliarden Euro. Jetzt kommt der entschei-
dende Punkt: Allein die Mehrausgaben in diesem Jahr
betragen 3,1 Milliarden Euro und das Defizit betrug
2,8 Milliarden Euro. Das ist die Ursachenbetrachtung, die
wir vornehmen müssen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wollen Sie den Leuten noch mehr Medikamente vorenthalten?)


Die Aufklärung hat den Arzneimittelmarkt noch nicht
erreicht. Deshalb genügt der Blick nach hinten nicht, son-
dern wir müssen den Blick nach vorne richten. Würde die
Aufklärung Wirkung zeigen, wäre der Nutzen für die Pa-
tienten transparent; denn es waren nicht die Innovationen,
die zu dieser Entwicklung geführt haben,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Jetzt widersprechen Sie schon wieder der Ministerin!)


sondern es waren die Preise der Analogpräparate, der
„me,too“-Präparate, die keinen nachgewiesenen Mehr-
nutzen für die Patientinnen und Patienten haben. Der
Anteil der Ausgaben für die Innovationen im Bereich
der Arzneimittel ist nur von 14,6 auf 14,8 Prozent ge-
stiegen.

Der Anteil dieser so genannten „me,too“-Präparate ist
von 10,2 Prozent auf 16,3 Prozent gestiegen. Ohne dass
die Patientinnen und Patienten einen therapeutischen
Mehrnutzen haben, haben wir sehr viel Geld zusätzlich
ausgegeben. Wenn in den 23 Präparatgruppen dieser Ana-
logpräparate die preisgünstigsten Arzneimittel verordnet
worden wären, hätten 2 Milliarden Euro gespart werden
können,


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Hört! Hört!)

ohne dass es einen Qualitätsverlust für die Patientinnen
und Patienten gegeben hätte.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich muss sagen: An solchen Fragen können wir nicht
vorbeigehen; solchen Fragen müssen wir uns stellen.
Dafür brauchen wir ein Konzept.


(Lachen und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das war ein Kalauer! – Detlef Parr [FDP]: Er hat den Punkt getroffen!)


Sie werden sehen, dass unsere Gesetze greifen. Bei der
Umsetzung brauchen wir die Mithilfe der Ärzte und Kran-
kenkassen. Ich glaube, dass wir über Zielvereinbarungen
bezüglich einer Beratungspflicht Transparenz in den Arz-
neimittelmarkt hineinbringen und dass wir unser Ziel er-
reichen können, damit auch Beitragsstabilität zu gewähr-
leisten. Ich bin mir sicher, dass wir 2002 ein positives
Ergebnis erreichen werden. Dann können wir uns noch
einmal sprechen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422325100
Jetzt spricht die Parla-
mentarische Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Jetzt muss sie gegen den Schmidbauer ankämpfen!)


G
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1422325200
Frau Präsidentin!
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben es
mir ganz schön leicht gemacht. Ich habe festgestellt, dass
Sie sich nicht entscheiden konnten. Herr Zöller, Sie haben
gerade beklagt, dass wir ein Einnahmedefizit haben; das
hat Herr Bauer auch getan. Heute Morgen haben Sie im
Gesundheitsausschuss ein Einnahmedefizit in nicht uner-
heblicher Höhe für die gesetzlichen Krankenkassen be-
schlossen, indem Sie dem Antrag der FDP zugestimmt ha-
ben, dass Sozialhilfe und Arbeitslosenversicherung
zusammengelegt werden, ohne eine Lösung für die Ein-
nahmeausfälle auf der Beitragsseite der GKV zu haben.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Wir haben doch überhaupt keine Mehrheit! – Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP – Detlef Parr [FDP]: Stimmt doch gar nicht!)


Nur die Tatsache, dass Sie keine Mehrheit haben, hat die-
ses Desaster heute verhindert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Detlef Parr [FDP]: Fehlende Kompetenz! Das ist nicht zu fassen!)


Der zweite Punkt betrifft Ihren Umgang mit den Zah-
len. Herr Wolf, Sie haben vorhin gesagt, dass das Defizit
der gesetzlichen Krankenkassen so hoch wie das der
Kommunen sei.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Höher!)

Ich muss Sie korrigieren: Das stimmt nicht. Bei den Kom-
munen sind es 26 Milliarden Euro.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Das sind die Länder, meine Liebe! – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Länder und Kommunen – das ist ein Unterschied!)


Das hättenSie eigentlichwissenmüssen,wennSie sich den
Kommunal- unddenLänderbereichangeschauthätten.Das
heißt, 1 Prozent sind es auf der Länderseite; 0,1 Prozent
wären es bei den Krankenkassen gewesen. In diesem Jahr
haben wir aber kein Defizit mehr, weil wir mindestens mit
einem ausgeglichenen Finanzergebnis rechnen können.

Sie können jetzt nicht immerzu klagen: Die Leute er-
halten keine Leistungen. Die Beiträge sind zwar gestie-
gen. Aber die Steigerung der Beiträge und die Zunahme
der Ausgaben haben mehr Solidarität ermöglicht und eine
bessere Versorgung geschaffen. Ich bin der Überzeugung,
dass das kurzfristig vertretbar ist, bis die strukturellen
Maßnahmen, die wir bereits ergriffen haben, ihre Wir-
kung entfalten.


(Beifall bei der SPD – Aribert Wolf [CDU/CSU]: Welche denn?)


Wir haben in diesem Land keine Rationierung.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)





Horst Schmidbauer (Nürnberg)

22168


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Patientinnen und Patienten erhalten das, was notwen-
dig ist. Der medizinische Fortschritt kommt den Men-
schen überall in diesem Land zugute. Dabei bleiben die
Beiträge stabiler als bei Ihnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Wolf hat vorhin so nett gesagt: Wir hatten damals
ein größeres Defizit bei geringeren Ausgaben, aber wir
haben gehandelt. – Wie haben Sie denn gehandelt?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Gemeinsam mit Ihnen!)


Sie haben dahin gehend gehandelt, dass Sie die Zeche von
den Betrieben und den Arbeitnehmern haben zahlen las-
sen und die kranken Menschen zur Kasse gebeten haben.


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Sie waren doch dabei!)


Sie haben nämlich allein mit den Spargesetzen von
1996 und 1997 die Versicherten durch Zuzahlungser-
höhungen und Leistungsausgrenzungen mit 6 Milliarden
Euro belastet. An dieser Schraube haben Sie immer wei-
ter gedreht. Sie haben nicht zur Kenntnis nehmen wollen,


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Wir haben es abgeändert!)


dass weder die Budgetierung – wir haben erkannt, dass
dies nicht das Allheilmittel ist – noch die Erhöhung der
Zuzahlungen eine Lösung ist; denn nachdem Sie die Zu-
zahlungen erhöht haben, sind die Ausgaben allein im Arz-
neimittelbereich bereits 1998 um 5 Prozent gestiegen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Dafür hat jeder seine Arzneimittel bekommen!)


Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass Zuzahlungen keine
Lösung sind. Man darf nicht glauben, damit die Ausgaben
steuern zu können.

Was wir brauchen, haben auch Sie ab und an gefordert,
aber letztlich niemals umgesetzt: Wir brauchen intelli-
gentere Steuerungsmechanismen, als wir sie jetzt haben.
Ich denke, wir haben mit dem Arzneimittelausgaben-Be-
grenzungsgesetz die Möglichkeit dazu der Selbstverwal-
tung gegeben. Auch die Kassen sind fest davon überzeugt,
dass wir in diesem Jahr Beitragssatzstabilität erreichen
werden. Unser Weg ist ganz sicher der schwerere. Wir
greifen nicht einfach jemandem in die Tasche, der dann
zahlen muss, egal, ob er will oder nicht.


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Sie pressen es ihnen ab! – Detlef Parr [FDP]: Doch, linke Tasche, rechte Tasche!)


Wir erwarten zum Beispiel von der Ärzteschaft und
den Apothekern Verhaltensänderungen im Umgang mit
den Ressourcen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Das ist ein besserer Weg, als einfach die Zuzahlungen zu
erhöhen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wer macht das?)


Sie haben sich auch einer weiteren Maßnahme nicht
unterzogen. Sie haben sich nie die Mühe gemacht, Qua-

lität zu verbessern und Wirtschaftlichkeitsreserven zu
erschließen. Als wir darüber diskutiert haben, wie wir
bei den Krankenhäusern mehr Wirtschaftlichkeit er-
reichen können, haben Sie erklärt: Für das Fall-
pauschalengesetz sind wir zwar, aber mitmachen können
und wollen wir nicht. – Wenn es wirklich Ernst wird,
dann ist der Punkt gekommen, an dem Sie sich verwei-
gern. Auch weigern Sie sich, den Menschen klar zu sa-
gen, was sie von Ihrer künftigen Politik zu erwarten ha-
ben, was wirklich Sache ist.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Uns würde es genügen, wenn Sie uns sagen, was Sie wollen!)


Ich bin der Überzeugung, dass Ihre Konzeption, Herr
Zöller, von Wahl- und Regelleistungen letztendlich in die
Sackgasse führen wird.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ich habe kein Konzept von Wahlund Regelleistungen!)


Ihr gesamtes Repertoire von Wahl- und Regelleistungen,
Kostenerstattung, Selbstbehalten, höheren Zuzahlungen
– das ist aus Ihrem CDU-Papier – wird nur eines bringen,
nämlich die Privatisierung der gesetzlichen Kranken-
versicherung. Was eine privatisierte Krankenversiche-
rung bedeutet, sehen Sie in den USA. Dieses System ist
für alle Beteiligten teurer und die Gesamtversorgung der
Gesellschaft ist letztendlich schlechter.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wollen Sie Verhältnisse wie in den USA? Wir nicht!)


– Ich habe mir das CDU-Konzept sehr genau angesehen
und es bewertet.


(Dr. Wolf Bauer [CDU/CSU]: Ich denke, wir haben kein Konzept! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Der Weg, den Sie vorgeschlagen haben, birgt die Ge-
fahr einer permanenten Unterversorgung der Versicher-
ten. Sie werden damit den Menschen die Möglichkeit
eröffnen, Leistungen zu wählen. Gesunde und gut Ver-
dienende werden sich billigere Tarife wählen. Andere
werden auf ihren hohen Kosten sitzen bleiben. Dem Sys-
tem werden auf diese Weise Mittel entzogen. Es wird aus-
gesprochen schwierig sein, den Menschen deutlich zu ma-
chen, dass dadurch keine Folgekosten entstehen.

Das System, das wir haben und von dem wir fest über-
zeugt sind, dass es ein gutes System ist, braucht keinen
Systemwechsel. Es benötigt aber eine weitere Fortent-
wicklung in Richtung zu mehr Qualität und Wirtschaft-
lichkeit. Das ist der richtige Weg. Ich bin der Überzeu-
gung, dass sämtliche Maßnahmen, die im Laufe der
letzten Jahre ergriffen worden sind – ich nenne den Kran-
kenhaussektor, Qualitätsverbesserungen in verschiedenen
Bereichen, Veränderungen bei der Arzneimittelversor-
gung, künftige Veränderungen im Bereich der Vorsorge;
wir hatten heute eine ausführliche Diskussion über die
Mammographie –, dazu beitragen werden, langfristig das
System zu verbessern, zu stabilisieren und es für alle
Menschen bezahlbar zu halten.


(Beifall bei der SPD)





Parl. Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch

22169


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422325300
Zur Erwiderung er-
teile ich dem Kollegen Wolfgang Lohmann, CDU/CSU,
das Wort.


Wolfgang Lohmann (CDU):
Rede ID: ID1422325400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Ich finde das großartig: Es wird uns dauernd vorge-
halten, wir hätten kein Konzept, und anschließend wird
auf dieses nicht vorhandene Konzept eingeschlagen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Schmidbauer, es war die Spitze, als Sie sagten: Wir
müssen uns den Herausforderungen stellen und dafür
brauchen wir ein Konzept. – Sie haben nur vergessen zu
sagen: Das haben wir eben nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen ist und bleibt das Ganze ein Herumdoktern an
Symptomen, wie es Herr Gerster, der demnächst die Ar-
beit der Bundesanstalt für Arbeit leiten wird, bezeichnet
hat.

Herr Hovermann hat Recht, wenn er sagt, die Aktuelle
Stunde mit 5-Minuten-Beiträgen sei nicht geeignet, tief-
schürfende Diskussionen in Rede und Gegenrede zu
führen. Das ist klar. Man muss also etwas vereinfachen.
Deshalb komme ich darauf zurück, worin der Sinn liegen
kann. Es geht ja ausdrücklich in dieser Aktuellen Stunde
um die Verantwortung für das Defizit in der gesetzlichen
Krankenversicherung. Man kann dabei nicht erzählen,
was früher irgendwann einmal gewesen ist.

Es wurde sehr viel – man hat es sehr strapaziert – von
Bilanz gesprochen. Bei der Bilanz gibt es einen Aus-
gangspunkt, die Eröffnungsbilanz, und einen Schluss-
punkt, die Schlussbilanz. Weil das Jahr noch nicht ganz zu
Ende ist, sprechen wir besser von einer Zwischenbilanz.
Es ist klar – es wurde schon x-mal gesagt –: In der Eröff-
nungsbilanz stand kein Defizit, sondern im Gegenteil ein
Überschuss.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Politik, die vorher betrieben wurde und deren Folgen
Sie gar nicht so abrupt beseitigen konnten, wirkte sogar in
das Jahr 1999 hinein, denn auch in diesem Jahr gab es ei-
nen Überschuss von 1,1 Milliarden. Erst dann war Feier-
abend mit dem Staat, als wirklich Ihre Maßnahmen zum
Tragen kamen.

Ulla Schmidt hat seit ihrem Amtsantritt die finanziel-
len Probleme der GKV– ich behaupte das, Frau Schmidt –
ignoriert. Sie haben im Juli 2001 erklärt, das größte Pro-
blem der GKV seien nicht die angekündigten Beitrags-
erhöhungen, sondern sei die mangelnde Qualität im Ge-
sundheitswesen. Im Herbst letzten Jahren setzten Sie noch
eins drauf, indem Sie sagten: Wenn einzelne Kassen ihre
Beiträge erhöhen wollen, kann ich das nicht verhindern. –
Ja, wer denn sonst? Sie haben eben gesagt: Ich bin zurzeit
Ministerin. – Natürlich. Deswegen tragen Sie die Verant-
wortung für die Lage, in der wir jetzt sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Manches kann als Realitätsverlust bezeichnet werden.
Immer höhere Beiträge werden für mittelmäßige Qualität
– davon spricht der Sachverständigenrat – gezahlt. Wenn
es um höhere Beiträge für eine ständige Steigerung der
Qualität und eine Verbesserung der Versorgung ginge,
dann könnte man darüber reden. Aber das Gegenteil ist
der Fall und das ist nicht in Ordnung.

Im Übrigen: Warum sind im Zusammenhang mit den
Zuzahlungen die Überschüsse entstanden? Wenn Sie we-
nigstens so ehrlich gewesen wären, nachdem Sie im
Wahlkampf die Zuzahlungen bis aufs Äußerste diffamiert
haben, sie hinterher ganz abzuschaffen! Was aber haben
Sie getan? Ganz bescheiden und verschwiegen haben Sie
sie um 1 DM gekürzt und die Spreizung verringert. Das
hatte Folgen im Umfang von 1 Milliarde. Sie haben eben
selbst erklärt, es seinen 6 Milliarden gewesen. Sie haben
also 5 Milliarden klammheimlich eingesteckt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ist es!)


Deswegen muss man sagen: Sie haben die Leute hinters
Licht geführt. Das ist nicht zu bestreiten.

Ihre viel beschworene Aut-idem-Regelung, mit der Sie
bereits im vergangenen Sommer die Probleme bei den
Ausgaben für Arzneimittel lösen wollten, bringt die Leute
in den Wartezimmern der Ärzte richtig in Stimmung. Man
könnte Ihnen raten: Reden Sie einmal mit den Leuten auf
der Straße und hören Sie sich an, was sie zu Ihrer Politik
sagen! Gerade ältere Menschen und chronisch Kranke be-
fürchten, dass sie in den Apotheken nicht mehr die Arz-
neimittel erhalten, die sie brauchen. Deswegen ist diese
Politik nicht in Ordnung und deswegen geht es auch nicht
nur darum, welche Alternativen es gibt. Natürlich können
wir uns auch über Alternativen unterhalten. Aber hier und
heute geht es darum, wer der Verursacher für die Lage der
gesetzlichen Krankenversicherung ist


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Jawohl!)


und wer es zu verantworten hat, dass den Leuten ein um
0,5 Prozentpunkte höherer Beitragssatz – das sind im-
merhin mehr als 8 Milliarden zusätzlich – aus der Tasche
gezogen wird. Das nämlich sind Sie.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Spitzenverbände der Krankenkassen mussten Sie

am 14. September 2001 auffordern – daran sieht man,
dass Sie das offensichtlich gar nicht so wichtig genom-
men haben –, die dramatische Finanzsituation in der GKV
zum Thema des runden Tisches zu machen. Man könne
nicht in Ruhe über zukünftige Reformen diskutieren, hieß
es wörtlich vonseiten der Spitzenverbände der Kranken-
kassen, solange die aktuellen Probleme nicht angegangen
würden. Recht haben sie. Es spricht für sich, dass die Kas-
sen Sie dazu auffordern müssen, sich um ihre Belange zu
kümmern.

In der öffentlichen Anhörung zum 10. SGB-V-Ände-
rungsgesetz haben Sie im Gespräch mit dem Sachver-
ständigenrat im Gesundheitsausschuss auch erfahren,
dass sich der runde Tisch bis heute nicht inhaltlich mit den






(C)



(D)



(A)



(B)


Finanzproblemen der GKV befasst hat. Bis jetzt fanden
nur Plauderrunden statt.


(Detlef Parr [FDP]: Alibiveranstaltung!)

Ehe die Frau Präsidentin anfängt zu blinken – –


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422325500
Sie tut es schon.

(Heiterkeit)



Wolfgang Lohmann (CDU):
Rede ID: ID1422325600

Aber erst seit kurzem. – Statt das Gesundheitswesen vor
der Bundestagswahl mit einem wirklich überzeugenden
und nachhaltigen Konzept zu reformieren, meint Rot-
Grün die Probleme aussitzen zu können. Man kann fast
schon glauben, Sie seien froh, dass die Krankenkassen
endlich die Beiträge erhöht haben. Dass Sie sich bei der
Rede der Ministerin nicht geschämt haben, Frau Schaich-
Walch, wundert mich eigentlich. Ich hatte insofern etwas
mehr Mitgefühl von Ihnen erwartet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422325700
Ich werde ganz nach-
denklich. Die Attraktivität des Blinkens scheint ziemlich
groß zu sein. – Letzte Rednerin dieser Aktuellen Stunde ist
die Kollegin Regina Schmidt-Zadel für die SPD-Fraktion.


Regina Schmidt-Zadel (SPD):
Rede ID: ID1422325800
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lohmann, ich
möchte nicht polemisch werden, aber dazu, wer sich schä-
men muss, werde ich gleich etwas sagen. Denn einer Ih-
rer Vorredner hat von „Ablasshandel“ und „kölschem
Klüngel“ geredet.

Ich will Ihnen allen Ernstes sagen: Wer im Glashaus
sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.


(Beifall bei der SPD)

Dann müssen wir auch über schwarze Kassen und Klüngel
in Oggersheim reden, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Dr. Wolf Bauer [CDU/CSU]: Das hat aber nichts mit Korruption zu tun!)


Das möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben. Darüber soll-
ten Sie nachdenken, bevor Sie solche Aussagen machen.


(Beifall bei der SPD)

Für Ihre Pläne, wie wir sie hören, benötigen Sie mehr

Geld. Diese Mittel müssten die Beitragszahler bzw. die
Patientinnen und Patienten durch höhere Zuzahlungen
aufbringen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie ihnen erst einmal 8 Milliarden abgeknöpft!)


Das war doch die Politik in den 16 Jahren Ihrer Regie-
rung. Auch deswegen sind Sie abgewählt worden. Erin-
nern Sie sich einmal daran, was Sie den Patientinnen und
Patienten und den Versicherten zugemutet haben!


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Da ging es denen besser als heute! – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: 24 Millionen Menschen in Deutschland zahlen keine müde Mark dazu!)


Wir dagegen muten den Akteuren im Gesundheitswe-
sen zunächst einmal zu, die Wirtschaftlichkeitsreserven
zu mobilisieren, die noch im System vorhanden sind, be-
vor wir über neue Geldquellen nachdenken.


(Detlef Parr [FDP]: Nennen Sie mal konkret die Wirtschaftlichkeitsreserven!)


– Die kann ich Ihnen nennen. Sie haben vielleicht zu-
gehört, als der Sachverständigenrat im Ausschuss war,
Herr Parr, oder waren Sie abwesend? Er hat die Wirt-
schaftlichkeitsreserven aufgezeigt.


(Detlef Parr [FDP]: Nennen Sie sie mal konkret!)


– Ich kann Ihnen die Liste und auch das Buch schicken.
Wir betreiben nicht wie Sie knallharte Klientelpolitik,

sondern fordern auch die Leistungserbringer. Mit einer
qualitätsorientierten Gesundheitspolitik haben wir posi-
tive Zeichen gesetzt. Denken Sie nur an das Fallpauscha-
lengesetz, das mittel- und langfristig sowohl die Qualität
als auch die Wirtschaftlichkeit in der stationären Versor-
gung erhöhen wird.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Jetzt müssen Sie aber mal zum Thema kommen!)


Trotz der Bedenken einiger Länder wurde dieses Ge-
setz – das möchte ich auch noch anmerken – im Bundes-
rat verabschiedet. Nicht alle CDU-regierten Länder haben
sich wie die süddeutschen Länder verhalten, die nicht zu-
gestimmt haben. Es gibt also auch bei Ihnen einige posi-
tive Zeichen.

Die Bilanz der rot-grünen Regierung in der Gesund-
heitspolitik kann sich sehen lassen. Das Defizit der Kran-
kenkassen im Jahr 2001 als Beweis für das Scheitern rot-
grüner Politik anzuführen ist nichts anderes als billige
Polemik.


(Beifall bei der SPD – Detlef Parr [FDP]: Die Zahlen lügen doch nicht!)


– Nein, Sie können sich sicher sein: Die Zahlen lügen
nicht.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Aber die Rednerin!)


Auch ich hätte mir wirklich ein besseres Ergebnis ge-
wünscht. Wenn aber weiterhin so viel Geld für struktu-
relle Überkapazitäten sowie für Unter- und Fehlversor-
gung verpulvert wird – ich verweise noch einmal auf das
Gutachten des Sachverständigenrats; die Stellen, an de-
nen das geschieht, sind ja identifiziert –, dann wird sich
auch in der Zukunft ein Defizit nicht vermeiden lassen.
Das werden wir verändern.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wenn Sie aber Unterversorgung haben, dann brauchen Sie mehr Geld!)





Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid)


22171


(C)



(D)



(A)



(B)


Wenn ich sicher sein könnte, dass die Krankenkassen jede
Mark nur für medizinische notwendige und qualitäts-
orientierte Leistungen ausgeben, dann könnte ich sogar
mit einem Ausgabenüberschuss leben; denn dann wüsste
ich, dass die Patientinnen und Patienten gut versorgt und
die Beitragsgelder gut angelegt sind.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre!)


Wir werden unsere Offensive für mehr Qualität und
Wirtschaftlichkeit fortsetzen. Ich bedanke mich aus-
drücklich bei der Ministerin; denn sie hat in das Zentrum
ihrer Gesundheitspolitik die Qualität gestellt.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben mit der Gesundheitsreform 2000 den längst
überfälligen Paradigmenwechsel vollzogen, weg vom rei-
nen Kostendenken hin zu Qualität und Wirtschaftlichkeit.
Sie sind herzlich eingeladen, uns auf diesem Weg zu fol-
gen. Den ersten Schritt in diese Richtung haben die uni-
onsregierten Länder bereits gemacht. Sie haben in ihrem
Papier zur Gesundheitspolitik – man höre und staune; das
sollten Sie auch einmal lesen, Herr Parr – immerhin ein-
geräumt, dass im Gesundheitssystem noch beträchtliche
Wirtschaftsreserven vorhanden sind. Das ist doch schon
ein enormer Fortschritt gegenüber Ihrer Regierungspoli-
tik. Es wäre schön, wenn Sie das in Zukunft in Ihrem Han-

deln beherzigen würden, anstatt Aktuelle Stunden zu be-
antragen, die purer Wahlkampf sind.


(Beifall bei der SPD)

Ihre heuchlerischen Aussagen, die Sie heute gemacht
haben,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das nehmen Sie aber zurück!)


lassen mich aber daran zweifeln, dass bei Ihnen – viel-
leicht auch in der Gesundheitspolitik – noch die Vernunft
einkehren wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Setzen! Fünf! Thema verfehlt!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422325900
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die Aktuelle Stunde – und damit auch die
„Blinkerei der Präsidentin“ – ist beendet. Wir sind damit
am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Donnerstag, den 14. März 2002, 9 Uhr,
ein.

Die Sitzung ist geschlossen.