Protokoll:
14220

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 220

  • date_rangeDatum: 27. Februar 2002

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:50 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Sachstand zum „Galileo“-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . 21809 A Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21809 B Ilse Aigner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21810 A Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21810 A Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21811 C Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21811 D Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21812 A Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21812 A Ilse Aigner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21812 B Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 21812 B Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 14/8318, 14/8353) . . . . . . . 21813 A Änderung bei der Arbeitslosenstatistik DringlAnfr 1 Eckart von Klaeden CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . . 21813 B ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 21813 C ZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 21814 B ZusFr Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . 21814 C ZusFr Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU 21815 B ZusFr Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 21815 C ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 21816 A ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . 21816 C ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21816 D ZusFr Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . 21817 C ZusFr Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . 21818 B ZusFr Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . 21819 A ZusFr Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . 21819 D ZusFr Ingrid Fischbach CDU/CSU . . . . . . . . 21820 A ZusFr Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . . . . . 21820 B Änderung bei der Arbeitslosenstatistik DringlAnfr 2 Eckart von Klaeden CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . . 21820 D ZusFr Eckart von Klaeden . . . . . . . . . . . . . . . 21821 A ZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 21821 D ZusFr Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . 21822 C ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21823 A ZusFr Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . 21823 C ZusFr Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . 21824 A Stärke des Kommandos Spezialkräfte im Aus- landseinsatz DringlAnfr 5 Wolfgang Gehrcke PDS Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21824 D ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 21824 D ZusFr Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . 21825 C Plenarprotokoll 14/220 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 220. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002 I n h a l t : Stärke des Kommandos Spezialkräfte im Aus- landseinsatz DringlAnfr 6 Wolfgang Gehrcke PDS Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21826 A ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 21826 A ZusFr Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . 21826 C ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . 21826 D Beteiligung deutscher Spezialeinheiten an Ver- haftungen und Gefangennahmen im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“ DringlAnfr 7 Carsten Hübner PDS Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21827 A ZusFr Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . 21827 B Informationen über das Vorgehen der Bundes- wehrsoldaten gegenüber amerikanischen Sol- daten in Kandahar DringlAnfr 8 Carsten Hübner PDS Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21828 A ZusFr Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . 21828 A ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 21828 B Änderungen der Strafandrohung für die Störung des öffentlichen Friedens analog dem deutschen § 126 Strafgesetzbuch (Trittbrettfahrer) in den Mitgliedstaaten der EU MdlAnfr 1 Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ . . . . . . . 21828 D ZusFr Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . 21828 D Änderungen im deutschen Strafrecht als Folge der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der EU vom 19. Oktober 2001 MdlAnfr 2 Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ . . . . . . . 21829 A ZusFr Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . 21829 C Rückwirkende Heranziehung der Betreuungs- vereine zur Zahlung von Umsatzsteuer MdlAnfr 3 Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 21830 A ZusFr Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . 21830 B ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21831 C Mögliche Existenzgefährdung der Betreuungs- vereine durch rückwirkende Heranziehung zur Zahlung von Umsatzsteuer MdlAnfr 4 Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 21831 D ZusFr Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . 21832 A ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21832 D Aufenthalt von al-Qaida-Kämpfern im zu Ge- orgien gehörenden Pankisi-Tal MdlAnfr 7 PeterWeiß (Emmendingen) CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 21833 B ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21833 B Beteiligung Georgiens an einer Militäraktion gegen die al-Qaida-Kämpfer und andere Ter- rorgruppen MdlAnfr 8 PeterWeiß (Emmendingen) CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 21833 C ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 21833 C Schikanen und Benachteiligungen der deut- schen Minderheit in der Tschechischen Repu- blik MdlAnfr 9 Georg Janovsky CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 21834 A ZusFr Georg Janovsky CDU/CSU . . . . . . . . . 21834 B Wahrung bzw. Verbesserung der Rechte der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik MdlAnfr 10 Georg Janovsky CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 21834 C ZusFr Georg Janovsky CDU/CSU . . . . . . . . . 21834 D Klärung der nach den Äußerungen des tsche- chischen Ministerpräsidenten Zeman entstan- denen Irritationen in den deutsch-tschechischen Beziehungen durch den Bundesaußenminister MdlAnfr 11 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 21835 A ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 21835 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002II Bewertung der Auffassung des tschechischen Außenministers zu den Benesch-Dekreten durch die Bundesregierung MdlAnfr 12 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 21835 D ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 21836 A Äußerung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Rechtmäßigkeit des Vertrages mit der Firma efp zur Abwicklung der EU-Fördermit- tel EQUAL MdlAnfr 13, 14 Dirk Niebel FDP Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 21836 C ZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 21836 D Nachforderung von Sozialversicherungs- beiträgen auf nicht zugeflossene Arbeitsent- gelte (so genannter Phantomlohn) MdlAnfr 15, 16 Dr. Heinrich L. Kolb FDP Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 21837 D ZusFr Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . 21838 A Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zum Vorschlag des Bun- desarbeitsministers, 1,2 Millionen Ar- beitslose aus der Arbeitslosenstatistik herauszustreichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21839 A Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 21839 B Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 21840 C Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21842 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21843 C Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21844 B Doris Barnett SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21845 C Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU . . 21846 C Wolfgang Grotthaus SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 21848 A Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . . 21849 A Renate Rennebach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 21850 C Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . . . . 21851 A Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21852 C Dorothea Störr-Ritter CDU/CSU . . . . . . . . . . 21853 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21854 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 21855 A Anlage 2 Auslandseinsatz des Kommandos Spezial- kräfte DringlAnfr 3, 4 Heidi Lippmann PDS Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21855 C Anlage 3 Bedeutung der Siliciumherstellung in Bayern für den Wirtschaftsstandort Deutschland; Stromkosten von Siliciumproduzenten MdlAnfr 5, 6 Dr. Klaus Rose CDU/CSU Antw PStSekr’in Margareta Wolf BMWi . . . . 21855 D Anlage 4 Investitionsmittel zur Schaffung der infra- strukturellen Voraussetzungen im Bundes- wehrstandort Rotenburg/Fulda zur Aufnahme des Divisionskommandos „Luftbewegliche Operationen“ im Bundeshaushalt 2003 sowie Zeitpunkt des Umzuges von Veitshöchheim nach Rotenburg/Fulda MdlAnfr 17, 18 Helmut Heiderich CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21856 C Anlage 5 Zukunft des Truppenübungsplatzes Münsingen MdlAnfr 19, 20 Dr. Helmut Haussmann FDP Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21856 D Anlage 6 Schließung des Truppenübungsplatzes Mün- singen MdlAnfr 21, 22 Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21857 A Anlage 7 Schließung von Truppenübungsplätzen im Rahmen des neuen Truppenübungsplatzkon- zeptes; Kürzung des Auslandsverwendungszu- schlags für die im Kosovo und in Mazedonien eingesetzten Soldaten der Bundeswehr MdlAnfr 23, 24 Werner Siemann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21857 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002 III Anlage 8 Baustopp in der Fernmeldeschule des Heeres Feldafing sowie Schließung des Standortes Murnau zugunsten des Standortes Dillingen MdlAnfr 25, 26 Ilse Aigner CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21857 D Anlage 9 Überprüfung der Kostenschätzungen für die Sanierung der Generaloberst-Beck-Kaserne in Sonthofen und der Erhebung der Investitions- und Verlegungskosten in der Emmich- Cambrai-Kaserne in Hannover durch einen un- abhängigen Gutachter MdlAnfr 27, 28 Dr. Gerd Müller CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21858 A Anlage 10 Vorlage wehrtechnischer Beschaffungsvorha- ben in den parlamentarischen Gremien; Ver- besserung der persönlichen Schutzausrüstung aller im Auslandseinsatz befindlichen Bundes- wehrangehörigen MdlAnfr 29, 30 Günther Friedrich Nolting FDP Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . . 21858 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002 Dorothea Störr-Ritter 21854 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002 21855 (C) (D) (A) (B) Bierstedt, Wolfgang PDS 27.02.2002 Carstens (Emstek), CDU/CSU 27.02.2002 Manfred Dr. Eckardt, Peter SPD 27.02.2002 Fischer (Homburg), SPD 27.02.2002 Lothar Friedhoff, Paul K. FDP 27.02.2002 Dr. Friedrich CDU/CSU 27.02.2002 (Erlangen), Gerhard Dr. Friedrich SPD 27.02.2002 (Altenburg), Peter Hartnagel, Anke SPD 27.02.2002 Holetschek, Klaus CDU/CSU 27.02.2002 Ibrügger, Lothar SPD 27.02.2002** Imhof, Barbara SPD 27.02.2002 Irber, Brunhilde SPD 27.02.2002 Knoche, Monika BÜNDNIS 90/ 27.02.2002 DIE GRÜNEN Leidinger, Robert SPD 27.02.2002 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 27.02.2002 Lintner, Eduard CDU/CSU 27.02.2002* Lippmann, Heidi PDS 27.02.2002 Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 27.02.2002 Klaus W. Dr. Meyer (Ulm), SPD 27.02.2002 Jürgen Michels, Meinolf CDU/CSU 27.02.2002* Müller (Berlin), PDS 27.02.2002* Manfred Roos, Gudrun SPD 27.02.2002 Rühe, Volker CDU/CSU 27.02.2002 Schlee, Dietmar CDU/CSU 27.02.2002 Dr. Schubert, Mathias SPD 27.02.2002 Schuhmann (Delitzsch), SPD 27.02.2002 Richard Seehofer, Horst CDU/CSU 27.02.2002 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 27.02.2002 Strebl, Matthäus CDU/CSU 27.02.2002 Welt, Jochen SPD 27.02.2002 Wieczorek-Zeul, SPD 27.02.2002 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 27.02.2002* * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen der Abgeordneten Heidi Lippmann (PDS) (Drucksache 14/8353, dringliche Fragen 3 und 4): Wie viele deutsche Soldaten, die eindeutig zur Einheit desKommandos Spezialkräfte (KSK) zuzuordnen sind, befinden sichzurzeit im Zusammenhang mit dem Mandat des Bundestages zu„Enduring Freedom“ im Auslandseinsatz? An welcher Art von Operationen sind die Soldaten beteiligt? Zu Frage 3: Im deutschen Kontingent Spezialkräfte sind dem Mandat des Deutschen Bundestages entsprechend circa 100 Soldaten eingesetzt. Zu Frage 4: Die Spezialkräfte nehmen entsprechend ihrer besonde- ren Fähigkeiten, die in ihrer Struktur, der Ausbildung und Ausrüstung begründet liegen, an Einsätzen im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“ teil. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Klaus Rose (CDU/CSU) (Druck- sache 14/8318, Fragen 5 und 6): Ist sich die Bundesregierung der Bedeutung der Silicium-herstellung in Bayern für den Wirtschaftsstandort Deutschland be-wusst? Was tut die Bundesregierung, um die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Gesetz für die Erhaltung, die Mo-dernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung unddurch die Strommarktliberalisierung steigenden Stromkosten beiSiliciumproduzenten einzudämmen? entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Zu Frage 5: Die Bedeutung von Silicium leitet sich aus dem zu- nehmenden Einsatz in wichtigen Technologiebereichen her: Es findet als Reinstmetall zum Beispiel Anwendung als Halbleiterbauelement in der Elektronik, in Kristall- form ist es unverzichtbar für die Nutzung von Solar- energie, und schließlich ist es auch bedeutend für die Herstellung von Speziallegierungen zum Beispiel in Ver- bindung mit Aluminium. Aufrechterhaltung und Absiche- rung der deutschen Siliciumherstellung ist daher für den Wirtschaftsstandort Deutschland von Bedeutung, wobei die Produzenten in der Lage sein müssen, sich auch dem internationalen Wettbewerb zu stellen. Zu Frage 6: Mit der Liberalisierung des deutschen Strommarktes war die Erwartung sinkender Strompreise für die Ver- braucher verknüpft. Diese Erwartung ist erfüllt worden. Insbesondere die Industrie hat von teilweise erheblichen Strompreissenkungen profitiert. Der VEA-Strompreis- index für (mittelständische) Sondervertragskunden weist in Bezug auf den Preisstand Januar 1998 (= 100 Prozent), das heißt vor der Liberalisierung, eine Reduzierung des Strompreisniveaus auf gegenwärtig (Stand 31. Dezember 2001) circa 68 Prozent aus – vor Steuern, aber einschließ- lich der Belastungen aus EEG und Kraft-Wärme-Kopp- lungsgesetz. Das EEG und das Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme- Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz), dass voraus- sichtlich am 1. April 2002 in Kraft treten wird, sollen im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhal- tige Entwicklung der Energieversorgung ermöglichen, den Beitrag der erneuerbaren Energien an der Stromver- sorgung zukunftsorientiert deutlich erhöhen und einen wesentlichen Beitrag zur Minderung der CO2-Emissionenin der Bundesrepublik Deutschland leisten. Begünstigt werden Stromeinspeisungen aus den in den beiden Geset- zen genannten Anlagen über die Festlegung von Mindest- preisen bzw. eines Strompreiszuschlags. Beim EEG werden mit der Regelung über den bundes- weiten Belastungsausgleich die aus dem Gesetz resultie- renden Lasten gleichmäßig verteilt. Aufgrund dieser Regelung haben im Ergebnis alle letztbelieferten EVU und Stromhändler eine einheitliche Quote EEG-Stroms (EEG-Quote) zu einer bundesweit einheitlichen Durch- schnittsvergütung abzunehmen. Im liberalisierten Strom- markt obliegt es der Entscheidung dieser Unternehmen, wie sie die Kosten des EEG auf ihre verschiedenen Kun- den und Kundengruppen umlegen. Für den Lieferanten im Wettbewerb kommt bei sachlicher Begründung auch in Betracht, bei der Weitergabe zwischen verschiedenen Kunden und Kundengruppen zu differenzieren. Das neue Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz sieht aus- drücklich eine Deckelung der Belastung für strominten- sive Unternehmen vor (§ 9 Abs. 7). Letztverbraucher mit einem Stromverbrauch von mehr als 100 000 Kilowatt- stunden pro Jahr an einer Abnahmestelle dürfen für da- rüber hinausgehende Strombezüge dort mit nicht mehr als 0,05 Cent pro Kilowattstunde belastet werden. Diese Be- lastungsgrenze reduziert sich für stromintensive Unter- nehmen des Produzierenden Gewerbes (Stromkosten größer als 4 Prozent des Umsatzes) auf die Hälfte. Im gel- tenden Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz vom 12. Mai 2000 ist eine vergleichbare Regelung, die im Interesse der Wah- rung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit strom- intensiver Unternehmen in das neue Gesetz eingeführt wurde, nicht enthalten. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Helmut Heiderich (CDU/CSU) (Drucksache 14/8318, Fragen 17 und 18): Mit welchen finanziellen Beträgen beabsichtigt die Bundesre- gierung Investitionsmittel zur Schaffung der infrastukturellen Voraussetzungen im Bundeswehrstandort Rotenburg/Fulda zur Aufnahme des Divisionskommandos „Luftbewegliche Operatio- nen“ in den Bundeshaushalt 2003 und in die weitere Finanzpla- nung des Bundes im Einzelnen aufzunehmen vor dem Hinter- grund der Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister der Verteidigung, Brigitte Schulte, auf meine Frage 21 in der Fragestunde am 23. Januar 2002, Plenarprotokoll 14/211, S. 20905 B, wonach bisher „noch keine Haushaltsmittel für die Stationierung Kommando Division Luftbewegliche Ope- rationen in Rotenburg an der Fulda bereitgestellt“ wurden? Zu welchem Zeitpunkt wird die Bundesregierung die Anwei- sung an die Division „Luftbewegliche Operationen“ erteilen, den Umzug des Divisionskommandos von Veitshöchsheim nach Ro- tenburg an der Fulda vorzubereiten, und wird die Bundesregie- rung diesen Umzug für einen konkreten Stichtag oder Zug um Zug anordnen? Zu Frage 17: Wenn feststeht, zu welchem Termin die Aufnahme des Divisionskommandos „Luftbewegliche Operationen“ in Rotenburg an der Fulda beginnen kann, wird die Weisung zur Verlegung des Kommandos ergehen. Nach gegenwär- tiger Planung könnte dies 2005 sein. Die Verlegung ist dann innerhalb von sechs Monaten durchzuführen. Zu Frage 18: Die Baumaßnahmen zur Anpassung der Alheimer-Ka- serne in Rotenburg an der Fulda zur Aufnahme des Divi- sionskommandos „Luftbewegliche Operationen“ werden in Abhängigkeit von der Auflösung des in der Liegen- schaft stationierten Panzergrenadierbataillons 52 in den Jahren 2004 bis 2006 ausgeführt. Die dafür erforderlichen Infrastrukturinvestitionen von circa 15 Millionen Euro sind inzwischen in die Infrastrukturplanung eingestellt. Anlage 5 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann (FDP) (Drucksache 14/8318, Fragen 19 und 20): Wird der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, in Kürze ein neues Truppenübungsplatzkonzept erlassen, das un- ter anderem zwingend zur Schließung des Truppenübungsplatzes Münsingen führt? Plant die Bundesregierung im Falle der Schließung des Trup- penübungsplatzes Münsingen eine Folgenutzung oder wird das Gelände der Kommune zur Verfügung gestellt? Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 200221856 (C) (D) (A) (B) Zu Frage 19: Die erste Fortschreibung des Truppenübungsplatzkon- zeptes wurde dem Vorsitzenden des Verteidigungsaus- schusses des Deutschen Bundestages am 25. Februar 2002 zugeleitet. Sie wird nach der Beratung im Verteidi- gungsausschuss erlassen werden. Es ist beabsichtigt, im Zuge der Realisierung des fortgeschriebenen Truppen- übungsplatzkonzeptes, die Nutzung des Truppenübungs- platzes Münsingen einzustellen. Zu Frage 20: Die Fortschreibung des Truppenübungsplatzkonzeptes stellt den aktuellen Bedarf an Übungsfläche und Schieß- anlagen fest. Der Truppenübungsplatz Münsingen wird noch bis zum Jahr 2005 für die Ausbildung der Streit- kräfte genutzt. Über eine Folgenutzung kann erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU) (Drucksache 14/8318, Fragen 21 und 22): Kann die Bundesregierung Presseberichte vom 22. Februar 2002 bestätigen, in denen angekündigt wird, dass der Truppen- übungsplatz Münsingen (Baden-Württemberg) 2005 aufgelöst wird (vergleiche „Schwäbische Zeitung“ vom 22. Februar 2002)? Wie viele Bedienstete der Bundeswehr (Soldaten und Zivilan- gestellte) wären von einer Schließung des Truppenübungsplatzes Münsingen betroffen, und welche Maßnahmen (Versetzungen, Entlassungen usw.) müssen die Betroffenen erwarten? Zu Frage 21: Ja, diese Absicht besteht. Zu Frage 22: Derzeit sind bei der Truppenübungsplatzkommandan- tur Münsingen und der Truppenübungsplatzfeuerwehr 30 Soldaten und 105 zivile Mitarbeiter beschäftigt. Es ist noch nicht absehbar, wie viele Bedienstete direkt betrof- fen sein werden, da die Nutzung des Truppenübungsplat- zes Münsingen erst bis zum Jahr 2005 eingestellt wird. Die frühzeitige Benennung des Auflösungstermins er- möglicht es den personalführenden Dienststellen und den Betroffenen, langfristig zu planen und sozialverträgliche Lösungen zu erarbeiten bzw. daran mitzuwirken. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Werner Siemann (CDU/CSU) (Drucksache 14/8318, Fragen 23 und 24): Gibt es Überlegungen oder Pläne vonseiten des Bundesminis- teriums der Verteidigung (BMVg), im Rahmen der Erarbeitung des neuen Truppenübungsplatzkonzeptes Truppenübungsplätze zu schließen oder zurückzustufen, und wenn ja, welche Truppen- übungsplätze sind nach derzeitigem Stand davon betroffen? Beabsichtigt das BMVg den Auslandsverwendungszuschlag für die im Kosovo und in Mazedonien eingesetzten Soldaten der Bundeswehr zu verringern, und wenn ja, wie wird diese Reduzie- rung begründet? Zu Frage 23: Die erste Fortschreibung des Truppenübungsplazkon- zeptes wurde dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages am 25. Februar 2002 zur Beratung zugelei- tet. Es ist beabsichtigt, im Zuge der Realisierung des fort- geschriebenen Truppenübungsplatzkonzeptes die Nut- zung der Truppenübungsplätze Altenwalde, Garlstedt, Münsingen und Vogelsang einzustellen, wobei ein Teil des Truppenübungsplatzes Garlstedt als Standortübungs- platz weiter genutzt wird. Für den Truppenübungsplatz Vogelsang, der den belgischen Streitkräften zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, wird nach deren Abzug für die Bundeswehr kein militärischer Bedarf bestehen. Zu Frage 24: Die Höhe des Auslandsverwendungszuschlages wird der Auslandsverwendungszuschlagsverordnung entspre- chend den jeweiligen Belastungen und Erschwernissen in den Einsatzgebieten in sechs Stufen festgesetzt. Zurzeit wird in den Einsatzgebieten Kosovo und Mazedonien noch der Höchstsatz von 92,03 Euro je Einsatztag ge- währt. Bei sich weiter friedlicher entwickelnder Lage und verbesserter Lebensbedingungen der Soldaten vor Ort soll die Absenkung des Tagessatzes mit dem nächsten Kontingentwechsel zum 1. Juli 2002 erfolgen. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen der Abgeordneten Ilse Aigner (CDU/CSU) (Drucksache 14/8318, Fragen 25 und 26): Wie begründet die Bundesregierung den Baustopp vom April 2001 in der Fernmeldeschule des Heeres Feldafing, obwohl dort nach Angaben örtlicher Standortvertreter Sanierungsmaßnahmen (unter anderem Lehrsaalgebäude und Abwasserentsorgung) zwin- gend notwendig sind, um einen Betrieb über den 1. Januar 2003 hinaus aufrechtzuerhalten, unabhängig davon, ob die Fernmelde- schule verlegt wird oder nicht, und dass dadurch vermeidbare Mehrausgaben in Höhe von etwa 13,5 Millionen Euro entstehen? Welche wirtschaftlichen und militärischen Gründe gibt es dafür, bei der festgelegten Auflösung eines Fernmeldebataillons statt wie ursprünglich geplant den Standort Dillingen nun den Standort Murnau zu schließen, und wie stellt sich der derzeitige Sanierungsbedarf für das Fernmeldebataillon am Standort Dillin- gen dar? Zu Frage 25: Der Baustopp wurde angesichts der geplanten Ver- legung der Fernmeldeschule und Fachschule des Heeres für Elektrotechnik angeordnet. Derzeit wird untersucht, welche Maßnahmen erforderlich sind, um den gesetzli- chen Verpflichtungen in der verbleibenden Nutzungs- dauer Rechnung zu tragen. Ob und gegebenenfalls in wel- chem Rahmen Sanierungsarbeiten zur Sicherstellung des Lehrbetriebes ab dem 1. Februar 2003 durchzuführen sind, hängt von den zurzeit laufenden Untersuchungen ab. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002 21857 (C) (D) (A) (B) Zu Frage 26: Mit dem Ressortkonzept Stationierung vom 16. Fe- bruar 2001 wurden folgende Entscheidungen getroffen und veröffentlicht: a) Das Fernmeldebataillon 230 in Dillingen bleibt erhalten. b) Das Gebirgsstabsfernmelde- lehrbataillon 8 in Murnau wird aufgelöst, die dortige Liegenschaft aufgegeben. c) Die Fernmeldeschule und Fachschule des Heeres für Elektrotechnik soll aus Felda- fing/Pöcking an einen noch zu bestimmenden Standort in Bayern verlegt werden. Wegen des funktionalen Zusam- menhanges mit dem Fernmeldebataillon und der Nähe zu Dillingen wird dabei mit Priorität Günzburg untersucht. Von der ursprünglichen, mit dem „Entwurf des Ressort- konzept Stationierung“ vom 29. Januar 2001 bekannt gegebenen Absicht, das Fernmeldebataillon 230 in Dillin- gen aufzulösen, ist Abstand genommen worden. Un- abhängig von den genannten Gründen enthält der Stand- ort Dillingen für das Fernmeldebataillon auch größeres Entwicklungspotenzial als die in unmittelbarer Nachbar- schaft eines Wohn- und eines Gewerbegebietes liegende Kasernenanlage Murnau. Für den Standort Dillingen sind Investitionen von circa 14 Millionen Euro für Infrastruk- turmaßnahmen in den nächsten sieben Jahren eingeplant. Anlage 9 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Gerd Müller (CDU/CSU) (Druck- sache 14/8318, Fragen 27 und 28): Welche Sanierungspläne liegen der Annahme des Bundesmi- nisters der Verteidigung, Rudolf Scharping, zugrunde, dass die Sanierung der Generaloberst-Beck-Kaserne in Sonthofen zum Verbleib der Schule für Feldjäger mit einem Aufwand von 44 Mil- lionen Euro saniert werden müsste? Ist der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, bereit, die veranschlagten Kostenschätzungen für die Sanierung der Generaloberst-Beck-Kaserne in Sonthofen und die Erhebung der Investitions- und Verlegungskosten in der Emmich-Cambrai- Kaserne in Hannover durch einen unabhängigen Gutachter über- prüfen zu lassen? Zu Frage 27: Die Kosten für die Sanierung und Anpassung der Ge- neraloberst-Beck-Kaserne werden bei einem Verbleib der Schule am jetzigen Standort aktuell mit 44 Millionen Euro veranschlagt. Diese Summe basiert zu einen auf dem für Infrastrukturmaßnahmen bereits im Jahr 1999 einge- planten Mittelansatz in Höhe von circa 30 Millionen Euro, zum anderen auf einem zwar seinerzeit noch nicht einge- planten, inzwischen jedoch festgestellten weiteren erfor- derlichen Mittelbedarf für zusätzliche infrastrukturelle Anpassungsmaßnahmen in Höhe von circa 14 Millionen Euro. Zu Frage 28: Die Bundesregierung und die zuständigen Landesver- waltungen haben die entstehenden Infrastrukturkosten er- mittelt. Es besteht keine Notwendigkeit, die Angaben des Staatshochbauamtes Kempten durch ein Gutachten zu überprüfen. Anlage 10 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting (FDP) (Drucksache 14/8318, Fragen 29 und 30): Wann plant die Bundesregierung welche wehrtechnischen Beschaffungsvorhaben in den parlamentarischen Gremien vor-zulegen? Hält die Bundesregierung die persönliche Schutzausrüstungaller im Auslandseinsatz befindlichen Bundeswehrangehörigenfür ausreichend und bis wann gedenkt sie einen eventuellen Ver-besserungsbedarf zu realisieren? Zu Frage 29: Am 20. Februar 2002 hat der Rüstungsrat die im Haus- halt 2002 vorzulegenden Vorhaben beraten. Die Zeitpla- nung der parlamentarischen Beratung dieser Vorhaben wird gegenwärtig im Bundesministerium der Verteidi- gung erarbeitet. Nach Billigung dieser Planung durch die Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung wer- den die parlamentarischen Gremien unverzüglich schrift- lich informiert. Zu Frage 30: Für die Bundesregierung hat der Schutz der Soldatin- nen und Soldaten höchste Priorität. Den Bundeswehran- gehörigen steht im internationalen Vergleich Ausrüstung und Gerät mit hoher und nach derzeitiger Lagebeurteilung angemessener Schutzwirkung zur Verfügung. Im Rahmen der einsatzbegleitenden Auswertung werden die Erfah- rungen der Kontingente und der einzelnen Soldaten regel- mäßig gesammelt und ausgewertet. Zur Verbesserung des bereits erreichten Standards befinden sich Beschaffungs- vorhaben wie zum Beispiel Schutzwesten, Gefechtshelme mit Visier und ABC-Schutzbekleidung in der Durch- führung. Trotz der Optimierung von Ausbildung, Ausrüs- tung, Verfahren, Technologie und Führung wird jedoch ein hundertprozentiger Schutz im Einsatz nicht zu errei- chen sein. Dies gehört zu den Besonderheiten des Berufs- bildes „Soldat“. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 220. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 200221858 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422000000
Guten Tag, liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Sachstand zum „Galileo“-
Projekt.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungs-
wesen, Herr Bodewig. Bitte sehr.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-
ginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat heute
beim Projekt „Galileo“ einen Durchbruch erzielt. Ich
möchte kurz auf die Historie eingehen.

Ziel der Bundesregierung war von Anfang an, das Pro-
jekt als PPP-Modell, also als privat-öffentliche Partner-
schaft – unter wesentlicher Beteiligung privater Finanz-
mittel –, zu realisieren. An diesem Ziel halten wir fest.
Gleichwohl war ein neuer Kabinettsbeschluss notwendig,
weil eine Studie von Price Waterhouse Coopers eine
stärkere öffentliche Beteiligung an den Investitionen und
– bis 2015 zeitlich begrenzt – auch an der Betriebsphase
für erforderlich hält. Der Verkehrsministerrat im Dezem-
ber konnte der Fortsetzung des Projektes noch nicht zu-
stimmen, weil diese Studie erst wenige Tage vor der Ver-
kehrsministerratssitzung eingebracht wurde.

Die Finanzierung möglicher Mehrkosten musste ge-
klärt werden. Nach den Schätzungen könnten auf
Deutschland für den Zeitraum bis 2015 circa 600 Mil-
lionen Euro zukommen. Ich sage ausdrücklich „könnten“;
denn die EU-Kommission hat zugesagt, Mehrkosten
durch echte Umschichtungen im EU-Haushalt ohne zu-
sätzliche Belastung der nationalen Haushalte zu finan-
zieren. Für den Fall, dass dennoch Mehrbelastungen für
die nationalen Haushalte entstehen, war im Vorhinein eine
Lösung zu suchen.

„Galileo“ stiftet außer im Verkehrsbereich auch für die
gesamte Luft- und Raumfahrt, für viele Bereiche des
Wirtschaftslebens, wie etwa die Finanzdienstleistungen
oder die Geodäsie, die Umweltbeobachtung und die
Landwirtschaft erheblichen Nutzen. Nicht zuletzt ist es
natürlich ein außen-, europa- und industriepolitisch be-
deutendes Projekt.

Price Waterhouse Coopers hat im Übrigen einen Nut-
zen-Kosten-Quotienten von 4,6 ermittelt. Das ist mehr als
bei vielen anderen europäischen Projekten. Das Kabinett
hat sich deshalb darauf geeinigt, eventuell anfallende
Mehrkosten auf mehrere Schultern zu verteilen. Ich gehe
aber davon aus, dass die EU-Kommission die eigene Ver-
pflichtung, nämlich im Falle von Mehrkosten Umschich-
tungen im EU-Haushalt vorzunehmen, realisieren wird.

Damit die Kosten beherrschbar bleiben, wird das
gemeinsame Unternehmen, das in den nächsten vier Jah-
ren die Entwicklungsphase umsetzt, die Errichtung und
den Betrieb von „Galileo“ im Wettbewerb ausschreiben.
Der Kabinettsbeschluss fordert ausdrücklich die Konzes-
sion, den Vertrag mit einer Deckelung, einer Obergrenze,
abzuschließen. Ausschreibungsergebnisse werden für En-
de 2003 erwartet. Auf dieser Basis wird dann endgültig
über „Galileo“ zu entscheiden sein.

Der Kabinettsbeschluss ermöglicht eine Zustimmung
zum Projekt im Verkehrsministerrat Ende März. Damit
wäre die Bedingung erfüllt, dass Deutschland am ESA-
Programm einen entsprechenden Anteil zeichnen kann,
um die deutsche Industrie in eine Führungsrolle für dieses
Projekt zu bringen. Die Bundesregierung erwartet dann
allerdings umgekehrt ein massives Engagement der deut-
schen Industrie. Die Privatwirtschaft ist aufgefordert, sich
am Standort Deutschland mit dem Ziel der Schaffung von
zusätzlichen Arbeitsplätzen in besonderem Maße zu en-
gagieren.

Die jetzt benötigten Mittel für die Zeichnung des ESA-
Anteils an der Entwicklungsphase sind im Bundeshaus-
halt 2002 mit 155 Millionen Euro veranschlagt. Die Ent-
sperrung dieser Mittel wird nach der Entscheidung des
Verkehrsministerrates vorbereitet.

21809


(C)



(D)



(A)



(B)


220. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 27. Februar 2002

Beginn: 13.00 Uhr


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422000100
Vielen Dank, Herr
Bundesminister.

Wird dazu das Wort gewünscht? – Bitte sehr, Frau Kol-
legin.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1422000200
Frau Präsidentin! Herr Mi-
nister, Sie haben in Bezug auf „Galileo“ ein ganz neues
Projekt angesprochen: Es besteht eine Vermischung zwi-
schen der EU und der ESA. Hier gibt es, gerade was die
Industriepolitik betrifft, unterschiedliche Finanzierungs-
kriterien. Bei der EU steht ganz klar der Wettbewerb im
Vordergrund, dem ein Rückflussprinzip entgegensteht. Im
Gegenzug gibt es bei der ESA pro Projekt ganz klare
Rückflusskriterien. Wie werden Sie dies aus industrie-
politischer Sicht miteinander vereinbaren?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Sie wissen ja, dass beide Räte, der
ESA-Ministerrat und der Verkehrsministerrat, in dichter
zeitlicher Abfolge getagt haben. Die Grundentscheidung
war, dass es im Rahmen des ESA-Programms Zeichnun-
gen gibt und dass auf der Verkehrsseite über die TEN-Mit-
tel ein ähnlich hoher Beitrag, der ja schon im EU-Haus-
halt eingestellt worden ist, eingesetzt wird.

Ich gehe davon aus, dass dieses Projekt den Kriterien
der ESA, also den technologischen Kriterien, entspricht,
dass gleichzeitig aber auch ein großes wirtschaftliches
Interesse vorhanden ist; denn mit diesem Satellitensystem
ist wirtschaftlicher Nutzen zu erzielen. Das heißt, hier
können Zusatzdienstleistungen durch Gebühren, die er-
hoben werden, refinanziert werden. Gleichzeitig sage ich
aber: Das Basissignal für „Galileo“ bleibt frei.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422000300
Bitte sehr.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1422000400
Herr Minister, ich muss
nachhaken, weil Ihre Ausführungen meine Frage nicht
ganz beantwortet haben.

Die Hälfte der Mittel stammt aus der ESA. Hier ist
ganz klar festgelegt: Wenn die deutsche Beteiligung
25 Prozent beträgt, dann werden bis zu 98 Prozent an Auf-
trägen wieder an die Industrie zurückgespielt. Das ist ganz
klar geregelt. Dies widerspricht aber eigentlich den EU-
Kriterien, nach denen die Ausschreibung ganz klar nach
Wettbewerbsgesichtspunkten erfolgt, – dass also der bil-
ligste Anbieter den Zuschlag bekommt. Wie wollen Sie
dies miteinander verbinden?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Wenn ESA-Mittel eingesetzt werden,
dann gelten für diese Mittel natürlich auch die Regeln der
ESA. Das heißt, hier werden Mittel aus der Techno-
logieförderung eingesetzt. Sie wissen ja, dass jedes Land
einen Anteil zeichnet. Wir tun dies entsprechend dem
deutschen Sozialprodukt. Dies sind rund 165 Milli-
onen Euro. 10 Millionen Euro sind ja schon eingesetzt.
Das bedeutet, dass wir dann über eine Haushaltsentschei-
dung 155Millionen Euro zeichnen würden. Daran können

Sie erkennen, dass dieser Betrag auch wieder zurück-
fließt; denn das Ziel ist, dass die hoch entwickelte Luft-
und Raumfahrt in Deutschland an diesem Projekt beteiligt
wird.

Bei diesem gemeinschaftlichen Unternehmen geht es
ja darum, den vor allem für die Betriebsphase notwen-
digen Aufwand in hohem Maße privatwirtschaftlich er-
folgen zu lassen. Bisher gingen wir davon aus, dass die
Entwicklungs- und Validierungsphase öffentlich ist und
dass die Finanzierung der Betriebsphase ausschließlich
privat erfolgt. Jetzt aber zeigt uns dieses Gutachten auf,
dass es hier zu einer Mischung kommt. Das heißt, dass
mehr öffentliches Kapital in der Errichtungsphase einbe-
zogen werden muss, dass aber auch in der Betriebsphase
öffentliches Kapital notwendig ist. Dieses gemeinschaft-
liche Unternehmen, das in der EU das erste Unternehmen
dieser Art nach Art. 171 EG-Vertrag ist, wird ja durch-
geführt, um genau diese Fragen zu klären. Deswegen fin-
det die Ausschreibung statt. Aber für alle Entwicklungen,
für die ESA-Mittel eingesetzt werden, gelten auch die
ESA-Kriterien.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422000500
Frau Kollegin Aigner,
Sie dürfen weiter fragen. Bitte sehr.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1422000600
Sie haben schon angespro-
chen, dass es drei Phasen gibt, vor allem die Betriebs-
phase, in der auch die Refinanzierung insbesondere der
privatwirtschaftlichen Mittel erfolgen soll. Hier besteht
eine Unterteilung in drei Bereiche: Der erste Bereich be-
steht aus den frei zugänglichen Diensten, die jeder, der
schon jetzt GPS nutzt, dann kostenlos nutzen kann, der
zweite Bereich ist im Wesentlichen der für den Bahn- und
Flugverkehr, und der dritte Bereich besteht aus solchen
Diensten, die der Staat in Anspruch nehmen kann. Kann
ich daraus schließen, dass zukünftig für diese Dienste an
die später zu gründende Betreiberfirma bezahlt wird?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Dies wäre ein Vorgriff auf ein Projekt,
das zurzeit in der Entwicklung ist. Darüber hinaus gibt es
noch eine ganze Reihe von anderen Diensten – von dem
Erkennen der Bestellung von Feldern in der Landwirt-
schaft bis hin zu deren betriebswirtschaftlicher Nutzung
durch große landwirtschaftliche Betriebe. All dies ist ja in
der Entwicklung. Deswegen, glaube ich, macht es Sinn,
heute an die deutsche Wirtschaft zu appellieren und zu sa-
gen: Wir haben kein großes Interesse daran, dass sich
Deutschland als Staat materiell einbringt, sondern daran,
dass sich die deutsche Wirtschaft frühzeitig beteiligt,
um Zusatznutzen zu erhalten und zusätzliche Dienstleis-
tungen zur Verfügung zu haben.

Lassen Sie mich aber auch auf das von Ihnen ange-
sprochene GPS-System zu sprechen kommen. Es ist noch
kostenlos. Natürlich ist die Kostenlosigkeit dieses Sys-
tems vor dem Hintergrund einer europäischen Alternative
zu sehen. Sie wissen, dass die Nutzung zurzeit kostenfrei
ist, dass es aber keine Garantie gibt für diejenigen, die
dieses System in Anspruch nehmen, dass die Nutzung je-
derzeit und längerfristig möglich ist. Das sollten wir in-






(C)



(D)



(A)



(B)


dustriepolitisch vor dem Hintergrund, dass Leistungen
über GPS laufen, zumindest zur Kenntnis nehmen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422000700
Möchten Sie noch
eine Frage stellen? – Bitte sehr.

Für diejenigen, die später gekommen sind: Es geht um
das „Galileo“-Projekt.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1422000800
Damit kein falscher Zun-
genschlag in die Sache kommt: Ich bin zu 100 Prozent da-
von überzeugt, dass „Galileo“ sinnvoll ist und zwingend
umzusetzen ist. Ich weiß, dass GPS auf Dauer nicht unein-
geschränkt und nicht in der Qualität wie der von „Galileo“
zur Verfügung stehen wird. Ich bitte Sie deshalb, meine
Fragen nicht falsch zu interpretieren.

Es wird nun ein Joint Undertaking gegründet. Wie ste-
hen die Chancen, dieses Projekt nach Deutschland zu ho-
len? Es sind wohl Standorte in Brüssel oder in Italien im
Gespräch. Welche Aktivitäten planen Sie, damit das Pro-
jekt nach Deutschland kommen kann?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Dieses gemeinsame Unternehmen wird
erst durch Rechtsverordnung gebilligt, wenn wir es im
Ministerrat beschließen. Wir sind bei den Vorbereitungen
schon sehr weit. Es gibt aber noch keine Entscheidung
über Vorsitz und Sitz. Das Projekt wird in einem europä-
ischen Prozess entwickelt. Von unserer Seite gibt es Vor-
stellungen. Ich glaube aber, es macht Sinn, den Prozess im
Verkehrsministerrat so zu organisieren, dass nicht nur
Wünsche geäußert werden, sondern dass man sich auch
darauf verständigt, wie sie realisiert werden können. In-
sofern ist es jetzt noch zu früh, darüber zu sprechen.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1422000900
Wollen Sie als Bundesregie-
rung das Projekt in Deutschland haben?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Ich möchte als Erstes, dass wir das Pro-
jekt „Galileo“ im Verkehrsministerrat voranbringen und
die zwingenden Voraussetzungen für die Realisierung re-
geln. Diese Entscheidung sollte nicht mit anderen The-
men, die zu gegebener Zeit zu klären sind, befrachtet wer-
den.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422001000
Sie haben noch eine
Frage? – Bitte sehr.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1422001100
Das angesprochene Joint
Undertaking ist die eine Sache, die die Kundenseite be-
trifft. Der zweite Punkt ist: Wenn das Projekt im weiteren
Verlauf in die Betreiberphase übergeht, in der ein wirt-
schaftlicher Nutzen entsteht, soll eine Betreiberfirma ge-
gründet werden. Es sind mehrere Firmen angesprochen;
meines Wissens sind Alcatel, Alenia und Astrium mit da-
bei. Es handelt sich um mehrere Firmen, die an verschie-
denen Enden ziehen. Jeder will die Betreiberfirma in sein
Land holen. Es gibt auch Bestrebungen, die Betreiber-

firma nach Deutschland zu holen. Wie planen Sie dieses
Vorhaben zu forcieren oder zu unterstützen und was ha-
ben Sie gegebenenfalls schon eingeleitet?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Sie wissen, dass es sich um ein europä-
isches Projekt handelt. Ich müsste jetzt die gleiche Ant-
wort geben wie auf Ihre vorhergehende Frage: Wir müs-
sen dies in Gesprächen klären. Ich werde nicht vor einer
Verkehrsministerratssitzung die Grundentscheidung, für
die wir heute im Kabinett wichtige Voraussetzungen ge-
schaffen haben, mit anderen Fragen befrachten. Natürlich
gibt es über dieses Thema Gespräche und ich bin mir si-
cher, dass wir über hervorragende Industrieunternehmen
sowie ein Know-how, das in eine solche Betreiberfirma
hineingehört, verfügen. Darin stimmen wir direkt überein.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422001200
Gibt es zu diesem
Thema weitere Fragen? – Herr Kollege Koppelin, bitte
sehr.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1422001300
Herr Minister, darf ich Sie
in diesem Zusammenhang fragen, ob bei der Kabinettsbe-
ratung die am Wochenende bekannt gegebene Finanzie-
rung des Transrapid in Bezug auf die Länder Bayern und
Nordrhein-Westfalen eine Rolle gespielt hat und ob Sie im
Kabinett für die Art der Finanzierung gelobt worden sind?
Es handelt sich ja um das Modell Scharping: Bestellen,
ohne Geld zu haben. Dieses Modell kann durchaus noch
von anderen Ministern übernommen werden.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Herr Kollege Koppelin, über die posi-
tiven Reaktionen im Kabinett rede ich nur im Kabinett
und nicht außerhalb. Ich will Ihnen aber etwas anderes sa-
gen: Sie selber wissen aufgrund der Anmerkungen zu dem
entsprechenden Titel des Haushalts, dass wir alle dieses
Projekt wollen. Das war immer der Sinn, den der Haus-
haltsgesetzgeber verfolgt hat. Dies ist aus den Erläute-
rungen zu erfahren. Deswegen geht es heute nicht um eine
Bewertung, sondern darum, festzustellen, dass auch die-
ses von Ihnen angesprochene Projekt ein sehr wichtiges
technologisches Projekt ist. Ich glaube, darin stimmen wir
überein.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422001400
Herr Kollege
Koppelin, Sie haben eine weitere Frage.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1422001500
Herr Minister, da Sie gerade
gesagt haben, dass wir alle das Projekt wollen – für die
FDP kann ich das unterstützen –, darf ich Sie fragen, ob
das auch auf den grünen Koalitionspartner zutrifft. Wie
kann ich mir sonst erklären, dass der Ministerpräsident
von Nordrhein-Westfalen, Herr Clement, zu Herrn
Möllemann von der Oppositionspartei FDPgeht und drin-
gend um Unterstützung bittet, weil er sich der Zusiche-
rung der Grünen nicht sicher sei?




Bundesminister Kurt Bodewig

21811


(C)



(D)



(A)



(B)


Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Ich glaube nicht, dass die Regierungs-
befragung Auftakt von Wahlveranstaltungen sein soll mit
Mutmaßungen, die vielleicht wahltaktischen Hintergrund
haben. Ich glaube, wir sollten über das reden, was ist.

Ich kann Ihnen sagen, dass in Nordrhein-Westfalen auf
der Basis dieser Finanzentscheidung zurzeit an Finanzie-
rungskonzepten gearbeitet wird. Es gab ja einen klaren
Zeitplan, nämlich zunächst die Feststellung des Plafonds
und dann eine Entscheidung darüber, wie die Mittel auf
beide Länder so aufgeteilt werden, dass beide Projekte zu
realisieren sind. Das war die Grundvoraussetzung und das
ist erfolgt. Jetzt können die beteiligten Bundesländer wei-
ter planen. Ich glaube, das ist die richtige Reihenfolge.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422001600
Das fordert nun die
Kollegin Katrin Göring-Eckardt zu einer Frage heraus.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihnen noch mir Uneinigkeiten in Bezug auf dieses Projekt
bekannt sind, weder in NRW noch im Bund?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Ich kann das bestätigen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422001700
Frau Kollegin Aigner
hat noch eine Frage. – Bitte sehr.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1422001800
Das Projekt „Galileo“ ist
zwar Ihrem Ressort zugeordnet, aber es ist letztendlich
natürlich auch ein forschungspolitisches Projekt und wird
sehr stark von dieser Seite unterstützt. Die Raumfahrt
spielt hier natürlich eine ganz wesentliche Rolle. In die-
sem Bereich stellt sich immer wieder die Frage, ob es Nut-
zungen über alle Ressorts gibt; das hat jetzt offensichtlich
Früchte getragen. Aber es geht natürlich auch in den Be-
reich Dual use, es stellt sich also die Frage der militäri-
schen Nutzung. Wie stellen Sie sich dazu, dass man „Ga-
lileo“ durchaus auch militärisch nutzen und es vielleicht
auf andere Projekte übertragen könnte?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Im Rat gibt es einen großen Konsens
darüber, dass es sich hierbei um ein ziviles Projekt mit ei-
ner zivilen Nutzung handelt. Das ist die Grundvorausset-
zung.

Ich kann aber bestätigen – das betrifft den ersten Teil
Ihrer Frage –, dass dieses Projekt über den Verkehrsbe-
reich hinaus für viele Bereiche von Bedeutung ist, bis hin
zur Zeitsynchronisierung oder Finanzdienstleistung. Sie
alle wissen, was passieren würde, wenn GPS nicht zur
Verfügung stünde, welch hohe Risiken etwa für die Volks-
wirtschaft entstünden. Deswegen wird das Projekt auch in
der Risikoabsicherung von der Bundesregierung in Gänze
– unter Beteiligung vieler Ressorts – getragen. Ich kann
Ihnen auch auflisten, wer sich wie beteiligt.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422001900
Noch eine Frage der
Kollegin Aigner. – Bitte sehr.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1422002000
Weil GPS ursprünglich ein
rein militärisches Vorhaben war und die Nutzung nur frei-
gegeben wurde, ist bei diesem Projekt schon noch einmal
die Frage zu stellen: Was spricht eigentlich dagegen, auch
„Galileo“ für die militärische Nutzung zur Verfügung zu
stellen?


Kurt Bodewig (SPD):
Rede ID: ID1422002100
Ich glaube, wir wissen aus der
Nutzung anderer Systeme, dass solche Systeme in be-
stimmten Krisensituationen eben nicht für die Zwecke,
für die sie konzipiert wurden, zur Verfügung stehen. Inso-
fern sage ich noch einmal ausdrücklich: Es ist ein ziviles
Projekt unter ziviler Kontrolle. Das ist die Intention die-
ses Projektes. Wir wollen eine große Anzahl an wichtigen
satellitengestützten Dienstleistungen hierüber laufen las-
sen. Es darf nicht sein, dass das System in Krisensituatio-
nen aufgrund militärischer Nutzung nicht mehr zur Ver-
fügung steht. Das ist auch der Hintergrund für den großen
Konsens, der sich im Verkehrsministerrat in dieser Frage
abzeichnet.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422002200
Noch eine Frage? –
Bitte sehr, Frau Kollegin Aigner. Wir sind nicht in der Fra-
gestunde; insofern können Sie so viele Fragen stellen, wie
Sie wollen.


Ilse Aigner (CSU):
Rede ID: ID1422002300
Frau Präsidentin, das ist
meine letzte Frage.

Ich kann das insofern nicht ganz nachvollziehen, als es
rein technisch natürlich möglich ist, dies auf einem Satel-
liten zu trennen, indem sich dort unterschiedliche Trans-
ponder befinden, von denen der eine militärisch und der
andere zivil genutzt werden kann. Das ist auch eine Frage
von Transportkapazitäten; denn jedes Kilogramm, das
man hochschießt, kostet viel Geld. Insofern könnte man
natürlich ohne die Gefahr von Nutzungseinschränkungen
Synergieeffekte nutzen.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Ich will es noch einmal deutlich sagen:
Es geht hier um die Frage der zukünftigen Struktur dieses
wichtigen Systems. Wir wollen eine zivile Nutzung.
Wenn wir jetzt militärische Strukturen einbetten, hat dies
Auswirkungen auf die Dienstleistungen in anderen Berei-
chen. Im Verkehrsministerrat ist deutlich geworden, dass
es sich hierbei um ein jederzeit zugängliches ziviles Sys-
tem handelt, das dann genutzt werden kann und das genau
diese Dienstleistungen – zum Beispiel die Zeitsynchroni-
sation oder die Frage des Umweltmonitoring – ermög-
licht. Gleichzeitig werden aber auch verkehrslenkende
Maßnahmen bzw. alles, was im Bereich Telematik satelli-
tengestützt ist, möglich. Im Rahmen des Prinzips einer öf-
fentlich-privaten Partnerschaft muss für diejenigen, die in
das System einsteigen, jederzeit die Nutzung möglich
sein.






(C)



(D)



(A)



(B)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422002400
Nun ist das Thema
wohl erschöpfend behandelt worden. Die Anregung von
Herrn Koppelin lautete ja, dass sich die beiden noch ein-
mal treffen, um sich weiter auszutauschen,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wenn Sie als Anstandsdame teilnehmen!)


und dass, wenn entscheidungsreife Ergebnisse erzielt
worden sind, diese dem Deutschen Bundestag mitgeteilt
werden. Ich bitte Sie allerdings, dies nur als Anregung zu
verstehen.

Gibt es noch Fragen an die Regierung zu anderen The-
men? – Das ist nicht der Fall.

Jetzt käme eigentlich die Fragestunde. Da aber noch
nicht alle Beteiligten anwesend sind, unterbreche ich die
Sitzung bis 13.30 Uhr.


(Unterbrechung von 13.21 bis 13.30 Uhr)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422002500
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksachen 14/8318, 14/8353 –

Es gibt mehrere dringliche Fragen; zunächst zu denen
aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres zur Verfü-
gung.

Ich rufe die dringliche Frage 1 des Kollegen Eckart von
Klaeden auf:


(„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 26. Feburar 2002, „Die Welt“ vom 25. Februar 2002)

denen der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter
Rister, rund 1,2 Millionen in der Arbeitslosenstatistik geführten
Arbeitslose, die „an einer Vermittlung nicht interessiert seien oder
nicht ernsthaft nach einer Stelle suchten“, künftig aus der Statistik
herausrechnen, in einer gesonderten Rubrik erfassen und diese
neue Statistik erstmals im Sommer dieses Jahres verwenden will

(Reuters vom 23. Februar 2002)?


Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422002600
Herr von Klaeden, ich
möchte Ihre erste dringliche Frage mit Nein beantworten.

Da es möglicherweise der Befriedigung des Informa-
tionsbedürfnisses dient, möchte ich als offizielle Er-
klärung hinzufügen: Die Bundesregierung hat nicht die
Absicht, die gegenwärtige Praxis der Erhebung der Ar-
beitslosenstatistik und der Arbeitslosenzahlen in dieser
Legislaturperiode zu verändern. Ich wiederhole: Die Bun-
desregierung hat nicht die Absicht, die Arbeitslosenstatis-
tik in dieser Legislaturperiode zu verändern. Dafür gibt es
einen wichtigen Grund: Wir gehen davon aus, dass sich
die wirtschaftliche Lage erholen wird und dass im Früh-
jahr die Arbeitsmarktzahlen deutlich besser sein werden.
Wir wollen nicht, dass dann die verbesserten Arbeits-
marktzahlen öffentlich und im Parlament durch den Vor-

wurf diskreditiert werden, wir hätten die Statistik verän-
dert. Wir verändern die Statistik nicht.


(Peter Dreßen [SPD]: Sehr gut! Jetzt ist er platt! Jetzt muss er nur noch Danke sagen!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422002700
Eine Zusatzfrage,
bitte sehr, Herr Kollege.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1422002800
Herr Staatssekre-
tär, da wir insgesamt über Verbesserungen auf dem
Arbeitsmarkt und insbesondere der Arbeitsvermittlung
sprechen wollen, möchte ich Sie fragen, ob die Presse-
meldungen richtig sind, wonach für den neuen Vorstands-
vorsitzenden der Bundesanstalt für Arbeit bzw. der Nach-
folgeeinrichtung ein Jahresgehalt von – cum grano salis –
250 000 Euro vorgesehen ist.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was hat das damit zu tun?)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422002900
Herr von Klaeden, ich
sehe überhaupt keinen Zusammenhang zwischen Ihrer
Zusatzfrage und der von Ihnen schriftlich eingereichten
dringlichen Frage.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Eindeutig kein Zusammenhang!)


Letztere bezieht sich auf die Arbeitslosenstatistik und auf
öffentliche Äußerungen darüber. Ich vermag nicht zu er-
kennen, was diese Frage mit dem möglichen Jahresgehalt
des künftigen Vorstandsvorsitzenden der Bundesanstalt
für Arbeit, das selbst mir nicht bekannt ist, zu tun haben
soll. Ich bitte die Frau Präsidentin um Hilfe.


(Lachen bei der CDU/CSU)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422003000
Ich stimme Ihnen zu,
Herr Staatssekretär. Ich glaube, wir sollten erst gar keine
Schärfe in die Debatte bringen: Es ist richtig, dass die von
Ihnen mündlich geäußerte Zusatzfrage in keinem Zusam-
menhang zu den von Ihnen schriftlich eingereichten
dringlichen Fragen steht.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das sehe ich, ehrlich gesagt, anders, Frau Präsidentin!)


– Ich habe das jetzt so entschieden. Sie dürfen aber eine
weitere Zusatzfrage zu Ihrer ersten dringlichen Frage stel-
len.

Bitte sehr.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1422003100
Herr Staatssekre-
tär, Sie haben mit Ihrer Bemerkung, Ihnen seien etwaige
Gehaltsvorstellungen nicht bekannt, meine Frage – so-
zusagen von hinten durch die Brust ins Auge – ja doch be-
antwortet.

Darf ich Sie fragen, ob entsprechende Reformen an der
Spitze der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführt werden






(C)



(D)



(A)



(B)


und, falls ja, ob sie sich auch auf die Landesämter aus-
wirken werden?


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das hat auch nichts mit der Statistik zu tun!)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422003200
Herr von Klaeden, ich
weise Ihre Unterstellung, ich hätte durch die Brust ins
Auge geantwortet, ganz entschieden zurück.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie haben gesagt, Ihnen sei das nicht bekannt!)


Ich habe Ihnen auf Ihre schriftlich eingereichte dringliche
Frage geantwortet, die sich auf die Arbeitslosenstatistik
bezieht. Ich wiederhole es noch einmal: Die Bundesre-
gierung hat nicht die Absicht, die Arbeitslosenstatistik vor
dem Wahltermin zu verändern. Über mögliche Gehalts-
vorstellungen des neuen Vorstandsvorsitzenden der Bun-
desanstalt für Arbeit ist mir nichts bekannt. Zu Pressespe-
kulationen – damit das klar ist – nehme ich keine Stellung.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das war ein Schuss in den Ofen, Herr von Klaeden!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422003300
Mir liegen mehrere
Wortmeldungen vor. Ich lese noch einmal die dringliche
Frage 1 des Kollegen Eckart von Klaeden vor, damit alle
wissen, worum es geht: Treffen Meldungen zu, nach de-
nen der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung,
Walter Riester, rund 1,2 Millionen in der Arbeitslosensta-
tistik geführte Arbeitslose, die „an einer Vermittlung nicht
interessiert seien oder nicht ernsthaft nach einer Stelle
suchten“, künftig aus der Statistik herausrechnen, in einer
gesonderten Rubrik erfassen und diese neue Statistik erst-
mals im Sommer dieses Jahres verwenden will?

Nächster Fragesteller ist der Kollege Niebel.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1422003400
Herr Staatssekretär, offenkundig
handelt es sich hierbei um eine Falschmeldung der
„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Ich meine mich zu
erinnern, am Montag auf n-tv in der Sendung „Grüner Sa-
lon“ den Bundesarbeitsminister gesehen zu haben. Er
ging auf exakt diese Fragestellung dezidiert ein und stellte
fest, dass er, der Bundesarbeitsminister, diese Statistiken
so verändern will. Gehe ich recht in der Annahme, dass
der Bundesarbeitsminister im Kabinett überstimmt wor-
den ist, oder hat er dort keine Rückendeckung mehr?


(Widerspruch bei der SPD)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422003500
Erstens. Ich habe die
Sendung, die Sie, Herr Abgeordneter Niebel, ansprechen,
nicht gesehen.

Zweitens. Nach meinem Kenntnisstand hat im Kabi-
nett keinerlei Abstimmung stattgefunden.

Drittens. Ich wiederhole noch einmal – ich bin für jede
Frage dankbar –: Die Bundesregierung hat nicht die
Absicht, in dieser Legislaturperiode die Arbeitslosenstatis-

tik zu ändern. Die Bundesregierung geht davon aus, dass
die Arbeitsmarktlage im Frühjahr wegen der wirtschaftli-
chen Erholung deutlich besser sein wird.


(Ilse Aigner [CDU/CSU]: Prinzip Hoffnung!)

Wir möchten nicht, dass die Arbeitsmarktlage durch De-
batten über die Statistik – im Parlament oder außerhalb –
belastet wird. Wir werden die Arbeitslosenstatistik in die-
ser Legislaturperiode daher nicht ändern. Ist das nicht
schön, Herr Niebel?


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422003600
Nun hat der Kollege
Meckelburg das Wort.


Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1422003700
Möglicher-
weise handelt es sich hierbei wieder um einen Punkt, bei
dem alle etwas gewusst haben, nur der Minister nicht.

Herr Staatssekretär, die Zahl von 1,2 Millionen in der
Statistik Geführten, die im Raum steht, habe ja nicht ich
erfunden, sondern ist von Ihrer Seite an die Presse heran-
getragen worden. Können Sie zumindest zu der Zahl, die
von Ihrer Seite lanciert worden ist, etwas sagen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422003800
Diese Zahl ist weder
von mir selbst noch von unserer Seite lanciert worden.

Ich möchte Ihnen, Herr Meckelburg, aber eine Aus-
kunft, die sich auf das Gesetz bezieht, geben. In
§ 16 SGB III – das ist die Grundlage der Arbeitslosenver-
sicherung – ist festgelegt, wer arbeitslos ist. Dort ist defi-
niert, dass arbeitslos ist, wer vorübergehend nicht in
einem Beschäftigungsverhältnis steht, eine versiche-
rungspflichtige Beschäftigung sucht und dabei den Ver-
mittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung
steht und sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat.
Das ist die Rechtsgrundlage. Das ist nicht neu und hat sich
gegenüber Ihrer Regierungszeit nicht verändert. Das ist
die Definition.

Dieser Definition liegen mehrere Kriterien zugrunde.
Ein Kriterium ist, dass man den Vermittlungsbemühungen
des Arbeitsamtes zur Verfügung steht. Die Bundesanstalt
für Arbeit hat Infas beauftragt, eine breit angelegte Unter-
suchung im Jahre 2000 darüber durchzuführen, wie zeit-
nah und wie unmittelbar arbeitslos gemeldete Personen
um eine Arbeit nachsuchen.

Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich Ihnen die Er-
gebnisse der Untersuchung nicht im Einzelnen nennen
kann; ich bin aber gerne bereit, Ihnen das zur Verfügung
zu stellen. Fazit dieser Studie jedenfalls war, dass rund
60 Prozent der arbeitslos gemeldeten Personen sehr nach-
dringlich und nachhaltig eine Beschäftigung suchen.
28 Prozent der Personen kann man unterstellen, dass
deren Suche nach einer Beschäftigung nicht so nachhaltig
ist. Untersucht man diese Gruppe, stößt man auf ganz
unterschiedliche Untergruppen.

Ich möchte den Versuch unternehmen, diese Gruppen
darzustellen. In dieser Gruppe findet man Personen, die




Eckart von Klaeden
21814


(C)



(D)



(A)



(B)


arbeitslos gemeldet sind, weil sie dadurch einen Kinder-
geldanspruch aufrechterhalten.


(Dirk Niebel [FDP]: Dann muss man das Kindergeldgesetz ändern!)


Diese Personen suchen möglicherweise keine neue Ar-
beit, sondern sind arbeitslos gemeldet, weil sie Kinder-
geld beziehen wollen. Außerdem findet man in dieser
Gruppe Personen, die zwar arbeitslos gemeldet sind und
als solche gezählt werden, aber möglicherweise schon
längst eine neue Arbeit haben, auf die Einberufung zum
Wehrdienst warten oder ein Studium aufnehmen wollen.
Sie sind arbeitslos gemeldet, damit sie ihren Anspruch auf
Arbeitslosengeld, auf Leistungen der Arbeitslosenversi-
cherung, aufrechterhalten. Man findet darunter auch Per-
sonen, die sich im Vorruhestand oder in einer ähnlichen
Situation befinden und davon ausgehen, dass sie der Ver-
mittlung eigentlich gar nicht mehr zur Verfügung stehen
müssen. Dem Rechte nach müssen sie das aber, weil ih-
nen ansonsten die Leistungen aberkannt werden. All diese
Gruppen befinden sich darunter.

Die Bundesanstalt für Arbeit hat damit begonnen, die
Ergebnisse dieser Untersuchung zu diskutieren – man
geht Einzelfragen noch nach –, sodass man davon ausge-
hen kann, dass nicht alle der gegenwärtig registrierten
rund 4,3 Millionen Arbeitslosen nach der gesetzlichen
Definition Arbeitslose in dem Sinne sind, dass sie alles
daransetzen, unmittelbar und schnell vermittelt zu wer-
den.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422003900
Nun hat der Kollege
Gerald Weiß das Wort zu einer Zusatzfrage.

Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Herr Staats-
sekretär, ich habe noch eine Nachfrage. In dem Artikel der
„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ mit der Überschrift
„Jede geschönte Statistik ist ein Skandal“ ist eine Äuße-
rung von Ihnen wiedergegeben, nach der es Hunderttau-
sende von älteren Arbeitslosen gibt, die zu 90 Prozent gar
keine Beschäftigung mehr anstreben. Woher haben Sie
diese beiden Werte? Worauf beziehen Sie sich dabei?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422004000
Herr Abgeordneter
Weiß, ich muss das anders beantworten. Die Zeitung, die
Sie zitiert haben, hat mit mir gar nicht gesprochen. Die
Aussage, es gebe Hunderttausende, die zu 90 Prozent die-
ses oder jenes täten, kann nicht von mir stammen. Damit
wird es relativ einfach. Ich antworte nicht auf irgend-
welche Spekulationen, die irgendwo formuliert werden.
Die Frage nach den Quantitäten habe ich eben beantwor-
tet. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass die Erhebungs-
ergebnisse, die Infas bei einer Befragung von mehr als
20 000 arbeitslos gemeldeten Personen ermittelt hat, noch
im Einzelnen untersucht werden – das muss eigentlich
auch Ihr Interesse sein –; damit werden wir uns dann be-
fassen.

Herr Abgeordneter Weiß, ich sage ganz ausdrücklich
noch einmal, weil das der Gegenstand der Frage war – ich
kann das noch fünfmal wiederholen; das hilft Ihnen bei
der Entscheidungsfindung bezüglich Ihrer Aktuellen
Stunde –: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Ar-
beitslosenstatistik in dieser Legislaturperiode zu verän-
dern.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422004100
Nun hat der Kollege
Peter Dreßen eine Zusatzfrage.


Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1422004200
Herr Staatssekretär, Sie haben
gerade von verschiedenen Gruppen arbeitslos gemeldeter
Personen gesprochen, bei denen fragwürdig ist, ob die Be-
treffenden überhaupt noch Arbeit wünschen. Meinen Sie
nicht, dass eine solche Statistik in Zukunft doch transpa-
renter gestaltet werden müsste, sodass man aus ihr
tatsächlich erkennen kann, wer nun wirklich intensiv nach
Arbeit sucht, um die entscheidenden politischen Weichen-
stellungen vorzunehmen, wobei man die Gesamtzahl, wie
sie heute ausgewiesen wird, natürlich auch in Zukunft
noch haben muss?


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Den Kanzler dringend anrufen! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422004300
Herr Abgeordneter
Dreßen, alle die, die in diesem Raume sitzen und sich mit
der Frage befasst haben, wissen, dass wir in den letzten
Wochen wegen der Stichhaltigkeit der Vermittlungs-
statistik der Bundesanstalt für Arbeit erhebliche Aus-
einandersetzungen hatten. Ich wiederhole: Sowohl eine
Untersuchung des Bundesrechnungshofs als auch eine
Untersuchung der Innenrevision der Arbeitsverwaltung in
zehn Arbeitsämtern in zehn unterschiedlichen Landesar-
beitsamtsbereichen haben ergeben, dass rund 35 bis
36 Prozent der angegebenen Vermittlungen nicht nach-
vollziehbar sind. Für die Bundesregierung sage ich aus-
drücklich, dass wir natürlich nur an solchen Statistiken In-
teresse haben, die etwas Reales wiedergeben.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Das wäre das erste Mal!)


– Gerade hat ein Abgeordneter dazwischengerufen: „Das
wäre das erste Mal!“ Herr Abgeordneter Heinrich, ich
kann Ihnen gern aufzählen – deswegen macht es auch
Sinn, eine Aktuelle Stunde durchzuführen –,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie haben aber Angst vor der Aktuellen Stunde!)


wie oft in der Zeit von 1982 bis 1998, unter Ihrer Regie-
rungsbeteiligung, die Statistik verändert worden ist. Auf
die Auseinandersetzung und die Argumentation dazu
lasse ich mich gern ein.

Ich komme nun aber auf das zurück, was Herr Dreßen
gefragt hat. Selbstverständlich ist es jetzt notwendig, die
Vermittlungsstatistik der Arbeitsverwaltung zu untersu-
chen und zu Statistikergebnissen zu kommen, die die Rea-
lität widerspiegeln. Deswegen ist im Zweistufenkonzept




Parl. Staatssekretär Gerd Andres

21815


(C)



(D)



(A)



(B)


der Bundesregierung im Zusammenhang mit kurzfristi-
gen Veränderungen festgehalten – ich will das gern zitie-
ren – : Die Vermittlungsstatistik der Bundesanstalt für Ar-
beit wird neu konzipiert, um aussagekräftige und valide
Daten zu liefern.

Das ist aber zunächst einmal Angelegenheit der Bun-
desanstalt für Arbeit. Wie bekannt, werden wir eine Kom-
mission von 15 Persönlichkeiten aus unterschiedlichen
Bereichen einberufen, die unter dem Vorsitz von Herrn
Peter Hartz Vorschläge für eine Reform der Arbeitsver-
waltung entwickeln soll. Diese Kommission wird sich si-
cherlich auch mit Fragen der Statistik und ihrer Verän-
derung befassen. Ich sage aber noch einmal ausdrücklich
dazu: Diese Veränderungen sind erst für die nächste Le-
gislaturperiode vorgesehen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422004400
Jetzt hat der Kollege
Wolfgang Gehrcke das Wort zu einer Zusatzfrage.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422004500
Herr Staatssekretär, ich
rufe mir Ihre erste Anwort in Erinnerung. Darin haben Sie
gesagt, dass eine Veränderung der Statistik in diesem Jahr
schon aus dem Grund nicht infrage kommt, da die
Bundesregierung im Sommer mit einer Verbesserung auf
dem Arbeitsmarkt rechnet und nicht möchte, dass diese
Verbesserung ins Zwielicht der Statistik gezogen wird.


(Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Das haben Sie gut verstanden!)


– Das heißt doch aber, dass Sie einen Zusammenhang
zwischen der Höhe der Arbeitslosigkeit und den statisti-
schen Grundlagen herstellen. Heißt das im Umkehrs-
chluss auch, dass die Statistiken dann, wenn Ihre Pro-
gnose nicht eintrifft, die Arbeitslosenzahlen sich also
nicht so wie von Ihnen erwartet entwickeln, verändert
werden könnten? Sie haben eine Kopplung zwischen den
statistischen Zahlen und der Höhe der Arbeitslosigkeit
hergestellt.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422004600
Herr Abgeordneter,
darf ich das noch einmal wiederholen? Ich habe das näm-
lich bereits fünfmal gesagt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Dadurch wird es auch nicht besser!)


Ich bin für jede Wiederholung außerordentlich dankbar.
Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, in dieser

Legislaturperiode die Statistik zu verändern.

(Unruhe)


Es wird öffentlich unterstellt – vielleicht darf ich das noch
zu Ende führen –, insbesondere von dieser Seite, mög-
licherweise aber auch von anderen, wir würden die Sta-
tistik ändern, um zu geschönten Arbeitsmarktdaten zu
kommen. Da besteht auch der Zusammenhang, nach dem
Sie gefragt haben. Wir haben weder ein Interesse an ge-
schönten Arbeitsmarktdaten noch an geschönten Vermitt-
lungsstatistiken noch an sonstigen geschönten Statistiken,
die irgendetwas mit Beschäftigung zu tun haben. Da ein

solches Interesse bei uns nicht vorhanden ist, werden wir
die Statistik nicht ändern. Wir sind der Auffassung, dass
beispielsweise bei den Vermittlungsstatistiken Verände-
rungen notwendig sind. Das muss aber die Arbeits-
verwaltung selbst machen, damit reale Daten zustande
kommen. Mit möglichen Veränderungen hinsichtlich der
Aussagekraft der Arbeitslosenstatistiken wird sich die
Kommission befassen und werden wir uns in der nächs-
ten Legislaturperiode befassen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422004700
Nun stellt der Kollege
Dr. Seifert eine Frage.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1422004800
Herr Staatssekretär Andres, Sie
wiesen bereits darauf hin: Das Ganze ist dadurch ins Rol-
len gekommen, dass deutlich wurde, dass die Vermitt-
lungsstatistik nicht das aussagt, was man eigentlich von
ihr erwartet. Ich möchte in diesem Zusammenhang fra-
gen, wie es mit der Vermittlungsstatistik für schwerbehin-
derte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aussieht.
Durch die Novellierung im Zusammenhang mit dem
Schwerbehindertengesetz vom Oktober 2000 sollten ja
50 000 Menschen in Arbeit gebracht werden. Immerhin
haben Sie und auch der Minister bereits beeindruckende
Zwischenergebnisse bekannt gegeben. Sind diese Ergeb-
nisse immer noch valide oder muss man davon ausgehen,
dass auch das nicht ganz so positiv aussieht, wie es bisher
dargestellt worden ist?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422004900
Die Bundesregie-
rung geht davon aus, dass diese Zahlen valide sind und
dass die Erfolge, die da mitgeteilt worden sind, reale Er-
folge sind.

Herr Abgeordneter Seifert, wenn Sie sich die Aus-
einandersetzung zwischen dem Bundesrechnungshof und
der Arbeitsverwaltung über die Kriterien dafür anschauen,
was denn als Vermittlung zählt und was nicht, dann wer-
den Sie auf den großen Block der elektronischen Infor-
mationssysteme, SIS und AIS, stoßen. Da Sie Fachmann
in diesem Bereich sind, wissen Sie sicherlich, dass die
Vermittlung von Schwerbehinderten häufig sehr nachhal-
tige Vermittlungsbemühungen, persönliche Gespräche,
Akquisition beim Arbeitgeber und Gespräche mit dem
Betroffenen und Ähnliches nach sich zieht. Das funktio-
niert nicht so einfach, dass man sich nur an den SIS oder
AIS zu wenden braucht und schon ist der Vermittlungs-
vorschlag klar. Wir gehen davon aus, dass die erhobenen
Zahlen überall da, wo konkrete Leistungen der Arbeits-
verwaltung erbracht werden – beispielsweise bei ABM
oder SAM –, außerordentlich valide sind.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422005000
Nun hat der Kollege
Peter Weiß eine Frage.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1422005100
Herr
Staatssekretär, Sie werden mir doch sicherlich zustim-
men,


(Zuruf von der SPD: Bestimmt nicht!)





Parl. Staatssekretär Gerd Andres
21816


(C)



(D)



(A)



(B)


dass die Meldungen in der „Frankfurter Allgemeinen Zei-
tung“ vom 26. Februar und in der „Welt“ vom 25. Februar,
die Grundlage der Frage des Kollegen von Klaeden waren,
überhaupt nie entstanden wären und auch nicht eine der-
art breite Resonanz gefunden hätten, wenn die Erklärung,
die Sie hier abgegeben haben, nämlich dass die Bundes-
regierung in dieser Legislaturperiode, die bald zu Ende
geht, nicht mehr beabsichtigt, die Arbeitslosenstatistik zu
ändern, in den vergangenen Wochen und Monaten un-
strittig im Raum gestanden hätte. Wenn diese Überlegun-
gen nicht stattgefunden hätten, hätte auch der Kollege
Dreßen Ihnen hier nicht noch einmal so freundlich die
Überlegungen zu angeblicher Transparenz in der Arbeits-
losenstatistik vorgetragen. Irgendwo müssen also doch
diese Äußerungen herkommen.

Deshalb frage ich Sie: Dass es in der Bundesregierung
und in den Koalitionsfraktionen Überlegungen gegeben
hat, die Arbeitslosenstatistik zu ändern, können Sie doch
nicht bestreiten?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422005200
Zunächst einmal ist von
1998 bis heute keine Statistik verändert worden. Die Liste
der zwischen 1982 und 1998 vorgenommenen Änderun-
gen trage ich Ihnen gerne vor; das sollten wir aber an-
schließend in der Aktuellen Stunde machen. Wir haben
nichts geändert.

Alle Fachleute, zu denen ich Sie wie auch die anderen
Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für Arbeit
und Sozialordnung, die hier sitzen, rechne, wissen, dass
es gewisse Probleme gibt, wenn man sich mit der Ver-
mittlungstätigkeit beschäftigt. Ich habe Ihnen ja vorge-
lesen, wie die Rechtsgrundlage für Arbeitslosigkeit aus-
sieht: Man muss eine sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung von mehr als 15 Stunden suchen, man
muss der Vermittlung zur Verfügung stehen und man muss
arbeitslos gemeldet sein. Es wäre sehr sinnvoll, da sehr
viel mehr Transparenz hineinzubringen. Das werden wir
auch tun; das wird auch die Kommission untersuchen. Bei
der Vermittlungsstatistik wird die Bundesanstalt für Ar-
beit entsprechende Veränderungen vornehmen, aber an
der statistischen Erhebung der Arbeitslosenzahlen – das
darf ich jetzt zum sechsten Male, wie ich glaube, wieder-
holen; dafür bin ich Ihnen dankbar –


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Siebten Mal!)

werden wir in dieser Legislaturperiode nichts ändern,
auch wenn wir der Meinung sind, dass solche Änderun-
gen sinnvoll wären. Da wir aber nicht wollen, dass diese
Änderungen in einer von Ihnen oder von anderen bewusst
herbeigeführten oder geschürten öffentlichen Diskussion
völlig untergehen, in der uns unterstellt würde, wir wür-
den auf diese Weise die Arbeitsmarktdaten schönen oder
manipulieren – das haben wir gerne anderen überlassen –,
werden wir in diesem Bereich an der Statistik nichts
ändern.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Aber die Vorlage haben Sie geliefert!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422005300
Nun fragt der Kollege
Karl-Josef Laumann.


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1422005400
Herr Staatssekre-
tär, am Wochenende gab es ja verschiedentlich auch
Tickermeldungen, die das Begehren, die Arbeitslosensta-
tistik zu verändern, mit Ihrem Namen verbunden haben.
Was haben Sie denn unternommen, um diesen anschei-
nend falschen Tickermeldungen entgegenzutreten?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422005500
Ich will Sie darauf hin-
weisen, dass ich für Tickermeldungen nicht verantwort-
lich bin und ich sie auch nicht schreibe. Aber ich kann
Ihnen einen möglichen Hintergrund dafür nennen: Ich
hatte am Freitag im Ministerium eine Besuchergruppe; sie
bestand aus einer größeren Anzahl von Redakteuren der
„Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Mit diesen Re-
dakteuren der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“
wurde natürlich über die Pressekonferenz, die kurz vorher
mit dem Bundeskanzler und dem Bundesarbeitsminister
stattgefunden hatte, diskutiert. Ich habe dabei darauf hin-
gewiesen – das habe ich ja eben hier auch schon getan –,
dass in unserem Zweistufenkonzept ausdrücklich unter
dem Punkt „Kurzfristige Maßnahmen“ steht, dass die
Bundesanstalt für Arbeit ihre Vermittlungsstatistik ändern
muss. Das ist ja zwischen uns wahrscheinlich unstreitig.
Oder muss ich feststellen, dass das zwischen uns beiden,
Herr Laumann, streitig ist? Nein, dazu sind Sie zu sehr
Fachmann, Herr Laumann, als dass das streitig sein
könnte.

Die Bundesanstalt für Arbeit muss sich also mit ihrer
Vermittlungsstatistik auseinander setzen; das habe ich bei
diesen Gesprächen zum Ausdruck gebracht. Ich habe da-
rüber hinaus erklärt, dass man sich auch mit der Frage
auseinander setzen muss, was mit Gruppen geschehen
soll, die der Vermittlung nicht zur Verfügung stehen. Mir
liegen hier eine ganze Reihe von Zeitungsartikeln von
heute vor, die hierfür gute Beispiele bringen. Beispiels-
weise wird in der „Frankfurter Rundschau“ berichtet, was
der Chef des Arbeitsamtes Frankfurt tut: Er bietet Frauen,
die eine Halbtagsbeschäftigung suchen, mithilfe von
freien und privaten Vermittlern entsprechende Stellen an.
Diese Aktivitäten sind vernünftig und bewegen sich völ-
lig im Rahmen des Gesetzes. Natürlich müssen die Statis-
tiken, insbesondere im Vermittlungsbereich, transparenter
und aussagekräftiger werden.

Ich füge aber noch einmal hinzu, Herr Kollege
Laumann, zur wunderbaren Wiederholung: Die Bundes-
regierung hat nicht die Absicht, in dieser Legislaturpe-
riode die Arbeitslosenstatistik zu verändern, weil sie da-
von ausgeht, dass die Arbeitsmarktdaten ab Frühjahr
besser werden. Wir wollen diese Verbesserung nicht da-
durch diskreditieren, dass man uns unterstellen kann, wir
würden die Statistik manipulieren. Die Manipulation von
Statistiken überlassen wir gerne anderen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





PeterWeiß (Emmendingen)


21817


(C)



(D)



(A)



(B)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422005600
Eigentlich ist eine
zweite Zusatzfrage nicht zulässig, aber beim Kollegen
Laumann mache ich eine Ausnahme. Sie bekommen von
mir sozusagen eine zweite Frage geschenkt.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422005700
Das ist ein sehr ordent-
licher Mann, Frau Präsidentin. Ihm können Sie auch drei
oder vier zusagen.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Jetzt ist der diskreditiert!)



Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1422005800
Herr Staatssekre-
tär, wenn ich richtig informiert bin, gibt es bei der Selbst-
verwaltung in Nürnberg einen Fachausschuss für Statis-
tik, dem auch ein Vertreter der Bundesregierung angehört.
Ich würde gerne von Ihnen wissen: Wann hat sich dieser
Ausschuss das letzte Mal mit der Art und Weise, wie bei
der Bundesanstalt für Arbeit Statistiken erstellt werden,
insbesondere die Vermittlungsstatistik, beschäftigt? Ist
Ihnen das bekannt?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422005900
Herr Abgeordneter
Laumann, das kann ich Ihnen jetzt aus dem Stand nicht sa-
gen. Sie wissen natürlich aus der Diskussion – auch aus
den Beratungen im Ausschuss –, dass sich dieser Aus-
schuss in den letzten Jahren mehrmals mit Statistikfragen
und auch mit Verordnungen dazu auseinander gesetzt hat.
Aber freuen Sie sich nicht zu früh; der Bundesrechnungs-
hof hat eine Untersuchung in Bezug auf die Arbeitsver-
mittlung bei den Arbeitsämtern, bei der man real der Frage
nachgegangen ist, was an Vermittlung unmittelbar vor Ort
auf der Grundlage welcher Verordnung konkret stattfin-
det, zum ersten Mal durchgeführt. Das ist zum ersten Mal
geschehen, das müssen Sie zugeben. Die Bundesanstalt
für Arbeit hat dann, ebenfalls zum ersten Mal, zehn Ar-
beitsämter ausgesucht, bei denen das Ergebnis überprüft
werden sollte, um es valide zu machen. Das Interessante
ist: Die Innenrevision der Bundesanstalt für Arbeit ist zu
dem gleichen Ergebnis gekommen wie der Bundesrech-
nungshof bei der Untersuchung von fünf Arbeitsämtern.

Das ist für uns Anlass, sehr nachhaltig darauf zu drin-
gen, dass die Praxis der Vermittlung bei der Bundesanstalt
für Arbeit verändert wird. Wir wollen, dass die Vermitt-
lungsoffensive, das Job-Aqtiv-Gesetz, umgesetzt wird.
Die Statistik soll auch in der Form verändert werden – das
habe ich eben zitiert und kann das gerne noch einmal tun –,
dass uns reale Vermittlungen mitgeteilt werden und keine
fiktiven Zahlen. – Ich sehe an Ihrem Nicken, dass das auf
Ihr Einverständnis trifft.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422006000
Nun hat der Kollege
Klaus Brandner eine Frage.


Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1422006100
Herr Staatssekretär, Statis-
tiken dienen ja der Vergleichbarkeit und der Zielgenauig-
keit der Arbeit. Auf europäischer Ebene wird von Eurostat
regelmäßig eine Statistik erstellt und veröffentlicht. Kön-

nen Sie eine Aussage zu der Bewertung der Arbeitslosig-
keit auf europäischer und auf deutscher Ebene treffen? Ist
sie nach der Statistik auf europäischer Ebene höher oder
niedriger und sind die Bewertungskriterien von Eurostat
angemessen und sachgerecht?


(Dirk Niebel [FDP]: Hat das was mit der Ausgangsfrage zu tun?)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422006200
Das hat etwas mit Sta-
tistiken zu tun, Herr Abgeordneter Niebel, das werden Sie
doch nicht bestreiten; es hat nichts mit Gehältern oder
Einkommen zu tun.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422006300
Es hat sicher mehr mit
der Ausgangsfrage zu tun als die Frage nach den Gehalts-
vorstellungen des neuen Vorsitzenden der Bundesanstalt.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422006400
Sehr richtig. – Herr Ab-
geordneter Brandner, momentan wird öffentlich darüber
diskutiert und spekuliert – auch der Erste Geschäftsführer
der Unionsfraktion hat sich dazu geäußert –, wie man zu
einer besseren europäischen Vergleichbarkeit kommen
kann. Wenn wir die Eurostat-Kriterien zugrunde legen
würden, dann wäre die Arbeitslosenquote der Bundesre-
publik Deutschland niedriger als nach unserer Zählung;
denn nach dem Verfahren unserer Datenerhebung wird so-
zusagen konkret gezählt. Jeder, der sich gemeldet hat,
wird registriert. Das heißt, nach der Statistik von Eurostat
sähen unsere Zahlen besser aus.

Ich sage gleich dazu: Wir werden das Verfahren von
Eurostat nicht übernehmen; sonst sagt die rechte Seite des
Hauses wieder, wir würden Statistiken manipulieren. Das
tun wir nicht. Im Übrigen gab es in früheren Jahren Ver-
suche, die Erhebungshäufigkeit in Deutschland zu verän-
dern und sie der von Eurostat anzupassen. Dazu darf ich
mitteilen, dass die Regierung Kohl, an der auch die FDP
beteiligt war, wie alle wissen, darauf bestanden hat, dass
die gegenwärtig praktizierte Statistikerstellung bei uns
jährlich erfolgt. Wir sind bis 2006 durch das Mikrozen-
susgesetz daran gebunden, unsere Statistik so zu erstellen,
wie es gegenwärtig der Fall ist.

Das ist also nicht von uns, sondern von der Vorgänger-
regierung beschlossen worden. Vielleicht können wir das
ja anschließend in einer Aktuellen Stunde ausführlich
erörtern, damit auch die interessierte Öffentlichkeit da-
rüber informiert wird. Wir erstellen unsere Statistik nicht
unterjährig, also nicht einmal pro Quartal, weil die Fest-
legung es anders vorsieht. Ich habe hier bereits dargestellt,
wie wir die Daten erheben. Ich denke, das beantwortet
Ihre Frage weitgehend.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422006500
Ich erlaube mir den
Hinweis, dass ich, da wir noch immer bei der dringlichen
Frage 1 sind, nach dem Aufruf der nächsten vier Wort-
meldungen zur dringlichen Frage 2 komme. Ich hoffe, da-
mit sind Sie einverstanden; wir müssen ein bisschen von
der Eingangsfrage und -diskussion wegkommen.






(C)



(D)



(A)



(B)


Ich gebe dem Kollegen Klaus Grehn das Wort zu einer
Frage.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1422006600
Herr Staatssekretär, – –

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422006700
Das klingt aber müh-
sam, Herr Grehn.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1422006800
So mühsam wie Ihre Aussa-
gen zur Statistik.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422006900
Meine Aussagen sind
alle glasklar.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422007000
Herr Staatssekretär,
bitte nicht zu viele Zwiegespräche.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1422007100
Meine Frage lautet, Herr
Staatssekretär: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen
der Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit unter der Rubrik In-
dividualisierung, Bagatellisierung, Schuldzuweisung an die
Betroffenen – Stichwort: Faulheitsdiskussion – abgehandelt
wird, und der Diskussion um die zu verändernde Statistik?
In welche Rubrik ordnen Sie jene ein, die sich drei, fünf oder
sieben Jahre vergeblich um einen Arbeitsplatz bemüht ha-
ben? In welche Rubrik ordnen Sie jene ein, die 300, 500 oder
700 Bewerbungen geschrieben haben und physisch sowie
psychisch am Ende sind, weil sie keinen Arbeitsplatz be-
kommen haben? Sind Sie der Meinung, dass diese Men-
schen nicht an einer Arbeitsstelle interessiert sind und dass
sie der Vermittlung nicht mehr zur Verfügung stehen?

Planen Sie – natürlich erst in der nächsten Legislatur-
periode, weil Sie in dieser Legislaturperiode keine Verän-
derungen wollen, da sich die Zahlen nach Ihrer Meinung
verbessern werden –, auch diejenigen in der Statistik zu
berücksichtigen, die jetzt unter die Dunkelziffer fallen,
also die Berücksichtigung derjenigen, die noch nicht er-
fasst werden, aber arbeitslos sind?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422007200
Herr Abgeordneter
Grehn, ich fange mit dem letzten Teil Ihrer Frage an. Wir
erfassen keine Dunkelziffern. Ich habe die Kriterien ge-
nannt, wer unter welchen Umständen in die Arbeitslosen-
statistik aufgenommen wird.

Zum ersten Teil Ihrer Frage möchte ich Ihnen sagen,
dass das Kernproblem nicht statistischer Art ist. Das
Kernproblem ist vielmehr, dass wir in unserem Land ein
ausgeprägtes Ungleichgewicht zwischen dem Angebot an
Arbeitsplätzen und der Nachfrage an Arbeitsplätzen ha-
ben. Um es etwas deutlicher zu sagen: Das Kernproblem
ist nicht die Statistik, sondern die Tatsache, dass es in die-
sem Land zu wenig Arbeitsplätze gibt.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Oh! Spät kommt die Einsicht, aber sie kommt!)


Diesen Tatbestand muss man zunächst einmal festhalten.

Wenn man aber auf die Feinheiten schaut, dann wird
man feststellen, dass es Regionen gibt, in denen eine sehr
starke Nachfrage nach Arbeitskräften besteht und Ar-
beitsstellen nicht besetzt werden können. Daneben gibt es
andere Regionen, in denen es genau andersherum ist. Die
Bundesregierung hat ein Interesse daran, auch in der öf-
fentlichen Diskussion klar zu machen, dass man das eine
Problem nicht sozusagen mit dem anderen Problem er-
schlagen kann.

Es gibt ohne Zweifel viele Menschen, die bis zu
100 Bewerbungen geschrieben haben und die darüber
verzweifelt sind, dass sie trotzdem keinen Arbeitsplatz
finden. Es gibt aber umgekehrt sicherlich auch Menschen,
die möglicherweise gar kein Interesse daran haben, un-
mittelbar eine Arbeit zu finden. Sie werden zugeben – das
zu leugnen wäre Unsinn –, dass beide Sachverhalte Rea-
lität sind. Man kann aber das eine Problem nicht mit dem
anderen Problem konterkarieren.

Wir müssen ein Interesse daran haben, dass es eine
bestmögliche Vermittlung gibt. Wir müssen ferner ein
Interesse daran haben, dass wir so schnell wie möglich
neue Arbeitsplätze schaffen, um arbeitslose Menschen
in Arbeit zu bringen. Mit beiden real bestehenden Pro-
blemen müssen wir uns in der Praxis auseinander set-
zen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422007300
Nun eine Frage der
Kollegin Christine Ostrowski.


Christine Ostrowski (PDS):
Rede ID: ID1422007400
Herr Staatssekretär
Andres, Sie haben mehrmals auf charmanteste Art hier be-
gründet, dass Sie in dieser Legislaturperiode die Kriterien
für die Statistik nicht mehr ändern wollen. Ich bitte Sie
höflichst um Verzeihung, dass ich etwas verwirrt bin. Ihre
Kriterien, mit denen zukünftig festgelegt werden soll, wer
eigentlich durch die Arbeitslosenstatistik erfasst wird, be-
deuten im Umkehrschluss, dass Sie bis zum Ende der
Legislaturperiode eine Statistik weiter fortführen, die Sie
– ich sage es einmal freundlich – für unkorrekt halten.
Wenn ich bösartig wäre, würde ich sagen, dass Sie sie für
falsch halten.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422007500
Nein, das ist nicht das
Problem, Frau Kollegin. Da haben Sie meine Aussage
falsch verstanden.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Eigentlich würde ich Ihnen gerne charmant den Gesetzes-
text noch einmal vorlesen. Darin ist festgelegt, wer bei
uns als arbeitslos gilt. Ich nenne Ihnen noch einmal die
Kriterien: Der Betroffene muss einen sozialversiche-
rungspflichtigen Job mit einer Arbeitszeit von mehr als
15 Stunden die Woche suchen und er muss der Vermitt-
lung zur Verfügung stehen. Das ist ein ganz wichtiges
Merkmal.

Ich habe vielmehr über die so genannte Vermittlungs-
statistik gesprochen. Die sagt nämlich etwas darüber
aus, wie viele Menschen von den Arbeitsämtern bzw. der




Vizepräsidentin Anke Fuchs

21819


(C)



(D)



(A)



(B)


Bundesanstalt für Arbeit aus der Arbeitslosigkeit in die
Beschäftigung vermittelt werden. Da sind ohne Zweifel
Änderungen notwendig, weil uns fiktive Statistiken nichts
nutzen.

Eine Folge ist übrigens – darauf muss ich hinweisen;
auch das steht im Gesetz –: Wer der Vermittlung der Bun-
desanstalt für Arbeit nicht zur Verfügung steht, der verliert
auch den Anspruch auf Leistung und würde dann, wenn er
weder der Vermittlung zur Verfügung steht noch eine
Leistung bekommt, auch nicht mehr als Arbeitsloser ge-
zählt. Auch das ist klar.

Wir haben kein Interesse daran, dieses Problem auf
eine solche Art und Weise zu beseitigen. Ich sage noch
einmal: Wir haben ein Interesse an mehr Arbeitsplätzen
und an real stattfindenden Vermittlungen. Das ist wichtig
und muss vorangetrieben werden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422007600
Nun fragt die Kolle-
gin Fischbach.


Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1422007700
Herr Staatssekretär,
ich komme kurz auf Ihre Antwort auf die Frage des Kol-
legen Weiß zurück. Es geht um Ihre angebliche Äußerung
in der „FAZ“. Dort werden Sie mit dem Satz zitiert:
90 Prozent der älteren Arbeitslosen sind gar nicht daran
interessiert, wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. – Sie
haben geantwortet, dass die Zeitungsmacher nicht mit Ih-
nen gesprochen haben. Kann ich Ihre Antwort so verste-
hen, dass diese Äußerung nie von Ihnen gemacht wurde?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422007800
Ja.


(Dirk Niebel [FDP]: Das steht doch in der Zeitung!)


– Sie alle als Beteiligte wissen doch: Nicht alles, was in
der Zeitung steht, muss auch so sein, wie es in der Zeitung
steht.


(Dirk Niebel [FDP]: Darf ich das bei Gelegenheit zitieren?)


– Ja, das dürfen Sie bei Gelegenheit zitieren.
Frau Präsidentin, können wir die nächste Frage

aufrufen?


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422007900
Jetzt hat die Kollegin
Claudia Nolte eine letzte Frage zu diesem Komplex. Dann
werde ich die dringliche Frage 2 aufrufen.


Claudia Nolte (CDU):
Rede ID: ID1422008000
Herr Staatssekretär, ich
hoffe, Sie haben im Hinterkopf, dass eine Behauptung, die
man ständig wiederholt, die Ursprungsbehauptung umso
mehr stützt. Ich würde also bei Ihren vielmaligen Beteue-
rungen, die Statistik werde erst in der nächsten Legisla-
turperiode geändert, etwas aufpassen.

Vor dem Hintergrund, dass damals auch wir als
CDU/CSU-FDP-Regierung darüber nachgedacht haben,
dass wir in Europa eine vergleichbare Arbeitslosenstatis-

tik brauchen, und es auf der anderen Seite dieses Hauses
sofort einen Aufschrei dahin gehend, dass dies zu Be-
schönigungen führe, gab, frage ich Sie, ob Sie sich für den
Fall, dass wir in der nächsten Legislaturperiode wieder
eine von CDU/CSU und FDP geführte Bundesregierung
haben werden – das ist sehr wahrscheinlich –, mit der
gleichen Vehemenz, wie Sie das jetzt tun, um eine Ände-
rung der Arbeitslosenstatistik bemühen werden.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422008100
Frau Abgeordnete
Nolte, als ehemaligem Mitglied der Bundesregierung
muss ich Ihnen zunächst einmal unterstellen – Sie haben
das ja immerhin mit beschlossen –, dass Sie besonders
darin geübt sind, statistische Grundlagen zu verändern. Es
gab bei Ihnen neun Änderungen der Arbeitslosenstatistik.
Dabei mache ich – damit wir uns richtig verstehen –
gleich eine Einschränkung: Seit 1990 gab es fünf Ände-
rungen.


(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Ich hätte gern eine Antwort auf meine Frage!)


Das, was Sie unterstellt haben, ist von mehreren An-
nahmen unterlegt. Auf mehrere Annahmen möchte ich
nicht antworten. Ich gehe übrigens davon aus, dass die
Bundesregierung, die erfolgreich gearbeitet hat, diese Ar-
beit auch in der nächsten Legislaturperiode fortsetzen
wird, sodass eine wichtige Grundlage Ihrer Frage völlig
entfallen ist.


(Beifall bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422008200
Nun rufe ich die
dringliche Frage 2 des Abgeordneten von Klaeden auf:

Wird die Bundesregierung die Statistik auch dahin gehend än-
dern, alle Teilnehmer an Beschäftigungs- und Qualifizierungs-
maßnahmen künftig neu in die Statistik aufzunehmen, weil es sich
auch bei dieser Gruppe um Arbeitssuchende handelt, und wenn
nein, warum nicht?

Herr Staatssekretär.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422008300
Herr Abgeordneter von
Klaeden, zunächst einmal möchte ich feststellen: Alle
Teilnehmer an Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaß-
nahmen werden bereits heute in den Statistiken der Bun-
desanstalt für Arbeit erfasst; das muss man wissen.


(Peter Dreßen [SPD]: So ist es! Das kann man überall nachlesen! – Claudia Nolte [CDU/ CSU]: Nicht als Arbeitslose!)


Wir zählen sie nicht als Arbeitslose, so wie sie in den
16 Jahren Ihrer Regierung auch nicht als Arbeitslose ge-
zählt wurden. Denn ihnen fehlt eine wichtige Grundlage:
Wer sich in solchen Maßnahmen befindet, steht der Ver-
mittlung nicht zur Verfügung.


(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Die würden sofort weggehen!)


Das habe ich im Zusammenhang mit meinen Antworten
auf die erste dringliche Frage schon mehrmals gesagt. Ich
kann es gerne noch einmal tun: Da sie nicht der Vermitt-




Parl. Staatssekretär Gerd Andres
21820


(C)



(D)



(A)



(B)


lung zur Verfügung stehen, werden sie auch nicht so ge-
zählt, wie Sie das gerne wollen. Wir werden das auch
nicht ändern.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422008400
Zusatzfrage.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1422008500
Die Fragen, die
sich auf die Pressemitteilung vom Wochenende bezogen
haben, sind von Ihnen samt und sonders damit beantwor-
tet worden, dass es sich um Falschmeldungen handelt.
Können Sie mir noch einmal ausdrücklich bestätigen,
dass es an der Spitze Ihres Hauses am Ende der letzten
Woche oder am Wochenende


(Dirk Niebel [FDP]: Oder am Montag!)

nicht die Absicht gab, die Arbeitslosenstatistik zu verän-
dern, und dass die diesbezüglichen Nachrichten samt und
sonders Falschmeldungen sind?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422008600
Man muss bei Ihnen im-
mer aufpassen, wenn Sie fragen,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie sollten auch sonst aufpassen, Herr Staatssekretär!)


weil Sie in Ihre Frage etwas hineingepackt haben, das hier
so überhaupt nicht gesagt worden ist.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie haben gesagt, das Zitat sei falsch!)


Ich habe an keinem Punkt erklärt, Herr von Klaeden, dass
alle Meldungen, die es gab,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ich frage Sie das ja!)


samt und sonders falsch sind. Das war Ihre Frage, Herr
von Klaeden. Vielleicht darf ich jetzt auch einmal ant-
worten.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist meine Frage, genau!)


Dass es keine Grundlage für eine solche Berichterstattung
gebe, habe ich ebenfalls nicht gesagt.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir kommen der Wahrheit ja näher!)


Ich habe ausdrücklich erklärt, dass ich ein Gespräch
geführt habe, und habe Ihnen auch erklärt, was in diesem
Gespräch gesagt worden ist. Ich kann Ihnen das noch ein-
mal sagen: Wenn Sie sich das Zwei-Stufen-Programm der
Bundesregierung anschauen, finden Sie unter „kurzfris-
tige Maßnahmen“ eine Veränderung der Vermittlungssta-
tistik. Das ist sogar auf der Bundespressekonferenz am
letzten Freitag vorgestellt worden. Der Text ist verteilt
worden. Dass man daraus Veränderungen in der Statistik
ableitet, mag ja alles sein.

Ich erkläre Ihnen noch einmal: Die Bundesregierung
hat nicht die Absicht, die Arbeitslosenstatistik in dieser
Legislaturperiode zu ändern, Herr von Klaeden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie tut das deswegen nicht, weil sie davon ausgeht, dass
sich die Arbeitsmarktlage bessert und wir diese Besserung
nicht dadurch desavouieren wollen, dass uns unterstellt
werden könnte, wir würden die Arbeitsmarktstatistik ma-
nipulieren.


(Zuruf von der CDU/CSU: Und wenn sie schlecht ist?)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422008700
Eine weitere Nach-
frage des Kollegen von Klaeden.


(Peter Dreßen [SPD]: Bald ist das Dutzend voll!)



Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1422008800
Herr Staatssekre-
tär, fühlt sich denn die Bundesregierung an die Aussage
des amtierenden Bundeskanzlers gebunden, dass sie es
nicht verdient, wieder gewählt zu werden, wenn 3,5 Mil-
lionen Arbeitslose – auf der Grundlage der jetzigen Sta-
tistik, nehme ich einmal an – nicht erreicht werden?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422008900
Das ist wieder so ein
Ding, das ich Ihnen gleich zurückgebe. Eine solche Aus-
sage hat der Bundeskanzler nie getroffen.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

– Nein. Eine solche Aussage – Sie können Ihre Frage
nachlesen – hat der Bundeskanzler nie gemacht.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Als Kandidat!)


Deswegen antworte ich auf diese Frage auch nicht. Fik-
tive Fragen beantworte ich nicht.


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Vorsicht, da drüben! Sonst gibt es eine Rüge der Präsidentin! – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ein beeindruckender Umgang mit der Wahrheit!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422009000
Jetzt kommt eine
Frage des Kollegen Niebel.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1422009100
Herr Staatssekretär, ich möchte
noch einmal auf die Ausgangsfrage zurückkommen, die
dringliche Frage 2. Der Arbeitsminister hat in der Sen-
dung, die Sie nicht gesehen haben und die ich mir offen-
kundig eingebildet habe, im „Grünen Salon“ auf n-tv,
nicht nur gefordert, die Statistik sofort, das heißt wirksam
ab dem Sommer dieses Jahres, um die vorhin erwähnten
Personengruppen zu bereinigen, sondern er hat auch ge-
sagt, dass er das aus einem bestimmten Grund tut: Er
möchte mehr Ehrlichkeit in die Statistik hineinbringen.


(Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch was Gutes! So etwas wie Ehrlichkeit kennt die FDP nicht!)


Wenn wir einer Meinung sind, dass es nicht unbedingt
falsch ist, diese Vorschläge in Ruhe zu durchdenken, wäre




Parl. Staatssekretär Gerd Andres

21821


(C)



(D)



(A)



(B)


es dann nicht ein Gebot der Ehrlichkeit – wann auch im-
mer es eine entsprechende Änderung gibt –,


(Zuruf von der SPD: Niebel, wenn du von Ehrlichkeit sprichst, dann fallen mir deine Zahlen ein! Arbeitslosenzahlenfälscher!)


dass man die Personengruppen, die einen Arbeitsplatz ha-
ben möchten, die aber in dem Moment zur Überbrückung
etwas anderes machen, zum Beispiel ABM, SAM, Quali-
fizierungsmaßnahmen, oder auch Sozialhilfebezieher, die
arbeitsfähig sind, als Arbeitssuchende bzw. Arbeitslose in
diese Statistik aufnimmt? Ich frage das vor dem Hinter-
grund der Tatsache, dass auch während der Teilnahme an
einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Arbeitsvermitt-
lung und der Aufnahme einer beitragspflichtigen, unge-
förderten Beschäftigung immer noch grundsätzlich der
Vorrang zukommt.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422009200
Herr Abgeordneter
Niebel, Ihre Fragen beantworte ich immer gern,


(Dirk Niebel [FDP]: Das freut mich!)

insbesondere wenn sie mit einer Einleitung versehen sind.
Es stimmt, dass ich die Sendung nicht gesehen habe. Es
stimmt aber nicht, dass ich Ihnen unterstellt hätte, Sie hät-
ten sich die Sendung nur eingebildet. Selbstverständlich
muss ich davon ausgehen, dass Sie, wenn Sie aus der Sen-
dung zitieren, sie auch gesehen haben.

Die spannende Frage, die Sie jetzt gestellt haben, be-
zieht sich darauf, wie man bestimmte Leute zählt.


(Peter Dreßen [SPD]: Der Niebel macht hier doch nur Show!)


Darauf gebe ich Ihnen noch einmal eine Antwort: Wir
zählen sie so, wie die Regierung Kohl – an der Sie betei-
ligt waren – sie von 1982 bis 1998 ohne jede Änderung
gezählt hat. Wir zählen sie so, wie es im Gesetz steht. Den
Gesetzestext habe ich Ihnen vorgetragen. Da Sie als ehe-
maliger Arbeitsvermittler das Gesetz besonders genau
kennen müssten, wissen Sie, wie die gesetzliche Grund-
lage ist. Deswegen haben wir nicht die Absicht, hier etwas
zu verändern.


(Peter Dreßen [SPD]: Aber gefälscht hat er auch!)


Ich verbinde das noch einmal mit der Erklärung, dass
diese Bundesregierung nicht die Absicht hat, die Arbeits-
marktstatistik in dieser Legislaturperiode zu verändern,
weil wir uns nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, wir
würden die Arbeitsmarktdaten mithilfe einer Statistikver-
änderung verfälschen oder bewusst verbessern.


(Peter Dreßen [SPD]: Jetzt ist das Dutzend der Wiederholungen bald voll!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422009300
Nun fragt der Kollege
Meckelburg.


Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1422009400
Herr Staatsse-
kretär, ich möchte gerne noch einmal auf die Infas-Studie,
die Sie eben erwähnt haben, zurückkommen. Diese Stu-
die trägt den Titel: Struktur der Arbeitslosigkeit. Sie ist
seit Mai letzten Jahres, wie man in der Presse im Januar
nachlesen konnte, in internen Zirkeln diskutiert worden.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Davon weiß er bestimmt nichts!)


Diese Studie ist um den 20. Januar herum von Herrn
Bundesarbeitsminister Riester und dem damaligen Noch-
Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit Jagoda vorge-
stellt worden. Halten Sie es für reinen Zufall, dass die Stu-
die genau zu dem Zeitpunkt veröffentlicht wurde, als auch
Sie zugaben, dass Sie Ihr Versprechen nicht mehr einhal-
ten konnten und es im Schnitt des Jahres 4 Millionen Ar-
beitslose würden?

Der Tenor dieser Studie, der auch letztes Wochenende
wieder aufkam, war nämlich: Nicht alle Arbeitslosen kön-
nen tatsächlich als Arbeitslose gewertet werden; 1,2 Mil-
lionen davon sind gar nicht arbeitslos. Auch wenn Sie die
Statistik dieses Jahr nicht ändern wollen, sollte der Ein-
druck vermittelt werden, dass die Statistik nicht stimmt
und Sie besser sind, als die Menschen gedacht haben. Die-
ser Eindruck ist doch nicht zu vermeiden.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422009500
Herr Abgeordneter
Meckelburg, ich bin kein Anhänger irgendwelcher Ver-
schwörungstheorien. Daher kann ich aus dem Ablauf von
Terminen keinen durch eine Verschwörung zustande ge-
kommenen Zusammenhang sehen.

Sie wissen, dass in Mannheim die Fachhochschule der
Bundesanstalt für Arbeit ihren Sitz hat. Dort hat eine Ver-
anstaltung stattgefunden, in der man sich mit dieser Stu-
die auseinander gesetzt und befasst hat. Diese Studie
wurde über einen längeren Zeitraum erhoben. An ihr ha-
ben mehr als 20 000 Personen teilgenommen. Deshalb gilt
die Studie als besonders repräsentativ und hat bestimmte
Ergebnisse hervorgebracht. Teilaspekte dieser Ergebnisse
muss man weiter untersuchen. Daran ist nichts zu ändern.

Sie haben Recht: Ich habe Anfang dieses Jahres erklärt,
dass wir im Winter eine Arbeitslosigkeit von etwa 4,3Mil-
lionen Arbeitslosen haben würden. Ich will nur die Zah-
len richtig stellen, die Sie genannt haben. Die Zahl der Ar-
beitslosen betrug im Januar 4,29Millionen. Wie viel es im
Februar sein wird, wird abzuwarten sein. Aber aus der Er-
fahrung der Jahre kann man davon ausgehen – Januar und
Februar sind bei der Arbeitslosigkeit immer die
Spitzenmonate, was mit Saison, Schneefall, Witterung
und vielen anderen Dingen zu tun hat –, dass es entspre-
chende Veränderungen geben wird.

Sie haben gefragt, ob dies alles ein Zufall sei. Ich
glaube, dass diese terminliche Zusammenstellung Zufall
war. Sie wissen aus den Ausschussberatungen, dass der
Bundesarbeitsminister bei diesem Termin den Präsiden-
ten der Bundesanstalt erstmalig mit den Ergebnissen des
Bundesrechnungshofes konfrontiert hat und dass daraus
die Debatte geworden ist, die wir weder geplant noch an-
gelegt haben. Sie wissen aus den Ausschussberatungen,




Dirk Niebel
21822


(C)



(D)



(A)



(B)


dass der Bundesrechnungshof schon im letzten Frühjahr
die Untersuchung der Vermittlungsstatistik in den fünf Ar-
beitsämtern geplant hat.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Oder der Arbeitsminister hat nichts mitbekommen!)


Sie dürfen nicht davon ausgehen, dass die aus Ihrer
Sicht böse und aus meiner Sicht erfolgreiche Bundes-
regierung das mit einer langfristigen Strategie geplant hat.
Das ist nicht der Fall.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422009600
Nun fragt der Kollege
Peter Weiß.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1422009700
Herr
Staatssekretär, Herr Rürup, Mitglied im Sachverstän-
digenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung, hat in einem Gespräch mit der Tageszeitung
„Die Welt“, abgedruckt am 26. Februar dieses Jahres, er-
klärt:

Wenn man schon die Statistik bereinigt, dann sollten
auch die rund 1,7 Millionen verdeckten Arbeitslosen
nachrichtlich ausgewiesen werden.

Da Sie entweder vor Ende der Legislaturperiode oder
– falls Sie dann noch regieren – in der nächsten Legis-
laturperiode eine Änderung der Arbeitslosenstatistik vor-
nehmen werden, frage ich Sie: Überlegt die Bundes-
regierung derzeit, diese Anregung von Herrn Rürup
aufzugreifen? Nach dem heutigen Stand hätten wir dann
nicht 4,3, sondern 6 Millionen Arbeitslose in der Statistik
auszuweisen.


(Peter Dreßen [SPD]: Wer hat die höchste Zahl zu bieten?)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422009800
Herr Abgeordneter,
ich weiß nicht, wie Sie auf die Zahl von 6 Millionen kom-
men.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: 1,7 plus 4,3!)


Ich möchte es wiederholen: Wir haben die Zählweise, die
Sie 16 Jahre lang und mit einer Reihe von Veränderungen
der Statistik fleißig betrieben haben, nicht geändert.


(Zuruf von der SPD: Kollege Weiß freut sich am meisten über seinen Einwand!)


Ich sage Ihnen noch einmal: Diejenigen, die an ABM-,
Strukturanpassungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen
teilnehmen, werden gesondert ausgewiesen. Die „stille
Reserve“ im weiteren Sinne wird geschätzt und kann sta-
tistisch nicht erfasst werden.

Die spannende Frage, um die es geht, ist nicht, ob sie
ausgewiesen werden. Denn das werden sie längst. Die
spannende Frage, um die es geht, ist, ob man sie als Ar-
beitslose zählt. Ich habe schon mehrfach gesagt, wie
Arbeitslose gezählt werden und welche rechtliche Grund-
lage, die wir übrigens auch nicht geändert haben, es dafür
gibt. Sie werden es nicht glauben, aber zu Ihrer Regie-

rungszeit war sie genauso. Daher haben wir nicht die Ab-
sicht, die Arbeitslosenstatistik bis zum Ende dieser Legis-
laturperiode zu ändern.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Im Übrigen darf ich Ihnen sagen, dass wir die Einset-

zung einer Kommission unter Vorsitz von Herrn Dr. Peter
Hartz beschlossen haben, die bis zum 15. August dieses
Jahres Vorschläge vorlegen muss. Ich gehe davon aus,
dass die Kommission solche Fragen diskutieren und ent-
sprechende Vorschläge machen wird. Dann werden wir
uns damit auseinander setzen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422009900
Nun fragt der Kollege
Klaus Grehn.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1422010000
Herr Staatssekretär, Ihnen ist
ja sicher bekannt, dass der Bundesarbeitsminister wieder-
holt, auch in diesem Hause, erklärt hat, dass er die Statis-
tik treffsicherer machen will. Sie können sich aus der Zeit,
als Sie beim Deutschen Gewerkschaftsbund waren, sicher
erinnern, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund die Zahl
derjenigen, die verdeckt arbeitslos sind, benannt hat.

Erst in dieser Woche haben wir über Schwarzarbeit und
illegale Beschäftigung diskutiert. Hier besteht ein ähn-
liches Verhältnis. Denn auch hier wissen wir etwas, ob-
wohl wir nichts wissen. Die Frage ist einfach: Beabsich-
tigen Sie, dies als real existierendes Problem aufzugreifen
und die Arbeitslosenstatistik treffsicherer zu machen? Tun
Sie dies, indem Sie auch die Tatsache aufgreifen, dass
zum Beispiel Kranke während ihrer Krankheit nicht mehr
arbeitslos sind und aus der Statistik herausfallen usw.?
Beabsichtigen Sie auch dies, um ganz genau deutlich zu
machen, welche Anstrengungen dieses Land auf sich neh-
men muss, um das reale Problem der Arbeitslosigkeit und
nicht ein Scheinproblem zu bekämpfen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422010100
Herr Grehn, ich habe
den Eindruck, dass sowohl die linke als auch die rechte
Seite dieses Hauses möglicherweise ein Interesse daran
hat, dass die Arbeitslosigkeit viel höher beschrieben wird,
als wir es gegenwärtig tun.


(Dr. Klaus Grehn [PDS]: Nein, real! – Zuruf von der CDU/CSU: Unverschämt!)


Ich kann Ihnen sagen: Die Bundesregierung hat ein In-
teresse daran, dass die Arbeitslosigkeit real dargestellt
wird.

Jetzt nenne ich Ihnen ein Problem, zu dem auch Sie
sich verhalten müssen: Wenn sich jemand allein aus dem
Grund arbeitslos meldet, um eine Kindergeldzahlung auf-
rechtzuerhalten, muss man die Frage beantworten, ob dies
ein Arbeitsloser ist oder ob er sich aus einem anderen
Grund meldet.


(Dirk Niebel [FDP]: In der Konsequenz, ja!)

Oder wenn sich jemand arbeitslos meldet, der zwar längst
einen Job in der Tasche hat, aber, was ich verstehen kann,
seine Versicherungsleistung aufrechterhalten möchte,




Parl. Staatssekretär Gerd Andres

21823


(C)



(D)



(A)



(B)


muss man die Frage beantworten: Muss ich diese Person
als Arbeitssuchenden bzw. Arbeitslosen zählen oder
müsste ich mit diesem Problem nicht eigentlich anders
umgehen? All diese Fragen sind zu erörtern. Dafür wird
die Kommission eingesetzt.

Ich nutze diese Gelegenheit, um noch einmal darzule-
gen, dass diese Bundesregierung nicht die Absicht hat, die
Arbeitslosenstatistik in dieser Legislaturperiode zu än-
dern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Klaus Grehn [PDS] – Dr. Klaus Grehn [PDS]: Ich kann es jetzt auswendig! – Peter Dreßen [SPD]: Es war der Sinn, dass Sie es auswendig können!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422010200
Nun folgt die letzte
Frage des Kollegen Kolb.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1422010300
Herr Staatssekretär, Sie
haben jetzt wiederholt vorgetragen, dass es keiner Än-
derung der Statistik bedarf, weil Sie in allernächster Zeit
großartige Erfolge auf dem Arbeitsmarkt erwarten.


(Peter Dreßen [SPD]: Sehr gut, Herr Kolb!)

Nun war es aber so, dass wir mit den Arbeitslosenzahlen
vom Januar dieses Jahres zum 16. Mal in Folge einen sai-
sonbereinigten Anstieg der Arbeitslosigkeit zur Kenntnis
nehmen mussten. Alles spricht dafür, dass die saison-
bereinigte Arbeitslosigkeit im Februar dieses Jahres er-
neut und damit zum 17. Mal in Folge steigen wird. Nam-
hafte Forschungsinstitute gehen davon aus, dass sich
dieser Zustand, die Zunahme der saisonbereinigten Ar-
beitslosigkeit, bis zum Sommer dieses Jahres fortsetzen
wird,


(Detlev von Larcher [SPD]: Weil die Regierung unter Ihnen vorher Rekorde verzeichnet hat!)


und zwar auch deswegen, weil die Erwerbstätigkeit, an-
ders als dies vorher der Fall gewesen ist, zurzeit nicht
mehr zunimmt.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422010400
Wann genau rech-
net die Bundesregierung mit der Wende auf dem Arbeits-
markt? Es ist nicht mehr viel Zeit bis zur Ablösung dieser
Regierung. Es sind noch sieben Monate. Daher müsste es
doch möglich sein, den genauen Zeitpunkt etwas enger
einzugrenzen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422010500
Herr Abgeordneter
Kolb, eigentlich ist es schade, wie sehr Sie Ihre Frage
durch Ihre Schlussbemerkung selbst desavouiert haben,
weil die Bundesregierung die Arbeitslosenstatistik nicht
im Zusammenhang mit der Ablösung der Bundesregie-
rung sieht. Wie kämen wir darauf? Der Zusammenhang,
den Sie da herstellen, ist völlig absurd.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann sagen Sie doch einfach genau, wann die Wende kommt!)


Wenn ich korrekt sagen könnte, wann dieser Zeitpunkt
sein wird, würde ich dies tun. Ich habe keine Absicht, mich
festzulegen. Ich bin auch nicht das Orakel von Delphi.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Diesen Eindruck hatten wir gerade eben!)


Sie können aber davon ausgehen – auch Sie als ehe-
maliger Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium,
der über viele Jahre die Verantwortung in der Vorgänger-
bundesregierung mitgetragen hat und der sich mit ökono-
mischen Daten befasst, wissen dies –, dass es eine Reihe
von Indikatoren gibt, die in der Tat eine wirtschaftliche
Belebung bestätigen. Wir gehen auch davon aus, dass sich
die Situation auf dem Arbeitsmarkt bessert.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422010600
Damit haben wir die
dringlichen Fragen 1 und 2 beantwortet. Wir danken dem
Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.

Die Fraktion der CDU/CSU hat im Anschluss an die
Fragestunde eine Aktuelle Stunde beantragt. Diese Aktu-
elle Stunde ist nach den Richtlinien zulässig. Sie wird im
Anschluss an die Fragestunde stattfinden; das ist ungefähr
in einer Stunde.

Wir kommen nun zu dem Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Verteidigung. Zur Beantwor-
tung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte
Schulte zur Verfügung. Die dringlichen Fragen 3 und 4
sind schriftlich zu beantworten.

Ich rufe die dringliche Frage 5 des Kollegen Wolfgang
Gehrcke auf:

Treffen Meldungen zu, wonach wesentliche Änderungen an
der zahlenmäßigen Aufgliederung für den Einsatz der deutschen

(siehe Bundestagsdrucksachen 14/7296 und 14/7447, 100 Soldaten Spezialkräfte)

2002 zu den Aussagen des Vorsitzenden des Verteidigungsaus-
schusses, Helmut Wieczorek, in der ARD), und wenn ja, wie er-
klärt dies die Bundesregierung?

Frau Staatssekretärin, bitte sehr.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422010700
Herr Kollege Gehrcke, die im
Bundestagsbeschluss vom 16. November 2001 für die
einzelnen Streitkräfte im Rahmen der Operation „En-
during Freedom“ aufgeführten Personalstärken wurden
und werden nicht überschritten. Also: Zu keiner Zeit wa-
ren bis zum heutigen Tage mehr als 100 Soldaten der Spe-
zialkräfte eingesetzt.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422010800
Zusatzfrage? – Bitte
sehr.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422010900
Frau Staatssekretärin,
könnten Sie mir vielleicht den Widerspruch zu den Pres-
seerklärungen des Vorsitzenden des Verteidigungsaus-
schusses, Herrn Wieczorek, der deutlich über 200 KSK-
Kräfte genannt hat, erklären? Herr Wieczorek gehört ja
auch der Regierungskoalition an. Sie nennen immer eine
Zahl von weniger als 100, er dagegen spricht von mehr als




Parl. Staatssekretär Gerd Andres
21824


(C)



(D)



(A)



(B)


200. Sie müssen daher verstehen, dass die Öffentlichkeit
oder ein armer Abgeordneter, der nicht informiert wird,
nachfragt, was nun stimmt.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422011000
Selbstverständlich. Ich ver-
stehe auch, dass Sie als Oppositionspolitiker, nachdem
das Thema in die Öffentlichkeit gelangt ist, danach fra-
gen. Es handelt sich um nicht einmal 100 Kräfte. Der Kol-
lege Wieczorek hat erklärt, er habe, als eindringlich da-
nach gefragt wurde, offensichtlich diese Zahl mit anderen
Zahlen, die aufgeführt sind, verwechselt. Ich will eines
der Korrektheit halber sagen: Innerhalb der festgelegten
Obergrenze von 3 900 Soldaten hätte in Abhängigkeit von
den Erfordernissen natürlich der Bundesminister der Ver-
teidigung, weil er vom Parlament ermächtigt worden ist,
in Abstimmung mit dem Außenminister die Zahl verän-
dern können. Es ist aber eindeutig so, dass die Zahl unter
100 liegt. Herr Wieczorek hat das dann auch so dar-
gestellt. So ist das in die Öffentlichkeit gelangt. Er hat ge-
sagt, er habe es verwechselt. Ich kann das nur so zur
Kenntnis nehmen und entsprechend wiedergeben. Richtig
ist auf jeden Fall meine Zahl.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422011100
Noch eine Zusatzfrage.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422011200
Ich möchte nachfragen:
Der Herr Bundeskanzler hat am 8. November 2001 im
Parlament erklärt:

Mir ist besonders wichtig festzuhalten: Es geht we-
der um eine deutsche Beteiligung an Luftangriffen
noch um die Bereitstellung von Kampftruppen am
Boden.

Hat sich auch der Herr Bundeskanzler in seinen Aussagen,
ebenso wie der Kollege Wieczorek bei der Nennung der
Zahlen, geirrt? Heute habe ich mir im Auswärtigen Aus-
schuss von Ihrem Kollegen Stützle erklären lassen, dass
die KSK-Kräfte weder am Boden noch in der Luft noch
im Wasser operieren. Es muss sich also um himmlische
Wesen handeln. Können Sie mir wenigstens bestätigen,
dass es Kampftruppen sind?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422011300
Ich kann auch bestätigen, dass
der Deutsche Bundestag mit einer großen Zahl von Stim-
men der Abgeordneten – leider nicht mit Ihrer Stimme –
in seinem Beschluss festgelegt hat:

Der Einsatz militärischer Mittel ist unverzichtbar,
um die terroristische Bedrohung zu bekämpfen und
eine Wiederholung von Angriffen wie am 11. Sep-
tember 2001 nach Möglichkeit auszuschließen. Der
Deutsche Bundestag stimmt daher der Beteiligung
bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Operation
Enduring Freedom zu ...

(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Das hatte ich nicht gefragt! Ich hatte gefragt, ob es Kampftruppen sind!)


Damit ist ganz klar, Herr Kollege – der deutsche Bun-
deskanzler hat am 16. November mit uns gestimmt –,
dass die deutschen Streitkräfte im Rahmen der Operation
„Enduring Freedom“ die gesamte Palette der Aufgaben
wahrnehmen müssen. Eingegrenzt ist das Gebiet, auf
welchem sich die Truppen bewegen.

Ich kann das, was Sie hier gesagt haben, nicht nach-
vollziehen. Ich muss es Ihnen glauben, aber entscheidend
ist der Beschluss des Bundestages.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422011400
Nun hat der Kollege
Hübner eine Frage.


Carsten Hübner (PDS):
Rede ID: ID1422011500
Frau Staatssekretärin, die Er-
regungen der letzten Tage sind ja vor allem durch eine aus
unserer Sicht nicht hinreichende Informationspolitik der
Bundesregierung zustande gekommen. Wie können Sie es
aus Ihrer Sicht erklären, dass bereits am 18. Januar dieses
Jahres, also vor mehr als einem Monat, der US-amerika-
nische Oberbefehlshaber in Afghanistan öffentlich darü-
ber Auskunft gegeben hat, dass deutsche, britische, türki-
sche und amerikanische Spezialeinheiten gemeinsam im
Süden Afghanistans tätig sind, während eine Aussage der
Bundesregierung gegenüber dem Parlament, aber auch
gegenüber der deutschen Öffentlichkeit erst einen Monat
später zustande gekommen ist, obwohl es in der Zwi-
schenzeit häufig Nachfragen in dieser Richtung gegeben
hat?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422011600
Ich kann Ihnen das damit er-
klären, dass diese Gruppe von Soldaten mit Zustimmung
des deutschen Parlaments 1995 aufgestellt wurde und
diese Truppe nun einmal Aufgaben im Rahmen des
Grundgesetzes wahrzunehmen hat, über die nicht unbe-
dingt die Diskussion in der Öffentlichkeit geführt werden
muss. Auch nur zum Schutz der Soldaten und ihrer An-
gehörigen bin ich gewillt, Ihnen diese klare Aussage hier
zu geben.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422011700
Eine weitere Nach-
frage gibt es nicht.


(Abg. Carsten Hübner [PDS] meldet sich zu einer weiteren Zusatzfrage)


– Sie selber haben die ursprüngliche Frage nicht gestellt;
deswegen können Sie nur eine Nachfrage stellen. Wir
kommen aber noch einmal zu diesem Thema. Bitte haben
Sie Geduld.

Ich rufe die dringliche Frage 6 des Kollegen Wolfgang
Gehrcke auf:

Wenn ja, warum wurde diese wesentliche Veränderung, die
laut Ziffer 5 des Beschlusses des Deutschen Bundestages zum
Mandat vom 16. November 2001 zwar möglich, aber nach der zu-
gehörigen Protokollerklärung vom 15. November 2001 an Kon-
sultationen gebunden wird, durchgesetzt, ohne die vorgesehenen
Konsultationen mit den Fachausschüssen oder Fraktionen des
Deutschen Bundestages durchzuführen?

In dieser Frage geht es um dasselbe Thema in Variatio-
nen.




Wolfgang Gehrcke

21825


(C)



(D)



(A)



(B)


B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422011800
Diese Frage beantworte ich mit
einem klaren Nein.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422011900
Eine Zusatzfrage?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422012000
Selbstverständlich ergibt
sich daraus eine Zusatzfrage. Frau Staatssekretärin, ich
bitte, mir wirklich zu beantworten, ob Sie zumindest be-
stätigen können, dass die KSK eine Kampftruppe ist.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422012100
Die KSK haben wir – das
konnten Sie nachlesen und das kann man, im Gegensatz
zu anderen Bereichen, auch der Öffentlichkeit sagen –
nach den Erkenntnissen internationaler Einsätze aufge-
stellt. Sie hat in erster Linie die Aufgabe, Konflikte mög-
lichst ohne Kampfeinsatz zu lösen.


(Zuruf des Abg. Dr. Ilja Seifert [PDS])

Sie soll Menschen retten. Sie ist aber in der Lage, auch mi-
litärische Kampfeinsätze wahrzunehmen; sie ist wirklich
keine Caritas-Einrichtung. Sie steht unter dem Primat der
Politik des Deutschen Bundestages und der Bundesregie-
rung und sie steht unter dem Schutz des Grundgesetzes.
Deswegen habe ich nicht das geringste Problem, zu sagen:
Ja, unsere Spezialkräfte können natürlich auch militärische
Aufgaben wahrnehmen, wie übrigens alle 300 000 Solda-
ten, sofern es sich nicht um Wehrpflichtige handelt.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422012200
Eine Zusatzfrage,
bitte sehr.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422012300
Mir ist ja schon klar: Wer
sich beschwert, wird belehrt. Aber ich komme noch ein-
mal auf die Aussage des Bundeskanzlers zurück,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das lohnt nicht!)


der gesagt hat: Es sind keine Kampfeinsätze am Boden
vorgesehen. Sie haben mir jetzt bestätigt: Es ist eine
Kampftruppe, sie operiert am Boden, in der Luft und im
Wasser.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist bestimmt eine Chefsache!)


Kann ich jetzt festhalten, dass die Aussage des Bundes-
kanzlers in seiner Regierungserklärung am 8. November,
die für viele Abgeordnete für ihre Entscheidung, ob sie
zustimmen oder nicht zustimmen, wichtig war, falsch ge-
wesen ist?


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das muss erst zur Chefsache gemacht werden!)


B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422012400
Das können Sie nicht fest-
stellen. Ich wiederhole noch einmal: Der deutsche Bun-
deskanzler hat das nicht nur im Kabinett – der
Kabinettsbeschluss sah nicht anders aus als das, was das

deutsche Parlament anschließend am 16. November be-
schlossen hat – erklärt. Uns allen war klar, dass dies ein
schwieriger Einsatz wird und dass die Terrorismus-
bekämpfung – wir sind schließlich schlimmsten Verbre-
chern auf der Spur – natürlich auch militärische Mittel
und deren Einsatz verlangt.


(Dr. Barbara Höll [PDS]: Hat er also doch gelogen!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422012500
Nun kommt der Kol-
lege Hübner mit einer Zusatzfrage.


Carsten Hübner (PDS):
Rede ID: ID1422012600
Frau Staatssekretärin, ich
mag ja gerne einsehen, dass es in der Frage, wo und wann
Spezialkräfte mit welchem Auftrag eingesetzt sind,
durchaus Aspekte gibt, die der Geheimhaltung unterlie-
gen. Die Frage des Ob wird jedenfalls in allen anderen
Ländern, die an diesen Operationen beteiligt werden, an-
ders gehandhabt als in der Bundesrepublik. Das gebietet
aus meiner Sicht auch die Möglichkeit demokratischer
Kontrolle. Sind Sie deshalb der Auffassung, dass die an-
deren Staaten – die Türkei, die USA, damit der zitierte
US-Oberbefehlshaber, oder die Briten – sehr viel weniger
fürsorglich mit den von ihnen eingesetzten Soldaten um-
gehen als die Bundesregierung?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422012700
Herr Hübner, ich wiederhole,
was ich bereits erwähnt habe. Im Beschluss des Bundes-
tags ist dezidiert von 100 Spezialkräften die Rede gewe-
sen. Darüber hinaus hat das Parlament die Bundesregie-
rung ermächtigt, dass unterhalb der festgelegten
Obergrenze von 3 900 Soldaten in Abhängigkeit von den
Erfordernissen des Einsatzes Abweichungen von der je-
weils genannten Größenordnung möglich sind.

Das deutsche Parlament verfügt über geschlossene
Ausschüsse, in denen die Parlamentarier selbstverständ-
lich Auskunft bekommen. Bei Einhaltung der Geheimhal-
tungsstufen ist eine Unterrichtung über den Einsatz der
Streitkräfte, ihren Aufenthaltsort und die Zahl der Solda-
ten an den jeweiligen Aufenthaltsorten erfolgt.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422012800
Nun hat der Kollege
Dr. Seifert eine Zusatzfrage.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1422012900
Frau Staatssekretärin, Sie spra-
chen vorhin ausdrücklich davon, dass der Auftrag der
deutschen Streitkräfte und ihr Einsatzort genau umschrie-
ben seien. Ich kann mich recht gut daran erinnern, dass
immer wieder von Kabul und Umgebung gesprochen
wurde, wenn von Afghanistan die Rede war. Jetzt aber ist
in Meldungen die Rede davon, dass die KSK ganz woan-
ders in Afghanistan eingesetzt ist. Können Sie das be-
stätigen? Ich frage Sie auch, wann und vor allem unter
welchem Kommando diese Truppe erstmalig dort
gekämpft hat. Denn bekanntlich läuft neben dem von uns
beschlossenen Einsatz gleichzeitig auch der amerikani-
sche Einsatz, der nichts mit „Enduring Freedom“ zu tun
hat.






(C)



(D)



(A)



(B)


B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422013000
Herr Kollege Seifert, Einsatz-
gebiet im Rahmen von „Enduring Freedom“ ist gemäß
Art. 6 Nordatlantikvertrag die arabische Halbinsel, Mit-
tel- und Zentralasien und Nordostafrika sowie die an-
grenzenden Seegebiete. Was Sie jetzt gemeint haben, ist
der Friedenseinsatz, der als Folge der Petersberger Be-
schlüsse mit ISAF verbunden ist. Das hat nichts mit „En-
during Freedom“ zu tun, sondern ist eine Folgeoperation,
an der die Bundeswehr in Kabul bzw. auf dem Weg nach
Kabul in der Tat noch an anderen Stellen operiert. Aber für
„Enduring Freedom“, worüber wir gerade reden, ist das
Einsatzgebiet in dem Beschluss umfassend definiert wor-
den.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422013100
Nun kommt die
dringliche Frage 7 des Abgeordneten Carsten Hübner:

Haben bundesdeutsche Spezialeinheiten bei ihrem Einsatz im
Rahmen von „Enduring Freedom“ Personen verhaftet bzw. gefan-
gen genommen, und wie ist mit diesen Personen, gegebenenfalls
hinsichtlich einer möglichen Überstellung in das Gefangenenlager
Guantanamo in Kuba, weiter verfahren worden?

Frau Staatssekretärin.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422013200
Nein, Herr Kollege Hübner,
die Bundesregierung kann diese Behauptung nicht be-
stätigen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422013300
Eine Zusatzfrage.


Carsten Hübner (PDS):
Rede ID: ID1422013400
Es handelt sich um eine
Frage, die formuliert worden ist, und nicht um eine Be-
hauptung, die es zu bestätigen gilt oder nicht. In diesem
Sinne bitte ich um die Beantwortung der Frage.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422013500
Entschuldigung. – Kann die Bun-
desregierung Informationen der Nachrichtenagentur – –


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422013600
Das ist die Frage 8,
Frau Staatssekretärin. Wir sind noch bei Frage 7.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422013700
Nein, die habe ich schon be-
antwortet.


(Carsten Hübner [PDS]: Nein!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422013800
Es geht zwar um den-
selben Komplex, aber wir sind noch bei der dringlichen
Frage 7. Ich wiederhole sie:

Haben bundesdeutsche Spezialeinheiten bei ihrem
Einsatz im Rahmen von „Enduring Freedom“ Perso-
nen verhaftet bzw. gefangen genommen, und wie ist
mit diesen Personen, gegebenenfalls hinsichtlich ei-
ner möglichen Überstellung in das Gefangenenlager
Guantanamo in Kuba, weiter verfahren worden?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422013900
Meine vorangegangene
Antwort darauf war ein klares Nein.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422014000
Die Staatssekretärin
hat die Frage also verneint.

Sie haben eine Zusatzfrage, Herr Kollege.


Carsten Hübner (PDS):
Rede ID: ID1422014100
Aus welchen militärischen
Aktivitäten speist sich dann, wenn es nicht zum Beispiel
um Verhaftungen oder militärische Auseinandersetzun-
gen im eigentlichen Sinne geht, das Lob verschiedener
Streitkräfte gegenüber den Einsatzaktivitäten der Bun-
deswehr, auf das der Bundesverteidigungsminister in
mehreren Pressemitteilungen hingewiesen hat?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422014200
Wollen Sie darauf eine ernste
Antwort haben?


Carsten Hübner (PDS):
Rede ID: ID1422014300
Ich würde die Frage sonst
nicht stellen.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422014400
Die Frage nach der Über-
stellung in das Gefangenenlager Guantanamo in Kuba,
die Sie gestellt haben, enthält doch eine Unterstellung.


(Carsten Hübner [PDS]: Das haben Sie gar nicht festzustellen!)


Erstens wird dieses Lager nicht von uns geführt. Zweitens
– das sage ich deutlich – haben unsere Soldaten entspre-
chende Personen nicht verhaftet bzw. gefangen genom-
men.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422014500
Nun rufe ich die
Frage 8 des Kollegen Carsten Hübner auf.


(Carsten Hübner [PDS]: Nein, ich habe noch eine Nachfrage!)


– Bitte sehr, noch zur Frage 7.


Carsten Hübner (PDS):
Rede ID: ID1422014600
Sie können also hier definitv
feststellen, dass bei dem Einsatz der KSK-Einheiten der
Bundeswehr in den letzten Monaten keine Gefangenen
gemacht wurden und dass auch keine Personen, die im
Gewahrsam der Bundeswehr waren, nach Guantanamo
Bay überführt worden sind?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422014700
Ich habe Ihre Frage mit
einem klaren Nein beantwortet.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422014800
Nun kommen wir zur
dringlichen Frage 8 des Kollegen Carsten Hübner:






(C)



(D)



(A)



(B)


Kann die Bundesregierung Informationen der Nachrichten-
agentur Reuters vom 24. Februar 2002 unter Verweis auf Angaben
der „Stuttgarter Zeitung“ bestätigen, nach denen deutsche Bun-
deswehrsoldaten auf dem US-Stützpunkt in Kandahar gegenüber
amerikanischen Soldaten einschreiten mussten, weil diese hart ge-
gen Gefangene vorgingen und insgesamt unter den amerikani-
schen Soldaten eine aggressive Stimmung vorherrsche?

Frau Staatssekretärin.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422014900
Aus gegebenem Anlass
trage ich zunächst den Wortlaut Ihrer Frage vor: Sie haben
gefragt, ob „die Bundesregierung Informationen der
Nachrichtenagentur Reuters vom 24. Februar 2002 unter
Verweis auf Angaben der ,Stuttgarter Zeitung‘ bestätigen“
kann, „nach denen deutsche Bundeswehrsoldaten auf dem
US-Stützpunkt in Kandahar gegenüber amerikanischen
Soldaten“ hätten einschreiten müssen, „weil diese hart
gegen Gefangene“ vorgegangen seien „und insgesamt
unter den amerikanischen Soldaten eine aggressive Stim-
mung vorherrsche“. Ich wiederhole die Antwort, die ich
schon eben gegeben habe: Nein, diese Behauptung kann
ich nicht bestätigen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422015000
Zusatzfrage.


Carsten Hübner (PDS):
Rede ID: ID1422015100
Können Sie sagen, unter
welchem Oberkommando sich die deutschen Einheiten
befinden, die im Zusammenhang mit US-amerikanischen,
britischen und türkischen Spezialeinheiten eingesetzt
werden?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422015200
Das geht bereits aus dem Be-
schluss hervor.


(Dr. Barbara Höll [PDS]: Das ist aber keine Antwort!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422015300
Eine weitere Zusatz-
frage, Herr Kollege Gehrcke.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422015400
Frau Staatssekretärin,
sind Sie bereit, mir zumindest zu bestätigen, dass der
Auswärtige Ausschuss, der in den Beschlüssen als feder-
führender Ausschuss genannt ist, zu keinem Zeitpunkt
über das Ob des Einsatzes der KSK-Kräfte und über ihren
Aufenthalt informiert worden ist, weder in den Be-
sprechungen der Obleute noch in einer normalen Sitzung
noch unter „geheim“ oder „streng vertraulich“? Der
Auswärtige Ausschuss ist heute zum ersten Mal vom Bun-
desaußenminister – unzureichend, wie ich finde; das
brauchen Sie aber nicht zu kommentieren – informiert
worden.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1422015500
Ich kann Ihnen dies deshalb
nicht bestätigen, weil ich mich selten im Auswärtigen
Ausschuss aufhalte und nicht weiß, was Sie auf die Tages-

ordnung gesetzt haben. Als ich gefragt worden bin, bin ich
einige Male bei Ihnen gewesen. In dem Beschluss heißt es
aber klar und deutlich:

Der Bundesminister der Verteidigung wird ermäch-
tigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister des
Äußeren für die deutsche Beteiligung an der Opera-
tion „Enduring Freedom“ die entsprechenden Kräfte
anzuzeigen ... und im Rahmen der Operation „Endu-
ring Freedom“ einzusetzen.

Der Verteidigungsausschuss ist bei entsprechend klassifi-
zierten Geheimhaltungsgraden unterrichtet worden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422015600
Damit sind die dring-
lichen Fragen erledigt. Ich danke der Frau Staatssekre-
tärin für die Beantwortung der Fragen aus dem Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung.

Wir kommen nun zu den Fragen auf Drucksache
14/8318 in der üblichen Reihenfolge. Wir beginnen mit
dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz.
Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentari-
scher Staatssekretär Dr. Pick zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Dr. Jürgen Gehb auf:
Welche Änderungen der Strafandrohung für die Störung des

öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten analog dem
deutschen § 126 Strafgesetzbuch, „Trittbrettfahrer“, werden nach
Kenntnis der Bundesregierung in den Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union geplant bzw. sind seit dem 11. September 2001
vollzogen worden?

Herr Staatssekretär, bitte sehr.

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1422015700
Herr Kollege Dr. Gehb, ich kann
mich hier kurz fassen und auf meine Antwort vom 3. Ja-
nuar dieses Jahres auf Ihre gleich lautende schriftliche
Frage vom 18. Dezember 2001 verweisen. Damals habe
ich mitgeteilt, dass dem Bundesministerium der Justiz
keine aktuellen Erkenntnisse zu der Frage vorliegen, eine
entsprechende Umfrage unter den Mitgliedstaaten der Eu-
ropäischen Union allerdings veranlasst ist. Einen anderen
Sachstand gibt es gegenwärtig noch nicht. Ich habe Ihnen
damals zugesichert, dass Sie über das Ergebnis der Um-
frage informiert werden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422015800
Zusatzfrage, Herr
Kollege.


Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1422015900
Herr Staatssekretär,
ist damit zu rechnen, dass diese Frage beantwortet wird,
wenn ich noch einmal vier Wochen zuwarte? Ich frage
dies vor dem Hintergrund, dass mir Erkenntnisse darüber
vorliegen, dass in Österreich und Großbritannien im-
mense Strafverschärfungen bei der Strafandrohung gegen
so genannte Trittbrettfahrer angekündigt sind. Wird also
in vier Wochen eine offizielle Antwort vorliegen, sodass
ich mich nicht mehr aus anderen Quellen bedienen muss?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1422016000
Herr Kollege Dr. Gehb, ich habe




Vizepräsidentin Anke Fuchs
21828


(C)



(D)



(A)



(B)


Verständnis für Ihre Ungeduld; auch wir sind ungeduldig.
Sie wissen, wie es bei Umfragen im europäischen Raum
und auch in der Europäischen Union ist: Antworten gehen
nicht immer so zügig ein, wie wir es uns vorstellen. In die-
sem Fall ist das Auswärtige Amt eingeschaltet worden,
um eine umfängliche und erschöpfende Antwort auf Ihre
Frage zu bekommen. Sobald wir diese Antwort haben,
geht sie Ihnen automatisch zu.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422016100
Ich rufe Frage 2 des
Abgeordneten Dr. Jürgen Gehb auf:

Welche Änderungen im Strafrecht plant die Bundesregierung
als Folge der Erklärung der Staats- und Regierungschefs der
Europäischen Union vom 19. Oktober 2001, dass „gegen die ver-
antwortungslosen Personen, die die derzeitige Situation ausnut-
zen, um falschen Alarm auszulösen, … die Mitgliedstaaten
entschlossene Maßnahmen ergreifen (werden), indem sie insbe-
sondere Straftaten dieser Art streng ahnden“?

Herr Staatssekretär, bitte.

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1422016200
Herr Kollege Dr. Gehb, die Perso-
nen, die nach den schrecklichen Ereignissen des 11. Sep-
tember 2001 als so genannte Trittbrettfahrer Menschen in
Angst und Schrecken versetzen, indem sie zum Beispiel
vermeintlich mit Krankheitserregern verseuchte Briefe
versenden oder mit Bomben drohen, handeln nicht nur un-
verantwortlich, sondern auch in höchstem Maße gemein-
schädlich. Ein solches Verhalten muss konsequent geahn-
det werden. Darüber besteht, denke ich, Einvernehmen
zwischen uns.

Soweit Sie die Forderung der EU-Staats- und Regie-
rungschefs nach entschlossenen Maßnahmen mit der
Frage nach Änderungen im Strafrecht verbinden, komme
ich allerdings zu einer etwas anderen Beurteilung der
Rechtslage. Nach meinem Dafürhalten reicht das gegen-
wärtige Recht durchaus aus, um eine nachdrückliche Ver-
folgung und Bestrafung der Täter zu gewährleisten. Ich
denke hier vor allen Dingen an die Strafvorschrift des
§ 126 des Strafgesetzbuches, deren Strafdrohung Gegen-
stand zweier dem Bundestag zur Beratung vorliegender
Gesetzesinitiativen, die des Bundesrates und die Ihrer
Fraktion, ist. Bereits in ihrer Stellungnahme zum Gesetz-
entwurf des Bundesrates hat die Bundesregierung Zweifel
geäußert, ob es zur konsequenten Verfolgung und Bestra-
fung solcher Straftäter tatsächlich erforderlich ist, die
Strafdrohung des § 126 StGB zu erhöhen.

Ich möchte für alle, denen die Einzelheiten momentan
nicht gegenwärtig sind, Folgendes hinzufügen: Der schon
geltende § 126 des Strafgesetzbuches ermöglicht es den
Strafgerichten, sehr hohe Geld- und Freiheitsstrafen zu
verhängen. Das Höchstmaß der Geldstrafe beträgt
1,8 Millionen Euro, das der Freiheitsstrafe drei Jahre.
Mithin bietet bereits die geltende Fassung der Straf-
vorschrift die Möglichkeit, empfindliche Geldstrafen und
Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren zu verhängen.
Letzteres schließt eine Strafaussetzung zur Bewährung
aus.

Bei den der Bundesregierung bisher bekannt geworde-
nen Verurteilungen sind keine Geldstrafen, sondern aus-

schließlich Freiheitsstrafen verhängt worden. Zu einem
großen Teil wurden die Freiheitsstrafen nicht zur Be-
währung ausgesetzt. So wurde in einem Fall eine Strafe
von sechs Monaten ohne Bewährung und in einem an-
deren Fall eine Strafe von acht Monaten ohne Bewährung
verhängt. Ich darf mit Genugtuung feststellen, dass die
Justizbehörden der Länder ausgesprochen prompt und
zügig reagiert haben. Nach Auffassung der Bundes-
regierung ist damit der richtige Weg vorgezeichnet. Es
geht darum, eine Störung des öffentlichen Friedens durch
Androhung von Straftaten so schnell wie möglich zu ahn-
den und dabei den bereits vorhandenen Strafrahmen kon-
sequent auszuschöpfen. Dafür spricht, dass die ver-
hängten Urteile offensichtlich Wirkung gehabt haben.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422016300
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege Dr. Gehb, bitte sehr.


Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1422016400
Herr Staatssekretär
Pick, Sie wissen ja, dass auf der Tagung der Staats- und
Regierungschefs der EU der Bundeskanzler die Erklärung
unterschrieben hat, dass „gegen die verantwortungslosen
Personen, die die derzeitige Situation ausnutzen, um
falschen Alarm auszulösen, ... die Mitgliedstaaten ent-
schlossene Maßnahmen ergreifen werden, indem sie ins-
besondere Straftaten dieser Art streng“ – ich betone:
streng – „ahnden“. Hat der Bundeskanzler damit viel-
leicht mehr versprochen, als die Bundesregierung – die-
sen Eindruck haben die in der ersten Lesung gehaltenen
Reden erweckt – halten kann? Was gedenkt die Bundes-
regierung in Anbetracht der Tatsache, dass in Großbritan-
nien und Österreich Freiheitsstrafen von bis zu sieben
oder sogar zehn Jahren gegen Trittbrettfahrer verhängt
werden können, zu tun?

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1422016500
Herr Kollege Dr. Gehb, der Bun-
deskanzler hat die gegenwärtige Rechtslage genau im
Auge gehabt, als er die Erklärung unterschrieben hat;
denn eine strenge Bestrafung ist bei einem Strafmaß von
bis zu drei Jahren ohne Bewährung auch in Deutschland
möglich. Zum anderen haben wir mit der Androhung ei-
ner Geldstrafe bis zu 1,8 Millionen Euro einen Weg vor-
gezeichnet, der in den anderen Staaten noch nicht gang
und gäbe ist.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422016600
Zusatzfrage? – Bitte
sehr.


Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1422016700
Die Bundesregierung
hat in ihrer Stellungnahme in der Drucksache 14/8201 da-
rauf verwiesen, dass in diesen Fällen ausschließlich Frei-
heitsstrafen verhängt worden seien. Ist der Bundesregie-
rung das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 6. Dezember
letzten Jahres bekannt, wonach zwei so genannte Milz-
brand-Trittbrettfahrer – es handelte sich also um kein
harmloses Vergehen, sondern um etwas Bösartiges – le-
diglich zu Geldstrafen in Höhe von 1 600 DM verurteilt
wurden?




Parl. Staatssekretär Dr. Eckhart Pick

21829


(C)



(D)



(A)



(B)


D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1422016800
Herr Kollege Dr. Gehb, dieses Ur-
teil ist mir nicht bekannt. Ich habe in dieser Stellung-
nahme zwei Urteile, in denen Freiheitsstrafen ohne
Bewährung ausgesprochen worden sind, berücksichtigt.
Mein Eindruck ist, dass die Gerichte im Rahmen der vor-
handenen Möglichkeiten auf den individuellen Fall, den
ich nicht beurteilen kann, angemessen reagieren können.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422016900
Damit ist der Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz been-
det. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beant-
wortung der Fragen.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die
Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Barbara
Hendricks zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Norbert Röttgen auf:
Was hat die Bundesregierung zu ihren Ausführungen zur Um-

satzsteuerpflicht von Betreuungsvereinen in dem Rundschreiben
des Bundesministeriums der Finanzen vom 21. September 2000
veranlasst, wenn die Betreuungsvereine ohnehin auch zuvor mit
ihrer Umsatzsteuerpflichtigkeit rechnen mussten, dies daher auch
den örtlichen Finanzämtern bekannt sein musste und diese Aus-
führungen auch nicht durch das Berufsvormündervergütungsge-
setz, das am 1. Januar 1999 in Kraft getreten ist, motiviert waren?

Frau Staatssekretärin, bitte.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1422017000
Herr Kollege Röttgen, An-
lass für das BMF-Schreiben vom 21. September 2000
war, eine einheitliche Rechtsauslegung durch die Finanz-
verwaltungen sicherzustellen. Im Übrigen verweise ich
auf meine Antworten zu Ihren Fragen 28 und 29 in der
Fragestunde der vergangenen Woche, die Ihnen schrift-
lich zugegangen sind, obwohl Sie unentschuldigt nicht
hier waren.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr gut!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422017100
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1422017200
Sehr geehrte Frau
Staatssekretärin, ich bedauere es bis auf den heutigen Tag,
dass ich eine Minute zu spät gekommen bin, weil zuvor so
viele Fragen schriftlich beantwortet worden sind. Neh-
men Sie es als Zeichen meiner Buße, dass ich heute schon
seit anderthalb Stunden hier bin. Es hat mir natürlich gut
getan, hier zu sein.

Nun möchte ich zu der Frage kommen. Die von Ihnen
angesprochene einheitliche Rechtsauffassung führt zu
massiven, rückwirkenden Steuerforderungen an im
Wesentlichen ehrenamtlich arbeitende Betreuungsver-
eine. Ihre Antwort wirft die Frage auf, ob diesen Vereinen
kein Vertrauensschutz zuzubilligen ist. Dafür gibt es fol-
gende Argumente:

Die Rechtsauffassung, die die Bundesregierung ver-
tritt, ist ernsthaft umstritten. Renommierte Steuerrechtler

halten die Auffassung der Bundesregierung für euro-
parechtswidrig. Die Bundesjustizministerin hat zumin-
dest angedeutet, dass auch sie selbst eine andere Auffas-
sung vertritt. Schließlich haben die zuständigen
Finanzämter über Jahre die überwiegend ehrenamtlich ar-
beitenden Vereine nicht zur Umsatzsteuer herangezogen.

Sind Sie wirklich der Auffassung, dass die Vereine, die
– das möchte ich betonen – Gebrechliche und Behinderte
ehrenamtlich betreuen, hätten wissen müssen, was das
Finanzamt nicht wusste, wie nämlich die Rechtslage ist?
In der Wissenschaft ist das Ganze umstritten. Die Bun-
desregierung verkündet den betroffenen Verbänden, Jahre
nachdem die Vorgänge abgeschlossen sind, ihre Erkennt-
nis. Meinen Sie nicht, dass man diesen Vereinen Ver-
trauensschutz zubilligen muss?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1422017300
Herr Kollege Röttgen, die
Gesetzeslage ist leider eindeutig und mehrfach durch Be-
schlusslagen der obersten Finanzbehörden des Bundes
und der Länder einhellig bestätigt worden.

Es ist nicht übertrieben, von einer jahrelangen Praxis
zu sprechen. Das Berufsvormündervergütungsgesetz ist
im Januar 1999 in Kraft getreten. Das ist die Rechtslage.
Auf dieser Basis ist die Änderung entstanden. Das
Schreiben des BMF erging im September 2000. Dement-
sprechend hat es nicht jahrelang eine andere Besteu-
erungspraxis gegeben. In dem Zeitraum vor 1999 gab es
eine andere Besteuerungspraxis; für diesen Zeitraum wer-
den vermutlich auch keine Rückforderungen erhoben.
Aufgrund der neuen Rechtslage durch das Berufsvor-
mündervergütungsgesetz sind ab Januar 1999 Steuer-
forderungen für die Jahre 1999 und 2000 möglich und
nötig geworden.

Auch das von Ihnen angesprochene Gutachten von
Professor Schön ist unter europarechtlichen Gesichts-
punkten durch die obersten Finanzbehörden des Bundes
und der Länder geprüft worden. Bei einer Prüfung auf
eine Bitte der Landesjustizministerkonferenz hin ist die
Finanzministerkonferenz einstimmig zu demselben Er-
gebnis gekommen, dass es dabei nicht um Billigkeits-
maßnahmen gehen kann.

Im Übrigen hat das BMF-Schreiben, das zur Klarheit
herausgegeben werden musste, weil es zuvor in einzelnen
Oberfinanzdirektionen der Bundesrepublik zu einer
unterschiedlichen Rechtsanwendung gekommen war,
eigentlich nur deklaratorischen Charakter; es hat lediglich
den Gesetzestext wiederholt. Offenbar ist die Gesetzesän-
derung in einigen Oberfinanzdirektionen der Bundesre-
publik Deutschland tatsächlich nicht zur Kenntnis
genommen worden. Das BMF-Schreiben – in solchen
Zweifelsfragen muss ein entsprechendes Schreiben im-
mer ergehen – hat aber wirklich nichts anderes getan, als
den Gesetzestext zu wiederholen.

Nach allen Prüfungen – auch auf Bitte der Bundesjus-
tizministerin hin; Sie haben Recht: Wir haben das Ganze
mehrfach geprüft – sind die obersten Behörden des Bun-
des und der Länder zu dem Schluss gekommen, warum
Steuerpflicht besteht. Im Berufsvormündervergütungsge-






(C)



(D)



(A)



(B)


setz ist aber geregelt, dass ein zusätzlicher Ersatz in Höhe
der Umsatzsteuer erfolgt. Für die Zukunft, ab sofort sozu-
sagen, gibt es also keinerlei Probleme.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist klar! Wir reden über die Vergangenheit!)


Der zusätzliche Ersatz erfolgt. Es geht also um Forderun-
gen für die vergangenen Jahre. Bei der Beantwortung Ih-
rer zweiten Frage, in der es um Billigkeitsmaßnahmen
geht, werden wir darauf vielleicht noch zurückkommen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422017400
Zweite Zusatzfrage,
bitte sehr.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1422017500
Es lohnt sich, hier
anwesend zu sein; denn Sie haben gerade offensichtlich
eine andere Rechtsauffassung als die bislang geltende
Auffassung des Hauses mitgeteilt. Sie haben ausgeführt,
dass sich die Änderung der steuerlichen Grundlagen
durch das kompliziert auszusprechende Gesetz, das Be-
rufsvormündervergütungsgesetz, ergeben hat, das am
1. Januar 1999 in Kraft getreten ist. Wenn das so ist, dann
folgt daraus zwingend, dass jedenfalls für davor liegende
Zeiträume die Vereine nicht zur Zahlung der Umsatz-
steuer herangezogen werden können; das ist die Auffas-
sung, die Sie gerade vertreten haben. Sie werden aber bis
zum Jahr 1994 zur Zahlung der Umsatzsteuer herangezo-
gen, sodass ich jetzt die erfreuliche Mitteilung mitnehme,
dass für die Zeit vor dem 1. Januar 1999 die Umsatz-
steuerpflicht nach Auffassung des Bundesfinanzministe-
riums nicht besteht.


(Dirk Niebel [FDP]: Das war eine teure Antwort!)


D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1422017600
Nein, Herr Kollege
Röttgen, das können Sie daraus nicht schließen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Schade, Herr Röttgen, dass Sie damit Ihre Zusatzfrage verbraucht haben!)


Der Hintergrund ist folgender: Die Umsatzsteuerbe-
freiung hat immer dann gegolten, wenn Betreuungsver-
eine eine Leistung günstiger als berufsmäßige Betreuer
erbracht haben, Herr Kollege Röttgen. Voraussetzung für
die Umsatzsteuerbefreiung in der Vergangenheit war also,
dass ein Betreuungsverein eine Leistung günstiger als ein
berufsmäßiger Betreuer erbracht hat.

Nun mag es auch schon vor dem In-Kraft-Treten des
Berufsvormündervergütungsgesetzes Betreuungsvereine
gegeben haben, die Leistungen für dasselbe Entgelt wie
berufsmäßige Betreuer erbracht haben. In diesem Fall war
schon damals deren Umsatzsteuerbefreiung nicht korrekt.

Mit dem In-Kraft-Treten des Berufsvormündervergü-
tungsgesetzes ist völlig eindeutig, dass es eine Umsatz-
steuerbefreiung nicht mehr geben kann. Im Berufsvor-
mündervergütungsgesetz steht, dass die Leistungen der
Betreuungsvereine in derselben Höhe wie die der berufs-
mäßigen Betreuer vergütet werden, sodass schon von da-

her der Grund entfallen ist. Für die Zeit davor ist das
natürlich von der jeweiligen Höhe der Vergütung ab-
hängig.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422017700
Nun hat der Kollege
Peter Weiß eine Zusatzfrage.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1422017800
Frau
Staatssekretärin, war es denn zwingend notwendig, die
Umsatzsteuerzahlung rückwirkend bis zum Jahr 1994 zu
fordern, wenn es in Deutschland offenbar nach wie vor
eine unterschiedliche Handhabung für die einzelnen Be-
treuungsvereine gibt, einige Finanzämter die Forderung
bis zum Jahr 1994 rückwirkend erhoben haben, einige
Finanzämter diese Forderung nicht bis zum Jahr 1994
rückwirkend erhoben haben?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1422017900
Herr Kollege Weiß, ich
vermag nicht zu beurteilen, ob es weiterhin zu einer un-
terschiedlichen Behandlung der Betreuungsvereine in der
Bundesrepublik Deutschland kommt. Sie sehen hieran,
dass die Umsetzung der Steuergesetze den Ländern ob-
liegt – das gilt auch für die anderen steuerlichen Ge-
biete –; infolgedessen liegt dies nicht in der Verantwor-
tung des Bundes. Die Festsetzung für zurückliegende
Zeiträume liegt allein in der Verantwortung der Län-
derfinanzbehörden.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1422018000
Ich rufe die Frage 4
des Kollegen Dr. Röttgen auf, auch wenn sie eigentlich
schon beantwortet ist:

Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die durch
die rückwirkende Steuerveranlagung bedingten finanziellen Be-
lastungen die Betreuungsvereine teilweise in ihrer Existenz
gefährden, und hält sie dies vor dem Hintergrund der durch die
rückwirkende Veranlagung erzielten Steuermehreinnahmen für
vertretbar?

( V o r s i t z : Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1422018100
Herr Kollege Röttgen, es
liegt der Bundesregierung fern, Betreuungsvereine durch
die Umsatzbesteuerung in den Bankrott treiben zu wollen.
Für eine allgemeine Billigkeitsmaßnahme ist jedoch kein
Raum. Allerdings kann im Einzelfall eine Billigkeitsmaß-
nahme aus persönlichen Gründen – bezogen auf den Ver-
ein, also auf das Steuersubjekt – in Betracht kommen. Die
Entscheidung über derartige Billigkeitsmaßnahmen ob-
liegt den Ländern, solange bestimmte Betragsgrenzen
nicht überschritten sind. Das dürfte hier nicht zu erwarten
sein. Eine Unbilligkeit liegt allerdings nicht vor, soweit
eine Vergütung bei den zuständigen Gerichten noch bean-
tragt wird bzw. noch beantragt werden kann.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422018200
Zusatz-
frage.




Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks

21831


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1422018300
Ich möchte beto-
nen, dass es mir bzw. uns nur um die Fälle geht, bei denen
die Kosten, die den Vereinen durch die jetzt angenom-
mene Steuerpflichtigkeit auferlegt werden, nicht mehr an
die Justizkassen weitergeleitet werden können. Die Pro-
blematik besteht darin, dass es für die Betreuungsvereine
abgeschlossene Sachverhalte sind, die auf der Grundlage
der Steuerpraxis des jeweiligen Finanzamtes erfolgt sind.
Sie bleiben nun auf den Kosten sitzen. Genau das ist der
Fall.

Nun sagen Sie, Ihrer Auffassung nach gebe es keinen
Grund für eine allgemeine Billigkeitsregelung, für eine
allgemeine Vertrauensschutzregelung. Die Justizminister-
konferenz hat das Bundesfinanzministerium bzw. den
Bundesfinanzminister im Dezember des letzten Jahres an-
geschrieben und angeregt, für den Fall, dass die Bundes-
regierung bzw. das Bundesfinanzministerium bei dieser
Rechtsauffassung bleibt, eine Gesetzesänderung zuguns-
ten der betroffenen Vereine vorzunehmen, und zwar min-
destens im Sinne einer Altfallregelung. Auch die Frau
Bundesjustizministerin hat eine solche Anregung ge-
macht. Welche Gründe gibt es eigentlich dafür, dass die
Bundesregierung sich dieser Anregung der Justizminis-
terkonferenz und auch der Bundesjustizministerin wider-
setzt?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1422018400
Herr Kollege Röttgen, die
Bundesregierung ist der Auffassung, dass persönliche Bil-
ligkeitsmaßnahmen, die durch die einzelnen Vereine be-
antragt werden können, durchaus geeignet sind, die Frage
zugunsten der Vereine zu regeln. Das ist natürlich von der
wirtschaftlichen Situation der Vereine abhängig. Sie wer-
den aber im Regelfall – schon deshalb, weil ihre Aufga-
benstellung so ist, wie sie ist – nicht über Vermögenswerte
verfügen, sodass Anträge auf Billigkeitsmaßnahmen, die
jeweils beim Finanzamt zu beantragen sind, sicherlich mit
Aussicht auf Erfolg gestellt werden können, allerdings
– das betone ich nochmals – in Verantwortung der Lan-
desfinanzbehörden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422018500
Zweite
Zusatzfrage, Kollege Röttgen.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1422018600
Ist Ihnen auch nur
ein Fall bekannt, in dem es zu einer solchen individuellen
Billigkeitsregelung gekommen ist? Mir nicht. Ich frage
das, weil Sie gesagt haben, damit könne das Problem
gelöst werden. Es gab, glaube ich, nicht einen einzigen
Fall.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1422018700
Ich darf Ihnen eigentlich
nicht mit einer Gegenfrage antworten, möchte es aber
dennoch tun: Ist Ihnen ein Fall bekannt, in dem eine sol-
che Billigkeitslösung überhaupt schon beantragt worden
wäre?


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1422018800
Mir sind die Fälle
bekannt, in denen die Auseinandersetzung darüber, ob
Ihre Rechtsauffassung zutreffend ist, vor den Gerichten
weitergeführt wird. Ich gehe davon aus, dass man vorher
im Gespräch mit den Finanzämtern versucht hat, zu einer
Lösung zu kommen. Wir sind durch Ihre Rechtsauffas-
sung jetzt leider veranlasst, das durch die Gerichte klären
zu lassen. Das scheint mir im Jahre 2002, ein Jahr nach
dem Jahr des Ehrenamtes, ein fatales Signal zu sein, das
hierdurch an ehrenamtliche Betreuungsvereine gesandt
wird.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1422018900
Herr Kollege, ich kann Ihr
Unbehagen verstehen, möchte aber nochmals darauf hin-
weisen, dass dies die wirklich einvernehmliche Ausle-
gung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der
Länder ist. Das heißt, Auslegungsfragen, die das Steuer-
recht betreffen, können wir nach der allgemeinen Staats-
praxis nicht alleine klären; vielmehr entsteht die Ausle-
gung dadurch, dass sich die obersten Finanzbehörden des
Bundes und der Länder jeweils mit den zuständigen Fach-
leuten zusammensetzen und dann eben 16 Ländervertre-
ter und ein Bundesvertreter eine Auslegung vornehmen.
Sie ist in diesem Fall einvernehmlich getroffen worden.
Die Bundesregierung könnte eine abweichende Rechts-
auffassung gegen die Länder wohl nicht durchsetzen. Es
dürften mindestens acht Länder nicht widersprechen, da-
mit die Bundesregierung eine andere Auffassung durch-
setzen könnte.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422019000
Eine wei-
tere Frage, Kollege Weiß.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1422019100
Frau
Staatssekretärin, können Sie mir darin zustimmen, dass
die betroffenen Betreuungsvereine es als ein bisschen bil-
lig ansehen, dass sie auf Billigkeitsmaßnahmen verwiesen
werden? Immerhin hat der Bund mit dem Betreuungsge-
setz gewollt, dass diese ehrenamtlichen Vereine tätig wer-
den. Sie werden benötigt, um das Gesetz umzusetzen.
Wäre der Bund daher nicht in der Verpflichtung, eine ge-
nerelle Lösung für die Betreuungsvereine zu finden, die
sich Forderungen der Finanzämter gegenübersehen, die
sie ihrerseits nicht mehr geltend machen können?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1422019200
Herr Kollege, Hintergrund
der Steuerbefreiung war ja – das habe ich Ihnen gesagt –,
dass die Vereine sehr häufig die Leistungen kostengünsti-
ger als die Berufsbetreuer erbracht haben. Dies ist der ein-
zige Grund dafür gewesen, dass eine Umsatzsteuerbefrei-
ung nach EU-Recht überhaupt möglich war. Wenn jetzt
Steuernachforderungen erfolgen, dann kann das nur daran
liegen, dass die Vereine ihre Leistungen eben nicht kos-
tengünstiger als die Berufsbetreuer angeboten haben.
Deswegen wäre ein allgemeiner Erlass auch nicht euro-
parechtskonform; da haben Sie dann Probleme bezüglich
der Wettbewerbsgleichheit. Umsatzsteuererlasse werden
regelmäßig nur dann gewährt, wenn sie den Wettbewerb






(C)



(D)



(A)



(B)


nicht tangieren. Die Vereine haben offenbar gleich teure
Leistungen wie die Berufsbetreuer erbracht; somit durften
sie nicht weiter auf die Umsatzsteuerbefreiung vertrauen.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie können das doch nicht mehr nachfordern!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422019300
Nein, ent-
schuldigen Sie, Herr Kollege Weiß. Nur eine Frage, kein
Dialog.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1422019400
Deswegen bitte ich, auch
wenn das Wort traditionell „Billigkeitsmaßnahme“ heißt
– so entstehen eben Worte –, zu beachten, dass dieses
Wort nichts mit dem Wort „billig“ im üblichen Sinn zu tun
hat. Vielmehr kann die Finanzverwaltung nach dem, was
recht und billig ist, entscheiden, ob ein solcher Erlass
möglich ist. „Billig“ ist hier aber nicht im Sinne von „un-
wert“ zu verstehen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422019500
Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin Hendricks.

Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Technologie.

Die Fragen des Kollegen Rose, also die Fragen 5 und
6, sollen schriftlich beantwortet werden.

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Aus-
wärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht der Staatsminis-
ter Dr. Ludger Volmer zur Verfügung.

Wir beginnen mit der Frage 7 des Abgeordneten Peter
Weiß:

Wie beurteilt die Bundesregierung Berichte Russlands und der
USA, dass al-Qaida-Kämpfer sich im zu Georgien gehörenden
Pankisi-Tal aufhalten?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422019600
Herr Kollege Weiß, der Bundesregierung liegen
keine Erkenntnisse über den Aufenthalt von al-Qaida-
Kämpfern im georgischen Pankisi-Tal vor.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422019700
Zusatz-
frage, Kollege Weiß.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1422019800
Herr
Staatsminister, solche Presseberichte entstehen ja nicht
ohne Anlass. Da in der „Frankfurter Allgemeinen Zei-
tung“ vor allen Dingen auf Berichte Russlands und der
USAverwiesen wird, möchte ich fragen: Gehört vielleicht
diese Meldung in die Kategorie der Meldungen, die sei-
tens Russlands zu regionalen Konflikten in die Welt ge-
setzt werden, um, zum Beispiel in Georgien, den Einfluss
Russlands zu begründen und die Tschetschenien-Frage in
einem etwas anderen Licht erscheinen zu lassen?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422019900
Wir können nicht darüber spekulieren, auf welche

Quellen sich die Zeitungen bei ihren Berichten stützen.
Wir wissen, dass die Lage in der Kaukasus-Region kom-
pliziert ist. Deshalb wollen wir uns selber nicht an Spe-
kulationen beteiligen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422020000
Damit
kommen wir zur Frage 8 des Kollegen Weiß:

Gibt es erste Sondierungen oder Anfragen der georgischen Re-
gierung bei der NATO, sich eventuell an einer Militäraktion gegen
die al-Qaida-Kämpfer und andere Terrorgruppen in Georgien zu
beteiligen?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422020100
Herr Kollege Weiß, es gibt diesbezüglich keine Son-
dierungen oder Anfragen der georgischen Regierung bei
der NATO.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422020200
Zusatz-
frage.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1422020300
Herr
Staatsminister, wie stellen Sie sich denn zu dem Bericht
in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 20. Fe-
bruar dieses Jahres, gemäß dem der georgische Präsident
Schewardnadse geäußert habe, dass er eine Militäraktion
zusammen mit den Amerikanern und den verbündeten
NATO-Staaten in dieser Region, nämlich dem Pankisi-
Tal, grundsätzlich nicht ausschließe?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422020400
Wenn Herr Schewardnadse das nicht ausschließt,
heißt das nicht, dass es eine konkrete Anfrage an die
NATO gibt. Diese gibt es nicht. Bekannt ist – das kann ich
bestätigen –, dass es Gespräche zwischen Georgien und
den Amerikanern über amerikanische Hilfen im Sinne
von Militärberatung gibt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422020500
Weitere
Zusatzfrage, bitte.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1422020600
Herr
Staatsminister, da die Bundesregierung, sowohl das Aus-
wärtige Amt als auch das Bundesministerium für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, mehrmals
in den vergangenen Monaten ihre Kaukasus-Initiativen
vorgestellt hat, möchte ich Sie fragen: Werden diese Ini-
tiativen beinhalten, dass sich die Bundesrepublik
Deutschland auch bei der Lösung der regionalen Kon-
flikte in Georgien verstärkt engagieren und einbringen
wird?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422020700
Es ist erklärte Politik nicht nur der Bundesregierung,
sondern der gesamten Europäischen Union, bei der Lö-
sung der verschiedenen Konflikte im Kaukasus behilflich
zu sein. Man muss aber zwischen den Kaukasus-Konflik-
ten, wie wir sie kennen, und der neuen Qualität, die sie er-
halten könnten, falls sich al-Qaida-Kämpfer in bestimmte




Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks

21833


(C)



(D)



(A)



(B)


Regionen des Kaukasus absetzen sollten, klar unterschei-
den.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Dann war mir die Antwort auf die erste Frage trotzdem unerklärlich!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422020800
Damit
kommen wir zur Frage 9 des Kollegen Georg Janovsky:

Inwieweit kann die Bundesregierung Presseberichte – Quelle:
„Der Spiegel“, 8/2002, Seite 60 f. – bestätigen, wonach sich die
deutsche Minderheit in der Tschechischen Republik auch heute
noch Schikanen und Benachteiligungen ausgesetzt sieht, und in-
wieweit hat der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer,
dies im Rahmen seiner jüngsten Reise nach Prag thematisiert?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422020900
Herr Kollege Janovsky, in ihrem letzten Fort-
schrittsbericht vom 13. November 2001 hat die EU-Kom-
mission der Tschechischen Republik bescheinigt, Men-
schenrechte und Freiheiten zu achten. Mit In-Kraft-Treten
des tschechischen Minderheitengesetzes im August 2001
ist ein erster Schritt zur Umsetzung des Anti-Diskriminie-
rungs-Acquis erfolgt. Der Rat für Nationale Minderhei-
ten, in dem es auch zwei Vertreter der deutschen Minder-
heit gibt, soll die Beteiligung der Minderheiten am
politischen Entscheidungsprozess sicherstellen. Mitte
Dezember 2000 hat auch ein Ombudsmann für Bürger-
rechte seine Arbeit aufgenommen. Insgesamt ist die Si-
tuation der Minderheiten, abgesehen von den Roma, laut
Fortschrittsbericht der Kommission zufriedenstellend.

Bei der deutschen Minderheit in der Tschechischen Re-
publik handelt es sich um tschechische Staatsangehörige,
die der Gesetzgebung der Tschechischen Republik unter-
liegen. Die deutsche Minderheit in Tschechien wendet
sich daher mit ihren politischen Forderungen auf der
Grundlage der EU-Acquis-konformen tschechischen Ge-
setzgebung an die tschechische Regierung. Dabei geht es
vor allem um Entschädigungen für konfisziertes Eigen-
tum, Anrechnung von in Internierungslagern verbrachter
Zeit auf die Rentenversicherung und einzelne Regelungen
des Minderheitengesetzes.

Die Bundesregierung ist über die Anliegen der deut-
schen Minderheit in der Tschechischen Republik infor-
miert. Sie ist der Überzeugung, dass ein baldiger EU-Bei-
tritt der Tschechischen Republik das beste Mittel ist, um
den Minderheitenschutz noch tiefer zu verankern. Die
jüngste Reise des Bundesministers des Auswärtigen hatte
zum Ziel, diesen baldigen Beitritt zu unterstützen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422021000
Zusatz-
frage, Herr Janovsky?


Georg Janovsky (CDU):
Rede ID: ID1422021100
Herr Staatsminister,
hat die Bundesregierung, Bezug nehmend auf den
deutsch-tschechischen Nachbarschaftsvertrag, in dieser
Frage Aktivitäten entwickelt?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422021200
Die Bundesregierung spricht diese Fragen bei ihren

Treffen mit dem jeweiligen tschechischen Gegenüber re-
gelmäßig an. Allerdings weisen die Vertreter der deut-
schen Minderheit in Tschechien darauf hin, dass sie als
tschechische Staatsbürger ihre Anliegen der tschechi-
schen Regierung gegenüber selber darstellen wollen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422021300
Damit
kommen wir zur Frage 10 des Kollegen Georg Janovsky:

Was gedenkt die Bundesregierung zur Wahrung oder Verbes-
serung der Rechte der deutschen Minderheit in der Tschechischen
Republik zu unternehmen und inwieweit hält sie vor dem Hinter-
grund von Presseberichten – „Der Spiegel“, 8/2002, Seite 60 f. –
an ihrer bisherigen Auffassung fest, die Benes-Dekrete seien in ih-
rer Wirkung erloschen?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422021400
Herr Kollege, die die deutsche Minderheit in der
Tschechischen Republik bewegenden Anliegen richten
sich an das dortige Parlament bzw. die dortige Regierung.
Die Bundesregierung nimmt im Übrigen die von Vertre-
tern der deutschen Minderheit in der Tschechischen Re-
publik wiederholt geäußerte Auffassung zur Kenntnis,
dass es sich bei Problemen der deutschen Minderheit in
der Tschechischen Republik um eine Angelegenheit zwi-
schen der deutschen Minderheit und dem tschechischen
Staat handele.

Im Übrigen hat die Bundesregierung, wie alle ihre Vor-
gängerinnen, die Vertreibung der Deutschen und die ent-
schädigungslose Enteignung deutschen Vermögens durch
die so genannten Benes-Dekrete immer als völkerrechtli-
ches Unrecht betrachtet. Die tschechische Regierung ver-
tritt hierzu eine andere Rechtsauffassung. In der Deutsch-
Tschechischen Erklärung von 1997, die in all ihren
Elementen die Grundlage für die deutsch-tschechischen
Beziehungen darstellt, sind beide Seiten übereingekom-
men, ihre Beziehungen zukunftsgerichtet fortzuent-
wickeln und nicht mit aus der Vergangenheit herrühren-
den politischen und rechtlichen Fragen zu belasten. Im
Zusammenhang damit erklärte die tschechische Seite im
März 1999, dass die Benes-Dekrete heute keine Wirkung
mehr entfalten würden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422021500
Zusatz-
frage, Herr Kollege Janovsky?


Georg Janovsky (CDU):
Rede ID: ID1422021600
Wenn ich den Zei-
tungsartikel richtig sehe, dann haben diese Dekrete doch
eine Wirkung.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422021700
Ist
Ihrer Antwort zu entnehmen, dass sich die deutsche Min-
derheit nie an die deutsche Bundesregierung gewandt hat?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422021800
Die deutsche Minderheit in Tschechien ist der Auf-
fassung, dass die Fragen, die sie zu klären hat, keine bila-
teralen Probleme zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Tschechischen Republik darstellen, sondern
dass dies innenpolitische Angelegenheiten der Tschechi-
schen Republik sind, die die deutsche Minderheit mit der
Regierung bzw. dem Parlament selber klären möchte.




Staatsminister Dr. Ludger Volmer
21834


(C)



(D)



(A)



(B)


Allerdings gilt: Die Bundesregierung ist über die An-
liegen der Minderheit informiert und spricht sie ihrerseits
im Rahmen der laufenden Konsultationen mit der tsche-
chischen Seite immer wieder einmal an.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422021900
Damit
kommen wir zur Frage 11 des Kollegen Hartmut
Koschyk:

Aufgrund welcher gegenüber dem Bundesminister des Aus-
wärtigen, Joseph Fischer, bei dessen Besuch in Prag abgegebenen
Erklärungen des tschechischen Ministerpräsidenten, Milos
Zeman, hält der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer,
die Irritationen im deutsch-tschechischen Verhältnis für aus-

(vergleiche „Süddeutsche Zeitung“ vom 21. Februar 2002)

sidenten, Milos Zeman, in der österreichischen Zeitschrift „Pro-
fil“, in der israelischen Zeitung „Haaretz“ sowie im tschechischen
Programm der BBC entstanden sind?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422022000
Der tschechische Ministerpräsident Zeman hat sich,
abgesehen von den bereits vorher in der „Frankfurter All-
gemeinen Sonntagszeitung“ vom 10. Februar 2002 – „Es
gibt keine kollektive Schuld, weder für Tschechen noch
für Deutsche“ – und im „Fokus“ vom 11. Februar 2002 –
„Außerdem habe ich nie ein Wort über Kollektivschuld
der Sudetendeutschen verloren“ bzw. „Ich verurteile die
Exzesse während der Vertreibung sehr“ – gegebenen In-
terviews, auch im Gespräch mit Bundesaußenminister
Fischer am 20. Februar 2002 in Prag von Kollektiv-
schuldthesen ausdrücklich distanziert.

Zeman bekräftigte bei dem Treffen, er habe sich nie für
die Vertreibung der Sudetendeutschen und der Palästinen-
ser ausgesprochen. Darüber hinaus bestätigte Minister-
präsident Zeman, dass die tschechische Regierung die
Deutsch-Tschechische Erklärung von 1997 weiterhin als
entscheidende Grundlage der zukunftsgerichteten Weiter-
entwicklung der deutsch-tschechischen Beziehung sieht.
Darin bedauert die tschechische Seite, dass durch die nach
Kriegsende erfolgte Vertreibung unschuldigen Menschen
viel Leid und Unrecht zugefügt wurde – auch aufgrund
des kollektiven Charakters der Schuldzuweisung.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422022100
Zusatz-
frage, Herr Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1422022200
Herr Staatssekretär,
die israelische Zeitung „Haaretz“ bleibt bei der Auffas-
sung – davon gibt es auch Tondokumente –, dass der
tschechische Ministerpräsident die auch international auf
große Kritik und Ablehnung gestoßenen Äußerungen ge-
macht habe. Das hat schon zu einer Ausladung vonseiten
Ägyptens geführt.

Zweitens gibt es neben diesen skandalösen Äußerun-
gen in der Zeitung „Haaretz“ noch ein Interview in dem
tschechischsprachigen Teil von BBC, das auch in der
tschechischen Republik öffentlich bekannt geworden ist.
Zu dieser Angelegenheit gibt es ein parlamentarisches
Nachspiel. Kann aufgrund der Tatsache, dass die Frage,
ob diese Äußerungen wirklich so gemacht worden sind,
nach wie vor ungeklärt ist, die Bundesregierung mit den

Aussagen des tschechischen Ministerpräsidenten wirklich
zufrieden sein?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422022300
Die Bundesregierung hat ebenso wie die Europä-
ische Union die damals zitierten Äußerungen von Herrn
Zeman sehr eindeutig kommentiert. Der Bundesaußenmi-
nister hat bei seinem jüngsten Besuch in Prag diesen
Punkt noch einmal deutlich angesprochen, weil dadurch
nämlich der Gesamtkomplex berührt wird, ob die Tsche-
chische Republik als EU-Beitrittskandidat den europä-
ischen Acquis auch in Sachen Außenpolitik mitträgt.

Der Bundesaußenminister kam zu der Überzeugung,
dass nach den Erklärungen von Herrn Zeman diese Pro-
bleme ausgeräumt seien. Die tschechische Seite steht ein-
deutig zum europäischen Acquis in Sachen Außenpolitik.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422022400
Weitere
Zusatzfrage.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1422022500
Wenn nach Auffas-
sung der Bundesregierung diese Irritationen, die durch die
Äußerungen entstanden sind, ausgeräumt sind, bedeutet
dies dann, dass die geplante Reise des Bundeskanzlers
nach Prag stattfinden wird?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422022600
Der Bundeskanzler wird zu gegebener Zeit über den
Termin und den Inhalt einer solchen Reise entscheiden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422022700
Wir kom-
men zur Frage 12 des Kollegen Hartmut Koschyk:

Wie bewertet die Bundesregierung die Auffassung des tsche-
chischen Außenministers Jan Kavan: „Wir können die Dekrete
[gemeint sind die Benes-Dekrete] für uns nicht als Unrecht emp-
finden“ (Quelle: „Sächsische Zeitung“ vom 18. Februar 2002),
und hat der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer,
diese Auffassung der Bundesregierung der tschechischen Regie-
rung beim Besuch in Prag dargelegt?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422022800
Die Bundesregierung hat – wie alle ihre Vorgänge-
rinnen – die Vertreibung von Deutschen und die Einzie-
hung deutscher Vermögen aufgrund der Benes-Dekrete
immer für völkerrechtliches Unrecht gehalten. Bundes-
außenminister Fischer hat die deutsche Position in seinen
Gesprächen und vor der Presse klar zum Ausdruck ge-
bracht. Der tschechischen Regierung, die dazu eine an-
dere Rechtsauffassung vertritt, ist die deutsche Haltung
bekannt. Die Deutsch-Tschechische Erklärung von 1997
hält die unterschiedlichen Rechtsauffassungen schriftlich
fest. Dort heißt es, dass „jede Seite ihrer Rechtsordnung
verpflichtet bleibt und respektiert, dass die andere Seite
eine andere Rechtsauffassung hat“.

Gleichzeitig sind in der Erklärung von 1997 beide Sei-
ten übereingekommen, ihre Beziehungen zukunftsgerich-
tet fortzuentwickeln und nicht mit aus der Vergangenheit
herrührenden rechtlichen und politischen Fragen zu be-
lasten. In diesem Zusammenhang bezeichnet auch der




Staatsminister Dr. Ludger Volmer

21835


(C)



(D)



(A)



(B)


tschechische Außenminister in seinem Interview in der
„Sächsischen Zeitung“ vom 18. Februar 2002 die Benes-
Dekrete als „erloschen“.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422022900
Ihre Zu-
satzfrage bitte.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1422023000
Herr Staatsminister,
wie bewertet die Bundesregierung dann vor diesem Hin-
tergrund die Forderung des tschechischen Parlamentsprä-
sidenten Vaclav Klaus, die fortdauernde Gültigkeit der
Benes-Dekrete durch eine Sonderklausel im tschechi-
schen EU-Beitrittsvertrag zu verankern?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422023100
Der Bundesaußenminister hat bei seinem jüngsten
Besuch in Prag mit aller Entschiedenheit öffentlich deut-
lich gemacht, dass er der Meinung ist, dass bilaterale Fra-
gen, die das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland
und der Tschechischen Republik berühren, bilaterale Fra-
gen bleiben sollen und nicht europäische Fragen werden
dürfen. Beitrittsverhandlungen sollen weder durch das
eine noch durch das andere strittige Einzelthema belastet
werden. Die Bundesregierung hat großes Interesse daran,
dass der Beitrittsprozess zügig vorangeht. Wir hoffen da-
rauf, dass manche Dinge, die heute streitig sind, auf der
Basis einer vollzogenen EU-Mitgliedschaft vielleicht
leichter zu lösen sein werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422023200
Bitte,
Herr Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1422023300
Herr Staatsminister,
wie kann die Bundesregierung eigentlich zu der Auffas-
sung gelangen, dass es sich hier um eine deutsch-tsche-
chische, also bilaterale Frage handelt, nachdem das Euro-
päische Parlament im Zusammenhang mit Berichten über
den Fortschritt des tschechischen EU-Beitritts zweimal in
einer Entschließung die Obsoleterklärung dieser Dekrete
gefordert hat und nachdem dies auch eine Forderung des
ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban gewesen
ist, der formuliert hat, dass sowohl die Tschechische Re-
publik als auch die Slowakische Republik diese Dekrete
annullieren sollten, da diese dem Geist sowie dem kon-
kreten Regelwerk der EU widersprächen?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422023400
Wenn sich die Europäische Union mit Einzelfragen,
die zwischen zwei Ländern von Belang sind, befasst, dann
ist das nicht nur ihr Recht, sondern auch gut. Aber daraus
darf dann kein Junktim in Bezug auf Beitrittsverhandlun-
gen gemacht werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422023500
Vielen
Dank, Herr Staatsminister.

Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beant-

wortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd
Andres zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 13 des Kollegen Dirk Niebel auf:
Was hat der Richter im Vergabesenat des Oberlandesgerichts

Düsseldorf nach Kenntnis der Bundesregierung zur Rechtmäßig-
keit des Vertrages mit der Firma efp zur Abwicklung der EU-För-
dermittel EQUAL gesagt, und wie wird die Bundesregierung da-
rauf reagieren?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422023600
Herr Niebel, wenn Sie
einverstanden wären, würde ich gerne die Fragen 13 und
14 gemeinsam beantworten.


(Dirk Niebel [FDP]: Einverstanden!)

Herr Präsident, sind auch Sie einverstanden?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422023700
Ja, natür-
lich. Dann rufe ich auch die Frage 14 des Abgeordneten
Dirk Niebel auf:

Welche Verwendung hat die Bundesregierung inzwischen für
den für das Vergabeverfahren zuständigen Referatsleiter gefunden
und wie wirkt sie sich auf das Disziplinarverfahren aus?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422023800
Ich beantworte Ihre Fra-
gen wie folgt: Nach vorläufiger Einschätzung des Verga-
besenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf, die der
Vorsitzende der mündlichen Verhandlung vom 20. Fe-
bruar 2002 geäußert hat, sind die Verträge vom 15. Juni
2001 und vom 22. August 2002 betreffend die Umsetzung
der Technischen Hilfe für die Gemeinschaftsinitiative
EQUAL nichtig.

Das Bundesarbeitsministerium hatte die Verträge be-
reits Ende letzten Jahres im Rahmen der vertraglich ver-
einbarten Kündigungsfristen mit Wirkung zum 30. Juni
2002 vorsorglich gekündigt. Unmittelbar nach der Kündi-
gung übernahm das BMA die Durchführung hoheitlicher
Aufgaben. So hat das Referat insbesondere circa 100 Zu-
wendungsbescheide in eigener Verantwortung erlassen.
Auf Anraten der mit seiner Vertretung beauftragten
Rechtsanwaltskanzlei hat das BMA im Anschluss an die
mündliche Verhandlung die Firma efp mit sofortiger Wir-
kung von der Wahrnehmung weiterer Aufgaben im
Zusammenhang mit dem Programm EQUAL entbunden.

Die Technische Hilfe für die Gemeinschaftsinitiative
EQUAL wird nunmehr insgesamt vom BMA selbst
durchgeführt. Der zuständige Referatsleiter ist – mit sei-
nem Einverständnis – mit einem Sonderauftrag beauftragt
worden. Auf das Disziplinarverfahren hat dies keine Aus-
wirkungen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422023900
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Niebel.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1422024000
Herr Staatssekretär, Sie haben
eben festgestellt, dass der Vergabesenat davon ausgeht,
dass die Verträge nichtig sind oder nichtig sein werden. Im
„Stern“ Nr. 5/2002 wurde in einem Artikel mit der Über-




Staatsminister Dr. Ludger Volmer
21836


(C)



(D)



(A)



(B)


schrift „Riester-Affäre – Jetzt wird‘s teuer“ nicht nur da-
rauf hingewiesen, dass der Arbeitsminister persönlich den
Zuschlag an die Firma efp gegeben hat, sondern dass auch
in einer Protokollniederschrift einer Sitzung vom 6. Juni
2001 steht, dass der mittlerweile in den einstweiligen Ru-
hestand versetzte Staatssekretär Werner Tegtmeier ge-
warnt haben soll und auf die politischen und juristischen
Risiken hingewiesen hat. Können Sie mir sagen, weshalb
diese Warnung bei der Entscheidung des Ministers nicht
berücksichtigt worden ist?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422024100
Herr Abgeordneter
Niebel, wie Sie aus mehreren Beratungssitzungen sowohl
des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung als auch
des Haushaltsausschusses wissen, war Entscheidungs-
grundlage für die Leitung und für den Minister eine Vor-
lage, die uns das zuständige Referat und die zuständige
Abteilung zugeleitet haben. In dieser Vorlage wurde emp-
fohlen, dass man öffentlich-rechtlich beleihen und die
Firma efp beauftragen solle. Das haben wir getan. Zu al-
len weiteren Fragen gibt es umfangreiche Berichte und
Vorlagen. Ich weiß im Moment nicht, was in dem Artikel
des „Stern“ steht, den Sie zitiert haben. Ich will ihn daher
auch nicht kommentieren.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422024200
Eine
Nachfrage, Herr Abgeordneter Niebel.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1422024300
Herr Staatssekretär, Sie haben
eben auf Frage 14 geantwortet, dass der zuständige Refe-
ratsleiter mit einer Sonderaufgabe betraut worden ist. Er
war es ja, der die Vorlage für den Herrn Minister erarbei-
tet hat. Können Sie diese Sonderaufgabe genauer definie-
ren?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422024400
Herr Abgeordneter
Niebel, das Problem besteht darin, dass Herr Brüss, der
zuständige Referatsleiter, innerhalb des Hauses umgesetzt
worden ist und mit anderen Aufgaben betraut wurde. Das
ist im Hinblick auf die Vorschriften des Beamtenrechts
eine vernünftige Vorgehensweise. Sie wissen, dass ge-
genwärtig ein Disziplinarverfahren läuft. Sie wissen
ebenfalls, dass es sowohl in Bezug auf den Unterabtei-
lungsleiter als auch den Abteilungsleiter, die dafür zu-
ständig waren, eine Veränderung gegeben hat: Der eine ist
in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden; der an-
dere ist mit einer anderen Aufgabe betraut worden. Über
die Sonderaufgabe des Herrn Brüss kann ich Ihnen ge-
genwärtig nichts sagen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422024500
Eine wei-
tere Zusatzfrage? – Bitte.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1422024600
Herr Staatssekretär, sind Ihnen an-
dere Fälle bekannt – vielleicht auch aus der Zeit, als wir
noch regiert haben –, dass Verträge des Bundesarbeitsmi-

nisteriums von Gerichten als nichtig bezeichnet und auf-
gehoben wurden?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422024700
Nein, dazu ist mir ge-
genwärtig nichts bekannt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422024800
Eine wei-
tere Zusatzfrage.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1422024900
Bisher gingen Vertreter des Bun-
desarbeitsministeriums auch in den Ausschussberatungen
davon aus, dass Schadenersatzansprüche nicht entstehen
können. Mir ist bekannt geworden, dass einer der Gründe
für die Nichtigkeit der Beleihung die fehlende Zustim-
mung der Firma BBJ sein soll; das ist die Firma, die in
dem aufgehobenen Ausschreibungsverfahren nicht zum
Zuge gekommen ist. Ist nach der mündlichen Verhand-
lung mit Schadenersatzforderungen dieses Mitbewerbers
zu rechnen und welcher Schaden ist durch die nichtige
Beauftragung der Firma efp der Bundesrepublik Deutsch-
land bisher entstanden?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422025000
Herr Abgeordneter
Niebel, Sie wissen, dass es sich um eine mündliche Ver-
handlung handelte. Ich bitte um Verständnis dafür, dass
wir die schriftliche Begründung des Gerichts abwarten
wollen. Dann kann man weitere Fragen beantworten.


(Dirk Niebel [FDP]: Vielen Dank!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422025100
Vielen
Dank. – Ich rufe jetzt die Frage 15 des Kollegen
Dr. Heinrich Kolb auf:

Plant die Bundesregierung eine Initiative, um nach dem Urteil

(Az: S 24 KR 125/00)

beiträgen auf nicht zugeflossene Arbeitsentgelte (so genannter
Phantomlohn) auf einen Zeitraum bis zum 31. März 2000 zu be-
grenzen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422025200
Herr Abgeordneter
Kolb, ich möchte gern Ihre beiden Fragen im Zusammen-
hang beantworten, wenn Sie damit einverstanden sind.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bitte sehr!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422025300
Dann rufe
ich auch noch die Frage 16 auf:

Beabsichtigt die Bundesregierung darüber hinaus im Wege
der Änderung des § 14 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch

(SGB IV) oder einer Verordnung nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV,

bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge das so ge-
nannte Zuflussprinzip aus dem Steuerrecht zugrunde zu legen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422025400
Die Antwort auf die
Frage 15 lautet: Nein.




Dirk Niebel

21837


(C)



(D)



(A)



(B)


Zur Frage 16: Der Ausgang der bereits laufenden Ge-
richtsverfahren, die hinsichtlich des Vertrauensschutzes
zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind, muss
abgewartet werden. Ein adäquater Schuldnerschutz ist,
wie bei jeder Beitragsforderung, gesetzlich vorgesehen.
Er kann bis zum Erlass der Forderungen gehen. Die Bun-
desregierung verkennt nicht, dass es Gründe dafür geben
kann, die steuer- und beitragsrechtliche Behandlung von
Einkünften zu vereinheitlichen. Der bei der Einführung
des Sozialgesetzbuches zugrunde gelegte Übergang zum
Entstehungsprinzip ist aber jahrzehntelang im Wesentli-
chen unbeanstandet geblieben. Er hat den Versicherten in
der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechende Vor-
teile gebracht. Im Übrigen hält auch das von Ihnen in der
Frage 15 genannte Urteil des Sozialgerichts Gelsenkir-
chen das Entstehungsprinzip für gerechtfertigt. Die Ren-
tenversicherungsträger stützen sich auf eine gefestigte
Rechtsprechung und ziehen aus den anerkannten Rechts-
folgen allgemein verbindlicher Tarifverträge die Konse-
quenzen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422025500
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Kolb.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1422025600
Herr Staatssekretär, ich
möchte Sie fragen: Darf ich davon ausgehen, dass der Bun-
desregierung bekannt ist, dass in einer Vielzahl von Fällen
– es sind nicht nur Einzelfälle – die Praxis der Bundesver-
sicherungsanstalt für Angestellte, seit 1999 bei Prüfungen
das Entstehungsprinzip durchzusetzen, zu existenzbe-
drohenden Nachforderungen in der Größenordnung fünf-
und sechsstelliger Beträge geführt hat? Wenn Ihnen das
bekannt ist: Haben Sie genauere Zahlen über die Zahl der
hierbei aufgeworfenen Fälle?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422025700
Uns ist der Tatbestand
bekannt. Ich habe gegenwärtig keine Unterlagen über das
Ausmaß der Fälle. Aber ich habe in meinen Ausführungen
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man Stundungen
vornehmen kann. Zu Ihrer Frage kann ich nur sagen, dass
die Rentenversicherungsträger aufgrund bestehender Ge-
setze und aufgrund bestehender Grundlagen, die sich, wie
ich es ausgeführt habe, bewährt haben, prüfen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422025800
Eine wei-
tere Zusatzfrage.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1422025900
Herr Staatssekretär, Sie
haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es bis 1977 eine
einheitliche Bemessungsgrundlage für Steuern und Sozi-
alversicherungsbeiträge gab und in der Folge diese Ein-
heitlichkeit aufgegeben wurde. Gleichwohl hatte das Ent-
stehungsprinzip bis ins Jahr 1999 keinen Einfluss auf die
tatsächliche Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Welche konkreten Gründe gibt es aus Ihrer Sicht, eine sol-
che Veränderung der Veranlagungspraxis vorzunehmen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422026000
Das Prinzip ist schon et-
was älter. Bei der Überprüfungspraxis ist, wie Sie wissen,
ein Wechsel von den Krankenversicherungen hin zu den
Rentenversicherungsträgern als den entsprechenden Stel-
len vollzogen worden.

Ich vermute – gefestigte Erkenntnisse habe ich darüber
nicht –, dass die Rentenversicherungsträger in einer an-
deren Art und Weise darauf achten, dass ihnen und ande-
ren zustehende Beiträge erhoben werden. Wenn der Tat-
bestand so ist, dass bei allgemein verbindlich erklärten
Tarifverträgen bestimmte Zahlungen erfolgen könnten,
aber tatsächlich nicht erfolgen, dann wird das Entste-
hungsprinzip zugrunde gelegt, um dafür die entsprechen-
den Beitragszahlungen erheben und eintreiben zu können.
Das ist zumindest für mich der wesentliche Grund.

Bei der anderen Frage habe ich bereits deutlich ge-
macht, dass in diesem Zusammenhang eine Reihe von Ge-
richtsverfahren laufen. Das Sozialgericht Gelsenkirchen
hat sich zu der Prinzipienfrage in keiner Weise negativ
geäußert. Im Gegenteil: Es hält es für richtig. Ich finde,
wir müssen uns ein Stück weit anschauen, wie sich die
Rechtsprechung in diesem Zusammenhang entwickelt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422026100
Eine wei-
tere Zusatzfrage.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1422026200
Herr Staatssekretär, wir
haben die Parallelität der Bemessungsgrundlagen bei
der steuerlichen Veranlagung und der Erhebung der Sozi-
alversicherungsbeiträge. Das eine wird nach dem Zufluss-
prinzip, das andere nach dem Entstehungsprinzip gehand-
habt. Sie haben gesagt: Eine Vereinheitlichung wäre
wünschenswert. Kann man definitiv ausschließen, dass
die Bundesregierung eine Vereinheitlichung derart plant,
dass zukünftig auch für steuerliche Zwecke das Entste-
hungsprinzip gelten soll?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422026300
Da Sie wissen, dass hier
ganz unterschiedliche Ressorts zu beteiligen sind, werde
ich mich hüten, hierzu eine verbindliche Aussage zu tref-
fen. Gegenwärtig kann ich das gar nicht. Ob man das ver-
einheitlicht, muss man sehen. Ich bitte um Verständnis:
Ich glaube nicht, dass dies, ähnlich wie andere Fragen,
noch in dieser Legislaturperiode entschieden wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422026400
Die letzte
Zusatzfrage.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1422026500
Aber, Herr Staatssekre-
tär, Sie würden nicht gänzlich ausschließen – das fällt in
Ihre unmittelbare Ressortverantwortung –, dass es bei den
Sozialversicherungsbeiträgen wieder eine Abkehr vom
Entstehungsprinzip geben und zukünftig eine Veranla-
gung zur Sozialversicherung nach dem Zuflussprinzip
stattfinden wird?




Parl. Staatssekretär Gerd Andres
21838


(C)



(D)



(A)



(B)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422026600
Ich habe schon deutlich
gemacht, dass wir uns die weitere Entwicklung der Recht-
sprechung sehr genau anschauen. Gegenwärtig laufen
eine ganze Anzahl von Verfahren. Daraus muss man die
entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen. Ich möchte
es nicht ausschließen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422026700
Die Zeit
für die Fragestunde ist abgelaufen. Die nicht aufgerufenen
Fragen werden wie immer schriftlich beantwortet.

Gemäß I 1 b der Richtlinien für Aussprachen zu The-
men von allgemeinem aktuellen Interesse hat die
CDU/CSU-Fraktion im Zusammenhang mit den Antwor-
ten der Bundesregierung auf die dringliche Frage 1 eine
Aktuelle Stunde beantragt. Diese ist, wie Sie wissen, un-
mittelbar nach der Fragestunde durchzuführen.

Ich rufe daher auf:
Aktuelle Stunde
Haltung der Bundesregierung zum Vorschlag
des Bundesarbeitsministers, 1,2 Millionen Ar-
beitslose aus der Arbeitslosenstatistik heraus-
zurechnen

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort zur Begründung
hat der Kollege Andreas Storm von der CDU/CSU-Frak-
tion.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie mal sagen, was daran aktuell ist, Herr Storm!)



Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1422026800
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Man kann nur sagen: Auf fri-
scher Tat ertappt!


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Der Arbeitsminister wirkt mit seinem peinlichen Rück-
zieher – er muss seine Pläne wieder in der Schublade ver-
stecken – wie ein Dieb auf leisen Sohlen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Riester ist allein zu Haus!)


Die ursprünglich geplante Herausnahme von 1,2 Milli-
onen Arbeitslosen aus der Statistik ist ein dreister Ver-
such, vom eigenen arbeitsmarktpolitischen Versagen ab-
zulenken.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Zielmarke von 3,5 Millionen Arbeitslosen wird weit
verfehlt.


(Peter Dreßen [SPD]: Wer hat Ihnen das erzählt?)


Seit 15 Monaten steigt die Arbeitslosigkeit in unserem
Land saisonbereinigt an. Nach der übereinstimmenden
Meinung der Experten werden wir in diesem Jahr einen
Schnitt von mehr als 4 Millionen Arbeitslosen haben. Ihre
Pläne zur Änderung der Arbeitslosenstatistik machen ein-

mal mehr deutlich: Tricksereien und Täuschungsmanöver
sind hervorstechende Merkmale der Amtszeit von Walter
Riester.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Ich nenne zwei Beispiele: Erstens. Die 630-Mark-Jobs
wurden in der Beschäftigungsstatistik berücksichtigt. Der
angebliche massive Beschäftigungszuwachs erweist sich
bei Lichte betrachtet in der Substanz als statistischer Ta-
schenspielertrick.

Zweitens nenne ich die Rentenreform.

(Dirk Niebel [FDP]: Traditionelle Aktuelle Stunde!)

Durch Ihre Neudefinition des Rentenniveaus wird das im
Rentenbericht der Bundesregierung ausgewiesene Ren-
tenniveau im Jahre 2015 trotz der von der Koalition ein-
gestandenen deutlichen Leistungskürzungen nach der Re-
form höher sein als vorher. Auch hier haben Sie
manipuliert, dass die Heide wackelt.


(Widerspruch bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Mein Gott! Ein Storm kommt selten allein!)


Der jüngste Sündenfall ist der aktuelle Versuch zur Ma-
nipulation der Arbeitslosenstatistik.


(Klaus Brandner [SPD]: Halten Sie mal ein bisschen die Luft an! – Weiterer Zuruf von der SPD: Sie glauben selbst nicht, was Sie sagen!)


Der Unterschied zu den Erkenntnissen bei der Arbeitsver-
mittlung liegt klar auf der Hand. Vor einigen Wochen hat
es erste Erkenntnisse über die Fehler und Mängel in der
Vermittlungsstatistik gegeben. Die Struktur der Arbeitslo-
sigkeit und die Motivation der Arbeitslosen sind seit Jah-
ren bekannt. Auch die Infas-Studie bringt keine neuen Er-
kenntnisse. Wenn Sie hier etwas ändern wollten, dann
hätten Sie am Beginn der Wahlperiode Änderungen erwä-
gen müssen.


(Klaus Brandner [SPD]: Da haben Sie aber ganz schön geschlafen!)


Es ist dreist, die Statistik ein halbes Jahr vor einer Bun-
destagswahl um 1,2 Millionen Personen reduzieren zu
wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Erklären Sie das doch mal!)


Worum geht es in der Substanz? Es geht darum – das
zeigt auch die Infas-Studie –, dass mehr als die Hälfte die-
ser 1,2 Millionen Personen wegen ihres Alters kaum
Chancen haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Eine ehrli-
che Antwort der Bundesregierung wäre es, zu sagen, dass
sie diesen keine realistische Chance gibt und dass sie sie
aus der Statistik heraus haben will.

Bringen Sie im Deutschen Bundestag einen Gesetzent-
wurf für ein massives Frühverrentungsprogramm ein!


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Um Gottes willen!)







(C)



(D)



(A)



(B)


Dann wäre klar, dass 600 000 Menschen über 58 Jahre
aus der Arbeitslosenstatistik herausfielen, da sie frühver-
rentet würden. Jeder würde Ihnen sagen, dass das absurd
ist. Das würde die Rentenkassen an die Wand fahren. Also
machen Sie einen Trick. Sie sagen, dass Sie die Frühver-
rentung faktisch durchführen. Die Leute sollen sich zwar
arbeitslos melden, Sie betrachten sie aber nicht als Ar-
beitslose und nehmen sie aus der Statistik heraus. Das ist
ein fatales gesellschaftspolitisches Signal,


(Peter Dreßen [SPD]: Alles Spekulation!)

weil die Bundesregierung damit deutlich macht, dass sie
keine Chancen mehr für die älteren Arbeitnehmer sieht,
wieder einen Arbeitsplatz zu finden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Infas-Studie, die vom Arbeitsministerium zur Be-

gründung herangezogen wurde, macht im Hinblick auf
die Gruppe von über 600 000 älteren Menschen deutlich
– ich zitiere –:

Nicht übersehen sollte man aber, dass es auch unter
den Personen, die angeben, in Rente zu wechseln,
durchaus auch Fälle gibt, die im Grunde gerne noch
länger gearbeitet hätten und dies eventuell auch aus
finanziellen Gründen nötig hätten.

Die Studie kommt hier zu folgendem Ergebnis:
Hier ist dann wohl eher Resignation in Bezug auf die
eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt der eigentli-
che Auslöser für den Übergang in Rente.


(Dirk Niebel [FDP]: Genauso ist es!)

Es ist deutlich, dass diese Menschen einen Arbeitsplatz
suchen. Die Botschaft der Politik kann doch nicht lauten,
dass sie nicht mehr glaubt, dass ein über 58-jähriger Ar-
beitsloser eine Chance hat und er deswegen aus der Ar-
beitslosenstatistik herausgenommen wird.

Die Begründung für den beabsichtigten Manipulati-
onsversuch war, man brauche eine aussagekräftigere und
transparentere Statistik. Das kann nur zwei Konsequen-
zen haben: Entweder Sie gestehen ein, dass Sie den Älte-
ren die Chance nicht geben, oder Sie müssten im Gegen-
zug die 1,7 Millionen verdeckt Arbeitslosen statistisch
erfassen, so wie es Professor Rürup vorgestern in der
Presse dargestellt hat. Dann wäre die Arbeitslosenzahl
nicht bei 4,3 Millionen, sondern bei nahezu 6 Millionen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wahnsinn! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Kommen Sie mal zum Ende!)


Die Abschiebung älterer Arbeitsloser in das statistische
Niemandsland ist eine Bankrotterklärung der rot-grünen
Bundesregierung. Diese Bundesregierung – nicht die äl-
teren Arbeitslosen – gehört aus der Statistik gestrichen
und in den Vorruhestand geschickt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Manfred Grund [CDU/CSU]: Riesterrente!)


– Der Arbeitsminister ist reif für die Riesterrente.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Brandner [SPD]: Eine Gesäusel war das!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422026900
Für die
Bundesregierung spricht der Parlamentarische Staats-
sekretär Gerd Andres.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1422027000
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung
hat nicht die Absicht, in dieser Legislaturperiode die Ar-
beitsmarktstatistik zu ändern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Auf öffentlichen Druck! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Haben wir schon mal gehört!)


Die Bundesregierung hat deswegen nicht die Absicht, die
Arbeitslosenstatisktik zu ändern, weil sie davon ausgeht,
dass sich im Frühjahr die Arbeitsmarktzahlen im Zuge der
wirtschaftlichen Besserung positiv verändern werden.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Welches Frühjahr?)


Sie hat nicht die Absicht, diese positive Arbeitsmarktent-
wicklung durch die rechte Seite des Hauses oder durch
eine öffentliche Diskussion, man habe die Statistik mani-
puliert, diffamieren zu lassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich sage ganz offen: Damit ist der Anlass für diese Ak-
tuelle Stunde, die jetzt abgezogen wird, entfallen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dass Sie, nachdem wir eine Stunde in der Fragestunde da-
rüber diskutiert haben, noch nicht einmal die Größe auf-
bringen, das auch zuzugeben, wirft ein bezeichnendes
Licht auf Sie.


(Klaus Brandner [SPD]: Das ist der Zustand der CDU/CSU!)


Herr Storm, ich will Ihnen etwas sagen – ich sage das
ganz offen –: Dass Sie sich nicht schämen, hier in dieser
Art und Weise aufzutreten! Das nenne ich „auf frischer Tat
ertappt“. In Ihrer Regierungszeit haben Sie die Statistik
zehnmal verändert bzw. manipuliert. Damit das völlig
klar ist.


(Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Das muss mit Empörung zurückgewiesen werden!)


Das Thema der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde
lautet: Haltung der Bundesregierung zum Vorschlag des
Bundesarbeitsministers, 1,2 Millionen Arbeitslose aus der
Statistik herauszurechnen. Damit klar ist: Einen solchen
Vorschlag, 1,2 Millionen Arbeitslose aus der Statistik zu
streichen, hat es vom Bundesarbeitsminister überhaupt
nicht gegeben.


(Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Den gibt es nicht?)


Damit ist der Titel Ihrer Aktuellen Stunde schon eine Un-
terstellung und Unwahrheit.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





Andreas Storm
21840


(C)



(D)



(A)



(B)


Damit wir wissen, worüber wir reden, Herr Storm: In
vielen Zeitungen ist das geflügelte Wort „Ich glaube nur
der Statistik, die ich selbst gefälscht habe“, zu lesen. Fas-
sen Sie sich einmal angesichts Ihrer eigenen Formulie-
rung an die Nasenspitze; ich empfehle Ihnen das sehr.
Schon am letzten Donnerstag ist mir bei der Debatte über
den Jahreswirtschaftsbericht aufgefallen, dass der Frakti-
onsvorsitzende der Union, Herr Merz, sehr feinsinnig
über die Arbeitsmarktzahlen geredet hat.


(Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Eine gute Rede!)


Es war interessant, über welche Arbeitsmarktzahlen er ge-
sprochen hat.

Sie haben das auch wieder gemacht und weil Sie jetzt
grinsen, wissen Sie genau, was Sie gemacht haben. Sie
haben nämlich von saisonbereinigten Arbeitsmarktzah-
len gesprochen. Das drückt etwas ganz Einfaches aus: Je-
der benutzt in der politischen Auseinandersetzung das,
was er jeweils gebrauchen kann. Das, was dabei unter
den Schlitten gerät, widert mich an. Wenn man mit den
Fachleuten untereinander redet, sind sich viele darüber
einig, dass man bestimmte Veränderungen wahrnehmen
müsste, die rechtlichen Grundlagen dem aber entgegen-
stehen. Ein ehrlicher Umgang mit den Tatbeständen wird
dann dem jeweiligen taktischen und tagespolitischen
Kalkül geopfert. Da Sie das wissen und sich so verhalten,
haben Sie überhaupt keine Berechtigung, hier „Haltet
den Dieb!“ oder „Auf frischer Tat ertappt!“ zu rufen. Fas-
sen Sie sich an die eigene Nase; damit haben Sie genug
zu tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich habe kein Problem, Herr Storm, mit Ihnen über Ar-
beitsmarktzahlen zu reden. Herzlichen Glückwunsch
kann ich da nur sagen. Wir hatten in diesem Januar – das
kann man öffentlich nur wiederholen – 4,29 Millionen re-
gistrierte arbeitslose Menschen. Sie hatten im Januar Ih-
res letzten Regierungsjahres – nicht saisonbereinigt, son-
dern real gezählt und bei den Arbeitsämtern gemeldet –
4,82 Millionen arbeitslose Menschen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Was haben Sie im November von uns übernommen?)


– Quaken Sie doch nicht dazwischen! – Im Februar sind
Ihre Zahlen gesunken. Herr Storm, damit wir hier Tache-
les reden: Wissen Sie, warum die Zahlen gesunken sind?
Das können Sie nachrechnen. Dazu lege ich Ihnen jede
Statistik auf den Tisch. Weil Sie die Leute ein ganzes Jahr
lang in ABM, SAM und in Qualifizierung geschoben ha-
ben.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Weil wir 1998 einen Aufwärtstrend hatten!)


Dass Sie sich nicht schämen, hier so aufzutreten und eine
solche Debatte zu führen, halte ich für unglaublich.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ich dachte, das war der Aufschwung Ihres Kanzlers!)


Das werden wir auch öffentlich darstellen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es ist widerlich, wie hier immer die gleichen Debatten
wiederholt werden und wie versucht wird, mit getürkten
Tatbeständen Politik zu machen.

Damit wir über noch etwas ganz klare Kante haben
– ich will überhaupt nicht daran vorbeireden; denn ich
kann es nicht mehr hören –: In dem Zweistufenkonzept
der Bundesregierung steht – Herr Storm, damit wir uns da
nicht falsch verstehen –, dass die Vermittlungsstatistik
korrigiert und verändert werden muss. Auch dazu muss
man sagen: Die Fachleute, die ernsthaft miteinander dis-
kutieren – und nicht so, wie Sie es eben hier windig vor-
getragen haben –, wissen ganz genau, dass dies die erste
Untersuchung des Bundesrechnungshofes war. In der
Zwischenzeit hat die Arbeitsverwaltung 15 Arbeitsämter
entsprechend kontrolliert. Wir haben kein Interesse daran,
mit irgendwelchen getürkten Statistiken zu arbeiten und
mit irgendwelchen falschen Tatsachen umzugehen, son-
dern wir brauchen Zahlen über die real durchgeführten
Vermittlungen in diesem Land.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Alles ein großes Missverständnis!)


Deswegen wird etwas ganz Einfaches passieren – wir
sind sehr gelassen und sprechen uns nach dem 22. Sep-
tember wieder; ich gratuliere Ihnen schon jetzt herzlich;
das Ergebnis kann ich Ihnen heute schon vorhersagen –:


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Die ruhige Hand!)


Wir werden das Problem zielstrebig und vernünftig lösen,
aber nicht mit dem Unsinn, den Sie hier abziehen, Herr
von Klaeden. In der Fragestunde hatte ich Ihnen als Ant-
wort auf Ihre erste Frage schon gesagt: Schenken Sie sich
Ihre Aktuelle Stunde, das ist nur Wind vor der Hoftür. Die
Bundesanstalt wird die Vermittlungsstatistik ändern. Wir
werden uns mit der Infas-Untersuchung befassen. Wir
werden die angekündigte Kommission installieren. Das
können nicht Sie machen, wir machen das. Die Kommis-
sion wird darüber diskutieren und dann werden die not-
wendigen Schlussfolgerungen gezogen. Wir haben kein
Interesse an Luftbuchungen. Wir haben ein Interesse da-
ran, mit den realen Tatbeständen in diesem Lande umzu-
gehen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Flucht nach vorne nennt man so etwas! – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: So ein Käse!)


– Hören Sie auf mit „Flucht nach vorn“.
Eines kann ich überhaupt nicht mehr ertragen: Sie ha-

ben in Ihrer Regierungszeit den Höchststand an Arbeits-
losigkeit erreicht. Die Regierung Kohl war, was die
Arbeitsmarktzahlen anging, am Ende. Sie sind binnen
kürzester Zeit um 1,5 Millionen gestiegen. Sie haben eine
Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit zugelassen. Ich
kann Ihnen alle Daten links und rechts immer wieder um
die Ohren hauen, und zwar die realen Daten, nicht die
getürkten und die zusammengeklaubten, auch nicht die
saisonbereinigten, Herr Storm. Mit diesen Zahlen werden




Parl. Staatssekretär Gerd Andres

21841


(C)



(D)



(A)



(B)


wir uns auseinander setzen und ich sage Ihnen schon jetzt:
Zum Schluss wird abgerechnet.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Sie wissen genau, dass die saisonbereinigten Zahlen die richtigen sind!)


Ich kann nicht mehr ertragen, dass wir uns von denen,
die die Karre in den Dreck gefahren haben, öffentlich
noch mit Dreck beschmeißen lassen müssen, während wir
uns redlich bemühen, vernünftig und ohne Türkerei, wie
Sie es gemacht haben, diesen Karren aus dem Dreck wie-
der herauszuholen


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie wollten doch gelassen bleiben!)


Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Ich sage
Ihnen: Wir räumen auch mit den Statistiken auf. Wir ha-
ben Interesse an realen Daten und realen Grundlagen und
auf diesen Grundlagen machen wir Arbeitsmarktpolitik.
Das können Sie sich hinter die Ohren schreiben.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422027100
Das Wort
hat jetzt der Kollege Dirk Niebel von der FDP-Fraktion.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1422027200
Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär Andres,
Sie haben bei Ihrem Zahlenvergleich zwischen den Ja-
nuar-Werten 1998 und den Januar-Werten 2002 eine Peti-
tesse vergessen: Sie regieren jetzt seit dreieinhalb Jahren.
Pro Jahr verlassen aus demographischen Gründen unge-
fähr 200 000 Menschen mehr den Arbeitsmarkt, als neu
hinzukommen. Sie haben noch nicht einmal die demogra-
phische Entwicklung aufgefangen. Die Arbeitslosenzah-
len sind gestiegen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Konrad Gilges [SPD]: Das ist doch nichts Neues!)


Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass diese
Aktuelle Stunde zwingend notwendig ist, obwohl der
Kanzler den Arbeitsminister zurückgepfiffen hat. Denn es
muss deutlich gesagt werden: Armer Arbeitsminister
Riester! Ich meine das ganz ernst, Herr Riester. Sie müs-
sen ein außerordentlich einsamer Mensch sein: keine
Rückendeckung mehr im Kabinett und in der Fraktion.

Sie haben noch am Montag im „Grünen Salon“ geses-
sen – ich habe es mir kurz angesehen – und mit großem
emotionalen Engagement die Änderung der Statistik ver-
treten, weil Sie, wie ich glaube, auch fest davon überzeugt
sind. Der Kanzler hat die Problematik erkannt, die in der
zeitlichen Nähe zur Bundestagswahl liegt, und hat Sie
zurückgepfiffen. Der Kanzler hat auch bei der Bundes-
anstalt die Problematik erkannt und Ihnen Aussagen auf-
geschrieben, die Sie in der Pressekonferenz verkündet
haben.


(Lachen bei der SPD)


Es waren gute Sachen, viele davon von uns übernommen.
Lernen durch Leiden, kann ich dazu nur sagen. Es ist ein
Paradebeispiel für pathologisches Lernen.

Mittlerweile merken wir schon, dass einiges von dem,
was Sie dort verkünden durften, von der Fraktion wieder
zurückgenommen wird. Sie rudert schon ganz kräftig
zurück, was die Fragen der Zulassung privater Vermittler
und der erfolgsabhängigen Entlohnung in der staatlichen
Arbeitsvermittlung anbetrifft. Sie haben von daher keinen
Rückhalt in der Regierung und in der Fraktion. Armer
Arbeitsminister!


(Beifall bei der FDP – Konrad Gilges [SPD]: Das wissen Sie doch gar nicht! Warten Sie doch mal ab! Seien Sie nicht so voreilig, Herr Niebel! Wir sind doch nicht bei Ihnen im Arbeitsamt!)


Ungefähr in einer Woche liegen die nächsten Arbeits-
marktzahlen vor. Aber schon jetzt steht fest, dass wir bei
der Chefsache Ost den Höchststand der Arbeitslosigkeit
in Ostdeutschland erreicht haben. Als Sie die Regierung
übernommen haben, befanden sich 30 Prozent der Ar-
beitslosen in Ostdeutschland. Jetzt sind es 35 Prozent.
Chefsache Ost! 1,3 Millionen Menschen in Ostdeutsch-
land sind arbeitslos,


(Klaus Brandner [SPD]: Die Arbeitslosigkeit ist gesunken! Das wissen Sie, Herr Niebel! Fangen Sie nicht wieder an zu fälschen!)


aber Sie machen den Vorschlag, die Statistik zu ändern
– über den durchaus diskutiert werden kann –, unmittel-
bar vor dem Erscheinen der nächsten Arbeitsmarktzahlen.
Herr Riester, das ist ein reines Ablenkungsmanöver. Sie
wollen damit von diesen Zahlen ablenken.

Wenn Sie der Ansicht sind, dass die Menschen, die
nicht mehr vermittelt werden wollen oder können, aus der
Statistik herausgenommen werden müssen, dann müssen
Sie andere Wege gehen. Nehmen wir das Beispiel Kin-
dergeld und Arbeitslose. Das Bundeskindergeldgesetz
sieht vor, dass Eltern weiterhin Kindergeld beziehen,
wenn ihr Kind über 18 Jahre alt ist und sich arbeitslos ge-
meldet hat. Wenn Sie der Ansicht sind, dass diese Perso-
nen aus der Statistik herausfallen sollten, dann müssen
Sie das Bundeskindergeldgesetz ändern und festlegen,
dass unabhängig davon, ob sich jemand in Ausbildung,
Arbeitslosigkeit oder im Wehrdienst befindet, bis zum
27. Lebensjahr Kindergeld gewährt wird. Dann fallen
diese Personen aus der Statistik heraus.

Die gleiche Frage stellt sich bei den Älteren. Sie haben
es im Mai vergangenen Jahres – also vor acht Monaten –
schon einmal versucht. Damals stiegen die Arbeitslosen-
zahlen gerade im vierten Monat saisonbereinigt und die
Erwerbslosenquote stagnierte. Damals stand zur Diskus-
sion, bei den 58-Jährigen und Älteren Änderungen vorzu-
nehmen. Bisher ist es so, dass ältere Menschen unter er-
leichterten Bedingungen Leistungen in Anspruch nehmen
können, wenn sie aktiv erklären, dass sie nicht mehr ar-
beiten und zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Rente ge-
hen möchten. Diese Personen werden derzeit nicht in die
Statistik einbezogen. Damals wurde von der Regierung
geplant, das zu ändern, sodass alle 58-Jährigen und Älte-
ren unter diese Sonderregelung fallen, es sei denn, sie er-




Parl. Staatssekretär Gerd Andres
21842


(C)



(D)



(A)



(B)


klärten aktiv, dass sie noch arbeiten möchten. Der Mensch
ist in aller Regel ein träges Wesen. Von daher würden weit
weniger eine aktive Erklärung zur Arbeitswilligkeit ab-
geben und die Statistik würde deutlich nach unten gehen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!)

Sie haben vorgeschlagen, mehr Ehrlichkeit in die Sta-

tistik zu bringen.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Mehr Ehrlichkeit, we niger Niebel, um es mal klar zu sagen!)

Ich meine, das ist gut und richtig. Zur Ehrlichkeit gehört,
dass man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ABM
und in SAM einbezieht, die sich ganz bewusst nur in ei-
ner Zwischenbeschäftigung befinden, um die Chance zum
Wiedereintritt in den ersten Arbeitsmarkt zu gewinnen,
und jederzeit – auch während der Maßnahme – zur Auf-
nahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäfti-
gung angehalten sind,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das wollen Sie ja gerade nicht!)


und dass es ganz bewusst auch weiterhin Vermittlungs-
beratung – auch während der Maßnahmedauer – geben
soll. Von daher gehört zur Ehrlichkeit natürlich auch, dass
Sie all diejenigen einbeziehen, die wirklich nach Arbeit
suchen.


(Beifall bei der FDP)

Dann kann man über Änderungen der Statistik reden. Ob
vor oder nach der Wahl, ist nicht das Entscheidende.

Aber wenn es um Ehrlichkeit geht, dann auf beiden
Seiten des Arbeitsmarktes. Machen Sie es nicht so wie in
der Vergangenheit, als Sie sich bemüht haben, die Zahl
der Erwerbstätigen in der Statistik zu erhöhen. Damals
sind die geringfügig Beschäftigten einbezogen worden
– 0,4 Prozentpunkte der Arbeitslosenquote –, die Schein-
selbstständigen und 400 000 plötzlich sozialversiche-
rungspflichtige Prostituierte. So werden Sie die Probleme
am Arbeitsmarkt nicht lösen.


(Klaus Brandner [SPD]: Die sind früher auch drin gewesen! Jetzt fangen Sie schon wieder an zu tricksen, Herr Niebel! Bleiben Sie mal bei der Wahrheit!)


Sie müssen Ihre Gesetzgebung ändern, die von Anfang
an in die falsche Richtung lief. Wir brauchen mehr Frei-
raum am Arbeitsmarkt, weniger Reglementierung und
mehr liberale Politik. Übernehmen Sie noch mehr von uns
und warten Sie nicht, bis der Kanzler es Ihnen aufschreibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Konrad Gilges [SPD]: Das stimmt doch gar nicht, was Sie erzählen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422027300
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Dr. Thea Dückert von
der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen das Wort.


Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1422027400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber
Kollege Storm, Ihre Rede war wirklich ein echtes Storm-
tief.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Storm und Drang war das! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Niebel und Storm!)


Diese Aktuelle Stunde ist schlichtweg Schnee von ges-
tern. Ich habe richtiggehend Mitleid mit der Opposition,
dass ihr heute erneut ein vermeintliches Wahlkampfthema
wie eine Seifenblase zerplatzt ist. Nichts ist so alt wie die
Meldung von gestern.

Sie haben heute Morgen und eben schon wieder zur
Kenntnis nehmen müssen, dass der Staatssekretär mehr-
fach – ich glaube, zehnmal –


(Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Das reicht nicht!)


ganz deutlich gesagt hat, dass es in dieser Legislatur-
periode keine Änderung der Statistik geben werde.


(Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Deshalb muss das ja nicht stimmen!)


Das hätten Sie durchaus schon einmal wahrnehmen
können.

Sie wissen auch, warum es eine solche Änderung nicht
geben wird. Eines ist doch völlig klar: Wir lassen uns von
einer Opposition, die im Wahljahr 1998 durch das Herauf-
fahren von „Wahlkampf-ABM“ unter Einsatz von 5 Mil-
liarden DM die Statistik gefälscht hat, in diesem Wahljahr
nicht in die Situation bringen, über Schönfärberei disku-
tieren zu müssen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wer hat das denn gesagt? Das ist mein Ausdruck!)


Wir müssen natürlich über eine Veränderung der Sta-
tistik reden, weil Statistiken transparent sein und eine
Aussagekraft haben müssen. Das gilt gerade für die Ar-
beitsmarktpolitik. Ich bekomme aber schon Tränen in die
Augen, wenn ich Herrn Niebel über Ehrlichkeit reden
höre und er gleichzeitig verlangt, wir sollten ABM-Kräfte
als Arbeitslose mitzählen, obwohl er sehr genau weiß,
dass ABM-Kräfte dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung
stehen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist eine Frage der Definition, Frau Dr. Dückert! Die Menschen wollen doch arbeiten!)


Ich bekomme deshalb Tränen in die Augen, Herr Niebel,
weil Ihre Partei das Herauffahren von ABM in der Ver-
gangenheit dazu benutzt hat, die Arbeitslosenzahlen zu
schönen.


(Dirk Niebel [FDP]: Wir haben ABM nie raufgefahren!)


Wir sollten in Ruhe darüber reden, wie die Statistiken
transparent und einleuchtend gemacht werden können. Im
Moment gibt es einen Basar der Möglichkeiten. Sie haben
die Aufnahme von ABM-Kräften vorgeschlagen und den




Dirk Niebel

21843


(C)



(D)



(A)



(B)


Vorschlag von Herrn Rürup zitiert, der die stille Reserve
in die Arbeitslosenstatistik aufgenommen sehen möchte.
Ich frage mich, wie das funktionieren soll. Ich habe vor
Herrn Rürup große Hochachtung, aber an dieser Stelle
frage ich mich, wie etwas, was nicht offen bekannt ist, in
einer Statistik mitgezählt werden kann. Darüber kann man
sicherlich noch einmal reden. Ich halte aber einen solchen
Basar der Möglichkeiten für absolut ungeeignet, um eine
vernünftige Debatte über Statistik zu führen.

Wenn wir über Veränderungen reden, müssen wir uns
an der internationalen Vergleichbarkeit der Daten orien-
tieren. Mein Beitrag zu dieser Debatte ist die Aufforde-
rung, dass wir in der nächsten Legislaturperiode eine Sta-
tistik erarbeiten, die mit denen unserer europäischen
Nachbarländer vergleichbar ist, sodass wir in Konkurrenz
zu unseren Nachbarn offen und ehrlich über Erfolge von
Beschäftigungspolitik diskutieren können. Wir brauchen
klare Kriterien; eines davon ist die internationale Ver-
gleichbarkeit.

Natürlich müssen sich die Bundesanstalt für Arbeit und
die Kommission, die jetzt eingesetzt worden ist, darüber
Gedanken machen, welche Differenzierungen vorgenom-
men werden müssen, was also ausgewiesen werden muss
und was nicht, damit die Vermittlungstätigkeit bei der
Bundesanstalt für Arbeit an die vorderste Stelle rücken
kann.

Für mich ist auch klar, dass wir uns als Koalition wei-
ter darum bemühen werden, mit der unsinnigen Frühver-
rentungspraxis Schluss zu machen, die Sie in den 90er-
Jahren auf den Weg gebracht haben. Wir haben bereits mit
dem Job-Aqtiv-Gesetz einen Paradigmenwechsel vorbe-
reitet, der dazu führt, dass ältere Arbeitslose über Qualifi-
zierung wieder in den Arbeitsmarkt hineinkommen kön-
nen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir tun uns mit der Praxis der Frühverrentung schwer,
weil Sie in den 90er-Jahren das verschlafen haben, was
unsere Nachbarländer, beispielsweise Dänemark, schon
gemacht haben. Dort hat man nämlich begriffen, dass es
einer Volkswirtschaft nicht abträglich ist, wenn man Äl-
tere, aber auch Frauen in den Arbeitsmarkt integriert – das
kann die Erwerbsquote sogar noch erhöhen – und daher
auf Frühverrentung verzichtet. Diesen Weg werden wir
gehen. Es wird sicherlich noch einige Debatten geben.
Diese sollten wir offen und ehrlich führen. Nur, das, wo-
rüber Sie in der Aktuellen Stunde reden wollten, ist kein
aktuelles Thema.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Klaus Brandner [SPD]: Die Zeit hätten wir wahrlich besser nutzen können!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422027500
Das Wort
hat der Kollege Dr. Klaus Grehn von der PDS-Fraktion.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1422027600
Herr Präsident! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Es geht eigentlich nicht, dass die
Regierung den Spieß umdreht. Ich möchte festhalten: Die

Ursache für die heutige Aktuelle Stunde liegt nun wahr-
lich nicht bei der Opposition.


(Dirk Niebel [FDP]: So ist es!)

Das Thema ist von Ihnen, meine Damen und Herren von
der Regierungsseite, aufgebracht worden. Dazu sollten
Sie auch stehen.

Herr Minister, es ist nicht sehr lange her – es tut mir
Leid, dass ich Sie daran erinnern muss –, dass Sie von dem
Rednerpult aus, an dem ich jetzt stehe, im Zusammenhang
mit den Wahlkampf-ABM von „täuschen“ und „tricksen“
gesprochen haben. Ich hatte dagegen nichts; denn auch
ich habe diese Wörter benutzt. Aber damals war eines an-
ders als heute: Die Menschen sind durch die Wahlkampf-
ABM – keine Frage, dass es um Täuschen und Tricksen
ging – zeitweise in Arbeit gekommen. Auch Ihre heutige
Aussage, dass Sie die Arbeitslosenstatistik aussagekräfti-
ger machen wollen, indem Sie 1,2 Millionen Arbeitslose
anderweitig erfassen lassen wollen, erinnert sehr an Täu-
schen und Tricksen.


(Klaus Brandner [SPD]: Was sagen Sie da? Wer macht das denn? – Dr. Uwe Küster [SPD]: Es ist schon zehnoder elfmal gesagt worden: Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, die Arbeitslosenstatistik zu verändern! Sie haben nicht zugehört!)


Damit werden diese 1,2 Millionen Arbeitslosen nicht in
Arbeit kommen.


(Klaus Brandner [SPD]: Das ist jetzt aber bösartig, was Sie machen!)


Ich muss Ihnen sagen: Die Grundprobleme in diesem
Land werden so nicht angegangen.


(Weitere Zurufe von der SPD)

– Sie können mir nicht weismachen, dass sich alle, die das
kritisieren, etwas aus den Fingern gesaugt haben. Dazu ist
schon manche Äußerung gefallen.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Genau, und Sie fallen darauf herein!)


– Ja, sicherlich falle ich darauf herein.
Sie müssen mir erst einmal erklären, was Sie damit er-

reichen wollen, dass diejenigen, die angeblich nicht ernst-
haft nach Arbeit suchen oder die nicht arbeiten wollen, an-
ders erfasst werden sollen. Wer bestimmt eigentlich, wer
nicht mehr ernsthaft nach Arbeit sucht oder nicht mehr ar-
beiten will? Der Staatssekretär hat als Beispiel für dieje-
nigen, die nicht mehr arbeiten wollen, Frauen angeführt,
die sich nur wegen des Kindergeldes arbeitslos meldeten.
Dazu kann ich nur sagen: Wegen Kindergeld muss man
sich nicht beim Arbeitsamt arbeitslos melden. Das be-
kommt man auch so.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!)


Ich halte es für sehr problematisch, dass unter den
20 Prozent derjenigen, die nach Ihrer Definition aus der
Arbeitslosenstatistik herausfallen sollen – das belegen die
Zahlen von Infas, die Sie angeführt haben –, 15 Prozent




Dr. Thea Dückert
21844


(C)



(D)



(A)



(B)


Ältere sind. Nach der Wende sind bereits 900 000 Arbeit-
nehmer und Arbeitnehmerinnen in den vorzeitigen Ruhe-
stand gejagt worden. Sie wissen, was mit den 57-Jährigen
passsiert, die erklären, dass sie zum frühstmöglichen
Zeitpunkt in Rente gehen, und damit aus der Statistik he-
rausfallen. Ich finde, es ist ein Armutszeugnis für dieses
Land, wenn Menschen dieses Alters sagen müssen: Ich
nehme dies an, weil ich weiß, dass ich keine Arbeit mehr
bekomme, damit ich nicht in ein finanzielles Loch falle.
Genau das ist das Problem. Aber Sie behaupten, dass diese
Menschen eigentlich gar nicht mehr arbeiten wollten. Sie
wissen es doch besser: Diese Menschen haben auf dem
Arbeitsmarkt gar keine Chance mehr.

Ich möchte auch auf das eingehen, was Sie in der Fra-
gestunde gesagt haben. Ist es wirklich so, dass diejenigen,
die sich nach fünf oder sieben Jahren Arbeitslosigkeit,
nachdem sie also gemerkt haben, dass die Gesellschaft sie
nicht mehr will, dass sie nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt
unterkommen, die eine Nische zum Überleben suchen
und die physisch und psychisch kaputt sind, nicht mehr
arbeiten wollen? Schaffen Sie die Voraussetzungen
– darin unterstützen wir Sie – für neue Arbeitsplätze! Sie
müssen Arbeitsplätze in der Realität schaffen. Das errei-
chen Sie nicht durch statistische Veränderungen.


(Beifall bei der PDS)

Wenn Sie das tun, dann haben Sie uns immer an Ihrer
Seite.


(Konrad Gilges [SPD]: Wir leben doch im Kapitalismus, Herr Grehn! Haben Sie das noch nicht festgestellt? Wir leben nicht mehr im real existierenden Sozialismus, wir leben im Kapitalismus, Herr Kollege!)


– Kollege Gilges, ich merke, Sie sind wieder wach ge-
worden.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mal gucken, was Sie in Berlin hinkriegen!)


Sie können nicht einfach Vorschläge aus irgendwel-
chen Gründen ablehnen, ohne sie vorher ernsthaft geprüft
zu haben. Ich darf darauf hinweisen, dass Sie mit den von
Ihnen jetzt verkündeten Vorstellungen den Eindruck er-
wecken – ob Sie das wollen oder nicht –, dass ein be-
deutender Teil des Umfangs der Arbeitslosigkeit im sub-
jektiven Verhalten begründet ist.


(Wolfgang Grotthaus [SPD]: Das ist dummes Zeug, was Sie hier sagen, und das wissen Sie auch!)


– Diesen Eindruck erwecken Sie, wenn Sie sagen, dass
1,2 Millionen Menschen an neuer Arbeit nicht interessiert
sind. Was sagen die Bürgerinnen und Bürger dazu?


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Auch die Wiederholung macht aus dummem Zeug keine Wahrheit!)


– Sie sollten sich das ruhig anhören. Sie können etwas ler-
nen. Sie sollten in die Praxis gehen und sich anschauen,
was dort los ist.

Wir brauchen keine Statistiken, sondern wir müssen
Arbeitsplätze schaffen. Machen Sie dazu Vorschläge und
gehen Sie damit an die Öffentlichkeit. Wenn Sie das tun,
dann haben Sie uns und die Bürger auf Ihrer Seite. Fan-
gen Sie nicht an, an der Statistik „herumzudoktern“! An-
sonsten stehen Sie vor dem Problem, das Sie bereits bei
der Vermittlung haben, dass nämlich niemand mehr weiß,
wie die Realität aussieht.


(Beifall bei der PDS – Klaus Brandner [SPD]: Herr Grehn, das war kein guter Beitrag!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422027700
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Doris Barnett das Wort.


Doris Barnett (SPD):
Rede ID: ID1422027800
Herr Präsident! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Stunde bewegt viel-
leicht viel Luft, hilft den Arbeitslosen aber nicht. Ihre Re-
demanuskripte sind etwas veraltet; denn Sie befassen sich
nicht mit der Realität.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Was für Manuskripte?)


Ich erinnere mich noch gut daran, dass es bei Ihnen
eine klammheimliche Freude gab, als der Bundesrech-
nungshof seine Zahlen zur Arbeitsvermittlungsstatistik
veröffentlicht hat. Sie meinten, dem Bundesarbeitsminis-
ter etwas „unter die Weste jubeln“ und ihn angreifen zu
können.

Wir gehen daran – allerdings erst nach der Bundes-
tagswahl –, sämtliche Statistiken im Sinne des Bundes-
rechnungshofes zu bereinigen, sie aussagekräftig zu ma-
chen und sie so zu gestalten, dass man daraus
Handlungsanweisungen ableiten kann. Auch dagegen ha-
ben Sie nun etwas. Sie wehren sich und sprechen von Ma-
nipulation. Soll ich Ihnen einmal die Liste Ihrer „Statis-
tikanpassungen“ von 1986 bis 1998 zeigen? Meine
Redezeit reicht nicht aus, um alle vorzulesen.

Herr Grehn, Sie sprachen die Definition an, nach der
die Anzahl der Arbeitslosen nicht genauer eingeschränkt
werden kann. Angesichts dessen muss ich mich an den
Kopf fassen und fragen: Was veranlasst die anderen Län-
der, andere Definitionen, insbesondere international ver-
gleichbare, aufzustellen? Ich frage mich: Ist eine Statistik,
die die tatsächlichen Gegebenheiten abbildet, eine Mani-
pulation oder ist nicht vielmehr eine Statistik, die ungenau
ist, die viele Fälle erfasst, die eigentlich gar nicht hinein-
gehören, ein falsches Abbild, das zu falschen Schlussfol-
gerungen führt?

Herr Storm, Sie haben über die verdeckte Arbeitslosig-
keit gesprochen. Woher kommen 1,2 Millionen Arbeits-
lose plötzlich? Sie wollen sie ebenfalls dem Minister
Riester „unter die Weste jubeln“. Sie tun so, als hätten Sie
vorher nie regiert, als hätte es in den 16 Jahren Ihrer Re-
gierungszeit keine, wie Sie sagen, „verdeckten Arbeitslo-
sen“ gegeben. Hören Sie damit doch auf! Was Sie hier ma-
chen, ist doch alles nur Wahlkampfgeplänkel!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Dr. Klaus Grehn

21845


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir haben jetzt die einmalige Chance, die vorhandenen
Statistiken zu entrümpeln, sie aussagekräftig und interna-
tional vergleichbar zu machen. Wenn wir von nun an eine
effizientere Vermittlung anstreben, mehr Qualität und
Kundenorientierung bei der Arbeitsverwaltung an den
Tag legen wollen und müssen, dann müssen wir auch die
notwendigen Grundlagen schaffen. Diese Grundlagen
bieten die bisherigen Statistiken, wie das Ergebnis des
Bundesrechnungshofes zeigt, leider nicht.

Herr Niebel, deshalb lohnt sich vielleicht ein Blick auf
das Institut der deutschen Wirtschaft; denn auch dort
bemängelt man, dass es auf der einen Seite eine große
Zahl von offenen Stellen gibt, dass es auf der anderen
Seite aber trotz vieler Arbeitsloser zu keiner Vermittlung
kommt. Als Grund ortet das IW einen Anteil von Arbeits-
losen, die aus unterschiedlichen Gründen für eine Ar-
beitsvermittlung faktisch nicht zur Verfügung stehen.
Deshalb fordert das IW auch eine andere Zählweise, eine
andere Statistik. Also: Warum verschließen Sie sich jetzt
und reden von Manipulation? Ausgerechnet Sie!


(Dirk Niebel [FDP]: Ich war so kooperativ!)

Wenn die Arbeitsämter offene Stellen besetzen sollen,
dann brauchen sie auch Arbeitshilfen, die ihnen das er-
möglichen. Was nützen ihnen Listen und Statistiken, die
nur scheinbar verfügbare Arbeitskräfte aufzeigen?

Die international standardisierte Arbeitslosenstatistik
definiert Verfügbarkeit so: Ein Arbeitsloser ist verfügbar,
wenn er innerhalb von zwei Wochen eine Arbeit aufneh-
men kann. Nach dieser Lesart hätte es – das müsste ei-
gentlich die CDU freuen – laut Mikrozensus 1997 in
Deutschland 585 000 Arbeitslose, also 13 Prozent der Er-
werbslosen, gegeben, die nicht in der Lage waren, dieses
Verfügbarkeitskriterium einzuhalten. Damit hätten Sie
Ihre Zahlen verbessern können. Hätten Sie das damals nur
gewusst!

Sie können doch niemanden glauben machen, dass Ih-
nen an nationalen Statistiken liegt, die im internationalen
Vergleich keinen oder nur geringen Aussagewert haben.
Ihnen geht es um Krawall, um Aufsehen und Spiegel-
gefechte.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Seien Sie doch ehrlich: Bei Ihnen ist jetzt Wahlkampf an-
gesagt, nicht Sachpolitik, und schon gar nicht sind die Ar-
beitslosen angesagt; sonst hätten Sie in den letzten drei-
einhalb Jahren den Standort Deutschland nicht ständig
heruntergeredet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Jetzt haben wir die einmalige Gelegenheit aufzuräu-
men – in den letzten dreieinhalb Jahren haben wir nichts
anderes getan, als das aufzuräumen und das wieder zu
richten, was Sie an die Wand gefahren und vernachlässigt
haben –,


(Dirk Niebel [FDP]: „Einmalige Gelegenheit“ ist die richtige Formulierung!)


jetzt haben wir die Gelegenheit, die Bundesanstalt für
Arbeit neu auszurichten und auch mit dem gesamten

Zahlenwerk klar Schiff zu machen, so wie es der Bundes-
rechnungshof fordert. Eigentlich müssten alle Arbeits-
marktpolitiker darüber froh sein und mitmachen; stattdes-
sen gehen Sie nur auf Wahlkampf und auf Stimmenfang
aus. Aber es wird Ihnen nicht gelingen, weil wir die drin-
gende Reform der Arbeitsmarktstatistik erst nach der
Bundestagswahl in Angriff nehmen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aha! Manipuliert wird nach der Wahl!)


Walter Riester hat Ihnen also schon wieder ein Spiel-
zeug aus der Hand geschlagen. Ich glaube schon, dass Sie
das ärgert, aber damit müssen Sie leben. Uns geht es da-
rum, den arbeitslosen Menschen zu helfen; Ihnen geht es
nur um Wahlkampf. Aber Sie werden sehen: Es nützt Ih-
nen nichts. Auch nach dem 22. September werden Sie auf
der Oppositionsbank sitzen. Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Nein, nein, wir nicht! Für uns weise ich das entschieden zurück, mit Abscheu!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422027900
Als
nächster Redner hat der Kollege Hans-Peter Friedrich von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) [CDU/CSU]: Herr
Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr
Andres, nachdem Sie sich an diesem Rednerpult so auf-
geführt haben, muss ich sagen: Bravo, Kollege Storm!
Die Rede hat gesessen!


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Jawohl!)

Sie haben hier wirklich als ein ertappter Sünder gestan-
den.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Auf welcher Veranstaltung waren Sie denn? In welcher Wirtschaft haben Sie da gesessen?)


Sie haben uns vorgeworfen, wir würden falsche Zahlen
verwenden. Ich möchte Sie gern einmal darauf hinweisen,
lieber Herr Staatssekretär, dass es im Januar 1999, im Ja-
nuar nach dem letzten Jahr der Regierung Kohl, 4,45 Mil-
lionen Arbeitslose in Deutschland gegeben hat. Wenn man
davon die 650 000 abzieht,


(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

die in den letzten drei Jahren aus demographischen Grün-
den aus der Statistik verschwunden sind, dann kommt
man auf 3,8 Millionen. In Wirklichkeit sind es jetzt aber
4,3 Millionen. Das zeigt das Versagen Ihrer Regierung in
der Arbeitsmarktpolitik!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich darf Sie an der Stelle daran erinnern, dass die SPD im

Wahlkampf 1998 noch wahnsinnig Angst gekriegt hat, weil
plötzlich die Konjunktur und vor allem die Arbeitsmarkt-
politik hervorragend gelaufen sind. Dann hat Herr Schröder
plakatieren lassen: Das ist mein Aufschwung.– Können
Sie sich noch daran erinnern? Wir können uns noch daran
erinnern. Jetzt wollen Sie diesen Aufschwung leugnen.


(Zuruf von der CDU/CSU: So war es!)





Doris Barnett
21846


(C)



(D)



(A)



(B)


Jetzt komme ich zu dem, was Sie, Herr Andres, heute
in der Fragestunde und in Ihrer Rede vorhin 13-mal – wir
haben mitgezählt – gesagt haben:


(Zuruf von der SPD: Das stimmt nicht! – Weitere Zurufe von der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Die haben das alles auswendig lernen müssen, damit keiner was Falsches sagt!)


Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, in dieser Le-
gislaturperiode die Statistik zu verändern. – Korrekt wäre
g
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422028000
Die Bundesregierung hat nicht mehr die Absicht, die
Statistik zu verändern.


(Renate Rennebach [SPD]: Das ist wirklich dummes Zeug – Dr. Uwe Küster [SPD]: Quatsch!)


Sie sind nämlich als ertappter Sünder von der deutschen
Öffentlichkeit, von der Presse und von der Opposition in
Ihre Schranken gewiesen worden. Das ist die Wahrheit!


(Beifall beider CDU/CSU und der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: So viel Quatsch! Ein Quatschmacher!)


Herr Staatssekretär, ich zitiere jetzt Agenturmeldungen
vom 23. Februar: „Wir werden die Statistik ergänzen um
diejenigen, die nachweisbar keine Vermittlung wollen“,
sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Arbeits-
ministerium Andres. Die Regierung wolle die Statistik
aussagekräftiger machen und dieses Projekt noch inner-
halb der nächsten drei Monate anpacken. – Erwischt! Der
Versuch, die Statistik zu fälschen und zu manipulieren, ist
gescheitert.


(Klaus Brandner [SPD]: Was ist daran falsch, dass das angepackt wird? – Dr. Uwe Küster [SPD]: Herr Friedrich ist von der PISA-Studie voll erfasst! – Weitere Zurufe)


– Das Thema, liebe Frau Dückert, ist und bleibt trotzdem
aktuell, weil nicht nur im Strafrecht, sondern auch in der
Politik schon der Versuch strafbar ist.

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich den Sinn ei-
ner Arbeitsmarkt- oder Arbeitslosenstatistik anschauen,
dann können Sie durchaus verschiedene Erklärungsversu-
che finden. Die eine Möglichkeit ist, dass man mit einer
solchen Statistik die Quantität eines Problems erfassen
will. Wenn das der Sinn ist, dann ist das richtig, was die
Kollegen schon gesagt haben: Dann müssen auch die
1,7 Millionen verdeckt Arbeitslosen, die ebenfalls einen
Arbeitsplatz suchen, mit in die Statistik aufgenommen
werden.


(Zuruf von der SPD: Das haben Sie doch immer geleugnet!)


Sie haben gesagt, dass Sie das nicht wollen. Also sehen
Sie den Sinn einer solchen Statistik darin wohl nicht.


(Klaus Brandner [SPD]: Hätten Sie doch geschwiegen!)


Die andere Möglichkeit ist, dass man mit einer solchen
Statistik Trends und Tendenzen feststellen will. Durch die
Fälschung der Statistik, die Sie vorhatten,


(Klaus Brandner [SPD]: Böse Unterstellung!)


haben Sie versucht, genau das unmöglich zu machen; die
Vergleichbarkeit der Statistiken über die Jahre wäre nicht
mehr gegeben gewesen.

In diesem Zusammenhang, lieber Herr Minister, haben
Sie das dümmste Argument angeführt, das es gibt, indem
Sie gesagt haben, die Vermittler in den Arbeitsämtern
müssten aus der Statistik ja wissen, wie viele Leute über-
haupt nicht arbeitswillig sind. Lieber Herr Minister, wenn
die Arbeitsvermittler vor Ort, die jeden Tag mit den Leu-
ten zu tun haben, nicht wissen, wer arbeitswillig ist und
wer nicht, woher sollen es dann die Beamten des Statisti-
schen Bundesamtes wissen? Das ist eine merkwürdige
Argumentation.


(Klaus Brandner [SPD]: Man merkt: Es spricht kein Fachpolitiker! Das ist wirklich ein Beweis dafür!)


Damit komme ich zum Kern der eigentlichen Proble-
matik. Das eigentliche Problem besteht darin, dass aus
dieser Statistik die politische Dimension des Problems Ar-
beitslosigkeit hervorgeht. Bereits Ihre Absicht, Ihr ge-
scheiterter Versuch, die Statistik zu fälschen, um das Pro-
blem der Arbeitslosigkeit klein zu reden und zu
verharmlosen, ist ein Schlag in das Gesicht der Menschen
in diesem Lande;


(Zuruf von der SPD: Hören Sie auf! Wer will den Kündigungsschutz wieder rückgängig machen?)


denn die Botschaft, die bei ihnen ankommt, ist folgende:
Wir können euer Problem leider nicht lösen, deswegen re-
den wir das Problem klein und verschleiern unsere Un-
fähigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP– Klaus Brandner [SPD]: Die Rede hätten Sie 1997 halten sollen! Das wäre gut gewesen! – Konrad Gilges [SPD]: Die Rede hätten Sie zur Zeit der Kohl-Regierung halten sollen!)


Das ist ein politischer Offenbarungseid nicht nur des Ar-
beitsministers, sondern – mit Verlaub – auch des Bundes-
kanzlers. Der Herr Bundeskanzler hat wohl erst gestern so
richtig begriffen, dass dieser Fälschungsversuch, dieses
Betrugsmanöver auf ihn zurückfällt. Deswegen hat er ges-
tern den Befehl zum Rückzug gegeben.


(Zurufe von der SPD)

Das Schlimmste an der ganzen Geschichte aber ist Ihre

mangelnde Selbstkritik. Sie versuchen, die Themen zu
verdrängen. Deswegen sage ich Ihnen: Sie müssen, wenn
Sie das Problem der Arbeitslosigkeit lösen wollen, end-
lich die rot-grünen Arbeitsplatzbremsen in Deutschland
beseitigen. Ich fordere Sie auf: Packen Sie es endlich an,
sonst können Sie nämlich bald einpacken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Brandner [SPD]: Das war eine Luftrede!)





Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)


21847


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422028100
Das Wort
hat jetzt der Kollege Wolfgang Grotthaus von der SPD-
Fraktion.


(Klaus Brandner [SPD]: Der hat wenigstens Ahnung!)



Wolfgang Grotthaus (SPD):
Rede ID: ID1422028200
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Bei einigen Re-
debeiträgen kam mir das Sprichwort in den Sinn, das wir
im Ruhrgebiet verwenden: Haltet den Dieb, er hat mein
Messer im Rücken! – Die Verursacher bestimmter Vor-
gänge reklamieren hier und heute auf einmal Dinge, die
sie selbst hätten regeln können; denn was in der Bundes-
anstalt für Arbeit gelaufen ist, ist ja nicht erst seit den letz-
ten Wochen oder Monaten so gelaufen. Das ist während
Ihrer Regierungszeit so gelaufen und Sie haben es nicht
gemerkt, halten uns diese Vorgänge aber heute vor.

Der Kollege Niebel von der FDP hat hier in Bezug auf
die Zahlen mehr Ehrlichkeit angemahnt, obwohl er selbst
über die Presse transportiert hat, dass er die Methoden der
Bundesanstalt für Arbeit in Bezug auf die Arbeitslosen-
statistik selbst mit beeinflusst hat, und zwar so, dass sie
heute kritikwürdig sind.


(Dirk Niebel [FDP]: Nein, nein!)

Angesichts dessen muss ich sagen: Da wird der Täter auf
einmal zum Richter. Herr Niebel, statt hier von Arbeitslo-
senstatistikfälschern zu sprechen und Ehrlichkeit zu re-
klamieren, sollten Sie sich einmal darauf besinnen, wie
Sie damals gehandelt haben, als Sie damals dort waren.
Sie hätten eigentlich verantwortungsbewusst handeln
können, indem Sie Ihre Vorgesetzten darüber informiert
hätten, wie es um diese Statistiken tatsächlich bestellt ist.
Stattdessen stellen Sie sich hierhin, klagen das an und ma-
chen uns noch Vorwürfe, wenn wir erklären, dass wir Sta-
tistiken transparenter machen und differenzierter ausge-
stalten wollen!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


Worum geht es hier eigentlich? Die Prüfung des Bun-
desrechnungshofes zur Ermittlung der tatsächlichen Ver-
mittlung von Arbeitslosen durch die Arbeitsämter, Herr
Niebel, hat gezeigt, wie notwendig es ist, sich Gedanken
über die tatsächliche – ich betone: tatsächliche – Zahl der
Arbeitssuchenden zu machen. Es geht nicht darum, Men-
schen aus der Statistik herausfallen zu lassen; das wissen
Sie.


(Zuruf von der CDU/CSU: Doch!)

Vielmehr geht es darum, aussagekräftige und verwertbare
Daten zu bekommen, um nachvollziehen zu können, wer
arbeitssuchend ist und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung
steht und wer arbeitslos gemeldet ist, dem Arbeitsmarkt
aber nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht.


(Zuruf des Abg. Dirk Niebel [FDP])

– Nein. Ergebnis muss also das sein, was wir im Job-
Aqtiv-Gesetz festgeschrieben haben, nämlich eine effizi-
entere Vermittlung zu bekommen und damit die Mitarbei-

terinnen und Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit
oder der Arbeitsämter stärker auf die Menschen zu kon-
zentrieren, die dem Arbeitsmarkt tatsächlich zur Verfü-
gung stehen.

Ich will Ihnen dazu ein Beispiel nennen. Ich komme
nun aus – –


(Dr. Klaus Grehn [PDS]: Wer nicht zur Verfügung steht, bekommt kein Geld! – Dirk Niebel [FDP]: Verfügbarkeit ist eine Anspruchsvoraussetzung!)


– Herr Grehn, dort, wo Sie vor ungefähr 15 Jahren Statis-
tiken aufgestellt hatten, waren die Jungen und Mädel nicht
in Arbeit, sondern in staatlich finanzierten Arbeitsbe-
schaffungsmaßnahmen. Die Statistiken, die Sie noch in
Erinnerung haben, sollten Sie vielleicht auch noch ein we-
nig durchforsten.


(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Im Ruhrgebiet

schließt in einer Stadt eine Zeche, 4 000 Menschen wer-
den arbeitslos. Im Allgemeinen sind davon 25 Prozent
älter als 50 Jahre. Diese 25 Prozent, also rund 1 000 Men-
schen, haben gemäß Montananpassung das Recht, in den
Vorruhestand zu gehen. Sie stehen damit dem Arbeits-
markt nicht mehr zur Verfügung. Sie können dem Arbeits-
amt signalisieren: Nein, wir wollen nicht vermittelt wer-
den. Sie bekommen aber Leistungen vom Arbeitsamt.
Jetzt frage ich: Sollen sich die Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter des Arbeitsamtes auch um diese 1 000 kümmern?
Ist es nicht zweckmäßig, sich um die anderen zu küm-
mern, die tatsächlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung
stehen?


(Dirk Niebel [FDP]: Wollen Sie denen denn das Geld streichen? – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie sind doch wohl das Letzte an Kapazität!)


– Nein, denen will gar keiner das Geld streichen. Es
kommt darauf an, die Statistik transparenter zu machen.


(Dirk Niebel [FDP]: Anspruchsvoraussetzung ist die Verfügbarkeit!)


– Ich muss Ihnen nur ins Gesicht schauen, Herr Niebel,
dann weiß ich, wie ich Ihre Frage zu bewerten habe. Sie
nehmen Ihre Fragen selbst nicht ernst. Von daher ist es
eigentlich auch dumm, überhaupt auf Ihre Fragen einzu-
gehen.


(Beifall bei der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Ich nehme sie sehr ernst!)


Es wird also, um dies festzuhalten, keine Veränderung
in der Summe der Arbeitslosenzahlen geben, vielmehr
werden die Arbeitslosen genauer unter den Gesichtspunk-
ten, weshalb sie arbeitslos sind und ob sie noch vermittel-
bar sind, erfasst. Dies wissen Sie. Sie wissen auch, dass
dies im Rahmen der Neustrukturierung der Bundesanstalt
für Arbeit notwendig ist.

Mit dieser Aktuellen Stunde hier und heute – das hat
die Kollegin gerade schon gesagt – wollen Sie Wahlkampf
machen. Das ist Ihr gutes Recht, aber wir werden Ihnen






(C)



(D)



(A)



(B)


das nicht durchgehen lassen; das werden Sie feststellen.
Was wir wollen, werden besonders die Menschen erken-
nen, denen Sie hier suggerieren wollen, dass sie von un-
serer Maßnahme betroffen seien, und zwar dann, wenn
zum ersten Mal die unterschiedlichen Zahlenstrukturen
auf dem Tisch liegen. Spätestens dann werden die Mit-
bürgerinnen und Mitbürger erkennen:


(Klaus Brandner [SPD]: Wir kümmern uns um die Menschen! Die wollen den Kündigungsschutz abschaffen!)


Auch hier – das habe ich Ihnen schon mehrere Male ge-
sagt – hat die Opposition nach dem Motto gehandelt: ver-
unglimpfen, verunsichern, Panik verbreiten und daraus
dann noch politisches Kapital schlagen. Die Menschen in
unserer Republik sind nicht so dumm, dass sie das nicht
erkennen. Von daher werden Sie am 22. September die
Quittung bekommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Wer die Quittung bekommt, ist noch nicht ganz heraus! – Zuruf von der CDU/CSU: Das sieht man an den Umfragen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422028300
Das Wort
hat der Kollege Peter Weiß von der CDU/CSU-Fraktion.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1422028400
Herr Präsi-
dent! Meine Damen und Herren! Nachdem ich die Vertei-
digungsreden der rot-grünen Redner und vor allen Dingen
di
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1422028500
Getroffene Hunde bellen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Herr Weiß wieder einmal ohne Weisheit!)


Der Herr Staatssekretär bemüht die Ausrede, auch
früher habe es Statistikanpassungen gegeben. Das ist
wahr. Aber noch nie hat es kurz vor einer Bundestagswahl
einen so dreisten Versuch gegeben, 1,2 Millionen Ar-
beitslose schlichtweg aus der Statistik herauszurechnen.
Das ist einmalig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch Lüge, was Sie hier erzählen! Es ist schlichtweg eine Lüge, und Sie wissen das, das ist das Schlimme!)


Wenn Sie sich, Herr Staatssekretär, schon rühmen, die
Arbeitslosigkeit habe heute zahlenmäßig noch nicht den
Höchststand erreicht, den es unter der Kohl-Regierung
gegeben hat, dann hätten Sie ehrlicherweise, wenn Sie
schon unbedingt mehr Transparenz herstellen wollen, die
Rechnung aufmachen müssen,


(Klaus Brandner [SPD]: Grimms Märchen sind das, die hier verbreitet werden!)


die hier schon einmal aufgemacht worden ist, dass näm-
lich Sie, die rot-grüne Koalition, auf dem Arbeitsmarkt
ausschließlich von der Tatsache profitieren, dass Monat
für Monat mehr ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-

mer aus Altersgründen in den Ruhestand treten, als dass
junge Leute neu in den Arbeitsmarkt eintreten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP– Klaus Brandner [SPD]: Es ist eine Frechheit, das so darzustellen! Verantwortungslos ist das, was Sie jetzt machen, Herr Weiß!)


Wenn Herr Andres im Sinne seiner neuen Transparenz das
dazugerechnet hätte, hätte er sagen müssen, dass die Ar-
beitslosigkeit heute höher liegt, als sie je unter Kohl ge-
wesen ist. Das sind die Fakten!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD)


Nein, meine Damen und Herren, es zeigt sich immer
deutlicher: Das war eine raffiniert eingefädelte Sache. Sie
von Rot-Grün haben bewusst an dem Tag, an dem die
neuen Arbeitslosenzahlen verkündet wurden, die Ge-
schichte mit der Vermittlungsstatistik der Bundesanstalt
für Arbeit in die Welt gesetzt.


(Franz Thönnes [SPD]: Sie Weißmacher!)

Das war eine von Ihnen gezielt geplante Aktion, ein Ab-
lenkungsmanöver;


(Klaus Brandner [SPD]: So schlecht, wie Sie denken, können wir gar nicht denken!)


denn seit diesem Tag wird in Deutschland über Statis-
tikfragen diskutiert. Aber der eigentliche Skandal in
Deutschland sind nicht die Statistiken, sondern ist die
Massenarbeitslosigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP– Klaus Brandner [SPD]: Nein, der eigentliche Skandal ist die schwache Opposition, die darauf angewiesen ist, mit Lügen und Tricks aufzutreten!)


Der Skandal sind 4,3 Millionen Arbeitslose im Januar
dieses Jahres und voraussichtlich 4,32 Millionen im
Februar dieses Jahres. Im jährlichen Durchschnitt liegt
die monatliche Arbeitslosigkeit bei 4 Millionen. Das
Katastrophalste – darüber reden Sie schon gar nicht mehr –
ist, dass die Arbeitslosenzahl in den neuen Bundesländern
mit 1,3 Millionen den höchsten Stand seit der Wiederver-
einigung erreicht hat.


(Zuruf von der CDU/CSU: Pfui! – Dirk Niebel [FDP]: Chefsache Ost!)


Das nennt man Aufbau à la Schröder.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Weiermann [SPD]: Sie wollten den Kündigungsschutz abschaffen!)


Die Bevölkerung weiß es: Das eigentliche Problem der
Arbeitslosigkeit ist kein Statistikproblem, sondern das Er-
gebnis einer verfehlten Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspo-
litik dieser rot-grünen Bundesregierung. Nicht die Statis-
tik, sondern die Politik muss geändert werden!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Brandner [SPD]: Spärlicher Beifall!)


Aber wenn man schon beim Fälschen von Statistiken
ist, dann macht es nichts, wenn man noch eins draufsetzt.




Wolfgang Grotthaus

21849


(C)



(D)



(A)



(B)


Deshalb denkt zumindest Walter Riester frei nach
Wilhelm Busch: Ist der Ruf erst ruiniert, lügt es sich ganz
ungeniert.


(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Brandner [SPD]: Pfui!)


Die Meldung, dass dieser Bundesarbeitsminister 1,2 Mil-
lionen Arbeitslose aus der Statistik streichen will, ist doch
nicht von der Opposition in die Welt gesetzt worden. Sie
stammt aus dem Haus, für das dieser Minister Verantwor-
tung trägt.


(Erika Lotz [SPD]: Wahlkampf pur!)

Ich zitiere Reuters vom 23. Februar:
Die Regierung wolle die Statistik aussagekräftiger
machen und deshalb Arbeitslose, die nicht ernsthaft
nach einer neuen Stelle suchten, aus den Erhebungen
herausrechnen, sagte ein Sprecher von Bundes-
arbeitsminister Walter Riester (SPD) am Samstag in
Berlin.

Das ist eine Nachricht, die Sie in die Welt gesetzt haben
und für die Sie geradestehen müssen.


(Konrad Gilges [SPD]: Die Nachricht ist doch richtig! Was ist denn daran falsch?)


Das zeigt die Notwendigkeit dieser Aktuellen Stunde.
Nur durch diese Aktuelle Stunde und die öffentliche
Debatte werden Sie gezwungen, sich dazu zu bekennen,
dass Sie eine solche Manipulation geplant haben, und sie
zu unterlassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Konrad Gilges [SPD]: Was hat das mit Manipulation zu tun?)


Meine Damen und Herren von Rot-Grün,

(Klaus Brandner [SPD]: Herr Weiß, dass Sie auf so ein Niveau absacken!)

Sie können meinetwegen alle möglichen Statistiken fäl-
schen und verändern;


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Also, jetzt mal Vorsicht mit der Wortwahl!)


aber eine Zahl können Sie nicht manipulieren:

(Wolfgang Weiermann [SPD]: So etwas gibt es doch gar nicht!)

Heute in exakt 208 Tagen ist Bundestagswahl. Dann kön-
nen die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land endlich
mit diesem rot-grünen Spuk und Hokuspokus Schluss ma-
chen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422028600
Das Wort
hat die Kollegin Renate Rennebach von der SPD-Frak-
tion.


(Klaus Brandner [SPD]: Gib’s ihm, Renate!)



Renate Rennebach (SPD):
Rede ID: ID1422028700
Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! „Was ich selber lass und tu, trau ich auch
allen anderen zu.“ Das ist der Eindruck, den Ihre Redner
heute hier hinterlassen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Um Wahrheit und Klarheit in die Statistik zu bekom-
men, werden wir in den nächsten Wochen und Monaten
eine Reihe von Diskussionen haben. Aber es gilt das, was
Staatssekretär Andres im Namen der Bundesregierung
hier gesagt hat und wofür auch wir von der SPD-Fraktion
und von Bündnis 90/Die Grünen stehen: In dieser Legis-
laturperiode wird an der Art der Statistik nichts geändert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Hier ist heute mehrfach über die Sinnhaftigkeit dieser
Aktuellen Stunde diskutiert worden. Ich muss Ihnen ganz
ehrlich sagen: Ich habe etwas anderes im Sinn. Wir haben
seit 1. Januar das Job-Aqtiv-Gesetz, ein Gesetz, das die
Bundesanstalt für Arbeit, die Vermittler, die Politiker, die
Arbeitslosen und die Arbeitgeber dazu aufruft, gemein-
sam verstärkt dafür zu sorgen, Menschen wieder in Arbeit
zu bringen.

Was tun Sie? Erstens demotivieren Sie durch Ihre Ak-
tuellen Stunden die Menschen draußen im Lande. Sie
glauben nicht mehr an eine Besserung.

Zweitens demotivieren Sie die Arbeitsvermittler, die
vermitteln wollen.


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Sie beschimpfen die Arbeitsvermittler!)


Drittens demotivieren Sie die Arbeitslosen, die endlich
die Hoffnung haben, dass es nicht mehr ein halbes Jahr
dauert, bis ihr Fall vom Arbeitsamt bearbeitet wird. Sie
wollen in der Tat vermittelt oder qualifiziert werden,
damit sie auf dem ersten Arbeitsmarkt eingesetzt werden
können.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So lange Sie dem Mittelstand die Luft zum Atmen nehmen, werden Sie nichts bewirken!)


Sie machen mit Ihrem Gerede die Menschen mutlos.
Sie versündigen sich an den Arbeitslosen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Wer ist denn für die Arbeitslosigkeit verantwortlich? Das sind doch Sie!)


Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Das geht mir alles zu weit.
Wir brauchen alle Kräfte – wenn es geht, auch die der

Opposition –, um den Menschen Mut zu machen, die Ver-
mittlung des Arbeitsamtes in Anspruch zu nehmen, sich
beraten und qualifizieren zu lassen, damit sie einen Ar-
beitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt finden können. Sie
aber versündigen sich an diesen Menschen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. HansPeter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Wer euch kritisiert, ist ein schlechter Mensch!)





PeterWeiß (Emmendingen)

21850


(C)



(D)



(A)



(B)


Auch Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von
der CDU/CSU und der FDP, sind der Wahrheit verpflich-
tet. Herr Niebel hatte eine Sternstunde, als er zugab, er
habe sich nie an Erlasse des Arbeitsministers Blüm und
des Präsidenten Jagoda gehalten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Stimmt doch gar nicht!)


Damit hat er dazu beigetragen, dass in der Bundesanstalt
jeder machen konnte, was er wollte. Damit muss Schluss
sein!


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt ist der Niebel noch an allem Schuld! – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Wir müssen gemeinsam handeln. Sie dürfen uns mit
Ihren Vorwürfen nicht in den Rücken fallen.

Danke.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422028800
Das Wort
hat jetzt der Kollege Wolfgang Meckelburg von der
CDU/CSU-Fraktion.


Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1422028900
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatten um die
Statistik der Bundesanstalt für Arbeit und um die
Vorgänge bei der Bundesanstalt für Arbeit sind so, wie sie
von Ihrer Seite – also von Rot-Grün und von Regierungs-
seite – geführt werden, unerträglich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das geht sogar so weit, Herr Staatssekretär Andres,


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Er ist schon abgehauen! Er ist auf der Flucht!)


dass Sie vorhin in der Fragestunde geradewegs behauptet
haben, Schröder habe nie versprochen, dass eine Zahl von
3,5 Millionen Arbeitslosen erreicht werden sollte. Ich zi-
tiere zur Erinnerung:

Wenn wir es nicht schaffen, die Arbeitslosenquote
signifikant zu senken, dann haben wir es weder ver-
dient, wiedergewählt zu werden, noch werden wir
wiedergewählt.

So wird es sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So wird es kommen!)


Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Regie-
rungskoalition, noch eine Aussage zu der Zahl von
3,5 Millionen Arbeitslosen haben wollen, dann darf ich
Sie an das Blackout-Interview von Schröder im letzten
Jahr erinnern, in dem er sogar ein Absinken auf 3 Milli-
onen versprochen hatte. Der Regierungssprecher musste
anschließend erklären, dass nur eine Zahl von 3,5 Milli-
onen gemeint sei.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das ist wie mit Brutto und Netto!)


Regierungsamtlich haben Sie für dieses Haushaltsjahr in-
zwischen festgestellt, dass es fast 4 Millionen Arbeitslose
sein werden.

Das waren meine Bemerkungen zu der Arbeitslosen-
zahl und zu den Erwartungen, die Sie geweckt haben. Sie
werden Ihr Ziel nicht erreichen.

Eigentlich hatte ich nach den Vorgängen dieser Woche
erwartet, dass Sie, Herr Arbeitsminister, nun behaupten,
es gebe keine Arbeitslosen mehr. Sie standen kurz vor ei-
ner solchen Aussage; die Statistik sollte in der Tat ge-
fälscht werden.


(Doris Barnett [SPD]: Was waren dann Ihre Änderungen? Alles Verfälschungen?)


Herr Arbeitsminister, ich spreche Sie jetzt konkret an.
Einer Reuters-Meldung vom 23. Februar kann man Fol-
gendes entnehmen:

Die Regierung wolle die Statistik aussagekräftiger
machen und deshalb Arbeitslose, die nicht ernsthaft
nach einer neuen Stelle suchten, aus den Erhebungen
herausrechnen, sagte ein Sprecher von Bundes-
arbeitsminister Walter Riester (SPD) am Samstag in
Berlin.

Die nachfolgenden Sätze spare ich mir.
Es gab von Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, offen-

sichtlich die Absicht, die Arbeitslosenstatistik noch in die-
sem Jahr zu schönen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD)


– Hören Sie bitte einmal zu! – Im Internet-Magazin „Spie-
gel Online“ von heute ist unter der Überschrift „Riester-
Rüffel – Schröder will Arbeitslosenstatistik erst nach der
Wahl schönen“ zu lesen:


(Klaus Brandner [SPD]: Haben Sie keine eigene Meinung, dass Sie nur ablesen?)


Arbeitsminister Walter Riester wollte die umstrittene
Reform der Arbeitslosenstatistik so schnell wie mög-
lich durchziehen. Nun hat ihn Bundeskanzler Gerhard
Schröder zurückgepfiffen. Die Korrektur der Statistik
soll erst nach der Bundestagswahl erfolgen.

Dann wird Frau Dückert zitiert – jetzt sollten Sie von
der SPD überlegen, ob Ihnen die Nähe zu den Grünen
noch gefällt –: „Eine schnelle Korrektur, wie Riester sie
wollte, wird es nicht geben.“

Verehrter Herr Arbeitsminister, ich fordere Sie auf – Sie
könnten hier noch sprechen; ich würde gerne endlich von
Ihnen etwas hören –, klipp und klar zu sagen, ob Sie wirk-
lich vorhatten, die Arbeitslosenstatistik vor der Wahl zu
schönen oder nicht. Ein klares Ja oder Nein würde genügen.

Es reicht mir nämlich langsam: Wir haben erlebt, dass
Sie während der gesamten Affäre um die Bundesanstalt
für Arbeit zwei, drei Wochen lang Jagoda als Schutzschild
vor sich hergetragen haben. Dann haben Sie ihn fallen las-
sen und plötzlich stehen Sie als Retter und Reformator in
Bezug auf die Bundesanstalt für Arbeit da. Sie haben erst
jetzt festgestellt, dass bei der Arbeitslosenvermittlungs-
statistik die Zahlen nicht stimmen – und das in einem Jahr,




Renate Rennebach

21851


(C)



(D)



(A)



(B)


in dem im Rahmen des Job-Aqtiv-Gesetzes die Vermitt-
lung im Zentrum gestanden hat. Ich verstehe das alles
nicht!


(Klaus Brandner [SPD]: Das ist weiterhin so!)

Alle haben etwas gewusst, nur der Minister nicht. Das

Ergebnis ist: Riester hat sich – auch heute ist das so – tot
gestellt, Tegtmeier und Jagoda wurden kaltgestellt, die
Statistik würde, wenn es nach Ihnen ginge, umgestellt und
im Handeln wird wie immer alles zurückgestellt. Das ist
die Politik der Regierungskoalition, die wir in diesem Jahr
erleben. So kann das nicht weitergehen!


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein letztes Beispiel, um einmal zu zeigen, wie hand-

lungsfähig Sie wirklich sind – denn das geht einem, wie
man im Ruhrgebiet sagt, wirklich auf den Keks –: Am
letzten Freitag tritt Bundeskanzler Schröder vor die
Presse und sagt: Hier ist der große Retter. Wir machen
eine Reform bei der Bundesanstalt und tauschen die Per-
sonen aus. – Man muss sich das einmal vorstellen: Am
Freitag hieß es: „Wir handeln; wir tun etwas“ und heute
wird uns im Ausschuss erklärt,


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie blockieren jetzt, weil Sie überhaupt nicht fähig sind für eine Reform! Das ist die Tatsache!)


dass die Regelung bezüglich der Zusammensetzung des
neuen Vorstandes der Bundesanstalt für Arbeit und die
Regelungen in Bezug auf die private Vermittlung, die Sie
plötzlich entdeckt haben,


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt hier entdeckt? Die haben wir schon im Job-Aqtiv-Gesetz drin!)


an ein Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitneh-
mervertreter in den Aufsichtsrat angehängt werden sollen.
Das hat doch gar nichts miteinander zu tun. Das ist über-
triebene Schnelligkeit.

Wir haben Ihnen gesagt: Wenn ihr dazu eine Anhörung
machen wollt, dann legt die Gesetzestexte doch heute vor.
Wirkliches Handeln hätte heute im Ausschuss passieren
können. Sie haben geantwortet: Die Texte sind noch nicht
da. Dann haben wir Ihnen gesagt: Bringt den Gesetz-
entwurf morgen früh ganz normal ein; dann kommt er auf
die Tagesordnung. Dazu sind Sie nicht in der Lage. Ich
habe angeboten, dass wir am Freitag eine zusätzliche Sit-
zung durchführen. Dazu sind Sie nicht in der Lage.

Was passiert jetzt? Sie tun genau das, was Sie im Jahr
1999 in chaotischer Art und Weise gemacht haben: Mit
Hektik wird etwas zusammengestoppelt. Am Freitag
nächster Woche müssen wir eine Sondersitzung abhalten
und drei Tage später soll eine Anhörung stattfinden. Das
ist Handeln à la SPD, wie es schon 1999 der Fall war. Sie
werden im Wahljahr 2002 Ihr Desaster erleben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP– Klaus Brandner [SPD]: Aber ein bisschen eleganter gegenüber Ihrer Zeit!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422029000
Das Wort
hat jetzt der Kollege Franz Thönnes von der SPD-Fraktion.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Ich hätte jetzt eigentlich Herrn Riester erwartet!)



Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1422029100
Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Ihnen ist hier mehrfach er-
klärt worden, dass die Bundesregierung – die Koalitions-
fraktionen unterstützen das – nicht die Absicht hat, in die-
ser Legislaturperiode die Statistik zu verändern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU und FDP)


Ich habe Verständnis dafür, dass das bei den Menschen,
die das draußen hören, dadurch, dass wir Ihnen das hier
sehr oft sagen, in das rechte Ohr hinein- und aus dem lin-
ken Ohr wieder hinausgeht und dass nichts dazwischen
ist, was diese Aussage aufhalten könnte.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wie Sie sich hier aufführen, wenn Sie versuchen, den
Eindruck zu erwecken, Sie hätten uns getroffen! Das verhält
sich ungefähr so, als wenn ein Jäger, der an einem Hasen
einmal knapp links und einmal knapp rechts vorbeischießt,
glaubt, er habe den Hasen im Durchschnitt getroffen.


(Beifall der Abg. Renate Rennebach [SPD])

Sie treffen uns damit überhaupt nicht.

Wir nehmen die diesbezügliche Untersuchung des IAB
zum Anlass, zu sagen: Wir brauchen in der Arbeitslosen-
statistik mehr Transparenz.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist richtig!)

Das gilt für die 5 Prozent, die trotz einer Arbeitslosen-
meldung bereits sicher eine neue Stelle haben. Das gilt für
die 15 Prozent, die auf den Renteneintritt warten, die sich
arbeitslos melden, um Ausfallzeiten bei der Rente geltend
machen zu können. Das gilt für Unterhaltsempfänger und
Sozialhilfebezieher, die Kindergeld beziehen; das sind
rund 7 Prozent. Diese Transparenz wird notwendig sein.

Wenn man einfach zur Kenntnis nimmt – das haben Sie
ja noch nicht getan –, welche Aufgabe das Job-Aqtiv-Ge-
setz hat, dass nämlich jemand, der sich arbeitslos meldet,
ein Profiling bekommt, dass man schaut, was er kann und
was seine Interessen sind und wo man ihn eingliedern
kann, dann wird man einsehen, dass es notwendig ist, in
diesem Prozess auch die Merkmale festzuhalten, die nicht
zu einer Eingliederung führen oder bewirken, dass derje-
nige möglicherweise nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur
Verfügung stehen kann.

Wir haben bereits im Januar darauf hingewiesen, dass
die Statistik in der nächsten Legislaturperiode geändert
werden soll. Das scheint bei Ihnen überhaupt nicht ange-
kommen zu sein.

Ich sage Ihnen eines: Die Betroffenen, von denen Sie
immer reden, die Arbeitslosen, haben ein Recht darauf,




Wolfgang Meckelburg
21852


(C)



(D)



(A)



(B)


dass die entsprechenden Zahlen und ihre Situation ernst-
haft betrachtet und erläutert werden,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


und dass nach individuell vernünftigen Auswegen ge-
sucht wird. Auch die Beitragszahlerinnen und Beitrags-
zahler, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, haben ein Recht
darauf, dass ihre Beiträge wirksam und wirtschaftlich ein-
gesetzt werden. Man braucht eine transparente Struktur,
wenn man diese Mittel optimal einsetzen will.

Elfmal – so ist es zwischenzeitlich gesagt worden – ist
bei Ihnen getrickst und getäuscht worden; elfmal haben
Sie in Ihrer Regierungszeit an der Arbeitslosenstatistik im
Kern etwas geändert. Das war der Fall bei den Empfän-
gern von Leistungen unter erleichterten Voraussetzungen
1986; das war der Fall, als diejenigen Bezieher von Ar-
beitslosenhilfe, die Kinder betreuen, herausgenommen
wurden; das war der Fall, als diejenigen Bezieher von Ar-
beitslosenhilfe herausgenommen wurden, die mit Zustim-
mung des Arbeitsamtes gemeinnützige, zusätzliche Arbeit
verrichteten. Sie wissen überhaupt nicht, was sie wollen.
Herr Laumann erklärt, man sei vehement gegen eine Än-
derung der Statistik. Herr Wissmann erklärt, man brauche
eine neue Definition von Arbeitslosigkeit.


(Zuruf von der CDU/CSU: Da haben Sie Herrn Laumann aber falsch zitiert!)


Er fordert mehr Transparenz in der Statistik und in der
statistischen Erfassung und einfachere Regelungen.
Schließlich sagt Herr Repnik: „Es gibt keinen Nachbes-
serungsbedarf“, fordert aber gleichzeitig, ABM und Weiter-
bildung in die Statistik hineinzunehmen. Wie gesagt: Sie
wissen überhaupt nicht, was los ist; Sie reden durcheinander
wie ein Hühnerhaufen. Wenn Sie sich einmal anschauen,
wie die Arbeitslosenstatistik aufgebaut ist, dann sehen Sie,
dass ABM und SAM dort bereits ausgewiesen werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wer getrickst hat, das waren Sie im Wahljahr 1998. Im
Januar 1998 hatten wir 131 000 ABM-Fälle, im Oktober
281 000; das sind 150 000 mehr. Sie können daran sehr gut
sehen, wie die Kurve nach oben getrieben worden ist, wie
die Zahlen nach oben gegangen sind. Bei SAM war es so-
gar ein Plus von 117 000, um das Sie die SAM auf 221 000
nach oben geschraubt haben. Das heißt, die von Ihnen zu
verantwortende Arbeitslosigkeit hätte unter Zugrundele-
gung Ihrer eigenen Berechnung bei 4,8 Millionen gelegen,
als Sie abgewählt worden sind. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Karl-Josef Laumann [CDU/ CSU]: Das ist überhaupt nicht wahr! Unsinn!)


Damit wird deutlich: Täuschen, tricksen, ignorieren –
das ist Ihr Metier. Ich denke dabei insbesondere an den
Kollegen Niebel, der sagt: Nach den Erlassen habe ich
mich nie gerichtet.


(Dirk Niebel [FDP]: Weil ich nicht alles als Vermittlung gebucht habe, was ich als Vermittlung hätte buchen können! Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis! – Gegenruf von der SPD: Fälscher!)


Er stellt sich heute hin und will über uns zu Gericht sitzen.
Ich sage Ihnen: Für Sie hat die Statistik die gleiche Be-
deutung wie die Laterne für einen Betrunkenen: Sie dient
ihm mehr zum Festhalten als zur Erleuchtung. Wie viel
Bereitschaft bei Ihnen vorhanden ist, Erleuchtung in Ihre
eigenen dunklen Machenschaften zu bringen, das haben
wir ja in der Vergangenheit gesehen, als es um die
Schwarzgelder ging. Da ist ja noch nicht alles aufgeklärt.
Das fiel in Ihre Regierungszeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU)


Am Ende bleibt: Wir haben heute 1,1 Millionen Er-
werbstätige mehr als zu Ihrer Regierungszeit; wir haben
500 000 Arbeitslose weniger. Das Job-Aqtiv-Gesetz wird
greifen und Ihre Kassandrarufe werden am Ende verhallen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Karl-Josef Laumann [CDU/ CSU]: Das hat der Mann doch gar nicht nötig, eine solche Rede zu halten!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422029200
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Dorothea Störr-Ritter von der
CDU/CSU-Fraktion.


Dorothea Störr-Ritter (CDU):
Rede ID: ID1422029300
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! „Wir
sind auf dem richtigen Weg“ – so eine Anzeige der SPD
in der „Bild“-Zeitung vom 23. Februar 2002. Meine sehr
verehrten Damen und Herren von der SPD, den Inhalt die-
ser Anzeige glauben Sie doch selbst nicht mehr.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Doch! Wir sind gläubige Menschen!)


Wie können Sie auf dem richtigen Weg sein,

(Renate Rennebach [SPD]: Wir lesen im Aus schuss nicht die „Bild“-Zeitung!)

wenn eine immer größere Mehrheit der Bevölkerung mit
Ihrer Regierungspolitik unzufrieden ist? Wie können Sie
auf dem richtigen Weg sein, wenn die Arbeitslosigkeit im
letzten Jahr der Kohl-Regierung um einen Großteil zu-
rückgegangen ist, in den Jahren Ihrer Regierung aber stän-
dig ansteigt?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wie können Sie auf dem richtigen Weg sein, wenn
die neuesten Umfragen ergeben, dass 30 Prozent der Be-
fragten Edmund Stoiber zutrauen, die Arbeitslosigkeit zu
senken, und nur 10 Prozent dem Bundeskanzler, Arbeits-
plätze zu schaffen?


(Franz Thönnes [SPD]: Wir werden sehen, wie das ausgeht!)


Wie können Sie auf dem richtigen Weg sein, wenn Sie nun
von all diesen Problemen ablenken wollen, indem Sie zu-
mindest den Versuch unternehmen, die Arbeitslosensta-
tistik zu manipulieren?


(Konrad Gilges [SPD]: Frau Kollegin, am 22. September wird abgerechnet!)





Franz Thönnes

21853


(C)



(D)



(A)



(B)


Diese wundersame Wertberichtigung außerhalb ver-
lässlicher Rechtsgrundlagen will die Regierung nun zum
Anlass nehmen, über die Situation auf dem Arbeitsmarkt
zu täuschen. Aber mit dieser Regierung steht nichts zum
Besten. Nun muss auch noch das Thema Arbeitslosen-
statistik dafür herhalten, die wirtschaftspolitische Unfä-
higkeit der Regierung zu kaschieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Auch wenn Sie das nicht gerne hören: Ein Kaschmir-
mantel allein macht keinen guten Regierungschef. Die-
sem Trugschluss ist der Bundeskanzler sehr bald erlegen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Wolfgang Weiermann [SPD]: Ach Gott, so etwas Billiges!)


Die Wirklichkeit hat Sie nun eingeholt. Ein solcher Trug-
schluss gibt auch nicht das Recht, die Bevölkerung zu be-
trügen und zu täuschen. Ob die Haare – gefärbt oder nicht
gefärbt – frisiert werden müssen, ist die eine Sache. Aber
eine Arbeitslosenstatistik auf diese Art und Weise zu fri-
sieren, ist eine ganz andere Sache.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Angeblich Arbeitsunwillige – so war es zu lesen –

gehören nicht in diese Statistik, sie passen dort nicht hi-
nein. Wie wollen Sie – das frage ich auch den Arbeits-
minister – die Arbeitsunwilligkeit herausfinden? Glauben
Sie denn allen Ernstes, dass die Menschen, die sich ar-
beitslos melden müssen, freiwillig über ihre innersten Ge-
fühle sprechen, wenn sie gar nicht wissen, was mit ihnen
passieren soll? Wo sollen diese Arbeitslosen eigentlich
hin? Sollen sie sich in Luft auflösen? Wie wollen Sie sie
überhaupt noch erfassen? Woher nehmen Sie eigentlich
die Gewissheit, dass diejenigen, die Sie aus der Statistik
herausnehmen wollen, gar nicht arbeiten wollen und keine
Arbeit suchen? Für diese dreiste Wahlkampftrickserei und
-taktik ist der Regierung kein Mittel zu schade, nicht ein-
mal dann, wenn es um ein Heer von Menschen geht, deren
Schicksal uns eigentlich betroffen machen sollte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie sagen: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“ Aber

glauben Sie nur nicht, dass die Wählerinnen und Wähler
nicht erkennen, dass Sie eben nicht auf dem richtigen Weg
sind. Daran ändert sich auch nichts, wenn Sie jetzt
zurückrudern. In Ihrem blinden Aktionismus zeigt sich
Ihre Unfähigkeit.


(Konrad Gilges [SPD]: Trauen Sie doch den Wählerinnen und Wählern mehr zu als Ihnen!)


Die Arbeitnehmer wollen nicht zum Spielball Ihrer Will-
kür werden.

Auch die Arbeitgeber haben das Vertrauen in rot-grüne
Regierungspolitik verloren.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Die Arbeitgeber! Das sind doch diejenigen, die Arbeitsplätze abschaffen!)


Der Mittelstand sorgt sich um seine Zukunft. Die klei-
nen und mittelständischen Unternehmen mit maximal

500 Mitarbeitern sind durch eine Vielzahl von Faktoren
bedroht, auch wenn Sie dies nicht wahrhaben wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dies ist durch Ihre Steuer- und Regulierungspolitik bzw.
Regulierungswut verursacht worden.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist alles verriestert!)

Deshalb ist es nur einem Teil der mittelständischen Un-
ternehmen gelungen, sich auf die neuen Bedingungen
und Herausforderungen des Arbeitsmarktes, die für alle
Schwierigkeiten mit sich bringen und nur unter schweren
Bedingungen bewältigt werden können, einzustellen. Nur
noch die Hälfte der Unternehmen schreibt schwarze Zah-
len. Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben!


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Vielleicht sind es schlechte Unternehmer!)


Die Zahl der Insolvenzen ist überproportional hoch.
Die Betriebe plagen Geld- und Personalsorgen. Viele Be-
triebe wären bereit, Arbeitslose einzustellen, ihnen einen
Arbeitsplatz zu bieten.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Sie können doch nicht für lullu arbeiten!)


Viele Betriebe wären in der Lage, die Arbeitslosenzahl
tatsächlich zu reduzieren. Aber um das zu ermöglichen,
fällt der rot-grünen Bundesregierung nichts ein.

Nicht nur Sparminister Eichel hat seine Glaubwürdig-
keit eingebüßt. Auch der Arbeitsminister hat, wenn er je-
mals eine gehabt hat, seine Glaubwürdigkeit verloren. Er
bestätigt nur den Eindruck des größten Teils der Bevölke-
rung: Nicht einmal dann, wenn es schwierig wird, können
Ideologen umkehren.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422029400
Kommen
Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.


Dorothea Störr-Ritter (CDU):
Rede ID: ID1422029500
Die Menschen
in unserem Lande haben nur einen einzigen Eindruck: Für
echte Arbeit im Lande tun Sie nix, nur im Tricksen und
Täuschen sind Sie fix.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1422029600
Die Aktu-
elle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unse-
rer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Donnerstag, den 28. Februar 2002,
10 Uhr, ein und erinnere an die Sonderveranstaltung mit
der Ansprache des UN-Generalsekretärs Kofi Annan,
morgen, 9 Uhr, im Plenarsaal.

Die Sitzung ist geschlossen.