Protokoll:
12142

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 12

  • date_rangeSitzungsnummer: 142

  • date_rangeDatum: 3. März 1993

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:37 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/142 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 142. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 3. März 1993 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Fragestunde — Drucksachen 12/4433 vom 26. Februar 1993 und 12/4446 vom 2. März 1993 — Presseerklärung der Kurdistan-Nachrichtenagentur mit der Ankündigung bewaffneter Aktionen gegen den Tourismus in der Türkei; Maßnahmen der Bundesregierung DringlAnfr 1, 2 Dr. Hans Stercken (CDU/CSU) Antw PStSekr Eduard Lintner BMI 12239 B ZusFr Dr. Hans Stercken CDU/CSU 12239 D Verhinderung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen MdlAnfr 3 Adolf Ostertag SPD Antw PStSekr Dr. Joachim Grünewald BMF 12240 B ZusFr Adolf Ostertag SPD 12240 C „Unumkehrbarkeit" von Enteignungsmaßnahmen zwischen 1945 und 1949 gemäß den von der früheren Sowjetunion vorgelegten Entwürfen zum Zwei-plus-VierVertrag MdlAnfr 42 Ortwin Lowack fraktionslos Antw StM Helmut Schäfer AA 12241 A ZusFr Ortwin Lowack fraktionslos 12241 A ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 12241 D Aufnahme der friesischen Regionalsprache in die Europäische Charta für Minderheiten- und Regionalsprachen MdlAnfr 43 Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/ CSU Antw StM Helmut Schäfer AA 12242A ZusFr Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 12242 B ZusFr Jürgen Koppelin F.D.P. 12243 A ZusFr Ortwin Lowack fraktionslos . . . 12243 A ZusFr Dr. Karl-Heinz Klejdzinski SPD . 12243 B Meinungsumfrage zur Einstellung der Bevölkerung gegenüber Blauhelm- und Kampfeinsätzen der Bundeswehr MdlAnfr 4 Hans Wallow SPD Antw PStSekr Bernd Wilz BMVg 12243 C ZusFr Hans Wallow SPD 12243 D ZusFr Rudolf Bindig SPD 12244 A Konsequenzen aus der zunehmenden Zahl der Kriegsdienstverweigerer im Hinblick auf die Wehrgerechtigkeit MdlAnfr 5 Hans Wallow SPD Antw PStSekr Bernd Wilz BMVg 12244 B ZusFr Hans Wallow SPD 12244 B ZusFr Ortwin Lowack fraktionslos 12244 D ZusFr Dr. Karl-Heinz Klejdzinski SPD 12245B ZusFr Detlev von Larcher SPD 12245 C ZusFr Jürgen Koppelin F.D.P. 12245 D Gefahren für den Schiffsverkehr durch das Wrack der norwegischen Ölplattform „West-Gamma"; Folgekosten für die Beseitigung des Wracks II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1993 MdlAnfr 32, 33 Jürgen Koppelin F.D.P. Antw StSekr Dr. Wilhelm Knittel BMV 12246 A ZusFr Jürgen Koppelin F.D.P. 12246 B ZusFr Dr. Karl-Heinz Klejdzinski SPD 12246 C ZusFr Ina Albowitz F.D.P. 12246 D Absicherung der Exporte in die GUS- Staaten; Alternative zur Hermes-Exportversicherung MdlAnfr 10, 11 Christian Müller (Zittau) SPD Antw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 12247 B, 12248 B ZusFr Christian Müller (Zittau) SPD 12247 C, 12248 B ZusFr Renate Jäger SPD 12248A Einspeisungstarif der Elektrizitäts-AG Mitteldeutschland gegenüber dem Betreiber eines Blockheizkraftwerks; Förderung des Einsatzes von Blockheizkraftwerken MdlAnfr 12, 13 Detlev von Larcher SPD Antw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 12248 C, 12249 B ZusFr Detlev von Larcher SPD 12248 D, 12249 C Erhaltung der industriellen Kerne in den östlichen Bundesländern MdlAnfr 17, 18 Manfred Kolbe CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 12250 A, 12251 A ZusFr Manfred Kolbe CDU/CSU 12250 C ZusFr Renate Jäger SPD 12251 B ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 12251 C ZusFr Peter W. Reuschenbach SPD 12251 D Zusatztagesordnungspunkt: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zum Genehmigungsstopp bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) Ottmar Schreiner SPD 12252A Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU 12253 A Dr. Gisela Babel F.D.P. 12254 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 12255 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 12256 C Dr. Heide Pfarr, Staatsministerin des Lan- des Hessen 12258 C Heinz-Jürgen Kronberg CDU/CSU 12260 B Regina Kolbe SPD 12261B Josef Grünbeck F.D.P 12262 B Dr. Gero Pfennig CDU/CSU 12263 C Barbara Weiler SPD 12264 B Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU 12265 C Horst Peter (Kassel) SPD 12267 D Heinz Schemken CDU/CSU 12268 A Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 12269 C Vizepräsident Hans Klein 12253 D Nächste Sitzung 12270 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 12271* A Anlage 2 Zahlung von Sozialhilfe an Deutsche in ausländischen Staaten; Ausübung einer beruflichen Tätigkeit durch diesen Personenkreis MdlAnfr 6, 7 — Drs 12/4433 — Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU SchrAntw PStS'in Roswitha Verhülsdonk BMFuS 12271* C Anlage 3 Absicherung der Exporte in GUS-Staaten; Alternativen zur Hermes-Exportversicherung MdlAnfr 8, 9 — Drs 12/4433 — Ernst Schwanhold SPD SchrAntw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 12272* A Anlage 4 Neuabgrenzung der Fördergebiete der regionalen Wirtschaftsstruktur MdlAnfr 14 — Drs 12/4433 — Ludwig Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 12272* B Anlage 5 Wünsche Indonesiens nach weiteren Rüstungslieferungen MdlAnfr 15 — Drs 12/4433 — Dr. Elke Leonhard-Schmid SPD SchrAntw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 12272* C Anlage 6 Relativierung der abschlägigen Entscheidung des Bundessicherheitsrates zur Voranfrage eines westdeutschen Werftenkonsortiums zum Export von U-Booten und Fregatten nach Taiwan MdlAnfr 16 — Drs 12/4433 — Norbert Gansel SPD SchrAntw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 12272* D Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1993 III Anlage 7 Einsatz zusätzlicher Garnituren für die Regionalschnellbahn „Pendolino" auf der Strecke Nümberg-Weiden MdlAnfr 31 — Drs 12/4433 — Ludwig Stiegler SPD SchrAntw StSekr Dr. Wilhelm Knittel BMV 12273* A Anlage 8 Aufnahme der niederdeutschen Regionalsprache in die Europäische Charta für Minderheiten- und Regionalsprachen MdlAnfr 44 — Drs 12/4433 — Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU SchrAntw StM Helmut Schäfer AA 12273* A Anlage 9 Neuere Informationen über die Lage der Menschenrechte in Indonesien MdlAnfr 45 — Drs 12/4433 — Dr. Elke Leonhard-Schmid SPD SchrAntw StM Helmut Schäfer AA 12273* C Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1993 12239 142. Sitzung Bonn, den 3. März 1993 Beginn: 13.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Berger, Hans SPD 3. 3. 93 Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 3. 3. 93 ** Büchler (Hof), Hans SPD 3. 3. 93 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 3. 3. 93 Dempwolf, Gertrud CDU/CSU 3. 3. 93 Eich, Ludwig SPD 3. 3. 93 Fuchs (Verl), Katrin SPD 3. 3. 93 Gerster (Mainz), CDU/CSU 3. 3. 93 Johannes Gleicke, Iris SPD 3. 3. 93 Hämmerle, Gerlinde SPD 3. 3. 93 Harries, Klaus CDU/CSU 3. 3. 93 Hasenfratz, Klaus SPD 3. 3. 93 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 3. 3. 93 Dr. Holtz, Uwe SPD 3. 3. 93 * Horn, Erwin SPD 3. 3. 93 * Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 3. 3. 93 Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 3. 3. 93 Dr. Meyer zu Bentrup, CDU/CSU 3. 3. 93 * Reinhard Michels, Meinolf CDU/CSU 3. 3. 93 * Mischnick, Wolfgang F.D.P. 3. 3. 93 Nelle, Engelbert CDU/CSU 3. 3. 93 Oesinghaus, Günther SPD 3. 3. 93 Otto (Frankfurt), F.D.P. 3. 3. 93 Hans-Joachim Dr. Pfaff, Martin SPD 3. 3. 93 Pfeifer, Anton CDU/CSU 3. 3. 93 Pfuhl, Albert SPD 3. 3. 93 Rempe, Walter SPD 3. 3. 93 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 3. 3. 93 Ingrid Dr. Rüttgers, Jürgen CDU/CSU 3. 3. 93 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 3. 3. 93 Helmut Schmidt (Dresden), Arno F.D.P. 3. 3. 93 Schulte (Hameln), SPD 3. 3. 93 ** Brigitte Dr. Schulte (Schwäbisch CDU/CSU 3. 3. 93 Gmünd), Dieter Seiler-Albring, Ursula F.D.P. 3. 3. 93 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 3. 3. 93 Stachowa, Angela PDS/LL 3. 3. 93 Dr. Starnick, Jürgen F.D.P. 3. 3. 93 Thierse, Wolfgang SPD 3. 3. 93 Wiechatzek, Gabriele CDU/CSU 3. 3. 93 Wohlrabe, Jürgen CDU/CSU 3. 3. 93 Zierer, Benno CDU/CSU 3. 3. 93 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Roswitha Verhülsdonk auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Erich Riedl (München) (CDU/CSU) (Drucksache 12/4433 Fragen 6 und 7): In welche ausländische Staaten wird an Deutsche Sozialhilfe gemäß § 119 BSHG gezahlt, und welche Beträge wurden dafür in den letzten zehn Jahren aufgewendet? Gibt es Erkenntnisse über die empfangsberechtigten Personen, insbesondere über den Grund ihres Auslandsaufenthaltes und darüber, ob sie dort einer Arbeit bzw. welcher Tätigkeit nachgehen? Zu Frage 6: Für die Gewährung von Sozialhilfe an Deutsche im Ausland gemäß § 119 BSHG sind verfassungsrechtlich die Behörden in den Ländern zuständig. Sie arbeiten hierbei mit den deutschen Auslandsvertretungen zusammen. Die Sozialhilfestatistik weist weder die Zahl der deutschen Hilfeempfänger im Ausland noch die entsprechenden Sozialhilfeausgaben aus. Aufgrund einer Umfrage bei den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe, die für die Sozialhilfegewährung an Deutsche im Ausland zuständig sind, ist davon auszugehen, daß 1990 ca. 5 000 Deutsche Hilfen nach § 119 BSHG über die deutschen Auslandsvertretungen erhalten haben. Weitere ca. 9 000 Deutsche in Polen und in der früheren CSFR haben 1990 Hilfen nach § 119 BSHG in einem besonderen Verfahren über das Deutsche Rote Kreuz erhalten. Die Sozialhilfeausgaben für diese Empfängergruppen lagen 1990 unter 20 Millionen DM. Die Hilfeempfänger verteilten sich auf 79 Staaten. Auf Wunsch kann eine tabellarische Auflistung der Aufenthaltsstaaten und der Zahl der dort 1990 unterstützten Deutschen zur Verfügung gestellt werden. Zu Frage 7: Grundsätzlich obliegt die Fürsorgepflicht - dem Territorialitätsprinzip entsprechend - den Behörden des jeweiligen Aufenthaltsstaates. Die nachrangige Sozialhilfe erhält nicht, wer sich selbst helfen kann (z. B. durch Einsatz seiner Arbeitskraft) oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Hilfe wird ferner nicht gewährt, wenn die Heimführung des Hilfesuchenden geboten ist. Die Gründe, aus denen sich sozialhilfeberechtigte Personen im Ausland aufhalten und nicht nach Deutschland heimgeführt werden können, sind sehr unterschiedlicher Natur. Insbesondere handelt es sich zum Teil um alte Menschen, die den größten Teil ihres Lebens in dem betreffenden Land verbracht haben - auch solche, die dort in Heimen oder Anstalten leben; auch gibt es Fälle von deutschen Frauen, deren ausländische Ehemänner im Aufenthaltsstaat den Lebensunterhalt der Familie nicht gewährleisten können, sowie von Deutschen, die sich im Ausland in Straf- oder Untersuchungshaft befinden. Ursprünglich war Motiv für die Regelung des § 119 BSHG vor allem, hilfebedürftigen Auslandsdeutschen, die durch Verfolgung, Krieg oder Vertreibung Zuflucht im Ausland gefunden hatten, dort den wei- 12272* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1993 teren Aufenthalt zu ermöglichen und sie dabei ggf. vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen des Aufenthaltsstaates wegen Inanspruchnahme dortiger Sozialleistungen zu schützen. Inzwischen dürfte sich die Struktur des nach § 119 BSHG berechtigten Personenkreises erheblich verändert haben. Es gibt jedoch keine Statistik über die Gründe des Auslandsaufenthaltes der z. Z. unterstützten Deutschen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Heinrich L. Kolb auf die Fragen des Abgeordneten Ernst Schwanhold (SPD) (Drucksache 12/4433 Fragen 8 und 9): Treffen Berichte in den Medien zu, daß die Bundesregierung das Instrument der Hermes-Exportversicherung auf die GUS- Staaten als nicht mehr wirksam und auch als bürokratische „Gängelei" ansieht? Denkt die Bundesregierung über ein anderes Instrument nach, das die Hermes-Exportversicherung in bezug auf die GUS- Staaten ablösen soll, wenn ja, wie soll das Instrument aussehen? Zu Frage 8: Nein. Die Bundesregierung hält Hermes-Bürgschaften für Exporte in die GUS-Staaten nach wie vor für wirksam zur Unterstützung der Ausfuhr ostdeutscher Lieferungen. Auf deutscher Seite wird das Instrument weiterhin zügig und zielgerichtet eingesetzt. Richtig ist allerdings, daß administrative Schwierigkeiten auf der GUS-Seite die Nutzung des Hermes-Instruments in der Vergangenheit erschwert haben. Die Bundesregierung geht nach zahlreichen Gesprächen — insbesondere mit der russischen Seite — davon aus, daß diese Probleme jetzt überwunden werden können. Zu Frage 9: Die Bundesregierung stellt keine Überlegungen zur Einführung eines neuen, die Hermes-Bürgschaften gegenüber den GUS-Staaten ablösenden Instruments an. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Heinrich L. Kolb auf die Frage des Abgeordneten Ludwig Stiegler (SPD) (Drucksache 12/4433 Frage 14): Wie ist der Stand der Beratungen über die Neuabgrenzung der Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe? Der Bund-Länder-Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" hat auf seiner Sitzung am 24. Februar 1993 in Bonn über die zum 1. Januar 1994 anstehende Neuabgrenzung des Fördergebiets beraten und einen Beschluß über das weitere Vorgehen gefaßt. Danach wird der Bundesminister für Wirtschaft, gemeinsam mit Vertretern der Länder, über den Gesamtumfang des Fördergebiets der Gemeinschaftsaufgabe in den alten Ländern ab 1994 unverzüglich mit den zuständigen EG-Kommissaren Gespräche aufnehmen. Der Planungsausschuß hat seinen Unterausschuß darüber hinaus beauftragt, dafür Sorge zu tragen, daß die für die Neuabgrenzung erforderlichen Regionaldaten schnellstens zur Verfügung stehen. Nur bei rechtzeitiger Vorlage dieser Daten können die auch zum 1. Januar 1994 neu festzulegenden EG-Fördergebiete besser mit den zukünftigen GA-Fördergebieten abgestimmt werden. Der Planungsausschuß geht davon aus, daß ihm noch vor der Sommerpause 1993 ein Entscheidungsvorschlag über das GA-Fördergebiet ab 1994 vorgelegt wird. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Heinrich L. Kolb auf die Frage der Abgeordneten Dr. Elke Leonhard-Schmid (SPD) (Drucksache 12/4433 Frage 15): Welche Wünsche nach weiteren Rüstungslieferungen wurden von seiten der indonesischen Regierung an die Bundesregierung gestellt, und hat die Bundesregierung konkrete Zusagen gegeben? Der Bundesregierung liegen keine Wünsche der indonesischen Regierung zu weiteren Rüstungslieferungen aus Deutschland vor. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Heinrich L. Kolb auf die Frage des Abgeordneten Norbert Gansel (SPD) (Drucksache 12/4433 Frage 16): Trifft es zu, daß das westdeutsche Werftenkonsortium, das an die Bundesregierung eine Voranfrage wegen des Exports von U-Booten und Fregatten nach Taiwan gerichtet hatte, unmittelbar nach der abschlägigen Entscheidung durch den Bundessicherheitsrat die Regierung in Taiwan schriftlich gebeten hat, das Votum des Bundessicherheitsrates nicht als endgültige Ablehnung zu sehen (WELT AM SONNTAG, 7. Februar 1993), und hat die Bundesregierung den Rüstungsexporteuren vertrauliche Informationen gegeben, die die Entscheidung des Bundessicherheitsrates relativieren? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, daß sich das westdeutsche Werftenkonsortium in der von Ihnen genannten Art an die Regierung in Taiwan gewandt hat. Die Bundesregierung hat den Unternehmen des Werftenkonsortiums keine vertraulichen Informationen gegeben. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 3. März 1993 12273* Anlage 7 Antwort des Staatssekretärs Dr. Wilhelm Knittel auf die Frage des Abgeordneten Ludwig Stiegler (SPD) (Drucksache 12/4433 Frage 31): Warum weigert sich die Deutsche Bundesbahn, zusätzliche Gamituren für die Regionalschnellbahnlinie „Pendolino" auf der Strecke Nürnberg-Weiden einzusetzen? Nach Aussage der Deutschen Bundesbahn werden die Regional-Expreßlinien von Nürnberg nach Weiden/Schwandorf mit Verlängerung bis Furth im Wald den bisherigen Planungen entsprechend zum Fahrplanwechsel am 23. Mai 1993 mit zehn PendolinoTriebzügen der Baureihe VT 610 in Betrieb genommen. Anlage 8 Antwort des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/ CSU) (Drucksache 12/4433 Frage 44): Was hat die Bundesregierung dazu geführt, in einer ersten verwaltungsinternen Stellungnahme die als eigenständig anerkannte Niederdeutsche Regionalsprache nicht für die Europäische Charta für Minderheiten- und Regionalsprachen vorschlagen zu wollen, obwohl die norddeutschen Bundesländer — nach einer Meldung des Flensburger Tageblatts — sich in dieser Frage bisher eher offen als ablehnend gezeigt haben? Hier wird auf die Beantwortung der mündlichen Anfrage des Abgeordneten Carstensen verwiesen. *) *) Frage 43, Seite 12242 A Für Niederdeutsch gilt in diesem Fall dasselbe wie für Friesisch. Anlage 9 Antwort des Staatsministers Helmut Schäfer auf die Frage der Abgeordneten Dr. Elke Leonhard-Schmid (SPD) (Drucksache 12/4433 Frage 45): Gibt es nach der Kanzlerreise qualitativ neue Informationen in der Frage der Behandlung der Menschenrechte in Indonesien? In allen politischen Gesprächen, die aus Anlaß der Reise des Bundeskanzlers nach Indonesien geführt wurden, nahm die Erörterung der Menschenrechte in Indonesien einen wichtigen Platz ein. Dies gilt für das Gespräch des Bundeskanzlers mit Präsident Soeharto, die Gespräche des Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Herrn Becker, und die Konsultationen des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, Herrn Dr. Kastrup, mit seinem Amtskollegen. Die deutsche Seite unterstrich in diesen Gesprächen jeweils die Bedeutung der Einhaltung der Menschenrechte durch Indonesien. Sie sprach auch konkrete Fälle und die Lage in Ost-Timor an. Die indonesische Seite bekannte sich zur Charta der Vereinten Nationen und zur Universalität der Menschenrechte. Sie erklärte, daß noch viele Verbesserungen notwendig seien. Die Bundesregierung wird den intensiven Menschenrechtsdialog mit Indonesien fortsetzen.
Gesamtes Protokol
Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214200000
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde
— Drucksachen 12/4433, 12/4446 —
Als erstes rufe ich die Dringlichen Fragen 1 und 2 des Abgeordneten Dr. Hans Stercken auf:
Hat die Bundesregierung Kenntnis von einer Presseerklärung der Kurdistan-Nachrichtenagentur vom 22. 2. 1993 (Marken Str. 5-7, 4000 Düsseldorf 1, Postfach 101531, Germany) mit folgendem Wortlaut: „Unsere Partei hat den Entschluß gefaßt, gegen alle touristischen Bemühungen in der Ägäis, im Mittelmeer, im Marmarameer und Kurdistan bewaffnet vorzugehen und Aktionen durchzuführen. Alle Tourismusgebiete, Hotels, Badestrände und andere Plätze befinden sich in Aktionsplänen. Deshalb ist das Leben der Touristen, die besonders aus Europa und auch von anderen Ländern der Welt in die Türkei kommen, äußerst gefährdet. Der türkische Staat und einige Tourismusagenturen werden eine große Propagandamaschinerie in Gang setzen, um dies geheimzuhalten. Wir sind jedoch, wo es um Menschenleben geht, von vornherein gezwungen, die Agenturen, die die Situation für kommerzielle Interessen ausnutzen werden, sowie diejenigen zu warnen, die vorhaben, als Touristen in ein Krisengebiet wie die Türkei zu reisen. Die PKK wird für Verluste von Menschenleben, die bei Bombenattentaten, Bränden und Vernichtungen bei der Durchführung dieser Aktionen gegen den Tourismus in der Türkei in diesem Jahr auftreten werden, keinerlei Verantwortung übernehmen."?
Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß eine solche Erklärung mit Gesetz und Recht in Deutschland zu vereinbaren ist, und welche Maßnahmen wird sie unverzüglich ergreifen?

Eduard Lintner (CSU):
Rede ID: ID1214200100
Frau Präsidentin! Mit der freundlichen Genehmigung des Herrn Kollegen würde ich die Fragen 1 und 2 gern zusammen beantworten. Die Antwort lautet:
Die Presseerklärung der Kurdistan-Nachrichtenagentur KURD-HA vom 22. Februar 1993 ist der Bundesregierung bekannt. Die Bundesregierung verurteilt nachhaltig diese Gewaltandrohung.
Für die Frage möglicher Maßnahmen ist von Bedeutung, daß die PKK in der Türkei zwar terroristisch agiert, in der Bundesrepublik Deutschland selbst jedoch die Voraussetzungen des § 129a StGB allenfalls für einen Teilbereich, nämlich ihren ,,Sicherheitsapparat", erfüllt und insgesamt nach ihrer Struktur einer vereinsrechtlichen Verbotsmaßnahme nicht zugänglich ist.
Im vorliegenden Fall ist weiter von Bedeutung, daß die angesprochene Erklärung nicht von PKK-Mitgliedern in der Bundesrepublik abgefaßt wurde, sondern wohl auf ein im Ausland von dem PKK-Führer Abdullah Öcalan gegebenes Interview zurückgeht und von der Nachrichtenagentur KURD-HA insoweit nur als Pressemeldung weitergegeben wird.
Dies vorausgeschickt, ist hinsichtlich möglicher Maßnahmen folgendes festzustellen: Die Veröffentlichung hat—nach der Bewertung des Generalbundesanwaltes — keine strafrechtliche Relevanz, soweit dessen Zuständigkeitsrahmen betroffen sein sollte. Dieser erstreckt sich aber nur auf die Tatbestandsverwirklichung der §§ 129 und 129a StGB, also die mögliche Unterstützung einer kriminellen bzw. terroristischen Vereinigung.
Die Prüfung möglicherweise verletzter weiterer Straftatbestände erfolgt durch die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft in Düsseldorf, an die die Erklärung zur umfassenden strafrechtlichen Prüfung weitergeleitet wurde. In Frage könnte insbesondere eine Verletzung der Straftatbestände der §§ 111 — öffentliche Aufforderung zu Straftaten —, 126 — Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten — und 240 — Nötigung — kommen. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.
Mögliche Ansatzpunkte für eventuell darüber hinausgehende verwaltungsrechtliche Maßnahmen, etwa ausländerrechtliche Verfügungen, müssen noch — gegebenenfalls in Abstimmung mit den Bundesländern — geklärt werden.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214200200
Eine Nachfrage, Herr Stercken.

Dr. Hans Stercken (CDU):
Rede ID: ID1214200300
Herr Staatssekretär, zunächst möchte ich unabhängig von diesen ganzen rechtlichen Zusammenhängen von Ihnen doch gern wissen, ob die Begünstigung eines derartigen Beschlusses, der eine Gefährdung für Leib und Leben deutscher Staatsangehöriger bedeutet, von deutschem Boden aus, wenn auch unter Bezug auf Beschlüsse, die im Ausland gefaßt worden sind, statthaft ist.
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Ich habe schon darauf hingewiesen, daß wir diese Gewaltandrohung



Parl. Staatssekretär Eduard Lintner
auf das entschiedenste zurückweisen und nachhaltig verurteilen. Wir müssen uns hinsichtlich der weiteren Maßnahmen etwa strafrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Art natürlich an das halten, was die einzelnen Tatbestände erfordern. Da spielen dann die jetzt von mir erläuterten Zusammenhänge, beispielsweise die Abgabe einer solchen Erklärung im Ausland, eine gewisse rechtliche Rolle.

Dr. Hans Stercken (CDU):
Rede ID: ID1214200400
Herr Staatssekretär, haben Sie Verständnis dafür, wenn jemand, der sich von solchen Mordandrohungen unmittelbar betroffen fühlt, Strafanzeige stellt, und kann ich davon ausgehen, daß mich die Bundesregierung bei dieser Anzeige unterstützt?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Dafür habe ich selbstverständlich jedes Verständnis, und ich habe in der Antwort bereits darauf hingewiesen, daß wir das Material, das wir haben, an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeben, damit diese bei der Beurteilung der Strafbarkeit dieses Verhaltens wirklich alle Erkenntnisquellen ausschöpfen kann.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214200500
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Lintner.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Die Beantwortung der Fragen erfolgt durch den Parlamentarischen Staatssekretär Rainer Funke. Es geht zunächst um Frage 1 des Abgeordneten Claus Jäger.

Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1214200600
Er scheint aber nicht dazusein.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214200700
Er scheint nicht dazusein. Es wird verfahren wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Dann komme ich zu Frage 2 des Abgeordneten Jürgen Augustinowitz.
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Er scheint auch nicht dazusein.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214200800
Er ist auch nicht da. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. — Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Für diesen Bereich antwortet der Staatssekretär Dr. Joachim Grünewald. Es geht zuerst um Frage 3 des Abgeordneten Adolf Ostertag:
Warum konzentriert sich die Bundesregierung bei den Bemühungen um Einschränkungen des Leistungsmißbrauchs lediglich auf die Bundesanstalt für Arbeit angesichts der Information der Deutschen Steuergewerkschaft, wonach beispielsweise eine Summe von 100 bis 140 Milliarden DM pro Jahr durch Steuerhinterziehung und -umgehung verlorengeht?

Dr. Joachim Grünewald (CDU):
Rede ID: ID1214200900
Schönen Dank, Frau Präsidentin.
Die Bundesregierung konzentriert sich nicht auf die Einschränkung des Leistungsmißbrauchs bei der Bundesanstalt für Arbeit. Im Auftrag des Kabinetts wird
zur Zeit ein erster Bericht über den Mißbrauch staatlicher Leistungen im weiteren Sinne erstellt. An der Erstellung dieses Berichts sind alle — ich betone: alle — Ressorts beteiligt.
Die Aufgaben der Arbeitsverwaltung sind im Gegensatz zu den Aufgaben der Finanzverwaltung dem Bund zugewiesen. Bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung muß die Bundesregierung deshalb die durch den föderativen Aufbau des Staates vorgegebenen Grenzen beachten. Sie bekämpft gemeinsam mit den Ländern die Steuerhinterziehung. Dazu habe ich in der Fragestunde am 10. Februar 1993 gegenüber der Kollegin Margitta Terborg ausführlich Stellung genommen.
Ich darf es wiederholen: Die Zahlen der Deutschen Steuergewerkschaft lassen sich — auch mit statistischen Mitteln — nicht belegen und sind daher nicht nachvollziehbar. Es ist eines der Wesensmerkmale von Steuerhinterziehungen, daß über ihre tatsächliche Größenordnung keine Klarheit besteht.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214201000
Eine Zusatzfrage.

Adolf Ostertag (SPD):
Rede ID: ID1214201100
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß der Bundesfinanzminister im Föderalen Konsolidierungsprogramm in der Tat nur diesen einen Bereich besonders herausgegriffen hat, um Mittel einzusparen, während die anderen Bereiche, wie es vom Bund der Steuerzahler beklagt wird, nicht in den Mittelpunkt der Erörterung gerückt wurden, obwohl sie für dieses Programm ein Zigfaches mehr bringen würden?
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Nein, dem stimme ich nicht zu. Die Bundesregierung mißt der Steuerhinterziehung mindestens eine gleichwertige Bedeutung zu wie der mißbräuchlichen Ausnutzung von sozialgesetzlichen Leistungen.

Adolf Ostertag (SPD):
Rede ID: ID1214201200
Aber sind diese ebenso bedeutsamen Bereiche nicht nur verbaler Art? Denn im Föderalen Konsolidierungsprogramm ist nur dieser eine Bereich konkret benannt worden. Ich glaube, wenn es für den Staat ums Geld geht, geht es um konkrete Bereiche und nicht nur um Planungen und Vorhaben für die nächsten Jahre.
Dr. Joachim Grünewald, Parl. Staatssekretär: Nein. Ich durfte ja schon sagen, daß wir uns hier in einer verfassungsrechtlich unterschiedlichen Situation befinden. Während für die Mißbräuche bei den sozialen Leistungsgesetzen ausschließlich und nur der Bund zuständig ist, ist es bei der Finanzverwaltung, bei Einkommen- und Lohnsteuer und damit bei Steuerhinterziehungen so, daß hier nach dem föderalen Aufbau der Bundesrepublik primär die Lander zuständig sind. Wir arbeiten gemeinsam mit den Ländern sehr intensiv daran, Mißbrauchstatbestände auch im steuerlichen Bereich so weit wie möglich einzugrenzen.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214201300
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.



Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Auswärtigen auf. Zur Beantwortung steht die Frage 42 des Abgeordneten Ortwin Lowack:
Aus welcher Formulierung in den von der Sowjetunion am 22. Juni, 17. August und 1. September 1990 vorgelegten Entwürfen zum Zwei-plus-Vier-Vertrag zog die Bundesregierung den Schluß, daß Enteignungsmaßnahmen zwischen 1945 bis 1949 nicht nur legitimiert, sondern sogar unumkehrbar sein sollten?
Bitte, Herr Staatsminister Schäfer.

Helmut Schäfer (FDP):
Rede ID: ID1214201400
Herr Kollege, in den Verhandlungen zum Zweiplus-Vier-Vertrag und in den sie begleitenden bilateralen Gesprächen hat die Sowjetunion von Anfang an und mit großem Nachdruck die Forderung erhoben, daß Maßnahmen, die sie in ihrer ehemaligen Besatzungszone in Vermögens- und Bodenfragen ergriffen hatte, nicht mehr rückgängig gemacht werden dürften. Entgegen den Behauptungen in Zeitungsberichten, auf die sich Ihre Anfrage offensichtlich stützt, läßt sich auch aus den von Ihnen genannten sowjetischen Entwürfen nichts anderes entnehmen.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214201500
Zusatzfrage.

Ortwin Lowack (CSU):
Rede ID: ID1214201600
Herr Staatsminister, steht das nicht in offenkundigem Widerspruch zu der Gemeinsamen Erklärung, die ja ein amtliches Blatt ist und eigentlich auch dem Auswärtigen Amt zugänglich sein müßte, in der es heißt — ich zitiere —: „Die Regierung der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik sehen keine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland nimmt dies im Hinblick auf die historische Entwicklung zur Kenntnis. "?
Helmut Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann hier nur sagen, daß sich der scheinbare Dissens, der zwischen diesen Zeitungsberichten und der Wirklichkeit besteht, daraus ergibt, daß unterstellt wird, daß die Sowjetunion damals bei stärkerem Drängen der Bundesregierung möglicherweise bereit gewesen wäre, auf die Forderung zu verzichten, die ich Ihnen eben in meiner Antwort deutlich gemacht habe.
Es muß aber wirklich ganz klar sein, daß es seitens der sowjetischen Verhandlungsführung keine Anzeichen für eine Abschwächung dieser Forderung gab. Der frühere sowjetische Außenminister Schewardnadse hat — ich darf das hier noch einmal zitieren — vor dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten des Obersten Sowjets der UdSSR während der Debatten zur Ratifikation des sogenannten Zwei-plus-VierVertrages im Dezember 1990 folgendes wörtlich erklärt:
Im Zusammenhang mit dem Vertrag über die abschließende Regelung haben die Außenminister der DDR und der Bundesrepublik Deutschland an die Außenminister der Vier Mächte einen Brief gerichtet, der auch in den Ratifizierungsprozeß einbezogen wird, weil in ihm eine Reihe wesentlicher Fragen berührt wird, die einen direkten Bezug zum Vertrag haben, unter ihnen die Anerkennung der Unumkehrbarkeit der von den verbündeten Besatzungsmächten zwischen 1945 und 1949 getroffenen Entscheidungen über Eigentumsverhältnisse einschließlich von Bodenfragen.
Ich glaube, daß das auch das beantwortet, was Sie eben in Ihrer Frage angedeutet haben.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214201700
Zweite Zusatzfrage.

Ortwin Lowack (CSU):
Rede ID: ID1214201800
Herr Staatsminister, sind Sie bereit zu akzeptieren, daß ich das natürlich nicht so werten kann, weil das ja eine Erklärung erst im Ratifizierungsverfahren ist? Deswegen meine Frage an Sie: Aus welchen wörtlichen Äußerungen bei den damaligen Verhandlungen — Sie können es ruhig auch in russisch sagen, das würde ich wahrscheinlich auch verstehen — ergibt sich, daß das eine unumgängliche Entscheidung gewesen sein sollte?
Helmut Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann nur wiederholen — es handelt sich ja hier auf Grund dieser Zeitungsberichte, die Sie aufgreifen, insbesondere um Vorwürfe, die sich an Staatssekretär Kastrup im Auswärtigen Amt richten —, daß es keinen Zweifel daran gibt: Der Sachverhalt war so, wie ihn Herr Staatssekretär Kastrup — auch in Ihrer Gegenwart, wenn ich mich recht erinnere — im Auswärtigen Ausschuß dargelegt hat, was jetzt angezweifelt wird.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie weitere Zweifel, die Sie an den Äußerungen von Herrn Kastrup haben — darum geht es ja —, unmittelbar mit ihm besprechen würden.

Ortwin Lowack (CSU):
Rede ID: ID1214201900
Ich darf mich leider nicht dazu äußern.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214202000
Noch eine Zusatzfrage.

Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1214202100
Ich habe noch eine Frage, Herr Staatssekretär, zur Frage des Herrn Abgeordneten Lowack nach der Bodenreform.
Sind Sie in der Lage, hier im Hause noch einmal kurz zu schildern, welche gravierenden Auswirkungen es hätte, wenn die Bodenreform rückgängig gemacht würde, und aus dieser Sicht zu begründen,

(Uta Würfel [F.D.P.]: Das ist keine Frage, sondern eine Feststellung!)

warum das damals eine Entscheidung war, die so gefällt wurde, wie es nun einmal der Fall ist?

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214202200
Herr Seifert, welches ist Ihre Frage?

Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1214202300
Die Frage ist, ob der Herr Staatssekretär noch einmal schildern kann, welche Auswirkungen es hätte, wenn diese Entscheidung rückgängig gemacht würde.
Helmut Schäfer, Staatsminister: Frau Präsidentin, wenn Sie mir erlauben, hier etwas dazu zu sagen, so dieses: Eine Schilderung der Zusammenhänge der Vertragsverhandlungen und der Konsequenzen, wenn sie denn jetzt angezweifelt werden, würde den Rahmen dieser Fragestunde ganz erheblich sprengen. Da wir hier j a auch nichts Neues zu sagen hätten — der Sachverhalt ist bekannt —, bitte ich um das Einver-



Staatsminister Helmut Schäfer
ständnis der Präsidentin, das bitte nicht in diesem Rahmen zu tun.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214202400
Einverstanden.
Die nächste Frage ist Frage 43 des Abgeordneten Peter Harry Carstensen:
Was hat die Bundesregierung dazu geführt, in einer ersten verwaltungsinternen Stellungnahme die als eigenständig anerkannte Friesische Regionalsprache nicht für die Europäische Charta für Minderheiten- und Regionalsprachen vorschlagen zu wollen, obwohl die norddeutschen Bundesländer sich in dieser Frage bisher eher offen als ablehnend gezeigt haben?
Helmut Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege Carstensen, bei der Unterzeichnung der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen im November letzten Jahres waren sowohl die Bundesregierung als auch die beteiligten Bundesländer davon ausgegangen, daß die anerkannten Minderheitensprachen Dänisch und Sorbisch für die Charta benannt werden sollten. Dies wurde auch durch das Ergebnis von Beratungen auf Arbeitsebene zunächst bestätigt.
Während der seitdem angelaufenen Vorbereitungen für das erforderliche Ratifikationsverfahren haben jedoch auch Vertreter anderer Regional- oder Minderheitensprachen den Wunsch geäußert, ihre jeweiligen Sprachen unter den Schutz der Charta zu stellen. Dieser Wunsch wird im Rahmen des Ratifikationsverfahrens geprüft werden.
Die Bundesregierung hat sich in dieser Frage noch nicht festgelegt; jedoch wird bei ihrer Entscheidung vor allem das Votum der betroffenen Bundesländer mit ausschlaggebend sein. Die endgültige Entscheidung über die Auswahl der zu benennenden Sprachen wird im Rahmen des Ratifikationsverfahrens durch die gesetzgebenden Körperschaften der Bundesrepublik Deutschland getroffen werden müssen.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214202500
Zusatzfrage.

Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1214202600
Herr Staatsminister, da ich seit Stellung der Frage ein bißchen klüger geworden bin und jetzt den letzten Absatz meiner Frage, wo ich geschrieben habe: „obwohl die norddeutschen Bundesländer sich in dieser Frage bisher eher offen als ablehnend gezeigt haben", etwas relativieren muß, frage ich Sie: Können Sie mir bitte sagen, wie sich insbesondere die Stellungnahme der schleswig-holsteinischen Landesregierung in den letzten Wochen und Monaten dargestellt hat? Können Sie insbesondere darauf antworten, ob es stimmt, daß Ministerpräsident Engholm wohl erst vor zehn Tagen bei sich eine Entscheidung getroffen hat, die wohl auch noch nicht in Bonn ist und in der nur gefordert wird, Friesisch und Plattdeutsch in den Anhang 2 und nicht — wie von den Minderheiten gefordert — in den Anhang 3 aufzunehmen?
Helmut Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, ein offizieller Antrag der Länder auf Anmeldung weiterer Sprachen zur Charta liegt tatsächlich bisher noch nicht vor. Nach Mitteilung der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein hat sich Ministerpräsident Engholm für die Anmeldung von Niederdeutsch und Nordfriesisch zu Teil 2 der Charta entschieden. Eine
Abstimmung mit den anderen betroffenen Ländern steht noch aus.
Ich darf vielleicht noch ergänzend sagen — und nehme Ihnen damit eine weitere Frage und die Antwort darauf vorweg, aber das gehört einfach dazu —, daß wir natürlich bereit sind, dieses Anliegen zu prüfen. Es handelt sich ja hier um einen relativ kleinen Bevölkerungsanteil, wobei bei Niederdeutsch der Anteil sicher größer ist als bei Friesisch, wenn ich das recht sehe.

Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1214202700
Herr Staatsminister, darf ich Sie weiterhin fragen, ob es nicht notwendig gewesen wäre, die heftig hochgehende Diskussion, die sich bei uns in der Region gebildet hat — auch auf Grund einer sehr eigenartigen Antwort, die aus Ihrem Hause gekommen ist, daß Friesisch nämlich deswegen nicht aufgenommen werden kann, weil zu wenige die Sprache sprechen, und Plattdeutsch nicht aufgenommen werden kann, weil wohl zu viele diese Sprache sprechen —, durch eine ordentliche Stellungnahme aus Ihrem Hause in den Zeitungen zu mildern und zu versachlichen?
Helmut Schäfer, Staatsminister: Ich muß Ihnen zu meiner Schande gestehen, Herr Kollege, daß diese große Diskussion, die in Ihrem Raum stattzufinden scheint, nicht bis zu uns in den mittel- oder süddeutschen Raum vorgedrungen ist, aber ich bin auch über eine unglückliche Antwort aus unserem Hause gar nicht informiert. Ich gehe der Sache gerne nach; nur glaube ich, daß bislang — das war bis dato einvernehmlich; ich habe ja die Konvention in Straßburg unterzeichnen dürfen — im Rahmen des Europarates immer Dänisch und Sorbisch als die in Deutschland anerkannten Minderheitensprachen gegolten haben.
Inwieweit man nun dem Anliegen zusätzlicher Sprachgruppen gerecht werden kann, in welchem Kapitel der Konvention auch immer, muß man prüfen, muß man sehen. Es will niemand den Versuch unternehmen, bestimmte Sprachen zu unterdrücken, nur weil sie von sehr wenigen Menschen gesprochen werden. Ich hörte von einer dieser Sprachen im Raum Oldenburg, daß sie von etwa 1 200 Menschen gesprochen wird.
Ich glaube, daß man hier allerdings auch bei den Ländern zurückfragen muß, was sie eigentlich in ihrer kulturellen Zuständigkeit zu tun bereit sind, um etwa den Sprachunterricht in diesen Sprachen in ihren jeweiligen Ländern zu fördern. Es kommen ja nur Schleswig-Holstein und Niedersachsen in Frage. Ich finde es ein bißchen unfair, wenn immer nur der Bund angegangen wird, wo doch die Länder, die die Kulturhoheit haben, bei der Förderung dieser Sprachen ja auch einmal die Frage stellen müssen, was sie in ihrer eigenen Zuständigkeit bereit sind zu tun.
Hier geht es aber um eine Europaratskonvention, und wir prüfen dieses Anliegen.

Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1214202800
Ich bedanke mich.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214202900
Eine ergänzende Frage durch den Abgeordneten Jürgen Koppelin.




Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1214203000
Herr Staatsminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Niederdeutsch mit Friesisch überhaupt nichts zu tun hat, daß Friesisch wirklich eine eigenständige Sprache ist und daß wir in Schleswig-Holstein eine friesische Minderheit haben? Der Vergleich mit Oldenburg dürfte wohl in die Irre führen.
Helmut Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe doch gar nicht bestritten, daß sich Friesisch vom Niederdeutschen erheblich unterscheidet. Sie unterstellen mir plötzlich — zudem noch als Germanisten, was mich peinlich berührt — eine Unkenntnis dieser verschiedenen Sprachgruppen.
Ich habe in meiner Antwort nur deutlich gemacht, daß ich beim Vergleich des Niederdeutschen mit dem Friesischen gewisse Schwierigkeiten habe. Denn ersteres wird von einer großen Bevölkerungszahl gesprochen. Ich war immer der Auffassung, daß das Niederdeutsche nicht nur in der niedersächsischen Landesvertretung, sondern auch im Schulunterricht in den entsprechenden Ländern gepflegt wird.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214203100
Ich habe den Eindruck, wir lösen eine Flächendiskussion aus. Jetzt meldet sich der süddeutsche Sprachraum. Herr Lowack, bitte.

Ortwin Lowack (CSU):
Rede ID: ID1214203200
Ich wollte den Herrn Staatsminister nur fragen, ob er nicht wenigstens der Auffassung ist, daß der Erhalt der Friesenwitze ein besonderes deutsches und ein Anliegen der Bundesregierung sein müßte.
Helmut Schäfer, Staatsminister: Die Erhaltung jedweder deutscher Sprachen oder Untersprachen wird immer auch das Anliegen der Bundesregierung sein. Aber angesichts der Bemühungen der deutschen Lander in kulturellen Fragen, die Aktivitäten der Bundesregierung auf die finanzielle Unterstützung von Ländervorhaben zu reduzieren, bin ich schon der Auffassung, daß der Bund gelegentlich darauf hinweisen darf, daß die Länder selbst etwas zur Pflege ihres kulturellen Erbes beitragen sollten, beispielsweise dadurch, daß solche Sprachen weiterhin im Schulunterricht gepflegt werden.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214203300
Herr Klejdzinski.

Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD):
Rede ID: ID1214203400
Herr Staatssekretär, finden Sie es richtig, auf die Zuständigkeit der Länder zu verweisen, was das Sprachtum betrifft, wenn es um die Euorpäische Charta geht? Für diese ist doch eindeutig der Bund zuständig.
Helmut Schäfer, Staatsminister: Herr Kollege, ich habe in meinen Antworten sehr deutlich gemacht, daß die Aufnahme weiterer Sprachen neben Dänisch und Sorbisch in die Konvention des Europarates zur Zeit auf Bitten der Länder geprüft wird und daß wir dem Anliegen der Lander offen gegenüberstehen. Ich habe mir allerdings erlaubt, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß die Pflege solcher Sprachen nicht allein durch ihre Aufnahme in eine Konvention des Europarates geschieht, sondern meiner Ansicht nach durchaus eine Ländersache ist, die von den
Ländern in entsprechender Weise betrieben werden kann und sollte.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214203500
Damit beende ich den Geschäftsbereich des Auswärtigen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Herr Staatssekretär Wilz beantwortet die Fragen. Ich rufe zunächst Frage 4 des Abgeordneten Hans Wallow auf:
Welche Ergebnisse enthalten die von der Bundesregierung seit dem 1. Januar 1991 in Auftrag gegebenen Meinungsumfragen (z. B. vom Zentrum Innere Führung) zur Einstellung der Bevölkerung im Hinblick auf mögliche Blauhelm- und Kampfeinsätze der Bundeswehr?

Bernd Wilz (CDU):
Rede ID: ID1214203600
Frau Präsidentin, ich antworte auf die Frage des Kollegen Wallow wie folgt.
Der Bundesminister der Verteidigung hat seit dem 1. Januar 1991 über den Informationsstab und das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr bei verschiedenen Meinungsforschungsinstituten Umfragen zu Fragen der Sicherheitspolitik und der Bundeswehr in Auftrag gegeben. Das Zentrum Innere Führung vergibt keine Umfragen.
Die Meinung der Bevölkerung zu möglichen Blauhelm- und Kampfeinsätzen der Bundeswehr kann auf Grund dieser Umfragen wie folgt zusammengefaßt werden: Eine Teilnahme von Soldaten der Bundeswehr an Blauhelmeinsätzen würde von mehr als zwei Dritteln der Bevölkerung mitgetragen werden. Militärische Aktionen fänden, soweit die UNO dazu aufriefe, etwa bei jedem zweiten Bundesbürger Unterstützung. Positiver in ihrer Zustimmung sind dabei Männer gegenüber Frauen, Ältere gegenüber Jüngeren und Bürger in den alten Bundesländern gegenüber Bürgern in den neuen Bundesländern. Insgesamt ist die Zustimmung 1992 zu den genannten möglichen Einsätzen gegenüber 1991 leicht gestiegen.

Hans Wallow (SPD):
Rede ID: ID1214203700
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich die Diskrepanz zwischen den Umfragen, die die Bundesregierung gemacht hat, und denen aus den letzten zwei Monaten, die offen waren — z. B. durch Forsa —, wonach sich für Kampfeinsätze lediglich 15 % der Bevölkerung bzw. in einer anderen Umfrage 26 % zur Zustimmung durchringen können?
Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Zunächst einmal, Herr Kollege Wallow, ist hinreichend bekannt, daß vieles von der Fragestellung abhängig sein kann. Ich darf aber darauf hinweisen, daß wir drei sehr renommierte Institute beauftragt haben, und zwar das Institut für Demoskopie Allensbach, das Emnid-Institut in Bielefeld und das Sinus-Institut in München. Alle drei sind 1992 übereinstimmend zu so positiven Werten gekommen, 1992 mit steigender Tendenz gegenüber 1991.

Hans Wallow (SPD):
Rede ID: ID1214203800
Das heißt, in diesen Umfragen ist eine Mehrheit für weltweite Kampfeinsätze der Bundeswehr eingetreten, wenn ich Sie richtig verstanden habe.
Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: So ist es, Herr Kollege Wallow. Ich will es Ihnen ganz genau sagen:



Parl. Staatssekretär Bernd Wilz
Nach den vom Bundesminister der Verteidigung in Auftrag gegebenen Umfragen schwankt die Zustimmung der Gesamtbevölkerung zu möglichen Blauhelmeinsätzen im Jahre 1992 zwischen 71 % — Emnid — und 62 % — Allensbach —; die Zustimmung zu möglichen Kampfeinsätzen liegt laut Emnid bei 48 %.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214203900
Herr Bindig.

Rudolf Bindig (SPD):
Rede ID: ID1214204000
Da Sie eben selbst darauf hingewiesen haben, daß es sehr auf die Fragestellung ankommt: Können Sie uns die Grundstruktur der Fragestellung nennen, die insbesondere im Zusammenhang mit den möglichen Kampfeinsätzen verwendet worden ist?
Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Ich darf zunächst darauf hinweisen, Herr Kollege, daß die Fragen zu Blauhelm- und Kampfeinsätzen in Umfragen mit unterschiedlichen Studienschwerpunkten eingebettet waren und sich an unterschiedliche Altersgruppen und Bevölkerungskreise gewandt haben. Wenn Sie die konkreten Fragestellungen aller drei Institute wissen wollen, bin ich gern bereit, sie Ihnen schriftlich mitzuteilen.

(Rudolf Bindig [SPD]: Ja, machen Sie es!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214204100
Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Wallow auf:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Zahl der 285 180 Wehrdienstverweigerer der Jahre 1991 und 1992 im Hinblick auf die Wehrgerechtigkeit?
Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Ich antworte wie folgt: In den Jahren 1991 und 1992 haben 284 590 Männer einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gestellt und damit ein im Grundgesetz festgeschriebenes Recht wahrgenommen. Nach Auffassung der Bundesregierung bedeutet Wehrgerechtigkeit, möglichst alle wehrdienstfähigen Wehrpflichtigen zum Grundwehrdienst oder zu einem anrechenbaren sonstigen Dienst heranzuziehen. Hierzu zählt auch der Zivildienst, der von den anerkannten Kriegsdienstverweigerern regelmäßig zu einem sehr hohen Anteil abgeleistet wird. Insoweit sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit, aus der oben genannten Zahl Konsequenzen im Hinblick auf die Wehrgerechtigkeit zu ziehen.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214204200
Zusatzfrage.

Hans Wallow (SPD):
Rede ID: ID1214204300
Herr Staatssekretär, die Zahl ist 1991 und 1992 extrem gestiegen, und das im Angesicht einer neuen Situation in Europa. Wir sind heute von Demokratien „umzingelt" . Kann es nicht sein, daß die Ursache für die Steigerung der Zahl der Wehrdienstverweigerer darin liegt, daß von der Bundesregierung permanent Kampfeinsätze gefordert werden?
Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Zunächst darf ich darauf hinweisen, Herr Kollege Wallow, daß der Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt wird, wenn es das Gewissen gebietet. Ich kann nicht jeden einzelnen Gewissensgrund hier nachvollziehen oder darstellen.
Das Zweite ist: Nicht das, was von der Bundesregierung gefordert wird, sondern — ganz im Gegenteil — das, was die Opposition an Unklarheiten und an Negativem in die Öffentlichkeit bringt, kann eher dazu beitragen, daß sich der eine oder andere zur Kriegsdienstverweigerung bekennt.

(Lachen bei der SPD)


Hans Wallow (SPD):
Rede ID: ID1214204400
Herr Staatssekretär, könnten Sie konkretisieren, inwiefern die Opposition zur Erhöhung der Zahl der Kriegsdienstverweigerer beiträgt?

(Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Da gibt es viele Beispiele!)

Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wallow, Sie haben die Frage genau umgekehrt gestellt. Ich habe Ihnen die entsprechende Antwort gegeben.
Im übrigen darf ich noch auf folgendes hinweisen. Die ganze Welt erwartet von Deutschland, daß es endlich nicht nur seine Rechte, sondern auch seine Pflichten wahrnimmt. Das haben UNO-Vertreter einschließlich des Generalsekretärs immer wieder erklärt.

(Rudolf Bindig [SPD]: Sie sind nicht in der Lage, das zu belegen!)

Zweitens erwartet die NATO, daß wir unseren Pflichten nachkommen. Ich glaube, daß auch die deutsche Bevölkerung mittlerweile klar sieht: Wenn wir diesen Pflichten nicht nachkämen,

(Hans Wallow [SPD]: Das war nicht meine Frage!)

dann würden wir in die Isolation getrieben.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214204500
Herr Wallow, würden Sie Ihre Frage wiederholen?

Hans Wallow (SPD):
Rede ID: ID1214204600
Vielen Dank, Frau Präsidentin. — Ich habe den Herrn Staatssekretär gebeten, zu konkretisieren, wie es durch Äußerungen und Informationen der Opposition zu einer Steigerung der Zahl der Wehrdienstverweigerer in den letzten zwei Jahren in dieser Höhe kommen konnte.
Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wallow, die Frage ist ja, welche Aussagen auf welches Gewissen in welcher Unterschiedlichkeit einwirken. Da müßte man dann jeden einzelnen jungen Mann selber befragen. Aber völlig klar ist: Durch die Unruhe, die die Opposition seit Jahren in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik erzeugt hat, wird es sicherlich zu so mancher Verunsicherung gekommen sein.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214204700
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lowack.

Ortwin Lowack (CSU):
Rede ID: ID1214204800
Herr Staatssekretär, ist denn die Bundesregierung bereit, Untersuchungen auch einmal darüber anzustellen, inwieweit ihr eigener Zickzackkurs und ihre Unsicherheitspolitik in der Sicherheitspolitik zu dieser Zunahme der Wehrdienstverweigerung geführt haben?



Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lowack, die Bundesregierung hat zu keinem Zeitpunkt einen Zickzackkurs in der Verteidigung betrieben.

(Zuruf von der SPD: Schlingerkurs!)

Wir haben mit der Vereinbarung im Kaukasus — einen Riesenerfolg — klar festgelegt, daß die Bundeswehr bis Ende 1994 auf 370 000 Soldaten reduziert wird. Dies ist eine klare Aussage.

(Zuruf von der SPD: Längst überholt!)

Es gibt jetzt einen neuen Prüfungsauftrag, nach dem bis Ende dieses Jahres zu entscheiden sein wird, ob diese Zahl von 370 000 ab 1996 unterschritten werden kann und ob auch die Wehrpflicht von zwölf Monaten etwas unterschritten werden kann. Da ist überhaupt keine Verunsicherung. Da ist kein Zickzackkurs. Das sind klare Aussagen.

(Ortwin Lowack [fraktionslos]: Also keine Untersuchung und keine Bereitschaft zu untersuchen!)

— Herr Kollege Lowack, wir sind immer bereit, über alles nachzudenken, was Sie uns empfehlen.

(Detlev von Larcher [SPD]: Das kann bezweifelt werden!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214204900
Herr von Larcher, Sie sind gleich dran! — Herr Abgeordneter Klejdzinski.

Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD):
Rede ID: ID1214205000
Herr Staatssekretär, da Sie vorhin geantwortet haben, daß das Recht auf Kriegsdienstverweigerung auch ein Recht des Grundgesetzes ist, frage ich Sie, wieso Sie antworten können, daß dieses Recht deswegen wahrgenommen wird, weil die Opposition die Kriegsdienstverweigerer verunsichert. Oder hat das etwas damit zu tun, daß der Bundesminister der Verteidigung und dann der Bundeskanzler auf der Wehrkundetagung in München etwas Unterschiedliches erklärt haben? Oder hat es etwas damit zu tun, daß Sie gegenwärtig Krisenreaktionskräfte aufstellen, was keine Deckung im Grundgesetz hat? Oder hat es etwas damit zu tun, daß die Soldaten Sie zu Recht daran erinnern, daß das Gelöbnis des Soldaten lediglich beinhaltet, die Bundesrepublik Deutschland tapfer zu verteidigen?
Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Klejdzinski, was Sie jetzt versuchen, ist Erforschung des Gewissens des einzelnen. Da würde ich Sie bitten, wirklich den einzelnen jungen Mann zu befragen.
Ich darf noch auf eines ganz klar hinweisen: Die Krisenreaktionskräfte stehen in vollem Einklang mit dem Grundgesetz. Sie sind ausschließlich dazu da, für NATO-Zwecke im NATO-Gebiet eingesetzt zu werden. Insofern kann dies wirklich ernsthaft keine Rolle spielen.
Zum zweiten hat die Bundesregierung eindeutig erklärt, daß das, was an möglichen Blauhelm- oder Kampfeinsätzen einmal kommen könnte, für Wehrpflichtige und Reservisten überhaupt nur freiwillig in Betracht kommen könnte.

(Dr. Karl-Heinz Klejdzinski [SPD]: Erst einmal müssen Sie das im Grundgesetz entsprechend regeln!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214205100
Bitte.

Detlev von Larcher (SPD):
Rede ID: ID1214205200
Es kann ja nicht angehen, finde ich, daß Sie auf unsere Fragen sagen, wir müßten den einzelnen befragen, aber selber Mutmaßungen anstellen. Ich möchte Sie fragen: Sind Sie tatsächlich der Meinung, daß ein junger Mensch bei der Entscheidung seines Gewissens, den Wehrdienst zu verweigern, eher durch klare Beschlüsse der SPD, daß es nur Blauhelme geben soll, zur Verweigerung kommt, oder sind Sie nicht vielmehr der Meinung, daß einer eher dann erwägt, ob er den Kriegsdienst verweigert, wenn er gewärtigen muß, daß er zu Kampfeinsätzen eingesetzt wird, wie es die Bundesregierung will?
Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe eben sehr deutlich klargemacht, daß die Teilnahme an Blauhelm- und Kampfeinsätzen, wenn es dazu käme, nur auf freiwilliger Basis in Betracht kommt. Insofern wäre kein Wehrpflichtiger gefordert, dies zu tun. Daher kann das ernsthaft keine Rolle spielen.
Im übrigen verweise ich auf meine Antwort auf die Frage des Kollegen Wallow vorhin, der ja versucht hat, etwas Umgekehrtes zu suggerieren.

(Detlev von Larcher [SPD]: Es könnte sein, daß die jungen Leute Ihnen nicht trauen! — Gegenruf der Abg. Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Sie trauen sich selber auch nicht! — Gegenruf des Abg. Detlev von Larcher [SPD]: Ich traue mir immer!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214205300
Bitte.

Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1214205400
Herr Staatssekretär, kann ich auf Grund Ihrer Äußerungen vorhin in Richtung SPD vermuten, daß Sie sich genauso wie ich daran erinnert haben, daß 1991 der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Herr von Bülow, Mitglied der SPD, zur Wehrdienstverweigerung aufgefordert hat?
Bernd Wilz, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Koppelin, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, daß Sie dies dem Hohen Hause ins Gedächtnis rufen. So ist es gewesen. Das ist ein schlechtes Beispiel gewesen, das ein Politiker hier gezeigt hat.

(Detlev von Larcher [SPD]: Und das ist der Grund für die hohen Zahlen! — Rudolf Bindig [SPD]: In der Geschäftsordnung steht, daß Dreieck-Schießen nicht erlaubt ist!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214205500
Damit sind die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung abgehandelt.
Ich teile mit, daß die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie und Senioren, nämlich die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten



Präsidentin Dr. Rita Süssmuth
Dr. Erich Riedl, schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr. Es antwortet Staatssekretär Dr. Wilhelm Knittel.
Die Frage 31 des Abgeordneten Ludwig Stiegler wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Jürgen Koppelin auf:
Welche Gefahren gehen nach Kenntnis der Bundesregierung von dem Wrack der norwegischen Ölplattform „West-Gamma" aus, und welche Initiativen gibt es, um eventuelle Gefahren für den Schiffsverkehr zu beseitigen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1214205600
Das Wrack der gesunkenen norwegischen Plattform „West-Gamma" stellt für die Schiffahrt keine unmittelbare Gefahr dar. Die Schiffahrt ist sofort informiert worden. Das Wrack ist durch Wrackleuchttonnen gekennzeichnet worden; die Wrackbetonnung wird laufend kontrolliert.
Der Bundesminister für Verkehr hat veranlaßt, daß die Bergungsmöglichkeiten durch eine Spezialfirma untersucht werden. Nach Vorliegen der Ergebnisse wird über eine Teil- oder Vollbergung entschieden.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214205700
Zusatzfrage.

Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1214205800
Kann meine Frage 33 gleich mitbeantwortet werden, damit ich im Zusammenhang fragen kann?

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214205900
Ich rufe auch die Frage 33 des Abgeordneten Jürgen Koppelin auf:
Wer kommt für Folgekosten der „West-Gamma" auf, da die Reederei der Ölplattform „West-Gamma" inzwischen aufgelöst wurde und auch der Versicherung angeblich die Beseitigung des Wracks nicht auferlegt werden kann?
Dr. Wilhelm Knittel, Staatssekretär: Der Bund, der völkerrechtlich für den deutschen Festlandsockel zuständig ist, wird die Bergungskosten zunächst auslegen müssen und versuchen, diese erstattet zu bekommen.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214206000
Bitte.

Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1214206100
Darf ich gleich fragen, welche Vorstellungen in Ihrem Hause bestehen, an diese Gelder wieder heranzukommen; denn — wie ich in meiner Frage geschrieben habe — die Reederei gibt es nicht mehr, und die Versicherung weigert sich, die Kosten zu bezahlen.
Dr. Wilhelm Knittel, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die Versicherung erbringt üblicherweise nur Geldleistungen, so daß wir nun, da der unmittelbare Inhaber nicht mehr vorhanden ist, selber in Aktion treten müssen und erst nach genauer Kenntnis der Kosten Rückgriff nehmen können.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214206200
Bitte.

Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1214206300
Gibt es in Ihrem Hause Schätzungen darüber, wie hoch diese Bergungskosten sein werden?
Dr. Wilhelm Knittel, Staatssekretär: Das hängt davon ab, ob es eine Teil- oder eine Vollbergung wird. „Teilbergung" würde bedeuten, daß nur der obere Teil, der bis etwa 25 m unter die Wasseroberfläche ragende Teil, des Wracks beseitigt werden müßte, vielleicht durch Sprengung. „Vollbergung" würde bedeuten: Gesamtbeseitigung des Wracks bis auf reichlich 40 m Tiefe. Die Kosten dürften zwischen 10 Millionen DM und 30 Millionen DM schwanken.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214206400
Bitte.

Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1214206500
Da Sie sich vorhin in der Antwort nur auf die Gefahren für die Schiffahrt bezogen haben, darf ich fragen: Bestehen weitere Gefahren, z. B. Ölverschmutzung?
Dr. Wilhelm Knittel, Staatssekretär: Nein. Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Herr Klejdzinski.

Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD):
Rede ID: ID1214206600
Herr Staatssekretär, da Sie dieses Thema sehr unter fiskalischen Gesichtspunkten abgehandelt haben, darf ich Sie fragen, ob sich die Bundesregierung noch keine Gedanken über die weiteren Wracks gemacht hat, die in der Ostsee liegen; beispielsweise ist ja die Meldung bekannt, daß die UdSSR Atom-U-Boote bzw. atomangetriebene Schiffe dort versenkt hat. Wäre es nicht angebracht — ohne sich jetzt daran zu orientieren, ob möglicherweise noch ein Betreiber existent ist —, daß man mit den Anrainerstaaten gemeinsam ein Programm entwickelt, um beispielsweise solche gefährlichen Reste oder auch Überbleibsel des Zweiten Weltkriegs wie Giftgasmunition wissenschaftlich belegt und vernünftigt zu bergen, und daß man sich, da dies sicherlich ein Anliegen der Anrainerstaaten insgesamt ist, zu dem Thema mehr Gedanken macht, als nur darüber zu reflektieren, ob man etwas 30 m oder 40 m unter der Wasseroberfläche beseitigt?
Dr. Wilhelm Knittel, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich habe nicht nur darüber reflektiert, ob ich dieses oder jenes beseitigen will, sondern ich bin konkret danach gefragt worden, und ich habe diese Frage konkret beantwortet.
Sie haben im weiteren und weitesten Zusammenhang zwei Themen erwähnt. Ich darf darauf verweisen, daß die Beseitigung der Giftgasmunition unterschiedlich beurteilt wird und daß darüber insbesondere in den letzten zwei bis zweieinhalb Jahren intensive Erörterungen zwischen Bund und Ländern und unter den betroffenen Nachbarländern, vor allem der Ostsee, stattfinden. Ich darf aber betonen, daß ich heute in erster Linie über den deutschen Festlandsokkel gesprochen habe, für den wir unmittelbar Verantwortung tragen.
Die Beseitigung von Atom-U-Booten auf dem Meeresgrund ist natürlich eine Frage, die von vielen betroffenen Staaten gemeinsam, am besten innerhalb internationaler Organisationen, besprochen werden muß.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214206700
Frau Albowitz.

Ina Albowitz (FDP):
Rede ID: ID1214206800
Herr Staatssekretär, ich habe in der Zwischenzeit über einen Satz unter fiskalischen



Ina Albowitz
Gesichtspunkten nachgedacht, weil Sie soeben sehr zögernd und auch restriktiv auf die Frage geantwortet haben, wer für die Folgekosten aufkommt. Der Schaden ist ja nicht ganz unerheblich. Ich denke, Sie werden das Problem lösen müssen; die Plattform muß gehoben werden.
Die Frage, die mir durch den Kopf geht, ist: Was geschieht denn eigentlich, wenn im Zusammenhang mit einer Plattform ein Schaden entsteht, für den weder eine Versicherung noch die Reederei, die es ja nicht mehr gibt, eintritt? Muß letzten Endes der deutsche Steuerzahler herhalten? Inwieweit haben wir denn Vorsorge in bezug auf einen weit größeren Unfall von anderen Dimensionen getroffen? Gibt es da irgendwelche Lösungen?
Wenn Sie diese Frage jetzt nicht beantworten können — ich denke, Sie wissen, aus welcher Interessenlage heraus ich frage, nämlich weil ich ein bißchen mit auf die Staatskasse aufpassen muß —, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sie mir schriftlich beantworten würden.
Dr. Wilhelm Knittel, Staatssekretär: Das werde ich sehr gern tun, Frau Abgeordnete. Im übrigen werden wir im Haushaltsausschuß genau darlegen, welche Möglichkeiten des Rückgriffs dann rechtlich und nach den tatsächlichen Verhältnissen in dem Zeitpunkt bestehen werden.

(Ina Albowitz [F.D.P.]: Vielen Dank!)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214206900
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Für die Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Kolb zur Verfügung.
Die Fragen 8 und 9 des Abgeordneten Ernst Schwanhold werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 10 des Abgeordneten Christian Müller auf:
Wie gedenkt die Bundesregierung den Export in die GUS-Staaten zu überbrücken, insbesondere in der Zeit, in der Hermes nicht mehr wirksam und das neue Instrument noch nicht eingeführt ist?
Bitte schön.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1214207000
Herr Kollege Müller, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung hält Hermes-Bürgschaften für Exporte in die GUS-Staaten zur Unterstützung der Ausfuhr ostdeutscher Lieferungen nach wie vor für wirksam. Auf deutscher Seite wird das Instrumentarium weiterhin zügig und zielgerichtet eingesetzt.
Richtig ist allerdings, daß administrative Schwierigkeiten auf der GUS-Seite die Nutzung des Hermes Instrumentariums in der Vergangenheit erschwert haben. Die Bundesregierung geht aber nach zahlreichen Gesprächen, insbesondere mit der russischen Seite, davon aus, daß dieses Problem jetzt überwunden ist.
Sie unterstellen mit Ihrer Frage auch, daß die Bundesregierung darüber nachdenke, ein neues Instrumentarium einzuführen. Ich möchte feststellen, daß Überlegungen zur Einführung eines neuen, Hermes ablösenden Instruments nicht angestellt werden.
Ich will aber noch darauf hinweisen, daß die Bundesregierung vor dem Hintergrund der 1992 deutlich gewordenen wirtschaftlichen und organisatorischen Probleme in den GUS-Staaten mit Kabinettsbeschluß vom 23. September 1992 ein Maßnahmenpaket zur Stärkung bzw. Stabilisierung der Absatzmöglichkeiten von Unternehmen in den neuen Bundesländern verabschiedet hat. Es sieht neben der Ausschöpfung aller Möglichkeiten des Osthandels insbesondere eine verstärkte Westorientierung der ostdeutschen Wirtschaft vor. Außerdem ist die Bundesregierung zusammen mit der Treuhandanstalt in laufenden hochrangigen Kontakten mit den GUS-Republiken, insbesondere mit Rußland, weiter bemüht, alle Möglichkeiten zur Fortentwicklung der Handels- und Kooperationsbeziehungen zu nutzen.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214207100
Zusatzfrage.

Christian Müller (SPD):
Rede ID: ID1214207200
Herr Staatssekretär, ergibt sich angesichts der Schwierigkeiten, die es mit Hermes zweifelsohne gibt, aus Ihrer Sicht ein Zeithorizont, der auf eine Begrenzung dieses Instruments in den nächsten Jahren schließen ließe?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Müller, ich denke, ich habe deutlich gemacht, daß Hermes aus der Sicht der Bundesregierung nach wie vor ein bedeutendes Instrument zur Förderung außenwirtschaftlicher Beziehungen ist. Ich habe eingeräumt, daß speziell im Verhältnis zu den GUS-Staaten sicherlich auch Schwierigkeiten auf Grund der besonderen Risikolage zu verzeichnen sind. Aber es ist nicht so, daß wir darüber nachdenken, in Zukunft auf Hermes zu verzichten.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214207300
Die zweite Zusatzfrage.

Christian Müller (SPD):
Rede ID: ID1214207400
Herr Staatssekretär, könnten Sie, was eventuelle Ersatz- oder Nachfolgeoder Zusatzlösungen betrifft, unseren Vorstellungen folgen, daß Handelsentwicklungsgesellschaften, auf privatwirtschaftlicher Basis organisiert, ein solches Instrumentarium sein könnten?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, ich möchte noch einmal deutlich machen, daß die Exporte in osteuropäische Märkte sicher von Bedeutung sind, daß wir unsere Anstrengungen jedoch nicht allein darauf konzentrieren dürfen, sondern daß es in der gegenwärtigen Situation insbesondere darauf ankommt, die Absatzmöglichkeiten von ostdeutschen Unternehmen auf Westmärkten zu fördern. Auch hierfür steht eine ganze Palette von Möglichkeiten zur Verfügung. Sich jetzt auf den Absatz auf osteuropäischen Märkten zu versteifen wäre in der derzeitigen Situation und bei der Lage in den GUS-Staaten nicht angemessen.




Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214207500
Frau Abgeordnete Jäger.

Renate Jäger (SPD):
Rede ID: ID1214207600
Herr Rexrodt brachte in einem Schreiben vom 9. Februar zum Ausdruck, daß Hermes-Bürgschaften im Fall der Überlastung ihres Plafonds von 5 Milliarden DM trotzdem weitergeführt werden, aber auf Grund von besonderen Einzelfallprüfungen. Er schrieb: Einzelheiten zu dem neuen Verfahren werden noch festgelegt. — Können Sie sich schon heute zu Einzelheiten des neuen Verfahrens äußern?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Jäger, Herr Bundesminister Rexrodt hat damit noch einmal deutlich gemacht, daß über den Plafonds von 5 Milliarden DM hinaus, der ja ausgeschöpft ist, für ostdeutsche Unternehmen — ich hatte das eingangs meiner Stellungnahme ja schon hervorgehoben — auch in Zukunft die Möglichkeit bestehen soll, Lieferungen nach Osteuropa über Hermes abzusichern. Das geschieht dann, wie Sie mit Recht schon bemerkt haben, im Weg von Einzelfallprüfungen, von projektorientierten Prüfungen. Über die genauen Verfahrensvorschriften kann ich Ihnen hier heute noch keine näheren Angaben machen.

(Renate Jäger [SPD]: Wäre es möglich, daß Sie uns nähere schriftliche Angaben zuschikken?)

— Sobald die Details geklärt sind, werden Sie hierüber selbstverständlich informiert.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214207700
Wir kommen zu der Frage 11 des Abgeordneten Christian Müller:
Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, wie andere Staaten den Export in die GUS-Staaten durch eine vergleichbare Einrichtung wie die Hermes-Exportversicherung fördern, falls ja, wie sieht die Absicherung der Exporte aus anderen Staaten aus?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, andere EG- und OECD-Staaten fördern den Export in die GUS-Staaten ebenfalls durch staatliche Exportkreditversicherungen. Die Absicherung ist jedoch zur Zeit vom Volumen sowie von den unterstützten Warenarten und Kreditlaufzeiten her gesehen restriktiver als im Rahmen des HermesInstrumentariums.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214207800
Zusatzfrage.

Christian Müller (SPD):
Rede ID: ID1214207900
Herr Staatssekretär, spielt in diesem Zusammenhang in Ihrem Ministerium die Überlegung eine Rolle, sich mittel- und langfristig trotz aller Schwierigkeiten an den östlichen Märkten festzukrallen? Denn wenn man sie nicht besetzt, wird man sie möglicherweise verlieren. Dies sage ich deutlich beispielsweise im Zusammenhang mit der dezidierten Absicht der Deutschen Waggonbau Aktiengesellschaft, um keinen Preis den Ostmarkt aufzugeben, weil in wenigen Jahren andere Anbieter diesen Markt besetzen. Ich erkenne die Schwierigkeiten dieses Handelsgeschäftes natürlich ausdrücklich an.
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, ich habe soeben schon auf ein ausgewogenes Verhältnis der Aktivitäten in Richtung
Osteuropa und in Richtung Westeuropa und den entsprechenden Märkten hingewiesen. Da Sie von Festkrallen sprachen: Es wäre ja genau der falsche Weg, wenn wir uns an osteuropäischen Märkten festkrallen wollten.
Die Bundesregierung sieht allerdings — ähnlich wie die bundesdeutschen Unternehmen — die guten Chancen, die in Zukunft auf den osteuropäischen Märkten liegen. Die Tatsache, daß wir uns — ich habe es in der Antwort auf die Frage 11 deutlich gemacht — im Rahmen des Hermes-Instrumentariums im Vergleich mit den Aktivitäten anderer osteuropäischer Staaten überdurchschnittlich engagieren, macht ja deutlich, daß wir auch weiterhin alles Mögliche und Vertretbare tun wollen, um das Potential der osteuropäischen Märkte auszuschöpfen.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214208000
Ich rufe Frage 12 des Abgeordneten Detlev von Larcher auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die Elektrizitäts-AG Mitteldeutschland auf Grund gesetzlicher und tariflicher Bestimmungen dem Betreiber eines Blockheizkraftwerkes 7,2 Pfennig je ins Netz eingespeiste Kilowattstunde bezahlt, aber 71,4 Pfennig je an den Betreiber gelieferte Kilowattstunde berechnet?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege von Larcher, die Höhe der Einspeisevergütung für Strom aus Blockheizkraftwerken ergibt sich aus den bei den Versorgungsunternehmen durch die Einspeisung vermiedenen Kosten. Diese sind um so höher, je zuverlässiger die Einspeisung erfolgt und je mehr in Zeiten hohen Strombedarfs eingespeist wird. Da nach vorliegenden Informationen diese Verhältnisse in dem konkreten Fall nicht gegeben sind, ergibt sich die unterdurchschnittliche Vergütung von 7,2 Pfennigen pro Kilowattstunde.
Die Strombezugspreise der Betreiber von Blockheizkraftwerken sind dagegen deutlich höher. Diese Betreiber haben in der Regel einen Bedarf an Zusatz- und an Reservestrom. Hierdurch wird ihre Gesamtstromversorgung gesichert. Vorzuhaltende Versorgungskapazitäten, die unter Umständen nur kurze Zeit genutzt werden, sind teuer und führen zu hohen Durchschnittspreisen je Kilowattstunde. Außerdem gehen die Kosten des Versorgungsnetzes in diese Preise ein. Sollte die Höhe der Preise im Einzelfall Anlaß zur Kritik geben, können sie im Rahmen der kartellrechtlichen Mißbrauchsaufsicht überprüft werden.
Nach vorliegenden Informationen wird der Kunde in dem genannten Fall nicht als Sonderabnehmer mit 71,4 Pfennigen pro Kilowattstunde, sondern zu allgemeinen tariflichen Bedingungen mit 42 Pfennigen pro Kilowattstunde versorgt.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214208100
Zusatzfrage.

Detlev von Larcher (SPD):
Rede ID: ID1214208200
Ich beziehe mich auf die Sendung „Plusminus" vom 8. Januar. Da sind zwei Fälle genannt worden, in denen nach der Inbetriebnahme eines Blockheizkraftwerks die Stromrechnungen der EVUs höher waren als vorher, so daß es ein Minusgeschäft war. Ich frage — das hatte ich bereits schriftlich getan —: Wie beurteilt die Bundesregierung diese Tatsache? Sehen Sie in dieser Tatsache



Detlev von Larcher
nicht eine Strategie zur Verhinderung der Inbetriebnahme von Blockheizkraftwerken?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Larcher, Sie hatten in Ihrer Frage auf die Situation vor und nach der Inbetriebnahme eines Blockheizkraftwerks nicht abgestellt. Ich habe Ihnen erklärt, warum sich aus heutiger Sicht eine Differenzierung ergibt. Zum einen geht es um die Vergütung der Einspeisungen, zum anderen um die Strombezugspreise. Ich denke, das ist in sich schlüssig gewesen.

Detlev von Larcher (SPD):
Rede ID: ID1214208300
Das ist die Begründung, die wir von den EVUs hören. Da gibt es natürlich durchaus unterschiedliche Meinungen, ob die Zurverfügungstellung von Reservestrom wirklich so hohe Kosten verursacht. Aber ich frage Sie ja: Wie beurteilen Sie das energiepolitisch?

(Rudolf Bindig [SPD]: Das hat man ihm nicht aufgeschrieben!)

Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Larcher, Sie hatten nicht danach gefragt, wie wir das energiepolitisch beurteilen. Sie fragen aber in Ihrer nächsten Frage danach, wie wir Blockheizkraftwerke zu fördern beabsichtigen. Wenn Sie einverstanden sind, beantworte ich Ihre nächste Frage dazu gern jetzt schon.

(Detlev von Larcher [SPD]: Ich wollte nur sagen: Ich habe die Bundesregierung gefragt und nicht das Wirtschaftsministerium! Insofern hätte man sich ja da vielleicht kurzschließen können!)

— Aber die Zuständigkeit für Energiefragen ist im Wirtschaftsministerium durchaus richtig angesiedelt.

(Detlev von Larcher [SPD]: Dann wundere ich mich, daß Sie meine Frage nicht beantworten können!)

— Ich hatte Ihnen ja angeboten, um Doppelbeantwortungen zu vermeiden, die Antwort auf die Frage 13 zu geben.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214208400
Ich rufe deshalb auch die Frage 13 des Abgeordneten von Larcher auf:
Mit welchen Maßnahmen und zu welchem Zeitpunkt beabsichtigt die Bundesregierung den Einsatz von Blockheizkraftwerken zu fördern?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege von Larcher, die Frage 13 beantworte ich wie folgt:
Die Fernwärmeversorgung auf der Basis KraftWärme-Kopplung und Blockheizkraftwerke gehören zu solchen Anlagen, die auf Grund verschiedener Programme in den alten Bundesländern über zehn Jahre mit öffentlichen Mitteln in Höhe von insgesamt ca. 6 Milliarden DM gefördert wurden. Eine Neuauflage der Förderung mit Bundesmitteln für die alten Bundesländer ist derzeit nicht vorgesehen. Die knappen Finanzmittel müssen konzentriert für die Steigerung der Energieeffizienz, die Verbesserung des
Umweltschutzes und die Sanierung der Fernwärme in den neuen Bundesländern eingesetzt werden.
Im Rahmen des Gemeinschaftswerks „Aufschwung Ost" wurden daher mit Bundesmitteln in Höhe von 150 Millionen DM — die neuen Länder haben sich in gleicher Höhe beteiligt — im Jahre 1992 Investitionen in Höhe von insgesamt 1,2 Milliarden DM für die dringend notwendige Sanierung der Fernwärmeversorgung gefördert. Darunter wurden elf Blockheizkraftwerkprojekte mit ca. 12 Millionen DM gefördert.
Dieses Förderprogramm wird auch in den Jahren 1993 bis 1995 mit jährlich 300 Millionen DM, davon 150 Millionen DM Bundesmittel, fortgesetzt. Ein Schwerpunkt der Förderung ist dabei die Erhöhung des Anteils der Kraft-Wärme-Kopplung.
Herr Kollege von Larcher, Sie mögen daran erkennen, daß die Bundesregierung dieser Form der Energieerzeugung und Energienutzung eine sehr hohe Priorität beimißt.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214208500
Herr Abgeordneter von Larcher.

Detlev von Larcher (SPD):
Rede ID: ID1214208600
Habe ich noch zwei Zusatzfragen?

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214208700
Ja.

Detlev von Larcher (SPD):
Rede ID: ID1214208800
Vieles von dem, was Sie gesagt haben, war mir bekannt, weil ich mich vor dieser Fragestunde natürlich informiert hatte. Aber, Herr Staatssekretär, finden Sie nicht, daß die Bemühungen der Bundesregierung durch die vorhin besprochene Preisgestaltung konterkariert werden?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege von Larcher, lassen Sie mich zunächst eine Bemerkung machen. Wir können uns natürlich viel Arbeit mit der Beantwortung Ihrer Fragen ersparen, wenn Sie sich, bevor Sie in die Fragestunde gehen, ohnehin informieren. Aber ich denke, es war sinnvoll, daß ich Ihnen das noch einmal vorgetragen habe.
Ich meine, daß die Preisdifferenzierung, die die Energiewirtschaft hier betreibt, durchaus auch sachlich begründet ist. Inwieweit im einzelnen die Festlegung der Bezugspreise bzw. der Vergütung für eingespeiste Energien angemessen ist, entzieht sich meiner Beurteilung.

(Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Haben Sie überhaupt Kenntnis?)


Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214208900
Die zweite Zusatzfrage.

Detlev von Larcher (SPD):
Rede ID: ID1214209000
Nach meinen Informationen kommt die Kraft-Wärme-Kopplung im Stromeinspeisungsgesetz schon vor, sofern die Kraft-WärmeKopplung mit Deponie- oder Klärgas betrieben wird. Ich frage Sie jetzt ganz konkret: Denkt die Bundesregierung daran, dies zu erweitern — wenn ja, in welchem Zeitraum —, so daß im Stromeinspeisungsgesetz auch die Kraft-Wärme-Kopplung Eingang findet, sofern sie auf der Basis von Erdgas, Öl und Kohle betrieben wird? Ist in dem Zusammenhang daran



Detlev von Larcher
gedacht, auf die Tarifgestaltung Einfluß zu nehmen, damit es wirklich lohnend wird, Kraft-Wärme-Kopplung einzusetzen? Denn nur dann wird sie eingesetzt.
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr von Larcher, die Bundesregierung trifft ständig alle Vorkehrungen, um die gesetzlichen Vorschriften an die tatsächlichen Erfordernisse anzupassen. Keinesfalls wird aber die Bundesregierung auf die Tarifgestaltung direkt Einfluß nehmen, wie Sie sich das vorstellen. Hier sind einfach auch faktische Gegebenheiten der Stromerzeugung bzw. der Bereithaltung und Bereitstellung von Energieerzeugungskapazitäten zu berücksichtigen.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214209100
Die Frage 14 des Abgeordneten Ludwig Stiegler, die Frage 15 der Abgeordneten Dr. Elke Leonhard-Schmid und die Frage 16 des Abgeordneten Norbert Gansel werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 17 des Abgeordneten Manfred Kolbe auf:
Vor dem Hintergrund, daß Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl sich unter anderem am 18. November 1992 in Schwerin für die Erhaltung der industriellen Kerne im Osten ausgesprochen hat, frage ich die Bundesregierung, welche Maßnahmen sie seitdem zusätzlich ergriffen hat, um dies in den östlichen Bundesländern zu gewährleisten?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kolbe, die wirksamste Maßnahme zur Sicherung und Erneuerung industrieller Kerne ist die Privatisierung. Die Treuhandanstalt ist ihrem Privatisierungsauftrag bisher mit erheblichem Erfolg nachgekommen. Zirka 11 200 von insgesamt 12 600 Treuhandunternehmen wurden bis Ende Januar 1993 in private Hände überführt. Die Bundesregierung und die Treuhandanstalt haben sich im Hinblick auf Sicherung und Erneuerung industrieller Kerne auf die folgende neue Akzentsetzung bei der aktiven Sanierung verständigt, die jetzt von der Treuhandanstalt umgesetzt werden:
Erstens. Unternehmen, die nach betriebswirtschaftlichen Kriterien sanierungsfähig sind, müssen der Treuhandanstalt möglichst rasch aktualisierte Unternehmenskonzepte vorlegen.
Zweitens. Bei der Beurteilung der Sanierungsfähigkeit wird dann grundsätzlich nicht von einer aktuellen konjunkturellen Lage ausgegangen, sondern es werden die strukturellen Aussichten zugrunde gelegt.
Drittens. Die Betriebe erhalten die für die Umstrukturierung notwendige Zeit, die im Regelfall mindestens ein Jahr betragen wird.
Viertens. Die Sanierung bzw. die Umsetzung des Konzepts wird seitens der Treuhandanstalt nicht an der Finanzierung scheitern.
Fünftens. Auch während einer möglicherweise mehrere Jahre dauernden Sanierungsphase ist eine Privatisierung anzustreben, wenn dadurch das Sanierungsziel nicht in Frage gestellt wird.
Sechstens. Die Treuhandanstalt bemüht sich um ein geeignetes Management für das Unternehmen. Ihm ist möglichst viel Freiraum für eigenverantwortliches unternehmerisches Handeln einzuräumen. Die Treuhandanstalt sichert überdies den für die Sanierung erforderlichen Personalbestand. Einen Entlassungsstopp allerdings kann es während der Sanierungsphase nicht geben.
Die Treuhandanstalt hat allen neuen Bundesländern eine Zusammenarbeit nach dem Sachsenmodell angeboten. Entsprechende Absprachen sind bereits mit den Ländern Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin getroffen worden. Die Verhandlungen mit den anderen neuen Bundesländern dauern an. Ich will allerdings betonen, daß es für die regionale Entwicklung mindestens genauso wichtig ist, daß Neues von unten nachwächst, z. B. durch Investitionen auf der grünen Wiese und durch Existenzgründungen. Hierbei sind wir auf gutem Wege. Die privaten Investitionen in den neuen Bundesländern je Erwerbstätigen ohne den Bereich der Wohnungsvermietungen liegen 1993 voraussichtlich um 12 % höher als die vergleichbaren Werte für Westdeutschland.

Dr. Rita Süssmuth (CDU):
Rede ID: ID1214209200
Zusatzfrage.

Manfred Kolbe (CDU):
Rede ID: ID1214209300
Herr Staatssekretär, Sie sprachen von einer grundsätzlich erfolgreichen Politik der Treuhandanstalt. Wir hatten 1990 in Sachsen 400 000 Industriearbeitsplätze. Wir haben jetzt noch 70 000, 80 000, 90 000, also weniger als ein Viertel. Wir liegen auch bei der industriellen Produktion bei einem Viertel des ehemaligen DDR-Niveaus. Würden Sie diese Entwicklung als erfolgreich bezeichnen?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kolbe, zweifellos ist hier ein Wegfall von Industriearbeitsplätzen im Bereich der neuen Bundesländer zu verzeichnen. Ich habe davon gesprochen, daß die Politik, die auf Erhaltung und Erneuerung dieser industriellen Kerne gerichtet ist, erfolgreich war und auch in Zukunft wohl erfolgreich fortgesetzt werden kann. Daß hier vorübergehend ein Arbeitsplatzverlust festzustellen ist, widerspricht nicht den von mir gemachten Äußerungen, daß dieser Ansatz — Erhaltung, Erneuerung — erfolgreich ist.

(V o r s i t z: Vizepräsident Hans Klein)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214209400
Eine zweite Zusatzfrage.

Manfred Kolbe (CDU):
Rede ID: ID1214209500
Sie sprachen auch von einer notwendigen mehrjährigen Sanierungsphase. Ich begrüße das. Nun soll aber die Treuhandanstalt Ende dieses Jahres oder im Laufe des nächsten Jahres ihre Arbeit beenden — so hört man es jedenfalls immer. Was ist als Nachfolgeinstitution vorgesehen?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kolb, derartige Überlegungen werden sicherlich im Rahmen eines Treuhandabwicklungsgesetzes konkretisiert werden können. Ich könnte mir vorstellen, daß Management-KGs — es gibt jetzt mit den in der jüngsten Sitzung genehmigten insgesamt fünf Management-KGs, die schon funktionieren oder im Aufbau sind — im Rahmen dieses Treuhandabwicklungsgesetzes eine wichtige Rolle spielen werden.




Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214209600
Wir sind eigentlich am Ende der Fragestunde. Wir stehen jetzt vor dem Problem, ob wir zu dieser Frage eine weitere Zusatzfrage zulassen wollen oder ob wir uns noch die Beantwortung der nächsten Frage anhören. Wenn wir die nächste Frage, die Frage 18, noch drannehmen —vorausgesetzt, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben nicht eine mehrseitige Antwort —, könnten wir den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft abschließen.
Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Kolbe auf:
Welche weiteren Maßnahmen zur Erhaltung der industriellen Kerne sind für die Zukunft geplant?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kolbe, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Im Einvernehmen mit der Bundesregierung hat die Treuhandanstalt zu den bereits bestehenden zwei Management-KGs vier weitere beschlossen, von denen drei bereits gegründet sind und jetzt ihre Arbeit aufgenommen haben. Die Finanzpläne der ersten zwei Management-KGs wurden inzwischen vom Verwaltungsrat der Treuhandanstalt gebilligt. Die Management-KGs werden sich nach Meinung der Bundesregierung zu einem wichtigen integrierten Sanierungs- und Privatisierungsinstrument entwikkeln.
Mit den Kabinettsbeschlüssen vom 23. September 1992 hat die Bundesregierung eine Reihe von begleitenden Maßnahmen, insbesondere zur Unterstützung des Absatzes der Ostunternehmen, getroffen. Sie sind inzwischen zu einem wesentlichen Teil umgesetzt. Insbesondere verweise ich auf die Maßnahmen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens, die Fortsetzung der Gewährung von Hermes-Deckungen für die GUS-Exporte im Wege der Einzelfallprüfung — bislang sind hier bereits neue Deckungen im Werte von 1 3 Milliarden DM erteilt worden —, das Anstoßen der vom BDI getragenen Einkaufsinitiative Ost, von der die Bundesregierung eine deutliche Ausweitung des Einkaufsvolumens erwartet, sowie konkret das Pilotprojekt des Bundeswirtschaftsministers zur Absatzförderung in der Textil- und Bekleidungsindustrie in den neuen Bundesländern.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214209700
Frau Kollegin Jäger.

Renate Jäger (SPD):
Rede ID: ID1214209800
Herr Staatssekretär, Sie haben das Sachsen-Projekt als positiv hingestellt. Es ist deutlich, daß die Landesregierung Sachsen dieses Projekt nicht allein finanzieren kann. Nun möchte ich Sie fragen: Inwieweit ist mit der Bundesregierung die Finanzierung dieses Sachsen-Projekts geklärt?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich habe darauf hingewiesen, daß die Treuhandanstalt allen neuen Bundesländern die Zusammenarbeit im Rahmen des Sachsen-Projektes angeboten hat. Es ist natürlich die Frage, inwieweit ein derartiges Konzept letztendlich in Form einer Staatsholding ausgestaltet wird. Eine Staatsholding lehnt die Bundesregierung, lehnt das Bundesministerium für Wirtschaft entschieden ab. Wir denken, das wäre der falsche Weg. Wir bevorzugen, wie bereits dargestellt, hier Management-KGs.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214209900
Herr Kollege Dr. Seifert.

Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1214210000
Herr Staatssekretär, Sie sagten vorhin in einem Nebensatz, daß Sie Investitionen auf der grünen Wiese für erforderlich halten, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit — ich sage das einmal in meinen Worten — in Ostdeutschland zu gewährleisten. Ich halte das für eine ziemlich verheerende Aussage, die Sie da getroffen haben. Aber können Sie mir vielleicht bitte einmal Auskunft darüber geben, in welchen Größenordnungen Sie derartige Investitionen auf der grünen Wiese vorhaben bzw. für möglich halten, vor allen Dingen in Anbetracht dessen, daß schon eine ganze Menge Wiesen mit Einkaufszentren usw. zugebaut worden sind?
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Seifert, ich bitte, dieses Bild von der grünen Wiese nicht zu wörtlich zu nehmen. Hier waren Neugründungen von Unternehmen, neue Initiativen gemeint, insbesondere in den Bereichen Handwerk, Mittelstand, aber eben auch Neugründungen von industriellen Unternehmen. Die müssen nicht in neu ausgewiesenen Gebieten entstehen. Das Ziel ist aber, daß hier neue unternehmerische Kapazität in den Markt geht — im Gegensatz zur Abwicklung bzw. Sanierung von Treuhandunternehmen, wo auf einem bestehenden Kern aufgebaut wird.
Über die Größenordnung kann ich Ihnen jetzt keine aktuellen Zahlen geben, bin aber gern bereit, Ihnen das nachzureichen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214210100
Zur letzten Zusatzfrage Kollege Peter Reuschenbach.

Peter W. Reuschenbach (SPD):
Rede ID: ID1214210200
Herr Staatssekretär, nachdem Sie eben so herrlich genau und präzise Definitionen und Kriterien für das, was industrielle Kerne seien, aufgeführt haben, sind Sie vermutlich auch in der Lage, zu sagen, um wie viele Unternehmen mit wie vielen Beschäftigten es sich handelt, in welchen Branchen und an welchen Orten sich diese von Ihnen, der Regierung, definierten industriellen Kerne befinden, wenn nach all diesen Kriterien verfahren wird.
Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reuschenbach, man kann davon ausgehen, daß es sich insgesamt wohl um etwa 350 bis 400 Unternehmen handeln wird. Eine genaue Aufschlüsselung dieser Unternehmen kann ich Ihnen jetzt hier nicht geben. Es sind letzten Endes Entscheidungen, die noch ausstehen, die in Absprache der Treuhandanstalt mit den Ländern getroffen werden müssen. Aber die Größenordnung wird etwa die von mir genannte sein.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214210300
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen und schließe die Fragestunde.



Vizepräsident Hans Klein
Ich rufe den Zusatzpunkt auf:
Aktuelle Stunde
Haltung der Bundesregierung zum Genehmigungsstopp bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM)

Die SPD-Fraktion hat eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Ottmar Schreiner das Wort.

Ottmar Schreiner (SPD):
Rede ID: ID1214210400
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD hat diese Aktuelle Stunde beantragt, weil wir in einer Phase dramatisch steigender Arbeitslosigkeit leben. Nach Berechnungen der Institute fehlen im Jahr 1993 rund 5 Millionen reguläre Arbeitsplätze. Die Institute fügen hinzu, eine solche Größenordnung sei zuletzt in der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er/Beginn der 30er Jahre erreicht worden. Gleichzeitig geht die Bundesregierung selber in den Annahmen des sogenannten Föderalen Konsolidierungskonzeptes davon aus, daß allein im Jahr 1993 die Arbeitslosigkeit um mehr als 450 000 zunehmen wird.
In der gleichen Situation, also der größten Arbeitslosigkeit, der größten Beschäftigungskrise seit den 30er Jahren — übrigens mit allen politischen Nebenwirkungen der 30er Jahre, die man im Hinterkopf haben muß —, trägt die Bundesregierung durch aktuelle Kürzungen im Bereich der Arbeitsmarktinstrumente massiv dazu bei, daß die Arbeitslosigkeit noch drastischer wächst, als sie eh schon wachsen würde.

(Zustimmung bei der SPD)

Nun sagen die Institute, daß allein durch die aktuellen Kürzungen — 10. AFG-Novelle, Haushaltsgenehmigungsverfahren und anderes mehr — die Arbeitslosigkeit im Jahre 1993 um mehr als 250 000 aufwachsen wird, und das Wissenschaftliche Institut der Bundesanstalt für Arbeit redet gar von einer halben Million zusätzlicher Arbeitsloser auf Grund der Maßnahme der Bundesregierung.
Was halten Sie eigentlich von jemandem, der einen drohenden Dammbruch durch Stopp der Ausbesserungs- und Bauarbeiten zu verhindern sucht? — In genau dieser Situation stehen wir, beschönigend gesagt; denn es gibt nicht einen drohenden Dammbruch, sondern wir sind mittendrin, der Damm ist bereits gebrochen.

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

Meine Damen und Herren, wer in Zeiten dramatisch steigender Arbeitslosigkeit diese Entwicklung, wie die Bundesregierung dies augenscheinlich tut, auch noch befördert, hat vollends den Kopf verloren. Sie handeln konzeptionslos und wirr vor sich hin.

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

Zweite Bemerkung zu der Bedeutung des Genehmigungsstopps für AB-Maßnahmen und — faktisch — des Genehmigungsstopps für Qualifizierungsmaßnahmen für die jetzt arbeitslos Werdenden.
Mir ist soeben eine Pressemeldung betreffend die Stadt Ludwigshafen überreicht worden, die Stadt des Kanzlers. Da ist die Arbeitslosenquote von 5,7 % auf 7,3 % hochgeschnellt; 17 % der Betroffenen seien Jugendliche unter 18 Jahren. Was wollen Sie eigentlich diesen Jugendlichen unter 18 Jahren sagen, die jetzt arbeitslos werden, wenn nicht eine einzige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme — das war der letzte Notnagel des Arbeitsmarktes — in 1993 noch genehmigt und bewilligt werden kann? Was wollen wir diesen jungen Menschen in Ost- und Westdeutschland sagen? Völlige Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit wird die Reaktion der Betroffenen sein.
Statt Arbeitslosigkeit bekämpft die Bundesregierung die Arbeitslosen. Das ist der erstaunliche Paradigmenwechsel in der gegenwärtigen Phase.

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

Sie muten den Arbeitsämtern zu — statt Arbeit zu beschaffen, statt Arbeit zu vermitteln, statt Arbeitsbeschaffungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zu organisieren -, die von der Bundesregierung gezielt gewollten Opfer Ihrer eigenen Politik schärfer zu kontrollieren. Es ist in der Tat ein erstaunlicher Wechsel, daß die Opfer Ihrer völlig kontraproduktiven Politik jetzt zu Tätern gestempelt werden, die schärfer kontrolliert werden müßten. Das ist das allerletzte, was dieser Bundesregierung noch einfällt.

(Horst Günther [Duisburg] [CDU/CSU]: Gibt es denn keinen Mißbrauch?)

— Ich bin nicht gegen Mißbrauchsbekämpfung. Sie hätten ein weites Betätigungsfeld im Bereich der illegalen Beschäftigung. Dort haben Sie in den vergangenen Jahren so gut wie nichts gemacht. Das haben Sie hingenommen.

(Beifall bei der SPD)

Der Hinweis auf die 10 Milliarden DM für AB-und F+U-Maßnahmen — Qualifizierungsmaßnahmen — nützt überhaupt nichts und ist völlig nichtssagend angesichts der Tatsache, daß die Bundesanstalt 1993 über 100 Milliarden DM zur Verfügung hat und der allergrößte Brocken dieser Gelder für die Finanzierung von gesellschaftlich erzwungenem Nichtstun, also Arbeitslosigkeit, verwandt wird — das ist die Konsequenz Ihrer Politik —, zumal Sie selber, Herr Bundesarbeitsminister, noch im vergangenen Jahr gesagt haben: Die Förderung von Arbeit ist nicht teurer als die Finanzierung von Arbeitslosigkeit. Sie handeln jetzt genau umgekehrt. Welche Einsichten haben Sie dazu bewogen, von der Erkenntnis abzurücken, daß die Förderung von Arbeit eben nicht teurer sei?
Letzte Bemerkung, meine Damen und Herren: Ich warne Sie vor dem gesellschaftspolitischen Sprengstoff, der in dieser Politik besteht bzw. von dieser Politik ausgelöst wird. Soziale Konkurrenzängste Arbeitsloser oder von Arbeitslosigkeit Bedrohter fördern Ausländerfeindlichkeit. Sie fördern die Anfälligkeit für rechtsradikale Ideologien. Die Ausgrenzung aus einem gesellschaftlichen Zentrum, nämlich der Erwerbsarbeit, fördert zudem die Bereitschaft, aus gesellschaftlichen Grundkonsensen auszusteigen. Die wachsende Gewaltneigung bis hin zur offenen Kriminalität, die inzwischen verheerende Ausmaße



Ottmar Schreiner
angenommen hat, hat hier eine ihrer wesentlichen gesellschaftlichen Wurzeln.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214210500
Herr Kollege Schreiner, Ihre Redezeit ist beendet.

Ottmar Schreiner (SPD):
Rede ID: ID1214210600
Letzter Satz: Eine aktive Arbeitsmarktpolitik ist gleichzeitig präventive Gesellschaftspolitik in dem Sinne, daß aktive Arbeitsmarktpolitik auch enorme gesellschaftliche Befriedungsfunktionen auslöst. Die aktive Arbeitsmarktpolitik ist tausendmal billiger als die massive Ausweitung der Stellen bei Polizei und Justiz.
Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214210700
Herr Kollege Fuchtel, Sie haben das Wort.

Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1214210800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Besonders seriös ist der Beitrag des Kollegen Schreiner nicht ausgefallen. Ich glaube, darüber sind Sie sich auch selber im klaren.

(Zurufe von der SPD: Wahrheit ist für Sie unseriös!)

Wenn er nämlich seriös argumentiert hätte, dann hätte er zunächst dem Bundesarbeitsminister Norbert Blüm und dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit zugestehen müssen, daß es auch so etwas wie eine Haushaltsverantwortung gibt, die notwendigerweise durchzusetzen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, wer seriös argumentiert, muß erst einmal sagen, daß überhaupt nichts von dem Geld, das im Haushalt steht, weggenommen wird. Wer seriös argumentiert, muß sagen, daß dies 10 Milliarden DM sind und daß nochmals 14 Milliarden DM für Fortbildung und Umschulung zur Verfügung stehen. Wer seriös argumentiert, der muß auch sagen, daß die Mittel bei der Bundesanstalt selber fehlgelaufen sind. Dort ist in diesem Fall das Problem angesiedelt.

(Zuruf von der SPD: Sie können doch jetzt nichts mehr schönreden!)

Die Bundesanstalt selber trägt die Verantwortung dafür, daß es zu einer solchen Problematik überhaupt kommen konnte.
Wir Praktiker wissen, wie das zustande kam.

(Unruhe bei der SPD — Regina Kolbe [SPD]: Herr Waigel läßt grüßen!)

Im letzten Jahr gab es noch 100 % Förderung. In diesem Jahr sind es 80 %. Was hat man gemacht? Man hat sehr schnell, noch auf Teufel komm raus, Bewilligungen ausgesprochen. Nun merkt man, daß das Geld nicht mehr ausreicht.

(Ina Albowitz [F.D.P.]: Da stellt sich die strafrechtliche Frage!)

Was wäre das Ergebnis gewesen, wenn wir anders gehandelt hätten? Am Ende des Jahres würden sich
dann Ihre Haushaltspolitiker hier hinstellen und sagen, wir hätten wieder falsche Prognosen und Rechnungen aufgestellt. Das wollten wir nicht. Deswegen haben wir Klarheit geschaffen.

(Zuruf von der SPD: Wissen Sie, wie die ABM-Ausschüsse besetzt sind? — Weitere Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, hätte man eine andere Bewilligungspraxis durchgeführt, wäre ein Fünftel an ABM mehr möglich gewesen. Dies können Sie der Koalition nicht in die Schuhe schieben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Widerspruch bei der SPD)

Es ist eine ganz alte Weisheit: Wer alles auf einmal vervespert, hat anschließend nichts mehr auf dem Teller.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, anstatt dies alles zu sagen — und der Kollege Schreiner müßte es wissen —, verunsichern Sie die Menschen weiter. Sie machen auf dem Rücken dieser Menschen Parteipolitik.

(Zuruf von der SPD: Die Menschen sind schon verunsichert! — Peter W. Reuschenbach [SPD]: Sie sind ein Heuchler!)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214210900

(Ottmar Schreiner [SPD]: Er hat „Schaumschläger" gesagt! — Peter W. Reuschenbach [SPD]: Nein, „Heuchler" habe ich gesagt! Ich nehme alles entgegen!)


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1214211000
Das sagt er in jeder Debatte; das ist nichts Neues mehr.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214211100
Herr Kollege Reuschenbach, ich habe in 16 Jahren als Abgeordneter keinen Ordnungsruf erhalten, und ich habe in den zweieinhalb Jahren als Vizepräsident auch noch keinen Ordnungsruf erteilt. Herr Kollege Reuschenbach, ich fände es gut, wenn Sie es nicht nur nicht wiederholten, sondern auch einen Weg fänden, diesen Ausdruck in eine Sprache zu bringen, die diesem Parlament angemessen ist.

(Ottmar Schreiner [SPD]: „Er ist ein vornehmer Heuchler! " — Peter W. Reuschenbach [SPD]: Wenn er das auf die andere Seite schiebt, muß ich sagen, er ist ein Heuchler! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Dann erteile ich Ihnen hiermit einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Ottmar Schreiner [SPD]: Er ist aber ein vornehmer Heuchler!)

— Den nächsten Ordnungsruf erteile ich Herrn Schreiner. Wir wollen doch hier nicht solche Sitten einreißen lassen!

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Es geht wirklich nicht, daß eine Fraktion einen ordnungsrufwürdigen Ausdruck auch noch wiederholt und bestätigt.



Vizepräsident Hans Klein
Herr Fuchtel, bitte fahren Sie fort.

Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1214211200
Meine Damen und Herren, dazu paßt wie die Faust aufs Auge, daß Sie gestern in Ihrer SPD-Fraktion beschlossen haben, die Sozialleistungen an Asylbewerber nicht zu kürzen. Wer Mißbrauch bewußt finanziert, braucht sich nicht zu wundern, wenn das Geld für andere wünschbare Aufgaben nicht ausreicht und die Menschen dann unzufriedener werden.

(Regina Kolbe [SPD]: Das hat doch mit Mißbrauch nichts zu tun! — Weitere Zurufe von der SPD)

Kürzlich sagte dann auch noch Ihr Kollege Dreßler, es gäbe mehr Arbeitslosigkeit, weil ABM abgebaut würden.

(Zurufe von der SPD: So ist es!)

Der SPD-Lehrsatz heißt wohl — und so wird es den Bürgern suggeriert —: Mit ABM bauen wir Arbeitslosigkeit ab. — Das ist, meine Damen und Herren, die pure Logik der wirtschaftlichen Unvernunft;

(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Das ist wahr!)

denn Tatsache ist doch: Es gibt mehr Arbeitslosigkeit, weil Produktivität, Kostensituation und Preis in einem ungünstigen Verhältnis zueinander stehen. Das führt zwangsläufig zu mangelnder Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten. Dies ist eine der Herausforderungen, die aktuell für uns vorhanden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, wer hat eigentlich unsere Landsleute in den neuen Bundesländern aufgestachelt, eine Tarifpolitik zu verlangen, die keine Rücksicht auf Produktivität nimmt?

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Regina Kolbe [SPD]: Der Kanzler war es! — Gegenruf der Abg. Ina Albowitz [F.D.P.]: Wer macht denn Tarifverträge? Wo ist der wirtschaftliche Sachverstand der Sozialdemokraten?)

Wir haben immer davor gewarnt, aber wirtschaftliche
Kompetenz zählt eben zur Zeit wenig, wenn Stimmungen umgekehrt werden sollen. Das ist die Wahrheit!
Sie kommen mir vor wie der alte Baron von Münchhausen: Erst jagen Sie die wirtschaftliche Entwicklung mit falschen tarifpolitischen Signalen in den Sumpf. Anschließend wollen Sie diese mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wieder herausziehen.

(Regina Kolbe [SPD]: Das war Ihr Herr Kanzler!)

Schon Münchhausen gab es nur im Märchen. Es ist eben ein Märchen, daran zu glauben, daß man mit dem Instrument der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme die Wirtschaft wiederbeleben könne. Die Wahrheit ist: Die Produktivitätslücke muß vom Steuer- und Beitragszahler finanziert werden. Sie wollen diese Steuerzahler und Beitragszahler immer mehr schröpfen. Dies wird zu Leistungsverdrossenheit führen. Sagen Sie dies den Leuten, damit alle wissen, wie primitiv Ihr Konzept ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214211300
Herr Kollege Fuchtel, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1214211400
Ich komme zum Ende. — Sie können nicht einfach so tun, als ob durch mehr Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die Probleme in den neuen Bundesländern gelöst werden könnten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214211500
Frau Kollegin Dr. Gisela Babel, Sie haben das Wort.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Jetzt werden wir in die Marktwirtschaft eingeführt!)


Dr. Gisela Babel (FDP):
Rede ID: ID1214211600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Nachricht der Bundesanstalt, daß schon in den ersten zwei Monaten das gesamte Jahresbudget für ABM ausgegeben worden ist, hat in der Öffentlichkeit, vor allem im Osten, große Betroffenheit ausgelöst. Die Opposition spricht natürlich von arbeitsmarktpolitischem Kahlschlag.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Das tat sie schon bei der Diskussion über die 10. Novelle des AFG.

(Zuruf von der SPD: Völlig zu Recht! — Weitere Zurufe von der SPD und der PDS/ Linke Liste)

Tatsache ist, daß 1992 für ABM insgesamt 9,4 Milliarden DM im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit waren. 1993 sind es dagegen 9,9 Milliarden DM, also eine Rekordsumme, meine Damen und Herren.

(Unruhe bei der SPD)

Tatsache ist auch, daß in Ostdeutschland derzeit 325 000 Stellen über ABM gefördert werden. Das ist noch nicht alles: Zusätzlich werden in den fünf neuen Ländern im Jahre 1993 auch noch 70 000 Stellen im Bereich Umwelt-, Sozial- und Jugendeinrichtungen gefördert.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Auf dem Papier! Papier ist geduldig!)

Das sind eindrucksvolle Zahlen, meine Damen und Herren.
Das Volumen der AB-Maßnahmen ist im Jahre 1993 nicht gekürzt worden.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Wo stehen denn die 70 000 Stellen außerhalb Ihres Papiers?)

320 000 Menschen im Osten und 60 000 im Westen sollten gefördert werden. Diese Berechnungen fußten allerdings auf den geänderten Förderbedingungen: 80 % Lohn für entsprechende Arbeitszeit.
Somit müßte von einem dramatischen Rückgang der Beschäftigung nicht gesprochen werden.

(Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Selbstverständlich!)

Offensichtlich hat aber die Bundesanstalt für Arbeit
den größten Teil ihrer Mittel schon im Dezember 1992



Dr. Gisela Babel
ausgegeben. Warum? — Über die Motive können wir nur spekulieren.

(Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Wo leben Sie eigentlich?)

Tatsache ist aber, daß im Januar 1992 noch eine Bezuschussung der AB-Maßnahmen zu 100 % möglich gewesen ist. Das geht seit dem 1. Januar dieses Jahres nicht mehr. Die Bezuschussung ist abgesenkt. Jedenfalls ist klar, daß die Bundesanstalt für Arbeit mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln nicht so umgegangen ist, wie dies einer umsichtigen Haushaltsführung entsprochen hätte.

(Widerspruch bei der SPD)

Sie hätte dafür sorgen müssen, daß auch im laufenden Jahr noch Bewilligungen ausgesprochen werden können.
Wir dürfen den Menschen, die schon länger arbeitslos sind oder arbeitslos werden, nicht das Gefühl vermitteln, sie hätten jetzt gar keine Chance mehr auf ein ABM-Programm. Dies wird von den Betroffenen zu Recht als Schock empfunden, und es ist die Konsequenz aus der Haushaltsführung der Bundesanstalt für Arbeit.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch wohl nicht wahr!)

Dadurch sind die erwähnten Beschäftigungszahlen jetzt in Frage gestellt.
Ich warne aber davor, daß man jetzt nach neuen Mitteln für ABM ruft,

(Gerd Andres [SPD]: „Haltet den Dieb!", was?!)

ohne entsprechende Sparvorschläge zu machen. Auch hier ist die SPD von köstlicher Naivität. Mehr Geld für die Bundesanstalt bedeutet ein entsprechend größeres Defizit und somit einen höheren Bundeszuschuß. Es muß aber klar sein, daß die Bundesanstalt nicht den Bund durch ihr eigenes Haushaltsgebaren zu einem erhöhten Bundeszuschuß zwingen kann.

(Zuruf von der SPD: Sie hat überhaupt noch keinen Bundeszuschuß!)

Ich habe daher eine Untersuchung des Bewilligungsstopps angeregt, und Herr Minister Blüm hat sie zugesagt. Auch die Bundesanstalt will sich damit beschäftigen.
Es liegt mir aber daran, meine Damen und Herren, die Bundesanstalt und alle nachgeordneten Behörden in diesen schwierigen Zeiten nicht völlig im Regen stehen zu lassen.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Das ist aber tröstlich! — Weitere Zurufe von der SPD)

Es ist ja nicht ihre Schuld allein, daß die AB-Löhne auf Grund der unverhältnismäßigen Tarife so teuer sind.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU — Ottmar Schreiner [SPD]: Das ist doch unglaublich!)

Ohne diese Tarifbindung könnten die Mittel für mehr
Menschen reichen, meine Damen und Herren. Mir
liegt daran, die Bundesanstalt für ihre gewiß nicht leichte Aufgabe zu stärken, über Mißbrauchsbekämpfung 3 Milliarden DM einzusparen.

(Zurufe von der SPD: Eiskalt sind Sie! — Mir geht es gut, die anderen sind mir wurscht!)

Künftig aber muß die Bundesanstalt lernen, die knappen Haushaltsmittel mit mehr Augenmaß und Umsicht zu vergeben.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Unverschämtheit!)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214211700
Herr Kollege Büttner, es gibt in unserer Geschäftsordnung einen Paragraphen, der Anwendung finden kann, wenn jemand permanent stört. Ich will von diesem Paragraphen jetzt keinen Gebrauch machen. Wenn Sie aber ein so großes Mitteilungsbedürfnis haben, lassen Sie sich doch bitte von Ihrer Fraktion auf die Rednerliste setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Kollegin Petra Bläss, Sie haben das Wort.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1214211800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Aber, meine Damen und Herren, machen Sie die Sache jetzt doch nicht so herunter, daß jede Initiative verschwindet." Mit diesen Worten reagierte Bundesarbeitsminister Blüm in der Aktuellen Stunde zur Arbeitsmarktpolitik am 21. Januar auf die von seiten der Opposition angesprochenen ersten Erfahrungen und drohenden Perspektiven mit dem novellierten Arbeitsförderungsgesetz.
Der in der vergangenen Woche vom neuen Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit verfügte Bewilligungsstopp für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ist die traurige Konsequenz des mit der 10. AFG-Novelle eingeleiteten arbeitsmarktpolitischen Sparkurses. Denn hinter den heute fehlenden finanziellen Mitteln für eine aktive Arbeitsmarktpolitik steht die politische Entscheidung der Regierungskoalition, 1993 den Bundeszuschuß an die Nürnberger Anstalt zu streichen.
Obendrein trägt kein anderer als der Bundesarbeitsminister die Verantwortung für das Inkrafttreten des Makulaturhaushalts der Bundesanstalt für Arbeit: Gleich am 1. Januar dieses Jahres machte er von seinem neuen Ermächtigungsrecht Gebrauch und setzte ihn — gegen das Votum der Selbstverwaltung — in Kraft.

(Horst Günther [Duisburg] [CDU/CSU]: Damit im Osten alles läuft! Das haben Sie nur noch nicht begriffen!)

Mit dem Bewilligungsstopp für ABM ist angesichts der Größenordnung dieses Rettungsankers insbesondere in den neuen Bundesländern eine arbeitsmarktpolitische Katstrophe neuer Dimension vorprogrammiert. Zehntausenden Menschen, die über ABM gesellschaftlich nützliche Arbeit in den unterschiedlichsten Bereichen leisten, droht der Verlust ihres Arbeitsplatzes. Eine mühsam aufgebaute soziale und kulturelle Infrastruktur ist in ihrer Existenz gefährdet.



Petra Blass
Träger- und Verbandsstrukturen stehen vor dem Zusammenbruch.
Der Arbeitsmarkt Ost kommt ohne ABM nicht aus, solange Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Hunderttausende nach wie vor die einzige Möglichkeit sind, berufstätig zu sein, weil Dauerarbeitsplätze fehlen bzw. eine Übernahme bestehender ABM in Dauerarbeitsplätze nach wie vor die Ausnahme ist. 53 % der im Januar durch die Arbeitsämter der neuen Bundesländer vermittelten Arbeitsstellen waren AB-Maßnahmen.
Meine Damen und Herren, der dramatische Einbruch in der Arbeitslosenstatistik der kommenden Monate wird das eine sein. Für viel gravierender halte ich die noch unabsehbaren Wirkungen auf die Psyche der unmittelbar Betroffenen, die nun endgültig damit konfrontiert werden, nicht mehr gebraucht zu werden.

(Beifall bei der PDS/Linke Liste und der SPD)

Nach Angaben der Berliner Arbeitssenatorin Bergmann würden allein in Berlin bei Nichtzulassung neuer bzw. Nichtverlängerung bestehender AB-Maßnahmen 70 % der derzeit 35 000 ABM-Stellen wegfallen.
Was heißt das konkret? Wenn 1993 45 beim Bezirksamt für Familie und Jugend, Berlin-Prenzlauer Berg, angesiedelte ABM-Stellen — von der Sozialarbeiterin über Haushandwerker bis zur Kindergärtnerin — auslaufen, dann geht das zweifellos an die Substanz. 77 ebenfalls in diesem Jahr auslaufende ABM-Stellen stellen die Existenz von elf Frauen- und Mädchenprojekten im PrenzlBerg in Frage. Die Kiezküche für sozial Schwache in Berlin-Friedrichshain, deren erste Ausbaustufe gerade fertig wurde, muß am 15. März zumachen. SHIA, den Selbsthilfegruppen Alleinerziehender, wird die Arbeitsgrundlage entzogen, denn von den 20 in Berlin notwendigen Stellen für Kontakt- und Begegnungszentren sowie Kinderbetreuung gibt es gerade mal zwei (Teilzeit-) Stellen. Erste vom Arbeitslosenverband eingerichtete Arbeitslosenzentren — wie im Prenzlauer Berg und in Pankow — mußten bereits geschlossen werden bzw. können nur noch ehrenamtlich weiterarbeiten. MOBILE, ein Berliner Projekt zur Drogenprävention, kann ohne neue ABM-Stellen nicht fortgeführt werden.
In mühsamer und engagierter Arbeit hat das Jugendwerk Aufbau Ost im Neubaustadtbezirk Hellersdorf Kontaktstellen, Begegnungs- und Beratungszentren aufgebaut. Ihre Arbeit steht und fällt mit ABM-Kräften. Der Berliner Jugendsenator Krüger hat darauf aufmerksam gemacht, daß 90 % der Jugendarbeit im Ostteil Berlins über ABM geleistet wird. Unzählige ebenso um ihre Existenz bangende Berliner Projekte und Initiativen — hinter jedem steht das Schicksal von einzelnen Menschen — lasse ich unerwähnt; denn da würde eine Aktuelle Stunde bei weitem nicht ausreichen.
Meine Damen und Herren, alles redet derzeit vom Sparen. Daß den Staat langfristig eine Finanzierung von Arbeitslosigkeit viel teurer zu stehen kommt als
die von Arbeit, scheint nach wie vor von der Bundesregierung ignoriert zu werden.

(Ina Albowitz [F.D.P.]: Das haben wir in der DDR erlebt, wie das funktioniert!)

Eine politische Entscheidung, die eine Rückkehr zu einer aktiven Arbeitsmarktpolitik ermöglicht, ist also überfällig.

(Beifall bei der PDS/Linke Liste und der SPD)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214211900
Ich erteile das Wort dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Norbert Blüm.

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID1214212000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der SPD-Bundestagsfraktion sehr dankbar für die Aktuelle Stunde.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Das glauben wir nicht!)

Sie gibt mir Gelegenheit, in das Dunkel von Gerüchten, Spurenverwischungen, halben und ganzen Unwahrheiten Licht zu bringen.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Das scheint ja ein Krimi zu sein!)

Jede Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist nicht nur eine statistische Größe, sondern hinter jedem dieser Fälle steht ein Mensch mit Sorgen und Nöten. Ich habe etwas dagegen, wenn Sorgen und Nöte politisch ausgenutzt werden sollen.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Das Wort Heuchler würde sehr nahe liegen, Herr Präsident!)

Deshalb zur Klarstellung: Erstens. 9,9 Milliarden DM stehen 1993 im Haushalt der Bundesanstalt zum Zwecke der Finanzierung allgemeiner Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zur Verfügung. 9,9 Milliarden DM! Keine Mark ist davon gekürzt, keine Mark wird gekürzt. Es bleibt bei unserer Zusage.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

Der Kollege Schreiner hat die Gesamtausgaben für Arbeitsbeschaffung, Fortbildung und Umschulung mit 10 Milliarden DM angegeben.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe „AB" gesagt! — Horst Günther [Duisburg] [CDU/CSU]: Doch, das haben Sie gesagt!)

— Sie haben gesagt: ABM, Fortbildung und Umschulung. — Ich stelle hiermit klar: Für Fortbildung und Umschulung gibt es zu den 10 Milliarden DM noch 14,8 Milliarden DM.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Bitte das Protokoll durchlesen!)

Die Treffsicherheit Ihrer Aussage beträgt 40 %. Wenn ich von Halbwahrheiten spreche, dann habe ich bei Ihnen noch um 10 % untertrieben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Herr Schreiner weiß nicht, was er hier erzählt!)




Bundesminister Dr. Norbert Blüm
Im Jahre 1992 standen im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit 9,4 Milliarden DM für ABM zur Verfügung, zusätzlich 3 Milliarden DM aus dem Gemeinschaftswerk. 1993 kommen zu den 9,9 Milliarden DM noch die Mittel für das neue Instrument „Arbeitsförderung Ost" hinzu. Dieses Instrument ist in seiner Inanspruchnahme durch die Bundesanstalt nach oben offen.
Zweitens. Es gibt keinen ABM-Stopp, sondern nur einen vorläufigen Stopp für neue ABM-Bewilligungen.

(Widerspruch bei der SPD)

Das ist ganz wichtig für unsere Mitbürger in den alten und neuen Bundesländern. Laufende Maßnahmen werden nicht angetastet, bereits bewilligte können auch 1993 laufen. Alle Zusagen für dieses Jahr werden eingehalten. Der Grund ist: Niemand kann mehr aus der Kasse nehmen, als in der Kasse drin ist. Wir haben einen ordentlichen Haushalt, und der ordentliche Haushalt ist keine unverbindliche Orientierung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Widerspruch bei der SPD)

Drittens. Für die Verteilung des Geldes im Rahmen der Haushaltsansätze ist die Bundesanstalt für Arbeit zuständig.

(Zurufe von der SPD)

Herr Präsident, könnten Sie mir vielleicht Gelegenheit verschaffen, hier das ungestört vorzutragen, was ich zur Aufklärung beitragen will.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Für den Monat Januar werden nach internen Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeit 10 000 neue ABM-Plätze im Osten vorgesehen. Tatsächlich sind im Januar jedoch 34 000 Vermittlungen in ABM im Osten getätigt worden. Das belegt, daß weit mehr Bewilligungen ausgesprochen wurden, als bei einer gleichmäßigen Verteilung auf das Jahr sinnvoll gewesen wäre.

(Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Vielleicht ist die Not so groß!)

Es gilt für das private wie für das öffentliche Leben: Wenn Sie Ihr Gehalt, meine Damen und Herren, in den ersten drei Tagen des Monats verplanen, haben Sie am vierten Tag keine Plandisposition mehr.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Daran sieht man, wie groß die Probleme sind!)

Viertens. Über 2 Milliarden DM sind im Januar und Februar an Mitteln für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen — —

(Zurufe von der SPD)

— Wenn Sie die Informationen nicht fürchten, dann lassen Sie mich einmal ungestört vortragen! Offenbar fürchten Sie die Sachmitteilung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) Ich teile bisher nur Fakten mit.


(Widerspruch bei der SPD)

Offenbar fürchtet die SPD diese Fakten, weil die Fakten ihre Angstkampagne zerstören. Das ist der wahre Grund.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214212100
Herr Minister, darf ich Sie einmal unterbrechen?

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID1214212200
Wer vor der Wahrheit Angst hat, der muß offenbar schreien.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Er schreit die ganze Zeit! — Zurufe von der CDU/CSU: Wer schreit, hat Unrecht!)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214212300
Herr Kollege Schreiner, Sie haben als erster Redner in dieser Debatte den Ton gesetzt. Ich habe überhaupt nichts dagegen, daß ein solcher Ton — ein bißchen schärfer — in einer Debatte herrscht, daß besonders engagiert diskutiert wird.

(Zuruf von der SPD: Das ist einseitig!)

— Frau Kollegin, ich bin nicht einseitig, aber es ist im Augenblick so, daß die SPD die Redner der anderen Seite kaum zu Wort kommen läßt.
Ich bitte Sie herzlich, meine Damen und Herren, doch zumindest zuzuhören.

(Zuruf von der F.D.P.: Wir hören auch zu! Wir haben Sie auch ertragen, Herr Schreiner! — Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Er soll einmal etwas Neues sagen!)

— Auch Sie nehmen das bitte zur Kenntnis. Bitte fahren Sie fort, Herr Blüm.

Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID1214212400
Ich teile noch einmal mit: 10 000 Stellen waren vorgesehen für Januar, 34 000 sind vergeben worden.
Im Januar und Februar sind 2 Milliarden DM an Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen abgeflossen. Wenn das so weiterginge, hätten wir am Ende des Jahres nicht 9,9 Milliarden DM, also rund 10 Milliarden DM, sondern 12 Milliarden DM erreicht. Deshalb gebietet es das Haushaltsrecht, Ihr souveränes Recht als Parlament, daß dieser Haushaltsansatz gehalten wird.
Das ist um so wichtiger, da ich zu Beginn des letzten Jahres von Ihnen, meine Damen und Herren, wegen Kürzungen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen schon einmal attackiert wurde. Am Ende des Jahres waren nicht 560 Millionen DM eingespart, sondern 900 Millionen DM überzogen. Das widerspricht einem ordentlichen Haushaltsrecht. Ich stehe dafür, daß ordentlich gearbeitet wird.
Wer mehr Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen will, muß mehr Geld beschaffen, entweder indem er an anderer Stelle spart oder neue Einnahmequellen beschafft,

(Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Das ist doch alles Makulatur und nicht seriös! Ein Zeichen der Zeit! — Ina Albowitz [F.D.P.]: „Zeichen der Zeit", wenn ich so etwas höre! Das ist Betrug!)




Bundesminister Dr. Norbert Blüm
Das ist der seriöse Weg der Politik. Ich bin für ABM, ich verteidige ABM, aber über den ordentlichen Weg.
Ich will auch hinzufügen, daß Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nicht bis ins Unendliche gesteigert werden können. Wir können ja nicht an Stelle der alten DDR-Planwirtschaft jetzt eine ABM-Wirtschaft einführen,

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Zuruf von der SPD: Sie sind ein Demagoge!)

denn ABM sind immer die Brücke. Aber jede Brücke braucht Ufer. Ziel müssen Dauerarbeitsplätze sein, nicht ABM; ABM sind nur eine Übergangslösung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich verteidige diese Übergangslösung. Sie ist notwendig, sie ist unverzichtbar. Aber das Ziel müssen Dauerarbeitsplätze sein.
Ich füge hinzu: Auch manche Kommune, gerade im Westen, finanziert mit ABM Pflichtaufgaben. Das kann nicht der Sinn von ABM sein. Die Beitragszahler sind nicht für allgemeine Aufgaben zuständig, sondern die Steuerzahler. Die Kommunen können ihre Finanzlöcher nicht auf dem Rücken von Beitragszahlern stopfen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Barbara Weiler [SPD]: Dagegen sind wir doch nicht!)

Mit den verfügbaren Haushaltsmitteln hätten nach unseren Berechnungen im Jahre 1993 jahresdurchschnittlich 350 000 ABM-Plätze in den neuen Ländern gefördert werden können. Die Bundesanstalt schätzt jetzt, daß jahresdurchschnittlich bis zu 300 000 ABM-Plätze in den neuen Ländern zur Verfügung stehen. Die Erklärung für diese Differenz ergibt sich daraus, daß im Dezember offenbar noch zu den alten Förderbedingungen abgeräumt und nicht die Alternative genutzt wurde, mit weniger Zuschuß mehr Menschen zu helfen.
Als besonders bemerkenswert empfinde ich es in diesem Zusammenhang, daß eine Reihe von Arbeitsämtern in den neuen Ländern ganz horrende Steigerungen im letzten Dezember und im Januar zu verzeichnen hatten. Ich nenne ein Arbeitsamt, das im Süden Brandenburgs liegt, als Beispiel. In diesem Arbeitsamtsbezirk wurden im Jahre 1992 exakt 500 Millionen DM für ABM ausgegeben. Bis Ende Februar sind in eben diesem Arbeitsamt, das im ganzen Jahr 1992 500 Millionen DM ausgegeben hat, im Januar und Februar 512 Millionen DM festgelegt worden. Das widerspricht allen Grundsätzen einer verantwortlichen ABM-Politik.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Wie hoch ist die Arbeitslosigkeit dort?)

Wir brauchen unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. 50 Milliarden DM für Arbeitsmarktpolitik verantwortet diese Koalition. Und da stellt sich Herr Schreiner hin und sagt, wir würden die Arbeitslosen bekämpfen.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Das ist nicht wahr! Mehr als zwei Drittel gehen in den passiven Bereich!)

In Ihrer Zeit waren 18 % des Haushaltes der Bundesanstalt für aktive Arbeitsmarktpolitik vorgesehen, heute sind es 50 %. Wir werden die Arbeitslosen nicht im Stich lassen und uns auch von dieser Kampagne nicht irritieren lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Zurufe von der SPD)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214212500
Ich erteile der hessischen Staatsministerin für Frauen, Arbeit und Sozialordnung, Professor Dr. Heide Pfarr, das Wort.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1214212600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Menschenfeindlichkeit und Unvernunft der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Bundesregierung wachsen anscheinend im Quadrat mit der Zahl der Arbeitslosen in Ost und West.

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste — Zuruf von der CDU/CSU: Mein Gott!)

Je deprimierender der Alltag, je hoffnungsloser die Zukunftsaussichten der Betroffenen, desto unsozialer und zynischer handelt Bonn.

(Hans Peter Schmitz [Baesweiler] [CDU/ CSU]: Oje!)

Erst wenige Monate ist es her, daß sich der Bundesrat und insbesondere der für Arbeit und Sozialpolitik zuständige Ausschuß mit der 10. AFG-Novelle auseinandergesetzt hat. Leider waren alle Versuche, den Bundesarbeitsminister zur arbeitsmarktpolitischen Vernunft zu bringen, fruchtlos.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Leider!)

Der Bundesarbeitsminister und sicher noch mehr der Bundesfinanzminister konnten und wollten nicht einsehen, daß die geplante Streichungs- und Verschärfungsorgie für die Betroffenen verheerend und für die letztlich angezielte Haushaltskonsolidierung untauglich sein würde.

(Ina Albowitz [F.D.P.]: Was ist das denn für eine Orgie? Wissen Sie überhaupt, was eine Orgie ist? — Julius Louven [CDU/CSU]: Wer schreibt Ihnen so etwas auf?)

— Das kann ich selbst.
Die Regierungskoalition hat sich Ohren und Augen zugehalten und das Gesetz verabschiedet. Seit dem 1. Januar 1993 ist es in Kraft. Damit fiel Schnee auf die wahrlich nicht übermäßig dichten und kräftigen Pflänzchen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, aus denen doch Zukunftshoffnungen und Beschäftigungschancen für Hunderttausende von Arbeitslosen wachsen sollten und müßten.
Nun ist gar Eiszeit, Eiszeit durch den ABM-Bewilligungsstopp, den der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit ausgesprochen hat.

(Julius Louven [CDU/CSU]: Aussprechen mußte!)

Im Stich gelassen von der Bundesregierung, mußte der neue Präsident, kaum zwei Monate im Amt, einen arbeitsmarktpolitischen Offenbarungseid leisten, und die Arbeitslosen zahlen die Schulden mit ihrem persönlichen Schicksal.



Staatsministerin Dr. Heide Pfarr (Hessen)

Ich möchte Herrn Jagoda meiner persönlichen
Anteilnahme versichern und bin da sicherlich nicht die einzige im Kreis der Arbeits- und Sozialministerinnen und -minister.

(Beifall bei der SPD — Julius Louven [CDU/ CSU]: Respekt zollen wir ihm! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Wir wissen, daß er nur stellvertretend für Herrn Blüm den Offenbarungseid geleistet hat, den dieser nämlich hätte vermeiden können und müssen.

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

Der Bundesarbeitsminister hat zwar mich und meine Länderkollegen und -kolleginnen in dieser Woche eilig angeschrieben und sich bemüht, uns zu belehren, ebenso wie eben hier.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Das macht er gern!)

Er behauptet, die Bundesanstalt habe 1993 genauso viel Mittel zur Verfügung, wie im Haushaltsplan vorgegeben — wir haben das eben gehört —, und sie habe im Vorgriff davon zuviel gebunden. Von einem totalen Absturz der aktiven Arbeitsmarktpolitik könne keine Rede sein. Da bezieht er sich auch noch auf die Jahresdurchschnittszahlen, die allenfalls in den neuen Bundesländern etwas zurückgehen würden. Ich meine, daß diese Belehrung die Wahrheit nur vernebelt. Wir haben doch nicht vergessen, daß Bonn schon 1992 die Haushaltsmittel für ABM in den alten Bundesländern um mehr als die Hälfte zurückgeschnitten hat.

(Ottmar Schreiner [SPD]: So ist es!)

Die Arbeitsverwaltung mit den Hunderttausend Betroffener vor der Tür hat Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen eingerichtet, wo immer es notwendig war. Was wäre denn, hätte sie größere Zurückhaltung gezeigt? Wir hätten derzeit zwar eine gewisse Zahl laufender ABM weniger, aber wir hätten auch exakt so viele Langzeitarbeitslose mehr.

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

Das nennt man Nullsummenspiel, nicht Problemlösung.

(Konrad Gilges [SPD]: Asozial!)

Niemand sollte einem solchen Täuschungsmanöver erliegen. Nicht die Bundesanstalt ist durch leichtfertiges Geldausgeben schuld am derzeitigen ABM-Bewilligungsstopp, sondern die Bundesregierung, die nicht das ABM-Finanzvolumen bewilligt hat, das angesichts der Arbeitslosenzahlen und der Entwicklung unbedingt erforderlich ist.

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste — Zuruf von der CDU/CSU: Was ist mit hessischer Wirtschaftspolitik?)

Verantwortlich ist die Bundesregierung, die einen Zwangshaushalt verordnete, der in krassem Mißverhältnis zur Zahl der Arbeitslosen steht.

(Julius Louven [CDU/CSU]: Wie kommen Sie auf „ Zwangshaushalt"?)

Der Bundesarbeitsminister benutzt einen Taschenspielertrick, indem er ausnutzt, daß ein Bewilligungsstopp jetzt das träge reagierende Schiff ABM natürlich erst nach längerem Bremsweg zum Halten bringt; denn die ein- bis zweijährigen Maßnahmen laufen erst nach und nach aus. Es wird vernebelt, wenn vorgerechnet wird, daß eine 1991 oder 1992 begonnene ABM natürlich auch in die Durchschnittszahl des Jahres 1993 eingeht. Aber — darum geht es uns — die ABM von 1991 und 1992 helfen doch denjenigen arbeitslosen Menschen nicht, die heute vor den Toren des Arbeitsamtes stehen.

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

Wir haben 1993 wachsende Zahlen Betroffener, und von denen hat nach jetzigem Stand keiner eine Chance der Eingliederung durch ABM.

(Dieter-Julius Cronenberg [Arnsberg] [F.D.P.]: Das ist nicht wahr! Das ist einfach unwahr! — Gegenruf des Abg. Peter W. Reuschenbach [SPD]: Das ist die Antwort der Arbeitsämter, Herr Cronenberg!)

Lassen Sie mich an einigen Beispielen aus Hessen verdeutlichen, was durch ungenügendes ABM-Mittel-Volumen und den derzeitigen Bewilligungsstopp angerichtet wird. Wir haben in Hessen im Rahmen eines Landesprogramms jeweils die ABM-Mittel der Bundesanstalt für Arbeit aufgestockt und damit ABM ermöglicht, z. B. für den Aufbau und den Bestand kommunaler Beschäftigungsgesellschaften, für die Arbeit kultureller, sozialer und ökologischer Initiativen. In vielen Fällen wurde Langzeitarbeitslosen eine dauerhafte Beschäftigungsperspektive, d. h. die Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt ermöglicht. Wenn nicht schnellstens und im notwendigen Umfang mehr Mittel für neue ABM auch 1993 und in den Folgejahren bereitgestellt werden, dann wird der Bewilligungsstopp schneller, als wir überhaupt hinsehen können, die Trägerstruktur ruinieren.

(Julius Louven [CDU/CSU]: Wie viel schlagen Sie denn vor, Frau Ministerin? Was ist Ihre Vorstellung?)

Kommunale Beschäftigungsgesellschaften, Qualifizierungs- und Beschäftigungsprojekte werden Fachkräfte, die Betroffene betreuen, entlassen müssen. Kulturelle und soziale Projekte werden ihre vom ABM getragene Arbeit aufgeben müssen. Im ländlichen Raum sind erst in jüngster Zeit in mühsamer Kleinarbeit Projekte für langzeitarbeitslose Menschen begonnen worden. Sie würden noch in diesen ersten, Hoffnung machenden Anfangsphasen gleich wieder sterben.
Für die Arbeitslosen in den Städten und Gemeinden bedeutet der Bewilligungsstopp bei ABM und demnächst, wie schon jetzt vorauszusehen, auch bei Fortbildung und Umschulung, daß sie in absehbarer Zeit nicht nur zum Arbeitsamt, sondern auch zum Sozialamt gehen müssen. Als Landesministerin muß ich dem Bundesarbeitsminister vorwerfen, daß er sich und den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit kühl kalkulierend durch Abdrängen der Betroffenen in die Sozialhilfe entlastet.

(Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Pfui!)




Staatsministerin Dr. Heide Pfarr (Hessen)

Wer als Arbeitsloser die Chance zu einer ABM, zu einer Fortbildung oder Umschulung erhält, hat eine reelle Aussicht, auf Dauer wieder in ein Beschäftigungsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu kommen. Wer als Arbeitsloser mit fallenden Beträgen von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe abgespeist wird, landet irgendwann in der Sozialhilfeabhängigkeit mit dem riesengroßen Risiko, dort auch zu bleiben.

(Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Und ist psychisch ruiniert! — Julius Louven [CDU/ CSU]: Was haben Sie 1980 bis 1982 gemacht?)

Die Beispiele, die ich vorgetragen habe, gelten selbstverständlich auch für die anderen Bundesländer.
Wenn wir alles dies bedenken, entlarven sich die Worte des Bundesarbeitsministers, wir sollten nicht durch Akrobatik mit negativen Zahlen die Arbeitslosen in Ost und West in Angst versetzen, als blanker Zynismus und gezielter Versuch der Irreführung derer, die vor den Scherben ihrer Existenz stehen.

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

Hinter jedem und jeder Arbeitslosen steht ein Schicksal; das stimmt, Herr Minister. Bitte handeln Sie danach! Machen Sie die Arbeitsverwaltung wieder handlungsfähig durch eine massive Aufstockung der Haushaltsmittel für neue ABM in Ost und West, und das sofort!

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste — Hans Peter Schmitz [Baesweiler] [CDU/ CSU]: Was will Hessen sparen?)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214212700
Das Wort hat der Kollege Heinz-Jürgen Kronberg.

(Gerd Andres [SPD]: Jetzt kommt wieder eine Botschaft für die neuen Länder!)


Heinz-Jürgen Kronberg (CDU):
Rede ID: ID1214212800
Nein, es kommt keine Botschaft für die neuen Länder. Es kommt eine Botschaft für Sie.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Bundesarbeitsminister Blüm

(Zurufe von der SPD)

— nun halten Sie einmal ein bißchen die Klappe; ich habe überhaupt noch nicht angefangen, da fangen Sie schon wieder an zu schreien; das zeigt Ihr politisches Niveau — hat am Anfang der Woche „die Reißleine gezogen", um die Überziehung der Haushaltsansätze durch die Bundesanstalt für Arbeit zu verhindern. Bei der derzeitigen Vergabepraxis der ABM-Stellen droht ein ähnliches Ergebnis wie 1992, als die Nürnberger Behörde ihren Etat bewußt um 900 Millionen DM überzog. Nach der Anweisung des Bundesarbeitsministers will sich die Bundesanstalt jetzt erst einmal „Klarheit über den Stand der eingegangenen Verpflichtungen" verschaffen, so schreibt jedenfalls die Zeitung „Die Welt" am 2. März dieses Jahres.
Im ABM-Bereich hat die Bundesanstalt allein im Januar statt der beabsichtigten 10 000 neuen ABM-Stellen 34 000 bewilligt. Die dafür vorgesehenen 9,9 Milliarden DM sind von den bestätigten Projekten
bereits ausgeschöpft. Allein für die neuen Länder sind dabei 7,7 Milliarden DM vorgesehen.

(Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Sagen Sie einmal etwas Neues! Das haben wir doch schon gehört!)

— Dann gehen Sie heraus, wenn es Sie stört!
Zusätzlich werden wir über den § 249h AFG 600 Millionen DM für Ökoprojekte ausgeben und weitere 150 Millionen DM für Jugend- und Sozialarbeit. Von diesen Beträgen wird keine einzige Mark gekürzt, wie Sie es ständig darzustellen versuchen.

(Regina Kolbe [SPD]: Das ist doch nicht wahr!)

Von einem Stopp oder einer Rücknahme der ABM-Gelder kann also überhaupt nicht die Rede sein.
Leider war es wieder einmal der SPD-Bundesgeschäftsführer Blessing, der sich als Anführer eines bundesweiten Panikorchesters betätigte, als er von einem „Ausrauben der Bundesanstalt durch die Bundesregierung" sprach. Diese unzutreffenden Vorwürfe sind eiskalt berechnet in die Öffentlichkeit gebracht worden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Der Wahlkampf läßt grüßen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Politikstil ist meiner Meinung nach unverantwortlich. Er verunsichert nicht nur die Menschen, sondern er gibt auch den Populisten Stoff für ihre Stammtischparolen.
Nun hat die Bundesanstalt für Arbeit nicht zum erstenmal Schwierigkeiten mit ihren Etatansätzen. Bereits im letzten Jahr mußte das Bundesarbeitsministerium den Haushalt in Kraft setzen

(Zuruf der Abg. Regina Kolbe [SPD])

— Sie sind nachher dran —, weil die Anstalt offensichtlich den Forderungen des Haushaltsausschusses des Bundestages nach Personalreduzierung nicht nachkommen wollte oder konnte.
Es kann doch wohl nicht wahr sein, daß die Bundesanstalt Haushaltspolitik auf dem Rücken der ABM-Beschäftigten in den neuen und alten Bundesländern betreibt.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Was will denn Ihr Ministerpräsident?)

So ist das doch politisch einzuschätzen, wenn in vollem Wissen um Haushaltsansätze die Nürnberger Behörde bereits zu Beginn des Jahres Zusagen macht, die in der Konsequenz für den Rest des Jahres Tabula rasa bedeuten.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Ihr Ministerpräsident selbst fordert doch eine Ausweitung!)

Dazu kommt, daß trotz der zum 1. Januar dieses Jahres greifenden Begrenzung auf die Bezuschussung von 80 % der Arbeitszeit die Arbeitsämter noch nach der alten Regelung entschieden haben. Ich hoffe, daß der neue Präsident der Bundesanstalt, unser ehemali-



Heinz-Jürgen Kronberg
ger Kollege Jagoda, mit diesem schlimmen Erbe des Vorgängers Franke schnellstmöglich aufräumt.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Der „schlimme" Vorgänger war auch einmal unser Kollege!)

Die Kommunen beantragen die ABM-Stellen nicht aus reiner Freude. Ich glaube, wir können davon ausgehen, daß jede ABM-Bewilligung aus gutem Grund erfolgt. Die Kommunen sind an einer Finanzierung der ABM im Grunde angewiesen.
Wir müssen in den neuen Bundesländern das Instrument der AB-Maßnahmen weiterhin konsequent nutzen. Unstrittig ist jedoch, daß wir weitere Finanzierungsmöglichkeiten brauchen. Eine Einführung einer Arbeitsmarktabgabe, wie dies von Ihrer Seite, von seiten der SPD, gefordert wird, lehnen wir ab, und zwar aus wirtschaftlichen Gründen.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Was fordert denn Ihr Ministerpräsident? Er fordert eine Ausweitung der AB!)

Dies wäre kontraproduktiv. Ich habe an anderer Stelle schon mehrfach die schnellstmögliche Wiedereinführung des Solidaritätszuschlages verlangt — denn Arbeit finanzieren ist eine Aufgabe aller Bürger —

(Ottmar Schreiner [SPD]: Was fordern denn die ostdeutschen Ministerpräsidenten?)

und eine teilweise Verwendung der Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag für die Weiterfinanzierung der ABM-Stellen. Das wäre eine wirklich solidarische Tat.
Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Gerd Andres [SPD]: Das war leider keine Botschaft für die neuen Länder! — Dr. Ilja Seifert [PDS/Linke Liste]: Das müssen Sie in Ihrer Fraktion klären!)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214212900
Das Wort hat die Abgeordnete Regina Kolbe.

Regina Kolbe (SPD):
Rede ID: ID1214213000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Was macht Ihr da eigentlich in Bonn? Sicherlich keine konstruktive Politik!" So ist die Meinung von vielen. Es ist eine Politik, die immer diejenigen trifft, die von der deutschen Einheit am meisten betroffen sind: die Arbeitslosen.
Herr Blüm hat bei der Verabschiedung der AFG-Novelle gesagt, daß es 350 000 ABM in diesem Jahr geben wird. Auch ich habe davon gesprochen, daß es zu einem Abbau von 100 000 ABM und 50 000 Qualifizierungsmaßnahmen in diesem Jahr durch die Verabschiedung der AFG-Novelle kommen wird.

(Heinz-Jürgen Kronberg [CDU/CSU]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Von der Warte des Haushaltes aus gesehen hat die Bundesanstalt für Arbeit sicherlich richtig gehandelt, obwohl sie die Annahme dieses Haushaltes, weil sie verantwortungsbewußt handelte, abgelehnt hat. Aber Herr Blüm hat ihn in Kraft gesetzt und hat die entsprechenden Maßnahmen gestoppt. Keiner in diesem Haus kann sagen, daß ihm die jetzigen Auswirkungen nicht bekannt gewesen sind. Wir alle sind bei den Anhörungen, auch von Herrn Franke, auf die Folgen hingewiesen worden, mit denen wir heute leben.
Für mich persönlich ist es sehr bitter — das muß ich hier leider Gottes erklären —, daß das, was ich befürchtet habe, in der Realität eingetreten ist. Einige Auswirkungen des Bewilligungsstopps möchte ich Ihnen einmal mitteilen. Vor allen Dingen die Frauen sind davon betroffen.
Die „Volkssolidarität" des Landes Sachsen spricht von einem sozialen Notstand. AWO Bad Düben: Ab 1. Juni kein Behindertenfahrdienst mehr. Ab 1. Juli kein „Essen auf Rädern" mehr. Auch die hauswirtschaftliche Betreuung muß eingestellt werden. Schließen des Seniorentreffs, täglich 30 bis 40 Besucher.
„Volkssolidarität" Eilenburg: Sechs ABM abgelehnt, beantragt für vier Frauen, 50 Jahre und älter, Langzeitarbeitslose, eine alleinstehende Frau mit zwei Kindern, eine verheiratet mit drei Kindern, der Mann ist arbeitslos.
Das Diakonische Werk Wurzen wollte eine Tagesstätte für psychisch Kranke und betreutes Wohnen aufbauen: Ohne ABM in Frage gestellt.
Sozialamt Stadt Eilenburg: Die Sozialstationen brauchen noch ca. zwei Jahre Hilfe über ABM. Und, und — ich könnte die Liste fortsetzen.
Wenn Sie sich, Herr Kronberg, einmal erkundigt hätten, welche Auswirkungen das hat, dann würden Sie nicht so reden.

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste — Heinz-Jürgen Kronberg [CDU/CSU]: Ich weiß es! Sie brauchen mich nicht zu belehren!)

Diese Probleme gibt es nicht nur in Sachsen, sondern auch in anderen Bundesländern. Die AWO Coswig: Ab Mai wird die Verteilung von 120 Essen auf Rädern eingestellt. 70 Bürger können nicht mehr über Hauswirtschaftspflege betreut werden.
Viele Beschäftigungsgesellschaften, viele Projekte, die mühsam aufgebaut wurden, werden zerschlagen. Zur Zeit sind in Leipzig 20 561 Menschen in Beschäftigungsgesellschaften tätig, ab dem dritten Quartal eventuell nur noch 4 000 bis 5 000. Die Folgen können Sie sich ausmalen. Diese Menschen beschäftigen sich mit sozialen Projekten. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ist es das, was Sie gewollt haben?
Ihre Unfähigkeit, den Ernst der Situation zu erkennen, die Nichthandlungsfähigkeit dieser Regierung und das schmähliche Finanzdiktat des Herrn Waigel haben dazu geführt, daß sie sich aus der aktiven Arbeitsmarktpolitik verabschiedet haben.

(Julius Louven [CDU/CSU]: Das müssen Sie gerade sagen!)

Die Probleme, die es zu bewältigen gibt, sind überdimensional.
Für die 1,2 Millionen Arbeitslosen im Osten und für die noch einmal 1,2 Millionen Menschen im Osten, die
12262 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 142. Sitzung. Borin, Mittwoch, den 3. März 1993
Regina Kolbe
in den Vorruhestand gehen, Altersübergangsgeld beziehen, in Kurzarbeit oder ABM tätig sind,

(Julius Louven [CDU/CSU]: Das ist unsere Arbeitsmarktpolitik!)

sind die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die es zur Zeit gibt, ein Tropfen auf den heißen Stein. Mehr ist es nicht.

(Beifall bei der SPD — Julius Louven [CDU/ CSU]: Sind eine Million ein Tropfen auf den heißen Stein?)

— Nein, es gibt über eine Million Arbeitslose. Ich spreche von den AB-Maßnahmen. 350 000 sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn Sie es nicht zu dem sozialen Notstand im Osten Deutschlands kommen lassen wollen, müssen Sie endlich handeln.
Vorhin wurde gesagt, daß die Löhne bis 1994 verantwortungslos angeglichen werden sollen. Das hat der Kanzler den Menschen im Osten versprochen: bis 1994 eine Angleichung der Lebensverhältnisse. Wenn Sie jetzt diesen Schwarzen Peter anderen zuschieben, wo es Ihr Kanzler selber versprochen hat, dann sollten Sie sich erst einmal an ihn wenden.

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

Ich frage Sie im Auftrag der Menschen: Was werden Sie auf dieser Strecke in Zukunft konkret tun, damit endlich das Problem der drohenden Massenarbeitslosigkeit gelöst werden kann? Stellen Sie sich dem Problem, und reden Sie nicht alles schön. Schönreden habe ich in der DDR genug gehört. Leider Gottes wissen wir das Ergebnis heute.

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214213100
Das Wort hat der Kollege Josef Grünbeck.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Arbeitsamtdirektor! — Gerd Andres [SPD]: Jetzt kommt der ABM-Spezialist!)


Josef Grünbeck (FDP):
Rede ID: ID1214213200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde ist tatsächlich keine Stunde für humorvolle und demagogische Darlegungen. 1993 haben wir 50 Milliarden DM für Arbeitsmarktpolitik im Haushalt eingesetzt. Für die F.D.P.-Fraktion erkläre ich: Herr Minister, ich danke Ihnen dafür, daß Sie mit dafür sorgen, daß diese Mittel eingesetzt werden, um tatsächlich den Mißbrauch zu verhindern und die Obergriffe im Haushalt zu vermeiden.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Horst Peter [Kassel] [SPD]: Wer mißbraucht?)

Unser Vertrauen gilt genauso dem neuernannten Präsidenten der Bundesanstalt, Herrn Jagoda.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Sagen Sie einmal etwas zur Steuerhinterziehung!)

— Herr Schreiner, Sie sind ein liebenswerter Diskussionspartner hier eine Etage tiefer.

(Heiterkeit bei der F.D.P. und der CDU/ CSU)

Aber wenn Sie glauben, daß die AB-Maßnahmen die einzige Möglichkeit sind, die Arbeitslosigkeit zurückzudrängen, dann sind Sie einfach auf dem falschen Dampfer. Das muß ich Ihnen einmal sagen.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Ottmar Schreiner [SPD]: Davon hat niemand etwas gesagt! Sagen Sie etwas zur Beschäftigungspolitik dieser Bundesregierung! Wir haben 5 Millionen Fehlbestand regulärer Arbeitsplätze!)

— Herr Präsident, sobald Herr Schreiner lauter wird, als ich am Mikrofon sein kann, unterbreche ich die Rede, und ich bitte Sie, mir dies nicht anzurechnen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214213300
Jetzt unterbreche ich Ihre Redezeit. Diese individuelle Auslegung der Geschäftsordnung kann ich leider nicht nachvollziehen.

(Heiterkeit)


Josef Grünbeck (FDP):
Rede ID: ID1214213400
Dann habe ich die kollegiale Bitte: Lassen Sie mich durchreden!

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214213500
Aber erlauben Sie mir, damit hier kein Irrtum aufkommt, daß ich etwas klarstelle: Mit der „Etage tiefer" ist nicht etwa das intellektuelle Niveau gemeint, sondern das sehr liebenswerte Restaurant im Bundeshaus.

(Heiterkeit — Beifall bei der F.D.P.)


Josef Grünbeck (FDP):
Rede ID: ID1214213600
Herr Präsident, so wie ich meinen Freund Schreiner kenne, hat er es überhaupt nicht mißverstanden.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Das habe ich nicht einmal krummgenommen!)

Als Mittelstandspolitiker muß ich Ihnen sagen, daß die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sicher ihre Berechtigung haben. Die Lösung der Probleme auf dem Arbeitsmarkt ist schwerer. Was wir wollen, ist die Vermeidung von Mißbrauch und vor allen Dingen von Wettbewerbsverzerrungen.
Meine Damen und Herren, der Mittelstand ist im Augenblick ein Stabilitätsfaktor auf dem ganzen Arbeitsmarkt. Wir haben offene Stellen zu besetzen und nicht etwa eine demagogische Verunglimpfung der Arbeitnehmer zu betreiben. Was sagt denn eigentlich das Arbeitsförderungsgesetz? Das Arbeitsförderungsgesetz sagt in Nr. 1, daß wir bevorzugt Maßnahmen fördern sollen, die geeignet sind, die Voraussetzungen für die Beschäftigung von Arbeitslosen in Dauerarbeit zu schaffen.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Wenn das so ist, dann muß ich Ihnen sagen, stärken
Sie doch die mittelständische Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland! Dann haben Sie die besten



Josef Grünbeck
Voraussetzungen für Dauerarbeitsplätze überhaupt geschaffen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die erhöhen lieber die Lohnnebenkosten!)

Wir haben die Gefahr, die da gegeben ist, erkannt. Wir müssen Sie auffordern, eine flexiblere Lösung anzubahnen.
Frau Kollegin Babel hat schon darauf hingewiesen, daß ein Tarifvertrag, wo bei einem Wechsel 80 bis 90 % der regulären Tariflöhne als Arbeitsbeschaffungsentgelt gezahlt werden, der verkehrte Weg ist. Darf ich das noch mit zwei Zahlen belegen? Der Ecklohn eines Facharbeiters nach dem BraunkohleTarifvertrag in den neuen Bundesländern liegt zwischen DM 2 475 und DM 2 670. In einer AB-Maßnahme wird er weiterhin nach Braunkohletarif bezahlt. Zum Vergleich: der Ecklohn eines Facharbeiters in der Metallindustrie liegt bei 1 762 DM. Warum sollte dann ein z. B. in einer Altlasten-Sanierungsmaßnahme beschäftigter ehemaliger Bergmann ein Interesse daran haben, in einen anderen Arbeitsplatz überzuwechseln?

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Ottmar Schreiner [SPD]: 5 Millionen Arbeitsplätze fehlen!)

— Nein, nein. Dann brauchen wir natürlich einen Einheitstarifvertrag für die AB-Maßnahmen. Dann werden Sie mehr Flexibiliät erzeugen und nur so.
Wenn Sie glauben, daß kein Mißbrauch stattfindet, dann empfehle ich Ihnen wirklich einmal, den unverdächtigen — zumindest für die SPD — „Spiegel" dieser Woche zu lesen. Wenn beispielsweise über AB-Maßnahmen eine Blaskapelle der Nationalen Volksarmee in eine Tanzkapelle umgeschult wird, dann, sage ich Ihnen, sind Ihre Vorwürfe berechtigt, daß soundso viel Leute keine AB-Maßnahmen bekommen. Aber die Ursache liegt darin, daß sie falsch gesteuert werden, daß die Leute AB-Maßnahmen bekommen, die sie gar nicht verdienen. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

In Berlin haben sie jetzt eine Arbeitsgemeinschaft gegründet für die Vermittlung von Malern und Elektromonteuren und von allem möglichen. Lassen Sie das doch die mittelständischen Betriebe machen! Die machen das billiger, effizienter und vor allen Dingen in Richtung dauerhafte Arbeitsplätze besser. Ich sage Ihnen, mit der demagogischen Darlegung ist es nicht getan. Ich bin dankbar, Herr Bundesminister Blüm, daß Sie die Information hergebracht haben, die notwendig war, warum jetzt diese Maßnahme ergriffen wird.

(Zuruf des Abg. Ottmar Schreiner [SPD])

Meine Damen und Herren, der soziale Friede ist in der Bundesrepublik Deutschland etwas, was wir alle akzeptieren und für notwendig halten. Der soziale Friede ist aber keine Einbahnstraße. Das war nicht eine Leistung einer Gesellschaft, sondern das war die Leistung von uns allen. Diesen sozialen Frieden dürfen wir in der Bundesrepublik nicht gefährden. Das ist ein Auftrag für uns alle. Dem sollten wir uns stellen.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214213700
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Gero Pfennig.

Dr. Gero Pfennig (CDU):
Rede ID: ID1214213800
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich einmal aus der Sicht des Haushaltspolitikers etwas zu Ihrer Aktuellen Stunde

(Barbara Weiler [SPD]: Aus der Sicht des Petitionsausschuß-Vorsitzenden ist es interessant!)

— auch aus der Sicht des Petitionsausschuß-Vorsitzenden — beitragen, was bei der Bundesanstalt für Arbeit eigentlich passiert ist.
Es ist hier mehrfach betont worden, daß ABM auch in Zukunft ein zentraler Baustein der aktiven Arbeitsmarktpolitik sein soll. Dahinter stehen alle. Die Zahlen der Jahre 1991 und 1992 zeigen deutlich, daß bei 390 000 Geförderten in den alten Bundesländern und 2 Millionen in den neuen Bundesländern diese Politik ernsthaft verfolgt wird. Der Minister hat schon darauf hingewiesen, daß in diesem Jahr fast 10 Milliarden DM für ABM zur Verfügung stehen, für die Arbeitsmarktpolitik insgesamt 51 Milliarden DM. Die Zahlen belegen, daß die Katastrophenschlagzeilen so mancher Tageszeitung mit der Wirklichkeit eigentlich nichts zu tun haben. Die Katastrophe liegt in Wahrheit darin — das haben Sie völlig richtig gesagt —, daß Arbeitsplätze fehlen.

(Regina Kolbe [SPD]: Das ist auch eine Katastrophe!)

Wenn Sie jetzt mehr ABM-Stellen fordern, dann fordern Sie dafür auch eine höhere Finanzausstattung. Sie haben aber bisher nicht gesagt, aus welchen Finanzierungsquellen Sie die höhere Finanzausstattung eigentlich schaffen wollen.

(Zuruf der Abg. Regina Kolbe [SPD])

Der aktuelle Vorgang des Bewilligungsstopps bei der Bundesanstalt für Arbeit ist übrigens ein Problem, das schon mehrfach zur Sprache gekommen ist. Ich meine damit — und damit müßten Sie von der SPD sich auch einmal beschäftigen — das Unvermögen und die Unwilligkeit der Bundesanstalt, vorgegebene Haushaltsansätze einzuhalten und vor allen Dingen eine kontinuierliche Bewirtschaftung der Mittel zu betreiben.
Vor fünf Jahren hat die Bundesanstalt für Arbeit großspurig verkündet, daß sie eine Einrichtung der Selbstverwaltung ist, in deren finanzielles Gebaren der Bund seine Nase nicht hineinzustecken habe, sondern gefälligst ein finanzielles Minus sofort auszugleichen habe. Verhindert werden sollte damit eine Prüfung des Haushaltsgebarens durch den Bundesrechnungshof. Das ist nicht geglückt.
Wir stehen jetzt vor einer ähnlichen Situation, nur daß es diesmal nicht um üppige Planstellenbewilligungen und überflüssige Millionen-Neubauten auf Kosten der Beitragszahler geht, sondern um mögliche Mißwirtschaft bei Leistungsbewilligungen zu Lasten des Steuerzahlers. Ich bin dafür, daß auch in diesem Fall der Bundesrechnungshof mit einer Sonderprü-



Dr. Gero Pfennig
fung beauftragt wird. Ich sage Ihnen, ich bin auch dafür, daß bei Feststellung von Verstößen gegen das Haushaltsrecht der Bundesanstalt für Arbeit die Damen und Herren zur Rechenschaft gezogen werden, die gegen das Haushaltsrecht verstoßen haben,

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

in der Erwartung, daß lautes Geschrei über unzureichende Mittel zu einer großzügigen Nachsubventionierung bei der Bundesanstalt für Arbeit aus Steuerzahlers Geld führen und ihr Fehlverhalten nachträglich heilen wird.
Ich erinnere nochmals daran, 1992 sind nicht genehmigte Haushaltsüberschreitungen von 900 Millionen bei der Bundesanstalt für Arbeit vorgekommen, davon pikanterweise 400 Millionen für ABM West.
Die Bundesanstalt ist bis heute nicht in der Lage, verläßliche Daten über eingegangene Verpflichtungen zu liefern. Im Zeitalter des Computers ist es ein Witz, daß taggenaue Mittelbindungen von der Bundesanstalt nicht angegeben werden können. So etwas kann es einfach nicht geben. Ich erwarte nachvollziehbare Mittelverteilungsübersichten der Arbeitsamtbezirke.
Ich beglückwünsche ausdrücklich den neuen Präsidenten der Bundesanstalt zu seiner Entscheidung, ein weiteres Überschreiten des Haushalts der Bundesanstalt zu verhindern. Der Bundeshaushalt ist nicht dazu da, haushaltswidrig bei der Bundesanstalt entstandene Defizite auszugleichen, sondern die Bundesanstalt kann nur so viel Geld ausgeben und Maßnahmen bewilligen, wie in ihrem Haushalt zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Regina Kolbe [SPD]: Deshalb müssen wir die Haushaltsmittel erhöhen!)

Ich sage Ihnen noch etwas und ich gebe dem Präsidenten noch einen Rat — der alte Präsident hat leider solche Ratschläge nicht angenommen: Alle Ende 1992 für 1993 bewilligten Maßnahmen können korrigiert werden, wenn sie unter Vorbehalt ergangen sind oder wenn die AFG-Novelle als die gesetzliche Grundlage dafür betrachtet wird. Damit könnten Neubescheide auf der Basis des jetzt geltenden Gesetzes ausgesprochen werden. Ich nehme an, daß niemand in der Bundesanstalt gegen seine Dienstpflichten verstoßen hat und trotz Kenntnis der in 1993 in Kraft tretenden Änderung Bewilligungen ohne Vorbehalt ausgesprochen hat. Allein durch die Anwendung des geltenden Rechts würden so viel mehr Mittel zur Verfügung stehen, daß die Zahl von 400 000 ABM-Kräften mit den vorgesehenen Haushaltsmitteln der BA auch erreicht werden könnte.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214213900
Frau Kollegin Barbara Weiler, Sie haben das Wort.

Barbara Weiler (SPD):
Rede ID: ID1214214000
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinem Vorredner erst einmal danken. Das war ein sachlicher Beitrag, der auch die Situation und die Lage der Bundesanstalt für Arbeit, nach meiner Einschätzung, aus der Sicht eines Rechnungsprüfers richtig getroffen hat. Aber wir sind hier nicht Rechnungsprüfer, sondern wir sind Politiker und Politikerinnen. Wir müssen aus diesen Fakten politische Handlungsfähigkeit gewinnen. Das hat die Regierung und die Mehrheitsfraktion eben nicht getan.
Ich möchte auch noch ein Wort zu meinem Vorredner von der F.D.P. sagen. Ich habe bis jetzt auch durch Sie, Herr Grünbeck, immer noch den Eindruck, daß die F.D.P. die Vergaberichtlinien und die Vergabepraxis der Arbeitsämter vor Ort nicht richtig durchschaut; sonst wüßten Sie, daß ohne Zustimmung der Arbeitgeberseite solche Vergaben nicht erfolgen. Sie wissen, daß die Arbeitgeber Einspruch erheben können.
Noch ein Wort: Sie haben eben die AB-Maßnahmen insgesamt massiv kritisiert. Sie vergessen ganz, daß die Alternative zu AB-Maßnahmen zur Zeit die Arbeitslosigkeit und das Abstufen in die Sozialhilfe sind, aber nicht eine Beschäftigung im regulären Arbeitsmarkt.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Herr Grünbeck, was nun?)

Aktive Arbeitsmarktpolitik muß kontinuierlich sein. Mit dem veranlaßten Stopp und der Kürzungsnovelle vom letzten Jahr brechen Sie das Einvernehmen darüber, daß solche Maßnahmen eine zentrale Brückenfunktion auf dem Arbeitsmarkt haben und ein wichtiges Instrument bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sind; sie sind ein wichtiges Instrument, nicht das einzige.

(Josef Grünbeck [F.D.P.]: Manchmal auch das falsche!)

Aber in Zeiten zunehmender Rezession wäre es notwendig, ein mehr an aktiver Arbeitsmarktpolitik des Staates und nicht ein Weniger zu organisieren.

(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Sagen Sie mal, woher Sie das Geld nehmen wollen! —Julius Louven [CDU/CSU]: Wieviel schlagen Sie denn vor? 5 oder 10 Milliarden?)

Diese Kürzungen sind zudem noch kurzsichtig, weil sie wegen der jetzt zweifellos zunehmenden Zahlungen von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe kaum Einsparungen mit sich bringen.
Der Kahlschlag von AB-Maßnahmen ist nicht nur für die neuen Länder, sondern auch im Westen eine Katastrophe. Bei den Langzeitarbeitslosen wird er Resignation und Verbitterung, vielleicht noch Schlimmeres hervorrufen. Für die Träger wird er zur Folge haben, daß mit Engagement und Einfallsreichtum geschaffene Strukturen zunichte gemacht werden und über Jahre hinweg aufgebautes Vertrauen enttäuscht wird. Dabei erwarten Sie — die hessische Ministerin hat es schon angedeutet —, daß die Länder und die Kommunen für den Bund einspringen, obwohl ihnen gerade erst die abrupte Streichung bei der Städtebauförderung zugemutet worden ist.

(Julius Louven [CDU/CSU]: Das war doch wirklich zumutbar!)




Barbara Weiler
Mit solchen Radikalkuren aber ist ein sozialer Flächenbrand auch in wirtschaftlich stabilen Ländern wie Hessen vorprogrammiert.
Seit Tagen erhalte ich empörte und verzweifelte Anrufe von Arbeitsloseninitiativen.

(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Macht doch eine bessere Wirtschaftspolitik in Hessen!)

Ich frage mich, Frau Babel: Haben Sie eigentlich keine Information von der Basis? Erhalten Sie keine Anrufe? Erreicht Sie kein Protest? Ich bin überzeugt, daß die Arbeitsämter in Bayern, in Baden-Württemberg und auch in anderen Westländern ganz genauso protestieren werden.

(Josef Grünbeck [F.D.P.]: Es protestieren viele gegen den Mißbrauch, den Sie einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen!)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, der Fortfall der weiteren AB-Maßnahmen in 1993 bedeutet, daß viele dringende und sinnvolle Projekte im Umweltbereich und bei den sozialen Diensten, Frauenprojekte und Projekte bei der Jugendhilfe nicht mehr durchgeführt werden können. Es bedeutet auch eine ganz schwere Belastung für die älteren Arbeitnehmer sowie für die schwer vermittelbaren Jugendlichen, die Sie somit auf die Straße treiben und dem Gammeln überlassen.
Die bundesweiten Proteststürme, die Sie jetzt hören, hätten Sie natürlich schon erahnen können, als wir die zehnte Novelle des Arbeitsförderungsgesetzes im Dezember verabschiedet haben; denn in der zehnten Novelle war im Prinzip alles schon vorbereitet, was wir jetzt sehen.

(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Davon stimmt kein Satz!)

Ich möchte noch einmal betonen: Wir wollen nicht der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg den Schwarzen Peter zuschieben;

(Horst Peter [Kassel] [SPD]: Ich weise alles zurück!)

denn Herr Franke hat im letzten Jahr bei der Anhörung gewarnt, die Selbstverwaltung hat gewarnt, aber Sie haben nicht darauf gehört, Sie haben die zehnte Novelle so verabschiedet.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wenn das so einfach wäre!)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich kann mich noch erinnern, daß Mitte letzten Jahres, als wir in diesem Hause über die Arbeitsmarktpolitik gesprochen haben, von der F.D.P. vorgeschlagen wurde, einmal eine qualitative Verbesserung von AB-Maßnahmen zu überlegen und zu prüfen.

(Josef Grünbeck [F.D.P.]: Das machen wir immer noch!)

Kein Problem, da hätten wir gern mitgemacht. Aber das, was Sie machen, ist keine qualitative Verbesserung, es ist kein Ausbau; sondern das, was Sie machen, ist der Stopp, und da stimmen wir nicht zu.

(Beifall bei der SPD — Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Wir machen keinen Stopp! — Julius Louven [CDU/CSU]: Wir haben um 400 Millionen DM erhöht!)

Ihnen fallen immer nur Kürzungen, Streichungen und Schikanen für die Arbeitslosen ein.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214214100
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Barbara Weiler (SPD):
Rede ID: ID1214214200
Ich bin beim vorletzten Satz. — Neue Ideen haben Sie nur, wenn es darum geht, den von Ihnen so bereitwillig unterstellten Mißbrauch zu bekämpfen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Den sehen Sie doch auch!)

Jetzt aber wäre es wichtiger, konstruktiv zu handeln. Führen Sie doch endlich den Arbeitsmarktbeitrag ein, und bekämpfen Sie vor allem die Arbeitslosigkeit und nicht die Arbeitslosen!

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214214300
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Peter Ramsauer.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Das ist der „schwarze" Peter, Herr Präsident! — Zuruf von der CDU/CSU: Das gibt schon wieder einen Ordnungsruf! Ihr habt ja schon so viele!)


Dr. Peter Ramsauer (CSU):
Rede ID: ID1214214400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bewilligungsstopp für die neuen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durch die Bundesanstalt für Arbeit mag zwar viele erschrocken haben und in vielen Fällen sogar arbeitsmarktpolitisch schmerzlich sein. Das Nützliche daran ist aber der durchaus heilsame Schock, den diese Notbremsung — es war ja offensichtlich eine Notbremsung durch den neuen Präsidenten Jagoda — ausgelöst hat. Herr Jagoda mußte doch wohl so handeln. Wir können nicht auf der einen Seite der Bundesanstalt ein enges Haushaltskorsett verpassen und uns auf der anderen Seite hinterher darüber aufregen, wenn der Präsident dies einzuhalten versucht.

(Barbara Weiler [SPD]: Darüber regen wir uns auch nicht auf!)

Wir können uns nicht — wie in der Vergangenheit geschehen — hier von Bonn aus ständig über den chronischen Zuschußbedarf der Bundesanstalt beschweren, jetzt aber den Präsidenten dafür beschimpfen, daß er versucht, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Herr Jagoda sagt, daß in allen Bereichen, in denen er steuern kann, also auch bei ABM, die Haushaltsansätze nicht überschritten werden dürfen, dann gebe ich ihm vollkommen recht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Ministerin Pfarr, das hat überhaupt nichts mit einem Offenbarungseid zu tun. Es hat vielmehr damit zu tim, daß jemand versucht, die Liquidität zu erhal-



Dr. Peter Ramsauer
ten, um einen Offenbarungseid, der ihm möglicherweise irgendwann drohen könnte, abzuwenden. Das ist solide Haushaltspolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Vor allen Dingen muß nach der aufgeregten Diskussion der letzten Tage mit der vollkommen irrigen Meinung aufgeräumt werden, daß durch diesen Ausdehnungsstopp von ABM — es ist ja nur ein Ausdehnungsstopp — Arbeitslosigkeit ursächlich erzeugt werde. Genauso unsinnig ist umgekehrt die Auffassung, durch eine weitere Aufblähung dieses Instrumentes werde die Arbeitslosigkeit abgebaut.
Wir müssen vielmehr wieder die wahren wirtschaftlichen Zusammenhänge sehen, die folgendermaßen lauten: Die Arbeitslosigkeit hat ihre Ursachen in konjunkturellen Entwicklungen, in jahrzehntelangen falschen sektoralen Strukturpolitiken — siehe z. B. die Stahlkrise — und im Bereich der neuen Bundesländer in den katastrophalen Hinterlassenschaften jahrzehntelanger Miß- und Planwirtschaft.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Dazu zähle ich auch einen solchen Investitionsschreck, wie ihn die brandenburgische Ministerin Hildebrandt darstellt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Julius Louven [CDU/CSU]: Die haben sie heute vorsorglich versteckt!)

Wenn Sie sich einmal die Politik dieser Dame ansehen, dann, meine Damen und Herren, müssen Sie sich nicht wundern, wenn dort niemand mehr investieren will.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind hier bei einer wichtigen Frage des Wesens von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Sie können niemals nur ein Reparaturbetrieb für das sein, was Wirtschafts-, Regional- oder Strukturpolitik, die Treuhand oder beispielsweise die Genehmigungsbehörden für Investitionen nicht zu leisten vermögen. Teilweise konterkarieren sie ja sogar die Bemühungen um Investitionen.
Mit ABM allein wird kein einziger wirklicher Dauerarbeitsplatz im sogenannten ersten Arbeitsmarkt geschaffen,

(Barbara Weiler [SPD]: Das stimmt nicht!)

es sei denn, bei der Bundesanstalt für Arbeit selbst mit ihrem fast 100 000 Mann starken Apparat. ABM dürfen ihrem Wesen nach nie mehr darstellen als eine Brückenfunktion. Ich weise deshalb die Forderungen von Teilen der SPD zurück, ABM immer weiter auszudehnen bis zu einer Quasi-Beschäftigungsgarantie. Wir hätten dann nämlich die gleiche Art von Scheinbeschäftigung und verdeckter Arbeitslosigkeit, durch welche sich auch die frühere DDR-Wirtschaft ausgezeichnet hat, ohne einer wirklich soliden Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung auch nur einen einzigen Schritt näherzukommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Nein, meine Damen und Herren, das Instrument der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen darf nicht überfordert werden. Es darf nicht überfordert werden! Es ist
und bleibt eine flankierende Maßnahme mit Brückenfunktion und kann Ursachen für hohe Arbeitslosigkeit nicht beseitigen. Den ABM-Aufblähungsstopp mit einer „Abrißbirne" zu vergleichen, die die soziale Stabilität unseres Landes zerstört, wie es DGB-Chef Heinz-Werner Meyer in den letzten Tagen getan hat, ist deshalb wohl als reine amtsbedingte Übertreibungskür zu interpretieren.
Meine Damen und Herren, statt einer Inflation von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen das Wort zu reden, sollten wir statt dessen vielmehr der Frage nachgehen, wie der Übergang aus Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den regulären Arbeitsmarkt wieder besser funktioniert.
Seit langem häufen sich nämlich die Erfahrungen, daß Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen — sofern sie als Beschäftigungsgarantie mißverstanden werden — die Eigeninitiative von Teilnehmern an solchen Maßnahmen lähmt und diese immer weniger bereit sind, aus einer laufenden ABM heraus in eine reguläre Beschäftigung hinüberzuwechseln.

(Zurufe von der SPD) Gerade in Anbetracht des Stopps — —


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214214500
Herr Kollege Ramsauer, Ihre Redezeit.

Dr. Peter Ramsauer (CSU):
Rede ID: ID1214214600
Gerade in Anbetracht des Stopps — ich komme zum letzten Satz — für weitere ABM appelliere ich deshalb an die Inhaber von solchen AB-Maßnahmen, sich selbst aktiv um andere Jobs zu kümmern.
Ich fasse zusammen: Ich begrüße deshalb die Notbremsung bei der ABM-Ausweitung im Grundsatz ausdrücklich, und ich hoffe, daß uns die weitere wirtschaftliche Entwicklung uns heuer oder im nächsten Jahr sogar die Veranlassung gibt, AB-Maßnahmen tatsächlich zu kürzen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214214700
Wir sind zwar fast am Ende, aber trotzdem muß ich sagen, bei diesen FünfMinuten-Runden macht eine starke Überschreitung auch noch nach der Ermahnung des Präsidenten, die Redezeit sei zu Ende, indem noch einmal zusammengefaßt wird, gleich so viel Prozent aus, daß die anderen Kollegen benachteiligt werden.

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist der Basiseffekt!)

Ich erteile das Wort dem Kollegen Horst Peter.

Horst Peter (SPD):
Rede ID: ID1214214800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte ist Gott sei Dank — und das ist das Verdienst der Redner bis auf den vorletzten gewesen — wieder sachlicher geworden. Einen Punkt möchte ich Ihnen, Herr Kollege Ramsauer, allerdings zu Ihren Schlußanmerkungen doch noch einmal ins Stammbuch schreiben. Es wirkt zynisch — —




Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214214900
Herr Kollege Peter, Entschuldigung. Ich schalte auch ab. Haben Sie eben „vorletzten" gesagt? Das war Ihre eigene Fraktionskollegin.

Horst Peter (SPD):
Rede ID: ID1214215000
Ich habe mich mitgerechnet.

(Heiterkeit bei der SPD)

Also, meine Damen und Herren, ich bin der letzte Redner aus der SPD-Fraktion.
Herr Kollege Ramsauer, wirklich in aller Freundschaft: Es ist der Ernsthaftigkeit des Problems nicht angemessen, wenn wir jetzt eine neue Mißbrauchsdebatte gegenüber Menschen anfangen, die in sozialer Not sind und sich nicht wehren können —

(Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

wirklich in aller Freundschaft, damit die Debatte ordentlich greift. Bei einer Neuauflage der Mißbrauchsdebatte fallen mir übrigens immer

(Zuruf von der CDU/CSU: Also darf alles geschehen, was geschieht?)

ganz andere Leute ein, die Mißbrauch treiben. Eine gezielte Diskussion über Steuerhinterziehung würde ich in diesem Zusammenhang in diesem Hause gem einmal machen.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: Da ist der Herr Kolb Spezialist! — Die F.D.P. insgesamt!)

Die Frau Kollegin Kolbe hat sehr eindrucksvoll die Auswirkungen in den neuen Ländern beschrieben.
Wir erleben im Moment einfach dadurch, daß durch einen Wahlkampf die öffentliche Aufmerksamkeit größer ist, in Hessen, also in einem westlichen Bundesland, sehr präzise und genau die Auswirkungen. Es muß schon seine Gründe haben, daß die CDU in der letzten Woche dieses Wahlkampfes Anzeigen schaltete, es seien Kommunalwahlen, und es sollten keine Bundesthemen in diesem Wahlkampf einbezogen werden.

(Barbara Weiler [SPD]: Sie fürchtet sich davor!)

Da hat offensichtlich die CDU gemerkt, welches Kuckucksei der Arbeits- und Sozialminister Blüm ihnen da in den Wahlkampf gelegt hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie machen jetzt Wahlkampf!)

Ich kann Ihnen sagen, Herr Minister Blüm: Vor allen Dingen in Nordhessen, wo der Kollege Jagoda bis vor kurzem seinen Wahlkreis hatte, sind Sie Persona non grata, keine gerngesehene Person im Wahlkampf, und das hängt damit zusammen, daß Sie hier tief in soziale Strukturen einschneiden, die für die gesellschaftliche Integration ganz wichtig sind, weil Sie nämlich dabei sind, lieber Kollege Fuchtel, weitere Gruppen an den Rand der Gesellschaft zu schieben. Das Ergebnis wird dann sein, daß Sie sich im nächsten Jahr Gedanken darüber machen müssen, wie Sie Polizeistellen schaffen, um sich mit Unruhen auseinanderzusetzen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Jede Mark, die in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen eingesetzt wird, ist eine präventive Maßnahme zur sozialen Integration und ist solchen anderen Maßnahmen wesentlich vorzuziehen.

(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Wo nehmen Sie das Geld her?)

In Kassel sind das etwa 400 Anschlußarbeitsplätze, die gefährdet sind. Die Betroffenen haben eine Massenpetition in Gang gesetzt, weil sie hoffen, daß der Bundestag der Bundesregierung noch in den Arm fallen kann. Wir hoffen, daß das bei der Verhandlung über den Solidarpakt tatsächlich noch passiert, denn es ist wirklich höchste Zeit, daß ein Stück sozialer Kultur auf dem Arbeitsmarkt gerettet wird.
Die Botschaft ist die: Es wird abgebaut. Wenn man weiß, was abgebaut wird, Herr Kollege Blüm, Herr Bundesarbeitsminister

(Zuruf von der F.D.P.: 10 Milliarden DM sind da!)

— es wird im Bereich der sozialen Infrastruktur abgebaut,

(Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: 10 Milliarden stehen zur Verfügung!)

wo es darum geht, Problemgruppen in die Gesellschaft zu integrieren, in den Arbeitsmarkt zu integrieren, den Arbeitsmarkt zu subventionieren, weil sie sonst als Langzeitarbeitslose keinen Arbeitsplatz finden, und mit dieser Arbeit soll verhindert werden, daß diese Gruppen der Gesellschaft in Resignation oder Aggression verfallen —, dann erkennt man, übel formuliert, Herr Kollege Blüm, das kann dazu führen, daß es in diesem Lande ohne diese Maßnahmen mehr Rechtsradikalismus gibt,

(Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: 10 Milliarden für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, 10 Milliarden!)

was wir eben nicht wollen.
Kollegin Babel hat ja gefragt, was in Hessen passiert. Frau Kollegin Babel, Sie wissen selbst, daß das arbeitsmarktpolitische Sonderprogramm der hessischen Landesregierung von 1992 auf 1993 um 10 Millionen DM erhöht und nicht gekürzt wurde.

(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Gleichzeitig streichen Sie die Stellen in der Universität; gleichzeitig bauen Sie Stellen in Hessen ab — das wissen Sie!)

Sie wissen genau, daß das Programm „Arbeit statt Sozialhilfe" genau diesen Menschen, die wir hier im Auge haben,

(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Die hessische Landesregierung ist nicht in der Lage, Arbeitsplätze zu schaffen!)

eine Möglichkeit des Hineinwachsens in den Arbeitsmarkt eröffnet, und dieses Programm wird in der Tat weitergeführt. Da unterscheidet sich glaubwürdige Sozialpolitik in Hessen von dem, was Sie hier in Bonn als Abbruchunternehmen betreiben.




Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214215100
Herr Kollege Peter, Ihre Redezeit ist schon ein Stück überschritten.

(Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: 10 Milliarden!)


Horst Peter (SPD):
Rede ID: ID1214215200
Deshalb nur noch ein Appell an Sie von der Bundesregierung: Nutzen Sie die Verhandlungen über den Solidarpakt, um durch eine Arbeitsmarktabgabe für Abgeordnete, Minister, Beamte und Selbständige die Kasse, die zu füllen notwendig ist, um Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, zu füllen! Das wäre ein Beitrag für die Solidarität, und um den würde ich Sie in der Tat bitten.
Danke.

(Beifall bei der SPD)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214215300
Herr Kollege Heinz Schemken, Sie haben das Wort.

Heinz Schemken (CDU):
Rede ID: ID1214215400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn dieses Jahres steht fest, daß sich die Wirtschaft am Rande einer Rezession befindet

(Zuruf von der SPD: Am Rande?)

und daß die Folgen daraus die enger werdenden Finanzmittel auch in den öffentlichen Haushalten sind.

(Zuruf von der SPD: Der Wirtschaftsminister sieht es ernster!)

Trotzdem — das stelle ich hier fest, und das ist auch unbestritten — wird der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit auf einem hohen Niveau gefahren.

(Regina Kolbe [SPD]: Das ist aber zu wenig!)

In einer Zeit der Arbeitslosigkeit in den jungen und in den alten Bundesländern ist dies auch erforderlich, und das wollen wir auch so. Mit den Maßnahmen FuU und ABM, wenn wir sie addieren — und das ist von Wirtschaftsexperten sogar kritisch begleitet worden —, befinden sich 1,2 Millionen Arbeitslose in sinnvoller, angebotener Qualifizierung und in Beschäftigung durch die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit —1,2 Millionen, Frau Kolbe! Da beißt keine Maus den Faden ab.

(Regina Kolbe [SPD]: Vergessen Sie nicht den Vorruhestand!)

Wir werden diese Instrumente auch in Zukunft sicherstellen und weiter ausbauen, Herr Schreiner.

(Regina Kolbe [SPD]: Altersübergangsgeld!)

Der Minister hat das soeben noch einmal an den Zahlen deutlich gemacht.
600 Millionen DM und mehr dienen der Maßnahme Arbeitsförderung Ost. Ich erinnere an die Debatte zum AFG.

(Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: Auf die Idee seid Ihr gar nicht gekommen!)

Dieses Instrument haben wir eingeführt, § 249h AFG. Es ist eine Maßnahme, die sinnvoller als nur die befristete Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist, weil sie über längere Zeiträume auch Perspektiven eröffnet.

(Barbara Weiler [SPD]: Warum erkennt das keiner?)

Für die Langzeitarbeitslosigkeit ringen wir gerade miteinander um einen Titel, der es auch einmal möglich macht, aus festgefahrenen Wegen kreativ nach neuen Möglichkeiten zu suchen.

(Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: Richtig!)

Genau für diese Maßnahme stehen 250 Millionen DM mehr als bisher, nämlich insgesamt 750 Millionen DM, zur Verfügung. Auch dies ist eine Möglichkeit, gerade den Langzeitarbeitslosen ein Angebot zu eröffnen.
Wir brauchen aber auch den Beitrag der Länder und Kommunen. Es geht nicht anders. Sie haben den Solidarpakt angemahnt. Ich sehe ihn als möglich an, vor allen Dingen dann, wenn er die Verbände, die Gewerkschaften und die Arbeitgeberschaft einschließt.

(Regina Kolbe [SPD]: Und die Abgeordneten!)

Kommunen können auch in Zukunft nicht damit rechnen — auch das müssen wir deutlich sagen —, daß sie ihre Stellenpläne auf Kosten der Beitragszahler ausfüllen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Das geht nicht. Das ist im übrigen auch für die Betroffenen keine Hilfe. Denn wenn dieser Arbeitsplatz in der öffentlichen Verwaltung notwendig ist, soll er auch Perspektiven für den eröffnen, der diesen Arbeitsplatz ausfüllt. Der Kandidat darf nicht bei Jahresfrist ins kalte Wasser fallen.
Sie werden sich wundern. Ich habe die ständige Diskussion mit dem Personalrat in meinem Rathaus.

(Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Sie Armer!)

Er möchte das gerne nicht. Ich sage: Gott sei Dank!

(Horst Peter [Kassel] [SPD]: Und der Bürgermeister möchte es auch nicht!)

— Ja, die Verführung ist groß. Deshalb nehme auch ich mich mit hinein. Damit wir es gemeinsam tun, würde ich Dortmund, Duisburg und auch andere Städte dazu auffordern; ich sage das ausdrücklich.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Was meinen Sie denn, was Adolf Kolping dazu gesagt hätte!)

— Er würde in dieser Stunde zumindest zuhören.
Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen weisen mit mehr als 400 000 Stellen nach wie vor eine Rekordhöhe auf. Ich darf feststellen, daß die Maßnahme „Arbeiten und Lernen" möglich ist, wenn die Länder. mitmachen. Ich bemängele von dieser Stelle aus,

(Horst Peter [Kassel] [SPD]: Nehmen Sie Hessen aus! — Gegenruf des Abg. HansJoachim Fuchtel [CDU/CSU]: Hessen ist das letzte!)




Heinz Schemken
daß die Länder bisher nicht unserem Appell gefolgt sind, nämlich für den schulischen Abschluß zu sorgen und einen Teil dazu beizutragen, daß „Arbeiten und Lernen" durchgeführt werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Zuruf von der SPD: In zwei Monaten ist das ein bißchen viel verlangt!)

Die Novellierung des AFG ist seit Oktober beraten worden. Der Entwurf ist angekündigt worden. Der Minister hat dies auch in Bundesratsinitiativen übergebracht. Es ist im Vermittlungsausschuß im November beraten worden. Das sind nicht zwei, sondern mittlerweile vier Monate. Diese Maßnahmen laufen bis September, und dann könnten die Länder eintreten.

(Zuruf von der SPD: Das ist nicht, wie bei Neckermann eine Reise zu buchen!)

— Das ist nicht wie bei Neckermann.

(Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: Das ist auch nicht wie bei der SPD!)

Der schulische Abschluß gehört in die Schulen. Wenn er dort nicht geleistet wird — das sage ich Ihnen ganz offen —, kann er weder bei Neckermann noch irgendwo anders geleistet werden. Dann muß er in diesen sinnvollen Maßnahmen geleistet werden. Der Beitragszahler kann nicht dafür geradestehen, daß eine Schule versagt. Das geht einfach nicht. Das ist nicht die Aufgabe des Beitragszahlers.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214215500
Herr Kollege Schemken, das wäre ein guter Schlußsatz; denn Ihre Redezeit ist schon ein Stückchen überschritten.

Heinz Schemken (CDU):
Rede ID: ID1214215600
Ja, aber ich möchte einen Schlußsatz doch noch loswerden.

(Ottmar Schreiner [SPD]: Was haben denn die Beitragszahler mit Neckermann zu tun?)

— Auch die Arbeiter bei Neckermann zahlen Beiträge.

(Barbara Weiler [SPD]: Hoffentlich!)

Die Komplementärmittel spielen eine große Rolle, auch in den Maßnahmen, die wir hier für Langzeitarbeitslose eingebaut haben.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214215700
Bitte nur noch einen Satz.

Heinz Schemken (CDU):
Rede ID: ID1214215800
Ich möchte Sie bitten, dafür zu sorgen, daß im Solidarpakt das Miteinander zwischen Bund, Ländern, Kommunen, Verbänden und betroffenen Trägern dazu führt, daß wir den Arbeitslosen wirklich ein Angebot machen, damit nicht durch ständiges Lamentieren letztlich Irritationen entstehen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214215900
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Ulrich Briefs.

Dr. Ulrich Briefs (PDS/LL):
Rede ID: ID1214216000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Bundesregierung muß wirklich von allen guten Geistern verlassen sein. In der Zeit der höchsten je in der Bundesrepublik verzeichneten Arbeitslosigkeit streicht sie radikal bei den AB-Maßnahmen.

(Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: 10 Milliarden!)

— Dadurch, daß Sie das immer wieder vor sich hin sagen, wird es nicht wahrer. — In der Zeit einer tiefen konjunkturellen und im Osten zugleich perspektivlosen strukturellen Wirtschaftskrise schafft sie Unsicherheit und Angst bei Millionen Menschen, schafft sie auch Angst und Unsicherheit z. B. bei Vermietern und Einzelhändlern, insbesondere im Osten, schafft sie Angst in den Kommunen, die für die Sozialhilfe zuständig sind. Alles das ist doch schon wegen des Entmutigungseffekts ökonomisch absolut unsinnig. Das Schlimmste aber ist: Es zeugt von der weiter wachsenden sozialen Kälte in dieser Gesellschaft und in ihrer politischen Klasse.
Herr Minister Blüm, Sie dreschen mit Ihrem ABM- Bewilligungsstopp wie mit der Eisenstange auf Langzeitarbeitslose, Drogenabhängige, alleinstehende Mütter ein, die in ABM-Projekten beschäftigt oder betreut werden. Sie machen zahlreichen selbstorganisierten Beratungs- und Hilfsorganisationen, die auf der Grundlage von ABM-Stellen arbeiten, den Garaus.
Im vergleichsweise gut gestellten Bonn z. B. kann das das Ende für den Sozialverein „Häste nix — kriegste nix" sein, der vor allem Jugendliche und Langzeitarbeitslose betreut. Ein Großteil der neuen Berliner Kunst- und Kulturszene z. B. am Prenzlauer Berg ist von AB-Maßnahmen abhängig. Sie, die Berlin ein wenig Weltstadtflair geben, sind von Ihrer Kahlschlagpolitik in ihrer Existenz bedroht.
Die Alternativprojekte, in denen ökologisch und sozial vorwärtsweisende Wirtschafts- und Produktionsformen entwickelt werden, sind ebenso bedroht. Bedroht sind vor allem auch Frauenselbsthilfeprojekte, in großer Zahl z. B. in Berlin-Kreuzberg, aber auch in zahlreichen westdeutschen Städten.. Bedroht sind vor allem aber auch Projekte, die sich mit den „Kids", den rechtsradikalen Jugendlichen befassen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dafür ist doch nicht die Bundesanstalt zuständig!)

Diese und viele andere Beispiele zeigen, wie unsinnig es ist, mit diesem rabiaten Bewilligungsstopp gerade bei den AB-Maßnahmen anzusetzen. Mit den Betroffenen, mit den Gewerkschaften, mit Kirchen, mit den Selbsthilfeverbänden wie der Bundesvereinigung soziokultureller Zentren, der Sozialpolitischen Gesellschaft oder dem Theoriearbeitskreis Alternative Ökonomie können wir nur fordern: Heben Sie diese konjunktur- und wirtschaftspolitisch unsinnige, vor allem aber unsoziale Maßnahme auf! Hören Sie auf, dringend notwendige Selbsthilfeansätze zu zer-



Dr. Ulrich Briefs
stören! Tun Sie das Gegenteil: Zerstören Sie nicht, sondern bauen Sie auf und aus!
Herr Präsident, ich danke Ihnen.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1214216100
Wir sind, meine Damen und Herren, damit am Schluß unserer heutigen Tages ordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 4. März 1993, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.