Gesamtes Protokol
Ich eröffne die 200. Sitzung des Deutschen Bundestages. Darf ich diesen Anlaß benutzen, um einige Zahlen in Erinnerung zu rufen, die einen gewissen Überblick über die Arbeit geben, die der Deutsche Bundestag in diesen 200 Sitzungen seiner ersten Legislaturperiode geleistet hat.
Wir sind uns der Tatsache sehr bewußt und haben sie j a in den letzten Wochen immer wieder bekunden müssen, daß in dieser Zeit von den zunächst in den Bundestag eingetretenen 410 Abgeordneten inzwischen 22 durch den Tod aus unserer Mitte gerissen worden sind. Weiterhin sind 19 Abgeordnete ausgeschieden, die ihr Mandat niedergelegt haben, so daß insgesamt 41 Abgeordnete, d. h. genau 10 % der ursprünglichen Zahl inzwischen aus dem Bundestag ausgeschieden sind.
Ich darf darauf hinweisen, daß dem Bundestag in diesen annähernd zweieinhalb Jahren 466 Gesetzentwürfe vorgelegt worden sind. 264 Gesetze, die daraufhin beschlossen worden sind, sind inzwischen verkündet worden. 124 Interpellationen sind vorgelegt worden; davon sind 106 beantwortet und besprochen worden. Weiterhin sind bisher ungefähr 950 selbständige Anträge eingegangen und 251 Kleine Anfragen gestellt worden. Wir haben in dieser Zeit neben den 200 Plenarsitzungen 17 Vorstandssitzungen, 140 Ältestenratssitzungen, 1383 Fraktionssitzungen und 3523 Ausschußsitzungen gehabt. Ich hielt es für wesentlich, diese Zahlen einmal zu nennen, damit für uns und für andere sichtbar wird, daß in diesem Hause ein beachtliches Stück Arbeit geleistet worden ist.
Ich bitte die Frau Schriftführerin, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Dr. Gerstenmaier für zwei Wochen wegen Krankheit ab 19. März 1952, Abgeordneter Dr. Trischler für zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme.
Meine Damen und Herren, ich darf unterstellen, daß diese Urlaubsgesuche genehmigt sind. — Das ist der Fall.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Gockeln, Mensing, Dr. Weber , Clausen, Dr. Dorls, Agatz, Wagner, Lemmer, Dr. Greve, Nickl, Brandt, Huth, Frau Strohbach, Frau Thiele, Rische, Niebergall, Ludwig, Hagge, Müller (Worms), Dr. Bleiß.
Ich danke schön.
Zur heutigen Tagesordnung darf ich zunächst auf die Vereinbarungen hinweisen, die im Ältestenrat getroffen worden sind. Ich bitte das Haus, dieser Änderung und Umstellung der Tagesordnung zuzustimmen. Es ist vereinbart worden, daß nach Punkt 6 zunächst die Punkte 11, 8 und 9 der heutigen Tagesordnung behandelt werden sollen und daß dann mit Punkt 7 fortgefahren werden soll. Weiterhin soll die Tagesordnung ergänzt werden um die in der gestrigen Plenarsitzung nicht mehr behandelten Punkte 4, 5, 7 und 12 der gestrigen Tagesordnung, die nach Punkt 13 in die Tagesordnung eingefügt werden sollen.
Die Konstituierung des Ausschusses für Kommunalpolitik — ich darf das hier gleich bekanntgeben — soll heute um 17 Uhr in Zimmer 10 des Südflügels stattfinden.
Darf ich fragen, Herr Abgeordneter Seuffert, ob Sie zu den Umstellungen etwas sagen .wollen?
Darf ich annehmen, daß das Haus mit dieser Veränderung und Umstellung der Tagesordnung einverstanden ist? — Das ist offenbar der Fall.
Herr Abgeordneter Seuffert wünscht aber zu anderen Punkten der Tagesordnung das Wort zu nehmen. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion beantrage ich, den Punkt 6 der heutigen Tagesordnung, Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden, heute von der Tagesordnung abzusetzen.
Wir befinden uns hier in der eigenartigen Lage, daß wir einen Beschluß zu einem Gesetz fassen sollen, dessen Änderung — und ich möchte fast sagen: Neufeststellung — gleichzeitig in einem Ausschuß dieses Hauses in Beratung und Bearbeitung ist. In dem dem Lastenausgleichsausschuß vorliegenden derzeitigen Zwischentext des Lastenausgleichsgesetzes sind in § 397 Änderungen des Feststellungsgesetzes in nicht weniger als 18 Punkten vorgesehen,
und zwar in Punkten keineswegs minderer Bedeutung. Es handelt sich da unter anderem um
Neufeststellung des Vertriebenenbegriffs, um Än-
derungen des Schadensbegriffes, um Änderung der Termine, die für die Antragsberechtigung auf Feststellung und auf Entschädigung von Bedeutung sind, und anderes mehr. Zu diesen Änderungen sind im Verlauf der Beratungen der dritten Lesung im Ausschuß bereits eine Reihe von anderen Punkten gekommen, in denen eine Änderung des Feststellungsgesetzes vorgesehen werden muß. Erst gestern ist im Ausschuß einstimmig ein Beschluß zur Frage der Hausratentschädigung gefaßt worden, der eine vollständige Änderung des Feststellungsgesetzes in diesem Punkte notwendig macht. Dazu kommt, daß in dem derzeitigen Entwurf des Lastenausgleichsgesetzes Paragraphen vorgesehen sind, die in direktem Widerspruch zu Bestimmungen des Feststellungsgesetzes in seiner heutigen Form stehen.
Sie werden sich sicherlich fragen, wieso eine derart eigenartige Lage zustande kommen kann und wieso es dahin kommen kann, daß ein Ausschuß dieses Hauses über ein Gesetz berät, das Sie ihm nicht nochmals zugewiesen haben. Das liegt daran, daß eben das Feststellungsgesetz — wie allerdings von unserer Seite immer betont worden ist - in Wirklichkeit einen unlösbaren Bestandteil im Gesamtzusammenhang des Lastenausgleichs bildet. Wir würden, wenn wir über dieses Gesetz heute beraten und es zur Weiterberatung an den Bundesrat weitergeben, über ein undurchführbares Gesetz beraten. Niemand könnte wagen, án die Durchführung dieses Gesetzes heranzugehen, wenn derartige Änderungen sich zwingend bereits ergeben haben und wenn man mit Sicherheit weiß, daß entscheidende Dinge wie Definitionen, die für die Antragsberechtigung usw. oder für die Gesichtspunkte, nach denen die Feststellung zu erfolgen hat, entscheidend sind, praktisch bereits abgeändert sind. Ein derartiges Gesetz würde auch zur Beratung im Bundesrat schlechterdings nicht geeignet sein; denn nach einer Beschlußfassung heute in diesem Hause müßte ja nun der Bundesrat seine Beratung beginnen und seinen Entschluß darüber fassen, ob er gegen das Gesetz Einspruch einlegen will oder nicht.
Ich glaube, daß wir bei einer derartigen Verhandlungsweise in eine geradezu lächerliche Lage und außerdem in den Verdacht geraten würden, mit den Erwartungen der Geschädigten geradezu Schindluder zu treiben,
wenn wir ihnen ein solches undurchführbares Gesetz hier vorlegen. Ich glaube, wir sollten den Lastenausgleich etwas ernster nehmen und sollten ihn nicht zum Exerzierplatz politischer Manöver benutzen. Ich glaube nicht, daß in einem andern Fall bei einer derartigen Lage — bei gleichzeitig laufenden Ausschußberatungen über entscheidende Punkte eines Gesetzes — dieses Haus etwas anderes als Rückverweisung an den Ausschuß beschließen könnte. Das ist geschäftsordnungsmäßig in diesem Stadium des Verfahrens aber nicht möglich, da wir über einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses abzustimmen haben. Es bleibt daher gar nichts anderes übrig, als der Antrag auf Vertagung und einstweilige Absetzung von der Tagesordnung, und wir bitten Sie deswegen, diesem Antrag zuzustimmen.
Zu diesem Antrag des Herrn Abgeordneten Seuffert Herr Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! „Du sprichst vergebens viel, um zu versagen, der andere hört aus allem nur das Nein." Daß die Herren von der sozialdemokratischen Fraktion keine Freunde des Feststellungsgesetzes sind, wissen wir. Die Regierungskoalition kann sich dem Vertagungsantrag nicht anschließen. Wir begrüßen es im Gegenteil, daß wir heute über dieses Gesetz in der in dem Bericht des Vermittlungsausschusses enthaltenen Form abstimmen können, damit dann nach einer so beklagenswerten mehrmonatigen Verzögerung der Entwurf endlich Gesetz werden kann.
Es kommt uns vor allen Dingen darauf an, daß die Fragebogen endlich herausgehen können. Sie werden nicht durch das Lastenausgleichsgesetz überflüssig. Selbst wenn wir hoffen, daß das Lastenausgleichsgesetz bald verkündet werden wird,
werden doch immer noch mehrere Monate bis zu diesem Abschluß vergehen.
Es ist deshalb unbedingt notwendig — gerade im Interesse der Geschädigten —, daß wir nun so rasch wie möglich wenigstens das Feststellungsverfahren in Gang bringen.
Wir beantragen also, den Vertagungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion abzulehnen und es bei der Tagesordnung zu belassen.
Wünscht noch jemand, zu dieser Frage das Wort zu nehmen? — Das ist nicht der Fall. Es ist der geschäftsordnungsmäßig zulässige Antrag gestellt worden, den Punkt 6 der heutigen Tagesordnung von der Tagesordnung abzusetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Absetzung sind, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Darf ich um Stimmenthaltungen bitten! — Meine Damen und Herren, der Vorstand ist sich nicht völlig einig. Ich bitte, diese Frage im Wege des Hammelsprungs zu entscheiden. Wer für die Absetzung ist, muß sich durch die Ja-Tür begeben.
Ich bitte, mit der Auszahlung zu beginnen.
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. — Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Abstimmung ist beendet.
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Für den Antrag auf Absetzung des Punktes 6 der Tagesordnung haben 120, dagegen 151 Abgeordnete gestimmt, bei 12 Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung — —
- Ich bitte um Entschuldigung, ich habe übersehen, daß Herr Abgeordneter Stegner noch einen Antrag zur Tagesordnung zu stellen wünschte. Herr Abgeordneter Stegner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner Fraktion und in Übereinstimmung mit den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD stelle ich den Antrag, daß die gestern von der Tagesordnung abgesetzten Punkte 4, 5 und 7 nicht am Schlusse der heutigen Tagesordnung behandelt werden, sondern der Altestenrat gebeten wird, diese Punkte in die Tagesordnung der 201. oder 202. Sitzung einzubauen.
Ich begründe diesen Antrag kurz in zweierlei Hinsicht. Die Punkte 4, 5 und 7 der gestrigen Tagesordnung beinhalten eine sehr schwierige Materie, die geeignet ist, auf künftige Gesetzgebungen sehr starken Einfluß zu nehmen. Ich denke dabei an das Energiewirtschaftsgesetz, die Steuergesetzgebung und ähnliches. Es ist nicht möglich, am Schlusse der heutigen umfangreichen Tagesordnung eine derart schwierige Materie in einer längeren Debatte zu behandeln. Zum zweiten liegt der persönliche Wunsch mehrerer Kollegen vor, die sich für diese Materie sehr intensiv vorbereitet haben und die heute abend durch Abreisetermine gebunden sind, die Debatte heute nicht stattfinden zu lassen.
Ich bitte aus diesen Gründen das Hohe Haus, dem Vertagungsantrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, darf ich den Antrag so verstehen, daß auch der Punkt 12 der Tagesordnung — Drucksache Nr. 3204 — abgesetzt werden soll?
— Es handelt sich also um alle nicht erledigten Punkte der gestrigen Tagesordnung. Nachdem wir eben beschlossen haben, sie auf die Tagesordnung zu setzen, haben wir natürlich die Möglichkeit, sie jetzt wieder abzusetzen.
Ich bitte die Damen und Herren, die für die Absetzung sind, die Hand zu erheben. — Das ist ohne weiteres die Mehrheit. Die Absetzung ist erfolgt. Ich hoffe, daß dies die letzte Abstimmung über diese Frage heute war.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde .
Ich stelle fest, daß wir um 13 Uhr 55 mit der Fragestunde beginnen.
Zunächst Herr Abgeordneter Dr. Reismann zur Frage 1.
Dr. Reismann , Anfragender: Wegen Abwesenheit des Herrn Bundeskanzlers und des Staatssekretärs wurde in der vorigen Fragestunde die Frage 1 nicht beantwortet. Ich wiederhole sie deswegen:
Wann hat die Bundesregierung die Titelveränderung von Herrn Grandval zuerst erfahren, und wann hat sie erfahren, daß eine solche bevorstand?
Zur Beantwortung der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers.
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Die Bundesregierung hat von dieser Titelveränderung erstmalig am 25. Januar dieses Jahres durch die Presse Kenntnis erhalten. Die Bundesregierung hat auf amtlichem Wege nichts darüber erfahren, daß eine solche Maßnahme bevorstand.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Dr. Reismann , Anfragender: Danke, nein!
Frage 2 hat sich nach Mitteilung des Herrn Fragestellers sachlich erledigt.
Zur Frage 3 Herr Abgeordneter Dr. Horlacher, — den ich nicht im Saale sehe. Damit erledigt sich Frage 3.
Zur Frage 4 Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Dr. Mommer , Anfragender: Zahlreiche Arbeitnehmer, besonders im öffentlichen Dienst, warten auf das neue Ortsklassenverzeichnis. Ich frage den Herrn Bundesminister der Finanzen, wie weit die Arbeiten an diesem Ortsklassenverzeichnis gediehen sind?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Finanzen.
Ich erinnere daran, daß in dem seinerzeitigen Gesetzentwurf zur Änderung und Ergänzung der Besoldungsordnung die Ermächtigung für den Bundesfinanzminister vorgesehen war, Änderungen an dem Ortsklassenverzeichnis vorzunehmen. Diese Ermächtigung ist im Bundesrat und im Vermittlungsausschuß gestrichen worden, so daß der Bundesfinanzminister zur Zeit überhaupt keine Möglichkeit hat, Änderungen vorzunehmen. Änderungen des Ortsklassenverzeichnisses könnten infolgedessen nur im Zusammenhang mit der neu geplanten Besoldungsregelung vorgenommen werden. Die Verhandlungen darüber schweben.
Dr. Mommer , Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen?
Bitte, eine Zusatzfrage!
Dr. Mommer , Anfragender: Es ist also nicht möglich, außerhalb dieser Gesamtregelung ein neues Ortsklassenverzeichnis aufzustellen?
Die Frage ist mir nicht ganz verständlich. Es ist dem Bundesfinanzminister zur Zeit nicht möglich, irgendeine Änderung des Ortsklassenverzeichnisses vorzunehmen. Im Zusammenhang mit einer neuen Besoldungsregelung wäre auch eine Änderung des Ortsklassenverzeichnisses grundsätzlich möglich.
Dr. Mommer , Anfragender: Und wann ist mit einer solchen Änderung zu rechnen?
Mit der Vorlage des Gesetzes über die neue Besoldungsregelung.
Dr. Mommer , Anfragender: Ich bitte um Angabe eines Zeitpunktes, Herr Minister.
Der Zeitpunkt läßt sich nicht voraussehen. Ich hoffe, daß die Verhandlungen im Laufe der nächsten Wochen oder Monate abgeschlossen werden.
Zur Frage 5 Herr Abgeordneter Mellies.
Mellies , Anfragender: An das Auswärtige Amt habe ich folgende Fragen:
Wieviel Prozesse hat das Auswärtige Amt seit seiner Gründung vor dem Arbeitsgericht führen müssen? Wieviel sind davon zuungunsten des Auswärtigen Amtes entschieden?
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Seit seiner Gründung wurde in drei Fällen Klage gegen das Auswärtige Amt vor dem Arbeitsgericht erhoben. In einem Fall wurde das Verfahren durch gerichtlichen Vergleich beendet, im zweiten die Klage auf Grund außergerichtlichen Vergleichs zurückgenommen. Eine dritte Klage ist am 23. Februar zugestellt worden. Über den Ausgang des Verfahrens können daher noch keine Angaben gemacht werden.
Darf ich die nächste Frage stellen?
Bitte, Herr Abgeordneter Mellies, Frage Nr. 6.
Mellies , Anfragender:
Wieviel Personen mit täglicher Kündigungsfrist wurden am 1. Januar 1952 im Auswärtigen Amt beschäftigt? Wie lange währt eine solche Beschäftigung im Höchstfall?
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Am 1. Januar 1952 waren 8 Personen mit täglicher Kündigungsfrist im Auswärtigen Amt beschäftigt, und zwar 2 Angestellte und 6 Lohnempfänger. In sechs Fällen ist in der Zwischenzeit die tägliche Befristung entfallen. Bei den beiden Angestellten handelt es sich in einem Falle um einen vorübergehenden Beschäftigungsauftrag in der Bibliothek. Im andern Fall war der Fortfall der Befristung von der Vorlage eines Tropentauglichkeitszeugnisses abhängig gemacht worden. Diese ist inzwischen erfolgt. Die sechs Lohnempfänger waren als Boten für drei Monate auf Probe angestellt. In fünf Fällen ist die Probezeit abgelaufen und die Befristung des Dienstverhältnisses entfallen. Im Höchstfalle währte die täglich befristete Anstellung vom 2. Mai 1951 bis heute. Es handelt sich um den genannten Angestellten bei der Bibliothek, dessen Auftrag zunächst auf sechs Monate begrenzt war und später um drei Monate verlängert worden ist.
Mellies , Anfragender: Darf ich. eine Zusatzfrage stellen. Glauben Sie, Herr Minister, daß das ein erträglicher Zustand ist, selbst wenn es sich um ein Beschäftigungsverhältnis handelt, das voraussichtlich vorübergehender Natur sein wird?
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Die Bundesregierung ist mit Ihnen der Ansicht, daß solche Arbeitsverhältnisse immer Ausnahmefälle darstellen sollen.
Zur Frage 7 Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Dr. Mende , Anfragender: Ich frage die Bundesregierung:
Wie weit sind die Vorbereitungen zur Zusammenfassung aller mit Kriegsgefangenen-, Vermißten- und Heimkehrerfragen betrauten Stellen der Bundesregierung in einem Ressort gediehen?
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Ich kann darauf antworten: Eine allgemeine Koordinierung bei der Bearbeitung der Kriegsgefangenen-, Vermißten- und Heimkehrerfragen erfolgt in der Praxis durch enge und ständige Zusammenarbeit der beteiligten Ressorts. Das gilt vor allem für die in Zusammenhang mit der Tätigkeit der Kriegsgefangenenkommission der Vereinten Nationen durchgeführten Dokumentationsarbeiten über das Schicksal der Kriegsgefangenen und Vermißten, deren bisherige Ergebnisse dieser Kommission am 22. Januar 1952 in Genf überreicht worden sind und worüber auch dem Hohen Hause mehrfach berichtet worden ist. Darüber hinaus prüft die Bundesregierung, inwieweit eine sinnvolle und noch engere Zusammenfassung für die Bearbeitung der Kriegsgefangenen-, Vermißten- und Heimkehrerfragen möglich ist, ohne einzelne Sachgebiete aus einem notwendigen Arbeitszusammenhang herauszunehmen.
Dr. Mende , Anfragender: Danke! Darf ich eine Zusatzfrage. stellen, Herr Vizekanzler. Besteht etwa die Absicht, vielleicht in einem Staatssekretariat oder einer Bundesstelle nach dem Beispiel anderer Länder das gesamte Kriegsopfer-, Kriegsgefangenen- und Kriegsgraberwesen zusammenzufassen?
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Es sind darüber zwischen den einzelnen Ressorts schon Verhandlungen gepflogen worden. Aber gerade in dem Falle scheint es notwendig zu sein, daß zwischen zwei Dingen grundsätzlich unterschieden wird. Alle die Fragen, die mit der Feststellung des Schicksals der Vermißten verbunden sind, sind ihrer Art nach wesentlich anders als diejenigen Aufgaben, die sich mit der sozialen und wirtschaftlichen Betreuung der Kategorien der Heimkehrer, der Vermißten usw. befassen.
Dr. Mende , Anfragender: Danke.
Zur Frage 8 Herr Abgeordneter Margulies bitte!
Margulies , Anfragender: Der Runderlaß 56/51 Außenwirtschaft beruht auf Besatzungsrecht. Kommentatoren sind der Ansicht, daß Verwaltungsmaßnahmen, die auf Grund dieses Runderlasses getroffen werden, nicht der Nachprüfung durch Verwaltungsgerichte unterliegen. Ich frage daher:
Was gedenkt der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu tun,
um trotz der Neuregelung des Einfuhrwesens
auf der Grundlage des Besatzungsrechts das
Recht der Überprüfungsmöglichkeit jeder Verwaltungsentscheidung durch unabhängige Gerichte zu verwirklichen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Die Neuregelung des Einfuhrverfahrens, die als Rechtsgrundlage noch das Militärregierungsgesetz Nr. 53 hat, steht dem Recht der Überprüfungsmöglichkeit jeder Verwaltungsentscheidung nicht entgegen. Jede Verwaltungsentscheidung, die in Devisen und Einfuhrverfahren ergeht, kann gemäß Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes auf ihre Rechtmäßigkeit im ordentlichen Rechtsweg überprüft werden.
Margulies , Anfragender: Eine weitere Frage!
Bitte, Herr Abgeordneter Margulies, Frage 9!
Margulies , Anfragender:
Ist der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Praxis, wonach die Einfuhr- und Vorratsstellen laufend im Ausland selbst einkaufen, einverstanden, oder wie gedenkt er diese Überschreitung der Befugnisse der Einfuhr- und Vorratsstellen abzustellen?
Darf ich den Herrn Minister bitten!
An dem Grundsatz, daß die Einfuhr- und Vorratsstellen sich bei Durchführung ihrer Aufgaben nach den Marktordnungsgesetzen der Einrichtungen der Wirtschaft bedienen sollen, wird von mir unverändert festgehalten. Wenn in seltenen Ausnahmefällen von diesem Grundsatz abgewichen werden mußte und die Einfuhr- und Vorratsstellen zu selbständigen Käufen ermächtigt oder angewiesen wurden, so waren hierfür ausschließlich handelspolitische oder preisliche Gründe maßgebend. Entweder wurde der Abschluß eines Einfuhrkontrakts seitens des Verkaufslandes ausdrücklich als Regierungsgeschäft gefordert, oder aber die Bundesrepublik konnte im Wege des Regierungskaufs für die Vorratshaltung so günstige Preisbedingungen erzielen, daß hierauf in Ansehung insbesondere der angespannten deutschen Devisenlage nicht verzichtet werden durfte. Soweit möglich, werden auch in Durchführung solcher Regierungs- geschäfte deutsche Importeure eingeschaltet. Von einer laufenden Praxis, daß die Einfuhr- und Vorratsstellen selbst im Ausland einkaufen, kann bei diesem Sachverhalt wohl nicht gesprochen werden.
Haben Sie eine Zusatzfrage? — Bitte!
Margulies , Anfragender: Darf ich den Herrn Minister fragen: Wer entscheidet, ob von dem Grundsatz abgewichen werden darf? Entscheiden das die Einfuhr- und Vorratsstellen selbst, oder müssen sie eine Entscheidung des Ministeriums herbeiführen?
Sie brauchen eine Entscheidung des Ministeriums.
Margulies , Anfragender: Danke.
Zur Frage 10 Herr Abgeordneter Junglas.
Junglas , Anfragender: Die rheinische Bimsindustrie ist in der Lage, Baustoffe im Preise von 17 bis 18 DM pro Kubikmeter ab Werk zu liefern. Die Ytongindustrie benötigt ab Werk jedoch einen Preis von 45 bis 50 DM je Kubikmeter. Ich frage daher die Bundesregierung:
Aus welchen Gründen hat der Herr Bundeswirtschaftsminister den Aufbau der Ytongindustrie in Deutschland gefördert, obwohl die bereits vorhandenen Baustoffindustrien in der Lage gewesen wären, gegebenenfalls bei Erweiterung ihrer Kapazität unter Investierung eigener Mittel den auftretenden Baustoffbedarf zu decken?
Welche öffentlichen Mittel sind bisher für den Aufbau der Ytong-Industrie in Deutschland bereitgestellt worden?
Trifft es zu, daß im laufenden Jahre 7,5 Millionen DM aus öffentlichen Mitteln für die Ytongindustrie zur Verfügung gestellt worden sind, obschon die Ytongproduktion wegen der Höhe ihrer Preise lediglich zur Verteuerung der Baukosten beigetragen hat?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Die in Westdeutschland vorhandene Steine- und ErdenBaustoffindustrie reicht kapazitätsmäßig in etwa aus, um den auftretenden Bedarf im großen und ganzen zu decken. Diese Tatsache darf jedoch auf keinen Fall der Grund dafür sein, jeder fortschrittlichen Entwicklung Tür und Tor zu verschließen. Ich bin vielmehr der Ansicht, daß anerkannt gute und moderne Baustoffe in ihrer Produktion gefördert und gesteigert werden müssen. Zu ihnen gehört auch der dampfgehärtete Porenbeton, der bisher nur in geringem Umfang in Deutschland hergestellt wurde. In Schweden sind die Entwicklungsarbeiten daran von den beiden Firmen Siporex — Zement als Bindemittel — und Ytong — Kalk als Bindemittel - unter Aufwand ganz erheblicher Beträge in großzügigster Weise vorwärtsgetrieben worden, woran Deutschland in der Kriegs- und Nachkriegszeit gehindert war. Wissenschaft und Praxis auch in Deutschland anerkennen diese Tatsache vorbehaltlos.
Neben seinem leichten Gewicht und der dadurch möglichen Großformatigkeit der Bauelemente sind besonders die gute Wärmedämmung und einfachste Be- und Verarbeitungsmöglichkeiten die großen Vorzüge dieses Baustoffes. Die armierten Dach- und Deckenplatten sowie Fenster- und Türstürze tragen zu einer erheblichen Vereinfachung der Vorgänge an der Baustelle, Verkürzung der Arbeitszeit und damit Verbilligung der Baukosten bei. Aber auch die Einsparung von Kohle, sowohl bei der Produktion des Porenbetons als auch bei der Beheizung der fertigen Räume, im Verhältnis zu anderen Baustoffen spielt eine nicht unbedeutende Rolle. Die jüngsten Versuche in Salzgitter haben gezeigt, daß der Porenbeton aber auch ein ausgezeichneter Werkstoff ist, an dem wir wegen der Holzknappheit stark interessiert sind. Ich habe deshalb veranlaßt, daß die Bemühungen in dieser Richtung verstärkt fortgesetzt werden.
Die engste Verwandtschaft hat der Porenbeton in seinen Eigenschaften mit dem ebenfalls ausgezeichneten Bimsbaustoff. Die Bimsbaustoffindustrie hat Sorge, weil der Rohstoff Bims zu Ende zu gehen droht. Deshalb wurde im Jahre 1949 das Bimsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz erlassen, das Abbau und Versand von Bims zu regeln versucht. Wie ich höre, soll es in verschärfter Form in Kürze dem Landtag in Mainz von neuem vorgelegt werden. Auch aus diesem Grunde hielt ich es für richtig, die Erzeugung von, man könnte sagen, künstlichen Bimsbaustoffen in Form von dampfgehärtetem Porenbeton zu fördern, zumal dabei sonst wertlose Abfallstoffe wie Schlacken, Glassand-Abrieb, Flugasche, Ölschieferrückstände usw. verwendet werden können. Selbstverständlich haben vorher namhafte Wissenschaftler und Praktiker ihre Gutachten abgegeben, die alle positiv lauten.
Von besonderer Bedeutung waren für mich aber die Preisvergleiche bei fertigen Bauten. Nach
einem Gutachten der Rheinisch-Westfälischen Heimstätten AG, Gelsenkirchen, aus dem Jahre 1948 betrugen die Ausführungskosten eines dreistöckigen Hauses in Porenbeton rund 38 000 DM, in Ziegelmauerwerk 47 000 DM. Die Deutsche Gesellschaft zur Förderung des Wohnungsbaues, Berlin-Schöneberg, hat auf Grund ihrer Versuchsbauten in Berlin in den Jahren 1949 und 50 festgestellt, daß die Baukosten bei Verwendung von Porenbeton rund 42 DM je Kubikmeter umbauten Raum betrugen, während bei anderen Baustoffen mit 50 bis 55 DM zu rechnen ist. Schließlich hat die GAG in Köln gerade in jüngster Zeit festgestellt, daß die Kosten bei viergeschossigen Bauten, mit Ytong hergestellt, niedriger liegen als bei allen anderen Baustoffen.
Drei Projekte, davon zwei Siporex-Vorhaben, sind in der ersten ECA-Kreditliste 1949 berücksichtigt worden, wurden zunächst aber nicht ausgenutzt. An Ytong-Projekten gibt es bisher drei, nämlich in Watenstedt-Salzgitter, in Messel bei Darmstadt und in Duisburg.
Das seit Frühsommer vorigen Jahres in Betrieb befindliche Werk in Salzgitter ist im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms für die ehemaligen Reichswerke errichtet worden, für das das Hohe Haus bekanntlich Mittel global genehmigt hat. Die Beträge für die einzelnen Projekte sind von der Regierung des Landes Niedersachsen zur Verfügung gestellt worden, und zwar für das YtongWerk 3 Millionen DM. Mein zuständiges Fachreferat ist vom Wirtschaftsministerium Niedersachsen seinerzeit lediglich gutachtlich gehört worden.
Das Ytong-Werk in Messel bei Darmstadt hat nach stärkster Befürwortung durch das Land Hessen einen Kredit von 1,5 Millionen DM erhalten. Es wird im Mai dieses Jahres in Betrieb gehen.
Das Ytong-Werk in Duisburg hat einen Kredit von 4 Millionen DM erhalten. Der Haushaltsausschuß des Hohen Hauses hat bei der Begebung dieses Kredites in seiner 121. Sitzung am 13. April 1951 einstimmig zugestimmt.
Es sind also, wenn man Salzgitter einrechnet, insgesamt 8,5 Millionen DM an Krediten für YtongProjekte gewährt worden. Davon sind im laufenden Haushaltsjahr 3,3 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden.
Von einer Verteuerung der Baukosten durch die bereits gelieferten westdeutschen Ytong-Produkte ist meinem Hause nach sorgfältiger Prüfung nichts bekanntgeworden. Ich erwähnte bereits, daß die GAG in Köln, die als sehr scharfe Rechnerin bekannt ist, mehrere Wohnblöcke mit Ytong-Material aus Salzgitter gebaut hat und weiter bauen wird. Die Vergabe erfolgt im Wege der beschränkten Ausschreibung, wobei auch andere Materialien, wie z. B. Bims und Ziegel, in Wettbewerb kommen. Für den Raum Braunschweig sind mir Zahlen aus der jüngsten Zeit geläufig, die folgendes besagen: Kosten für einen Quadratmeter gemauerte Wandfläche: aus Ytong 13.66 DM, aus Trümmer-Hohlblocksteinen 14.32 DM. aus Tonmauerziegeln 15,00 DM, aus Bimshohlblöcken 14,54 DM.
Was die Sicherung eines niedrigen Preises für Ytong anlangt, so möchte ich besonders darauf hinweisen, daß die Westdeutsche Ytong AG Duisburg dem Bundeswirtschaftsministerium freiwillig die Überprüfung ihrer Kalkulationen angeboten hat. Ich habe dieses Angebot angenommen, da einmal durch die Hergabe der Kredite eine gewisse Einflußnahme nützlich erschien und da ferner verschiedene Zweige der Steine- und Erden-Industrie, die sich seither besonderer Marktgunst erfreuten, einer sehr konservativen Produktionsauffassung und Preisgestaltung huldigen.
Zum Schluß möchte ich darauf hinweisen, daß Salzgitter gerade einen Probeauftrag von 250 cbm Ytong für den Export durchführt, dem wahrscheinlich größere Aufträge folgen werden.
Junglas , Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen: Ist seitens der Bundesregierung bzw. des Bundeswirtschaftsministeriums beabsichtigt, noch weitere Ytong-Werke in die unmittelbare Nähe der rheinischen Bimsindustrie — wie jetzt in Darmstadt und in Duisburg — zu setzen, um deren verhältnismäßig günstige Produktionslage zu verschlechtern?
Nein, weitere Pläne sind mir nicht bekannt. Aber im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß die Produktion von Porenbeton nur Splitter der gesamten Baustoffindustrie ausmacht.
Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen für die generelle Behandlung dieser Dinge folgenden Vorschlag machen. Nach § 111 der Geschäftsordnung sind kurze mündliche Anfragen zu stellen. Ich glaube, daß es im Sinne einer Fragestunde liegt, daß auch kurze mündliche Antworten gegeben werden.
Ich würde die Mitglieder der Bundesregierung bitten, den doch offenbar naheliegenden Weg zu wählen, im Anschluß an kurze mündliche Antworten
eingehenderes Material schriftlich zu übermitteln.
Zur Frage 11 Herr Abgeordneter Goetzendorff!
Goetzendorff , Anfragender: Weite Kreise der deutschen Öffentlichkeit sind beunruhigt
über Berichte, wonach der Bundesgrenzschutz
— Ihre Aufregung ist sehr interessant! — über die genehmigte Höhe von 10 000 Mann hinaus verstärkt wurde.
Ich frage daher den Herrn Bundesinnenminister: Entsprechen Pressemeldungen der Wahrheit, wonach die zugebilligte Stärke des Bundesgrenzschutzes von 10 000 Mann längst überschritten ist?
Die Pressemeldungen sind vollständig unzutreffend.
Haben Sie eine Zusatzfrage?
Zur Frage 12 Herr Abgeordneter Rademacher!
— Die Frage ist abgesetzt.
Zur Frage 13 Herr Abgeordneter Sabel.
Sabel , Anfragender: In der Nähe von Truppenübungsplätzen und Kasernen sind durch den starken Fahrzeugverkehr die Straßen sehr stark strapaziert, zum Teil schon völlig zerstört, zum Teil wird dieser Grad bald erreicht. Die Träger der Straßen, insbesondere die Kreise, sind nicht in der Lage, die Unterhaltungskosten oder Erneuerungskosten aufzubringen.
Ich frage die Bundesregierung, ob sie bereit ist, hierfür die erforderlichen Mittel bereitzustellen.
Der Herr Bundesminister der Finanzen zur Beantwortung!
Nach der derzeitigen Regelung, die durch die Alliierte Hohe Kommission in einem Memorandum vom 21. Juni 1950 getroffen ist, hat grundsätzlich die Instandsetzung der Straßen der Träger der Baulast zu übernehmen. Ein Eingreifen und ein Zurverfügungstellen aus Mitteln des allgemeinen Haushalts darüber hinaus könnte nur in äußersten Notfällen in Betracht kommen.
Sabel , Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen?
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sabel!
Sabel , Anfragender: Ist nicht die Möglichkeit gegeben, diese Kosten als Besatzungskosten zu übernehmen? Ist nicht zum Teil von Besatzungskostenämtern so verfahren worden?
Selbstverständlich! Die Bundesregierung bemüht sich immer, mit den Besatzungsmächten darüber Vereinbarungen zu treffen, daß diese Kosten aus dem Besatzungskostenhaushalt übernommen werden, kann aber die Besatzungsmächte nicht zwingen, sondern nur ersuchen.
Sabel , Anfragender: Danke schön!
Zur Frage 14 Herr Abgeordneter Schmitt .
Schmitt (CDU), Anfragender: Ich habe drei Fragen an den Herrn Verkehrsminister, und zwar erstens:
Wieweit sind die Vorbereitungen für den Wiederaufbau der Kaiserbrücke bei Mainz gediehen?
Zweitens:
Bis wann ist mit dem Beginn des Wiederaufbaus zu rechnen, und wie lange wird der Wiederaufbau dauern?
Drittens:
Wird die Kaiserbrücke so wieder aufgebaut, wie sie war, oder ist eine Verbreiterung vorgesehen?
Herr Abgeordneter Schmitt, ich bedaure sehr, übersehen zu haben, daß der Herr Bundesminister für Verkehr mir mitgeteilt hat, daß sowohl er wie auch der Herr Staatssekretär heute durch dringende Abhaltungen, die er einleuchtend dargelegt hat, verhindert ist. Ich bitte also um Entschuldigung, daß ich Ihnen überhaupt das Wort gegeben habe.
Ich darf bei dieser Gelegenheit erwähnen, meine Damen und Herren, daß wir im Ältestenrat eine Vereinbarung dahin erzielt haben, daß Fragen, die dadurch nicht erledigt werden, daß der zuständige Minister oder der Staatssekretär nicht anwesend ist, automatisch auf die nächste Fragestunde gesetzt werden, daß Fragen, die dadurch nicht erledigt werden, daß die Fragestunde vorher abläuft, nicht automatisch auf die nächste Sitzung gesetzt werden, da wir sonst im Laufe der Zeit zu einer unübersehbaren Menge von Fragen kämen.
— Herr Abgeordneter Ritzel, darf ich bitten, daß
Sie die Erörterung, die Sie daran knüpfen wollen,
vielleicht am Schluß der Fragestunde vornehmen.
Schmitt (CDU), Anfragender: Einverstanden!
Diese Frage wird automatisch auf die nächste Fragestunde gesetzt.
Schmitt (CDU), Anfragender: Danke sehr!
Da ich jetzt Herrn Abgeordneten Pfleiderer zu seinen Fragen 15 bis 25 das Wort geben muß, darf ich gleich darauf hinweisen, daß wir uns im Ältestenrat darüber verständigt haben, daß in einer Fragestunde künftig ein Abgeordneter nicht mehr als drei Fragen stellen darf.
Herr Abgeordneter Dr. Pfleiderer!
Dr. Pfleiderer , Anfragender:
Erhalten die Witwen der nach dem 20. Juli 1944 hingerichteten Beamten des auswärtigen Dienstes die ihnen zustehenden Versorgungsbezüge?
Zur Beantwortung der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers!
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Die Frage betrifft die Witwen folgender aus Anlaß des 20. Juli hingerichteten Beamten des früheren Auswärtigen Amtes: Botschafter von Hassell, Botschafter Graf von der Schulenburg, Vortragender Legationsrat von Haeften, Legationsrat Brücklmeier, Legationsrat von Trott zu Solz.
Die erforderlichen Feststellungen für diese Witwen, von denen in zwei Fällen der gesetzlich vorgeschriebene Antrag erst Januar 1952 eingereicht wurde, sind mit größter Beschleunigung erfolgt. Die zustehenden Versorgungsbezüge werden den Hinterbliebenen auf Grund eingehend begründeter Wiedergutmachungsbescheide und Berechnungen laufend gezahlt. In einem der genannten Fälle besteht kein Rechtsanspruch auf Grund des Wiedergutmachungsgesetzes.
Dr. Pfleiderer , Anfragender:
Sind die Kuriere des auswärtigen Dienstes in Beamtenstellen eingewiesen?
Bitte, Herr Minister!
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Es handelt sich hier, wie dem Herrn Fragesteller bekannt sein wird, um eine schon früher erfolglos
diskutierte Angelegenheit. Die bisher im Auswärtigen Amt hauptamtlich als Kuriere verwendeten Personen sind im Angestelltenverhältnis tätig. Es wird versucht werden, im nächsten Etat für die älteren Kuriere Beamtenstellen zu schaffen. Die Schwierigkeit besteht darin, daß die Besoldungsordnung keine auf die Tätigkeit der Kuriere passende Amtsbezeichnung vorsieht.
Vor 33 sind die im Auswärtigen Amt tätigen Kuriere gleichfalls nicht Beamte gewesen.
Dr. Pfleiderer , Anfragender: Ist der Bundesregierung bekannt, daß hier ein Wunsch des Haushaltsausschusses vorliegt?
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers : Ich habe bereits gesagt, daß wir versuchen werden, im nächsten Haushalt diese Frage entsprechend den geäußerten Wünschen zu regeln.
Zur Frage 17 Herr Abgeordneter Pfleiderer.
Dr. Pfleiderer , Anfragender:
Bis wann ist mit der Vorlage der durch Beschluß des Bundestages von der Bundesregierung erbetenen Denkschrift über die im Ausland gelegenen diplomatischen und konsularischen Dienstgebäude zu rechnen?
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Das Material ist im Auswärtigen Amt bereits zusammengestellt und darauf dem Bundesfinanz- und dem Bundesjustizministerium zur Stellungnahme zugeleitet worden. Es ist zu erwarten, daß die Denkschrift dem Bundestag in kurzer Zeit zur Verfügung gestellt werden kann.
Dr. Pfleiderer , Anfragender: Herr Vizekanzler, ist damit zu rechnen, daß die Frage der diplomatischen Gebäude in dem geplanten Vertragswerk geregelt werden wird?
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Ich vermag darauf in diesem Augenblick keine Antwort zu geben, weil das ja wahrscheinlich nicht nur in dieses Vertragswerk, sondern in die ganze Regelung der Frage des deutschen Vermögens usw. fällt.
Zur Frage 18 Herr Abgeordneter Pfleiderer.
Dr. Pfleiderer , Anfragender:
Ist es zutreffend, daß die deutsche diplomatische Vertretung in Belgrad in einem dem polnischen Staate gehörigen Gebäude untergebracht ist?
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Ich darf darauf folgendes antworten. Das Auswärtige Amt hat den Mietvertrag über das Grundstück mit dem „Unternehmen zur Verwaltung der Wohnhäuser des III. Rayons in Belgrad" abgeschlossen.
Zur Sache selbst kann ich aber erläuternd folgendes sagen. Es ist in Belgrad das Haus Kneza Milosâ 14 angemietet worden. Dem deutschen Botschafter ist das Grundstück von der jugoslawischen Regierung als Bürogebäude angeboten worden. Im Falle einer Ablehnung war damit zu rechnen, daß der Botschaft auf unabsehbare Zeit kein geeignetes Objekt mehr zur Verfügung gestellt worden wäre. Nach dem Ergebnis von Feststellungen trifft es zu,
daß das fragliche Gebäude bis zum Jahre 1939/40 von der polnischen Gesandtschaft in Jugoslawien benutzt worden ist. Das Gebäude ist nach dem Krieg von der jugoslawischen Verwaltung übernommen und dem jugoslawischen Obersten Gerichtshof zugewiesen worden. Über den Vertragspartner bei Abschluß des Mietvertrages habe ich eingangs berichtet.
Keine Zusatzfrage?
Dr. Pfleiderer , Anfragender: Nein, danke schön.
Zur Frage 19 bitte.
Dr. Pfleiderer , Anfragender:
In welcher Weise werden die deutschen Auslandsvertretungen über die Verhandlungen des Deutschen Bundestages unterrichtet?
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Alle deutschen Auslandsvertretungen erhalten regelmäßig die gedruckten wörtlichen Sitzungsberichte des Deutschen Bundestags. Darüber hinaus werden die Außenvertretungen auch mit den wesentlichen Zeitungen aus dem Inland versehen.
Darf ich vorschlagen, Herr Abgeordneter Dr. Pfleiderer, daß Sie die Frage 21 vorziehen.
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Die Frage 20! Ich bin über alles informiert.
Also Frage 20.
Dr. Pfleiderer , Anfragender:
Haben auch andere Länder als die Bundesrepublik GARIOA-Zuwendungen erhalten? Wenn ja, welche Länder? Wie ist die Frage der Rückzahlung im Verhältnis zu diesen Ländern geregelt worden?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für den Marshallplan.
Ich habe nicht nur in Paris, sondern auch in Washington versucht, hierüber eingehende Feststellungen zu treffen. Es ist mir nicht bekanntgeworden, in welcher Weise die Bedienung der Verpflichtungen aus GARIOA-Hilfe bei den anderen Empfängern dieser Hilfe geregelt worden ist.
Dr. Pfleiderer ,, Anfragender: Danke sehr!
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Dr. Pfleiderer , Anfragender: Nein. Präsident Dr. Ehlers: Frage 21 bitte.
Dr. Pfleiderer , Anfragender:
Werden den aus dem Ausland zurückberufenen Lehrern deutscher Auslandsschulen die Umzugskosten ersetzt?
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Ich bitte den Herrn Fragesteller, zu gestatten, ihm unverzüglich eine schriftliche Antwort zu geben, weil die mir vorliegende Antwort zu umfangreich ist und deshalb nicht in die Fragestunde paßt, die Frage aber einer ausreichenden Beantwortung bedarf.
Dr. Pfleiderer , Anfragender: Herr Präsident, werden diese Antworten veröffentlicht werden?
Die schriftlichen Antworten? — Legt das Haus Wert darauf,
daß die schriftlichen Antworten veröffentlicht werden? — Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen dazu vor, daß wir uns zunächst im Altestenrat noch einmal über die Frage der Behandlung der schriftlichen Antworten unterhalten. Ich glaube, daß wir die Protokolle nicht zu umfangreich werden lassen sollten.
Herr Abgeordneter Pfleiderer zur Frage 22.
Dr. Pfleiderer , Anfragender: Die Fragen 22 bis 24 sind, nachdem ich sie gestellt hatte, im wesentlichen in der Debatte neulich behandelt worden. Ich möchte die Frage betreffend die unehelichen Besatzungskinder nur dahin ergänzen: Wie verteilt sich die Zahl von 94 000 auf die einzelnen Zonen?
Zur Beantwortung dieser Zusatzfrage der Herr Minister des Innern.
Meine Damen und Herren! Ich kann darauf nur antworten, daß es sich um 94 000 uneheliche Kinder von Besatzungsangehörigen handelt, darunter 3093 farbige Mischlingskinder, die von den zuständigen Jugendämtern betreut werden. Den Amtsvormundschaften unterstehen 42 000 Kinder. 52 000 befinden sich in Einzelvormundschaft. Die Geburtenzahl weist in den einzelnen Jahrgängen von 1945 bis zum ersten Halbjahr 1951 ein Absinken der Geburten aus. Beachtlich ist jedoch, daß in den Bereichen der Landesjugendämter, in denen amerikanische Garnisonen liegen, die Geburtenzahl bereits wieder im Ansteigen begriffen ist.
Über die Aufgliederung im einzelnen besitze ich im Augenblick keine Unterlagen.
Dr. Pfleiderer , Anfragender: Danke schön.
Weitere Fragen, Herr Abgeordneter?
Dr. Pfleiderer , Anfragender: Nein. Präsident Dr. Ehlers: Frage 23.
Dr. Pfleiderer , Anfragender: Das Thema der Fragen 22 bis 24 ist neulich behandelt worden.
Die Fragen 22 bis 24 sind erledigt.
Der Herr Abgeordnete Pfleiderer hat noch eine Frage, die Frage 25.
Dr. Pfleiderer , Anfragender:
Hat die Bundesregierung die Absicht, in den deutsch-französischen Kulturvertragsverhandlungen der französischen Regierung die Rückgabe der von ihr enteigneten deutschen Kirche in Paris vorzuschlagen?
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Die von der Bundesregierung in Aussicht genommenen Kulturabkommen sind als Rahmenverträge gedacht, in denen nur die allgemeinen Grundsätze der kulturellen Zusammenarbeit vereinbart werden sollen. Die Regelung konkreter Einzelfragen in den Text derartiger Abkommen selbst aufzunehmen, hat sich nach internationaler Erfahrung als nicht zweckmäßig erwiesen. Die offiziellen Verhandlungen über einen deutsch-französischen Kulturvertrag haben noch nicht begonnen; sie werden aber sicher Gelegenheit bieten, konkrete Wünsche betreffend kulturelles Eigentum vorzubringen. Die Bundesregierung wird nicht verfehlen, dabei auch die Frage der Rückgabe der deutschen evangelischen Kirche in Paris anzuschneiden.
Dr. Pfleiderer , Anfragender: Danke sehr.
Herr Abgeordneter Ritzel, ich muß Ihnen vorschlagen, auf die Fragen 26 und 27 mit Rücksicht auf die Nichtanwesenheit des Herrn Bundesverkehrsministers heute zu verzichten. Sie kommen auf die Liste der nächsten Fragestunde, die wir noch vor Ostern angesetzt haben.
Zur Frage 28 Herr Abgeordneter Ritzel.
Ritzel , Anfragender: Ich frage die Regierung:
Wieviel Beamte und Angestellte der einzelnen Bundesministerien gehören zu dem Personenkreis der Wiedergutmachungsberechtigten des öffentlichen Dienstes? Die Beantwortung wird für die einzelnen Ministerien durch Angabe der diese betreffenden Zahlen erbeten.
Um einen Überblick für die heutige Anfrage zu gewinnen, ist eine telefonische Anfrage bei allen Bundesministerien gehalten worden. Die Zahlen weisen aber Unterschiede auf, 'die so auffällig sind, daß sie sich nur aus der Anwendung völlig uneinheitlicher Maßstäbe erklären lassen. Ich kann Ihnen deshalb mit Sicherheit nur die Ziffern aus dem eigenen Hause sagen. Wir haben bei 443 Beamten und Angestellten zur Zeit 15 derartiger Wiedergutmachungsfälle.
Ich nehme an, daß die unterschiedliche Zahlenangabe 'der einzelnen Ressorts darauf zurückzuführen ist, daß einzelne Ressorts unter die Wiedergutmachungsfälle nur diejenigen rechnen, in denen förmliche Anträge gestellt sind, und nicht etwa eine Umfrage darin enthalten ist, ob außerhalb der bereits gestellten Anträge auch noch sonstige Fälle vorliegen. Ich schlage Ihnen vor, daß ich noch einmal eine schriftliche Umfrage bei den Ressorts halte, um einheitliche Maßstäbe festzulegen, und Ihnen dann erneut Auskunft gebe.
Ritzel , Anfragender: Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Zur Frage 29 Herr Abgeordneter Müller-Hermann.
Müller-Hermann , Anfragender: Ich frage: Welchen Standpunkt nimmt die Bundesregierung zur eventuellen Wiedereinführung der Sommerzeit ein?
Der Herr Bundesminister des Innern, bitte.
Meine Damen und Herren! Die Einführung der Sommerzeit ist im gesamten Bereich der Bundesregierung auf Ablehnung gestoßen.
Im Jahre 1951 ist die Frage der Einführung insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Energieersparnis im Energieausschuß des Bundesministeriums für Wirtschaft erörtert worden, dem unter anderem Vertreter der obersten Landesbehörden, der Elektrizitätswirtschaft, der Industrie, der Landwirtschaft, des Handwerks und der Gewerkschaften angehören. Nach Ansicht dieser Vertreter, insbesondere der Lastverteilerorganisation, bringt die Einführung der Sommerzeit nach den gemachten Erfahrungen keinerlei Energieersparnis.
Weiter machte auch der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten darauf aufmerksam, daß sich die Einführung der Sommerzeit für die Landbevölkerung und die Landwirtschaft sehr ungünstig auswirke.
Mit Rücksicht auf den internationalen Eisenbahnverkehr äußerte sich auch der Herr Bundesminister für Verkehr mit erheblichen Bedenken gegen eine Einführung der Sommerzeit.
Sie haben keine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller-Hermann?
Zur Frage 30 Herr Abgeordneter Rademacher.
Rademacher , Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:
Ist ihm bekannt, daß durch verzögerte Ausschreibungen beim Einkauf von Kakao der deutschen Wirtschaft und dem deutschen Devisenfonds rund 12 Millionen DM verloren gegangen sind?
Darauf darf ich antworten: Kakaobohnen konnten im Jahre 1951 im Rahmen der für den exliberalisierten Sektor geltenden OEEC-Regelung bezogen werden. Diese Regelung bedeutete, daß für bestimmte Warengruppen bestimmte Beträge zur Verfügung standen, die wieder auf die OEEC-Länder aufgeschlüsselt waren. Die Festlegung von Wertgrenzen in Handelsverträgen für die Einfuhr von Kakao war daher erst im Jahre 1952 möglich. Noch bevor das Warenabkommen mit Großbritannien, dem Hauptlieferland für Kakaobohnen, am 3. März 1952 unterzeichnet wurde, ist eine Ausschreibung in Höhe von 63 Millionen DM für die Einfuhr von Rohkakao aus Großbritannien im Bundesanzeiger Nr. 17 vom 25. Januar 1952 als Vorgriff auf das Abkommen veröffentlicht worden. Eine frühere Ausschreibung war nicht möglich.
Grundsätzlich darf ich dazu noch bemerken, daß wir jetzt ja erst im Aufbau eines Devisenfonds sind und daß es infolgedessen in der zurückliegenden Zeit leider häufig nicht möglich war, die notwendigen Devisen für saisonal günstige Aufkäufe — siehe kubanischen Zucker — bereitzustellen.
Rademacher , Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen? — Herr Minister, Sie sagen: „Eine frühere Ausschreibung war nicht möglich". Ich habe nicht ganz die Gründe dafür erkannt.
Die Gründe glaube ich dargelegt zu haben. Sie bestehen darin, daß wir erst im Jahre 1952 auf Grund der nunmehr getroffenen Regelungen Ausschreibungen in größerem Umfange tätigen konnten, weil vorher, im ganzen Jahre 1951, ja die von der OEEC auf die einzelnen Länder aufgeschlüsselten Beträge bestimmend waren, die größere Aufkäufe von Kakaobohnen eben leider nicht möglich machten. Ich hätte bei Gott auch Kakaobohnen lieber auf Teufelkomm-heraus eingeführt; aber als Ernährungsminister liegt mir die Einfuhr von Getreide, von Zucker und von anderen lebenswichtigen Dingen eben immer noch mehr am Herzen als die von Kakaobohnen.
Rademacher , Anfragender: Darf ich noch eine Zusatzfrage stellen?
Noch eine Zusatzfrage.
Rademacher , Anfragender: Herr Minister, besteht die Absicht, Kakao auf die Freiliste zu bringen?
Darüber sind die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen, und ich kann infolgedessen eine positive oder eine negative Feststellung nicht machen.
Rademacher , Anfragender: Danke sehr!
Zur Frage 31 Herr Abgeordneter Renner.
Renner , Anfragender: Von der Postdirektion Düsseldorf werden Briefsendungen, die an den Abgeordneten Rische gerichtet sind, und solche Briefsendungen, die von ihm verschickt werden, ohne daß ihm davon amtlich Kenntnis gegeben wird und ohne daß ihm die zur Frankierung der Briefsendungen verwendeten Marken irgendwie ersetzt werden, beschlagnahmt und verbrannt. Ich frage den Herrn zuständigen Minister, ob ihm das bekannt ist und ob ihm weiter bekannt ist, daß Herr Rische bei der Staatsanwaltschaft
— ich weiß nicht, was da zu lachen ist — Klage gegen die Postdirektion Düsseldorf wegen Diebstahls und Vernichtung derartiger Postsendungen eingereicht hat. Auf welche gesetzliche oder verfassungsrechtliche Grundlagen stützt sich diese Handlungsweise der Düsseldorfer Postdirektion?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Von einer Strafanzeige des Herrn Abgeordneten Rische gegen die Oberpostdirektion Düsseldorf ist mir persönlich nichts bekannt. Ich weiß nur aus der kommunistischen Presse, daß eine derartige Strafanzeige beabsichtigt sein soll. Solange keine konkreten Angaben gemacht werden, ist mir daher eine spezielle Stellungnahme im einzelnen nicht möglich.
Ich kann jetzt nur allgemein folgendes bemerken. Von der Deutschen Bundespost wird das Postgeheimnis nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen genauestens gewahrt. Das Postgeheimnis ist allerdings kein Freibrief für Angriffe staatsfeindlicher Elemente auf die freiheitliche demokratische Grundordnung.
Deshalb haben wir seit jeher — ich betone: seit jeher — in § 4 der Postordnung eine Bestimmung, wonach Sendungen, deren sichtbarer Inhalt gegen die Gesetze verstößt, von der Postbeförderung auszuschließen sind. Ich bin daher berechtigt und verpflichtet, derartige Sendungen anzuhalten, wenn sich in ihnen Druckschriften befinden, deren Inhalt im Sinne des Strafgesetzbuchs hochverräterisch oder staatsgefährdend ist. Derartige Sendungen sind vernichtet worden, weil überwiegend Absenderangaben fehlten oder fingiert waren
und es im übrigen widersinnig wäre, hochverräterische oder staatsgefährdende Druckschriften zur anderweitigen Verbreitung freizugeben.
Ich möchte noch darauf hinweisen, daß sich die Maßnahmen der Deutschen Bundespost grundsätzlich nicht auf geschlossene Postsendungen, insbesondere Briefe und Pakete, beziehen. Es werden, wie ich schon angeführt habe, nur Sendungen angehalten, deren sichtbarer Inhalt gegen die Gesetze verstößt. Es gibt allerdings eine Ausnahme. So sind z. B. Pakete und Briefe des öfteren — und in dem vorliegenden Fall sehr oft — unzustellbar, weil der Empfänger unbekannt ist oder weil der Empfänger die Annahme verweigert. Da bei diesen Sendungen die Absenderangaben weitgehend fehlen oder fingiert sind, werden die Briefe nach den allgemeinen Postvorschriften den Rückbriefstellen, die Pakete den Postanmeldestellen, zugeleitet, wo sie zur Ermittlung des Absenders geöffnet werden. Stellt sich nunmehr ein gesetzwidriger Inhalt in dem schon erwähnten strafrechtlichen Sinne heraus, so werden diese Sendungen gleichfalls angehalten.
Ich möchte zum Schluß noch einmal ausdrücklich betonen, daß keine unzulässigen Eingriffe zur Feststellung des Inhalts geschlossener Sendungen vorgenommen werden dürfen. Die Postdienststellen sind neuerdings ausdrücklich darauf hingewiesen worden.
Renner , Anfragender: Darf ich mir noch eine Zusatzfrage erlauben?
Eine Zusatzfrage!
Renner , Anfragender: Es handelt sich in dem Fall, der uns zu dieser Anfrage Anlaß gab, um Sendungen, die der Abgeordnete Rische, mit seinem Stempel versehen, also als eine Sendung des Bundestagsabgeordneten Rische kenntlich, aufgegeben hat. Es handelt sich sowohl um Drucksachen, die, wie bei Drucksachen üblich, in einem Briefumschlag verpackt worden sind, als auch um geschlossene Briefe, die ordnungsmäßig als Briefe verschlossen und entsprechend frankiert worden sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich sagte Ihnen schon: von diesen Vorgängen ist mir offiziell noch nichts bekannt. Wenn, sagen wir einmal, eine Eingabe des Herrn Abgeordneten Rische kommt, wird dem selbstverständlich genau nach den gesetzlichen Bestimmungen stattgegeben.
Renner , Anfragender: Darf ich mir noch eine Zusatzfrage erlauben: Hält der Herr Minister die Vernichtung von Postsendungen eines Bundes-
tagsabgeordneten für mit dem Grundgesetz vereinbar?
— Sie sind ja kein Minister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich sagte ja schon: in § 4 der Postordnung sind klare Tatbestände gegeben, die jederzeit auch festgestellt werden müssen.
Renner , Anfragender: Darf ich mir noch eine Frage erlauben: Hält der Herr Minister es für richtig, daß, wie es in diesem Falle geschehen ist, ein mittlerer Postbeamter die strafrechtliche Seite derartiger Sendungen bestimmt? Hält der Herr Minister es für richtig, daß, nachdem diese Sendungen, weil angeblich gegen die Strafgesetze verstoßend, vernichtet worden sind, der betreffende Bundestagsabgeordnete nicht strafrechtlich verfolgt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann über diesen Einzelfall keine Auskunft geben, weil ich den Tatbestand nicht kenne.
Renner , Anfragender: Das tut mir sehr leid.
Zur Frage 32 Herr Abgeordneter Renner!
Renner , Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesminister des Innern:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Sicherheitsamt der Stadt Bonn auf generelle Anordnung des Landesinnenministers von Nordrhein-Westfalen die Bewilligung von Interzonenpässen an die kommunistischen Abgeordneten des Deutschen Bundestags verhindert?
Ein generelles Verbot der Ausstellung von Interzonenpässen an kommunistische Abgeordnete ist weder vom Innenminister des Landes NordrheinWestfalen noch vom Bundesinnenminister erfolgt.
Renner , Anfragender: Geht die Anordnung des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen, die, wie ich nach wie vor behaupte, zu einer generellen Ablehnung derartiger Anträge führt, auf eine Anweisung des Herrn Bundesinnenministers selber zurück?
Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des; Innern: Es handelt sich hier in dieser Frage im Interzonenverkehr mit der sowjetisch besetzten Zone und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin um die Alliierte Hohe Kommission, die sich mit einer Antwort vom 8. Februar 1951 damit einverstanden erklärt hat, daß die deutschen Behörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um die Einwanderung von politisch unerwünschten Elementen aus der sowjetisch besetzten Zone und dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin und politisch unerwünschte Reisen aus dem Bundesgebiet in die sowjetisch besetzte Zone zu verhindern. Hiernach sind die Behörden entsprechend angewiesen.
Renner , Anfragender: Darf ich mir eine Zusatzfrage erlauben?
Bitte, Herr Abgeordneter Renner!
Renner , Anfragender: Haben Sie, Herr Minister, oder hat irgendeiner Ihrer Herren Kollegen direkt und persönlich an das Städtische Ordnungsamt in Bonn Anweisungen gegeben, um die beantragte Ausstellung eines Interzonenpasses für Abgeordnete der KPD oder für Personen, die uns nach Auffassung des Herrn Ministers nahestehen, zu verhindern?
Ein Recht, eine Polizeibehörde eines Landes anzuweisen, steht mir nicht zu. Wir stehen allerdings mit sämtlichen Behörden in Verbindung. Denn politisch unerwünschte Einreisen oder Ausreisen von der Sowjetzone oder in die Sowjetzone wurden von mir in keinem Falle begünstigt.
Renner , Anfragender: Darf ich mir erlauben, dieselbe Frage, die ich an den Herrn Bundesinnenminister gestellt habe, auch an den Herrn Minister für gesamtdeutsche Angelegenheiten zu stellen. Ich möchte hören, ob auch er mir ein Nein auf meine konkrete Fragestellung gibt, ob er direkt als Minister an die kommunalen Dienststellen eine entsprechende Anweisung gegeben hat.
Selbst wenn es eine notwendige Zusatzfrage wäre, - der Herr Minister für gesamtdeutsche Angelegenheiten ist nicht anwesend. Er vermag also nicht zu antworten.
Renner , Anfragender: Schön! Dann bedaure ich nur, daß ich diese einseitige Antwort bekomme.
Herr Abgeordneter Renner, das Bedauern auszusprechen muß Ihren inneren Vorgängen überlassen bleiben.
Meine Damen und Herren, die für die Fragestunde vorgesehene Zeit ist noch nicht voll abgelaufen. Inzwischen ist Herr Abgeordneter Dr. Horlacher eingetroffen. Sind Sie damit einverstanden, daß die Frage Nr. 3 nachgeholt wird?
— Das Haus scheint damit einverstanden zu sein, hat aber offenbar doch die Bitte, daß die Herren Fragesteller künftig zu der für sie vorgesehenen Zeit anwesend sind.
Zur Frage 3 Herr Abgeordneter Dr. Horlacher.
Dr. Horlacher , Anfragender:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die öffentlichen Schuldversprechen — —
Sie dürfen nicht das Papier vor das Mikrophon halten, Herr Abgeordneter Horlacher.
Dr. Horlacher , Anfragender:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die öffentlichen Schuldversprechen in Form der Ausgleichsforderungen bei den genossenschaftlichen Kreditinstituten und den öffentlichen Sparkassen zu einer starken Bedrohung, ja vielfach zu einer Gefährung der Liquidität und Rentabilität geführt haben?
Wann gedenkt die Bundesregierung, in Zusammenarbeit mit den Ländern, das Provisorium der Ausgleichsforderungen einer definitiven Lösung zu deren Realisierung mit entsprechendem Tilgungsplan bei höherer Verzinsung entgegenzuführen?
Zur Beantwortung hat das Wort hat Herr Vizekanzler Blücher.
Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Die Bundesregierung bittet Sie, Herr Abgeordneter, damit einverstanden zu sein, daß Sie die Beantwortung dieser Frage, die einen außerordentlichen Raum einnehmen wird, schriftlich entgegennehmen. Es handelt sich hier ja nicht nur um eine Frage der finanzpolitischen Verhältnisse zwischen Bund und Ländern, sondern darüber hinaus auch um eine Grundsatzfrage währungspolitischer Art. Die Verhandlungen und Überlegungen innerhalb der Regierung über diese Frage sind nicht neu, und wir bitten Sie, Ihnen darüber schriftlich berichten zu dürfen.
Damit ist diese Frage ebenfalls erledigt.
Zur Praxis der Fragestunde überhaupt wünscht Herr Abgeordneter Ritzel das Wort zu nehmen. Ich bitte ihn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der letzten Sitzung, in der Fragen behandelt worden sind, wurde eine Reihe von Fragen nicht mehr erledigt, weil die Fragestunde, die nach den Berechnungen unseres verehrten Herrn Präsidenten genau 60 Minuten währt, abgelaufen war.
Geschäftsordnung!
In der Geschäftsordnung selbst ist von 60 Minuten nicht gesprochen worden, sondern von einer Fragestunde. Ich werde Ihnen das noch näher begründen und erläutern.
Die Drucksache Nr. 3190, die die Grundlage der heutigen Fragestunde ist, enthält eine Reihe Fragen, die in der letzten Fragestunde aus Zeitmangel nicht behandelt werden konnten. Daß diese Fragen wieder erschienen sind, geht in Ordnung. Die gleiche Drucksache für die mündlichen Fragen enthält aber mehrere Fragen, die aus den gleichen Ursachen nicht behandelt werden konnten. Nun verkündete heute der Herr Präsident, daß im Ältestenrat eine Vereinbarung, wenn ich recht verstanden habe, dahin zustande gekommen sei, daß Fragen, die infolge der Abwesenheit der Herren Minister in einer Fragestunde nicht beantwortet werden konnten, in der nächsten Fragestunde erledigt werden sollen. Das geht auch in Ordnung. Aber gleichzeitig wurde verkündet, daß Fragen, die wegen des Ablaufes der einen Stunde oder der 60 Minuten nicht behandelt werden konnten, nicht auf der Tagesordnung der nächsten Fragestunde erscheinen sollten.
Ich darf dazu auf den Wortlaut des § 111 der
Geschäftsordnung hinweisen. Darin heißt es:
Jeder Abgeordnete ist berechtigt, kurze mündliche Anfragen an die Bundesregierung zu richten. Hierzu soll je nach Bedarf, mindestens jedoch einmal im Monat, eine Stunde usw.
Meine Damen und Herren! Daraus ergibt sich doch ganz klar, daß das Schwergewicht auf die Formulierung „je nach Bedarf" zu legen ist und daß der Wortlaut „mindestens jedoch einmal im Monat" eine Sicherungsmaßnahme dahingehend sein soll, daß eine Fragestunde mindestens einmal im Monat angesetzt wird. Aber im übrigen muß die Fragestunde bei gewissenhafter Interpretation der Geschäftsordnung je nach Bedarf angesetzt werden! In diesem Sinne hat der Ausschuß für Geschäftsordnung am 14. März, also vor wenigen Tagen, nach eingehender Diskussion beschlossen, dem Ältestenrat zu empfehlen, darauf Rücksicht zu nehmen, daß die von den Abgeordneten gestellten Fragen erledigt werden müssen, ehe sie veraltet sind, und darauf hinzuwirken, daß mehr als eine Fragestunde im Monat abgehalten wird, da der Bedarf größer ist. Frage und Antwort müssen nach Umfang und Zeitbedarf begrenzt werden.
Meine Damen und Herren, das zweite Schwergewicht des § 111 liegt in dem ersten Wort: Je der Abgeordnete ist berechtigt, und es steht nirgends geschrieben, daß es eine Instanz gibt, die berechtigt ist, einem Abgeordneten dieses Recht wegzunehmen.
Meine Damen und Herren, ich bin dann doch genötigt, einige aufklärende Bemerkungen zu machen. Zunächst muß ich darauf hinweisen, daß § 111 nicht nur das Wort „Fragestunde" enthält, sondern daß auch darin steht: „eine Stunde eines vom Ältestenrat vorzuschlagenden Sitzungstages zur Verfügung stehen". Ich vermag den Unterschied zwischen 60 Minuten und einer Stunde nicht zu erkennen.
Im übrigen, meine Damen und Herren, glaube ich, daß die Entscheidung des Ältestenrates, die ja nur der zweckmäßigen Erledigung dieser Dinge dienen sollte, dem Anliegen, das Herr Abgeordneter Ritzel vertritt, durchaus gerecht wird. Bei einer vernünftigen Interpretation, hat er gemeint, müsse man nach Bedarf mehr Fragestunden einrichten. Wir haben uns gerade heute morgen — ich habe mir gestattet, vorhin bereits darauf hinzuweisen dahin entschlossen, vor Ostern außerhalb der üblichen Reihe eine weitere Fragestunde anzusetzen.
Ich muß nur folgendes sagen, meine Damen und Herren — insofern bin ich mit Herrn Abgeordneten Ritzel nicht einig, und zwar von der Sache her —, daß ich es für höchst inopportun halte, nicht erledigte Fragen auf eine nächste Fragestunde zu übernehmen. Erstens ist das, wenn ich nicht ganz falsch unterrichtet bin, im englischen Unterhaus, das uns ein gewisses Vorbild für diese Fragestunde gegeben hat, ebenfalls nicht üblich. Zweitens widerspricht es aber auch dem Sinn; denn der Sinn einer Fragestunde kann nur der sein, meine Damen und Herren, daß während dieser Fragestunde Abgeordnete aus dem Hause auftreten und in dieser Stunde Fragen stellen und Antworten bekommen können. Die Tatsache, daß diese Fragen vorher gedruckt werden, hat nur den Sinn, daß wir durch die Übermittlung der Fragen an die Ministerien die Voraussetzungen für eine ordnungsmäßige und sachgemäße Beantwortung schaffen wollen.
Ich glaube also, meine Damen und Herren, wir müßten so verfahren, daß, wie bisher, nicht erledigte Fragen als, ich möchte nicht sagen, unter den Tisch fallend, aber als in der Stunde nicht erledigt angesehen werden und daß, wie es auch hier geschehen ist, die Herren, die Wert darauf legen, daß ihre Fragen in der nächsten Fragestunde wieder behandelt werden, diese Fragen erneut stellen. Ich weise auf das Beispiel des Herrn Kollegen Dr. Pfleiderer und anderer Herren hin, die ihre Fragen wiederholt haben. Darum sind diese Fragen auf die Tagesordnung gekommen und nicht deswegen, weil vielleicht nur ein Teil übernommen wurde, Herr Abgeordneter Ritzel.
Darf ich Ihnen im übrigen vorschlagen, meine Damen und Herren, daß wir diese Erörterung, nachdem j a die Gesichtspunkte zur Kenntnis gebracht worden sind, hier nicht fortsetzen, sondern uns in der nächsten Ältestenratssitzung — vielleicht ist Herr Abgeordneter Ritzel in der Lage, daran teilzunehmen — über diesen Punkt noch einmal unterhalten.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Fragestunde lediglich um 2 Minuten überschritten worden. Punkt 1 der Tagesordnung ist somit erledigt.
Ich rufe auf den Punkt 2 der Tagesordnung: Mündlicher Bericht des Ausschusses für Petitionen gemäß § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages.
Berichterstatter ist Frau Abgeordnete Albertz. Darf ich sie bitten, das Wort zu nehmen.
Frau Albertz , Berichterstatterin: Meine Herren und Damen! Über die außer Kraft getretene vorläufige Geschäftsordnung hinausgehend sieht die für den Deutschen Bundestag ab 1. Januar 1952 geltende Geschäftsordnung in § 113 vor, daß der Petitionsausschuß dem Plenum vierteljährlich einen mündlichen Bericht zu erstatten hat. Bevor ich im Namen des Petitionsausschusses über seine bisherige Arbeit berichte, darf ich Ihnen kurz die historische Entwicklung des Petitionsrechts schildern. Fürchten Sie dabei nicht, daß ich Ihnen einen staatsrechtlich-wissenschaftlichen Vortrag halte; das könnte ich gar nicht. Aber ich halte es doch für notwendig, daß bei dieser Gelegenheit in wenigen Sätzen die historische Entwicklung des Petitionsrechts behandelt wird.
„Das Recht des einzelnen oder einer Gemeinschaft, sich mit Bitten, Anträgen oder Beschwerden an die Regierung und an die Volksvertretung zu wenden", hat seinen Ursprung in der englischen Petition of Rights vom Jahre 1628. Mit dieser in der Geschichte des Petitionsrechts bekanntgewordenen Petition of Rights wurde dem damaligen König Karl I. eine erhebliche Einschränkung seiner Macht abgerungen. Indem Karl I. die in dieser Petition of Rights gestellten Forderungen zum Gesetz erhob, wurde das Recht ides Untertanen, Petitionen an den König oder bei den Parlamenten einzureichen, eine der wichtigsten englischen Verfassungsbestimmungen. Von England kam das Petitionsrecht nach Nordamerika. Wir finden es zuerst in der Verfassung von Virginia vom 12. Juni 1776. Die französische Revolution verschaffte den englischen und amerikanischen Gedankengängen erstmalig Eingang auf dem europäischen Kontinent. Zum erstenmal in der Geschichte Frankreichs
gewährte die Verfassung von 1791 das Recht, Petitionen zu überreichen.
In Deutschland konnte sich das Petitionsrecht erst mit der Gründung des Deutschen Bundes entwickeln. Wir finden in der bayerischen und der badischen Verfassung von 1830, der württembergischen von 1819 und der sächsischen von 1830 das Petitionsrecht nicht ausdrücklich erwähnt. Jedoch kann aus den Bestimmungen der Geschäftsordnung der Stände entnommen werden, daß der Eingang von Petitionen an die Stände in der Praxis geduldet wurde. Erst die revolutionäre Erhebung von 1848 brachte dem Bürger das Petitionsrecht. Die Frankfurter Nationalversammlung stellte bei der Beratung der Grundrechte folgende Bestimmung zur Debatte, die dann auch angenommen wurde:
Jeder Deutsche hat das Recht, sich mit Bitten
und Beschwerden schriftlich an die Behörden,
an die Landstände und in geeigneten Fällen
an die Reichsversammlung zu wenden. Dieses
Recht kann sowohl von einzelnen als auch von
mehreren im Verein ausgeübt werden. Preußen regelte das Petitionsrecht erst in seiner
Verfassung vom 31. Januar 1850.
Die geschichtliche Entwicklung läßt also erkennen, daß das Petitionsrecht ursprünglich nur ein bloßes Faktum war und sich später erst zu einem Recht des Bürgers herausbildete. Durch die Aufnahme in die Erklärungen der Menschen- und Bürgerrechte nahm es dann auch den Charakter eines Grundrechts an. Als solches ging es in die modernen Verfassungen ein.
Die Bismarcksche Reichsverfassung von 1871 regelte das Petitionsrecht in Art. 23. Danach hatte nur der Reichstag ,das Recht, innerhalb der Kompetenz des Reiches an ihn gerichtete Petitionen dem Bundesrat bzw. dem Reichskanzler zu überweisen. Die Fassung dieses Artikels sah nicht ausdrücklich das Petitionsrecht des einzelnen vor.
Die Weimarer Reichsverfassung bestimmte in Art. 126 über das Petitionsrecht, daß jeder Deutsche das Recht habe, sich schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständige Behörde oder an die Volksvertretung zu wenden. Dieses Recht konnte nach der Weimarer Reichsverfassung sowohl von einzelnen als auch von mehreren gemeinsam ausgeübt werden. Im Gegensatz zu der Bismarckschen Verfassung enthielt der Art. 126 der Weimarer Reichsverfassung ausdrücklich das Grundrecht des einzelnen, zu petitionieren. Durch die Aufnahme in den Grundrechtskatalog der Verfassung ist ,die Stellung des Petitionsrechts gegenüber seiner Stellung in älteren Verfassungen wesentlich verstärkt worden.
Wenn ich den Versuch gemacht habe, aufzuzeigen, daß das Petitionsrecht eines der wichtigsten Grundrechte des Staatsbürgers gegenüber Regierung und Parlament ist und jede demokratische Verfassung dieses Grundrecht kennt, so wird dies erst ganz besonders deutlich, wenn wir uns der Zeit von 1933 bis 1945 erinnern, in der von einem echten Petitionsrecht und einem Gebrauch hiervon wirklich nicht die Rede sein konnte. Für den Parlamentarischen Rat war es daher eine Selbstverständlichkeit, dieses Grundrecht im Grundgesetz wieder vorzusehen. Art. 17 im Grundrechtskatalog sagt hierüber, daß jedermann das Recht 'hat, „sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und die Volksvertretung zu wenden". Demnach haben alle an den Deutschen Bundestag
gerichteten Petitionen ihre Rechtsgrundlage in Art. 17 des Grundgesetzes. Das Petitionsrecht ist also unmittelbar geltendes zwingendes Recht, das im Interesse des einzelnen erlassen worden ist. Für Petitionen schreibt Art. 17 die Schriftform vor. Sie dürfen nicht anonym sein; auch ein Pseudonym ist nicht gestattet. Es ist eigenhändige Unterschrift erforderlich.
Die Geschäftsordnung regelt in den §§ 112 und 113 die Behandlung von Petitionen. Danach ist der Bundestag grundsätzlich zur Entgegennahme, Behandlung und Erledigung von Petitionen verpflichtet. Ebenso ist dem Petenten Bescheid über die Erledigung seiner Petition zu geben. Der Petent hat mithin Anspruch auf eine sachliche Prüfung seiner Eingabe, wie er, wie bereits gesagt, auch Anspruch darauf hat, daß seine Petition beantwortet wird. Das heißt, daß nicht nur eine Bestätigung des Eingangs zu geben, sondern dem Petenten auch die Art der Erledigung mitzuteilen ist. Außerdem sieht die Geschäftsordnung vor, daß durch das zuständige Büro des Bundestags, in diesem Fall das Petitionsbüro, die Registrierung aller Petitionen vorzunehmen ist. Danach werden die Eingänge dem Ausschuß überwiesen, in dessen Arbeitsgebiet sie fallen. Der Petitionsausschuß unterrichtet sich nach der Geschäftsordnung laufend über die Erledigung der den Fachausschüssen überwiesenen Petitionen.
Ich darf noch einige Sätze über die Behandlung der Petitionen hinzufügen. Es muß hervorgehoben werden, daß jede, auch die kleinste Eingabe mit größter Sorgfalt und gewissenhaft bearbeitet wird. Die Petitionen werden in vielen Stunden außerhalb de: Ausschußsitzung und außerhalb des Bundestags von den Abgeordneten zunächst einmal gründlich vorbearbeitet. Sodann wird über jede Eingabe in den Ausschußsitzungen berichtet, diskutiert und für die weitere Behandlung ein Beschlußvorschlag gemacht. Man kann also wirklich nicht sagen, daß sich die Tätigkeit der Abgeordneten darin erschöpft, an den Ausschußsitzungen teilzunehmen. Ist die Stellungnahme eines Ministeriums erforderlich, so wird sie entweder schriftlich oder auch mündlich in der Form des Vortrags eines Ministers oder eines Sachbearbeiters eingeholt. Es hat sich auch schon, um bei besonders problematisch gelagerten Petitionen ein Urteil finden zu können, als sehr zweckmäßig erwiesen, ein wissenschaftliches Gutachten einzuholen, das mündlich in einem Vortrag erstattet wird.
Nicht alle Petitionen können von den Ausschüssen des Deutschen Bundestags behandelt werden, da auch die Ausschüsse sich selbstverständlich an die Kompetenzabgrenzung des Grundgesetzes halten müssen. Zu diesen Eingaben gehört die Gruppe von Petitionen, für die der Bundestag zwar formell, aber nicht sachlich zuständig ist. Aus dem Wortlaut des Art. 17 des Grundgesetzes ergibt sich nämlich, daß der Petent sich an die zuständigen Stellen u n d an die Volksvertretung wenden kann. Hier muß also angenommen werden, daß der Petent das Parlament als Repräsentanten des Volkes ansprechen will und seiner Bitte oder auch Beschwerde gegenüber der Exekutive oder anderen Stellen das nötige Gewicht verleihen möchte.
Für fast 10 % aller Eingaben ist der Bundestag nicht zuständig. Diese müssen in den meisten Fällen den Länderparlamenten oder den Gemeinden überwiesen werden. Wenn eine Frau uns z. B. schreibt, daß sie zu wenig Wohlfahrtsunterstützung bekommen habe, ist für die Behandlung dieser Petition nicht der Bundestag, sondern die Gemeinde
oder der Beschwerdeausschuß des Landtags zuständig. So müssen eben nach dem Grundgesetz auch alle die Petitionen behandelt werden, die wegen Schulfragen, wegen Arbeitsvermittlung, wegen Wohnraumfragen, wegen Wiedergutmachungsfragen und wegen anderer Dinge eingereicht werden. Wenn eine so große Zahl von Petitionen eingeht, für die 'der Bundestag nicht zuständig ist, dann sollte dies Anlaß sein, für die Aufklärung unserer Staatsbürger über die verfassungsrechtliche Struktur der Bundesrepublik etwas zu tun.
Erfreulicherweise kann aber auch über die große Gruppe von Petitionen von einzelnen Staatsbürgern und auch von Organisationen berichtet werden, für die der Bundestag sachlich zuständig ist. Es handelt sich dabei um alle diejenigen Eingaben, in denen der Gesetzgeber angesprochen wird. Diese Petitionen sind sehr häufig dazu angetan, eine Gesetzesinitiative auszulösen, sei es zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke, sei es zur Verabschiedung eines neuen Gesetzes oder auch als Anregung zu einem in Beratung befindlichen Gesetz. Diese brauchbaren und begrüßenswerten Eingaben werden entweder der Regierung oder auch den zuständigen Fachausschüssen als Material überwiesen. Solche Petitionen haben in Gesetzen wie dem Kriegsopferversorgungsgesetz, dem Heimkehrergesetz, dem Wohnungsbaugesetz, dem Gesetz zu Art.131 des Grundgesetzes und anderen mehr ihren Niederschlag gefunden.
Zu berichten ist noch von den Petitionen, die Unzulänglichkeiten oder Mißstände aufzeigen. Diesen Beschwerden wird aufmerksam nachgegangen. Wo sie sich als berechtigt erwiesen haben, ist Abhilfe geschaffen worden. Daß es hierbei nicht immer ohne Meinungsverschiedenheit zwischen Ausschuß und Verwaltung abgegangen ist, will ich nur am Rande bemerken.
Ein besonderes Kapitel bilden die Beschwerden über Strafurteile und zivilgerichtliche Entscheidungen. Wenn beispielsweise männliche wie weibliche Petenten glauben, der Bundestag könne in ihrer Ehescheidungsklage zugunsten des einen oder andern wirksamwerden, dann ist ihre Beschwerde an uns falsch adressiert. Hier kann der Bundestag nicht eingreifen, da nach Art. 97 des Grundgesetzes die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit ausdrücklich garantiert ist und da Eingriffe in schwebende Verfahren oder Stellungnahmen zum materiellen Inhalt richterlicher Entscheidungen durch das Grundgesetz ausgeschlossen sind. Ausgenommen sind solche Fälle, wo Verstöße gegen Verfahrensvorschriften nachgewiesen werden.
In einer Vielzahl von Petitionen wird lediglich die Bitte um Auskunft ausgesprochen. Diese geben wir gern nach eingeholten Stellungnahmen selbst oder durch die Ministerien ausführlich und in all-gemeinverständlicher Form. Damit können wir dem Petenten schon helfen.
Auch die notorischen Querulanten und Dauer-petenten sollen nicht unerwähnt bleiben, die uns, die wir wirklich nicht an Empfindlichkeit leiden, das Leben oft schwer machen. Für den Ausgleich sorgen dann wieder die Petenten, die etwas merkwürdige Wünsche an den Bundestag haben, wie z. B. die Junggesellin, die auch für die Gasthäuser Raucher- und Nichtraucherabteile vorgesehen wissen möchte, weil sie sich durch die qualmenden Männer belästigt fühlt,
oder wie auch die viele Seiten starke Eingabe mit
unbrauchbaren Vorschlägen der sogenannten Weltverbesserer. Über die Petitionen, die sich in beleidigenden oder unsachlichen Vorwürfen gegen alle möglichen Stellen ergehen, wird zur Tagesordnung übergegangen.
Der § 113 Abs. 4 der neuen Geschäftsordnung sieht vor, daß der Bescheid an den Petenten über die Erledigung seiner Petition möglichst mit Gründen versehen werden soll. Für den Petitionsausschuß und für einige andere Ausschüsse darf ich sagen, daß dieser Bescheid niemals 'ein Schemabrief ist, sondern daß er immer dem einzelnen Fall entsprechend in individueller Form gegeben wird.
Der Petitionsausschuß hat Ihnen heute eine Übersicht vorgelegt, aus der Sie entnehmen wollen, daß den Ausschüssen des Deutschen Bundestages in der Zeit von September 1949 bis zum 1. März 1952 15 500 Petitionen zugeleitet worden sind. Diese Petitionen verteilen sich wie folgt auf die Ausschüsse: Ausschuß für Petitionen 7326 Eingaben gleich 47,3 %, Ausschuß für Beamtenrecht 115U Eingaben gleich 7,5 %, Ausschuß für Sozialpolitik 703 gleich 4,6 %, Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht 498 Eingaben gleich 3,2 %, Ausschuß für den Lastenausgleich 475 Petitionen gleich 3 %, Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen 406 Eingaben gleich 2,6 %, Ausschuß für Finanz- und 'Steuerfragen 358 Petitionen gleich 2,3 %, Haushaltsausschuß 247 Eingaben gleich 1,6 %, Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten 245 Petitionen gleich 1,5 %, Ausschuß für Heimatvertriebene 198 gleich 1,3 %, Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen 181 Eingaben gleich 1,3 %, Ausschuß für Wirtschaftspolitik 175 Petitionen gleich 1,1 %. Der Rest verteilt sich auf die übrigen Ausschüsse, ist entweder unbehandelbar, oder aber der Bundestag ist nicht zuständig. In den Fachausschüssen und in 180 Sitzungen des 27köpfigen Petitionsausschusses konnten bis zum 1. März 1952 10 466 Eingaben gleich 67,5 % erledigt werden, zu unserer großen Freude — das darf ich sagen — für viele Petenten positiv. Die noch nicht erledigten Petitionen werden entweder noch bearbeitet, oder sie befinden sich bei den Ministerien oder anderen Stellen zur Stellungnahme.
Sie werden fragen, was nun in diesen 15 500 Eingaben eigentlich alles steht. Aus vielen Briefen sprechen große Not und Verzweiflung und oft auch derGlaube, daß der Bundestag die letzte Stelle ist, die noch helfen kann. Diese SOS-Rufe, Beschwerden, Bitten und Anregungen kommen aus allen Schichten unserer Bevölkerung, aus den Kreisen der Ostvertriebenen und Fliegergeschädigten, die Wünsche an den Lastenausgleich haben, der Kriegsopfer, der Schwerbeschädigten, die durch eine Arbeit wieder nützliche Mitglieder der Gesellschaft werden möchten, der Besatzungsgeschädigten, der vielen, die auf ihre Umanerkennung warten, der Umsiedler, der alten und hilfsbedürftigen Menschen, der Rentner, auch der Strafentlassenen, die sich bemühen, einen neuen Lebensanfang zu finden, der Studenten, denen es schwer wird, ihr Studium weiterzuführen, und derjenigen, die ihre Meinung zum Verteidigungsbeitrag sagen möchten.
Außer dieser allgemeinen Übersicht finden Sie eine graphische Darstellung der Struktur der beim Ausschuß für Petitionen behandelten Eingaben. Von diesen 7700 Petitionen befassen sich 811 gleich 10,5 % mit Renten und Pensionen, 754 gleich 9,8 % mit Maßnahmen der Verwaltung, 739 gleich 9,6 % mit Wiedereinstellung und Arbeitsvermittlung bei den obersten Bundesbehörden, 685 gleich 8,9 % mit
Unterstützungs- und Kreditangelegenheiten, 462 gleich 6 % mit Soforthilfe, 428 gleich 5,6 % mit der eigenen sozialen Notlage, 381 gleich 4,9 % mit Art. 131 des Grundgesetzes, andere mit der Sozialversicherungsgesetzgebung und Arbeitslosenversicherung, mit der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts, mit der Aufwertung, mit Amnestie- und Gnadenangelegenheiten usw.
Wenn man sich diese beiden Übersichten einmal genau ansieht, findet man, daß viele Petitionen einen interessanten, aber auch für uns wichtigen Aufschluß über die öffentliche Meinung geben. Darum kann die politische und auch psychologische Bedeutung des Petitionsrechts nicht genug hervorgehoben werden. Petitionen sind „gleichsam die Strohhalme, die zeigen, wie der Wind weht", sagte schon 1875 ein bekannter Staatsrechtler. Es ist gewiß keine Übertreibung, wenn die Mitglieder des Petitionsausschusses zu der Auffassung gekommen sind, daß man aus den Eingaben oft die wirklichen Nöte und Bedürfnisse der Bürger unserer Bundesrepublik kennenlernt. Dabei darf etwas anderes nicht übersehen werden, nämlich die Erleichterung, die der Rat und Hilfe suchende Staatsbürger empfindet, wenn er weiß, daß er einmal sein Herz ausschütten kann, und sei es bei der höchsten Stelle, wie ich auch meinen möchte, daß es zu einer erhöhten politischen Aktivität führt, wenn der einzelne Bürger seine Anregung geben kann. An dieser erhöhten politischen Aktivität ist uns allen um der Demokratie willen gewiß gelegen.
Ein Wort ist noch über die Behandlung der Petitionen im Plenum dieses Hauses zu sagen. Die einzelnen Ausschüsse und so auch der Petitionsausschuß sind ein Spiegelbild des Plenums. So werden in der Regel die dem Hohen Hause vorgelegten Empfehlungen in der Form einer Übersicht angenommen werden, wobei wir darum bitten möchten, diese Übersichten künftig gedruckt herauszugeben. Wenn nun dem Plenum und der Öffentlichkeit nach der neuen Geschäftsordnung häufiger Bericht gegeben wird, dann bitten wir dies mit als einen Beweis dafür anzusehen, daß es das Bemühen der Mitglieder des Petitionsausschusses ist, dieses wichtige Grundrecht nicht verkümmern, sondern es zu einem Mittel der unmittelbaren Verbindung mit unserem Volk und somit zu einem echten und wichtigen Bindeglied zwischen Staatsbürger und Parlament werden zu lassen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin, daß sie in dieser instruktiven und eingehenden Weise uns einmal einen Überblick gegeben und damit der Gefahr vorgebeugt hat, daß wir irgendwann noch einmal wieder die Abstimmung über die Anträge des Petitionsausschusses leichtfertig hinten anhängen.
Meine Damen und Herren, sind Sie einverstanden, daß ich den Punkt 5 der Tagesordnung, den Mündlichen Bericht des Vermittlungsausschusses, vor Punkt 3 erledige? Der Berichterstatter, Herr Senator Neuenkirch, ist zeitlich sehr bedrängt, so daß es vielleicht eine Erleichterung wäre, wenn wir ihn jetzt zu Wort kommen lassen.
— Sie sind damit einverstanden. Ich rufe also Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes
zu dem Entwurf eine Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen (Nrn. 3193, 2866, 3071, 3160 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Senator Neuenkirch, Hamburg. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Neuenkirch, Senator von Hamburg, Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen den vom Deutschen Bundestag in der 194. Sitzung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 29. Februar den Vermittlungsausschuß angerufen.
Di Einwendungen des Bundesrats richten sich gegen Art. 1 Ziffer 3 a des Gesetzentwurfs, in dem die Bestimmungen über die Durchführung und die Möglichkeiten eines Härteausgleichs festgelegt sind. Der vom Bundestag beschlossene Gesetzentwurf sieht vor, daß ein Härteausgleich grundsätzlich möglich ist, daß die zuständigen obersten Landesbehörden den Bundesminister für Vertriebene über festgestellte Härten zu unterrichten haben und der Bundesminister für Vertriebene im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit durch Einzelanweisungen an die obersten Landesbehörden einen Härteausgleich anordnen kann.
Die Einwendungen des Bundesrats gegen diese Formulierung richteten sich gegen zwei Punkte: einmal gegen die Festlegung einer generellen Unterrichtungspflicht in Angelegenheiten, die schlechthin in der landeseigenen Verwaltung durchgeführt werden, und zweitens dagegen, daß hier einem einzelnen Bundesminister ein Weisungsrecht an die obersten Landesbehörden eingeräumt werden soll. Der Bundesrat ist der Auffassung, daß nach Art. 84 Abs. 5 des Grundgesetzes ein solches Weisungsrecht nur der Bundesregierung allgemein zusteht. Er hatte deshalb beantragt, dem § 3 Abs. 2 des Gesetzes nach der Novelle eine Fassung zu geben, die das Recht des Härteausgleichs den obersten Landesbehörden überträgt. Im Vermittlungsausschuß ist vom Herrn Bundesminister für Vertriebene erklärt worden, daß er nicht an eine generelle Unterrichtungspflicht gedacht habe, die im Gesetz formuliert werden solle, sondern an eine Auskunfts- und Unterrichtungspflicht, die sich aus dem Fall im einzelnen ergibt. Der Vertreter des Bundesjustizministeriums hat anerkannt, daß die staatsrechtlichen Einwände des Bundesrats berechtigt sind.
Der Vermittlungsausschuß hat nach den Erklärungen der Ministerien einstimmig beschlossen, Ihnen vorzuschlagen, die Unterrichtungspflicht aus Art. 1 Nr. 3 a zu streichen und im letzten Satz die Formulierung festzulegen, daß die Bundesregierung Einzelweisungen an die obersten Landesbehörden erteilen kann. Ich möchte Sie im Auftrag des Vermittlungsausschusses bitten, dem Gesetz in der vorgeschlagenen Form nunmehr Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird gewünscht, dazu Erklärungen abzugeben? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache Nr. 3193. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag
des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
— Darf ich bitten, sich zu entscheiden! - Also
offenbar doch. Das ist die Mehrheit. Der Antrag
des Vermittlungsausschusses ist angenommen.
Sind Sie damit einverstanden, daß wir jetzt den
nächsten Bericht des Vermittlungsausschusses —
Punkt 6 der Tagesordnung — entgegennehmen? —
Offenbar ist das der Fall. Ich rufe also auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden (Feststellungsgesetz) (Nrn. 3064, 1140, 2810, zu 2810, 2956 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Kunze.
Darf ich bitten!
Meine Damen und Herren! Zur Drucksache Nr. 3064 nur zwei Sätze in Ergänzung des schriftlich gegebenen Berichts.*) Durch die Fassungen und Änderungen ist den Forderungen des Bundesrats Rechnung getragen worden. Der Vermittlungsausschuß hat einstimmig beschlossen, Ihnen die heutige Vorlage zu unterbreiten und Sie zu bitten, sie anzunehmen.
Herr Abgeordneter Nöll von der Nahmer wünscht eine Erklärung abzugeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei wird dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zustimmen. Die Fraktion hält es aber für notwendig, gegenüber der Öffentlichkeit in einer besonderen Er klär u n g zu dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses und zu den Vorgängen, die diesen Vorschlag des Vermittlungsausschusses veranlaßt haben, nochmals Stellung zu nehmen. Ich darf, Herr Präsident, die Erklärung meiner Fraktion verlesen:
1. Die FDP-Fraktion gibt ihrem lebhaften Bedauern darüber Ausdruck, daß das Inkrafttreten des am 13. Dezember 1951 vom Bundestag in dritter Lesung beschlossenen Feststellungsgesetzes, das der Bundesrat am 20. Dezember behandelte, nunmehr durch die durch den Bundesrat veranlaßte Anrufung des Vermittlungsausschusses erst mit einer mehrmonatigen Verzögerung in Kraft treten kann. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses war die zwangsläufige Folge der Ablehnung der für die Durchführung des Feststellungsgesetzes notwendigen Verfassungsänderung durch die Regierungen der Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden und Württemberg-Hohenzollern und die Senate von Bremen und Hamburg. Die FDP-Fraktion legt anläßlich der Beschlußfassung über den Bericht des Vermittlungsausschusses Wert auf die Feststellung, daß diese Länderregierungen und Senate die Verantwortung für das verzögerte Inkrafttreten des Feststellungsgesetzes vor der Millionenmasse der Heimatvertriebenen und Kriegssachgeschädigten tragen.
2. Wie sich aus der Mitteilung des Präsidenten des Bundesrates an den Bundeskanzler vom 20. Dezember 1951 — Bundestagsdrucksache Nr. 2957 — ergibt, haben die genannten Länder-
*) Schriftlicher 'Bericht siehe Anlage 1 Seite 8628.
regierungen das Zustandekommen der notwendigen Verfassungsänderung in der irrigen Annahme verhindert, „daß zur Zeit eine Änderung des Grundgesetzes nicht erforderlich sei, weil die Gestaltung des Lastenausgleichs sich noch nicht übersehen lasse." Es ist schwer verständlich, daß eine derart irrige Auffassung im Bundesrat vertreten werden konnte angesichts der in voller Öffentlichkeit geführten Verhandlungen des Bundestags über die Notwendigkeit der Verfassungsänderung zur Ermöglichung der Verabschiedung des Feststellungsgesetzes. Im übrigen wird in der Begründung der Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat — Bundestagsdrucksache Nr. 2956, Ziffer 4 — vom Bundesrat selbst zugegeben, daß die Verfassungsänderung für das vom Bundestag beschlossene Feststellungsgesetz notwendig war.
3. Um die durch den Bundesrat geschaffenen Schwierigkeiten zu überwinden, hat das Feststellungsgesetz nunmehr eine Fassung erhalten, die wenig zweckmäßig ist. Die FDP-Fraktion nimmt nur mit schweren Bedenken die Vorschläge des Vermittlungsausschusses an, weil kein anderer Ausweg mehr besteht, das Feststellungsverfahren so rasch wie möglich in Gang zu bringen. Sie behält sich aber vor, nötigenfalls bei der Beratung des Lastenausgleichsgesetzes entsprechende Änderungsanträge zu stellen, um die ursprüngliche, bessere Form des Feststellungsgesetzes wiederherzustellen, und zwar in der Erwartung, daß die Länderregierungen, die am 20. Dezember die Verfassungsänderung abgelehnt haben, in der Zwischenzeit hinsichtlich der Verfassungsfrage zu einer andern Haltung kommen werden.
Zu einer weiteren Erklärung wünscht Herr Abgeordneter Seuffert das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion habe ich folgende Erklärung abzugeben:
Die sozialdemokratische Fraktion hat bei der Beratung des sogenannten Feststellungsgesetzes stets ihre Zweifel an der Zweckmäßigkeit der Verabschiedung eines bloßen Feststellungsgesetzes für den Lastenausgleich zum Ausdruck gebracht, bevor über das mögliche Ausmaß der auf die Feststellung folgenden Leistungen genügend Klarheit geschaffen ist, insbesondere die hierfür erforderlichen Mittel gesichert sind. Sie hat sich deswegen seinerzeit bei der Abstimmung über dieses Gesetz der Stimme enthalten.
Der weitere Verlauf der Beratungen hat diese Zweifel nur bestärkt; denn inzwischen hat sich bereits eine so große Anzahl von Änderungen des Gesetzes in entscheidenden Punkten als notwendig erwiesen, daß ohne deren Verabschiedung mit der Durchführung des Gesetzes nicht einmal begonnen werden kann. Die Ablehnung unseres Antrags zur Tagesordnung hat es unmöglich gemacht, diese Fragen vor der heutigen Beschlußfassung einer sachlichen Lösung zuzuführen.
Der Bericht des Vermittlungsausschusses hat uns nicht überzeugen können, daß die verwaltungsmäßige Durchführung des Gesetzes im Verhältnis zwischen Bund und Ländern wirklich gesichert ist. Der Vorschlag des Ausschusses berücksichtigt keine der von unserer Fraktion bei der Gesetzesberatung vertretenen Forderungen der Geschädigten und beläßt es dabei, daß das Gesetz ein lückenhaftes Anmeldegesetz bleibt, das sogar als solches noch
nicht durchführbar sein wird. Der Vorschlag trägt ferner der vom Bundesrat und der sozialdemokratischen Fraktion erhobenen Forderung keine Rechnung, daß die Kosten des Gesetzes eindeutig vom Bund übernommen werden. Er verschlechtert für die Gemeinden sogar die Lage gegenüber der ursprünglichen Fassung. Wir sehen uns deswegen nicht in der Lage, dem Vorschlag zuzustimmen, weil dieser keine wirkliche Grundlage dafür gibt, mit dem Lastenausgleich ernsthaft zu beginnen.
Meine Damen und Herren, weitere Erklärungen werden nicht abgegeben. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses, Drucksache Nr. 3064. Ich bitte die Damen und Herren, die ihm zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag des Vermittlungsausschusses ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich darf vorschlagen, daß Sie auch Herrn Innenminister Dr. Schühly als Berichterstatter zu Punkt 4 die Freundlichkeit erweisen, diesen Punkt vorzuziehen. Wir kommen also zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (Nrn. 3192, 2573, 3043, 3159 der Drucksachen).
Bitte schön!
Dr. Schühly, Minister des Innern des Landes Baden, Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf über die Ausübung der Zahnheilkunde wurde von der Bundesregierung am 30. Juni 1951 dem Bundesrat vorgelegt, der in der Sitzung vom 20. Juli 1951 eine Reihe von Änderungen vorgeschlagen hat. In seiner Sitzung vom 14. Februar 1952 hat dieses Hohe Haus, der Bundestag, das Gesetz angenommen, wobei aber den Anregungen des Bundesrats nur teilweise entsprochen wurde. Im Rücklaufverfahren hat der Bundesrat in seiner 79. Sitzung vom 29. Februar 1952 beschlossen, wegen dreier Punkte den Vermittlungsausschuß anzurufen. Es handelt sich dabei nicht um Fragen, die mit dem sachlichen Inhalt des Gesetzes zusammenhängen, sondern um Fragen verfassungsrechtlicher Art. Zunächst um die Klarstellung, daß die im Gesetz vorgesehenen Rechtsverordnungen gemäß Art. 80 Abs. 2 des Grundgesetzes der Zustimmung des Bundesrats bedürfen. Sodann ging es um die Frage, in welcher Weise das in den §§ 6 und 13 des Gesetzes vorgesehene Mitwirkungs- bzw. Weisungsrecht der Bundesregierung ausgeübt werden soll. Durch die vom Bundesrat vorgeschlagene negative Fassung würde das Verfahren insofern erleichtert werden, als die Bundesregierung nicht in jedem der in Betracht kommenden Fälle einen ausdrücklichen Beschluß zu fassen brauchte. Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 14. März 1952 auf den Standpunkt gestellt, daß diesen Vorschlägen des Bundesrats entsprochen werden möge. Er hat demgemäß den Ihnen in der Drucksache Nr. 3192 vorliegenden Beschluß gefaßt, wonach erstens in den unter Ziffer 1 genannten Paragraphen die Worte „mit Zustimmung des Bundesrates" beigefügt und zweitens die §§ 6 und 13 die in der Drucksache Nr. 3192 unter den Ziffern 2 und 3 angeführten neuen Fassungen erhalten sollen. Diese Beschlüsse stehen unter sich in einem sachlichen Zusammenhang, so daß der Vermittlungsausschuß weiter beschlossen hat, sie nur einheitlich zur Abstimmung zu stellen. Namens des Vermittlungsausschusses habe ich die Ehre, Sie zu bitten, diesen Empfehlungen zu entsprechen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Es wird nicht gewünscht, Erklärungen abzugeben.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. 3192. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 3 des Tagesordnung: Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, FU , DP betreffend die von den Besatzungsmächten in der Bundesrepublik beschlagnahmten Filmtheater (Nr. 3028 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Herr Abgeordneter Muckermann begründet die Große Anfrage. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Muckermann , Anfragender: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die große Ehre, eine Große Anfrage zu begründen, die sich alle Fraktionen dieses Hohen Hauses zu eigen gemacht haben. Wie ist es zu dieser Anfrage gekommen? Seit Wochen und Monaten wird eine Reihe von Kollegen dieses Hohen Hauses auf Mißstände aufmerksam gemacht, die sich bei der Beschlagnahme von deutschem Lichtspieltheaterraum seit Jahren ergeben haben und noch weiterhin ergeben. Diese Kollegen haben sich zusammengesetzt, Material gesammelt und dann die einzelnen Fraktionen gebeten, diese Anfrage zu unterzeichnen, was dann auch geschehen ist.
Die Theaterbesitzer haben sich seit Monaten und Jahren bemüht. Ich möchte nur ein Beispiel herausheben. In einer Stadt Nordrhein-Westfalens sind im Laufe der letzten vier Jahre 24 Anträge gestellt worden. Diese Anträge sind vom Bundespräsidenten, Bundeskanzler, von der Dienststelle Blank bis zu sämtlichen Stellen der Besatzungsmacht gegangen. Alle Anträge sind abschlägig beschieden oder überhaupt nicht beantwortet worden. Als in diesen Tagen bekannt wurde, daß sich der Bundestag mit dieser Frage beschäftigen wird, machte in einer Stadt, deren Namen ich nicht nennen will, ein leitender Kommunalbeamter folgende Äußerung: „Was sitzen im Bundestag doch für komische Leute, die sich mit einem solchen Fall beschäftigen und gegen die Veranstaltung der Besatzungstruppen eingestellt sind!"
Meine Damen und Herren, komische Leute sind wir nicht, aber wir sind so verantwortungsbewußt, daß wir uns die Sorgen der Öffentlichkeit und eines bestimmten Berufsstandes im Dienst der Öffentlichkeit zu eigen machen.
Diese Äußerung wird uns bei aller Achtung der Selbstverwaltung nicht hindern, derartige Fragen hier zu behandeln. Denn letzten Endes sind ja die Kommunen die Nutznießer, da sie die Lustbarkeitssteuer einziehen.
Der Sinn dieser Anfrage ist nicht, eine Debatte über Wert oder Unwert von Lichtspieltheatern zu veranstalten, sondern der Sinn ist, eine ganz nüchterne volkswirtschaftliche Feststellung zu treffen. Im Jahre 1951 wurden in der Deutschen Bundesrepublik die Lichtspieltheater von rund 500 Millionen Menschen besucht.
Sie haben einen Obulus von ebenfalls rund 500 Millionen DM dafür entrichtet. Diese Ziffern sind immerhin volkswirtschaftlich sehr interessant und beachtlich.
Das ganze Problem gehört zu der Frage Besatzungskosten und Besatzungslasten. Ich darf Sie an unsere Debatte in der 189. Sitzung am 6. Februar dieses Jahres erinnern, in der einige Abgeordnete zu diesen Fragen der Besatzungslasten grundlegend Stellung genommen haben. Ich darf Ihnen die Worte des Abgeordneten Wacker ins Gedächtnis zurückrufen, die beginnen „Von sämtlichen Gewerbezweigen ist durch die Inanspruchnahme von Räumen ..." — er erwähnt in diesem Zusammenhang auch das Wort Lichtspieltheater — und den Hinweis enthalten, welcher große Schaden der deutschen Volkswirtschaft durch die Beschlagnahmen zugefügt worden ist. Ferner darf ich an seine Feststellung erinnern, daß die beschlagnahmten Räume meist gewerbliche Räume sind. Herr Wacker fuhr dann fort:
Insbesondere wird als untragbar bezeichnet .. . die Beschlagnahme von Lichstpieltheatern, die bei 1000 Sitzen mit 15 bis 20 Personen je Vorstellung besetzt sind. Mit vielen sonstigen beschlagnahmten Einrichtungen verhält es sich ähnlich. Zu diesem Punkt hat der Finanzminister bereits am 17. August 1951 den Hohen Kommissaren ein Memorandum überreicht, in dem er Vorschläge für die planmäßige Freigabe der beschlagnahmten Räume angeführt hat. Dieses Memorandum ist als Anlage 2 der Drucksache Nr. 2824 beigefügt.
Ich werde im Verlauf meiner Begründung auf dieses Memorandum noch einzugehen haben.
Auch der Abgeordnete Bausch hat damals grundsätzliche Erklärungen im gleichen Sinne abgegeben. Der Abgeordnete Ritzel hat gesagt:
Wir glauben, daß es an der Zeit ist, daß man nunmehr, nachdem das deutsche Volk auf anderen Gebieten heftig umworben wird, dem deutschen Volk auch auf diesem Gebiete einer ungerechtfertigten Belastung endlich einmal jene Gerechtigkeit angedeihen läßt, auf die es einen moralischen, einen politischen und einen menschlichen Anspruch erhebt und hat.
Damit war damals in dieser Sitzung bereits das Stichwort gefallen. Wir haben uns dieser Frage angenommen, weil hier offensichtlich ein Unrecht vorliegt und weil wir Gerechtigkeit wünschen. Wie sieht es nun im einzelnen auf diesem Gebiet aus? In der Deutschen Bundesrepublik sind im Laufe der letzten 61/2 bis 7 Jahre 243 Lichtspieltheater von der Beschlagnahme in irgendeiner Form betroffen, d. h. 7 bis 8 % des Raums der täglich spielenden Lichtspieltheater. Selbstverständlich variiert diese Ziffer je nach der Gegend. Sie ist auch in den einzelnen Besatzungszonen unterschiedlich. Unterschiede liegen auch in einzelnen Städten vor und sind auch in bezug auf die Art der Beschlagnahme gegeben. Wir verzeichnen im wesentlichen voll beschlagnahmte Theater, d. h. Theater, die nun seit 61/2 Jahren ihrem Besitzer
entzogen sind. In der amerikanischen Zone sind, wie kürzlich in einer Presseverlautbarung bekannt wurde, 30 Lichtspieltheater freigegeben worden. Eine besondere Gefahrenzone ist Westfalen-Ost, weil hier der Kasernenneubau in stärkerem Maße betrieben wird. Man müßte also auch bei den Beratungen des Generalvertrags und des Verteidigungsbeitrags wie in den Annexverträgen dieses Problem der Truppenbetreuung in Lichtspieltheatern usw. behandeln.
Welche Schäden sind denn nun den einzelnen und der deutschen Volkswirtschaft entstanden? Ich möchte nur einige Fälle herausgreifen, und zwar solche, wo Theaterbesitzer nun 61/2 bis 7 Jahre überhaupt nicht mehr über ihr Haus verfügen können. Inzwischen baute ein Konkurrent ein neues Theater, und bis der alte Theaterbesitzer, der nicht mehr verfügen kann, vielleicht nach Monaten oder Jahren wieder sein Gewerbe ausüben kann, ist bereits die Konkurrenz groß geworden. Er wird nicht mehr imstande sein, seinem alten Gewerbezweig nachzugehen. Das heißt also, die Kriegslasten sind in diesem Fall in einer Stadt auf eine Schulter geladen worden. Das ist eine Ungerechtigkeit. Vielfach hat man einen Turnus gefunden. Jedenfalls müssen Maßnahmen getroffen werden, um hier eine Verteilung auf breitere Schultern zu ermöglichen.
Der zweite Schaden ist ein Schaden für unsere gesamte deutsche Filmwirtschaft, und zwar liegt er in der Terminierung. Wir beraten seit längerer Zeit in einem Ausschuß dieses Hauses das neue Quotagesetz. Dieses Quotagesetz sieht vor, daß dem deutschen Lichtspielmarkt neue Termine in den Theatern erschlossen werden. Andererseits werden nun durch die Beschlagnahme von Filmtheaterraum der deutschen Filmproduktion eine ganze Menge Terminierungsmöglichkeiten entzogen.
Bei dem dritten Schaden handelt es sich um das Gebiet der eigentlichen Entschädigung. Es ist anzustreben, daß eine bundeseinheitliche Entschädigung Platz greift. Die Entschädigung in den einzelnen Ländern ist außerordentlich verschieden und sehr kompliziert. Es sollte möglich sein, bei der Behandlung dieses Problems auch eine bundeseinheitliche Entschädigung durchzusetzen.
Der vierte Schaden besteht darin, daß überall Neubauten entstehen. Bei diesen Neubauten geht es darum, ein harmonisches Verhältnis zum Gesamtproblem zu erreichen.
Nun möchte ich auf das Pressekommuniqué zurückkommen, das ich bereits erwähnt habe. Dieses Kommuniqué ist den Mitgliedern des Hauses zugegangen. Es enthält ein Schreiben des Amtes des amerikanischen Hohen Kommissars vom 21. Januar 1952. In diesem Kommuniqué wird die Freigabe von 30 Lichtspieltheatern erwähnt, und im letzten Satz des Kommuniqués heißt es:
Wir möchten Ihnen ferner mitteilen, daß gegenwärtig Beamte der Vermögenskontrolle von EUCOM Headquarter die Überprüfung der requirierten deutschen Grundstücke fortsetzen mit dem Ziel, die Grundstücke freizugeben, die nicht für den Bedarf der amerikanischen Streitkräfte bei der Durchführung ihrer Aufgaben als Sicherheitsstreitmacht innerhalb des amerikanischen Verantwortungsbereichs in Deutschland benötigt werden.
Wir möchten wünschen, daß sich dieses Kommuniqué auch auf die übrigen Besatzungsbereiche —
den britischen und den französischen Sektor — auswirkt.
Was aber bedeutet jetzt der „Bedarf der amerikanischen Streitkräfte bei der Durchführung ihrer Aufgaben als Sicherheitsstreitmacht?" Wir möchten hier zwischen der sogenannten militärischen Truppenbetreuung und einem mehr zivilen Unterhaltungsbedürfnis unterscheiden. Ich möchte ausdrücklich betonen — und ich glaube, auch im Sinne sämtlicher Fraktionen sprechen zu dürfen —, daß niemand den Besatzungstruppen die Berechtigung abspricht, für ihre Soldaten Unterhaltung, Belehrung und Bildung durch den Film zu bieten. Das halten wir für ganz selbstverständlich. Es muß aber eine Form gefunden werden, in der der zivile deutsche volkswirtschaftliche Sektor nicht zu Lasten des rein militärischen Sektors in zu starkem Maße überbeansprucht wird.
In der öffentlichen Meinung, die sich in der Presse der Bundesrepublik schon vielfach widergespiegelt hat, besteht folgende Auffassung. Ich gestatte mir, mit gütiger Erlaubnis des Herrn Präsidenten einige wenige Sätze aus der Presse der Bundesrepublik zu zitieren.
Es bleibt abzuwarten,
— heißt es in einem Falle —
ob die britischen Militärbehörden am 1. Februar tatsächlich zu einer gewaltsamen Räumung dieses Theaters übergehen werden angesichts der freundschaftlichen Verhandlungen, die die Bundesregierung mit den Alliierten führt.
Gleichberechtigung, von der ständig viel geredet wird, fängt im Kleinen an. Es ist an sich schon zu bedauern, daß diese Zeilen geschrieben werden müssen, aber die tragische Lage des Besitzers und das für die Bürgerschaft unverständliche Verhalten der in Frage kommenden Behörden fordern dazu heraus.
Eine andere Zeitung schreibt:
Die Frage, die man sich unwillkürlich in diesem Zusammenhang stellt, ob nämlich eine Aktion sieben Jahre nach Kriegsende im Interesse des Europagedankens und des deutschen Wehrbeitrags nicht als zumindest verfehlt bezeichnet werden muß, bleibt unbeantwortet. Fest steht, daß diese außerordentliche finanzielle Belastung eines einzelnen das Maß des Erträglichen überschreitet. Dieser Meinung sind übrigens auch verschiedene Mitglieder des nordrhein-westfälischen Landtags, die zugesagt haben, mit diesem Präzedenzfall eine Reihe ähnlich gelagerter Fälle aufzurollen. Es bleibt der Wunsch, daß diesem Bemühen Erfolg beschieden sein möge.
Und noch eine dritte Stimme:
Auf der großen europäischen Ebene gesteht man uns unter Voraussetzung eines angemessenen Abwehrbeitrags die volle Gleichberechtigung zu. Auf der kleinen Ebene eines städtischen Gemeinwesens setzt man sich rücksichtslos über den primitivsten Respekt vor Privateigentum hinweg. Wir dürfen die verantwortlichen Stellen daran erinnern, daß sich im Verhältnis Sieger-Besiegte seit der bedingungslosen deutschen Kapitulation einiges geändert hat.
Das ist nur eine kleine Blütenlese, wie die öffentliche Meinung in der deutschen Bundesrepublik diese Frage beurteilt.
Zum Schluß muß ich noch einmal auf das Memorandum eingehen, das der Herr Bundesfinanzminister am 17. August 1951 als Anlage 2 zur Drucksache Nr. 2924 über die planmäßige Freigabe von requirierten Wohn- und gewerblichen Gebäuden überreicht hat. In diesem Memorandum steht folgender Satz von grundsätzlicher Bedeutung:
Die Überprüfung des gesamten requirierten Wohnraums und gewerblichen Raums zum Zwecke einer rationellen Ausnutzung durch gemischte Kommissionen soll angestrebt werden. — Dann heißt es:
Grundsätzlich völlig gleich
— wie beim Wohnraum —
liegen die Verhältnisse bei dem altrequirierten gewerblichen Raum.
Dieses Memorandum, meine Damen und Herren, bietet eine Handhabe, wie wir dem Problem zu Leibe rücken können. Es ist von dem Bundesfinanzminister damals vorgeschlagen worden:
Die Gemeinsamkeit der Anstrengungen zur Erreichung des Zieles einer möglichst weitgehenden Vollfreigabe oder wenigstens Teilfreigabe requirierten Raumes würde nicht nur einen sichtbaren Ausdruck erhalten, sondern auch nach den in einigen Fällen gemachten Erfahrungen — Bremen und Herford — äußerst fruchtbar gestaltet werden können, wenn in allen alliierten Standorten des Bundesgebiets alliierte-deutsche Ausschüsse zur gemeinsamen Überprüfung der Freigabemöglichkeiten eingesetzt werden würden.
Diese Ausschüsse würden gleichzeitig bei der Beseitigung kleinerer Meinungsverschiedenheiten ... sehr nützlich wirken können.
Es wird weiter ausgeführt, daß auf deutscher Seite den Ausschüssen Vertreter der für diese Frage zuständigen Stellen angehören müßten.
Ich nehme an, daß die Fraktionen des Hohen Hauses den Wunsch haben, nach der Antwort der Regierung noch in einer kurzen Aussprache zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Ich glaube, daß sich dann auf Grund dieses Memorandums ein konkreter Vorschlag ergibt.
Ich möchte Sie bitten, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Problem nicht nur als ein kleines Randproblem zu betrachten. Auf Grund meiner Ausführungen werden Sie wohl die Erkenntnis bekommen haben, daß es sich um ein wichtigeres volkswirtschaftliches Problem handelt, als es auf den ersten Blick erscheint. Ich bitte Sie, die Bestrebungen zu unterstützen, damit wir auch auf diesem Gebiet Gerechtigkeit erzielen.
Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat das Wort der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, FU und DP vom 23. Januar 1952 nehme ich im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt — „Der Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen" — und dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft sowie dem Herrn Bundesminister des Innern wie folgt Stellung.
Nach einer Verlautbarung der Arbeitsgemeinschaft der Filmindustrie werden im Gebiet der Bundesrepublik nach dem Stand vom 1. Januar 1952 insgesamt 4547 ortsfeste Filmtheater unterhalten. Darüber hinaus waren am gleichen Stichtag 1457 Mitspielstellen und 3622 Spielstellen von Wanderkinobetrieben vorhanden.
Nach Mitteilung der Herren Länderfinanzminister sind zur Zeit von den Besatzungsmächten 22 Filmtheater voll requiriert, 39 Filmtheater für bestimmte Wochentage requiriert, 72 Filmtheater für bestimmte Vorstellungen requiriert, also insgesamt 133 Filmtheater. Darüber hinaus werden in der französischen Zone eine Anzahl Filmtheater auf Grund von Vereinbarungen zwischen den französischen Besatzungsdienststellen und den Inhabern dieser Betriebe für bestimmte Vorstellungen in Anspruch genommen. Von den erwähnten 133 requirierten Filmtheatern liegen 76 in der britischen, 21 in der amerikanischen und 36 in der französischen Zone.
Im einzelnen wird zu der Angelegenheit folgendes bemerkt. Zu Nr. 1 der Anfrage, die lautet: Welche Schritte hat sie
— die Bundesregierung —
bisher unternommen, um
a) die Freigabe dieser Theater zu bewirken oder
b) durch ein sinngemäßes System des Wechsels zwischen Vorführungen für Deutsche und Besatzungsangehörige Härten zu vermeiden?
Wie mir die Herren Länderfinanzminister mitgeteilt haben, sind in den Jahren 1945 bis 1952 schon insgesamt 201 Filmtheater aus der Requisition freigegeben worden, und zwar im Jahre 1945 20, 1946 65, 1947 19, 1948 38, 1949 20, 1950 21, 1951 16 und im Jahre 1952 in den vergangenen zwei Monaten zwei Theater. Diese Aufzählung ist nicht vollständig, da einige Länder genaues Zahlenmaterial über die Freigabe von Filmtheatern in den ersten Jahren der Besetzung wegen der Kürze der für die Erhebungen zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermitteln konnten.
Die Freigabe von Filmtheatern ist teilweise auf Vorstellungen der deutschen Seite zurückzuführen. Es haben sich insbesondere die Herren Länderfinanzminister bzw. Finanzsenatoren und deren nachgeordnete Behörden der Besatzungslastenverwaltung, denen die Durchführung der Verwaltungsaufgaben auf dem Gebiet der Besatzungslasten obliegt, bei den zuständigen Dienststellen der Besatzungsmächte nachdrücklichst für die Freigabe requirierter Filmtheater verwendet und auch, wie die vorgenannten Zahlen beweisen, in vielen Fällen Erfolg gehabt. Darüber hinaus haben die Herren Finanzminister der Länder den Besatzungsdienststellen zahlreiche Anträge im Sinne der Anfrage — Freigabe oder Wechsel — unterbreitet.
Die Bundesregierung ist der Meinung, daß eine befriedigende Lösung auf dem Gebiete der Inanspruchnahme von Filmtheatern durch die Besatzungsmächte am besten durch Verhandlungen auf örtlicher Ebene erzielt werden kann. Es läßt sich insbesondere die Festlegung eines „Systems des Wechsels zwischen Vorführungen für Deutsche und Besatzungsangehörige" nur nach Besprechungen von deutsch-alliierten Ausschüssen auf der Ebene der Stadt- und Landkreise unter Hinzuziehung der jeweils zuständigen Vertretungsorgane der Filmtheater ermöglichen. Für derartige Vereinbarungen sind insbesondere die örtlichen Verhältnisse hinsichtlich der Truppenstärke, der Zahl der Familienangehörigen, der deutschen Einwohnerzahl, der vorhandenen Filmtheater und der zur Verfügung stehenden Sitzplätze in diesen Filmtheatern von ausschlaggebender Bedeutung.
Unabhängig davon hat das Bundesministerium der Finanzen die Frage der Freigabe von gewerblichen Betrieben in seinem grundsätzlichen Memorandum vom 17. August 1951 nachdrücklich angeschnitten und den alliierten Dienststellen den Vorschlag unterbreitet, gemischte deutsch-alliierte Ausschüsse zur gemeinsamen Überprüfung der requirierten Wohn- und gewerblichen Gebäude einzusetzen. Wegen der Einzelheiten darf ich auf die Anlage 2 der Bundestagsdrucksache Nr. 2824 verweisen.
Ich darf bemerken, daß die Verhandlungen derzeit zwischen Bundesregierung und Besatzungsmächten sich in erster Linie natürlich um die volle Ablösung des Besatzungsstatuts und um die volle Aufhebung des Requisitionsrechtes drehen; aber incidenter sind diese Fragen mit enthalten.
Das Bundesministerium der Finanzen wird bei der bevorstehenden Besprechung über das Memorandum vom 17. August 1951 und bei den Besprechungen über Einsparungsmöglichkeiten im Besatzungslastenhaushalt in erster Linie darauf hinwirken, daß das bisherige Verfahren der Requisition von Filmtheatern aufgegeben wird und statt dessen die Filmtheater im Wege vertraglicher Vereinbarungen mit den Theaterbesitzern den Besatzungsmächten in dem notwendigen Umfang für bestimmte Vorstellungen zur Verfügung gestellt werden. Sollte sich dieses Ergebnis nicht oder nicht in allen Fällen erreichen lassen, so wird das Bundesfinanzministerium verlangen, daß zum mindesten
a) die einzelnen Requisitionsfälle durch deutschalliierte Ausschüsse unter besonderer Berücksichtigung des Grades der Ausnutzung der Filmtheater auf die Notwendigkeit einer Inanspruchnahme und ihren Umfang geprüft werden,
b) Vollrequisitionen von Filmtheatern aufgehoben werden,
c) bei Teilrequisitionen die Anzahl der Vorstellungen so herabgesetzt wird, daß eine ausreichende Nutzung der vorhandenen Plätze gewährleistet ist,
d) ein ständiger Wechsel hinsichtlich der zeitweiligen Inanspruchnahme von Filmtheatern erfolgt, soweit dies die örtlichen Verhältnisse ermöglichen,
e) die Vorstellungen für die Angehörigen der Besatzungsmächte zeitlich so gelegt werden, daß eine Benachteiligung des deutschen Publikums und finanzielle Einbußen für den Filmtheaterbesitzer vermieden werden,
f) die Filmvorführungen nicht von den Besatzungsmächten, sondern von dem jeweiligen Besitzer des Filmtheaters selbst ausgeführt werden.
Zu Nr. 2 der Anfrage:
,,Hat die Bundesregierung Verhandlungen mit dem Ziel eingeleitet, den gemeinsamen Besuch von Lichtspieltheatern durch Deutsche und Besatzungsangehörige zu ermöglichen, wie das im französischen Besatzungsgebiet bereits angebahnt ist?"
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß sich ein gemeinsamer Besuch von Kinovorstellungen durch Deutsche und Angehörige der Besatzungsmächte in der Praxis kaum verwirklichen läßt. Ganz abgesehen davon, daß hinsichtlich der Art der Filme und des Beiprogramms sehr voneinander abweichende Wünsche von den Angehörigen der Besatzungsstreitkräfte einerseits und der deutschen Bevölkerung andererseits gestellt würden, dürfte ein solcher Plan schon wegen der Verschiedenheit der Sprachen undurchführbar sein. Die Angehörigen der Besatzungsdienststellen wollen aus verständlichen Gründen nur Filme in ihrer Landessprache sehen. Das Interesse deutscher Besucher an derartigen Filmvorführungen dürfte — zumindest an Orten mit mehreren Filmtheatern — gering sein.
Zu Nr. 3 der Anfrage:
„Hat die Bundesregierung bereits Schritte unternommen, um in Verbindung mit diesem Problem die Frage der Kinoneubauten in den betroffenen Gemeinden entsprechend zu überprüfen?"
Die Besatzungsmächte haben bereits in vielen Fällen Kinos aus Mitteln des alliierten Besatzungskosten- und Auftragsausgabenhaushalts insbesondere innerhalb von Kasernen und sonstigen militärischen Anlagen errichtet. So sind z. B. in der britischen Zone zwölf Kinos in Nordrhein-Westfalen, vier in Niedersachsen, vier in Hamburg und eines in Schleswig-Holstein gebaut worden. Auch in der amerikanischen Zone sind in erheblichem Umfang Kinobauten für die Angehörigen der US-Besatzungsmacht mit Mitteln des alliierten Haushalts errichtet worden. Das ist schon daraus zu entnehmen, daß auf die US-Zone nur 21 von insgesamt 133 requirierten Filmtheatern entfallen.
Außer den Kinobauten sind von den Besatzungsmächten auch Spielmöglichkeiten in Unterrichts- und Vortragssälen geschaffen worden.
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob und in welchem Umfang weitere Kinos von den Besatzungsmächten mit Mitteln des alliierten Besatzungskosten- und Auf tragsausgabenhaushalts im Jahre 1952 errichtet werden, die möglicherweise Freigaben von jetzt noch unter Requisition stehenden Filmtheatern zur Folge haben werden. Es ist jedoch anzunehmen, daß, wenn solche Bauvorhaben überhaupt noch durchgeführt werden, diese Kinobauten höchstwahrscheinlich an den mit Truppen besonders stark belegten Orten errichtet werden, um Neuinanspruchnahmen von deutschen Filmtheatern zu vermeiden. Es darf in diesem Zusammenhang bemerkt werden, daß sich Inanspruchnahmen von deutschen Filmtheatern im Zusammenhang mit den etwa ab Oktober 1950 beginnenden Truppenverstärkungsmaßnahmen fast in allen Fällen haben vermeiden lassen.
Die Erstellung von Filmtheatern für Besatzungsdienststellen mit Mitteln des Einzelplans XXVII könnte — wenn überhaupt — nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen einer besonderen Härte in Erwägung gezogen werden.
Meine Damen und Herren, ich darf unterstellen, daß eine Besprechung gewünscht wird. — Das ist der Fall.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobs im Rahmen der Redezeit von 90 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Muckermann hat für die antragstellenden Fraktionen bereits eine detaillierte Begründung gegeben und darauf hingewiesen, daß diese Große Anfrage eine Anzahl von Teilfragen beinhaltet, die von großer Bedeutung sind. Der Versuch des Herrn Finanzministers in dem ersten Teil seiner Ausführungen, die Angelegenheit dadurch gewissermaßen zu verniedlichen, daß er sich bemüht hat, den Prozentsatz der heute noch beschlagnahmten Theater im Verhältnis zu der Gesamtheit der Kinos herauszustellen, geht doch an dem vorbei, was in den zweihundert Sitzungen unseres Bundestages schon so oft Gegenstand berechtigter Klage und Kritik gewesen ist. Ich bin durchaus bereit, zuzugeben, Herr Finanzminister, daß Sie in dem weiteren Teil Ihrer Ausführungen die Möglichkeiten der praktischen Lösung der hiermit angeschnittenen Fragen behandelt haben, wenn ich auch zu meinem Bedauern sagen muß, daß ich nicht alles verstanden habe, da Ihr zweifellos sehr kultiviertes Organ den schlechten akustischen Bedingungen dieses Raumes nicht immer Rechnung trägt.
Um was geht es, soweit dazu überhaupt noch etwas zu sagen ist und soweit nicht der Kollege Muckermann schon darauf hingewiesen hat? Es geht darum, daß immer noch nicht mit einer Verwaltungspraxis der Besatzungsmächte gebrochen wird, von der wir angenommen haben, daß sie allmählich, auch im Hinblick auf die Entwicklung der gesamtpolitischen Situation, doch der Geschichte angehören dürfte.
Ja, es ist weiter darauf hinzuweisen, daß diese Maßnahmen sich nicht nur nicht in einem allmählichen Ausklingen befinden — obwohl man bei Unrecht eigentlich nicht von einem allmählichen Ausklingen sprechen sollte, sondern im Augenblick der Erkenntnis dieses Unrechts möglichst sofort den Tatbestand ändern sollte —, sondern daß in der letzten Zeit sogar zusätzliche Beschlagnahmungen von Kinos erfolgt sind.
Herr Kollege Muckermann und ich haben die Gelegenheit wahrgenommen, einer Einladung an einer Protestversammlung derjenigen Besitzer von Kinos, deren Kinotheater durch die Besatzungsmacht beschlagnahmt sind, Folge zu leisten. Das war am 18. Dezember des vergangenen Jahres. Bei dieser Veranstaltung und bei den unsererseits gemachten Zusagen, den Kinobesitzern bei der Verfolgung ihrer Interessen behilflich zu sein, sind wir von der selbstverständlichen Voraussetzung ausgegangen, daß 'die bereits bestehenden Beschlagnahmungen möglichst schnell gegenstandslos gemacht werden. Statt dessen stellen wir fest, daß in der Zwischenzeit keine Aufhebungen von Beschlagnahmungen erfolgt sind, sondern, wie vielerorts bemerkbar, erneut Beschlagnahmeverfügungen ausgesprochen wurden. Diese erneuten Beschlagnahmungen stehen sicherlich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Bedürfnissen für die gewachsene Zahl von Truppen und mit gewissen Standortverschiebungen, ohne daß das nach unserer Auffassung den jeweiligen Besatzungsdienststellen das Recht geben kann, weiterhin nach dem bisherigen Schema der einfachen Beschlagnahmung zu verfahren.
Bedauerlich ist — das möchte ich gerade im Hinblick auf sonst sicherlich nicht schlechte Erfahrungen sagen, die ich in der Vergangenheit persönlich gemacht habe —, daß Grund zur Klage hauptsächlich im Gebiet der englisch besetzten Zone gegeben
ist. Gerade in der englisch besetzten Zone sind Beschlagnahmungen von Theatern in einem Umfang ausgesprochen worden, wie sie in den beiden anderen Zonen, insbesondere in der französisch besetzten Zone, nicht zu verzeichnen sind. Hier zeigt sich mit aller Deutlichkeit, daß, ein bißchen guter Wille vorausgesetzt, die Fragen sich auch im beiderseitigen Interesse lösen lassen, da keiner von uns irgendwie annimmt, daß nicht speziell der Soldatenstand, egal, welcher Nationalität er ist, auf dem Gebiet der filmischen Betreuung einen sehr hohen Anspruch zu stellen hat. Dieses Bedürfnis wird von niemandem von uns bestritten.
In der sonst nach dieser Richtung hin sicherlich nicht zu lobenden französischen Besatzungszone ist immerhin schon ein Zustand erreicht, der zwar nicht voll befriedigend ist, aber doch im Verhältnis insbesondere zur englischen Zone als eine Grundlage angesehen werden kann, auf der eine befriedigende Regelung möglich ist. Daß es in der französischen Zone besser ist, sage ich einmal deshalb, weil es den Tatsachen entspricht, und zum zweiten, weil wir schon so oft Veranlassung hatten, gegen gewisse andere Praktiken in der französischen Besatzungszone Sturm zu laufen, die auch nicht dadurch abgemildert wurden, daß man uns in der Vergangenheit Demontagen oder das, was man so nannte, mit Goethe-Zitaten schmackhaft zu machen versuchte. Aber auf dem Gebiete der Beschlagnahmungen, wie auch hier der Theaterbeschlagnahmungen, stellen wir gerade in der französischen Zone eine viel verständnisvollere Haltung als in der englischen Zone fest.
Wir meinen also, daß jede Art von Inanspruchnahme der Filmtheater und alle anderen Dinge, die damit zusammenhängen, nicht mehr den Charakter der Beschlagnahme haben dürfen, daß sie vielmehr ausschließlich auf der Basis freiwilliger Vereinbarung zustande kommen müssen. Dabei kann durchaus den Bedürfnissen der Soldaten der verschiedensten Nationen und Besatzungsarmeen Rechnung getragen werden. Ja, ich glaube, wir sollten sogar bereit sein, eine in der Vergangenheit bewährte Übung wieder zu übernehmen, bei der es einmal hieß — ich weiß mich noch genauestens zu erinnern, daß in der früheren Zeit entsprechende Hinweise in den Kinos vorhanden waren —: „Kinder und Militär zahlen die Hälfte des Eintrittspreises". Das sind Dinge, über die man sich mit uns unterhalten könnte, wenn sie im Rahmen einer Vereinbarung freiwilliger Art zustande kämen und wenn vor allen Dingen der Charakter der Beschlagnahmungen selbst aufgehoben würde.
Aber diese Möglichkeiten, die von uns damit angedeutet werden, verlangen auch eine gewisse Einsicht seitens der Theaterbesitzer in Deutschland selbst, insbesondere seitens derjenigen Theaterbesitzer, die bisher von Beschlagnahmehandlungen verschont geblieben sind. Es setzt ein Minimum an Solidaritätsgefühl mit ihren Kollegen voraus, die ebenfalls nicht durch ihr eigenes Verschulden das Opfer von Beschlagnahmemaßnahmen geworden sind, und es ist nicht gerade geeignet, die moralische Position unserer Proteste heute zu untermauern, wenn wir in der Vergangenheit feststellen, daß sich hier die Kollegen, die das Glück hatten, nicht unter die Beschlagnahme zu fallen, gegenüber denjenigen, deren Theater beschlagnahmt waren, nicht als Kollegen benommen haben.
Mir ist ein Fall bekannt, daß die englische Besatzungsmacht in einer Stadt — ich nenne keinen
Namen, die davon Betroffenen wissen es sowieso — eine Zeitlang ein Kino beschlagnahmt hatte, bis sie eines Tages zu der Feststellung gelangte, daß dieses Theater ihren speziellen und besonderen bau- und feuerpolizeilichen Vorschriften nicht entsprach. Sie war bereit, die Beschlagnahme dieses Kinos aufzuheben. Nun haben die „Kameraden" — wenn ich mir das zu sagen erlauben darf —, die bisher von der Beschlagnahme nicht betroffen waren, nach entsprechender Rücksprache mit den zuständigen deutschen Instanzen bei der Stadtverwaltung unter sich den Betrag von rund 18 000 DM gesammelt, der nötig war, um in diesem bisher beschlagnahmten Kino die notwendige, von der Besatzungsmacht geforderte Einrichtung zu erbauen, und haben diesen Betrag den Engländern geschenkt, die ihrerseits von diesem Geschenk Gebrauch gemacht und einen deutschen Architekten beauftragt haben, diese Anlage in das Kino einzubauen, um die bisherige Beschlagnahmung weiter aufrechterhalten zu können.
Solche Praktiken sollten allerdings nicht üblich sein und sind nicht geeignet, die insgesamt durchaus berechtigten Wünsche und Forderungen der Theaterbesitzer zu unterstützen.
Ich möchte überhaupt, daß bei der Behandlung dieser Angelegenheit viel weniger der Gesichtspunkt des wirtschaftlichen und meinetwegen auch volkswirtschaftlichen Schadens, der dadurch entsteht, herausgestellt wird, so bedeutsam er sein mag, sondern daß wir uns auf den grundsätzlichen Standpunkt stellen, daß zum mindesten im Jahre 1952 mit diesen Praktiken ein Ende gemacht werden muß, die den Ausfluß der Unfähigkeit von militärischen Stellen, das Zivile mit dem Minimum zu respektieren, wie wir es erwarten können, immer wieder bestätigen.
Was heißt es beispielsweise, wenn als Ergebnis einer Umfrage in der englisch besetzten Zone festgestellt wird, daß in der Regel höchstens 25 % der beschlagnahmten Betriebe durch Besatzungsvorstellungen ausgenutzt werden? Es können Beispiele dafür angeführt werden, daß Vorstellungen von nur verschwindend wenig Soldaten besucht werden. In einem 580-Platz-Theater beispielsweise in der Stadt Hilden ist es keine Ausnahme, daß vor zwei Soldaten gespielt wird.
Schon im Interesse dieser armen Besucher sollte darauf Rücksicht genommen werden, sie nicht um den Teil des Kinogenusses zu bringen, der durch eine gewisse Zusammenfassung der Menschen als Voraussetzung für die Gesamtheit dieser Dinge gegeben ist.
In Herford besteht die Besatzungsmacht darauf, daß für die von ihr beschlagnahmten Vorstellungen auch noch besonderes Personal engagiert wird, abgesehen davon, daß allgemein geklagt wird, daß die Theater durch den Besuch der Truppen, die während der Vorstellungen trinken und rauchen, sehr stark abgenutzt werden. Aber diese Frage gehört zu dem Kapitel unsichtbare Besatzungskosten, die, glaube ich, wenn man sie im einzelnen darzustellen vermöchte, eine Summe ergeben würden, die weiß Gott besseren Zwecken zugeführt werden könnte.
Wenn der Herr Finanzminister der Meinung Ausdruck gibt, daß zu Teil 2 der Großen Anfrage deutscherseits wohl kaum etwas unternommen
werden könne, den gemeinsamen Besuch von Lichtspieltheatern durch Deutsche und Besatzungsangehörige zu ermöglichen, so möchte ich ihm nach der Richtung recht geben. Wir sind auf den Hinweis und auf die Frage überhaupt nur gekommen, weil zum mindesten in der Vergangenheit den Angehörigen gewisser Truppenteile der Besuch deutscher ziviler Vorstellungen nicht gestattet war. Das trifft für die französische Zone nicht zu. Andererseits kann immer wieder festgestellt werden, daß der Besuch einer bestimmten Kinovorstellung für die Angehörigen verschiedener Nationalitäten durchaus zumutbar ist, weil vieles von dem, was in einem Kino dargestellt wird, von so internationalem Brauch ist, daß es des Hilfsmittels der Sprache vielfach nicht bedarf.
Deshalb bittet auch meine Fraktion die Bundesregierung, darum bemüht zu bleiben, nicht nur die jetzt noch beschlagnahmten Theater in einer bestimmten Relation zu den nichtbeschlagnahmten zu sehen, sondern die grundsätzliche Seite dieser Angelegenheit in einem besonderen Ausmaße herauszustellen, weil wir der Meinung sind, daß die Gegenwart nicht geeignet ist, im beiderseitigen Interesse auch auf diesem Gebiet noch eine Politik des Off Limits zu betreiben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir stimmen alle in der Überzeugung vollkommen überein, daß diese Debatte zu führen im Grunde genommen eigentlich überflüssig ist; denn wenn jetzt bei der erneuten Beschlagnahme eines Kinos in Wuppertal ein trauriges Aufgebot von britischer Militärpolizei und deutscher Zivilpolizei sich vor den Eingangspforten zusammen postieren mußte, dann ist das ein höcht unerfreulicher Anblick in einer Zeit, in der wir, weiß Gott, andere gemeinsame Sorgen in Europa haben. Wenn darüber hinaus gewisse Militärdienststellen immer noch nicht ganz über den Lauf der Verhandlungen zwischen den zivilen Instanzen unterrichtet zu sein scheinen, dann ist das eine ebenso beklagenswerte Angelegenheit.
Der Herr Bundesfinanzminister hat uns in sehr dankenswerter und ausführlicher Weise über die. Bemühungen der Bundesregierung informiert, hier Abhilfe zu schaffen.
Ich darf vielleicht rein technisch noch auf folgendes hinweisen. Der Tatbestand, daß 133 Theater beschlagnahmt sind, sagt nicht voll das aus, was darüber zu sagen ist; denn es ist nicht unwichtig, um was für Theater es sich dabei handelt, ob es sich um sehr kleine, wenig benutzte Theater handelt oder, wie das hier fast durch die Bank der Fall ist, um sehr repräsentative große Theater mit sehr vielen Sitzplätzen. Auch das muß dabei in die Waagschale geworfen werden.
Aber ich darf hier vielleicht etwas Menschliches einflechten. Wenn mein sehr verehrter Herr Vorredner mit der bei ihm gewohnten ausgeruhten rhetorischen Brillanz dem Herrn Bundesfinanzminister einen Mangel an Stimmaufwand vorwirft, so muß ich den Herrn Finanzminister in dieser Beziehung doch in Schutz nehmen und sagen, daß mich seine Ausführungen gerade wegen ihrer sachlichen Ausführlichkeit durchaus befriedigt haben und daß ich durchaus das Gefühl habe — hier spreche ich auch für meine
Freunde —, daß von seiten des Bundesfinanzministeriums sehr energische Schritte eingeleitet worden sind, um diesem unerfreulichen Zustand ein Ende zu bereiten. Wir sind uns alle darüber im klaren, daß Beispiele genug vorliegen, die zeigen, welche vernünftigen Wege gegangen werden können, um ein Überbleibsel einer überholten und vergangenen Epoche restlos zu beseitigen. Wir sind uns auch darüber völlig im klaren, daß diese Dinge so schnell wie möglich auch von seiten der Armeedienststellen bereinigt werden sollten, um hier eine Übereinstimmung zu erzielen. Uns scheint der vom Bundesfinanzminister vorgeschlagene Weg, kombinierte örtliche und zonale Stellen zu schaffen, um in Einzelverhandlungen von Fall zu Fall eine Bereinigung der Sachlage herbeizuführen, durchaus richtig zu sein.
Im Namen meiner Freunde möchte ich mir nun erlauben, Ihnen einen Antrag vorzulegen, der dem Bundesfinanzminister in seinen Verhandlungen den Rücken stärken soll. Der Antrag, den vorzulesen ich mir erlauben darf, hat folgenden Inhalt:
Betrifft: Deutscher Lichtspieltheaterraum im
Dienst der Besatzungsmächte.
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, bei der alliierten Hohen Kommission die möglichst baldige Einsetzung eines zentralen Studien- und Beratungsausschusses zu erwirken, der die Filmtheaterbedürfnisse der Besatzungstruppen überprüft und eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung erarbeitet. Dieser Studien- und Beratungsausschuß sollte sich aus den zuständigen deutschen und alliierten Verwaltungsstellen sowie Vertretern des deutschen Lichtspieltheatergewerbes zusammensetzen. Der zentrale Studien- und Beratungsausschuß sollte weiter zweckmäßig Unterausschüsse für die einzelnen Besatzungszonen einrichten.
Ich darf diesen Antrag dem Herrn Präsidenten
überreichen und darf Sie bitten, ihm zuzustimmen,
da er, wie ich glaube, eine sehr gute Grundlage dafür bildet, unserer Bundesregierung die nötige
parlamentarische Unterstützung auf dem Wege zur
möglichst baldigen restlosen Bereinigung dieses
unerfreulichen Tatbestandes zu geben.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wenn der Herr Abgeordnete Vogel hier zum Ausdruck brachte, diese Debatte sei im Grunde genommen unnötig, so muß ich ihm darin eigentlich zustimmen. Denn es ist ganz klar, daß diese Debatte nur für die „Optik" ist,
um der Bevölkerung draußen das Gefühl zu geben, als seien die Bundestagsabgeordneten verantwortungsbewußte und nicht komische Leute. Wenn Sie wirklich bereit wären, zu helfen, sowohl den Filmveranstaltern als auch der Bevölkerung selbst, müßten Sie hier schon mit der notwendigen Konsequenz handeln, und ich denke, daß auch der Antrag, einen Studien- und Beratungsausschuß einzusetzen, der in örtlichen Verhandlungen wirksam werden soll, keine Konsequenz darstellt,
wenn man nicht bereit ist, gleichzeitig die Forderung auf Rückgabe der beschlagnahmten Kinos und
auf Einstellung jeglicher weiterer Beschlagnahmen zu stellen. Dieses Beispiel der Lichtspieltheater zeigt schließlich nur einen Ausschnitt aus den laufenden Beschlagnahmen von Wohnungen, Krankenhäusern, Schulen usw. Es beleuchtet aber auch eindeutig die Situation und das, was es mit den vielen lobpreisenden Reden über die sogenannte Gleichberechtigung auf sich hat.
Ich möchte in diesem Zusammenhang gerade über den jetzt akuten Fall Wuppertal etwas sagen. Ich weiß nicht, warum die Abgeordneten hier so um die Städtenamen herumgegangen sind. Ob sie Sorge haben, daß man mit ihrer Nennung irgendeinen Kommandanten verärgert? In Wuppertal jedenfalls ist es so gewesen, daß die Geschäftsleitung des Salamander-Lichtspieltheaters, eines der besteingerichteten Kinos, den Bescheid bekam, daß die Beschlagnahme in Verbindung mit den deutschen Behördenstellen angeordnet werden solle. Gleichzeitig ist die Beschlagnahme des Kapitol-Theaters vorgesehen worden. Wie sich dabei die deutschen Behörden als Quartiermacher analog der Dienststelle Blank betätigten, möchte ich Ihnen an dem folgenden Beispiel darstellen.
Am vergangenen Mittwoch patrouillierten deutsche Kriminalbeamte vor diesem SalamanderKino, während deutsche Polizeiwagen zum Einsatz bereitstanden, und zwar in einem Zeitpunkt, zu dem sich die deutsche Bevölkerung einen Film ansah. Die Besatzungstruppen erschienen gleichzeitig in mehreren großen Kraftwagen, während der deutsche Film für die deutsche Bevölkerung lief. Unmittelbar nach Beendigung der Vorstellung übernahm dann eine englische Besatzungstruppe das Kino, und die Militärpolizei postierte sich vor dem Eingang. Also eine enge Zusammenarbeit
zwischen deutschen Behördenstellen und englischer Militärpolizei! Das beweist deutlich genug, was dieses Gerede auf sich hat und was es mit der Anfrage auf sich hat, was die Bundesregierung dabei zu tun bereit sei.
Dies alles geschah in dem gleichen Zeitraum, in welchem die Filmtheaterbesitzer von Wuppertal mit allen möglichen Behörden in Verhandlungen standen, um die Zurücknahme der Beschlagnahmen zu erwirken. Für uns ist es selbstverständlich, daß diese Verhandlungen ergebnislos waren, weil, wer bereit ist, ein immer höheres Kontingent an Besatzungstruppen zu fordern, einsehen muß, daß diese Besatzungstruppen auch ihre Bedürfnisse nach Vergnügungen und Lichtspielen befriedigen wollen. Alle Wuppertaler Kinobesitzer erhoben Protest und beschlossen, einen siebentägigen Streik durchzuführen, also die Kinos sieben Tage zu schließen. Die Theaterleitung der Salamander-Lichtspiele verweigerte die Annahme der Beschlagnahme-Befehle. Daraufhin erfolgte die Einschaltung wiederum der Landesregierung, die ein Schreiben an alle Kinotheater versandte, wonach es sinnlos und nicht günstig sei, die laufenden Verhandlungen zu stören.
Hieraus geht erneut eindeutig hervor, daß es sich dabei nur um eine Beruhigungspille für diejenigen Stellen handelt, die diese Beschlagnahmen durchführen. Im Moment haben die Kinobesitzer das auch als Beruhigung empfunden und sich mit einer Aufschiebung einverstanden erklärt. Sie haben jedoch mit Entschiedenheit darauf hingewiesen, daß sie ausnahmslos zur Durchführung ihres Beschlusses, nämlich der Sieben - Tage - Protestschließung, bereit sind, wenn die Verhandlungen zu keiner befriedigenden Lösung führen. Der
Streikbeschluß und die Empörung der Bevölkerung müssen schließlich auch den gewählten Abgeordneten hier zeigen, was die Bevölkerung von ihnen verlangt. Sie verlangt nicht eine „Anfrage an die Bundesregierung", von der sie weiß, daß sie sowieso in freundschaftlichen Verhandlungen mit der Militärregierung über die weitere Verstärkung der Besatzungstruppen steht, sondern sie verlangt, daß die Abgeordneten hier einen klaren Standpunkt einnehmen, daß sie die Rücknahme jeglicher Beschlagnahme fordern.
Aber auch die unmittelbar einsetzenden Verhandlungen der Wuppertaler Kinobesitzer und die Empörung der Bevölkerung zeigen, daß man nicht so ohne weiteres über den Kopf der Menschen hinweggehen kann, wenn sie um ihre demokratischen Rechte kämpfen. Ich glaube, das muß in diesem Zusammenhang auch für die Abgeordneten ein warnendes Zeichen sein, sich nicht länger diesen Protestbewegungen der Bevölkerung gegen die Landbeschlagnahme — ich erinnere hier an den Oberbürgermeister von Oeynhausen — entgegenzusetzen, weil die Bevölkerung sonst noch stärker erkennen wird, daß die Abgeordneten nicht den Willen der Menschen, der Bevölkerung erkennen.
Ich möchte nun aber noch einiges zum Grundsätzlichen sagen. Diese Anfrage ist keine Lösung des Problems. Schließlich gibt es nur eine einzige Lösung, und diese Lösung ist, daß die Besatzungsmächte aus Deutschland, aus Gesamtdeutschland herausgehen. Dann brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen. Ich denke, daß es notwendig ist, in diesem Zusammenhang auch einmal auf die Note der Sowjetregierung hinzuweisen, die aufzeigt, daß ein Friedensvertrag mit einem souveränen Deutschland alle Probleme in Deutschland löst. In Punkt 2 der Leitsätze dieser Note heißt es, daß sämtliche Streitkräfte der Besatzungsmächte spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Friedensvertrages aus Deutschland abgezogen werden müssen.
Es heißt dann weiter:
Gleichzeitig werden sämtliche ausländischen Militärstützpunkte auf dem Territorium Deutschlands liquidiert.
Sehen Sie, meine Herren und Damen, das ist die Regelung, die alle Probleme, die Sie seit 200 Sitzungstagen hier behandeln, auch lösen wird. Es kommt darauf an, daß Sie sich einmal mit dieser Note beschäftigen, die inzwischen in der ganzen internationalen Diplomatie eine große Rolle spielt und an der Sie jetzt vorbeizugehen versuchen. Das ist das, was die Bevölkerung von Ihnen verlangt, und das enthebt Sie sämtlicher Sorgen auch darüber, daß Besatzungsmächte von unserem Eigentum, von unseren Wohnungen, von unserem Land und in diesem Fall von unseren Lichtspieltheatern ohne weiteres Besitz ergreifen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wirths.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Wuppertaler, und zwar nicht nur die Kinobesitzer, werden der Wuppertaler Kollegin
Frau Thiele dankbar dafür sein, daß sie hier so in die Bresche gesprungen ist,
nachdem sie frisch gebräunt und erholt vielleicht aus einem Kurort auf der Krim zurückgekommen ist. Es ist verwunderlich und anzuerkennen, daß die Damen und Herren von der äußersten Linken immer das Geschick haben, etwas für sich in Anspruch zu nehmen und aufzutreten als Vertreter der Bevölkerung, in diesem Falle für die kapitalistischen Kinobesitzer.
Ich muß mich aber ganz entschieden gegen den Vorwurf verwahren, den die Frau Abgeordnete Thiele gegen die Behörden. insbesondere auch gegen die Wuppertaler Behörden erhoben hat, als sie sagte, sie seien Quartiermacher für die Engländer.
Diese Leute, das weiß ich selbst, haben getan, was sie konnten. Wären die deutschen Behörden nicht eingeschaltet gewesen, dann wäre es noch viel schlimmer geworden.
— Ach, Polizei! Weil Sie Ihre Leute dahinschicken zum Krachmachen, deshalb muß die deutsche Polizei da sein. Das machen Sie ja immer so.
— Bitte, Beweis: Der Herr Heinemann macht keine Versammlung mehr mit Diskussion. Warum nicht? Weil bei Heinemann-Wessel-Versammlungen Ihre Leute da waren und zustimmten. Also war er gezwungen, keine Diskussion mehr zu machen. Sie provozieren das und Sie glauben, aus diesen Sachen politisch Kapital schlagen zu können.
— Ach, Herr Renner, Sie können mich ja nicht aus der Ruhe bringen! Sie sind ja mit Ihren brillanten Zwischenrufen so abgeflacht. Früher im Landtag von Nordrhein-Westfalen, als Sie noch das Spiel hin und her mit Herrn Adenauer hatten, waren Sie viel glänzender.
— Herr Paul, ich will auf Sie keinen Bezug nehmen. Sonst könnte ich Ihnen auch ein paar freundliche Worte sagen.
Wie ist denn nun die Situation? In diesen Fällen ist es doch ganz unmöglich — das muß doch der anderen Seite ganz klargemacht werden —, daß heute noch neue Kinos beschlagnahmt werden. Wir haben, um noch einmal auf den Fall Wuppertal zu kommen, genügend Kinos, so daß noch mehr Engländer, als jetzt schon da sind, mit hereinkommen können. Man kann ihnen Plätze reservieren. Man kann bezüglich der Eintrittspreise — ich weiß nicht, wie das damit geht — irgendeine Verrechnung vornehmen. Das kann man alles machen. Man kann dafür sorgen, daß die Leute, wann sie wollen, an x-beliebigen Wochentagen oder Sonntagen ins Kino gehen können. Das, was sich hier abspielt, diese neue Beschlagnahme, hat nun wirklich nichts mehr mit dem zu tun, was wir hier seit Wochen, seit Monaten, seit Jahren immer wieder
gehört haben, nämlich mit dem Streben nach einer Verständigung im europäischen Raum. Wenn man nicht hier anfängt, wenn man nicht bei dem kleinen Mann, der ins Kino geht, das Verständnis weckt, dann kommen wir nicht weiter. Das Verständnis wird verdorben und ins Gegenteil verkehrt, wenn mit solchen Maßnahmen der neuerlichen Beschlagnahme gearbeitet wird.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Sie haben gehört, daß die Fraktion der CDU/CSU einen Antrag gestellt hat, den der Herr Abgeordnete Dr. Vogel verlesen hat.
— Bitte schön! — Zur Abstimmung gibt es Erklärungen an sich nicht.
— Sie wollen Überweisung an den Ausschuß beantragen?
— Also nur an den Auswärtigen Ausschuß?
— Herr Abgeordneter Muckermann zur Frage der Ausschußüberweisung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Herr Kollege Jacobs, es ist wohl zweckmäßig, wenn wir hier zu konkreten Ergebnissen kommen. All diese Fragen sind ja im Parlament verhandelt; das Memorandum liegt nun schon seit 1951 vor.
Es ist wohl besser, wenn wir diesen Antrag hier
sofort zur Abstimmung bringen, damit die Regierung vom Parlament aus stärker unterstützt wird.
Ich möchte deswegen dafür plädieren, diesen Antrag hier im Plenum zur Abstimmung zu bringen.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobs.
Das Plädoyer des Kollegen Muck ermann für die Annahme des Antrags zwingt mich dazu, einige Gründe zu sagen, die meiner Fraktion Veranlassung sind, seine Behandlung und seine Verweisung in die genannten Ausschüsse zu verlangen. Soweit ich den Antrag in Erinnerung habe, ist in ihm gesagt, daß die Regelung der Verhältnisse zwischen Besatzungsmacht und Kinotheaterbesitzern einzelnen örtlichen Stellen überlassen sein soll. Schon aus diesen Gründen müssen wir Bedenken haben, weil wir befürchten müssen, daß man dann regional verschieden zu den verschiedensten Ergebnissen auch kommen wird. Wir glauben, daß im Auswärtigen Ausschuß und in einem sonst noch zuständigen Ausschuß erst einmal die Grundsatzfrage behandelt werden soll, wobei wir selbstverständlich der Meinung sind, daß
Einzelheiten an Ort und Stelle erledigt werden können.
Wir bitten Sie noch einmal — nicht weil wir die Erledigung der Angelegenheit hinausschieben wollen; denn wir haben ja diese Interpellation mit eingebracht, aber wegen gewisser grundsätzlicher Fragen, die in diesem Antrag enthalten sein können, die wir bei der kurzen uns zur Verfügung stehenden Zeit, in der wir uns damit beschäftigen konnten, nicht in ihrer vollen Tragweite ermessen können —, unserm Antrag auf Überweisung an die zuständigen Ausschüsse zu entsprechen.
Herr Abgeordneter Muckermann!
Meine Damen und Herren, dieser Satz steht ja in dem Antrag nicht drin!
In dem Antrag steht drin, daß ein zentraler Ausschuß im Sinne des Memorandums eingerichtet
werden soll, daß aber nichts im Wege steht, zweckmäßigkeitshalber auch Unterausschüsse in einzelnen Standorten zu errichten; es sollte aber
zentral geregelt werden. Das steht in dem Antrag
drin. Ich glaube, dem können wir doch zustimmen.
Meine Damen und Herren, wünschen Sie, daß ich den Antrag noch einmal verlese?
— Also:
Die Bundesregierung wird ersucht, bei der
alliierten Hohen Kommission die möglichst
baldige Einsetzung eines zentralen Studien-
und Beratungsaustausches zu erwirken,
„Ausschuß" soll es doch wohl heißen, Herr Abgeordneter Muckermann? Darf ich unterstellen, daß es „Ausschuß" und nicht „Austausch" heißen soll?
— „Ausschuß"!
zu erwirken, der die Filmtheaterbedürfnisse der Besatzungstruppen überprüft und eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung erarbeitet. Dieser Studien- und Beratungs- ausschuß sollte sich aus den zuständigen deutschen und alliierten Verwaltungsstellen sowie Vertretern des deutschen Lichtspieltheatergewerbes zusammensetzen. Der zentrale Studien- und Beratungsausschuß sollte weiter zweckmäßig Unterausschüsse für die einzelnen Besatzungszonen einrichten.
Es ist beantragt worden, diesen Antrag dem Auswärtigen Ausschuß - federführend — und dem Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Überweisungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, sollen wir diese Frage im Wege des Hammelsprungs entscheiden?
— Darf ich noch einmal bitten. Wer ist für die Überweisung an den Ausschuß? — Wer ist dagegen? — Meine Damen und Herren, ich kann die Herren Schriftführer nicht zwingen, einer Meinung zu sein. Ich bitte Sie, diese Frage im Wege
des Hammelsprungs zu entscheiden. Darf ich Sie bitten, den Saal möglichst bald zu räumen. Wer für die Überweisung an den Ausschuß stimmt, geht durch die Ja-Tür. Ich wäre dankbar, wenn wir uns damit nicht zu lange aufzuhalten brauchten; wir haben noch eine lange Tagesordnung.
Meine Damen und Herren, ich bitte noch einmal darum, den Saal zu verlassen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. — Ich bitte, die Abstimmung zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis bekannt: Für die Überweisung an die Ausschüsse haben sich 101 Abgeordnete ausgesprochen, dagegen 152 bei 11 Enthaltungen.
Ich komme damit zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU, den Herr Abgeordneter Vogel vorgetragen hat. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist eindeutig die Mehrheit des Hauses. Der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, entsprechend der Vereinbarung rufe ich' gemeinsam die auf der gedruckten Tagesordnung enthaltenen Punkte 11, 8 und 9 auf:
11. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Ersten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1951 einschließlich Ergänzungsvorlage der Bundesregierung ;
8. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 ;
9. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern in den Rechnungsjahren 1951 und 1952 .
Die Fraktionen haben sich darüber verständigt, daß die Beratung dieser drei Punkte mit einer Gesamtredezeit von höchstens 240 Minuten verbunden werden soll.
Zur Begründung der Gesetzesvorlage hat der Herr Bundesminister der Finanzen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die drei Gesetzentwürfe Nachtragshaushalt und Ergänzungsvorlage für das Rechnungsjahr 1951/52, Inanspruchnahme eines Anteils der Einkommen- und Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 und Finanzausgleichsgesetz sind in der Aussprache miteinander verbunden.
Herr Minister, darf ich einen Augenblick unterbrechen. Ich darf eben noch einmal daran erinnern, daß sich zu einer kurzen Sitzung zur Konstituierung des Ausschusses für Fragen der Kommunalpolitik die Mitglieder des Ausschusses um 17 Uhr im Zimmer 10 des Südflügels für einen Augenblick versammeln. — Ich bitte wegen der Unterbrechung um Entschuldigung, Herr Minister!
Ich begrüße diese Zusammenfassung, weil die Gesetzentwürfe in sich selbst einen inneren Zusammenhang haben. Der Nachtragshaushalt und die Ergänzungsvorlage gibt Ihnen das Bild über die Gesamtentwicklung des Bundeshaushalts im Jahre 1951/52.
Die Gesetzesvorlage für die Inanspruchnahme eines Anteils der Einkommen- und Körperschaftsteuer baut auf der Entwicklung auf, die das Haushaltsjahr 1952/53, also das kommende Haushaltsjahr, voraussichtlich bieten wird, und schafft die gesetzliche Grundlage, einen Haushalt für das Jahr 1952/53 überhaupt aufstellen und durchhalten zu können. Das Finanzausgleichsgesetz sucht die Be- lastung, die den Ländern durch die Inanspruchnahme des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer zuwächst, in sich in der Form auszugleichen, daß die steuerschwachen Länder durch das Finanzausgleichsgesetz in die Lage versetzt werden, auch diesen Bundesanteil von 40 0/o, wie er vorgeschlagen ist, wirklich zu tragen.
Wenn ich mich zuerst mit dem Nachtragshaushalt und der Ergänzungsvorlage beschäftige, so bitte ich, es mir nicht übelzunehmen, wenn ich hier zunächst einmal einen nüchternen Vortrag halten muß, einen Vortrag, der sich noch dazu mit einer Vorlage beschäftigt, die am Ende des Haushaltsjahres kommt,
für das sie bestimmt ist. Trotzdem kommt diesem Nachtragshaushalt und der Ergänzungsvorlage auch für die Zukunft eine große Bedeutung zu, weil die Bundesregierung ein Haushaltsgesetz 1952/53 vorbereitet hat — dieses Haushaltsgesetz ist bereits durch den Bundesrat gegangen —, wonach der Haushalt 1951/52 in der Form, in der er durch den Hauptplan, Nachtragshaushalt und die Ergänzungsvorlage geschaffen worden ist, die Grundlage als Überrollungshaushalt für das Jahr 1952/53 bilden soll. Die Bundesregierung hat sich nach Fühlungnahme mit den Fraktionen dieses Hauses zu diesem Entschluß deshalb durchgerungen, weil es der einzig mögliche Weg ist, um nach den ersten Aufbaujahren, die ja auch finanzpolitisch Jahre des Aufbaus waren, endlich einmal dazu zu kommen, daß die Haushaltspläne zu dem verfassungsmäßigen Termin, also zum Ende des jeweils vorausgehenden Haushaltsjahrs, vorgelegt werden können.
Wenn das Haushaltsgesetz 1951/52 die Grundlage für das Haushaltsgesetz 1952/53 bietet, kann gehofft werden — da die Vorarbeiten für das nächste Haushaltsjahr dann sofort einsetzen können —, daß die Bundesregierung in der Lage ist, zum Ende des Haushaltsjahres 1952/53 den Haushaltsplan 1953/54 rechtzeitig vorzulegen.
Nun darf ich zu der Vergangenheit sprechen. —
Herr Kollege Mellies, Sie wissen ebenso gut wie
ich und alle im Hause, daß der Nachtragshaushalt
für das Rechnungsjahr 1951/52 schon im August
und September in Vorlage beim Bundesrat war.
Aber die gesetzliche Voraussetzung für die Durchführung dieses Nachtragshaushalts hat eine Veränderung erfahren; denn dieser Nachtragshaushalt sah damals einen Bundesanteil an Einkommen-
und Körperschaftsteuer von 31,3 % vor. Der Widerstand der Länder im Bundesrat und die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß hatten das Ergebnis, daß dieser Bundesanteil damals mit 27 % festgesetzt wurde, was nach den damaligen Steuerschätzungen einen Ausfall von 300 Millionen DM bedeutet hat. Da aber der Bundesfinanzminister verfassungsmäßig die Pflicht hat, den Haushalt abgeglichen vorzulegen, mußten neue Grundlagen geschaffen werden.
Diese neuen Grundlagen haben in nicht leichten Entschlüssen dazu geführt, daß der Ausgleich in erster Linie durch Streichung von Ausgaben in Höhe des ausfallenden Betrages von 300 Millionen DM gefunden wurde. Erst nachdem diese Voraussetzungen für die sachliche Abgleichung des Nachtragshaushalts gegeben waren, konnte der Nachtragshaushalt als abgeglichener Haushalt vorgelegt werden.
Die Ergänzungsvorlage hat einen ganz anderen Sinn. Die Stellenmehrungen, im besonderen die personellen Änderungen, die in der Verwaltung — ich bemerke, auch die Verwaltung ist im Aufbau und leider, aber notwendigerweise in einem starken Wachstum begriffen — vorgenommen werden mußten und in dem Überrollungshaushalt nicht enthalten waren, sind der besondere Anlaß für die Vorlage des Ergänzungshaushalts gewesen.
Ich möchte nun einmal ein ganz kurzes zahlenmäßiges Bild über den Gesamthaushalt geben, wie er sich aus der Zusammenstellung — Hauptplan, Nachtragshaushalt und Ergänzungsvorlage — ergibt. Der ordentliche Haushalt des Bundes schließt — in diesen drei Haushaltsplänen zusammengefaßt — in Einnahmen und Ausgaben mit
17 269 488 700 DM ab. Davon entfallen auf den
ordentlichen Haushalt an fortdauernden Ausgaben
15 419 255 350 DM, an einmaligen Ausgaben des ordentlichen Haushalts 1 850 233 350 DM. Der außerordentliche Haushalt schließt in Einnahmen und Ausgaben — wieder alle drei Haushaltspläne gerechnet — mit 3 809 621 600 DM ab. Wir haben also im ordentlichen und außerordentlichen Haushalt im Rechnungsjahr 1951/52 die Summe von 21 079 110 300 DM, während wir im vorausgehenden Rechnungsjahr 1950/51 die Summe von
16 270 625 760 DM hatten. Wir haben also in diesem einen Jahr wieder eine Steigerung im Volumen des Haushalts von mehr als 4,8 Milliarden DM. Diese Steigerung ist in erster Linie im Nachtragshaushalt ausgewiesen. Die Steigerung ist in folgenden Posten des Nachtragshaushalts enthalten: Die Steigerung der Besatzungskosten entsprechend den Anforderungen durch die Besatzungsmächte auf Grund des Besatzungsstatuts betragen 3 060 000 000 DM; die sozialen Ausgaben — einschließlich Berlin — haben in diesem Jahr ein Wachstum von 1 550 000 000 DM gezeigt. Dazu kommt die Erhöhung der Ausgaben für Subventionen zur Verbilligung von Lebensmitteln um 225 Millionen DM. Dies ergibt eine Gesamtsumme von 4,8 Milliarden DM.
Äußerlich verschiebt sich das Bild vielleicht etwas dadurch, daß für Berlin eine andere Haushaltsbehandlung eingetreten ist. In Übereinstimmung mit dem Lande Berlin hat sich die Bundesrepublik entschlossen, Berlin haushaltsmäßig als zwölftes Land zu betrachten. Infolgedessen erscheinen sämtliche Einnahmen und sämtliche Ausgaben, die in Berlin anfallen, bei den Kapiteln des Bundeshaushalts, zu denen sie der Materie nach gehören. Sie sind vorläufig noch mit einer beson-
deren Kennziffer versehen insofern, als für diese besonderen Ausgaben im Haushalt der Buchstabe B enthalten ist. Das ist für die Übergangszeit berechnet gewesen. Vom nächsten Jahre an wird eine Scheidung zwischen Bundesausgaben und Bundeseinnahmen in Berlin und außerhalb Berlins im Gebiet der Bundesrepublik überhaupt nicht mehr sichtbar sein. Daneben enthält der Einzelplan XXIII den besonderen Zuschußfonds für Berlin in Höhe von 550 Millionen DM. Die haushaltmäßigen Gesamtaufwendungen der Bundesrepublik für das Land Berlin belaufen sich nach diesem Haushaltsplan auf 995 Millionen DM. Das ist nicht das einzige, was die Bevölkerung der Bundesrepublik ihren Brüdern im Lande Berlin zukommen läßt. Wenn ich die gesamte Berlin-Hilfe im volkswirtschaftlichen Sinne nähme, wenn ich auch das nähme, was auf dem Gebiet der Postverwaltung, auf dem Gebiet der Versicherungsanstalten und dergleichen auch in wirtschaftlichen Maßnahmen für Berlin aus dem Kapital der deutschen Bundesrepublik insgesamt geleistet wird, dann bekäme ich eine Summe von rund 1300 Millionen DM jährlich.
Die Steigerung der Ausgaben in diesem Jahr teilt sich in eine Steigerung der Ausgaben im ordentlichen Haushalt und im außerordentlichen Haushalt. Im außerordentlichen Haushalt, in den ja ein großer Teil der gesteigerten Besatzungskosten übernommen worden ist, beträgt die Steigerung rund 2,1 Milliarden. Für den Rest, der in den ordentlichen Haushalt zu übernehmen war, mußten Einnahmen geschaffen werden, um die Abgleichung des Haushalts durchzusetzen. Diese Einnahmen mußten im vergangenen Jahr in der Form von Steuergesetzen gefunden werden, erstens in der Erhöhung des Steuersatzes auf dem Gebiet der Umsatzsteuer und Umsatzausgleichssteuer von grundsätzlich 3 % auf 4 %, die mit einem Erträgnis von 1025 Millionen DM eingesetzt wurde, dann in der Erhöhung des Anteils des Bundes an der Einkommen- und der Körperschaftsteuer der Länder auf 27 %, die mit 720 Millionen DM angesetzt war. Dazu kommen jetzt aus haushalttechnischen Gründen die Steuereinnahmen in der Stadt Berlin mit 460 Millionen DM, soweit sie Bundessteuern sind, dann die Erhöhung der Zolleinnahmen und verschiedener kleinerer Steuern mit 205 Millionen DM, dann der Nachtragshaushalt, der noch einen Ansatz von 200 Millionen DM für Aufwandsteuer und Benützungsgebühr für Autobahnen enthält, der aber gleichzeitig mit einem Mehrertrag von Steuern in Höhe von 225 Millionen DM rechnete, die als Globalposten eingesetzt worden sind.
Im Rechnungsjahr 1951/52 kann mit einem Aufkommen an Aufwandsteuer und Autobahnbenutzungsgebühr nicht mehr gerechnet werden. Es ist infolgedessen selbstverständlich, und die Bundesregierung ist einverstanden, wenn dieser Haushaltsansatz gestrichen wird. Es ist möglich, den Haushaltsansatz, den Mehrertrag an Steuern, von 225 Millionen auf 425 Millionen DM zu erhöhen und damit den notwendigen Ausgleich zu schaffen. Ich darf aber bemerken, daß der Gesamtabschluß des Haushalts einen Überschuß der Ausgaben über die Einnahmen ergeben wird, der über 200 Millionen DM, also über das Erträgnis, das für Aufwandsteuer und Autobahnbenützungsgebühr angesetzt war, hinausgehen wird.
Über die tatsächliche Entwicklung der gesamten Einnahmen des Haushalts gibt Ihnen in den Einzelheiten die Anlage 1 in der Drucksache Nr. 3168
Aufschluß. Ich brauche deswegen auf Einzelheiten nicht mehr einzugehen.
Ich möchte hier zu den Gesamtzahlen noch eine Bemerkung machen. Wenn die Bundesregierung die Politik verfolgt, eine inflationäre Entwicklung möglichst zu verhindern, wenn sie infolgedessen ihr ganzes Bemühen dareinsetzt, die Preise und Löhne möglichst stabil zu halten, muß selbstverständlich eine Berechnung von Steuerschätzungen auf der Grundlage aufbauen, daß diese Politik auch Erfolg hat und daß die Preise und Löhne festbleiben.
Unter dieser Voraussetzung wären die Steuerschätzungen, . die am Anfang des Jahres gemacht worden sind, zweifellos richtig gewesen. Wir haben auch im letzten Jahr eine Steigerung der Löhne und Preise erhalten,
die wir nicht gewünscht haben, und das hat selbstverständlich auf der andern Seite zu einer Mehreinnahme an Steuern im Bundeshaushalt geführt. Meine Damen und Herren, ich bemerke offen, daß der Finanzminister viel zu wenig Fiskalist ist, um sich ohne weiteres über eine Steigerung von solchen Steuereinnahmen zu freuen. Es wäre dem Finanzminister um des Ganzen willen und um des großen volkswirtschaftlichen Zieles willen lieber, wenn solche Entwicklungen sich nicht abzeichneten. Er begrüßt deshalb eine Erscheinung, die in den letzten Monaten eingetreten ist und die ihm rein fiskalisch eher Sorgen machen müßte, nämlich die Erscheinung, daß die sogenannten konjunkturempfindlichen oder besser: die der Konjunktur im Erträgnis sofort folgenden Steuern — Umsatzsteuer und gewisse Verbrauchsteuern — in den letzten Monaten keine steigende Kurve mehr aufzeigen, sondern in den letzten Monaten zur Ruhe gekommen sind. Wenn ich dieses Sinnbild der Ruhe als Sinnbild nicht nur der Ruhe in den Steuereinnahmen, sondern auch als Sinnbild der Ruhe im Wirtschaftsleben betrachten darf, dann begrüße ich diese Erscheinung.
Diese Erscheinung hat im Verhältnis Bund und Länder natürlich eine Begleiterscheinung. Früher haben die Länder immer darüber geklagt, daß sie auf Steuern angewiesen seien, die der Konjunktur um einen gewissen Zeitraum, man kann sagen, um ein Jahr, nachhinken: Einkommen- und Körperschaftsteuer. Diese Erscheinung ist in Zeiten einer gleichbleibenden Konjunktur für die Länder ein Vorteil, weil die Steigerung, die im vorausgegangenen Jahre in der Konjunktur eingetreten war, im nächsten Jahre in den Einnahmen bei den Ländern — Einkommen- und Körperschaftsteuer — sich logischerweise fortsetzen muß. Während also die Erträge der Bundessteuern im allgemeinen im nächsten Jahr voraussichtlich in gleicher Höhe hereinkommen werden, werden die Ländersteuern wahrscheinlich wie in den letzten Monaten so auch in dem nächsten Jahr noch die Tendenz einer Steigerung haben.
In der Drucksache Nr. 3168 sind die Schätzungen der Steuereinnahmen des Bundes angegeben. Sie belaufen sich auf ungefähr — das war der Stand vom Januar — 15 625 Millionen DM. Dieser Betrag wird erreicht werden. Wenn es allein Bundessteuern wären, würde er nicht erreicht werden; da aber in diesem Betrag der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer mit seiner steigenden Tendenz mit enthalten ist, wird dieser Betrag erreicht werden.
Ein kurzes Bild noch, wie es sich ergeben hat. Die Einnahmen aus den Zöllen sind, wie erwartet, hinter den Steuerschätzungen zurückgeblieben. Die Einnahmen aus Umsatzsteuer und Verb rauch-steuern sind gestiegen und gleichen dieses Zurückbleiben weitgehend aus. Das macht es mir möglich, einen Wunsch zu erfüllen, der aus den verschiedensten Parteien, die im Deutschen Bundestag vertreten sind, immer wieder an mich herangetragen worden ist. Wir waren im Vorjahr, wie ich bereits betont habe, gezwungen, wegen des Ausfalls an Einnahmen, der sich durch die Minderung des Bundesanteils an Einkommen- und Körperschaftsteuer mit 300 Millionen DM ergeben hatte, 300 Millionen DM Ausgaben einzusparen. Ein Posten dieser Ausgaben waren 100 Millionen, genauer gesagt 91 Millionen DM, die für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen waren und in den außerordentlichen Haushalt übernommen worden sind. Der außerordentliche Haushalt konnte nicht bedient werden, da die Möglichkeit einer langfristigen Anleihe für Bund und Länder heute noch nicht gegeben ist. Die Entwicklung der Steuererträge erlaubt nach meiner Überzeugung, diesen Posten von 91 Millionen DM aus dem außerordentlichen Haushalt in den ordentlichen Haushalt zu übernehmen und damit diese Mittel in Höhe von 91 Millionen DM dem sozialen Wohnungsbau noch auf Rechnung des Jahres 1951/52 in der Auswirkung für das Jahr 1952/53 zur Verfügung zu stellen.
Das kann in der Form geschehen, daß die 100 Millionen DM, die im außerordentlichen Haushalt stehen und voraussichtlich nie mehr bedient werden können, gestrichen werden und dafür der entsprechende Posten von 91 Millionen DM — 9 Millionen sind schon ausgegeben, für den Beamtenwohnungsbau usw. — in den ordentlichen Haushalt eingesetzt wird.
In dem Nachtragshaushalt war mit einer Ausgabeneinsparung von 250 Millionen DM bei den Unterstützungen der Arbeitslosenfürsorge gerechnet worden. Man hat damals damit gerechnet, daß die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung rechtzeitig errichtet werden könnte. Durch die verschiedenen Schwierigkeiten hat sich die Errichtung dieser Bundesanstalt- sehr verzögert. Infolgedessen konnten die Maßnahmen für wertschaffende Arbeitslosenfürsorge, die die Errichtung der Bundesanstalt zur Voraussetzung haben, nicht rechtzeitig eingeleitet werden.
Es war deswegen nicht möglich, die Einsparungen an Ausgaben für Arbeitslosenfürsorge — die wir alle doch aus sozialem Herzen begrüßen müßten, weil diese Einsparungen bedeuten, daß ein Heer von bisher Arbeitslosen wieder in Arbeit kommen, in die Wirtschaft eingegliedert werden und ihre Leistung zur Geltung kommt — durchzuführen. Wahrscheinlich wird sich dieser Einsparungsposten von 250 Millionen DM bei diesem Etatkapitel am Schluß des Jahres nicht verwirklichen lassen. Auf der anderen Seite werden an anderer Stelle, z. B. bei Subventionen und, was ich an sich bedauere, durch die Verzögerung, die in der verwaltungsmäßigen Aufarbeitung der neuen Sozialgesetze eingetreten ist, gewisse Einsparungen eintreten, die vermutlich diesen Wegfall der Einsparung von 250 Millionen DM bei der Arbeitslosenfürsorge wieder ausgleichen werden.
Nun ein Wort zum außerordentlichen Etat, und zwar deswegen, weil im außerordentlichen Etat
neben einem Investitionskredit für Schleswig-Holstein von 40 Millionen DM auch rund 1,6 Milliarden DM Besatzungskosten enthalten sind. Die Entwicklung der 'Besatzungskosten zum Schlusse des lahres läßt sich nicht mit Sicherheit voraussehen. Wir haben seinerzeit — Drucksache Nr. 3168 — mit Ist-Ausgaben von 6,8 Milliarden DM gerechnet. Wir werden wahrscheinlich, wie die Dinge heute stehen, für das laufende Rechnungsjahr mit IstAusgaben von wenigstens 7000 Millionen DM rechnen müssen. Die Besatzungskosten haben seit dem April 1951 Monat für Monat immer wieder eine Steigerung aufgewiesen. Das hängt auf der einen Seite mit der Vermehrung der Truppen zusammen, es hängt zusammen mit der Vermehrung der Baukosten, die hierbei j a eine ungeheuer große Rolle spielen, und es hängt zusammen mit der Steigerung der Löhne. Ich darf nur darauf verweisen, daß die Besatzungsmächte — wenn ich die Ziffer richtig im Kopf habe — rund 450 000 deutsche Angestellte beschäftigen, das ist etwa das Zehnfache von dem, was der Bund in seiner Bundesverwaltung überhaupt an Beamten und Angestellten hat, und etwa das Doppelte von dem, was die deutsche Bundespostverwaltung an Angestellten beschäftigt. Infolgedessen spielen diese Punkte eine große Rolle. Die Besatzungskosten sind vom monatlichen Beginn mit 350 Millionen DM im Monat März auf einen Betrag gestiegen, der 700 Millionen im Monat wesentlich übersteigen wird. Es bestände unter Umständen die große Gefahr, wenn nicht in der weltpolitischen Entwicklung — ich darf persönlich sagen: Gott sei Dank! — eine Wandlung eintreten würde, daß diese Steigerung der Besatzungskosten sich auch im nächsten Jahre abgezeichnet hätte, weil ja die Ursachen des Vorjahres auch in diesem Jahre fortbestehen.
Nun ein Wort zum Ergänzungshaushalt im besonderen. Der Ergänzungshaushalt, der eine Summe von rund 781 Millionen DM in Einnahmen und Ausgaben ausweist, hat den Haushalt insofern nicht sehr belastet, als es sich hier meistens um durchlaufende Posten handelt. Im ordentlichen Etat betragen die durchlaufenden Posten 147,4 Millionen DM, im außerordentlichen Etat 432,5 Millionen DM. Im ordentlichen Etat handelt es sich hauptsächlich um Flüchtlingssiedlung aus Soforthilfemitteln, um Ausgaben nach dem Milch- und Fettgesetz, für den Wohnungsbau für Bergarbeiter, Rückflüsse aus dem Wohnungsbau, — sämtlich durchlaufende Posten. Es verbleibt da nur ein Betrag von 70 Millionen DM, der im ordentlichen Haushalt noch zu decken ist und der voraussichtlich aus den Einnahmen des Abschöpfungsbetrages des Zentralbüros für Mineralöl G.m.b.H. gedeckt werden kann.
Im außerordentlichen Etat sind durchlaufende Mittel gegeben aus ERP-Mitteln mit rund 242 Millionen DM, STEG-Erlöse mit rund 140 Millionen DM, Zuschüsse der HICOG für Bevorratung Berlins 50 Millionen DM. Es verblieb noch ein Rest von 120 Millionen DM, der sich auf 20 Millionen DM ermäßigt, wenn, meinem Vorschlag entsprechend, die 100 Millionen DM für Wohnungsbau aus dem außerordentlichen Etat in den ordentlichen Etat übernommen werden.
Das Schwergewicht der Ergänzungsvorlage liegt auf den Personalanforderungen. Es handelt sich um insgesamt 9205 Bundesbedienstete, davon 5714 Beamte, von denen ein großer Teil in der Zollverwaltung — 2700 — schon vorwegbewilligt werden mußte, weil das mit der Überwachung der Inter-
zonengrenze, mit dem Kampf gegen den Schmuggel usw. zusammenhängt und unaufschiebbar gewesen ist.
Meine Damen und Herren, der Bundesfinanzminister hat ehrlich das Bestreben, die Zahl der Angestellten auch in der Bundesverwaltung nicht zu hoch steigen zu lassen. Ich muß aber ebenso aus einer Gewissenspflicht heraus folgendes betonen. Sie brauchen nur daran zu denken, daß wir, um eine Haushaltsziffer zu nehmen, im Jahre 1949/50 mit einer Etatsumme von ungefähr 11/2 Milliarden DM begonnen haben und heute bei einer Etatsumme von 21 Milliarden angekommen sind. Sie brauchen nur daran zu denken, dann sehen Sie den Umfang auch der Aufgaben, die dem Bund zugewachsen sind. 21 Milliarden DM Geldbewegung bedeutet auch eine kolossale Arbeitsleistung. Der Beamtenapparat, insbesondere in den leitenden Stellen, wird durch diese stürmische Entwicklung mehr und mehr belastet, ich darf sagen: überlastet. Ich schätze die Arbeit meiner Mitarbeiter hoch, und ich verlange von ihnen, daß sie sich in ihrer Arbeitsleistung um des Volkes willen auch ganz einsetzen. Aber ich muß heute feststellen: die Fälle gesundheitlicher Zusammenbrüche nicht bloß in meinem Hause, sondern in allen Bundesministerien sind so erschreckend, daß wir gegen unser menschliches Gewissen handeln würden, wenn wir uns nicht bemühten — und ich glaube, das Parlament wird das verstehen —, eine Überlastung, die über das gesundheitlich Mögliche hinausgeht, den Mitarbeitern in den Verwaltungen und Ministerien abzunehmen;
es würde sich auch gar nicht lohnen! Ich habe in einer gewissen Zeit von meinen sechs Abteilungsleitern drei. im Krankenhaus liegen gehabt. Ich muß mit meinen entscheidenden Referenten jede Woche wieder eine neue Mitteilung, eine Hiobsbotschaft von einem Nerven- oder Herzzusammenbruch erfahren. Wir sind verpflichtet, nicht nur auf der einen Seite platonisch diese Arbeitsbelastung anzuerkennen, sondern im Rahmen des Möglichen auch Abhilfe zu schaffen. Es würde sonst gar nicht möglich sein, die Arbeit zu bewältigen, die Tag für Tag steigend an die Bundesverwaltungen und an die einzelnen Ministerien herantritt. Ich bitte also, es dem Bundesfinanzminister nicht übelzunehmen, wenn er eine solche Vorlage auf Vermehrung von Personal in der Bundesverwaltung vorlegen muß.
Ich betone ausdrücklich: ich begrüße gerade deshalb auf der andern Seite die Einrichtung des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. Es mag bei einem so stürmischen Tempo die Möglichkeit gegeben sein, daß in einzelnen Zweigen auch ein unorganisches Wachstum eintritt. Es kann sein, daß sich die Arbeit auf einem Gebiet neu häuft, während sie auf einem anderen Gebiet zurückgeht und man trotzdem die alte Zahl von Kräften behält, so daß infolgedessen hier eine Minderbelastung vorliegt. Ich würde es als eine Hauptaufgabe dieses Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung ansehen, darüber einen Überblick zu gewinnen und dem Parlament und der Bundesregierung aufzuzeigen, wo organisches und wo unorganisches Wachstum vorhanden ist, damit die Kräfte auf der einen Seite nicht überbelastet werden, während sie auf der andern Seite vielleicht minderbelastet sind. Ich wünsche also von dieser Stelle aus, daß der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung
seine Tätigkeit möglichst bald beginnt, damit er
uns die Ergebnisse dieser Prüfung vorlegen kann.
Nun ein Wort zu dem voraussichtlichen Abschluß des Rechnungsjahres 1951/52. Ich verweise wieder auf die Anlage zur Drucksache Nr. 3168, in der die Entwicklung in Einnahmen und Ausgaben des Jahres 1951/52 dargestellt und eine Vorausschau für das Jahr 1952/53 gegeben ist. Für das Jahr 1951/52 kommt diese Übersicht zu einem voraussichtlichen Ausgabenüberschuß von 588 Millionen DM. Ich glaube voraussagen zu können, daß sich der wirkliche Betrag von dieser Schätzung nicht weit entfernen wird. Ein endgültiges zahlenmäßiges Bild läßt sich ja vor Abschluß des Monats April nicht geben, da im Monat April die Restausgaben des vergangenen Rechnungsjahres erst anlaufen und gebucht werden müssen und auf der andern Seite Einnahmen in diesem Monat nicht mehr zu erwarten sind. Außerdem haben unter Umständen in den letzten Monaten einzelne Ausgaben, wie Besatzungskosten, die Tendenz, noch unerwartet zu steigen. Vom 1. April ab beginnt nicht nur kalendermäßig ein neues Jahr, sondern auch insofern ein neuer Zeitabschnitt, als eine Zusage vorliegt, die Besatzungskosten von diesem Zeitpunkt ab möglichst niedrig zu halten, also die unteren und mittleren Stellen einer besonderen Überwachung zu unterwerfen. Es ist möglich und menschlich, daß diese unteren und mittleren Stellen, bevor diese Überwachung durchgeführt werden kann, ihre Etatstitel, wenn ich so sagen darf, ausschöpfen wollen und daß wir infolgedessen in diesem letzten Zeitabschnitt noch mit einer Steigerung der Besatzungskosten zu rechnen haben.
Zusammenfassend möchte ich sagen: nach dem Überblick, der bis heute gewonnen werden kann, wird der Überschuß der Ausgaben über die Einnahmen sich ungefähr auf der Höhe bewegen, wie sie in der Drucksache Nr. 3168 geschätzt worden ist.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit wenigstens an einigen Hauptposten einmal die Entwicklung der Ausgaben des Bundeshaushalts darstellen. Die Hauptposten, die den gesamten Bundeshaushalt mit mehr als 80 % in Anspruch nehmen, sind Besatzungskosten und künftig Verteidigungsbeitrag; vorläufig sind es einmal nur Besatzungskosten, die wir unter dem Namen Verteidigungslasten in den Haushalt übernommen haben. Im Jahre 1949/50 waren sie mit 4598 Millionen DM angesetzt. Im Jahre 1951/52 mußten sie mit 7657 Millionen DM eingestellt werden; das bedeutet in diesen zwei Jahren eine Steigerung von 3059 Millionen DM.
Die Soziallasten haben in dem gleichen Zeitraum eine Steigerung von 5329 Millionen DM auf 7459 Millionen DM im Rechnungsjahr 1951 erfahren; das ist eine Erhöhung um 2130 Millionen DM.
Vielleicht darf ich, weil die Leistungen, die das deutsche Parlament hier in dem Bewußtsein seiner Verantwortung gegenüber dem ganzen Volk, also auch gegenüber dem Steuerzahler, vollbracht hat, in der Öffentlichkeit oft nicht voll gewürdigt werden, einmal an diese Zahlen erinnern. Als die Länder abgeschlossen und die Aufgaben dem Bund übertragen haben, haben die Ausgaben der Länder im Jahre 1949 für Kriegsfolgenhilfe, Umsiedlung, Gesetz nach Art. 131 und Kriegsopferversorgung im Jahre 2998 Millionen DM betragen. Als die Bundesrepublik — wobei Berlin eingeschlossen ist — diese Aufgaben übernahm, wurden sie im Jahre 1950, im ersten Jahr, in diesen Posten auf
3448,2 Millionen DM und im Jahre 1951 auf 4666,5 Millionen DM gesteigert. Zusammen mit den Ausgaben für Arbeitslosenhilfe, betriebliche Altersfürsorge und Sozialversicherung haben sie in der Zeit der Länder 4077 Millionen DM betragen, in der Zeit der Bundesrepublik im ersten Jahr 5269 Millionen DM und im zweiten Jahr 7468 Millionen DM.
Wenn wir die Dinge prozentual betrachten, ergibt sich, daß gegenüber dem Rechnungsjahr 1949 diese sozialen Ausgaben im Rechnungsjahr 1950 um 29 %, im Jahre 1951 gegenüber dem Jahre 1950 wieder neu um 46 % gesteigert wurden und daß sie im Jahre 1951 um 83 % gegenüber dem Jahre 1949 gesteigert waren.
Wenn ich zu diesen sozialen Ausgaben noch Leistungen rechne, die ihrem Wesen und ihrer Zweckbestimmung nach auf sozialem Gebiet liegen - sozialer Wohnungsbau und Subventionen zur Verbilligung von Lebensmitteln —, dann ist die Steigerung folgendermaßen: 1949 Sozialhaushalt insgesamt 4077 Millionen DM, sozialer Wohnungsbau und Lebensmittelsubventionen 25 Millionen DM und 44R Millionen DM, Sozialleistungen insgesamt 4550 Millionen DM. Im Jahre 1950, in der Zeit des Bundes, betrugen diese drei Posten zusammen bereits 6194 Millionen DM. Im Jahre 1951 beliefen sich diese drei Posten zusammen auf 8620 Millionen DM!
Ich glaube, daß das deutsche Volk auf diese Leistungen, die es auf sozialem Gebiet aufbringen kann, stolz sein darf.
Die Leistungen für Besatzungskosten leisten wir nicht aus freiem Willen; die Leistungen für soziale Ausgaben leisten wir aus freiem Willen;
und wir leisten diese sozialen Ausgaben, obwohl wir die Last aus dem Zusammenbruch des Krieges, die Erbschaft aus der Zeit derer, die den totalen Krieg wollten und die Frage nach ihm mit Ja beantwortet haben, haben übernehmen müssen.
Daß trotzdem - trotz dieses Zusammenbruchs,
trotz dieser außenpolitischen Belastungen, trotz der Wiederaufbauarbeit — das deutsche Volk diese sozialen Leistungen vollbracht hat, muß ein Ehrentitel für das deutsche Volk sein.
Aber es kommt nichts, ohne daß nicht irgend jemand auch zu geben hat; und ich darf deswegen an den denken, der diese Lasten trägt. Das ist der deutsche Steuerzahler.
Bei den Verhandlungen mit den „drei Weisen" in Paris und bei den vorausgehenden Verhandlungen war es ja die schwere Aufgabe, die Welt davon zu überzeugen, daß das deutsche Volk von allen Kulturvölkern der Erde, behaupte ich, zur Zeit, gemessen an seinem Volkseinkommen, am BruttoSozialprodukt, die höchste Last für öffentliche Abgaben aller Art — Steuern, Sozialabgaben — trägt. Es ist auch gelungen, diese Herren zu überzeugen, und in den bereits veröffentlichten Empfehlungen der „drei Weisen" ist ausdrücklich erklärt, daß das deutsche Volk wenigstens eine der höchsten — tatsächlich die höchste! — Steuerlasten aller Kulturvölker trägt und daß eine wesentliche Steigerung der Steuerlasten in Deutschland nicht mehr möglich ist. Ich darf zur Begründung noch auf einige Zahlen verweisen.
Wir haben im Jahre 1950 an Besitz- und Verkehrsteuern 5020 Millionen DM im öffentlichen Haushalt eingenommen. Sie sind nunmehr gesteigert auf 7287 Millionen DM. Die Einnahmen aus Verbrauchsteuern und Zöllen betrugen im Jahre 1950/51 4283 Millionen DM und sind im Jahre 1951/52 auf 5519 Millionen DM gestiegen. Die Gesamteinnahmen des Bundes — ich unterstreiche: des Bundes allein — an Steuern sind von 9698 Millionen DM im Rechnungsjahr 1950/51 auf 15 576 Millionen DM im Rechnungsjahr 1951/52 gestiegen.
Wenn ich die Steuerbelastung des deutschen Volkes in Bund, Ländern und Gemeinden und durch Soforthilfeabgaben und Umstellungsgrundschulden zusammenrechne, ergibt sich folgendes Bild: im Jahre 1949 war die Steuerlast des deutschen Volkes 19 455 Millionen DM, im Jahre 1951 28 185 Millionen DM, und im Jahre 1952/53 würde nach unseren Schätzungen — wobei wir davon ausgehen, daß eine Steigerung des Volkseinkommens ohne inflationäre Entwicklung, also bei festen Preisen, um 5 % erreicht werden kann die Gesamtsteuerbelastung des deutschen Volkes 32 120 Millionen DM sein.
Der Bundesfinanzminister weiß, daß es volkswirtschaftlich unmöglich und, ich darf sagen, sittlich nicht mehr zu rechtfertigen wäre, die Steuerlast, die auf dem deutschen Volke und auf der deutschen Wirtschaft liegt, noch irgendwie wesentlich zu steigern. Er muß aber daraus auch seine Schlußfolgerungen ziehen. Der deutsche Steuerzahler muß in den deutschen Parlamenten seinen Schützer und seinen Freund sehen.
Ich möchte deshalb an Sie den dringenden Appell richten, nachdem wir soviel notwendige Ausgaben zu leisten haben, nachdem wir mit Stolz darauf verweisen können, daß wir an notwendigen Ausgaben in der Vergangenheit das Möglichste geleistet haben, bei einer Bewilligung von nicht notwendigen Ausgaben, insbesondere von Ausgaben, hinter denen nicht Not und sachliches Recht, sondern nur der Druck einer Organisation steht,
vorsichtig zu sein und sich der Verpflichtung zu erinnern, Schützer und Wahrer auch des deutschen Steuerzahlers zu sein und zu bleiben.
Mit dieser Betrachtung darf ich meine Ausführungen zu dem Nachtragshaushalt abschließen. Ich möchte noch dringend bitten, daß wir uns, wenn wir der Meinung sind, daß eine Beruhigung in der Wirtschaftsentwicklung und feste Preise, um damit auch den gerechten Lohn halten zu können, unser Ziel sind, auch in der Steuerpolitik und in der Finanz- und Ausgabenpolitik nicht einem uferlosen Optimismus hingeben, sondern uns offen gestehen, daß, wenn der Bundesfinanzminister die Steuerschätzungen für das nächste Jahr auf der Annahme aufgebaut hat, daß das Volkseinkommen gegenüber dem vergangenen Jahr um weitere 5 bis 6 % gesteigert werden kann, diese Schätzung schon eine günstige ist und infolgedessen zu einem darüber hinaus gehenden Optimismus, weitere Steuereinnahmen zu haben, kein Anlaß ist. Auch die unerwartete Steigerung der Steuereinnahmen des letzten halben Jahres hängt mit einer Entwicklung zusammen, die Gott sei Dank zu Ende ist, die aber bei einem weiteren
Fortschreiten zu einer gewissen Sorge hätte Anlaß geben können. Sie sind nicht nur der Retter und Wahrer des deutschen Steuerzahlers, Sie sind auch der Schützer und Wahrer des deutschen Sparers. Von diesem Gesichtspunkt aus muß es unser Stolz sein, den Vorsprung — ich wage dieses Wort —, den wir währungspolitisch und finanzpolitisch zur Zeit vor anderen Ländern Europas gewonnen haben, in einer soliden deutschen Finanzpolitik auch künftig zu bewahren.
Ich darf damit zu den beiden anderen Gesetzentwürfen übergehen, die ja nur der Ausfluß all dieser Erkenntnisse sind. Wir haben zunächst das Gesetz über den Finanzausgleich. Ich darf es vorausnehmen, um einiges dabei zu erklären. Für denjenigen, der sich für die finanzpolitische Entwicklung und, ich möchte sagen, für Finanzwissenschaft interessiert, ist die Begründung des Gesetzentwurfs — die natürlich nicht aus meiner Feder, sondern aus den Federn meiner Mitarbeiter stammt — eine wahre Fundgrube. Ich möchte allen Damen und Herren des Hauses, die sich für Finanzen, Finanzpolitik und Finanzentwicklung interessieren, dringend empfehlen, diese Gesetzesbegründung wie auch die Drucksache Nr. 3168 zu studieren. Da ich es als selbstverständlich vorausnehme, daß dieser Appell gehört wird, darf ich mich mit der Feststellung begnügen, daß das Finanzausgleichsgesetz den Bundesrat passiert hat und die einstimmige Zustimmung des Bundesrats gefunden hat. Ich darf damit die Hoffnung aussprechen, daß es auch in diesem Hause kein Gegenstand von streitigen Meinungen mehr sein wird.
Ich darf auf etwas, was an diesem Finanzausgleichsgesetz neu ist, besonders hinweisen. Neu ist das Kapital II des Gesetzes. Das Kapitel II dieses Gesetzes enthält neben dem schon gewohnten, in diesem Jahr nur abgeänderten Finanzausgleich unter den Ländern noch einen besonderen Ausgleich, den Ausgleich für Jahre, die weit hinter uns liegen, in denen der Bund noch nicht bestanden hat und in denen es — ich stelle nur eine Tatsache fest, ohne irgendeinen Vorwurf zu erheben — unter den Ländern nicht möglich gewesen ist, in einer freien und freiwilligen Zusammenarbeit einen Ausgleich der Härten zu schaffen, die sich aus dem verwirrten Zustand in der Zeit vor der Bundesrepublik ergeben haben.
- Der Föderalismus besteht darin, daß man keine Gelegenheit versäumt, auf die ethischen Grundlagen des Föderalismus hinzuweisen.
Und die ethischen Grundlagen des Föderalismus bestehen nun einmal in einem freiwilligen Zusammenarbeiten. Insofern ist der Föderalismus eine urgesunde demokratische Idee.
— Es mag eine Demokratie geben, Herr Kollege Schoettle, die auch nicht alle Ideale der demokratischen Idee verwirklicht; es mag einen Föderalismus geben, der auch nicht alle Ideale der föderalistischen Idee von vornherein verwirklicht. Aber der wahre Demokrat wird seiner Überzeugung treu bleiben und wird an der Verwirklichung
seiner Ideale arbeiten, und der wahre Föderalist tut das auch.
Jetzt darf ich auf die Bedeutung des Art. 2 dieses Finanzausgleichsgesetzes zurückkommen. In den Jahren 1945, 1946 und 1947 war es fast ein Zufall, wie sich die Finanzquellen innerhalb des jetzigen Bundesgebietes entwickelt haben. Es konnte ein Land, ohne das bös zu meinen, beispielsweise gewissermaßen ein Monopol in der Form haben, daß die gesamte Tabaksteuer in diesem Lande einging, aber von den Rauchern des gesamten jetzigen deutschen Bundesgebietes bezahlt wurde. Das ist die eine Seite. Die andere Seite war, daß das Kriegsgeschehen und die Kriegsfolgen dem einen Lande, und vielleicht gerade dem, das das Glück solcher besonderen Finanzquellen nicht hatte, besondere Lasten aufgebürdet hat. Ich erinnere nur an die Frage der Heimatvertriebenen, die sich in gewissen und gerade agrarischen Ländern zusammengeballt haben. Es ist ein Verdienst der Länder, daß sie die Aufgaben nach bestem Können zu leisten versucht haben und daß sie das auch über die Möglichkeiten ihrer ordentlichen Einnahmen hinaus getan und deswegen das Risiko einer zum Teil starken Verschuldung auf sich genommen haben.
Ein Ausgleich für diese Verschiedenartigkeit der inneren Verschuldung ist bis heute unter den Ländern nicht erfolgt, war bisher nicht Gegenstand des sogenannten horizontalen Finanzausgleichs. Die Bundesregierung hat sich nun, um einen solchen Ausgleich für diese aus jener Zeit stammende kurzfristige Verschuldung unter den Ländern zu finden, entschlossen, den eigenen Kredit zur Verfügung zu stellen. Das ist der Sinn des Art. 2, in dem der Bund seinen Kredit in Höhe von 100 bzw. 250 Millionen DM zur Verfügung stellt, um langfristige Schatzanweisungen zu ermöglichen. Allerdings ist es so gedacht, daß die Länder im Wege des Art. 106 Abs. 3 insofern abtragen, als die Zinsen und Ausgaben für diese Anleihen als Bundeslast den Ländern bei Anwendung des Art. 106 Abs. 3 angerechnet werden dürfen. Da Art. 106 Abs. 3 ein Zustimmungsgesetz ist, hoffe ich, daß gerade diese Gentleman-Verpflichtung der Länder künftig dazu beitragen wird, den Art. 106 Abs. 3 als innerlich gerechtfertigten Ausgleich zwischen Bund und Ländern begreiflicher zu machen.
Die Wirkung wird sein, daß diese im Wege des Kredits beschafften Mittel in erster Linie den Ländern Baden, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und WürttembergHohenzollern entsprechend ihrer Schlechterstellung in den Jahren vor 1949/1950 und ihrer aus dieser Zeit stammenden starken Verschuldung zur Tilgung der kurzfristigen Verbindlichkeiten zur Verfügung gestellt werden können.
Damit setzt die Bundesregierung ein Bemühen fort, das in ihrer inneren Finanzpolitik ihr ständiges Bemühen war und auch durch ein Gesetz, das erst in der letzten Zeit vom Bundestag und Bundesrat genehmigt worden war und das in den nächsten Tagen im Bundesanzeiger veröffentlicht werden wird, durch das Zerlegungsgesetz, dokumentiert ist. Die Bundesregierung hat sich immer bemüht, das Mißverhältnis zwischen reichen Ländern mit Überschüssen in den Kassen und den armen Ländern mit ständigen Fehlbeträgen möglichst auszugleichen. Die kulturpolitische Aufgabe, die die Länder haben, ist eine Aufgabe, die in allen
Ländern erfüllt werden muß, in armen genau so wie in reichen.
Diese Aufgaben, die die Länder haben, sind gemeinsame Aufgaben für das deutsche Volksganze und müssen deswegen allen Ländern ermöglicht werden.
Es darf unter den Ländern nicht der Fall sein, daß die Kasse des einen zu voll ist, die Kasse des andern nicht voll genug ist und daß deswegen der Steuerzahler in dem einen Land überlastet ist und in dem andern Land vielleicht eine Oase findet. Nicht die Nivellierung unter den Ländern ist das Ziel dieser Politik gewesen, aber ein Spitzenausgleich; daß die Extreme verschwinden und alle zu einer gesunden Lösung kommen, das ist das Ziel dieser Politik des horizontalen inneren Finanzausgleichs, verbunden in letzter Zeit mit dem Zerlegungsgesetz. Daß diese Politik bereits Erfolge gezeitigt hat, beweist sich allein darin, daß die sogenannte Ausgleichsumme, die im Vorjahr noch 287 Millionen DM betragen hat, in diesem Jahre nur mehr 181 Millionen DM zu betragen brauchte. Die Sonderfälle sind zahlenmäßig stark zurückgegangen. Eine Sonderbestimmung war nur mehr notwendig für Schleswig-Holstein, und eine zweite Sonderbestimmung bezieht sich auf die besonderen Verhältnisse in der badischen Stadt Kehl, die dem Lande Baden infolgedessen einen Zuschuß von jährlich 2 Millionen DM für den Wiederaufbau Kehls zur Verfügung stellt.
Nach dem Finanzausgleichsgesetz würden jetzt erhalten: Baden einen Zuschuß von 0,9 Millionen, Bayern von 17 Millionen, Niedersachsen von 30 Millionen, Rheinland-Pfalz von 32 Millionen und Schleswig-Holstein von 109 Millionen DM. Die letzte Ziffer zeigt, daß Schleswig-Holstein eigentlich insofern ein unheilbarer Fall ist, als Schleswig-Holstein mit den normalen Mitteln eines horizontalen Finanzausgleichs nie geholfen werden kann, sondern Schleswig-Holstein immer auf einem außerordentlichen Weg wird mit unterstützt werden müssen. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn im Hause, in der deutschen Öffentlichkeit und gerade bei den steuerschwachen Ländern Verständnis dafür gefunden würde, daß durch diesen horizontalen Finanzausgleich, den j a die Bundesregierung immer vermittelt hat, und das Zerlegungsgesetz, das auch die steuerschwachen Länder begünstigt, und vor allem die Abkehr von dem Interessenquotensystem und den Übergang zu Art. 106 Abs. 3, also Bundesanteil, der sich nach der Steuerkraft berechnet und nicht wie bisher bei der Interessenquote nach der Höhe der politischen und sozialen Belastung im einzelnen Land, gerade die steuerschwachen Länder eine Stärkung erfahren haben und die Differenzen, die bisher kraß in der Finanzkraft der Länder zutage getreten sind, doch haben abgemindert werden können.
Ich möchte dies betonen, weil der weitere Gesetzentwurf über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 — Drucksache Nr. 3168 — mit dem Finanzausgleichsgesetz, mit der Umschuldungsaktion nach Art. 2 des Finanzausgleichsgesetzes und natürlich mit der gesamten Haushaltslage in einem wesentlichen inneren Zusammenhang steht. Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes sieht vor, daß der Bund mit Zustimmung der Länder einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Anspruch nehmen kann, um
die durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben des Bundes zu decken.
Wenn ich das Gesetz nach Art. 106 Abs. 3 zur Anwendung bringe, muß ich also drei Fragen beantworten können. Erstens: in welcher Höhe liegen nicht gedeckte Ausgaben des Bundes vor? Zweitens: können sie durch andere Einkünfte gedeckt werden? Drittens: ist die Inanspruchnahme des entsprechenden Anteils aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Länder auch zumutbar? Die ersten beiden Fragen ergeben sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, die dritte Frage ergibt sich aus einer gerechten, geist- und sinnentsprechenden Auslegung des Gesetzes. Das Zustimmungsrecht ist nicht etwa so zu verstehen — das ist meine Überzeugung —, daß es in der vollen freien Willkür eines einzelnen liege, ob er seine Zustimmung geben wolle oder nicht. Jedes Gesetz und jede Verfassung appelliert an das Gewissen des einzelnen, an seine innere Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit unter Wahrung dessen, was er als sein Recht beanspruchen kann. Es kann und darf die Frage aufgeworfen werden: Ist diese Lösung für mich zumutbar? Aber wenn die Fragen 1 und 2 ergeben, daß es um des Volksganzen willen notwendig ist, dann muß auch das Zustimmungsrecht im Sinne des Ethos gehandhabt werden, also unter ernsthafter, gewissenhafter Überlegung: ist die Grenze des Zumutbaren überschritten oder nicht?
Ich darf nun einmal auf die einzelnen Fragen antworten. Die Entwicklung des Bundeshaushalts für das nächste Jahr ist in Drucksache Nr. 3188 geschildert, allerdings unter Prämissen, die sich in der Zwischenzeit zahlenmäßig notwendigerweise ändern mußten. Ich bitte das Gesetz Drucksache Nr. 3168 nicht mit der Frage des Verteidigungsbeitrages in einen inneren Zusammenhang zu bringen. Auch der Berichterstatter im Bundesrat, Finanzminister Troeger, hat ausdrücklich hervorgehoben, daß ein solcher innerer Zusammenhang oder etwa gar ein politischer Zusammenhang zwischen Verteidigungsbeitrag und diesem Gesetzentwurf nicht besteht.
Er besteht schon aus zwei Gründen nicht. Wir brauchen die Frage, ob Verteidigungsbeitrag oder nicht, deswegen nicht aufzuwerfen, weil wir eine andere Frage ruhig beantworten können. Diese Frage lautet dahin: Wenn der Verteidigungsbeitrag nicht zustande käme, würden die alten Besatzungskosten unter dem alten Besatzungsstatut weiterlaufen? Deswegen würde die Frage des Verteidigungsbeitrages für diesen Gesetzentwurf nur dann eine Rolle spielen, wenn die für das Haushaltsjahr 1952/53 vorgeschlagene Lösung eine höhere Belastung gegenüber der Belastung erbrächte, die unter Geltung des Besatzungsstatuts nach menschlicher Berechnung erwartet werden könnte. Ich habe heute schon darauf hingewiesen, daß die Besatzungsmächte bereits im letzten Haushaltsjahr einen Besatzungshaushalt von 7,6 Milliarden verlangt haben. Ich habe hervorgehoben, daß an sich das formelle Recht besteht, die nicht gedeckten Ausgaben der Vorjahre jederzeit vom deutschen Bundesfinanzminister zu verlangen. Diese Ausgaben, diesen Überhang, habe ich bisher auf 1,3 Milliarden geschätzt. Von der Gegenseite wird mir heute erklärt, diese Schätzung sei zu nieder. Ich mache darauf aufmerksam, daß sich in diesem Überhang, in diesem Betrag nicht gedeckter Ausgaben viele Hunderte, wenigstens 400 Millionen
DM Ausgabenbeträge befinden, von denen wir wünschen müssen, daß sie zur Auszahlung gelangen. Das sind die Besatzungsschäden, angefangen von den Flurschäden und Manöverschäden bis zu den Schäden der Altbesatzungsverdrängten etc. etc. Hier ringen wir schon seit Jahren mit den Besatzungsmächten darum, daß diese Frage endlich einmal nach deutschem Rechtsempfinden und deutschem Rechtsgefühl gelöst wird.
Würde diese Frage nicht von den Besatzungsmächten gelöst, dann würde wahrscheinlich einmal der Zeitpunkt kommen, in dem der deutsche Finanzminister und der deutsche Bundeshaushalt diese Frage lösen müßten. Das ist allein ungefähr ein Betrag von 400 Millionen. Dieser Betrag würde allerdings in dem Moment, in dem es keine Besatzungskosten mehr, sondern einen Verteidigungsbeitrag gäbe, seinem Charakter nach zu dem Verteidigungsbeitrag gehören; er wäre infolgedessen aus diesen Mitteln zu bezahlen, denn es liegt im Sinne des Verteidigungsbeitrags, daß alle fremden Mächte auch die Schäden, die sie im Lande anrichten und zu vergüten haben, aus ihren Mitteln vergüten müssen. Schon unter dieser Voraussetzung wäre also auf der einen Seite mit einem Betrag „Fortdauer der Besatzungskosten" von rund — will ich einmal sagen — 9000 Millionen DM zu rechnen. Ich habe diese Zahl ja auch im vertrauten Kreise schon genannt, bevor die Verhandlungen über den Verteidigungsbeitrag begonnen hatten oder abgeschlossen waren.
Ich darf noch mit einer anderen Rechnung zu genau demselben Ergebnis kommen. Ich habe vorhin erwähnt, daß die monatlichen Besatzungskosten vom März bis zum Ende des Jahres von 350 Millionen auf wenigstens 700 Millionen — ich schätze bedeutend mehr — gestiegen sind wegen Steigerung der Baukosten, wegen Steigerung der Löhne, wegen Verstärkung der Truppen. Diese Tatsachen werden am Ende dieses Jahres nicht aufhören, sondern fortdauern zu wirken. Ich müßte also wohl, wenn mir durch Befehl Besatzungskosten auferlegt würden, damit rechnen, daß sie die Höhe dessen, was wir im letzten Monat gehabt haben, auch in den folgenden zwölf Monaten beibehalten würden. Da 12 X 750 9000 gibt, wäre also mit einer ähnlichen Summe zu rechnen gewesen. Infolgedessen kann diese Frage ausscheiden.
Außerdem darf ich bemerken: man darf bei einer Haushaltsbetrachtung nur davon ausgehen, ob der Finanzminister und die Regierung nach menschlichem Ermessen berechtigt sind, mit einer solchen Ausgabe zu rechnen. Daß sie veranlaßt sind und Grund haben, mit dieser Ausgabe, die in der Drucksache Nr. 3168 mit 8000 Millionen vorgesehen war und heute mit 8800 Millionen einzusetzen ist, zu rechnen, kann füglich niemand bestreiten. Wenn in der Drucksache Nr. 3168 die Zahl 8000 Millionen eingesetzt ist, so brauche ich das dem Hause nicht weiter zu erklären. Nachdem die Drucksache vor Beginn der Verhandlungen erschienen ist, wäre es töricht gewesen, eine höhere Zahl einzusetzen als die unterste Grenze dessen, was erreichbar erschien.
Weiter kommt hinzu: Nachdem die Gesamtsumme für Besatzungskosten plus Verteidigungsbeitrag in diesem Haushaltsjahr mit 8800 Millionen anzusetzen war, ergab sich ein gewisser Spielraum, um vielleicht noch Wünschen Rechnung zu tragen, deren innere Berechtigung anerkannt werden kann. Infolgedessen habe ich damit gerechnet, daß im nächsten Jahr für soziale Ausgaben, insbesondere den Sozialen Wohnungsbau, noch eine Steigerung von weiteren 200 Millionen DM zu erwarten ist. Wenn ich dann noch dazurechne, daß Berlin, das wirtschaftlich ständig einem neuen Dumping und einer neuen Störung aus der Ostzone heraus ausgesetzt ist,
im nächsten Jahr wohl einen um etwa 50 Millionen erhöhten Zuschußbedarf haben wird, und wenn ich dann noch mit gewissen kleineren Ausgaben rechne, dann komme ich also zu dem Bild, daß im nächsten Jahr nicht, wie es in der Drucksache Nr. 3168 auf der Grundlage von 8000 Millionen usw. ausgerechnet war, mit einem Überschuß der Ausgaben über die Einnahmen von rund 1400 Millionen zu rechnen ist, sondern mit einem Überschuß von etwa 2900 Millionen.
Im Laufe von Verhandlungen ist davon gesprochen und geschrieben worden, daß der Bundesfinanzminister dieselbe Sparsamkeitspolitik zu treiben habe, die er von den Länderfinanzministern erwarte. Ich bemerke dazu, um gewisse Irrtümer, die in der Presse aufgetaucht sind, richtigzustellen: Wenn der Bundesfinanzminister infolgedessen nicht in der Lage ist, alle Anforderungen der Ressorts zu erfüllen, die an ihn herangetragen werden, und wenn er davon spricht, daß diese Anforderungen mit all den anderen Ausgaben zusammen einen Überschuß der Ausgaben von 4400 Millionen ergeben würden, er aber dann zur selben Stunde sagt, daß er nicht mit einem Überschuß der Ausgaben von 4400 Millionen, sondern von etwa 2900 Millionen rechne, dann bedeutet das eben, daß er keinen Fehlbetrag von 4400 Millionen DM in Risiko stellen will und — seiner Überzeugung nach — darf, sondern daß er hier betont, er sei gezwungen, eine politische schwere Arbeit zu erfüllen, nämlich an sich wünschenswerte Ausgaben zu streichen, weil sie in der heutigen Situation des Haushalts von Bund und Ländern nicht geleistet werden können.
Ich möchte an dieser Stelle folgendes sagen. Wenn sich ergibt, daß nichtgedeckte Ausgaben in Höhe von 2900 Millionen DM anfallen werden, dann ist die zweite Frage, ob diese 2900 Millionen DM auf anderem Wege als durch Inanspruchnahme des Bundesanteils an Einkommen- und Körperschaftsteuer gedeckt werden können, klar zu beantworten. Ich kann mit der Begründung, daß ich neue Steuern im Lande nur deshalb ausschreibe, weil die eine Kasse zu viel und die andere Kasse zu wenig hat, nicht vor das deutsche Volk hintreten.
Eine solche Finanzpolitik wäre das Fiasko jeder Finanzpolitik in Bund und Ländern zusammen,
und beide würden sie die Verantwortung vor der deutschen Öffentlichkeit schmerzlich zu tragen haben.
Zweitens — ich spreche ganz offen —: Nachdem der Bund ja nur die Umsatz- und Verbrauchsteuern hat, wäre es sozial unverantwortlich, den Bund zu einer Erhöhung von Umsatz- und Verbrauchsteuern zu zwingen,
während der andere aus seinen direkten Steuern heraus, sagen wir einmal, noch mit gewissen Überschüssen rechnen kann.
Das wäre also auch sozial unmöglich.
Die weitere Frage ist dann: kann ich durch Anleihen den Fehlbetrag decken? Die langfristige Anleihe steht mir nicht zur Verfügung. Soweit eine Möglichkeit zu langfristigen Anleihen auf dem Kapitalmarkt vielleicht durch neue Gesetzgebung überhaupt geschaffen werden kann, muß die Anleihe meiner Überzeugung nach in erster Linie außerhalb der öffentlichen Haushalte dem deutschen Wohnungsbau zur Verfügung stehen, indem vor allem die erstrangigen niedrigverzinslichen Hypotheken berücksichtigt werden, die der deutsche Wohnungsbau braucht. Solange diese Frage nicht gelöst werden kann, würden nach meiner Überzeugung die Bundeshaushalte auch nicht in der Lage sein, die Anforderungen auf dem Gebiet des sozialen Wohnungsbaus nach den Wünschen aller zu erfüllen, die an sie gerade mangels solcher Hypothekenmöglichkeiten herantreten.
Des weiteren muß ich ja meinen Kredit für die Umschuldung der Länder zum Teil mit zur Verfügung stellen. Infolgedessen ist es auch unter diesem Gesichtspunkt notwendig, daß die Leistungsfähigkeit und der Kredit des Bundes aufrechterhalten bleiben, damit die Ausgaben des nächsten Jahres auch zugunsten der Länder geleistet werden können. Es ist der Öffentlichkeit vielleicht gar nicht bekannt, daß es manche Länder in Deutschland gibt, bei denen das Erträgnis an allen Bundessteuern und an Soforthilfeabgabe, das im Lande aufkommt, geringer ist als die Leistungen, die aus der Bundeskasse und aus der Soforthilfekasse jährlich in die einzelnen Länder fließen. Wenn ich also dieses Gefüge nicht stören will, muß die Leistungsfähigkeit der Zentrale — erlauben Sie einmal das Wort — aufrechterhalten bleiben.
Wenn der Bund langfristige Verschuldung nicht im Bereich des Möglichen sieht, bleibt nur die Frage der kurzfristigen Verschuldung, mit der wir ja auch in diesem Jahr den Ausgabenüberschuß überwunden haben. Aber immerhin, kurzfristiger Verschuldung ist eine enge Grenze gesetzt, und wenn ich einmal erklärt habe, daß eine neue Steigerung der kurzfristigen Verschuldung um 1500 Millionen DM — im Bundesgebiet, sage ich ausdrücklich — das Höchstmaß dessen ist, was, glaube ich, ohne monetäre Gefahr noch hingenommen werden kann, so ist diese meine innere Überzeugung inzwischen durch die Auskünfte, die ich mir von den maßgebendsten Persönlichkeiten auf diesem Gebiet geholt habe, wesentlich gestärkt worden. Ich halte eine Erhöhung der kurzfristigen Verschuldung ohne monetäre Gefahr für das nächste Jahr über den Betrag von 1500 Millionen DM hinaus für unverantwortlich.
Infolgedessen bleibt uns gar keine andere Möglichkeit — wenn ich keine neuen Steuern erheben will und wenn ich den Ausgabenüberschuß von 2900 Millionen DM mit höchstens 1500 Millionen DM übernehmen kann —, als diesen Weg, den der Gesetzentwurf vorschlägt, zu gehen und den Bundesanteil an Einkommen- und Körperschaftsteuer von 27 auf 40 %, d. h. ich will eine absolute Zahl nennen, um rund 1300 bis 1400 Millionen DM im Jahre zu erhöhen. Ich nenne diese Zahl jetzt absichtlich, weil ich auf die Frage zu sprechen kommen muß: ist es für die Länder zumutbar?
Wir haben auf Grund der Entwicklung, die wir für das nächste Jahr, wie ich glaube, mit gutem Gewissen annehmen können, festgestellt, daß die Länder die gesamten Mehreinnahmen, die sie in diesem Jahr an steuerlichem Mehraufkommen gehabt haben, behalten werden, wenn der Bundesanteil 40 % beträgt. Die Länder haben in diesem Jahr aus den Landessteuern nach der Drucksache Nr. 3168 rund 850 Millionen DM Mehreinnahmen; aber ich kann feststellen, daß die Ländersteuern mit ihrer steigenden Tendenz - nach. dem Bild der letzten Monate — weiterhin günstige Ergebnisse gebracht haben, daß ich mit einem Mehrerträgnis der Steuereinnahmen der Länder im Jahre 1951/52 gegenüber dem Jahr 1950/51 nicht von 840, sondern insgesamt von 1010 Millionen DM rechnen darf. Bei den Gemeinden - Gewerbesteuer — ist das Mehrerträgnis im Jahre 1951/52 gegenüber dem Jahre 1950/51 mit 800 Millionen DM anzunehmen. und nach den letzten Zahlen über das Aufkommen der Gewerbesteuer müssen wir heute für dieses Jahr 975 Millionen DM annehmen.
Die Gemeinden und die Länder haben ein Steuermehraufkommen, das ihnen im vergangenen Jahr eine große Bewegungsfreiheit - ich sage: erfreulicherweise — verschafft hat. Die Tatsache, daß auch die Gemeindefinanzen sich so günstig entwickelt haben, wird den Ländern zumindest die Sorge nehmen, daß sie im nächsten Jahr wie bisher immer mit höheren Finanzzuweisungen an die Gemeinden gegenüber dem Vorjahr zu rechnen haben. Wenn unser Bemühen, Preise und Löhne festzuhalten, Erfolg haben wird, dann werden auch die Ausgaben, die auf personellem Gebiet liegen, für die Länder im Rahmen des Möglichen liegen; denn die Erhöhung des Bundesanteils nimmt den Ländern nicht mehr weg, als sie über das Erträgnis des Jahres 1952 noch hinaus im Jahre 1952/53, also im nächsten Haushaltsjahr, zu erwarten hätten. Die Steuereinnahmen der Länder betragen um etliche gute Millionen schon nach den ersten Schätzungen des Januars in der Drucksache Nr. 3168 mehr, als die Erhöhung des Bundesanteils betragen würde. Die Gesamtsituation der Länder sollte sich nach den Berechnungen vom Januar mit der starken Steigerung der Steuereinnahmen um 200 Millionen auch bei einem Bundesanteil von 40 % gegenüber dem Vorjahr günstiger stellen. Ich kann heute erklären, daß — wir werden das mit den Ländern nachprüfen - die Ländereinnahmen auch bei einem 40%igen Bundesanteil im nächsten Jahr um rund 400 Millionen höher sein werden, als sie im Jahre 1951/52 mit seinen gesteigerten Einnahmen gewesen sind.
Da wir gleichzeitig das Bemühen hatten, durch Zerlegungsgesetz, Finanzausgleichsgesetz und so fort zwischen den steuerschwachen und den steuerstarken Ländern ein besseres Gleichgewicht herzustellen, dürfen wir auch die Frage, ob einzelne Länder besonders schwer betroffen werden, als beantwortet betrachten.
Ich glaube also mit ehrlichem Gewissen vor .der deutschen Öffentlichkeit sagen zu können, daß diese Mehrbelastung von 13 %, die aus einem Einkommen- und Körperschaftsteueraufkommen von rund 10 000 Millionen im nächsten Jahr also mit rund 1300 bis höchstens 1400 Millionen DM zu errechnen ist, den Ländern nicht nur den Stand
des Jahres 1951/52, sondern noch darüber hinaus eine gewisse Manövriermöglichkeit läßt. Damit ist diese Lösung für die Länder nach meiner ehrlichen Überzeugung zumutbar.
Wenn die Länder auf der anderen Seite zugeben müssen, daß der Bund in einer Lage ist, in der es notwendig ist, diese Einnahmen zu schaffen, und sie wohl zugeben müssen, daß die Überwindung der außenpolitischen Schwierigkeiten, die Erhaltung des Friedens in der Welt, die Erhaltung des inneren sozialen Friedens im deutschen Volk — was sich beides in Zahlen des deutschen Bundeshaushalts ausdrückt — dem Volksganzen zugute kommt, dann darf ich auch zum Schluß sagen: wenn ich diesen Gesetzentwurf vertrete, vertrete ich ihn gar nicht, weil ich an irgendeine Organisationsform des deutschen Volkes denke, ich denke nicht in Länderbegriffen, ich denke nicht in Bundesbegriffen — ich denke in Begriffen des deutschen Volkes. Die Frage, ob der äußere Frieden, die Frage, ob der innere soziale Frieden erhalten werden kann, die Frage, ob wir das leisten können in finanzieller Gerechtigkeit und ohne neue Belastung der schon überbelasteten deutschen Wirtschaft durch Steuern, — das ist eine Frage, die jeden einzelnen im deutschen Volk angeht,
eine Frage, die das Volksganze berührt. Das Volksganze wohnt in elf Ländern und in einem Bund. Nicht die elf Länder und nicht der Bund sind entscheidend, das Wohl des Volkes ist entscheidend!
Der Bund hat durch seine Gesetzgebung nach meiner Überzeugung bewiesen, daß er gerade auch hier völlig loyal den Ländern gegenübergetreten ist. Er hat nicht vorgeboten; er hat nicht mehr verlangt, als er unbedingt braucht. Er hat aus freien Stücken auf die Leistungsfähigkeit der Länder hingewiesen, weil das Volk in den Ländern genau so wohnt, wie es im Bund wohnt, und jedes seine Aufgaben zu erfüllen hat. Aber ich möchte den Appell an die deutschen Länder und den Appell an das deutsche Volk richten, diese Fragen in gegenseitiger Loyalität wirklich zu lösen und die gestellten Aufgaben zu erfüllen. Es ist nie leicht, einem anderen begreiflich zu machen, daß er von dem Geld, das er hat, aus der Kasse, auf der er sitzt, etwas abgeben soll an eine andere Kasse oder an einen anderen Geldverwalter, aber wir sollten uns allmählich von diesem Denken freimachen. Wenn wir uns alle als Sachwalter des deutschen Volkes fühlen, dann werden wir alle um des deutschen Volkes willen zu einer Lösung der Gerechtigkeit und einer Lösung der Vernunft in diesem Falle kommen.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Decker.
Ich möchte nicht zu den ganzen Etatsfragen Stellung nehmen, sondern lediglich zu der Frage des Anteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Die Fraktion der Bayernpartei hat in der 157. Sitzung
— ja, damals war es noch die Fraktion der Bayernpartei — einen Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Höhe von 27 % abgelehnt. Sie war sich damals völlig klar daüber, daß diese Forderung nur ein Anfang zu
einer weiteren Inanspruchnahme der Länder zur Finanzierung des Bundes sein würde. Unsere Befürchtungen von damals haben sich als durchaus begründet erwiesen. Heute stehen wir vor der Forderung von 40 %, und es ist gar nicht schwer auszurechnen, wie lange der Herr Bundesfinanzminister mit der Verdauung dieses Brockens beschäftigt sein und wann der Appetit auf einen noch größeren Brocken kommen wird.
Wir sind es schon gewohnt, daß der Herr Bundesfinanzminister erklärt, der Bund sei mit seinen Finanzen am Ende; wir erinnern an die berühmte Drucksache Nr. 1000. Allerdings haben wir auch das Gegenteil gehört, z. B. bei Fragen der Finanzierung der Wiederaufrüstung. Die Darstellung der Finanzlage des Bundes ist durch diese Erklärung so verschleiert worden, daß sie allmählich dem verschleierten Bild von Saïs gleicht und nur der Finanzminister selber noch in der Lage ist, diesen Schleier zu lüften; hoffentlich nicht mit den Folgen, wie sie in der Ballade geschildert sind.
Wir wollen das Problem nur von der Seite der Länder betrachten. Für diese ist die Einkommen- und die Körperschaftsteuer die Haupteinnahmequelle; sie ist für sie die Grundlage ihrer staatlichen Existenz. Nun wird behauptet. daß die Kommunen — und mit gewissen Einschränkungen die Länder — eine sehr günstige Entwicklung ihres Steueraufkommens zeigen. Nehmen wir an, es ist so; dann kann doch nicht daraus allein die Forderung hergeleitet werden, daß ein solcher eventueller Mehrbetrag unbedingt an den Bund abgegeben wird. Denn die Länder haben ja einen Großteil ihrer Aufgaben noch nicht erfüllen können, weil sie hierfür die finanzielle Deckung noch nicht gehabt haben. Ein erhöhtes Steueraufkommen setzt die Länder ja überhaupt erst in die Lage, ihren finanziellen und kulturellen Verpflichtungen und auch noch anderen Aufgaben nachzukommen. Sollte aber der Bund infolge einer übermäßigen Anzahl von Aufgaben gezwungen sein, auf die Finanzen der Länder zurückzugreifen — und der Herr Finanzminister hat ja selbst darauf hingewiesen, daß eine gewisse Gefahr der Erstickung des Bundes an der Zahl seiner Aufgaben besteht —, dann können wir nicht verstehen, warum weiterhin eindeutig den Ländern zustehende Aufgaben, z. B. auf dem Gebiete der Kulturhoheit, nach und nach durch den Bund weggenommen werden sollen. Wir sind auch der Ansicht, daß es nicht richtig ist, wenn der Bund ein tatsächliches Defizit dadurch versteckt, daß er die Länder und die Kommunen in Anspruch nimmt und sie hindert, ihre Aufgaben zu erfüllen. Ich möchte auf den großen Bereich von Aufgaben — Straßenbau, Zustand der Schulhäuser — hinweisen. Wir dürfen es keinesfalls so machen, daß wir mit Einsparungen an den Schulhäusern die Kasernen finanzieren.
Wir halten es für besonders gefährlich,
daß durch solche Maßnahmen ein falscher Eindruck über die Inanspruchnahme der von den Steuerzahlern aufgebrachten Beträge durch den Bund, durch die Länder und die Kommunen entsteht. Die Ansprüche des Bundes an den Steuerzahler müssen als Ansprüche des Bundes in Erscheinung treten, genau so wie die Ansprüche der Länder und der Kommunen als solche kenntlich sein
müssen. Wenn der Herr Finanzminister früher einmal erklärt hat: Man darf die Kuh nicht so lange melken, bis Blut kommt, dann gilt ebenso, daß man auch nicht andere als Hilfsmelker beauftragen darf, so lange zu melken.
Wir lehnen es also ab, daß die Bundeslasten getarnt werden und letzten Endes beim Steuerzahler als Lasten erscheinen, die die Länder und Kommunen auferlegen. Gerade hier, möchte ich sagen, zeigt sich eine Tragödie, nämlich die Tragödie des lauwarmen Föderalismus,
und Länder, die keine Finanzhoheit und keine Steuerquellen mehr haben, sind gewöhnliche Provinzen. Das ist der Grund, warum wir die Vorlage konsequent und strikt ablehnen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hat uns heute einen Nachtragshaushalt und eine Ergänzung hierzu vorgelegt, die beide zusammen eine zusätzliche Belastung für die deutsche Bevölkerung in Höhe von 5,7 Milliarden DM ausmachen. Der Herr Bundesfinanzminister hat zwar eine sehr lange Rede gehalten,
aber er hat es geflissentlich versäumt, uns die entscheidende Begründung für diese unglaublich hohe Nachforderung vorzulegen; er hat es versäumt, eine wirklich politische Begründung vorzulegen. Er hätte sonst sagen müssen, daß diese Nachforderung in Höhe von fast 6 Milliarden DM entstanden ist, entstehen mußte als Folge der von der Bundesregierung betriebenen Politik der Fortsetzung des Besatzungsregimes um fünf Jahrzehnte, der Politik der Vorbereitung einer massiven Aufrüstung, der Politik der sogenannten europäischen Integration, d. h. der Unterstellung Westdeutschlands unter die amerikanische Aggressionspolitik. So hätte eigentlich die Begründung des Herrn Bundesfinanzministers für seine Nachforderungen lauten müssen;
denn seine Nachforderungen stellen im wesentlichen einen Militärhaushalt dar.
An der Gesamtsumme von 5,7 Milliarden DM haben die sogenannten „Verteidigungslasten", die nun diesen schönen neuen Titel erhalten haben, nachdem sie bis vor kurzem schlicht und offen Besatzungskosten hießen, einen Anteil in Höhe von
3 058 000 000 DM. An der Nachforderung ist die sogenannte Dienststelle Blank mit einem Betrag von 423 000 DM beteiligt. Neben der Anforderung für die 131er in Höhe von 767 Millionen DM ist das Auswärtige Amt mit einem Sonderbetrag von
4 Millionen DM beteiligt, der allein dadurch zu erklären ist, daß die Erfordernisse der Unterstellung Westdeutschlands unter die amerikanische Aggressionspolitik erfüllt werden müssen.
Das Innenministerium nimmt mit einem Aufwand von 25 Millionen DM Anteil, worunter so interessante Posten figurieren wie Aufwendungen für den Luftschutz in Höhe von 610 000 DM oder die Anforderungen für die Bereitschaftspolizei, für den Bundesgrenzschutz und andere Bedürfnisse des Herrn Dr. Lehr für seinen Kalten Krieg.
Schließlich muß man zu diesem Thema auch noch die Aufwendungen für den Europarat in Höhe von l05 000 DM zählen. Wir können auch diese Institution als nichts anderes betrachten als die politische Tarnung für die amerikanische militärische Strategie auf europäischem Boden.
Diese Summen zusammengezählt ergeben also, daß von den Nachforderungen des Herrn Schäffer insgesamt 70 Millionen DM auf militärische Faktoren bzw. auf solche Faktoren entfallen, die durch die amerikanischen Aggressionstendenzen hervorgerufen werden.
Die Nachforderung in der Höhe von fast 6 Milliarden DM ist hoch genug; aber wir können unschwer voraussagen, daß sie nur einen Anfang weiterer erheblicher Belastungen darstellt, wenn der Politik der Bundesregierung nicht Einhalt geboten wird. Wir erinnern uns, daß der Bundesfinanzminister vor kurzem erklärt hat, er komme, um die Anforderungen der amerikanischen Behörden für den Verteidigungsbeitrag erfüllen zu können, ohne neue Steuern aus. Aber kaum hatte der Hahn ein paarmal gekräht, da war diese weise Prophezeiung des Herrn Finanzministers schon überholt, und es ist ein ganzes Bukett von neuen Steuern angekündigt worden, darunter auch die berühmte „Bürgersteuer", die nur einen Teil des von ihm vorausgesagten Defizits von 2,8 Milliarden DM decken soll. Heute schreiben wir den 20. März. Ich will einmal sehen, wie lange es dauert, bis auch diese Zahl von 2,8 Milliarden DM des voraussichtlichen Defizits überholt ist. In der bayerischen Heimat des Herrn Finanzministers werden ja bereits andere Zahlen genannt. Ich erinnere mich an die dort vorausgesagte Zahl von 4,4 Milliarden DM für das voraussichtliche Defizit.
Noch einige Bemerkungen im einzelnen. Als sich der Bundestag am 26. April des vergangenen Jahres mit den Besatzungskosten beschäftigte, hat eine Entschließung vorgelegen, in der sich fast alle Parteien dieses Hauses dahin ausgesprochen haben, daß sie die Verantwortung für die Besatzungskosten nicht übernehmen könnten, weil ihnen kein Einblick in die Einzelheiten der einzelnen Posten gegeben werde; sie könnten also weder mit Ja noch mit Nein stimmen, sondern müßten diese Forderungen als alliiertes Diktat hinnehmen. Ich
weiß nicht, warum für die heutige Beratung nicht eine gleiche Entschließung der gleichen Parteien vorliegt. Vielleicht darum, weil die Besatzungskosten von damals heute unter dem Namen Verteidigungslasten figurieren, oder vielleicht darum, weil man sich in der Zwischenzeit zu der prinzipiellen Anerkennung des Okkupationsregimes hindurchgemausert hat? Leider können wir zu dieser Frage im Augenblick keinen Antrag stellen. Ich bin aber gespannt, ob die Parteien, die in offener oder versteckter Form für den Wehrbeitrag eingetreten sind, den Mut haben, in der gleichen Weise auch für diese sogenannten Verteidigungslasten, die eine zusätzliche Belastung von über 3 Milliarden DM ausmachen, einzutreten. Ich bin gespannt, ob sie das Manöver vom April des vergangenen Jahres wiederholen werden, wo sie dem Volke weismachen wollten, daß sie an der Verantwortung für diese ungeheuerlichen Summen nicht teilnähmen.
Eine andere Bemerkung. Der Herr Finanzminister hat uns kein Wort darüber berichtet, welches Ergebnis seine Verhandlungen in Paris über den finanziellen Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik gehabt haben.
— Ich glaube, daß es doch zur Diskussion steht, wenn man über die finanzpolitischen Perspektiven der Bundesrepublik hier ein anderthalbstündiges Referat hält. Der so redselige Dr. Hallstein hat hier etwas mehr ausgesagt. Am 27. Februar — ich will annehmen, daß er sich symbolischerweise dafür den Aschermittwoch ausgesucht hat — hat er eine Pressekonferenz abgehalten, in der er mitgeteilt hat, am Tage zuvor, also am FaschingsdienstagNachmittag, sei ein Abkommen endgültig geworden, wodurch sich die Bundesrepublik zur Leistung eines finanziellen Verteidigungsbeitrags in Höhe von 111/4 Milliarden DM verpflichtet habe. Herr Dr. Hallstein hat erklärt, das Abkommen sei durch ein Telephongespräch endgültig geworden, das Mr. McCloy von Mehlem aus mit Mr. Acheson in Lissabon zwischen 14 und 15 Uhr eben an diesem bewußten Faschingsdienstag-Nachmittag geführt habe.
Die Einigung — so sagte Herr Dr. Hallstein — bedürfe noch — wie großzügig! — der Ratifizierung durch den Bundestag; sie werde diesem mit dem Generalvertrag und den Annexverträgen zugeleitet werden. Ja, meine Damen und Herren, ich frage: Wenn es im Zeichen der Gleichberechtigung so weit ist, daß Milliardenbeträge, also nach den Ausführungen des Herrn Schäffer zwei Drittel des Aufkommens an Bundessteuern, sozusagen durch Telefongespräche zwischen zwei amerikanischen Herren abgemacht werden, wozu haben wir dann hier überhaupt noch eine Debatte über einen Nachtragshaushalt? Ist das nicht eine lächerliche Farce? Warum hat Herr Schäffer über diesen Teil seiner finanziellen Verpflichtungen hier nichts ausgesagt? Warum hat er in seiner Begründung für neue Schröpfungen, die er an den Finanzen der Länder vornehmen will, nicht gesagt, daß er hierzu nicht etwa einseitig durch ein Diktat der Amerikaner gezwungen wurde, sondern daß er großzügigerweise, ohne den Bundestag zu fragen. zu diesem Diktat bereits seine Unterschrift gegeben hat? Wer eine friedliche Lösung des deutschen Problems und der europäischen Lebensfragen will, muß diesen Finanzbeitrag ablehnen und muß darum auch diesen Nachtragshaushalt ablehnen.
Ein Wort noch zur sogenannten Dienststelle Blank. Dieser Spezialbeauftragte des Herrn Dr. Adenauer steht in dieser Drucksache, die uns heute hier vorliegt, immer noch unter dem harmlosen Titel „Der Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen". Ich weiß nicht, ob man die alten Stehsätze aus Sparsamkeit noch verwenden wollte oder aus welchem Grund man sonst eine solche lächerliche Irreführung der Öffentlichkeit betreibt. Herr Blank selber ist bereits über diese überholte Fiktion hinweggegangen. Er hat in seiner Rede vom 19. Januar 1952 erklärt, daß er seit anderthalb Jahren mit ganz anderen Dingen beschäftigt ist, als sie ihm seinerzeit aufgetragen worden sind und als es dem offiziellen Titel seines Amtes entspricht. So sehen wir, daß in dem Nachtragshaushalt, der uns hier vorliegt, ein rundes Sümmchen von 423 000 DM für das famose Amt Blank ausgeworfen ist, wovon allein 222 000 DM Personalkosten ausmachen, während 84 000 DM unter irgendwelchen Geheimtiteln stehen.
Nun, es geht ja nicht allein um diese 423 000 DM; es geht auch um die Grundsatzfrage: Wer hat Herrn Blank berechtigt, eine solch rigorose Erhöhung seines Personalbestands durchzuführen, mit dem er Arbeiten verrichtet, über deren Zulässigkeit dieses Haus überhaupt noch nicht entschieden hat? Wer gibt Herrn Blank das Recht, gewaltige, umfassende, globale Pläne mit ganzen Kompanien von Personal und Hilfspersonal auszuarbeiten, wo doch noch gar nicht klar ist, ob das Volk einen sogenannten Wehrbeitrag überhaupt zulassen wird?
Wir verwahren uns mit aller Entschiedenheit gegen
eine solche Politik der Schaffung vollendeter Tatsachen. Es geht nicht allein um die 423 000 DM,
sondern es geht darum, daß mit der Ausgabe dieser 423 000 DM die Ausgabe eines hundert- und tausendfach so hohen Betrages vorbereitet werden soll und daß durch diese Planung die Tatsachen bereits vorweggenommen werden, über die dieses Haus erst entscheiden soll.
In dem Ergänzungsmaterial zum Ersten Nachtrag wird eine Summe von 4 Millionen DM für das Auswärtige Amt verlangt. Darunter befindet sich unter Tit. 45 ein neuer Posten, nämlich der Betrag von 1 Million DM für geheime Ausgaben. In der Erläuterung dazu wird gesagt: Glaubt ja nicht, daß das für das ganze Jahr ist! Nein, nein, das wollen wir mal erst für drei Monate haben! — Man muß danach annehmen, daß dieser Geheimfonds für das ganze Jahr berechnet die Summe von 4 Millionen DM ausmacht.
Ich denke, daß sich die Bundesregierung hier sozusagen einen symbolischen Ausdruck für ihre ganze Außenpolitik hat leisten wollen. Ich denke, mit dieser Feststellung eines geheimen Titels soll gesagt werden, daß die ganze Außenpolitik nichts anderes als eine Geheimniskrämerei ist, über die man dem Bundestag und dem Volk keine Auskunft erteilen will.
Herr Dr. Hallstein hat ja in der letzten Zeit sehr viel von sich reden gemacht. Er hat — ausgerechnet
auf amerikanischem Boden — erklärt, sein höchstes Ziel bestehe darin, sein Europa durch Eroberung bis zum Ural hin zu erweitern.
— Er hat es sinngemäß so gesagt. Was in Wirklichkeit damit gemeint ist, meine Herren von der CDU-Fraktion, hat Ihr eigener Parteichef in Siegen doch besonders unterstrichen.
Denn was soll denn die Darstellung anders heißen als die gewaltsame Eroberung des europäischen Ostens, wenn man den alten Hitlerbegriff von der „Neuordnung Osteuropas" wieder aufgreift
und diese Sache noch dazu als eines der wesentlichsten Ziele der Bundespolitik darstellt?!
Herr Hallstein ist nicht der Verantwortliche; er ist ein kleines blasses Professorlein, das sich der Bundeskanzler ausgesucht hat, um die erforderlichen Paragraphen zu beschaffen für die selbstherrliche Politik, die der Herr Bundeskanzler auch im auswärtigen Sektor durchzuführen gedenkt.
Aber an den Namen Hallstein knüpft sich nicht bloß der Begriff der Wiederaufnahme der alten hitlerischen imperialistischen Eroberungspolitik, sondern an den Namen Hallstein knüpft sich jetzt auch der Begriff der Sabotage der Vorschläge, die soeben von der Regierung der Sowjetunion für die Herbeiführung eines Friedenvertrages formuliert worden sind. Das Volk und alle vernünftigen und weitblickenden Menschen wollen auf diesen Vorschlag der Sowjetregierung eingehen. Sie wollen darum darauf eingehen, weil sie in ihm die einzige reale Möglichkeit sehen, den Frieden für unser Volk und für Europa zu wahren, und weil sie darin auch die einzige Möglichkeit sehen, unserem Volk künftighin solche Nachtragshaushalte, solche Milliardenbelastungen zu ersparen und mit den Geldern, die aus den Steuergroschen unserer Bevölkerung herausgeholt werden, vernünftige Arbeit, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aufbauarbeit zu leisten.
Aus diesen Gründen, weil der Etat nur ein Hilfsinstrument der aggressiven Politik der Bundesregierung ist, lehnen wir den Nachtragshaushalt ab. Er ist ein typischer Haushalt der Adenauer-Politik, ein Haushalt der Friedensstörung, ein Haushalt der Katastrophenpolitik.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nicht mit dem Herrn Vorredner beschäftigen.
Moskau und dessen Schallplattenindustrie liegen mir zu fern.
Ich möchte mich mit etwas beschäftigen, was mir näher liegt,
und das ist mein bayerischer Landsmann, der Sprecher der FU, wie es jetzt heißt.
Er hat mir gegenüber den Vorwurf erhoben, ein lauwarmer Föderalist zu sein. Da war wohl i c h gemeint. — Herr Kollege Dr. Decker, Sie haben ein Riesenglück, daß Sie das im Bundestag ausgesprochen haben, wo ich an die Formen des Parlaments, besonders von der Regierungsbank aus, gebunden bin.
Ich hätte es Ihnen in Rosenheim weniger empfohlen, den Ausdruck zu gebrauchen.
Ich will den Ausdruck aber nun einmal von der günstigeren Seite nehmen. Sie meinen, daß ich nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit dem Verstande meine Ziele verfolge. Der Verstand ist etwas Kühles. Der Unterschied ist nicht zwischen dem lauwarmen und dem warmen Föderalisten, der Unterschied ist zwischen dem klugen und dem törichten Föderalisten!
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute über mehrere Gesetzentwürfe, die ihrer Natur nach, wie der Herr Bundesfinanzminister richtig gesagt hat, zusammenhängen. Zwei Haushaltsvorlagen, der Nachtrag zum Haushalt 1951 und die Ergänzung dazu, sollen das Bild der Haushaltsgesetzgebung in dem nun zu Ende gehenden Haushaltsjahr komplettieren.
Der Zeitpunkt der Beratung ist bemerkenswert. Wenn es mit rechten Dingen zuginge, müßten wir eigentlich bereits den Haushaltsplan für 1952 verabschiedet haben. Ich kann den etwas gewundenen Begründungen, die der Herr Bundesfinanzminister für den anomalen Zustand der Haushaltsgesetzgebung vorgebracht hat, nicht folgen. Es ist die Lesart des Herrn Bundesfinanzministers, und er wird zugeben, daß es auch eine andere mögliche Lesart gibt. Nicht zuletzt sind wir deshalb in der jetzigen Situation, weil die Pläne, die der Herr Bundesfinanzminister im Laufe dieses Haushaltsjahres für den Ausgleich seines Haushalts entwickelt hatte, von seiner eigenen Mehrheit in diesem Haus nicht akzeptiert worden sind. Denn schließlich — wir finden die Spuren noch jetzt im Nachtrag — hat der Bundesfinanzminister ja einmal geplant, eine Aufwandsteuer mit einem Ertrag von 100 Millionen DM und eine Autobahnbenutzungsgebühr mit einem Ertrag in derselben Höhe einzuführen.
Sie sind noch jetzt im Haushalt veranschlagt. Ich nehme aber an, daß der Herr Bundesfinanzminister mit mir der Meinung ist, daß diese Pläne bereits politisch gescheitert sind.
Ich weiß nicht, warum die Spuren hier nicht ausgetilgt worden sind.
— Ich werde mich jetzt nicht mit Zwischenrufen von Ihnen, Herr Kollege Renner, beschäftigen können; es tut mir außerordentlich leid!
Meine Damen und Herren, wir haben gegenwärtig einen Zustand der Haushaltsgesetzgebung, der alles andere als erfreulich ist. Wir bereiten jetzt die Beschlußfassung über Haushaltssummen von rund 5,7 Milliarden DM in Nachtrag und Ergänzung vor. Ich darf aber vielleicht doch das Haus darauf aufmerksam machen, worüber wir eigentlich beraten, denn es ist eine Tatsache, die den wenigsten Abgeordneten dieses Hauses bekannt ist. Ich mache nämlich darauf aufmerksam, daß vom ersten Nachtrag, der uns jetzt vorliegt, die dort veranschlagten Mittel bereits fast vollständig vom Haushaltsausschuß vorwegbewilligt worden sind
und daß die Ergänzungsvorlage ebenfalls zu 40 bis 50 % bereits durch Vorwegbewilligungen konsumiert worden ist. Aus diesen Feststellungen mögen Sie ersehen, in welchem Umfang durch die jetzige Methode das Budgetrecht des Hauses praktisch aufgehoben wird.
Es ist doch ein unmöglicher Zustand, daß ein Ausschuß auf der Grundlage der vorläufigen Haushaltsgesetzgebung für eine lange, lange Periode Ausgaben bewilligt, zu deren Bewilligung wirklich eine ernsthafte Auseinandersetzung in der vollen Öffentlichkeit notwendig wäre.
Das belastet diesen Ausschuß mit einer Verantwortung, die er auf die Dauer einfach nicht zu tragen vermag.
Wenn die Dinge so weitergehen, wie sie sich jetzt anlassen, wird es allerdings auch im kommenden Haushaltsjahr nicht viel besser werden.
Schließlich gehört in den Zusammenhang dieser Gesetze, die wir heute in erster Lesung beraten, auch das vom Herrn Bundesfinanzminister bereits erwähnte Gesetz über den — wie heißt der neue technische Ausdruck? — „Wiederholungshaushalt" für 1952. Ja, wie ist es denn damit? Der Herr Bundesfinanzminister kann, wenn er als Ausgangspunkt den bereits beschlossenen Haushalt 1951 und die uns jetzt vorliegenden Entwürfe für Nachtrag und Ergänzung nimmt, doch nur einen Haushalt vorlegen, der lediglich einen Teil der im Haushaltsjahr 1952 nach seinen eigenen Vorstellungen und nach den Vorstellungen der Bundesregierung anfallenden Bundesaufgaben wiedergibt. Wir werden also im Laufe des kommenden Haushaltsjahres wieder mit Nachträgen und mit Ergänzungen zu rechnen haben, wir werden wahrscheinlich die entscheidenden Belastungen wieder im Wege der Vorwegbewilligung oder irgendeiner anomalen Prozedur zu erledigen haben.
Meine Damen und Herren, als der Herr Bundesfinanzminister — ich will mich jetzt im Augenblick an die haushaltspraktischen Dinge halten — vor einigen Wochen mit dem Gedanken der Überrollung des Haushalts 1951 auf das nächste Haushaltsjahr kam, habe ich mir einen Augenblick überlegt, daß das eigentlich eine ganz vernünftige Sache wäre. Man hätte dann wenigstens einen ordentlichen Haushalt. Ich muß sagen, nach den verschiedenen Schwenkungen, die der Herr Bundesfinanzminister in der letzten Zeit, im Laufe von acht oder zehn Tagen, in der Beurteilung des Finanzbedarfs des Bundes vorgenommen hat, bin ich von der Auffassung abgekommen, daß man ihm auf diesem Wege folgen darf. Meine Fraktion ist der Meinung —und sie wird das in ihrer praktischen Haltung auch bestätigen —, daß wir dem Herrn Bundesfinanzminister unter keinen Umständen die Möglichkeit geben sollten, im Wege der einfachen Überrollung des Haushalts 1951 zu einer nur quasi normalen Haushaltsgesetzgebung zu kommen; denn daß sie normal ist, könnte kein Mensch behaupten.
— Wir schlagen vor, daß sich der Herr Bundesfinanzminister die hoffentlich inzwischen sehr weit gediehenen Vorbereitungen für den Haushalt 1952 zunutze macht und so schnell wie möglich dem Hause einen Haushalt vorlegt.
Ich glaube, daß das möglich ist. Es ist nicht einzusehen und wahrscheinlich auch gar nicht richtig, anzunehmen, daß im Bundesfinanzministerium und in den Ressorts plötzlich alles stillgestanden ist, nachdem sich der Herr Bundesfinanzminister entschlossen hat, keinen zweiten Nachtrag einzubringen und zu warten, bis er mit seiner Ergänzungsvorlage kommen konnte. Ich nehme an, daß die Dinge alle weiter gegangen sind und daß — das sollte eigentlich der normale Zustand sein — die Erhebungen des Finanzministeriums bei den Ressorts ihren Weg genommen haben, so daß man durchaus in der Lage wäre, nun mit größter Beschleunigung einen normalen Haushalt vorzulegen, wobei sicher noch eine Reihe von Dingen außer Betracht bleibt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das an sich technisch und sachlich gut geleitete Bundesfinanzministerium — das haben wir immer anerkannt — nicht in der Lage sein sollte, einem solchen berechtigten Wunsch des Parlaments zu entsprechen.
Der Bundesfinanzminister hat hier eine Rede gehalten, die von seinem Standpunkt und vom Standpunkt seiner Politik aus sicher ausgezeichnet war. Es ist unmöglich, in diesem Augenblick, unmittelbar nach der Rede, dem verschlungenen Zahlenwerk zu folgen, das er vor uns ausgebreitet hat und mit dem er beweisen wollte, daß die Länder sehr wohl in der Lage seien, der an sie gerichteten Forderung nach einer Ablieferung von 40 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer an den Bund nachzukommen. Die Länder sind offenbar anderer Meinung, und zwar einheitlich. Es ist doch erstaunlich, daß ohne Rücksicht auf die politische Farbe der einzelnen Länderregierungen im Bundesrat einstimmig der Beschluß gefaßt worden ist, zu der Frage, die der Herr Bundesfinanzminister an die Länder gerichtet hat, erst dann Stellung zu nehmen, wenn dieser einen Haushaltsplan für 1952 vorlegt. Meine Fraktion ist der Meinung, daß in diesem Falle der Bundesrat und die Länder durchaus richtig gehandelt haben. Wir werden unsere
Haltung in dieser Frage auch nach dieser Auffassung orientieren.
Aber man sollte doch nicht so tun, als ob das, was der Herr Bundesfinanzminister von den Ländern fordert, gar nichts mit dem, was man gemeinhin den finanziellen Verteidigungsbeitrag nennt, zu tun habe. Der Herr Bundesfinanzminister hat einen der Länderfinanzminister — zufällig einen Sozialdemokraten — zitiert. Ich will nicht über die Richtigkeit seines Zitats streiten. Ich nehme an, daß er das ungefähr so interpretiert hat, wie es im Bundesrat gesagt worden ist. Ich jedenfalls halte mich an die Begründung, die der Herr Bundesfinanzminister selbst dem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 3168 gegeben hat. Da steht doch klar und deutlich zu lesen:
Für das Rechnungsjahr 1952 ist die Aufstellung eines außerordentlichen Haushalts nur insoweit noch vertretbar, als der Eingang außerordentlicher Deckungsmittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann. Der im wesentlichen aus Steuermitteln zu deckende Finanzbedarf des Bundes wird im Rechnungsjahr 1952 entscheidend durch die Höhe cies von der Bundesrepublik Deutschland zu leistenden Verteidigungsbeitrages bestimmt.
Man sollte doch die Dinge beim Namen nennen und sich auch nicht darauf hinausreden, daß an die Stelle des Verteidigungsbeitrags, wie er hier verstanden worden ist, moglicherweise, nämlich wenn die Verhandlungen darüber nicht zu einem Ende geführt werden könnten, die Besatzungslasten träten bzw. daß sie blieben. Ich halte es für wahrscheinlich, daß die Besatzungslasten beim Finanzbedarf des Bundes noch geraume Zeit eine erhebliche Rolle spielen werden. Aber schließlich haben wir in den vergangenen Jahren ja nicht nur immer wieder darüber geseufzt, daß die Besatzungslasten hoch sind, sondern haben auch immer und immer wieder offen ausgesprochen, daß sie ungerechtfertigt hoch, daß sie in einer Weise hochgeschraubt sind, die man sich nur erklären kann, wenn man annimmt, daß richtig ist, was dieser Tage im amerikanischen Kongreß von einem amerikanischen Abgeordneten über andere amerikanische Bauvorhaben, über solche in Nordafrika gesagt worden ist; er erklärte, daß dort Korruption und Verschwendung an der Tagesordnung seien. Der Mann hat verlangt, daß diese Bauten eingestellt werden, bis eine Überprüfung stattgefunden hat. Ja, meine Damen und Herren, wenn wir gewisse deutsche Erfahrungen auf diesem Gebiet heranziehen, können wir gar nicht anders sagen, als daß die Besatzungslasten, so wie sie heute sind, keinerlei Rechtfertigung im Beatzungszweck haben. Vor allem sind sie auch nicht auf Grund von sauberen Methoden der Errechnung des notwendigen Besatzungsbedarfs zustande gekommen.
Man kann das in amerikanischen Zeitschriften selber nachlesen. Dieser Tage ist durch die europäische Presse ein Artikel aus News Week gegangen — jeder kann ihn in der Übersetzung in deutscher Sprache lesen —, in dem dargestellt wird, wie ein amerikanischer mittlerer Besatzungsbeamter vom zivilen Dienst im „goldenen Ghetto" in Godesberg einzieht, wie er da empfangen wird, welchen Luxus er da genießt. Das ist mit Recht
mit dem verglichen worden, was ein normaler Bürger in diesem Land in ähnlichen Verhältnissen zu erwarten hat.
Meine Damen und Herren, wir glauben, hier ist es gar nicht notwendig, einfach fatalistisch auszurechnen, daß, wenn wir nicht das und das im Laufe des Jahres 1952 tun, die Besatzungskosten wahrscheinlich nicht nur in der alten Höhe zu bezahlen sein, sondern immer höher und höher steigen werden. Ich weiß, das Bundesfinanzministerium hat sich im Laufe des letzten Jahres außerordentliche Mühe gegeben, mit den Besatzungsmächten auf diesem Gebiete zu einem Ergebnis zu kommen, und es ist auch in einigen Punkten gelungen; aber man kann nicht sagen, daß entscheidende Änderungen herbeigeführt worden sind.
— Das haben wir ja nie bestritten; und schließlich ist ja eine Behörde, die diese Funktion hat, dazu da, zu verhandeln, nicht wahr? Man soll sich nicht immer gleich Lorbeerkränze winden, Herr Kollege Pelster. Lorbeeren welken sehr rasch; die Erfahrung haben wir im Laufe der Jahre auch gemacht!
— Ja, lieber Herr Pelster, es wäre schön, wenn man gelegentlich auch dem anderen Teil unterstellen würde, daß er das Beste will. Wir erwarten das häufig von Ihnen vergeblich.
Weiter bliebe nun ein Wort zu sagen zu dem Versuch, den Anspruch des Bundes an die Länder mit dem Argument zu rechtfertigen, daß sich daraus ja keinerlei weittragende Konsequenzen für die Finanzgebarung und für die Erfüllung der Aufgaben der Länder ergäben. Es ist schon vor Wochen davon geredet worden, man könne diese 40 % ruhig abzweigen, man könne — und in diesem Zusammenhang ist das auch gesagt worden
— den finanziellen Verteidigungsbeitrag ruhig leisten, ohne daß sich daraus irgendeine neue steuerliche Belastung oder eine Einschränkung der sozialen Leistungen der öffentlichen Hand ergebe. Wir gestatten uns, in diesem Punkte außerordentlich skeptisch zu sein. Wir sind der Meinung, daß schließlich irgendwo den Letzten die Hunde beißen. Das wird zunächst natürlich nicht der Bund sein, wenn der Herr Bundesfinanzminister seine 40 % von den Ländern schließlich doch bekommen sollte. Die Länder werden aber auf jeden Fall mit dem, was ihnen bleibt, nicht dieselben Aufgaben erfüllen können, die sie erfüllen müßten. Denn auch bei ihnen steigen die Preise, auch bei ihnen steigen die Gehälter und Löhne, auch bei ihnen steigen die Anforderungen, die an den öffentlichen Haushalt gestellt werden. Sie müssen also in irgendeiner Weise sehen, wie sie zurechtkommen. Ich kann die Zahlen nicht nachprüfen, die der Herr Bundesfinanzminister hier über die außerordentlich günstige Lage der Länder genannt hat. Man weiß von einzelnen Ländern, daß sie einige Mühe haben — ich glaube, es ist im Grunde genommen nur eines —, Haushaltsüberschüsse zu verbergen. Aber das scheint mir eine Ausnahme zu sein, und man kann von da nicht auf den Zustand in anderen Ländern schließen. Auf jeden Fall wird es aber so sein, daß die Länder ins Gedränge kommen, daß sie versuchen, einen Ausweg zu finden,
daß der Ausweg, den sie suchen und den sie finden werden, der Ausweg in eine Kürzung der Zuwendungen an die Gemeinden ist
und daß dann die Gemeinden gezwungen werden, wiederum in einem gewissen Zeitraum, wenn sich bei ihnen die Spannungen fühlbar machen, zu Einschränkungen ihrer Leistungen oder aber zu steuerlichen Maßnahmen zu greifen, die sich wieder unmittelbar auf die Gemeindebürger, d. h. auf alle Einwohner des Bundes auswirken. Wir stimmen mit dem Herrn Bundesfinanzminister durchaus in der Feststellung überein, daß die Menschen nicht nur im Bund, nicht nur in den Ländern und nicht nur in den Gemeinden, sondern in allen zusammen wohnen, daß sie ein Volk sind. Deshalb wird das, was an einer Stelle weggenommen wird, sich zweifellos irgendwo fühlbar machen. Man kann vielleicht so formulieren — vielleicht nimmt mir das der Herr Bundesfinanzminister übel! —: er ist jetzt bereit, einen Wechsel zu unterschreiben, aber die Einlösung des Wechsels wird nicht morgen und nicht übermorgen, sondern vielleicht in einem Jahr oder in anderthalb Jahren dann von der nächsten Bundesregierung durchzuführen sein.
— Das wissen wir nicht, Herr Kollege Wuermeling! Ich kann mir manches wünschen, aber ich wunsche mir nicht unter allen Umständen Ihre Gesellschaft in irgendeiner Koalition.
— Na, hoffen wir das Beste! Ich kann mich mit Ihnen nicht in Optimismus bezüglich der Zukunft messen und will es auch gar nicht versuchen. — Jedenfalls sind wir der Meinung, daß der Versuch, den kommenden Finanzbedarf des Bundes heute schon durch die Wegnahme von 40 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer von den Ländern zu erlangen, auf keinen Fall durchzuführen ist ohne weitgehende und sehr schwerwiegende Folgen für die Haushalte der Länder und fur die Haushalte der Gemeinden.
Auf der anderen Seite, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es doch wohl so, daß die Bundesregierung mit diesem Gesetz Drucksache Nr. 3168 etwas sehr eilig eine Entscheidung vorwegnehmen möchte, die noch längst nicht gefallen ist. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren — und er ist wahrscheinlich auch begründet —, daß der entscheidende Antrieb für diese Vorlage nicht der Versuch ist, Haushaltsbedürfnisse im normalen Sinne zu befriedigen, sondern der Versuch, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Bundesregierung die von ihr bereits in internationalen Verhandlungen zugestandenen Beträge im Laufe des Jahres 1952 bezahlen kann. Sie tut so, als ob dieses Haus darüber bereits entschieden habe, und wir weigern uns, ihr auf einem Wege zu folgen, den man nur dann richtig kennzeichnen kann, wenn man ihn nennt den Versuch, auf dem Wege über die finanzielle Hintertreppe die politische Entscheidung vorwegzunehmen.
— Das müßte ja auch bewiesen werden, Herr Kollege Wuermeling; das ist ja eine reine Spekulation!
Lassen Sie mich nun einiges zu den beiden Haushaltsvorlagen sagen. Ich möchte in diesem Augenblick keine Kritik an einzelnen Positionen üben; dazu wird sowohl im Ausschuß wie bei der zweiten und dritten Lesung der Vorlage ausreichend Gelegenheit sein. Ich möchte einige Bemerkungen über unsere grundsätzliche Stellungnahme zu den Haushaltsvoranschlägen machen. Wir haben unsere politische Haltung gegenüber der Bundesregierung zu verschiedenen Malen sehr eindeutig formuliert. Es hat sich nichts ereignet, was unsere Haltung auch nur im geringsten ändern könnte. Im Gegenteil: wir müssen feststellen, daß gerade in den letzten Monaten in zunehmendem Maße Tendenzen sichtbar geworden sind, die uns mit der allergrößten Besorgnis erfüllen und die die Bundesregierung auf einem Wege zeigen, den wir als außerordentlich gefährlich betrachten. Wir vermissen bei der Bundesregierung noch immer —und das ist wohl einer ihrer Strukturfehler — jenen Respekt vor dem Parlament, der es der Regierung unmöglich machen würde, Entscheidungen tu treffen, ohne daß dieses Parlament wirklich in echtem Sinne daran mitwirkt.
— Das ist eine Frage, über die ich mit Ihnen, Herr Kollege Mellies, wahrscheinlich völlig einig bin.
In welchem Umfange die Regierung und einzelne Ressorts Beschlüsse des Parlaments einfach beiseite schieben, das haben wir in einem politisch außerordentlich bedauerlichen Fall gerade in diesen Tagen feststellen können. Er betrifft leider das Bundesfinanzministerium, dessen Chef wir politisch bekämpfen, von dem wir aber offen zugestehen, daß er als Leiter seines Ministeriums eine Leistung vollbringt, die wir, ich möchte einmal sagen, rein sportlich akzeptieren.
Vor einigen Wochen — es ist noch gar nicht so lange her, es sind noch nicht einmal einige Wochen — haben der Haushaltsausschuß, der Ernährungsausschuß und schließlich auch das Plenum des Bundestags Beschlüsse gefaßt, die sich mit der Weiterführung des Baues der Oker-Talsperre im Harz beschäftigen. Das ist im Verhältnis zu den Summen, mit denen wir es hier zu tun haben, sicher ein kleines Projekt. Aber die Sache ist insofern symptomatisch, als der Herr Bundesfinanzminister oder sein Ministerium es aus formellen und grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt hat — und diesen Standpunkt auch der Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund mitgeteilt hat —, dem sowohl von den Ausschüssen für Haushalt und Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als auch von dem Plenum einstimmig gefaßten Beschluß zu entsprechen, für den Weiterbau der OkerTalsperre den ersten Teilbetrag von 2,5 Millionen DM in den Haushalt 1952 einzustellen.
Worin liegt das Symptomatische in diesem Fall?
Nach unserer Auffassung liegt es in der völligen
Verkennung der politischen Bedeutung eines sol-
chen Problems. Die Oker-Talsperre ist im Harz, unmittelbar in der Nähe der Zonengrenze. Dieses Werk ist seinerzeit im „Dritten Reich" unter bestimmten Gesichtspunkten begonnen worden, aber vom Reich! Es ist klar, daß ein Land wie das Land Niedersachsen nicht in der Lage ist, aus eigener Kraft ein solches Projekt zu Ende zu führen. Es liegt da, es liegt still, es verkommt. Mit der Fortführung dieses Werkes könnte nicht nur materiell etwas für das ganze Gebiet geleistet werden, sondern es könnte auch politisch eine Leistung vollbracht werden. Denn jenseits der Zonengrenze wird ein unter ähnlichen Umständen begonnenes Werk mit dem Einsatz von großen Mitteln fortgesetzt. Es ist nicht einzusehen, weshalb der Herr Bundesfinanzminister selber nicht auf die politische Seite dieser Angelegenheit kommt, weshalb er es seinen Beamten überläßt, aus formalen Gründen Beschlüsse des Parlaments zu torpedieren — um nicht zu sagen: zu sabotieren — und weshalb er hier nicht eine politische Entscheidung trifft, für die ihm jeder dankbar sein würde, der die Sache kennt.
Hier liegt doch offenkundig ein Verhältnis zu den Beschlüssen des Parlaments vor, das nicht gesund ist. Die Beschlüsse des Parlaments sind nicht aus dem von dem Herrn Bundesfinanzminister leise angedeuteten Bedürfnis gefaßt worden, dem Druck einer Gruppe oder einer außenstehenden privaten Organisation nachzugeben und unnötige Ausgaben zu beschließen. Den Beweis dafür ist uns übrigens der Herr Bundesfinanzminister noch schuldig, daß in diesem Hause einzelne Organisationen in der Lage wären, eine beschlußfähige Mehrheit für unnötige Ausgaben zu finden. Wer könnte denn diese Mehrheit sein, Herr Bundesfinanzminister? Doch nur die Mehrheit, die Sie selber trägt. Seien Sie einmal konsequent und offen und sagen Sie uns, wann hier in diesem Hause eine Mehrheit unnötige und nicht zu rechtfertigende Ausgaben beschlossen hat, nur, sagen wir, unter dem Druck der Straße oder unter dem Druck irgendeiner Organisation. Mit solchen Argumenten sollten Sie uns doch nicht kommen.
— Ja, Herr Wuermeling, vielleicht wäre da eine gewisse Gewissenserforschung in den Reihen der Koalition auch ganz zweckmäßig. Gestern haben wir hier eine ganze Serie solcher Anträge behandelt.
— Ja, man hat darüber verschiedene Dinge auch von der Regierungsbank gehört, die in Ihren Ohren nicht nur lieblich geklungen haben dürften. Wir haben die Debatte auch aufmerksam verfolgt und gehört, was die verantwortlichen Männer da oben zum Teil zu Ihren Anträgen gesagt haben.
— Herr Kollege Pelster, sie haben sie so begrüßt, wie wir alle miteinander den Frühling begrüßen.
Meine Damen und Herren, auf alle Fälle möchte ich den sehr nachdrücklichen Wunsch aussprechen,
daß der Herr Bundesfinanzminister in seinem eigenen Ressort auch politisch nach dem Rechten sieht.
Diese Sache, die ich hier im Zusammenhang mit der Beratung der Haushaltsvorlage zur Sprache gebracht habe, scheint mir politisch so wichtig zu sein, daß es sich das Haus unter keinen Umständen gefallen lassen dürfte, daß aus formalen und anderen, sagen wir bürokratischen Gründen eine nationalpolitische Entscheidung nicht getroffen wird oder eine solche Entscheidung, die vom Parlament getroffen ist, von der Bürokratie nicht berücksichtigt wird.
Das ist die eine Seite. Die andere: Wir erleben es mit großem Befremden, daß die Außenpolitik der Bundesregierung, der gegenüber wir keinen Zweifel gelassen haben, wie wir zu ihr stehen, zum Teil auch mit Methoden vertreten wird, die auf das höchste zu Bedenken Anlaß geben. Was meine ich damit? Wir haben in diesen Tagen erlebt, daß in einer außerordentlich heiklen politischen Situation, in der die Regierung der Bundesrepublik zunächst gar nicht einmal unmittelbar angesprochen war, von Männern der Bundesregierung, angefangen von ihrem Chef über den Staatssekretär, mit Windeseile Erklärungen in die Welt gegeben worden sind, die man nur als völlig deplaciert und unüberlegt bezeichnen kann.
Wenn z. B. der Herr Staatssekretär Hallstein auf einer angeblich privaten Reise nach Amerika sich bemüßigt fühlte, in laufenden Kommentaren zu den weltpolitischen Vorgängen mehr Porzellan zu zerschlagen, als er wahrscheinlich in den nächsten Monaten wieder kitten könnte, dann ist das doch ein wirklich ernster Grund, auch für die Regierung, für den Herrn Außenminister und für die Mehrheit dieses Parlaments, sich zu überlegen, ob ein Mann, der so wenig Fingerspitzengefühl für den Inhalt einer politischen Situation hat, der rechte Mann am rechten Platze ist.
Das müßte um so mehr geschehen, meine Damen und Herren, als man in anderen Fällen bei viel kleineren angeblichen Verstößen mit der Amtssuspendierung im Auswärtigen Amt sehr schnell bei der Hand war.
Vielleicht paßte irgendeinem der hohen Herren im Auswärtigen Amt die Nase des Betreffenden nicht, oder vielleicht paßte die Äußerung, weil sie gerade zur Saarfrage geschah, nicht in das gesamte Konzept. Aber haben denn die Äußerungen des Herrn Staatssekretärs in das gesamte Konzept der Regierung gepaßt, von der wir so widersprechende Äußerungen gehört haben wie die des Herrn Bundeskanzlers auf der einen Seite und die des Herrn Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen auf der andern Seite? Ist hier überhaupt ein gemeinsames Konzept?
— Herr Kollege Bausch, man muß zunächst die Hintergründe der verschiedenen Dementis kennenlernen.
Was er auch immer gesagt haben mag, der Schaden ist angerichtet, und er muß langsam mit allen Mitteln der Staatsraison durch Dementis wieder ausgeglichen werden. Haben wir das nötig? — frage ich. Ich glaube also, auf diesem Gebiet ist wirklich eine gründliche Überprüfung unter allen Gesichtspunkten notwendig, und vor allen Dingen ist es notwendig, daß man einmal die Personalpolitik in bestimmten Bundesbehörden einer gründlichen Überprüfung unterzieht.
Ich kann nicht beurteilen, in welchem Umfange die Anschuldigungen richtig sind, die dieser Tage über den bayerischen Rundfunk gegenüber der Personalpolitik im Auswärtigen Amt vorgebracht worden sind. Aber eins weiß ich, daß sie sich weitgehend auf Ermittlungen stützen, die in einem Untersuchungsausschuß dieses Hauses getroffen worden sind, und daß offenbar doch eine ganze Menge an diesen Behauptungen ist, so daß es, wie man hört, in diesem Zusammenhang bereits zu der Entfernung von bestimmten Persönlichkeiten gekommen ist. Man kann sich fragen, ob das notwendig war. Ich glaube, es kommt in erster Linie daher, daß gerade in Fragen der Personalpolitik manchmal Entscheidungen gar nicht oder nach Gesichtspunkten getroffen werden, die alles andere als sachlich sind.
So werden wir es erleben, daß wir z. B. im auswärtigen Dienst, für den j a in diesem Ergänzungshaushalt auch eine Reihe von Anforderungen vorgebracht wird, vermutlich eine internationale Repräsentanz der Bundesrepublik bekommen, an der wir sehr wenig Freude erleben werden; daß uns Leute draußen vertreten, die unter keinen Umständen unsere Vertreter sein sollten. Was das praktisch für die Reputation der Bundesrepublik bedeutet, das kann sich jeder sehr leicht ausrechnen.
Meine Damen und Herren, wir werden zu den Vorlagen in den Ausschüssen Stellung nehmen, und wir werden das Ergebnis der Ausschußberatungen hier im Plenum in aller Offenheit zu erörtern haben. Ich mache kein Geheimnis aus der Haltung der sozialdemokratischen Fraktion, wenn ich zum Schluß sage, wir werden der Überweisung der Vorlage Drucksache Nr. 3168 an die Ausschüsse nicht zustimmen, weil wir mit dem Bundesrat der Meinung sind, daß diese Vorlage zur Unzeit eingebracht worden ist, da ihr die Grundlage und die innere Rechtfertigung in diesem Augenblick fehlt, und daß der Herr Bundesfinanzminister sich die Mühe machen müßte, einen Haushaltsplan mit einer klaren Darstellung des Finanzbedarfs des Bundes für das Jahr 1952 dem Hause vorzulegen. Wir werden also der Überweisung widersprechen. Wir sind überzeugt, daß sie trotzdem beschlossen wird. Dazu haben Sie ja die Möglichkeit, Sie haben mehr Hände als wir zum Hochheben.
— Nein, wir wünschen es in diesem Falle keineswegs, sondern wir sind der Überzeugung, daß damit nur Schaden angerichtet wird. Wir werden zu den Haushaltsplänen dieselbe Stellung einnehmen, die wir immer eingenommen haben.
Meine Damen und Herren, kommen Sie nicht wieder mit dieser etwas reichlich abgegriffenen Bemerkung: „ohne Rücksicht auf den sachlichen
Inhalt." Sie haben damit viel Unfug angerichtet,
wider besseres Wissen, meine Damen und Herren!
Sie wissen ganz genau, wie diese Bemerkung damals gemeint war. Sie glaubten, Sie könnten der sozialdemokratischen Fraktion bei der Debatte über den Wehrbeitrag eine versteckte Zustimmung zu einer Art Vertrauensvotum ablisten.
Genau so ist es auch mit diesen Haushaltsplänen. Wir sind nicht bereit, einer Regierung durch die Zustimmung zu Haushaltsplänen unsere Billigung zu geben, mit deren Politik wir nicht einverstanden sind. Aber wir haben in der Sache immer bewiesen, daß wir bei allen praktischen Gesetzen und bei allen praktischen Schritten, die zu tun sind, um diesem Staat eine solide Grundlage zu geben, wirklich ernsthaft mitgearbeitet haben. Bestreiten Sie es, wenn Sie das können!
Im übrigen lassen Sie mich schließlich ein Wort sagen über den Sinn einer staatlichen Organisation, über den Sinn eines Haushaltsplans, über den Sinn der öffentlichen Haushaltsgebarung im Zusammenhang mit dem Schicksal der Bürger, von denen heute auch der Bundesfinanzminister gesprochen hat. Wir sind durchaus nicht der kindischen Meinung, daß der Staat dazu da sei, nach allen Seiten Wohltaten auszustreuen. Wer uns das unterstellt, verkennt unsere Auffassung gründlich. Wir sind aber auch nicht der Meinung, daß Sozialpolitik etwas sei, worauf man — um mit den Worten des Herrn Bundesfinanzministers zu sprechen — stolz sein müsse, daß soziale Leistungen ein Grund seien, sich in die Brust zu werfen und zu sagen: Seht, was haben wir Herrliches geschaffen! Wir haben kein Wort gegen die echten Leistungen zu sagen. Aber wir sagen Ihnen folgendes, meine Damen und Herren: Die sozialen Leistungen eines Staates sind kein Geschenk an die Betroffenen, sondern sie sind eine Verpflichtung des Staates, das solide soziale Fundament der menschlichen Gemeinschaft zu schaffen.
Das ist der Ausgangspunkt für die Betrachtung aller sozialpolitischen Maßnahmen.
— Es wäre jetzt sehr reizvoll, meine Damen und Herren, einmal den Gründen für manche Meinungsverschiedenheiten gerade bei sozialen Leistungen nachzugehen. Sie würden dann feststellen, daß wir in dieser Frage doch nicht einer Meinung sind.
Man kann nämlich die sozialen Leistungen gerade noch als einen Winkel betrachten, den man abgrenzt und in dem man die Not konzentriert, die man dann mit den Mitteln heilt, die eben aus den allgemeinen Bedürfnissen noch abzuzweigen sind. Man kann die sozialen Leistungen eines Staates betrachten als den Ausgangspunkt für die Schaffung gleicher Startbedingungen für alle Staatsbürger, und das ist vielleicht der Unterschied zwischen uns und Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich habe das zum Schluß gesagt, weil ich glaube, daß diese Haushaltsberatung vielleicht eine notwendige Klärung mancher Auffassungen bringt, obwohl ich
fürchte — und das ist leider der Eindruck, den man immer wieder bekommt —, daß Auseinandersetzungen über Budgetfragen nicht nur in diesem Parlament, sondern überhaupt in der deutschen Öffentlichkeit in zunehmendem Maße absoluter Gleichgültigkeit begegnen. Man braucht sich nur einmal dieses Haus bei der Haushaltsberatung zu betrachten. Ich habe es bedauert, daß selbst bei der Rede des Herrn Bundesfinanzministers das Haus zu mehr als der Hälfte leer war. Ja, meine Damen und Herren, wenn man sich einmal überlegt, was der budget day in England bedeutet, wo das ganze Volk wie hypnotisiert auf den Schatzkanzler sieht, — bei uns fällt das deshalb flach, weil der Herr Bundesfinanzminister selbst keine Überraschungen mehr in seiner Tasche hat oder Überraschungen, von denen man längst durch alle möglichen Erörterungen in der Öffentlichkeit weiß; daß bei uns alle diese Dinge stückweise entschieden werden und so stückweise, daß die Menschen den Zusammenhang nicht mehr sehen. Solange wir nicht auf diesem Gebiet zu einer völligen Änderung der Situation kommen, wird niemand draußen im Volk begreifen, was mit dem Geld geschieht, das der Steuerzahler an. den Staat gibt. Da nützt es gar nichts, Herr Bundesfinanzminister, wenn das Parlament sich als Freund und Schützer der Steuerzahler ausgibt. Es soll übrigens auch eine Kategorie von Steuerzahlern geben, die das Parlament unter keinen Umständen schützen sollte, sondern denen es auf die Finger sehen sollte.
Da hilft nur eines, meine Damen und Herren: daß wir uns jetzt wirklich ehrlich bemühen, endlich einmal die unmöglichen Rückstände aufzuarbeiten, die im Laufe dieser zweieinhalb Jahre der Existenz der Bundesrepublik entstanden sind und nicht zuletzt deshalb entstanden sind, weil der Herr Bundesfinanzminister und die Regierung, der er angehört, glauben, politische Entscheidungen ertrotzen oder vorwegnehmen zu können, ohne daß das Parlament eine echte Möglichkeit gehabt hat. darüber in freier Entscheidung mitzubefinden.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht auf das Grundsätzliche der Ausführungen des Herrn Vorredners eingehen, sondern möchte mir diesen sportlichen Wettkampf für etwas später vorbehalten. Ich möchte mich nur über eine Spezialfrage aussprechen, die er aufgeworfen hat. Das ist die Frage der Oker-Talsperre. Es ist richtig, daß ein kluger Kopf meinte, einmal eine günstige Gelegenheit zu finden, als er in einer Körperschaft, die eine Debatte und eine Abstimmung durchzuführen hatte, mich über die Frage der Oker-Talsperre interviewte. Da mir der Zeitpunkt nicht geeignet schien, habe ich eine rein negative Haltung eingenommen. Ich möchte aber zur Sache folgendes sagen:
Die Oker-Talsperre ist vom Reich gebaut worden. Wenn die Oker-Talsperre jetzt ausgebaut werden soll, so kann es ihren Interessenten zunächst gleichgültig sein, von wem sie ausgebaut wird Ich habe unter dieser Voraussetzung bereits einen Weg vorgeschlagen, der leicht zum Ausbau der OkerTalsperre, allerdings unter Beteiligung des Landes, das sich als Eigentümer der Oker-Talsperre fühlt,
führen könnte und sicherlich im Rahmen der Leistungsfähigkeit dieses Landes liegen würde.
Wenn dieser Weg nicht gangbar ist, bin ich, falls die Kosten auf den Bundeshaushalt übernommen werden, selbstverständlich verpflichtet, in den Bundeshaushalt die Kosten samt der entsprechenden Deckung einzusetzen. Ich bin selbstverständlich auch verpflichtet, bei der Verwendung der Gelder die Interessen des Bundes zu wahren. Wenn deswegen, weil das Reich die Oker-Talsperre gebaut hat, jetzt der Bund eine Verpflichtung übernehmen soll, dann ist es ebenso selbstverständlich, daß ein Weg gefunden werden muß, der die Nachfolge des Reiches nicht nur beim Zahlen, sondern auch bei den Fragen des Eigentums und so fort auf den Bund überträgt.
Unter dieser Voraussetzung ließe sich, falls gleichzeitig die Deckungsfrage gelöst wird, ein Weg finden.
Aber wir müssen es uns abgewöhnen, daß wir eine Arbeitsteilung vornehmen, bei der der eine bloß bezahlt und nichts zu sagen hat und der andere alles zu sagen hat und nichts bezahlt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht nur, weil der Herr Schoettle dem Herrn Bundesfinanzminister in aller Öffentlichkeit die silberne Sportmedaille — ich sage nicht die goldene —
überreicht hat, sondern deswegen, weil wir sehr beeindruckt sind von den sachkundigen und in vieler Beziehung überzeugenden Ausführungen des Ministers, der mit der jedem Finanzminister zustehenden Lizenz selbstverständlich manche Klippe umschifft und manches Riff vermieden hat, möchte ich zum Ausdruck bringen, daß wir allen vier Gesetzentwürfen hinsichtlich der Behandlung im Ausschuß, die nun zunächst kommen wird — denn wir sind ja in der ersten Beratung —, zustimmen werden.
Was den Finanzausgleich — Drucksache Nr. 3169 — angeht, so ist dazu wohl am wenigsten zu sagen. Wir haben den ausgezeichneten Zustand, daß der Bundesrat einverstanden ist, daß sich das Volumen des Finanzausgleichs, die Ausgleichssumme, erheblich verringert hat, nämlich auf nunmehr 181 Millionen DM, und daß wir durch das Zerlegungsgesetz, das in diesen Tagen verkündet wird, eine gewisse Vorarbeit geleistet haben. Also ich glaube, es ist nicht viel dazu zu sagen. Auch dem Gedanken, der zu der Formulierung des Artikels II — 250 Millionen DM Anleihe — geführt hat, stimmen wir zu.
Ich kann alsbald zu der Drucksache Nr. 3168, also der Zuweisung von bisher 27 % und nunmehr geforderten 40 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer an den Bund, übergehen. Bei allem, was der Herr Bundesfinanzminister dazu gesagt hat, kann von Lauwärme wirklich nicht die Rede sein. Wenn man gern nach neuen Ausdrücken
sucht, dann will ich einen aufgreifen, der vorhin in meiner Nähe genannt wurde: daß wir nämlich in dem verehrten Herrn Finanzminister einen Neoföderalisten zu begrüßen haben.
Das ist etwas sehr Schönes und ganz bestimmt eine Entwicklung, die zu begrüßen ist. Kein Mensch braucht an den Ausdruck zu denken, mit dem törichterweise jetzt „neo" in der Presse öfter verbunden wird. Der Herr Bundesfinanzminister hat in für meine Freunde beifallswürdiger Weise gesagt, es drehe sich nicht um die elf Länder einerseits und den Bund andererseits, sondern es drehe sich um die Gesamtheit. Dem stimmen wir sehr gern zu.
Wir glauben auch, daß seine Berechnungen, die übrigens in diesen drei Drucksachen in ausgezeichneter Weise aufgezeichnet sind — damit sage ich noch nichts über ihre volle Richtigkeit —, den Kern der Dinge treffen und daß wohl eine Basis für die Erhöhung der 27 % auf 40 % gegeben ist. Ich sage: eine Basis. Wir begrüßen es lebhaft, daß der Bundesfinanzminister die in der Presse enthaltenen Äußerungen über 4,4 Milliarden DM Fehlbetrag richtiggestellt hat. Wir machen darauf aufmerksam, daß die Stellungnahme des Bundesrats, die Sie auf einer der ersten Seiten der Drucksache finden, ja keine Ablehnung ist.
Es ist sehr verständig, daß der Bundesrat sich in diesem Zustand noch zurückhält. Wer weiß, was aus dieser Zurückhaltung wird? Ich bin da nicht so pessimistisch wie manche Leute.
Ich glaube, daß das richtig ist, was der Bundesfinanzminister in politischer Hinsicht über den Zusammenhang mit dem Verteidigungsbeitrag hier ausgeführt hat. Es dreht sich um die Summen, und diese Summen werden in der Tat wenig oder gar nicht voneinander abweichen. Warum wollen wir uns denn immer den Kopf heiß reden, ehe es nötig ist?
Wir glauben auch, daß der Minister über die Höhe der kurzfristigen Verschuldung ohne monetäre Gefahr im großen die richtigen Auffassungen hat. Wenn es sich ebenfalls als richtig herausstellen wird — darüber wird, das weiß ich, in den Ausschüssen des Bundestags und des Bundesrats ein großer Kampf entstehen —, daß auch bei 40 % die Länder — die Summe haben Sie genannt, Herr Minister — im nächsten Jahr 400 Millionen DM mehr haben werden als in diesem Jahr, dann ist das eine ausgezeichnete Grundlage für den Wunsch des Bundesfinanzministers, den Anteil von 27 % auf 40 % zu erhöhen.
Wir werden also beide Gesetze im Ausschuß beraten und hoffen, dazu beitragen zu können, daß sie zu einem guten Ende kommen.
Über den Nachtragshaushalt wird mein Kollege Funcke einige Ausführungen machen. Da aber, wie der Herr Bundesfinanzminister richtig gesagt hat, zwischen diesen vier Gesetzen ein sehr enger Zusammenhang besteht, möchte ich noch mit wenigen Worten auf einiges eingehen, zunächst auf einige Ausführungen des Herrn Schoettle. Über die Oker-Talsperre hat der Minister gesprochen. Bitte, nehmen Sie nicht an — auch wenn ich mich sehr kurz fasse —, daß meine Freunde die Ausführungen des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes begrüßt haben. Es wird Gelegenheit sein, darüber zu sprechen. Wir hoffen — wenn ich das in diesem
Zusammenhang sagen darf —, daß die nun erfolgte Besetzung des Bundespresseamts doch manche Lücken auszufüllen und uns manche vermeidbare Pannen ersparen wird.
— Nun, lassen Sie den Mann erst einmal ein wenig arbeiten.
Dann darf ich folgendes sagen. Herr Schoettle hat am Schluß von der Gewohnheit, stückweise zu entscheiden, gesprochen. Ja, meine Damen und Herren, glauben Sie nur nicht, daß wir das schön finden, und glauben Sie nicht, daß nicht auch wir der Meinung sind, das könnte in manchen Einzelfällen vermieden werden. Ohne weiteres! Da könnte ich Ihnen aus der Praxis des Finanz- und Steuerausschusses mit Billigung des ganzen Hauses wahrscheinlich manche Fälle erzählen. Aber in großen Dingen sind wir leider in einer Situation, in der diese stückweisen Entscheidungen einfach unvermeidlich sind. Es wäre doch eine völlige Verkennung unserer wirklichen Lage, wenn Sie mir das nicht zugeben würden.
Die Einnahmen an Steuern — das kann ich mir nicht gut versagen festzustellen — sind erheblich gestiegen, und wir freuen uns darüber. Ich glaube nicht, daß nur oder wesentlich die Lohnerhöhungen der Anlaß sind, sondern es haben schon auch andere Momente eine Rolle gespielt, doch wohl auch, weil sich herausgestellt hat, daß die Steuereingänge auf Grund der ganzen wirtschaftlichen Lage und auf Grund anderer Dinge wesentlich besser beurteilt werden konnten, als sie der Bundesfinanzminister vor einigen Monaten geschätzt hat. Aber — à la bonheur — wenn man im Ergebnis zusammenkommt, warum sich streiten, auf welchem Wege man zum gleichen Ergebnis gekommen ist? Das ist entbehrlich, das gebe ich ohne weiteres zu.
Der Bundesfinanzminister hat zur Kenntnis des Hauses gebracht, daß die 90 oder 91 Millionen DM für den Wohnungsbau dem ordentlichen Haushalt entnommen werden können. „Danke schön" möchten wir sagen, aber hinzufügen, daß sich sehr große Probleme bei der Finanzierung des Wohnungsbaus im Jahre 1952 vor uns auftürmen, von denen wir vielleicht noch besser als andere wissen, wie sehr sie die letzten Tage unseres Kollegen Wildermuth belastet haben. Wir rechnen, Herr Bundesfinanzminister, auf Ihre tatkräftige Hilfe, die meines Erachtens im Sinne der Politik der Bundesregierung überhaupt gar nicht zweifelhaft sein kann, für den Wohnungsbau 1952.
Ich möchte noch — und zwar deswegen, weil Herr Schoettle auch davon gesprochen hat — ein Wort über die Besatzungskosten sagen. Der Bundesfinanzminister hat sicherlich nicht ohne Grund heute, am 20. März 1952, an das Datum des 1. April 1952 erinnert, an dem, wie er sich ausgedrückt hat, die Überwachung der Besatzungskosten — und zwar in erster Linie in der zivilen Verwaltung der Besatzung — beginnt. Wir möchten sehr wünschen, daß der gute Wille, in dem diese Überwachung der Kosten, die Prüfung der Kosten mit dem Ziele einer ganz erheblichen Minderung insbesondere auf dem nichtmilitärischen Sektor erfolgt, dazu beiträgt, daß diese Prüfung schnelle und große Erfolge erzielt, und wir wollen uns sehr bemühen, daran mitzuwirken.
Im großen — ich habe schon auf die noch kommenden Ausführungen meines Freundes Funcke
hingewiesen— möchten wir sagen, daß dieser Tag doch kein schlechter für die Bundesrepublik war, weder wenn man sich aus rein finanziellen Gesichtspunkten damit beschäftigt noch auch wenn man als Wirtschaftler — Entwicklung der Produktion usw. — dazu Stellung nimmt.
Ich habe die Hoffnung, daß sich die gute Entwicklung der Finanzen, die wir tatsächlich in der Bundesrepublik zu verzeichnen haben, fortsetzt, damit wir nicht nur — wie Sie gesagt haben, Herr Minister —, wesentliche Steuererhöhungen uns ersparen können, sondern, was unser Ziel ist und was wir auch für möglich halten, jede Steuererhöhung!
Das Wort hat der Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon öfter die Summe genannt worden, die wir in der heutigen Vorlage insgesamt zu bewilligen haben, und zwar sind es 5718 Millionen DM. Der wesentlichste Anteil davon sind die Besoldungen, Renten, Unterstützungen und Pensionen, die entsprechend der Geldabwertung, die 1948 eingesetzt hatte, verspätet im Jahre 1951 erhöht werden mußten. Diese Erhöhungen, die ja in den meisten Fällen durch Gesetze beschlossen worden sind, waren bei der Feststellung des Überrollungshaushalts bekannt. Es ist auch schon damals der Nachtragshaushalt, der das Wesentlichste der jetzt geforderten Bewilligungen enthält, aufgestellt worden, und auch damals lagen die wesentlichen Ziffern dessen, was jetzt als Ergänzungsvorlage hier eingebracht worden ist, fest. Auch die Fraktion der FDP betrachtet es durchaus mit kritischen Augen, daß es nicht möglich gewesen ist, über diese ganzen Dinge schon zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt zu verhandeln, und bedauert außerordentlich, daß es erst im letzten Augenblick, in den letzten Tagen des Etatsjahrs, zu diesen Bewilligungen kommt. Herr Kollege Schoettle hat darauf hingewiesen, in welch großem Anteil schon durch Vorausbewilligungen die Summen vorweggenommen worden sind. Dazu kommen die Ermächtigungen für den Bundesminister der Finanzen, bis zu einem Betrag von 300 000 DM selbständig vorzugehen. Wenn wir diese formale Behandlung der Anträge durchaus kritisieren, dann bezieht sich diese Kritik nicht auf den sachlichen Inhalt.
Es sind drei Quellen, aus denen die Nachforderungen bestehen. Da sind einmal die Gesetze, besonders die Gesetze auf dem sozialen Sektor, zu denen ich die 177 Millionen aus dem Haushaltsplan des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für Preisausgleiche hinzurechne. Die zweite Quelle sind die Verteidigungslasten. Hierüber hat Kollege Wellhausen schon einiges gesagt. Ich glaube, es wird uns als Mitgliedern der Koalition in beiden Fällen nichts anderes übrig bleiben, als uns dazu positiv zu entscheiden. Die dritte Quelle ist der Besoldungsaufwand. Im Haushaltsplan der Allgemeinen Finanzverwaltung sind 24,5 Millionen für neuen Besoldungsaufwand angefordert. Die Summe hat sich im Nachtragshaushalt um 2,1 Millionen ermäßigt. Da die Beamten und Angestellten, für die der Besoldungsaufwand entsteht, nur Teile des Jahres beschäftigt
worden sind, wird dies den Haushalt 1952/53 mit 62 Millionen belasten.
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme, in seinen Bemerkungen gemeint, daß der Ausbau der Bundesverwaltung im wesentlichen abgeschlossen sein sollte und daß Einsparungen an anderen Stellen stattfinden müßten, wenn weitere Erhöhungen notwendig seien, und daß eine Organisationsvereinfachung stattfinden sollte. Das sind Worte, die man in den Parlamenten schon öfter zu hören bekommen hat. Wir billigen alle diese Dinge durchaus, erstreben aber andererseits, wenn es notwendig ist, nach wie vor auch Bundesbehörden unter anderweitiger Abgrenzung der Verwaltungsaufgaben zwischen Bund und Ländern. Wir werden die Bemerkungen des Bundesrats zu den Beamten- und Angestelltenstellen im einzelnen prüfen und werden auch die von auswärts, z. B. von den Fliegergeschädigten, Evakuierten und Währungsgeschädigten, herangetragenen Wünsche nach weiteren Stellen im Haushalt des Ministeriums des Innern eingehend prüfen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Rede auf die 250 Millionen DM hingewiesen, die
beim Bundesministerium für Arbeit unter dem Titel Arbeitslosenfürsorgeunterstützung im Nachtragshaushalt abgezogen worden sind. Wir haben schon bei früheren Gelegenheiten betont, daß hier der Ausgleich noch im Ergänzungshaushalt gefunden werden muß. Das konnte auch erwartet werden; denn dieser Abzug dürfte nicht zu realisieren sein. Es ist aber erklärt worden, diese 250 Millionen würden nicht in den Haushalt aufgenommen; vielmehr werde sich erst bei der Abrechnung mit anderen Dingen ein Ausgleich bzw. entweder ein Defizit oder ein Überschuß ergeben.
Im Etat der Allgemeinen Finanzverwaltung ist uns dann besonders aufgefallen, daß weitere 132 Millionen DM an Minderausgaben aufgeführt worden sind, so daß dieser Posten jetzt 256 900 000 DM beträgt. Dieser Posten ist bisher in keiner Weise begründet; wir werden uns danach wohl im Ausschuß zu erkundigen haben.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat darauf hingewiesen, daß er die Aufwandsteuer und die Gebühren für die Benutzung der Autobahn mit je 100 Millionen aus den entsprechenden Haushaltspositionen herausgezogen und in die Position von Mehreinnahmen aus Steuern hineingesteckt hat, die sich somit um 200 Millionen auf 425 Millionen erhöht.
Wir haben dann eine besondere Sorge: Eine Anleihe soll im außerordentlichen Haushalt 1 688 000 000 DM und in der Ergänzungsvorlage weitere 120 Millionen, zusammen also 1 808 000 000 DM ergeben. Hier haben wir große Bedenken. Wir möchten bei dieser Gelegenheit daran erinnern, daß von unserer Fraktion auch gerade an den Herrn Bundesminister der Finanzen immer wieder die Aufforderung ergangen ist, sich gegenüber den Plänen hinsichtlich einer Reorganisation des Kapitalmarktes aufgeschlossener zu zeigen. Wir lehnen von uns aus weitere Versuche, wie die bisherigen Prämienanleihen, die wir als einen Mißerfolg ansehen müssen, ab.
Wieweit das Kapital des außerordentlichen Haushalts durch den Überhang von 1 300 000 000 DM erleichtert wird — die Summe ist ja noch nicht endgültig —, läßt sich im Augenblick noch nicht übersehen. Unsere Fraktion hat schon im vorigen Herbst auf die höheren Steuereingänge hingewiesen, die zu erwarten seien. Man hat uns dieser-
halb damals etwas scheel angesehen. Ich glaube aber, daß die bekanntgewordenen Steuereingänge eine Rechtfertigung unserer Ansicht darstellen. Allerdings, bei Fortfall der Aufwandsteuer, der Gebühren zur Benutzung der Autobahnen, der Minderausgaben und bei solchen Überraschungen, wie sie uns das von mir genannte Beispiel der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung gebracht hat, darf man auch wohl damit rechnen, daß die Prüfung der Vorlagen eine erheblich geringere Einnahme erbringen wird, als sie in den gedruckten Vorlagen angenommen wird.
Trotzdem danken wir der Bundesregierung, nicht nur dem Bundesminister der Finanzen, sondern auch dem Bundesminister für Wirtschaft; denn wir glauben, daß diese Entwicklung der Wirtschaft, die zu den höheren Steuereinnahmen geführt hat, ihre Ursache auch in der Wirtschaftspolitik unserer Bundesregierug hat. Denn nur durch die kräftige Erhöhung des Sozialproduktes ist die Möglichkeit gegeben, den finanziellen Anforderungen gerecht zu werden.
Wir möchten dann noch auf folgendes hinweisen: Es ist beschlossen worden, die Abteilung V — Geld und Kredit — in den Haushalt des Bundes-wirtsch aftsministeriums aufzunehmen. Wir wünschen, daß das auch in den Haushaltsplänen zum Ausdruck kommt. Weil wir in etwa befürchten, daß bei einer reinen Überrollung auch für das Jahr 1952/53 dieser unser Wunsch keine Berücksichtigung finden wird, machen wir darauf besonders aufmerksam.
Es wird das Problem sein, den Haushalt, der in der Vorlage ausgeglichen ist, auch tatsächlich auszugleichen. Wir werden im Haushaltsausschuß alles daransetzen, auch durch Prüfung der Einzelheiten, dieses Ziel zu erreichen.
Meine Damen und Herren! Zu diesem Punkt der Tagesordnung liegen noch sechs Wortmeldungen vor. Ich bitte Sie freundlichst, darauf Rücksicht zu nehmen. — Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der heutigen Debatte über den Haushaltsplan darf ich zunächst namens der Fraktion der CDU/CSU unserem Bundesfinanzminister unsere besondere Dankbarkeit für seine ausführlichen Darlegungen zum Ausdruck bringen, Darlegungen, die von tiefer Gründlichkeit und Sachkunde erfüllt waren und uns ein klares Bild über unsere gegenwärtige Situation gegeben haben; ein klares Bild, das auch heute noch sehr schwer zu geben ist, weil immer wieder neue Veränderungen in der Gestaltung der finanzpolitischen Verhältnisse, sowohl von der Einnahme- wie von der Ausgabeseite her, eintreten.
Wenn man die Darlegungen des Herrn Finanzministers überblickt, kann man erfreulicherweise zu dem Schlußergebnis kommen, daß wir trotz allerstärkster finanzieller Anspannung unserer Bundesrepublik und trotz all der laufend eintretenden Veränderungen eine wohlfundierte Ordnung in unserem so angespannten Finanzwesen haben.
Wenn man einen ganz kurzen Rückblick auf das wirft, was nun an wahrlich schweren Aufbaujahren hinter uns liegt, dann scheinen mir insbesondere zwei Tatsachen, die heute noch keine
Erwähnung gefunden haben, aber für die Beurteilung der gesamten finanzpolitischen Lage sehr wichtig sind, bedeutungsvoll zu sein.
1. Wir haben bisher trotz aller angedeuteten Schwierigkeiten noch keine entscheidend ins Gewicht fallenden Fehlbeträge aus den früheren Jahren zu tragen, die unsere Zukunft irgendwie nennenswert belasten. Dies ist deswegen besonders wichtig, weil wir einerseits kaum eine Kreditmöglichkeit hätten, um solche Fehlbeträge langfristig umschulden zu können, und weil zweitens die Tatsache des Nichtbestehens nennenswerter Fehlbeträge die beste Garantie für die Sicherung unserer Währung geworden und geblieben ist. Es scheint mir eines der bedeutsamsten Verdienste der Finanzpolitik des Bundes seit 1949 zu sein, daß man es — wenn auch unter schweren Mühen und durch häufiges schmerzhaftes Nein-Sagen — erfolgreich zuwege gebracht hat, unsere Währung so zu sichern, wie es geschehen ist, und sie zu kaum vergleichbarem Ansehen im Ausland zu bringen.
Der zweite Punkt, der in diesem Zusammenhang hervorhebenswert erscheint, ist der, daß sich der Schuldenstand unserer Bundesrepublik auf einer Ebene bewegt, die etwa ein Viertel des Volumens unseres jetzigen Haushaltsplans ausmacht, sich also einstweilen in erträglichen Grenzen hält. Aber es muß, wenn man von diesem Viertel des Volumens, also von 5 bis 6 Milliarden DM langfristigen Schulden spricht, besonders betont werden, daß dies im wesentlichen keine Schulden sind, die diese Bundesregierung gemacht oder die dieser Bundestag von sich aus freiwillig auf sich genommen hätte, sondern daß der weitaus größte Teil dieser Schulden aus den Ausgleichsforderungen kommt, die durch die Währungsreform festgelegt worden sind, Schulden also, die eine reine Kriegsfolgelast sind und für die insbesondere — das dürfen wir einmal ganz klar aussprechen — die heutigen Koalitionsparteien in keiner Weise verantwortlich gemacht werden können.
Dann noch ein dritter Punkt, der den Haushalt des Jahres 1951 im besonderen angeht: Wir haben ausweislich der Unterlagen des Finanzministeriums einen Einnahmeausfall von zwei Milliarden DM an Anleihemitteln im Haushalt 1951/52 zu verzeichnen, weil wir die im Haushaltsplan vorgesehenen Anleihen nicht aufnehmen konnten. Wenn trotzdem ein immerhin noch einigermaßen befriedigender Abschluß des Haushalts erzielt werden kann, wenn der Fehlbetrag auch einige hundert Millionen DM ausmacht, so ist das einmal dem Umstand zu danken, daß sich das Finanzministerium die größte Mühe gegeben hat, u. a. durch Globalabstriche an verschiedenen Stellen, Einsparungen zu machen. Zum andern ist dieser relativ glückliche Ausgang darauf zurückzuführen, daß unsere Steuereinnahmen innerhalb der Bundesrepublik im vergangenen Jahre vor allem bei der Umsatzsteuer und auch bei dem Einkommensteueranteil eine erhebliche Vermehrung erfahren haben.
Bei dem Einkommensteueranteil des Bundes, der ja nur einen Teil der Einkommensteuermehreinnahmen ausmacht, wollen wir auch einmal daran denken, woher diese Mehreinnahmen an Einkommensteuer kommen. Sie kommen aus dem erheblichen Aufstieg, den unser Wirtschaftsleben auch im letzten Jahr wieder genommen hat und der uns in den Stand gesetzt hat, trotz des Aus-
Die Ausführungen unseres geschätzten Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, des Herrn Kollegen Schoettle, geben mir Anlaß zu einigen kurzen Erwiderungen.
Wenn auch im Haushaltsausschuß von der Opposition immer und immer wieder herausgestellt wird, daß der Zeitpunkt der Verabschiedung unseres Haushaltsplans viel zu weit hinausgerückt werde, so kann ich für uns nur erklären, daß wir und das Finanzministerium diesen Zustand und diese Tatsache nicht weniger bedauern als unsere Kollegen von der Opposition. Wir scheinen nur mit der Opposition in dieser Frage insofern nicht ganz einig zu gehen, als die Opposition diesen Tatbestand auf ein Verschulden oder gar auf schlechten Willen der Bundesregierung zurückführen will. Wie haben sich diese Dinge denn entwickelt? Wir wissen doch alle, daß der Bund Ende September 1949 in Tätigkeit getreten ist, und daß wir aus der Tatsache, daß damals der erste Haushaltsplan - 1949 - nicht rechtzeitig hat in Angriff genommen werden können, jetzt immer noch daran leiden, noch nicht wieder aufs laufende zu kommen. Ich erinnere mich genau, daß ich im Dezember 1949 im Haushaltsausschuß des Bundestags nachdrücklich dafür eingetreten bin, man möge doch den ersten Haushalt, diesen Anlaufhaushalt, der noch Ersteinrichtungscharakter in beschränktem Ausmaß hatte, innerhalb kurzer
Frist verabschieden, damit die Haushaltsarbeiten für das Jahr 1950 als das erste volle Haushaltsjahr so zeitig in Angriff genommen werden könnten, daß der Haushaltsplan für 1950 einigermaßen rechtzeitig verabschiedet werde. Man hat mich damals getröstet und gesagt: ja, wir sind in 4 oder 5 Wochen fertig. Die Dinge haben sich dann so lange hingezogen, daß wir den im Oktober bereits — Ende September 1949 war die Bundesregierung gebildet worden — vom Kabinett verabschiedeten Haushaltsplan erst im März 1950, also ungefähr am Ende des Haushaltsjahrs hier im Bundestag verabschieden konnten. Diese zeitliche Vorbelastung haben wir leider bis heute noch nicht überwinden können. Das liegt aber nicht an einem Verschulden der Bundesregierung. Man kann sogar sagen: im Gegenteil; denn wenn man sich aus einem recht instruktiven Artikel des Ministerialrats Dr. Just aus dem Bundesanzeiger vom 16. Januar einmal die Termine vergegenwärtigt, zu denen die Bundesregierung und der Bundestag ihre Arbeiten seinerzeit abgeschlossen haben, dann stellt man fest, daß der Haushaltsplan 1950 von der Bundesregierung immerhin eineinhalb Monate früher vorgelegt worden ist — trotz der Vorbelastung, von der ich eben sprach —, als das im Jahr 1949 der Fall war, daß aber, als der Haushaltsplan aus dem Bundestag in dritter Lesung herauskam, es schon drei Monate später war gegenüber dem Zeitpunkt, in dem im Vorjahr der Haushaltsplan verabschiedet war. Man sollte also zumindest nicht die Bundesregierung angreifen, sondern sich im Bundestag einmal fragen, ob wir nicht etwas schneller hätten arbeiten können. Ich bin so frei, diese Aufforderung auch an diejenigen Diskussionsredner der Opposition im Haushaltsausschuß zu richten, die dort einen erheblichen Teil unserer Zeit mit ihren — sicherlich oft beachtlichen — Ausführungen in Anspruch zu nehmen pflegen.
Im folgenden Jahr, im Jahr 1951, ist die Bundesregierung gegenüber dem Jahre vorher wiederum drei Monate früher drangewesen, und die Vorlage an den Bundestag erfolgte sogar vier Monate früher. Dann sind wir allerdings etwas schneller gewesen und haben mit einem Vorsprung von acht Monaten gegenüber dem Vorjahr den Bundeshaushaltsplan verabschiedet. Wenn wir in dieser Weise fortfahren und den Versuch machen, den jetzigen Nachtrag mit möglichster Beschleunigung im Haushaltsausschuß zu beraten, dann teile ich den Optimismus des Herrn Finanzministers dahin, daß wir im kommenden Jahr schon nahezu zur geordneten Verabschiedung des Haushaltsplans kommen werden.
— Ob sie das tut, Herr Kollege Bausch, möchte ich dahingestellt sein lassen. Ich bin eben durch den Oppositionsredner anders informiert worden.
— Zu dem Punkt komme ich jetzt.
Es ging Herrn Kollegen Schoettle um die Stellungnahme des Bundesrats zu dem Gesetz betreffend 40%ige Inanspruchnahme der Einkommensteuer durch den Bund. Es kommt Herrn Kollegen Schoettle noch zu früh. Er folgerte aus einer Beschlußfassung des Bundesrats, daß der Bundesrat dieses Gesetz ablehne. Ich teile die Auffassung des Herrn Kollegen Wellhausen, daß in dem Beschluß des Bundesrats, noch nicht Stellung zu nehmen, zumindest weder eine Ablehnung noch eine Zustimmung enthalten ist. Wenn der Bundesrat inzwischen dem vorläufigen Haushaltsgesetz für 1952, das die hiesige Opposition ablehnt, einstimmig zugestimmt hat, so kann ich daraus mit Befriedigung entnehmen, daß die sozialdemokratischen Kollegen im Bundesrat jedenfalls mehr Verständnis für die praktischen Notwendigkeiten einer ordnungsmäßigen Gestaltung der Dinge aufbringen.
Wenn im übrigen an diesem vorläufigen Haushaltsgesetz für 1952, das ja noch im Kommen ist und eigentlich noch nicht zur Debatte steht, solche Kritik geübt wird, dann möchte ich doch ganz gern einmal einen Gegenvorschlag hören, wie denn nun die Dinge anders gemacht werden sollen. Wir können durch die Bundesregierung Gesetzentwürfe vorlegen lassen, wie wir wollen —, es wird immer kritisiert, es ist immer falsch. Geht man den Weg, dann sagt man nein; geht man den andern Weg, dann sagt man auch nein. Mit diesen Methoden kommen wir ja nicht weiter. Man muß uns schon einen positiven Weg aufzeigen, wie wir nun endlich diesen Zeitverlust endgültig aufholen sollen, den wir von 1949 her teilweise immer noch mitschleppen!
Nun ist bezüglich der Länder und Gemeinden ein Lamento angestimmt worden. Wir, die wir ja zumeist früher in Länderparlamenten waren, sind gewiß der Meinung, daß die Länder die Beträge, die sie jetzt abgeben sollen, gut in ihren eigenen Haushalten gebrauchen könnten. Niemand redet ja davon, daß das überflüssige Gelder seien. Es handelt sich hier lediglich darum, wie das gemeinsame höhere Interesse des Bundes, der ja aus der Gesamtheit der Länder besteht, gesichert werden kann, wenn diese 13%ige zusätzliche Inanspruchnahme der Einkommensteuer nicht erfolgt. Und darauf ist uns die Opposition auch wieder jede Antwort schuldig geblieben.
Schließlich wurde auch etwas über den Verteidigungsbeitrag gesagt. Ich gab durch einen Zwischenruf schon die Bestätigung dessen, was der Herr Finanzminister sagte: die Frage des Verteidigungsbeitrags als solche steht ja gar nicht zur Debatte! Wir wissen doch aus den Ausführungen des Herrn Finanzministers, daß die Aufrechterhaltung der Besatzungskosten in ihrer zuletzt erreichten Höhe denselben Aufwand wie der künftige Verteidigungsbeitrag erfordern würde. Es ist deshalb nicht nötig, daß wir uns über die Frage des Verteidigungsbeitrags jetzt überhaupt unterhalten. Wenn in diesem Zusammenhang über die Höhe der Besatzungskosten als solche hier gesprochen wird, dann wollen wir doch in diesem Hause nun nicht um die Palme des Sieges in dem Sinne ringen, wer am lautesten und am radikalsten über die Besatzungskosten schimpft!
Denn darüber, daß die Besatzungskosten, so wie
sie sind, zu hoch sind — jedenfalls für diesen
Zweck und mit den Aufwendungen, die an verschiedenen Stellen gemacht werden —, darüber
besteht im ganzen deutschen Volk Einigkeit. Unserer gemeinsamen Sache ist aber nicht damit gedient, daß man nun hier von den öffentlichen Tribünen her diese Dinge immer und immer wieder
trommelnderweise verficht, sondern gedient ist uns
damit, daß in schwierigster Kleinarbeit zwischen
den Besatzungsbehörden und unseren Dienststellen,
von Mensch zu Mensch, im echten Ringen erfolg-
reich versucht wird, eine Senkung herbeizuführen. Diese Aufgabe obliegt uns; und bei dieser Aufgabe sind wir, wie auch die Opposition erfreulicherweise anerkennt, doch nicht ganz erfolglos gewesen.
Herr Kollege Schoettle beschäftigte sich weiter mit dem Respekt der Bundesregierung vor dem Parlament. Er behauptete, die Bundesregierung bezeige dem Parlament gegenüber nicht genügend Respekt. Da ich auf diese Bemerkung keinen Zwischenruf gemacht hatte — ich tue das nicht bei jeder Bemerkung —,
ergab sich ob dieses meines Schweigens bei der SPD etwas Erstaunen. Ja, meine Damen und Herren, ich habe da bewußt zunächst einmal abgewartet, wie man wohl diese Behauptung mangelnden Respektes der Regierung vor dem Parlament belegen würde. Ich war darauf gefaßt, daß nun ein Großangriff mit ungezählten Beispielen, ein Großangriff einer Schlachtflotte gegen die Bundesregierung gestartet werden würde,
um dann schließlich feststellen zu müssen, daß diese gesamte Schlachtflotte ausnahmslos in der Oker-Talsperre versunken ist.
Meine Damen und Herren, dann wurde über Herrn Staatssekretär Hallstein gesprochen. Soweit ich unterrichtet bin, soll ja diese Frage anläßlich einer besonderen Interpellation der Sozialdemokratischen Partei behandelt werden. Wir können dazu heute nur erklären, daß wir noch keinen Beweis dafür in der Hand haben, daß irgendwelche politisch falschen Bemerkungen von Herrn Staatssekretär Hallstein gemacht worden sind.
Und solange dieser Nachweis nicht erbracht ist, haben wir nicht den mindesten Anlaß, uns an Angriffen zu beteiligen, zumal die bisherigen bekanntgewordenen Äußerungen des Herrn Staatssekretärs Hallstein uns als duchaus kluge und vernünftige politische Äußerungen in Erinnerung sind, die die Auffassung der Regierungsparteien und des Herrn Bundeskanzlers zum Ausdruck brachten.
Schließlich ein Letztes! Herr Kollege Schoettle hat sich am Schluß ein wenig pathetisch mit der These befaßt, daß soziale Leistungen der Bundesrepublik eine Verpflichtung seien und daß kein Anlaß bestehe, sich damit zu brüsten, wenn man soziale Leistungen aufbringe. Meine Damen und Herren, wir haben durch einen Zwischenruf schon bekundet, daß wir dieser Auffassung voll und ganz zustimmen. Auch für uns sind die sozialen Leistungen, die aufgebracht werden, eine Verpflichtung. Und wenn Sie uns fragen, warum wir glauben, sie in der Öffentlichkeit hervorheben zu müssen, dann liegt das ausschließlich daran, daß sie Monat um Monat und Jahr um Jahr von der Opposition entgegen aller Wahrheit bestritten worden sind.
Wenn das Vorhandensein dieser sozialen Leistungen im Volke bekannt ist und sie anerkannt werden, dann gehen auch wir gern auf den Satz zurück, daß wir in diesem Sinne wirklich nichts mehr als unsere Pflicht getan haben.
Ich bin am Schluß. Wenn wir weiterhin sachlich so geordnete Finanzverhältnisse in unserer Bundesrepublik behalten, besteht bei uns als der tragenden Regierungspartei keine Sorge um Finanzen und Währung. Mit anderen Worten: solange unser Bundesfinanzminister Schäffer als Finanzminister unsere solide deutsche Finanzpolitik führt, kann unser Volk ohne Angst vor neuer Inflation ruhig schlafen.
Tun wir, meine Damen und Herren, das Unsere dazu, daß nicht zuletzt auch der Steuerzahler an dieser wohlverdienten Nachtruhe dauernd seinen Anteil behalten kann.
Meine Damen und Herren, es besteht Einmütigkeit darüber, daß die Forderung, daß das Volk schläft, nur in diesem besonderen Falle gestellt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich vor den leeren Bänken des Hauses für meine Fraktion einige kurze Bemerkungen zu den drei Vorlagen mache, die uns hier beschäftigen.
Herr Abgeordneter Ewers, das Haus ist annähernd beschlußfähig.
Na, na, na!
— Das Haus hat sich, wie ich zugeben muß, in den letzten fünf Minuten angenehm gefüllt; ich fürchte, nicht gerade wegen meiner Rede.
— Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie, soweit Sie anwesend sind, — jetzt ziemlich zahlreich.
Wir möchten von unserem Fraktionsstandpunkt aus zunächst einmal der Vorlage gedenken, die, wenn die Beratung so weiter geht wie bisher, völlig unter denTisch zu fallen droht, die uns aber als Ruhmesblatt des Herrn Bundesfinanzministers doch besonders angeht, da meine politischen Freunde fast ausschließlich aus den Empfängerländern stammen. Es handelt sich um die Finanzausgleichsvorlage. Dieses Gesetz behandelt ein finanzwissenschaftlich sehr schwieriges Problem in einer so taktvollen, wissenschaftlich fundierten Weise, daß es selbst dem doch leicht zur Opposition geneigten Bundesrat nicht gelungen ist, an diesen Vorschriften und an den die finanzstarken Länder erheblich belastenden Vorschlägen irgend etwas auszusetzen. Diese Regelung bildet für ein Land wie Schleswig-Holstein, aus dem ich gewählt bin, überhaupt die Voraussetzung eines Eigenlebens, wie auch in der Vorlage erwähnt ist. Es ist schlimm, aus einem Armenhaus zu kommen; aber wir aus dem Norden brauchen uns dessen nicht zu schämen, denn schließlich ist die Armut, wie in der Vorlage ebenfalls überzeugend dargestellt wird, bei uns ja nur eine Folge
der durch das unglückselige Kriegsende erfolgten Verteilung deutscher Menschen und der steuerrechtlichen Verhältnisse auf willkürlich von heute auf morgen geschaffene sogenannte Länder. Dafür kann die ehemalige Provinz Schleswig-Holstein nichts, daß sie in ihren gesegneten Fluren eine Überfülle von unglücklichen Flüchtlingen aufnehmen und beherbergen mußte, soweit es das kleine Land nur irgend schaffen konnte.
Wir begrüßen es ganz besonders, daß nicht nur der laufende Ausgleich vorgenommen, sondern in Kap. II auch die das Finanzgebaren ständig bedrückende Restschuld aus früheren Jahren in einer, ich darf sagen, „eleganten" Form ausgeglichen wird, hoffentlich endgültig. Dem Herrn Bundesfinanzminister und seinen wackeren Mitarbeitern ist der Dank auch für diese druckreife und dem wissenschaftlichen Studium nicht genug zu empfehlende Vorlage samt ihrer Begründung schon mehrfach ausgesprochen worden; und es gebührt ihnen auch wirklich unser besonderer Dank.
Was die Einkommensteuerverteilungsvorlage anlangt, so darf ich zunächst einmal der Opposition, die bemängelt, daß mit Verhältnissen gerechnet würde, zu denen der Bundestag noch gar nicht Stellung genommen habe — das betrifft die Frage, in welcher Weise wir uns an der Verteidigung Europas beteiligen werden — antworten, daß darüber in diesem Hause am Ende der zweitägigen Verteidigungsdebatte eine Reihe von sehr wohl erwogenen und klaren Beschlüssen von einer beachtlich großen Mehrheit gefaßt sind, wobei allerdings die Opposition „ohne Rücksicht auf den sachlichen Inhalt" und offenbar, ohne von diesem Inhalt auch nur Kenntnis zu nehmen, geschwiegen hat. Aber man muß eben Kenntnis nehmen und kann dann, wenn man die Beschlüsse kennt, weiß Gott nicht mehr behaupten, daß der Bundeskanzler und die Bundesregierung „ohne Ermächtigung des Bundestags" Verhandlungen pflögen. Ebenso unsinnig ist es, dem Herrn Bundesfinanzminister zuzumuten, daß er seinen Kopf in den Sand steckt, von nichts weiß und hier einen Etat aufmacht, der den zur Zeit schon erreichten Verhandlungsstadien geradezu ins Gesicht schlagen würde. Wir sind der Meinung, daß der Finanzminister in der ihm nun einmal obliegenden etatsmäßigen Vorausschau die Dinge gefälligst so zu sehen hat, wie sie sich nach der gegebenen Sachlage im Laufe des Etatjahres gestalten werden. Mit einer plumpen „Überrollung" des Etats wären wir auch nicht einverstanden; aber selbstverständlich müssen wir uns nach der Decke strecken. In einem werdenden, wachsenden Staatswesen — hoffentlich erreicht es sehr bald endgültige totale Selbständigkeit — kann man nicht alles genau fassen, sondern muß man sich zunächst einmal in gewissem Umfang mit Provisorien begnügen.
Was uns nun bei der Gesamtschau über den neuen Etat und die Frage der Beteiligung an der Einkommensteuer zu 40 % und an der Begründung hierzu — die schriftliche wie die mündliche Begründung sind politische Meisterwerke, wie ich betonen darf — besonders gefallen hat, ist der eine Satz, der vielleicht auch den Steuerzahlern im Land gefallen hat — nicht etwa der, daß wir ihre Sachwalter wären; das werden sie sich nicht leicht einreden lassen —, sondern daß der Finanzminister erklärt hat, daß er, nachdem ihm die unglückselige Autobahnsteuer und die noch unglückseligere Luxussteuer einmal aus der geballten Faust geschlagen sind, mit weiteren Steuern endgültig Schluß machen will. Das ist für die Wirtschaft eine unendlich wichtige Erklärung, und ich muß sagen, sie könnte den einen oder den andern im Hause geradezu überrascht haben. Das ist nämlich nun wirklich das neue Programm, wonach unsere geplagte Wirtschaft von neuen Projekten, Absichten, Plänen, die sofort laut verkündet werden, verschont wird und sich auf eine gewisse Stetigkeit einrichten kann.
Mein lieber Herr Finanzminister, mit diesen Worten dürfen wir Sie beim Portepee fassen, und wir bitten Sie also im Sinne der Steuerzahler und der Abgeordneten des Hauses, uns mit neuen Steuervorlagen zu verschonen. Wir haben auch Ihr Wort gehört, daß unsere gegenwärtige Steuerlast die höchste unter allen vergleichbaren Kulturvölkern sei, und wir haben mit Befriedigung gehört, daß Sie den Beweis dafür in Paris geführt hätten und daß er schon fast voll anerkannt sei. Sie haben hinzugefügt, daß man schon jetzt zweifeln könne, ob nicht die Höhe dieser Steuerbelastung das Gebiet dessen, was noch sittlich sei, verlasse. Das ist allerdings eine Erkenntnis, die auch wir seit langem mit uns herumtragen. Es hat sich doch mehr und mehr herausgestellt, daß insbesondere angesichts der gesunkenen Kaufkraft des Geldes die heutige Steuerstaffelung, bei der bei mittleren, noch keineswegs hohen Einkommen die Hälfte des Einkommens weggesteuert wird, eine Konfiskation bedeutet, die jedenfalls kein Anreiz zu besonderer Steuerehrlichkeit ist. Das ist sehr zu bedauern. Auch wir möchten, daß Steuerdelikte keine „Kavaliersdelikte" sind; auch wir möchten, daß wir heutigen Deutschen alle von dem Gefühl beseelt wären, daß der Staat von uns nur das fordert, was er nun einmal fordern muß. Diese Konfiskation von mehr als 50 vom Hundert ist eben bei den Einkommensteuerstufen so beschaffen, daß man sich fragt: Ist denn das noch sittlich? Ist dann aber diese Frage gestellt, so bitte ich doch, das Augenmerk darauf zu richten, daß sich neuerdings die Beschwerden mehren, daß die Herren Fahndungsbeamten des Finanzamts zum Teil Methoden anwenden, die peinliche Erinnerungen an gewisse Fahndungen Gott sei Dank inzwischen untergegangener Polizeistellen wachrufen.
Ich möchte bitten, daß man, wenn man sich klar ist, daß die Steuer jeweils die äußerste Grenzlinie des Sittlichen streift, dann auch die Fahndung entsprechend einrichtet und die Beamten belehrt, daß sie in der Lage des Steuerschuldners vielleicht nicht anders handeln würden. Derartige Dinge müssen jedenfalls mit einem gewissen Takt behandelt werden, insbesondere wenn wir hier im Bundestag die Steuerzahler vertreten sollen.
Dann habe ich noch den neuen Etat zu erwähnen. Ich muß zu meinem Bedauern in die Rüge des Herrn Abgeordneten Schoettle wegen der Okertalsperre einstimmen, — nicht in derselben Tendenz, daß das ein Beispiel für eine Torpedierung der Beschlüsse des Bundestages sei, sondern hinsichtlich der Wirkung auf die dort beteiligten Bevölkerungsschichten. Auch wir — und meine Fraktion stammt ja bekanntlich insbesondere aus diesem Gebiet um den Harz herum — haben es als sehr schmerzlich empfunden, daß nach einer in Hannover abgegebenen bedingungslos zustimmenden Erklärung des Herrn Bundeskanzlers sofort aus Bonn ein Dementi kam und erklärt wurde, das Finanzministerium habe eine ganz andere Auffas-
sung. Auch wir hatten das Gefühl: ja, was ist denn das? Hat denn der Bundestag gar nichts mehr zu sagen, und ist bei einem Gesamtetat von, ich meine, 19 Milliarden DM eine wirtschaftliche Investitionsausgabe von 2,5 Millionen DM dergestalt, daß man nun gleich eine Deckungsvorlage haben muß? — Wir hatten dabei das Gefühl, daß insoweit etwas nicht ganz stimme.
Nun möchte ich allerdings zur Entschuldigung des Herrn Finanzministers, mit dessen Lob ich ja gern schließen möchte, eines sagen: Natürlich möchte das Finanzministerium sich die Sache in allen Konsequenzen durchdenken, ehe es freudig ja sagt. Aber ich meine, die hohe politische Begabung, die ja die heutige Rede des Herrn Finanzministers wieder verraten hat, hat ihn in dem Moment, in dem er diese skeptische Bemerkung machte, offenbar im Stich gelassen. Wir wären glücklich, wenn wir uns über derartiges Aussetzen seines politischen Genies nie wieder zu beschweren brauchten.
Jedenfalls möchten wir eines feststellen: Die Okertalsperre ist in einem Notstandsgebiet ersten Ranges, in nächster Nähe der Zonengrenze, zu bauen
— ohne daß nun die Herren Bürokraten sich um das Eigentum zu streiten brauchen und streiten dürfen — aus Bundesmitteln. Welche Regelung die beiden Fisken da miteinander treffen werden, ist
— der Herr Finanzminister wird da wohl kaum widersprechen — dem deutschen Volke im Harz ganz gleichgültig. Die Hauptsache ist, daß die Arbeit beginnt, daß wir gegenüber der KonkurrenzTalsperre — das ist wohl die Bodetalsperre im Osten — nicht den Kürzeren ziehen und daß außerdem Arbeit und Leben in .die Elendsgebiete längs des eisernen Vorhangs kommt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin damit am Ende. Wir werden an der Sache selbstverständlich als Regierungspartei eifrigst mitarbeiten, und wir sind der Meinung, daß man insbesondere die Vorlage betreffend Beteiligung an der Einkommensteuer durch den Bund nicht rasch genug in Arbeit nehmen kann. Daß der Bundesrat weder zugestimmt noch abgelehnt hat, ergibt sein Beschluß für jeden, der deutsch lesen kann, aufs deutlichste. Daß er sich noch zurückhaltend benimmt, wo er die Etats der Länder nicht kennt und wo auch ein Etat des Bundes selbst noch nicht vorliegt, das wird ihm kein Fühlender verdenken. Auch wir sind der Meinung, daß im Laufe der Ausschußberatungen mit größter Sorgfalt geprüft werden muß, ob es dabei wirklich einen letzten gibt, den die Hunde beißen. Die letzten könnten die Gemeinden sein. Davor möchten wir allerdings die zum Teil notleidenden Gemeinden in den Notstandsgebieten durchaus bewahren. Auch darüber ist in der Vorlage sehr Verständiges gesagt worden. Das bedarf der Nachprüfung, auch vom Standpunkt des Gemeindetages aus. Jedenfalls muß die Prüfung an Hand der Etatsentwürfe, soweit sie jetzt vorliegen, mit Ernst und Eifer erfolgen.
Daß im Laufe der Entwicklung dem Bund im Verhältnis zu den Ländern mehr und mehr Aufgaben anwachsen, das scheint mir durch die heutigen Darlegungen des Herrn Finanzministers im Prinzip klar belegt zu sein. Es ist uns klar, daß darüber, ehe das beschlossen ist, noch manche Verhandlungen geführt werden müssen. Es ist unbedingt nötig, daß diese Verhandlungen bald beginnen. Im letzten Jahr haben wir erst nach dem 1. Oktober die Abführung an den Bund endgültig
beschließen können. Für das zweite Halbjahr sind damals 29 % gezahlt worden, nachdem im ersten Halbjahr nur 25% gezahlt worden waren. Die Länder zahlen zunächst freiwillig nur 27 % weiter. Durch solche Regelungen kommt die Bundeskasse in Not. Es wird nötig sein, daß wir diesmal das Problem geraume Zeit vor den Sommerferien rechtskräftig, eventuell durch den Vermittlungsausschuß, unter Dach und Fach bringen. Dazu möchten wir dem Herrn Bundesfinanzminister auf seinem dornenreichen Weg alles Gute wünschen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem es nicht einmal Herrn Kollegen Wuermeling gelungen ist, die nette Gemütlichkeit unseres kleinen Kreises zu stören, werde natürlich auch ich keine Unruhe hereinbringen. Wo alles liebt, will ich allein nicht hassen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat heute in einem Maße Lobgesänge bekommen, wie sie sonst nur bei feierlichen Banketten üblich sind. Ich kam mir vor wie auf einem Bankett, bei dem es zwar nichts zu essen und gar nichts zu trinken gibt, bei dem man den bisherigen Präsidenten, dessen man überdrüssig ist, durch überschwängliche Reden abfeiern will.
— Nein, der will ja auch nicht! Ich möchte nur nachtragen, daß der Herr Kollege Wuermeling bei seinen Dankesreden vielleicht vergessen hat, dem Herrn Bundeswirtschaftsminister auch noch dafür zu danken, daß wir einen so ausgezeichnet funktionierenden Kapitalmarkt haben.
Im übrigen will ich allen Versuchungen widerstehen, auf die Diskussion einzugehen, weil ich nur die Aufgabe habe, einige Anmerkungen zum Finanzausgleich zu machen. Nachdem aber nun soviel Verbeugungen vor dem Herrn Bundesfinanzminister und vor seiner Beamtenschaft gemacht worden sind, will ich mich anschließen und mich auch verbeugen. Ich pflege in meinen Vorlesungen und Übungen die Drucksachen, die aus dem Bundesfinanzministerium kommen, immer als besonders sorgfältige Arbeiten hervorzuheben.
Dies soll mich aber nicht hindern, nachher als Ergänzung zu diesen Drucksachen einen kleinen Vorschlag zu machen.
Der Herr Kollege Ewers hat davon gesprochen, daß es sich hier um finanzwissenschaftlich und taktisch ganz hervorragende Werke handle. Wenn man die Drucksache Nr. 3169 liest, meint man in der Tat, der ganze Finanzausgleich sei auf Grund objektiver Merkmale zustande gekommen, die Finanzkraftmeßzahl und die Ausgleichsbeträge seien das Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen; zudem sei alles in so schöner Einigkeit erarbeitet worden, daß dieses herrliche Gentlemen Agreement — so wurde es bezeichnet — herausgekommen sei, welches dann der Bundesrat einmütig angenommen habe. Der Herr Bundesfinanzminister und die Herren, die um ihn sitzen, wissen sehr genau — und wir Eingeweihten wissen es auch —, daß diese Drucksache Nr. 3169 das Ergebnis langer, viele Monate langer Verhandlungen der Studienkommission für den Länderfinanzausgleich und des Finanzausschusses des Bundesrates ist. Wir wollen auch ganz offen sagen, daß hier
nicht mit wissenschaftlichen Argumenten verhandelt wird, sondern sehr häufig mit dem Holzhammer. Die Interessen der einzelnen Länder, so wie sie sie auffassen, werden oftmals mit einer Hartnäckigkeit verfolgt, die an Brutalität grenzt. Die Zahlen im Finanzausgleich sind roh gegriffen, mithin nicht als wissenschaftliche Ergebnisse zu werten. Ich sage das nicht, um die Arbeit der Herren, die ich sehr schätze, herabzusetzen, sondern um hier einmal ganz offen zu sagen, welche Mängel unserer Finanzverfassung und unserem Föderalismus, den der Herr Bundesfinanzminister wieder so gepriesen hat, anhaften.
Begrüßenswert an diesem Finanzausgleich ist, daß er für zwei Jahre gilt — davon ist allerdings das eine Jahr in zehn Tagen herum, aber wir haben immerhin für das nächste Jahr schon eine Grundlage — und daß in Kapitel II ein Ergänzungsausgleich für die Jahre 1948 und 1949 vorgenommen worden ist. Im ganzen dürfen wir uns nicht darüber täuschen, daß der Finanzausgleich nicht ein Erfolg der Wissenschaft ist, Herr Kollege Ewers, sondern ein Kompromiß, daß mit diesem Finanzausgleich das Pferd vom Schwanze her aufgezäumt ist.
Allerdings ist dieser Finanzausgleich nicht der erste, der in dieser Art begonnen hat, und es ist auch nach 1945 nicht der erste, der auf diese Weise zustande gekommen ist.
Die Ausgleichsmasse ist in diesem Jahre auf 180 Millionen gegen 285 Millionen im Vorjahr beziffert. Für 1952 rechnet man insbesondere wegen der Auswirkungen des Zerlegungsgesetzes, das wir kürzlich angenommen haben, mit Minderungen. Für die Festsetzung dieser neuen Beträge sind nun in den §§ 6, 9, 10, 11 und 13 jeweils besondere Ermächtigungen für den Bundesfinanzminister vorgesehen, mit Zustimmung des Bundesrats Rechtsverordnungen zu erlassen. Wir können auf die Verhandlungen, die wiederum in holder Eintracht und süßem Frieden mit den Länderfinanzministern durchgeführt werden und zum Schluß mit einem Gentlemen-Agreement enden, nur gespannt sein.
Ich will nun noch einige Anmerkungen machen, um zum Ziel meiner Darlegungen zu kommen. Wir sehen, daß die Finanzkraftunterschiede zwischen den einzelnen Ländern trotz Vollzugs der beiden Überleitungsgesetze noch außerordentlich groß sind. 1950 betrug die Finanzkraft des finanzstärksten Landes über 132 % des Bundesdurchschnitts und die des finanzschwächsten Landes — Schleswig-Holstein — nur 34 % des Bundesdurchschnitts. Das hat sich in diesem Jahr etwas gebessert. Im Jahre 1951 schwankte es zwischen 130 % des Bundesdurchschnitts bei Hamburg und 48,7 % bei Schleswig-Holstein. Jetzt, 1951, liegen noch vier Länder unter dem Bundesdurchschnitt. Diese Zahlen zeigen also eine sehr unterschiedliche Finanzkraft der Länder, so daß von einem wirklich föderativen Staat gar nicht gesprochen werden kann. Man könnte erst dann von einem Föderalismus sprechen, wenn die einzelnen Glieder, die den Bund bilden, in sich etwa ausgewogen wären, etwa gleichwertig wären und eine ungefähr gleiche Finanzkraft hätten,, damit dann ein etwa notwendiger Finanzausgleich wirklich nur das wäre, was er seinem Wesen nach sein sollte, nämlich ein Spitzenausgleich. Davon aber kann bei unserem Finanzsystem keine Rede sein. Deshalb ist unser Föderalismus, Herr Minister Schäffer, ein Truggebilde, wenn nicht gar eine Farce.
— Ja, man muß sich hier einmal klar und deutlich ausdrücken, Herr Kollege Bausch! Denn ich glaube, ich habe recht, und ich glaube, daß die nächsten Jahre das noch viel deutlicher zeigen werden.
Die Überschüsse und Fehlbeträge können bei den einzelnen Ländern keineswegs voll, sondern nur in einem gewissen Umfang ausgeglichen werden. Ich sagte Ihnen, 180 Millionen Finanzmasse stehen in diesem Jahr als Ergebnis dieser harten Kämpfe zur Verfügung, und die Experten sind sich darüber einig — das steht auch in der Drucksache —, daß 734 Millionen zum vollen Ausgleich erforderlich gewesen wären. Man sieht daran, wie unglücklich das System der deutschen Länder ist, und man sieht daran, daß die Finanzpolitik so nicht weitergehen kann.
Ich versprach Ihnen zu Beginn, noch eine Anregung zur Vervollständigung des Zahlenwerks zu geben. Das Zahlenwerk, das uns vorgelegt worden ist, steht in seiner Qualität außer Zweifel. Aber ich glaube, bei. der Art unserer Länder, der verschiedenen Finanzkraft unserer Länder, der verschiedenen Art der Länderhaushalte, der verschiedenen Art der Länderfinanzpolitik, der verschiedenen Art ihrer Steuererhebung auch bei der gleichen Steuer, etwa bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer, wäre es notwendig, daß wir Analysen sämtlicher Länderhaushalte vornehmen würden. Ich erinnere mich, Herr Minister Schäffer, daß Sie mich vor drei Jahren in einer Finanzministerkonferenz, als es um SchleswigHolstein ging, gefragt haben: Wollen Sie sich Ihren Haushalt denn nachprüfen lassen? Und ich sagte: ja, gern; aber ich wünsche gleichzeitig, daß die Haushalte aller anderen Länder nach dem gleichen System analysiert werden! Da zeigte sich, daß besonders die Länder, die mit ihrer Steuerkraft über 100 % lagen, auf diesen meinen Vorschlag sehr sauer reagierten. Ich bin aber wirklich der Meinung, daß dieser Gedanke bei dem System unserer Finanzverfassung wieder aufgegriffen werden muß und daß wir zu solchen Querschnitten durch die Haushalte kommen müssen, die dann gewissermaßen zu einem Standardhaushalt der Länder führen würden.
Nun steht in der Begründung etwas sehr Interessantes: Da steht nämlich auf Seite 29, daß man den vollen Ausgleich gar nicht wünsche. Ein so umfassender Ausgleich würde praktisch zu einer Nivellierung der Länderfinanzen führen, die weder staatspolitisch noch finanzwirtschaftlich vertretbar ist. Über diesen Satz habe ich gestaunt. Weder staatspolitisch noch volkswirtschaftlich wäre es vertretbar, wenn wir den Ausgleich voll durchführen könnten! Ich würde zugeben, wenn es sich überall um gewachsene Länder, um selbständige Staaten handelte, daß man dann den Ausgleich nicht voll durchführen könnte. Wenn man aber bedenkt, wie zufällig unsere Länder zusammengekommen sind — ich erinnere Sie an die „große nordrhein-westfälische Tradition" oder was es alles auf diesem Gebiete gibt -, dann kann ich nicht verstehen, daß bei dieser Zufälligkeit der Gesetzgeber nicht den Wunsch haben sollte, wirklich auszugleichen.
Nun haben wir ja in diesem Hause schon mehrfach über den Föderalismus gesprochen. Sie werden sich erinnern, daß ich einmal vor eineinhalb Jahren der Meinung Ausdruck gab, ein Bundesfinanzminister müsse einfach aus seinem Amt heraus eine zentrale Bundesfinanzverwaltung anstreben. Ich habe damals sogar gesagt, wenn mein Blick mich nicht täusche, erkenne ich in dem Bannerträger
des Vortrupps der Bundesfinanzverwaltung die „sympathisch-bayerisch-föderalistischen Züge unseres Herrn Bundesfinanzministers". Aber das war eine zu harmlose Auffassung von mir. Als dann der inzwischen ausgeschiedene verehrte Kollege Höpker-Aschoff sein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes einbrachte, das wir in der 152. Sitzung am 14. Juni vorigen Jahres behandelt haben, erinnerte der Herr Bundesfinanzminister daran, daß er nicht nur Bundesfinanzminister, sondern insbesondere auch der Abgeordnete des Wahlkreises Passau sei — insbesondere! —, und in seinen weiteren Ausführungen meinte er, er finde sich dabei als völlig harmonisches Ganzes. Wir haben aber den Eindruck, daß diese Harmonie nicht so ganz stimmt, weil sie nicht stimmen kann. Ich bin vielmehr der Meinung, daß alles bei einem Bundesfinanzminister zur zentralen Bundesfinanzverwaltung hindrängt. Ich bin auch überzeugt, daß es nichts geben kann, was diese Entwicklung aufhält, trotz des schönen Märchens vom Dornröschen, welches da versteckt schläft, und trotz all der Bedenken, die Herr Minister Schäffer hier vorgebracht hat.
Ich glaube nicht, daß die Neuordnung unseres Steuerwesens nach .Art. 107 des Grundgesetzes die Lösung unserer Finanzprobleme bringen wird. Vielmehr müssen wir daran gehen, ein verfassungänderndes Gesetz zu schaffen, welches trotz der bayerisch-föderalistischen Bedenken hoffentlich die erforderliche Mehrheit in diesem Hause finden wird und mit dem wir alle zu einer guten, sparsamen, zentralen Bundesfinanzverwaltung kommen. Ich bin also überzeugt, daß wir die Sache tiefer anpacken müssen als mit der Möglichkeit, die uns Art. 107 des Grundgesetzes bis zum 31. Dezember dieses Jahres gibt. Herr Minister Schäffer wurde in der Sitzung vom Juni vorigen Jahres lyrisch und elegisch, es hat auf mich einen großen Eindruck gemacht. Ich bitte Sie, das doch einmal nachzulesen. Es wurde da doch sehr deutlich, daß zwei Seelen, ach, in seiner Brust wohnen und keine will sich von der andern trennen. Er sagte uns damals sehr nachdrücklich, die Stunde sei noch nicht gekommen. Herr Minister Schäffer sagt uns das immer dann, wenn ihm die Stunde nicht genehm ist. Auch neulich sagte er es, bei der Beratung über das Branntweinmonopol, einer Angelegenheit, die auch mehr als überfällig ist.
Dieser Gesetzentwurf über den Länderfinanzausgleich ist der Ausdruck der Finanzverfassung unseres Bundes, ein klägliches Werk! Gut, daß sie sich drüben im Bundesrat alle geeinigt haben. Aber es bleibt doch ein Stückwerk, und wir müssen bald zum Ganzen vordringen. Ich beantrage die Überweisung dieses Gesetzentwurfs federführend an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und mitberatend an den Haushaltsausschuß wegen der Fragen, die in Kap. II des Gesetzes enthalten sind, der Fragen des teilweisen Ausgleichs der Länderlasten aus den Jahren 1948 und 1949, die im Haushaltsausschuß behandelt werden müssen. Wir werden uns dann in den Ausschüssen mit der Sache befassen. Auch zu dem Gesetz selbst hätte ich eine Reihe kritischer Bemerkungen zu machen. Ich halte es nur nicht für angezeigt, diese jetzt in der ersten Lesung vorzubringen. Aber wir vom Bundestag sollten nichts tun, was die Verabschiedung des Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern, über das die Länder unter sich einig geworden sind, stören könnte. Aber glauben Sie mir, Herr Bundesfinanzminister: Die Stunde h a t geschlagen. Sie haben es nur, fürchte ich, überhört.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Spiel geht etwa so: Der Föderalist Schäffer, nicht etwa mit lauwarmem, sondern mit warmem föderalistischen Herzen und dem trefflich kühlen Kopf müht sich für den Bund ab, und der Unitarier Schoettle steht gegen den Bund. Ich muß da an ein altes Trinklied denken; ich habe es etwas variiert:
Linker Hand, rechter Hand, alles vertauscht, Politische Straße, wie wunderlich siehst du mir aus!
Dabei ist doch die Begründung gerade zu der Drucksache Nr. 3168, die heute so sehr gelobt worden ist, derart, daß sie jedes unitarische Herz vor Freude zum Hüpfen bringen müßte. Herr Präsident, es handelt sich um ein amtliches Stück; ich darf es mit Ihrer Erlaubnis teilweise vorlesen. Da heißt es:
Diese unterschiedliche Entwicklung der Bundesausgaben und der Länderausgaben ist nicht die Folge einer unterschiedlichen Hausjaltspolitik, sondern entspricht der natürlichen, in
erster Linie strukturbedingten Verschiedenheit
der Aufgaben und Lasten; während die vom
bundesstaatlichen Gesamtverb and, also zentral
zu tragenden Lasten durch eine Dynamik gekennzeichnet sind, die bekanntlich in allen
modernen Bundesstaaten zu einer ständig zunehmenden Bedarfsausweitung führt, wird die
Höhe der von den Einzelverbänden zu tragenden, also regional begrenzten Lasten durch den
im wesentlichen gleichbleibenden Umfang der
herkömmlichen Staatsaufgaben bestimmt.
Also beim Bunde die Dynamik, bei den Ländern
die Ruhe. Meine Damen und Herren, stellen Sie
sich einmal vor, Sie säßen hier oben auf dieser
Bank. Ich glaube, auch bei Ihnen würden Verteidigungsbeitrage nicht mehr auf dem Haushalt des
Königreichs Bayern und des Königreichs Preußen
lasten, also wie ehedem partiell, sondern sie würden auf dem Haushalt des zentralen Staates lasten.
So ist es in allen modernen föderativen Staaten,
ich glaube, auch in den USA und in der Schweiz.
Aber nun zu der Frage, die mir Sorge macht — ich gehe da nicht so heißblütig los wie mein Kollege Gülich —, ob wir bei diesem Finanzbedarf des Bundes mit dem gegenwärtigen Finanzverwaltungssystem auskommen werden. Meine Damen und Herren, 40 % von der Einkommen- und Körperschaftsteuer ist ein trefflicher, großer Happen, das ist mehr als der Betrag, mit dem Erzberger 1920 bei dem Landessteuergesetz antrat.
Gestern hat der Herr Staatssekretär Hartmann — so habe ich es wenigstens verstanden — mit einer gewissen Ironie auf die elf Länderfinanzverwaltungen hingewiesen. Dabei liegt die materielle Rechtsschöpfung auf steuerlichem Gebiet, abgesehen von den 'kleinen Steuern mit örtlicher Wirkungskraft, bei uns, beim Bund. Die Begründung hat in dieser trefflichen Drucksache darauf verwiesen, daß die Deckungslücken bei einzelnen Ländern — die ja der Herr Kollege Gülich so kräftig herausgestellt hat durch den horizontalen Finanzausgleich geschlossen werden müssen. Man kann meines Erachtens — ich spreche hier eine persönliche Meinung aus — der Meinung sein, daß ein guter vertikaler Finanzausgleich jeglichen horizontalen überflüssig macht. Ich schließe mich hier
dem Gutachten des Instituts für Steuern und Finanzen in Bonn vollinhaltlich an. Man darf doch wohl sagen — Herr Kollege Gülich, Sie sind ja von Ihren schleswig-holsteinischen Notzuständen her der Hauptantreiber für das Zerlegungsgesetz gewesen —, daß das Zerlegungsgesetz und dieser komische „Horizont", den wir da aufgebaut haben, nicht gerade einfache Gesetzgebung darstellen.
Ich könnte mir vorstellen, daß wir — wir , Verzeihung, ich muß immer wieder betonen, daß ich eine persönliche Meinung ausspreche, von der ich nur hoffe, daß sie von einigen meiner politischen Freunde geteilt wird —
bei einer Bundeseinkommensteuer auf jegliches Zerlegungsgesetz und jeglichen horizontalen Finanzausgleich verzichten könnten.
In einem vertikalen Finanzausgleich ist es durchaus möglich, finanzschwache Länder zu berücksichtigen. Der Herr Bundesfinanzminister wird sich noch erinnern — er war seinerzeit Vertreter der Bayerischen Volkspartei —, wie sehr man damals den § 35 des alten Reichsfinanzausgleichsgesetzes gepflegt hat, und zwar mit Recht gepflegt hat, der die Möglichkeit bot, auch finanzschwache Länder entsprechend auszugestalten.
Schließlich darf ich mir die Bemerkung erlauben — da kommt mein altes kommunales Herz wieder zum Schlagen —: wir haben ja auch so eine Art vertikalen Finanzausgleich zwischen den Ländern und den Gemeinden, nämlich in dem System der Finanzzuweisungen. Ich vermag nicht einzusehen, daß die Gemeinden so letzte Klasse seien. Jedenfalls haben sie — ich knüpfe hier an ein Wort des Herrn Staatssekretärs Hartmann von gestern abend an — gegenüber den Ländern doch in ihrem Dasein einen etwas höheren relativen Ewigkeitswert bewiesen.
Nun will der Herr Bundesfinanzminister mit Recht, ganz analog seiner trefflichen Begründung: „Bei den Ländern die Ruhe", den Ländern den Finanzstatus von 1951 belassen. Er glaubt sogar, es gibt noch etwas mehr dazu. Er kann auch bei den Gemeinden, jedenfalls bei den gewerbesteuerstarken Gemeinden, damit rechnen, daß es bei ihnen etwas mehr gibt. Darf ich hier aussprechen, daß ich und, ich glaube, mit mir auch ein großer Teil meiner politischen Freunde dieses geschickte Junktim von Konsolidierung von Länderschulden und Fortnahme von 40 % des Aufkommens an Einkommen- und Körperschaftsteuer begrüßen und es geradezu für ein Meisterstück halten. Diese Konsolidierung von kurzfristigen Schulden mit Hilfe des Kredits des Bundes kommt in erster Linie finanzschwachen Ländern, beispielsweise Hessen und Niedersachsen, zugute. Die Sozialdemokratische Partei soll doch in diesen Ländern einen gewissen Einfluß haben.
Machen Sie ihn bitte nicht so geltend, daß Sie die Herren dort zur unbedingten Linientreue verpflichten. Lassen Sie doch diese Länder in der Bundesratsabstimmung ihren Dank an den Herrn Bundesfinanzminister abstatten!
Herr Abgeordneter Dr. Decker, wünschen Sie, noch einmal das Wort zu nehmen? — Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben von der SPD-Seite her gehört, daß Vermutungen über eine gestörte Harmonie des zweiteiligen Seelenlebens des Finanzministers bestehen. Nun, vielleicht kann mich der Finanzminister, nachdem diese Vermutungen geäußert worden sind, besser verstehen. Ich glaube allerdings, er hat mich vorher schon verstanden. Der Unterschied, den ich gemacht haben möchte und noch gemacht haben will, ist der zwischen einem Föderalisten mit ganzem Herzen und einem mit halbem Herzen.
Herr Abgeordneter Ribbeheger!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Nachtragshaushaltsplan sehr ausreichend zur Diskussion gestellt und erörtert worden ist, habe ich nur zu sagen, daß wir im Haushaltsausschuß zu den einzelnen Positionen Stellung nehmen werden.
Meine Aufgabe besteht darin, einiges zu der Drucksache Nr. 3168 zu sagen. Es ist dort vom Herrn Bundesfinanzminister gesagt worden, daß die Gemeinden ein weit höheres Aufkommen an Gemeindesteuern zu verzeichnen haben und damit das Gesamtaufkommen der Gemeinden und auch der Länder im Jahre 1951 erheblich und entschieden höher sei.
Zu der Begründung, die die Bundesregierung dazu gegeben hat, muß ich ausführen, daß die Gemeinden einen dringlichen Nachholbedarf haben, insbesondere im Hinblick auf das Schulwesen und die Wegeunterhaltung. Ich möchte aber nicht versäumen, ganz besonders darauf hinzuweisen, daß die Gemeinden heute größere Aufgaben haben, und daß die endgültigen Veranlagungen aus dem Jahre 1948/49 nunmehr haushaltsmäßig verbucht werden konnten und die Gemeinden diese erheblichen Aufgaben — ich nenne hier vor allem den Wiederaufbau von Schulgebäuden und öffentlichen Gebäuden — bisher zurückstellen m ußten. Ich möchte erklären, daß wir gerade nach dieser Seite hin größtes Gewicht auf die Selbständigkeit und die Selbstverwaltung der Gemeinden legen müßten, weil wir der Meinung sind, daß die Stärke des Bundes so groß sein wird wie die des schwächsten Gliedes des Bundes, der letzen Gemeinde.
Wir werden der Vorlage Drucksache Nr. 3168 nicht zustimmen können, sondern werden unsere Haltung davon abhängig machen, wie der Bundesrat zu dieser Frage Stellung nehmen wird.
Zur Frage der Ausschußüberweisung wünscht Herr Abgeordneter Bausch noch zu sprechen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zum Schluß meinem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß wir diese wichtigen Vorlagen in so später Abendstunde erörtern müssen.
Ich glaube, wir sollten versuchen, künftig Haushaltsvorlagen grundsätzlich an die Spitze der Tagesordnung zu stellen.
Ich möchte die Herren von der Opposition um ihre Unterstützung dafür bitten, daß wir künftig bei der Festsetzung der Tagesordnung so verfahren und auf diese Weise dafür sorgen, daß der Behandlung von Haushaltsvorlagen das Gewicht zugemessen wird, das ihnen tatsächlich zukommt.
Wenn ich mir vorstelle, welche enorme Beachtung die Behandlung eines Haushalts etwa im englischen Parlament und im englischen Volk findet,
dann, glaube ich, wäre es sehr gut, wenn wir uns in dem Willen verbünden würden, darum zu kämpfen, daß auch unser Volk ein größeres Interesse an den Haushaltsvorlagen bekommt, als es bisher der Fall war.
Nun möchte ich wegen der Weiterbehandlung der Gesetze, die heute auf der Tagesordnung stehen, folgendes vorschlagen: Punkt 11 der Tagesordnung — die Vorlage, die den Nachtragshaushalt betrifft — sollte dem Haushaltsausschuß überwiesen werden. Ich glaube, daß darüber Übereinstimmung besteht. Was die Vorlage Drucksache Nr. 3169 anlangt, so möchte ich mich dem Vorschlag, den Herr Kollege Gülich gemacht hat, durchaus anschließen. Federführend soll der Finanz- und Steuerausschuß sein, aber der Haushaltsausschuß sollte mitbeteiligt werden. Bezüglich der Vorlage Drucksache Nr. 3168 bin ich der Meinung, daß es sehr wohl vertretbar wäre, wenn die Federführung bei der Behandlung dieses Gesetzes dem Haushaltsausschuß zufallen würde. Der Finanz- und Steuerausschuß sollte aber an der Beratung dieses Gesetzes beteiligt sein. Der Gesetzentwurf auf Drucksache Nr. 3168 ist tatsächlich ein typisches Haushaltsgesetz.
In diesem Sinne möchte ich die Überweisung der Vorlagen zur Weiterbehandlung an die Ausschüsse beantragen.
Meine Damen und Herren, jetzt wird es schwierig. Wer wünscht zu sprechen, Herr Professor Gülich oder Herr Abgeordneter Mellies? — Bitte, Herr Abgeordneter Mellies.
Meine Damen und Herren, als ich die ersten Ausführungen von Herrn Bausch hörte, mußte ich doch sagen: darüber bin ich sehr verwundert. Ich weiß gar nicht, wie Sie dazu kommen, einen besonderen Appell an die Opposition zu richten hinsichtlich der Behandlung der Haushaltsvorlagen; denn Sie haben im Altestenrat die Tagesordnung genau so mit festgesetzt, wie das alle anderen auch getan haben, und niemand hat dagegen besonderen Einspruch erhoben.
Aber, Herr Bausch, wenn Sie die Wichtigkeit des Haushaltsrechts betonen, dann sollten Sie auch gelegentlich daran denken, daß wir fast den halben Haushalt durch Vorwegbewilligung im Haushaltsausschuß genehmigen sollen. Das ist nämlich das, was dem Haushaltsrecht des Bundestags einen viel größeren Stoß versetzt, als wenn zu später Abendstunde der Haushaltsplan hier erörtert wird.
Meine Damen und Herren, ich darf jedenfalls doch wohl als gemeinsame Überzeugung feststellen, daß selbst unter der späten Stunde — ich glaube nicht, daß 21 Uhr so sehr spät ist — die Qualität der Aussprache nicht gelitten hat.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Besprechung. Ich darf unterstellen, daß bei Punkt 11 der Tagesordnung Einmütigkeit darüber besteht, daß der erste Nachtrag einschließlich Ergänzungsvorlage dem Haushaltsausschuß überwiesen wird. — Da ist keine Meinungsverschiedenheit. Die Überweisung ist erfolgt.
Zu Punkt 9 scheint mir auch Einmütigkeit darüber zu bestehen, daß Überweisung an den Finanz- und Steuerausschuß als federführenden und an den Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschuß erfolgen soll. Das ist Drucksache Nr. 3169. - Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen!
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Das wären neue Methoden -
das können wir auch noch machen, aber nicht im falschen Augenblick —, daß diese Drucksache dem Haushaltsausschuß zugewiesen wird. Der Finanzausgleich ist meines Erachtens in den Händen des Finanzausschusses hinreichend gut aufgehoben.
Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen beantragt, die Vorlage Drucksache Nr. 6169 lediglich dem Finanz- und Steuerausschuß zu überweisen. Meine Damen und Herren, ich darf unterstellen, daß der Finanz- und Steuerausschuß auf jeden Fall federführender Ausschuß ist. Darf ich fragen, wer auch noch — dieser Antrag ist gestellt worden — für die Überweisung an den Haushaltsausschuß ist? Ich bitte diese Damen und Herren, die Hand zu erheben. — Das scheint mir nicht die Mehrheit des Hauses zu sein. Diese Überweisung ist abgelehnt.
Zu Punkt 8 Herr Abgeordneter Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte beantragt, die Vorlage Drucksache Nr. 3169 an den Finanzausschuß — federführend — und wegen des Kap. II an den Haushaltsausschuß — mitberatend — zu überweisen, denn da handelt es sich um eine echte Haushaltsangelegenheit, die unter allen Umständen vom Haushaltsausschuß mitberaten werden muß.
Herr Abgeordneter Professor Gülich, wenn Sie sich in diesem Augenblick nicht mit Herrn Kollegen Bausch auseinandergesetzt hätten, hätten Sie bemerkt, daß ich über Ihren Antrag abgestimmt habe, aber leider hat dieser Antrag keine Mehrheit gefunden. Ich kann es nicht ändern.
— Meine Damen und Herren, ich habe nun wirklich nicht die Möglichkeit, nach einer abgeschlossenen Abstimmung noch Auseinandersetzungen über das Ergebnis der Abstimmung zuzulassen.
— Ich stelle anheim, später solche Anträge zu stellen.
Hinsichtlich des Punktes 8 der Tagesordnung — Drucksache Nr. 3168 — hat Herr Abgeordneter Bausch Überweisung an den Haushaltsausschuß als federführenden und an den Finanz- und Steuerausschuß als mitberatenden Ausschuß beantragt. Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen hat mir — ich darf das als einen Antrag ansehen — seine Meinung dahin kundgetan, daß nach seiner Auffassung diese Vorlage dem Finanz- und Steuerausschuß allein zu überweisen sei.
— Wenn Sie, Herr Kollege Bausch, sich nicht in diesem Augenblick mit Herrn Professor Gülich unterhalten hätten, hätten Sie gehört, was ich gesagt habe.
Meine Damen und Herren, es liegt erstens der uns allen bewußt gewordene Antrag des Herrn Kollegen Bausch vor, Drucksache Nr. 3168 federführend dem Haushaltsausschuß und mitberatend dem Finanz- und Steuerausschuß zu überweisen. Weiterhin hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen beantragt, diese Vorlage allein dem Finanz- und Steuerausschuß zu überweisen.
— Sind die Gesichtspunkte nicht hinreichend erörtert, Herr Kollege Bausch?
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Herr Kollege Wellhausen, ich glaube, daß es falsch ist, wenn der Finanz- und Steuerausschuß allein die Zuständigkeit für ein Gesetz in Anspruch nimmt, das nach meiner Überzeugung und auch nach der Überzeugung anderer Mitglieder dieses Hauses nun wirklich ein typisches Haushaltsgesetz ist.
Der Umstand, daß der Finanz- und Steuerausschuß in der Vergangenheit Gesetze dieser Art, insbesondere das sogenannte 27-%-Gesetz behandelt hat, ist kein genügender Grund dafür, daß man nun auch weiterhin so verfährt. Wenn Sie den Standpunkt vertreten, den Haushaltsausschuß von der Behandlung solcher Gesetze grundsätzlich abzuschalten, — ich glaube, dann müssen wir einmal deutlicher miteinander reden
über die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Haushaltsausschuß und Finanz- und Steuerausschuß. Ich bin von Hause aus ein sehr friedliebender Mann, Herr Kollege Wellhausen;
ich wünschte, es würde uns gelingen, uns über diese Frage zu einigen. Ich hätte schließlich auch nichts dagegen, wenn die Federführung beim Finanz- und Steuerausschuß liegen würde. Aber ich muß nein sagen, wenn Sie den Haushaltsausschuß von der Behandlung dieses Gesetzes überhaupt ausschalten wollen. Das ist unmöglich. Ich
hoffe, daß der Herr Vorsitzende des Haushaltsausschusses mir beispringt, wenn ich diesen Standpunkt vertrete.
Es wird seine Pflicht sein, dies zu tun.
Meine Damen und Herren, gibt es nicht die Möglichkeit — ich finde nicht, daß dies eine weltbewegende Frage ist, da Herr Kollege Bausch akzeptiert hat, daß der Finanz- und Steuerausschuß federführend sein könne —, daß Überweisung an den Finanz- und Steuerausschuß als federführenden und an den Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschuß erfolgt? Sind Sie damit einverstanden? — Herr Dr. Wellhausen wünscht das Wort.
Ich wollte, meine Damen und Herren, dem Herrn Bausch anbieten, daß wir uns darüber unterhalten. Ich bin heute abend beim bayerischen Gesandten eingeladen.
— Das ist ein besonderer Vorzug. Ich lade ihn ein, mitzukommen.
Ich stelle anheim, daß wir uns dann darüber unterhalten. Ich bin aber einverstanden; denn wir haben wirklich Besseres zu tun, als nur über Formalien zu streiten. Und wenn der Haushaltsausschuß Mangel an Arbeit hat, — bitte sehr!
Ich stelle nach dieser interessanten Debatte fest, daß wir einmütig der Auffassung sind, die Vorlage an den Finanz- und Steuerausschuß als den federführenden und an den Haushaltsausschuß als den mitberatenden Ausschuß zu überweisen.
— Ich darf aber, Herr Mellies, diesen Antrag insgesamt zur Abstimmung stellen.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Überweisung, wie ich sie eben dargelegt habe, zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit angenommen. Damit ist die Überweisung erfolgt.
Meine Damen und Herren, darf ich Sie fragen, wie Sie sich die weitere Entwicklung dieses interessanten Abends vorstellen? Ich darf zunächst — —
— Herr Kollege Mende, daß ausgerechnet i e Schluß rufen — im Hinblick auf die Jugend —, das verstehe ich nicht ganz.
— Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Herr Präsident, ich muß mich wundern, daß Sie mich akustisch mit Herrn Kollegen Ewers - trotz des Altersunterschieds — verwechselt haben.
Meine Damen und Herren, Frau Abgeordnete Kalinke hat mir mitgeteilt, daß die Deutsche Partei wünscht, den von der Fraktion der Deutschen Partei eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Beförderungssteuergesetzes — Punkt 10 der Tagesordnung — heute abzusetzen.
Darf ich die Frage stellen: Bedarf es bei der Beratung des Gesetzentwurfes zu Punkt 7 der Ta-
gesordnung einer längeren Debatte, oder kann er ohne längere Debatte an den Ausschuß gehen?
- Wenn Sie damit einverstanden sind, können wir
so verfahren. Dann rufe ich zunächst Punkt 7 auf: Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Einkommensteuergesetzes .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Darf ich mir gestatten, Ihnen nachträglich das Wort zu erteilen, Herr Abgeordneter Povel?
— Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Povel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich sehr kurz fassen können. Bei der Drucksache Nr. 3167 handelt es sich um eine Vorlage, die Ihnen als Initiativantrag der CDU vorgelegt worden ist, und zwar deshalb, weil im Finanzausschuß anläßlich der Beratung des Ergänzungsgesetzes für die Körperschaft- und Einkommensteuer die Frage auftauchte, ob bestimmte notwendige Ergänzungen zum Einkommensteuergesetz im Ausschuß beraten werden könnten, wenn kein ausdrücklicher Auftrag des Plenums dazu gegeben war. Aus diesem Grunde mußten wir den Initiativantrag der CDU einreichen. Es sind zwei Kapitel; eins betrifft den § 32 b, das andere den § 46 des Einkommensteuergesetzes.
Sie wissen, daß § 32 b mit großer Mehrheit von diesem Hause angenommen wurde, weil mit diesem Paragraphen beabsichtigt ist, die Personalgesellschaften mit den Körperschaften steuerlich mehr oder weniger gleichzustellen. Nach der Einführung dieses neuen § 32 b hat es sich gezeigt, daß gewisse Angleichungen an die körperschaftsteuerlichen Bedingungen notwendig sind. Die deshalb vorgeschlagenen einzelnen Änderungen werden in dem Antrag präzisiert.
Ich darf mich kurz fassen und auf folgendes hinweisen: 1. Bei dem Teil des Einkommens, der wie bei einer Körperschaft mit 60 % „Körperschaftsteuer" belegt ist, wird die Einkommensteuer als „unschädliche Entnahme" angesehen. 2. Die Art der Veranlagung, der Abzugsfähigkeit des Notopfers Berlin wird genau präzisiert. Dann werden Bestimmungen über die Vermögensteuer, die Soforthilfe, die Art der Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer und der Spenden festgelegt. Unter 3. Abs. 6 werden Bestimmungen über die Sonderausgaben vom „Gehalt" gebracht. Punkt 1 dieses Absatzes behandelt die Abzugsfähigkeit von Verlustvorträgen. Ferner ist von Bedeutung, daß insoweit eine Änderung durchgeführt wird, als man festlegt, daß Übertragungen zu Lebenszeit, also Geschenke, in Zukunft zum Teil als schädigende Entnahmen angesehen werden. Des weiteren sind Bestimmungen über die Nachversteuerung gegeben. Im allgemeinen kann man sagen, daß sich die Änderungen, die hier vorgeschlagen werden, aus der Praxis ergeben haben.
In Art. 2 des Antrags wird festgestellt, daß Personen, die bisher nach § 46 Abs. 1 Ziffer 4 des Einkommensteuergesetzes die Möglichkeit hatten, zu beantragen, für ihr Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit aus Billigkeitsgründen veranlagt zu werden, soweit es sich um ihre Steuererklärung für 1948/49 handelt, nur noch für vier Wochen nach Verkündung des Gesetzes die Möglichkeit haben, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Es ist klar, daß es notwendig ist, nach drei Jahren einen Termin in dieser Angelegenheit zu setzen. Selbstverständlich werden die Veranlagten oder diejenigen, die Einkommen aus unselbständiger Arbeit haben und sich veranlagen lassen wollen, für die Jahre 1950/51 und weiterhin die Möglichkeit haben, sich veranlagen zu lassen.
Das ist das Wichtigste zum Inhalt dieses Antrags. Ich bitte um Überweisung an den Ausschuß.
Meine Damen und Herren, wir haben uns dahin geeinigt, daß eine Aussprache nicht stattfinden soll. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schlage vor: nur Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. — Die Überweisung an diesen Ausschuß ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den
Antrag des Bundesministers der Finanzen
auf Zustimmung des Bundestages zum Ver-
kauf des ehemaligen Standortlazaretts in
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wacker. — Ich bitte die sonst noch in Frage kommenden Berichterstatter, etwas näher an das Rednerpult heranzurücken, damit wir nicht so viel Zeit verlieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus dem vorliegenden Antrag ist zu entnehmen, daß der Bundesfinanzminister beabsichtigt, das ehemalige Standortlazarett Heilbronn an die Stadt Heilbronn zu verkaufen. Er -bezieht sich dabei auf § 47 der Reichshaushaltsordnung und auf Anlage 3 § 3 der Reichswirtschaftsbestimmungen. Im Haushaltsausschuß hat der Bundesminister der Finanzen folgende Begründung vortragen lassen.
Die Stadt Heilbronn wurde gegen Ende des Krieges durch Kriegseinwirkungen schwer beschädigt. Neben sämtlichen öffentlichen Gebäuden wurde auch das Städtische Krankenhaus mit rund 600 Betten und die gesamte Einrichtung zerstört. Seit der Zerstörung des Krankenhauses wurden die Kranken in drei verschiedenen Häusern untergebracht, die kilometerweit auseinanderliegen. Das Hauptkrankenhaus liegt zur Zeit rund 15 km von Heilbronn weg. Die Frauenabteilung mußte in einem ehemaligen israelitischen Altersheim in Heilbronn-Sontheim, die Hautabteilung in einem früheren Mannschaftsgebäude einer ehemaligen, weitgehend zerstörten alten Kaserne in Heilbronn untergebracht werden.
Diese Unterbringungsverhältnisse werden als Notzustand angesehen, da die Unterbringung selbst sowie die Einrichtung sehr mangelhaft sind. Die Überweisung der Kranken von einer Station zur andern bringt erhebliche Erschwernisse für die Kranken selbst sowie auch für den Wirtschaftsbetrieb mit sich. Abgesehen davon wird der Wirtschaftsbetrieb erheblich verteuert. Hinzu kommt noch, daß die staatliche Heilanstalt in Weinsberg, in der das Hauptkrankenhaus untergebracht ist, laufend auf baldige Räumung ihrer Anlage drängt, da der vom Krankenhaus benützte Teil dringend benötigt wird.
Diese Umstände haben die Stadt Heilbronn veranlaßt, einen Antrag auf Kauf des ehemaligen Standortlazaretts in Heilbronn beim Bundesfinanzministerium zu stellen. Auf Grund dieses Antrags sind mit der Stadtverwaltung Heilbronn eingehende Verhandlungen, zu denen auch das Finanzministerium von Württemberg-Baden in Stuttgart hinzugezogen wurde, gepflogen worden. Das Finanzministerium von Württemberg-Baden hat ein eingehendes Gutachten über den Kaufpreis vorgelegt und den Verkaufswert auf 2 676 300 DM beziffert. Unter Würdigung der angespannten Finanzlage der Stadt Heilbronn, bedingt durch den notwendigen Wiederaufbau der Stadt selbst, bei dem die Stadt neben den Anliegerkosten erhebliche weitere Geldbeträge für Instandsetzung der städtischen Gebäude, Schulen und anderes mehr aufzubringen hat, schlägt der Bundesfinanzminister vor, der Stadtverwaltung Heilbronn die Möglichkeit einzuräumen, den Kaufpreis in 15 gleichen Jahresraten, beginnend im Jahre 1955, tilgen zu dürfen. Dabei soll der Diskontsatz der Bank deutscher Länder zur Verzinsung des Restkaufpreises maßgebend sein.
Der Haushaltsausschuß billigt das Vorhaben des Bundesministers der Finanzen; er hat dem Antrag einstimmig zugestimmt. Der Ausschuß hat mich beauftragt, das Hohe Haus zu bitten, dieser Vorlage ebenfalls die Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. 3194. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 13:
Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Energienotgesetzes .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine allgemeine Aussprache zur verzichten. Die erste Beratung ist damit beendet. — Das Haus ist einverstanden.
Zur
zweiten Beratung
rufe ich auf § 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; die Paragraphen, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Die Einzelberatung der
dritten Beratung
entfällt. Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Energienotgesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 1 und 2, Einleitung und Überschrift in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, sich von den Plätzen zu erheben. —
- Ich folge nur der Geschäftsordnung, meine
Damen und Herren; es ist keine Schikane von mir!
— Ich stelle fest, daß das Gesetz in der Schlußabstimmung angenommen worden ist.
Ich rufe auf Punkt 14:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen ;
Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Nr. 3189 der Drucksachen);
.
Berichterstatter ist der, wie wir in der letzten Woche festgestellt haben, diese Woche erkrankte Herr Abgeordnete Dr. Wahl.
Wer ist Berichterstatter? - Meine Damen und Herren, ich weise darauf hin, daß auf Drucksache Nr. 3189 ein schriftlicher Bericht*) vorliegt. Es erübrigt sich, ihn noch einmal vorzulesen.
Ich rufe auf § 1, — § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Eine allgemeine Aussprache soll nach dem Vorschlag des Ältestenrats nicht stattfinden. Änderungsanträge sind nicht gestellt. Eine Einzelberatung erübrigt sich. Ich bitte die Damen und Herren, die in der Schlußabstimmung dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen in der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von den Plätzen zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Ich stelle fest, daß dieses Gesetz — bei einigen nicht auf Überzeugung, sondern auf körperliche Gründe zurückzuführenden Enthaltungen — angenommen ist.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung:
Beratung des Berichts des Wahlprüfungsausschusses über die Wahlanfechtung des Arthur Ketzler, Frankfurt/Main, gegen die Gültigkeit der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949 im Lande Hessen (Nr. 3157 der Drucksachen).
Ich darf vorschlagen, daß wir, da der Berichterstatter derselbe ist, gleichzeitig Punkt 16 beraten: Beratung des Berichts des Wahlprüfungsausschusses über die Wahlanfechtung der Radikal-Sozialen Freiheitspartei, Wittlaer, gegen die Gültigkeit der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949 im Lande Nordrhein-Westfalen (Nr. 3156 der Drucksachen);
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
— Herr Abgeordneter Dr. Mommer verzichtet auf die Berichterstattung. Das Haus ebenfalls?
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Wahlprüfungsausschusses, die in der Anlage zur Drucksache Nr. 3157 festgelegte Entscheidung zu treffen. Ich bitte die
*) Schriftlicher Bericht siehe Anlage 2 Seite 8636
Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Drucksache Nr. 3156 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Auch das ist die Mehrheit. Damit sind diese beiden Punkte der Tagesordnung erledigt.
Ich komme zu Punkt 17:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Franke gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 13. August 1951 und 13. Dezember 1951 (Nr. 3182 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Horlacher. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Das ist eine
ganz alte Geschichte aus dem niedersächsischen
Wahlkampf. Damals hat die SPD unter Anführung des Abgeordneten Franke das berühmte Flugblatt mit der Brotkarte mit der Karikatur des Herrn Ministers Dr. Erhard verteilt. Ich habe das eingehend vorgetragen. Ich habe auch bemerkt: richtig und geschmackvoll war es nicht, sondern es hat die Grenzen dessen, was man sich gefallen läßt, schon etwas überschritten.
Die Sache liegt weit zurück. Da steht alles darauf, was ernsthafte Menschen nicht für Ernst genommen haben. Das sage ich aber außerhalb der Berichterstattung.
Ich sage nochmals: die Sache liegt weit zurück. Das ist ein alter Schinken geworden, so daß es sich kaum noch lohnt, darüber zu reden. Wir haben damals dem Justizministerium Gelegenheit gegeben, sich mit der Sache noch einmal zu beschäftigen. Die Bundesregierung hat beantragt, wegen Verstoßes gegen § 131 des Strafgesetzbuchs — Staatsverleumdung — vorzugehen. Das Justizministerium hat dann später erklärt, daß es, nachdem die Sache auch weit zurückliege, an der Verfolgung kein Interesse mehr habe. Die Beleidigung des Herrn Bundesministers für Wirtschaft, Herrn Dr. Erhard, liegt ja auch schon weit zurück. Der Abgeordnete Franke hatte einen Adler abgebildet, wo der Kopf des Bundeswirtschaftsministers drauf war. Ich habe das nicht so sehr als Beleidigung empfunden — ich habe das schon in der Berichterstattung gesagt —, auch nicht als humorvoll; es war mehr eine Geschmacklosigkeit. Aber dem Minister Erhard hatte das keine besondere Einbuße getan.
Daher möchte ich beantragen, nachdem das weit zurückliegt und eine politische Angelegenheit aus dem niedersächsischen Wahlkampf ist, die Immunität nicht aufzuheben und einen entsprechenden einstimmigen Beschluß zu fassen, wie das auch der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität getan hat. Wir wollen den Mantel der christlichen Nächstenliebe über die verflossene Sache legen.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen zu dieser extensiven Auslegung
liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Drucksache Nr. 3182 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist offenbar die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf Punkt 18:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Nachweisungen der Ausführung von Beschlüssen des Bundestages (Nrn. 3183, 2833 der Drucksachen).
Die Berichterstattung übernimmt an Stelle des Herrn Abgeordneten Müller Herr Abgeordneter Ritzel. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt ein Antrag der Fraktion, die sich damals noch Fraktion der Bayernpartei nannte, vor, der lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag vierteljährlich Nachweisungen vorzulegen, aus denen die Ausführung oder der
Ausführungsstand der vom Bundestag gefaßten an die Bundesregierung gerichteten Beschlüsse ersichtlich ist.
Der Ausschuß hat sich eingehend auch mit der verfassungsrechtlichen Seite dieses Antrags befaßt und ist zu dem Ergebnis gekommen, Ihnen zu empfehlen:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag — Nr. 2833 der Drucksachen —
durch die Verabschiedung der neuen Geschäfts-
ordnung für erledigt zu erklären.
Ich bitte das Hohe Haus, so zu beschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Drucksache Nr. 3183 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf den letzten Punkt der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Ritzel ,und Genossen betreffend Errichtung einer Forschungsstelle für die bäuerliche Arbeitstechnik und Arbeitswirtschaft der Mittelgebirge .
Zur Begründung im Rahmen der vorgesehenen
Begründungszeit von 5 Minuten Herr Abgeordneter Ritzel, bitte!
Meine Damen und Herren! Die Festsetzung einer Zeit von 5 Minuten für die Begründung eines Antrags, der einigermaßen ernst genommen werden will, halte ich an sich für wenig zweckmäßig. Aber: Force majeure!
Ich habe mit einigen Freunden gemeinschaftlich beantragt,
die Bundesregierung zu ersuchen, zur Hebung der Erzeugung der bäuerlichen Betriebe und zur Hebung des Lebensstandards der Bauernfamilien eine Forschungsstelle für die bäuerliche Arbeitstechnik und Arbeitswirtschaft der Mittelgebirge zu errichten, dafür geeignete Möglichkeiten im Odenwald zu bestimmen und die erforderlichen Mittel hierfür im Haushaltsplan des Jahres 1952 vorzusehen.
Es unterliegt nach allen Beobachtungen und nach gewissen eigenen Erlebnissen keinem Zweifel, daß die bäuerliche Arbeitstechnik besonders in den Hanglagen der deutschen Mittelgebirge in einer wesentlich schlechteren Verfassung ist als in der Ebene, daß daraus eine Situation entsteht, die keine genügende Ausnützung des Bodens erlaubt, daß daraus auch eine ständige Verschlechterung — mehr, als es notwendig wäre — der sozialen Lage der Bauernfamilien folgt und daß hierin schließlich nicht zuletzt eine der Ursachen der Landflucht zu erblicken ist. Wir haben in den hessischen Mittelgebirgen und weit darüber hinaus feststellen können, daß die Bedingungen für die bäuerliche Arbeitsleistung nach der Seite der technischen Entwicklung hin in den Mittelgebirgen gegenüber der Entwicklung in den Ebenen weit zurückliegen, daß hier eine wesentliche Nachlässigkeit, eine Unterlassung in bezug auf die Sicherung des Ertrags, der möglich wäre, vorhanden ist. Mit den verfügbaren Arbeitskräften könnte aus dem Boden das herausgeholt werden, was er wirklich zu leisten vermag, wenn die Landwirtschaft nach der technischen Seite hin besser bedient wäre, als es tatsächlich der Fall ist. Wir konstatieren, daß beispielsweise die Mittelwerte der Einkommen, die dort in der Landwirtschaft erzielt werden, pro Kopf und Jahr etwa 1700 DM betragen.
Auf Grund von Forschungsarbeiten wären z. B. ganz wesentliche Ergebnisse in bezug auf eine bessere Verwendung der für das Vieh benötigten Futterflächen, die heute etwa 70 a betragen, erreichbar. Das Resultat wäre entweder eine wesentliche Vergrößerung der Viehhaltung — nach wissenschaftlichen Feststellungen etwa um die Hälfte — oder aber eine wesentliche Vermehrung des für den Fruchtanbau geeigneten Bodens. Die Funktionen. die auf diesem Gebiet von einer wissenschaftlichen Forschungsstelle in den deutschen Mittelgebirgen zu erfüllen wären. würden vor allem jener verhängnisvollen Entwicklung begegnen, die in der Tatsache zum Ausdruck kommt, daß sich in den letzten 25 Jahren die Grünlandteile. die nicht mehr als Acker benutzt werden, verdoppelt haben.
Man mag die Dinge betrachten, wie immer man will: dem deutschen Bauern, der deutschen Volkswirtschaft — insbesondere auch in bezug auf unsere Devisenlage — kann am ehesten geholfen werden, wenn das. was für die Gebiete außerhalb der deutschen Mittelgebirge getan wird. endlich auch einmal für die deutschen Mittelgebirge geschieht. Ich darf daran erinnern, daß wir das Forschungsinstitut in Völkenrode haben. daß eine private Organisation. das Max-Planck-Institut in Bad Kreuznach. besteht. Ich könnte mir sehr gut denken. daß. wenn in den Etat des Bundes entsprechende Mittel — etwa in Anlehnung an Völkenrode — eingestellt würden, dem Teil der deutschen Landwirtschaft. der den größten Teil des landwirtschaftlich bebauten Bodens bewirtschaftet. der deutschen Landwirtschaft in den Mittelgebirgen, ein namhafter Dienst erwiesen würde.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie den Antrag in diesem Sinne wohlwollend behandelten, vielleicht durch den Fachausschuß, den Ausschuß für Landwirtschaftsfragen, und durch den Haushaltsausschuß.
Herr Abgeordneter Dr. Hammer wünscht das Wort. Im Rahmen der Gesamtredezeit von 40 Minuten!
Meine Damen und Herren! Wenn man diesen Antrag etwas oberflächlich liest und feststellt: Ritzel und Genossen und Odenwald,
dann kommt man in die Versuchung, ihn in die Gattung jener Anträge einzureihen, für die ein Antrag von Brentano und Genossen betreffend Autobahnausfahrt Viernheim-Süd als klassisches Modell bezeichnet werden kann.
Wenn man aber etwas gründlicher liest, kann man doch sagen: so ist es nicht! Es steckt materiell in dem Antrag außerdem einiges darin. Über Arbeitstechnik und Wirtschaftstechnik in den Mittelgebirgen, in der deutschen Landwirtschaft hat Herr Kollege Ritzel soeben Richtiges gesagt. Nun ist es aber mit den Resultaten dieser Forschung nicht getan, sondern zu den Resultaten der Forschung muß noch die Übermittlung dieser Resultate an die Bauern kommen. Wir wissen ja, daß unsere Betriebsführer, oder sagen wir doch zu gut deutsch, unsere Bauern im Augenblick in den Mittelgebirgen bei kleineren und mittleren Betriebsgrößen überwiegend unabkömmlich sind. Damit sie an Ausbildungslehrgängen teilnehmen können, müßte also geprüft werden, wieweit an eine solche Forschungsanstalt noch Lehrinstitute angehängt — vielleicht nach der amerikanischen Methode —, auch Wanderlehrer ausgebildet werden können, um den Bauern die Kenntnisse der modernen Betriebstechnik zu vermitteln.
Noch ein letztes Wort: der Odenwald ist groß. Man müßte sich überlegen, wo eine derartige Anstalt hin soll. Ich glaube kaum, daß Herr Kollege Ritzel an sein geliebtes Michelstadt gedacht hat;
denn diese Anstalt hat nicht die Aufgabe, die Bauernschaft des Odenwaldes weiterzubilden und ihr die Resultate ihrer Forschung zu übermitteln. Sie hat vielmehr die Aufgabe, weit über den kleinen Raum des Odenwaldes hinaus eine derart nützliche Funktion zu erfüllen. Man muß da an eine geeignete Verkehrslage denken. Man muß auch daran denken, wieweit man etwa am Rande des Gebirges die Gegebenheiten der Weinbaugebiete und der Obstbaugebiete ebenfalls benutzen kann, um die Möglichkeiten einer derartigen Anstalt noch zu erweitern.
Ich gebe also als Anregung in die Ausschußbehandlung. die ich beantragen möchte, mit, das Wort ,,Odenwald" zu präzisieren und etwa an die Bergstraße zu denken.
Herr Abgeordneter Ritzel wünscht das Wort.
— Ja, ich komme auf alle aus dieser Gegend stammenden Abgeordneten noch zurück!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht gern in Idealkonkurrenz in bezug auf die Bevorzugung oder Benachteiligung von Orten oder Gebieten treten.
— Es kommt auch kein „Aber", das Sie jetzt etwa erwarten. Ich möchte mich vielmehr lediglich danach richten: wo sind die günstigsten Voraus-
setzungen? Dazu habe ich mir nun notiert — als Nachkomme von Bauern interessiert mich das einigermaßen —, daß auf Grund von Fachauskünften, die ich mir eingeholt habe, ein Wechsel von Hanglagen, Hochflächen und engen Tallagen notwendig ist und daß ein Nebeneinander von Kleinstbauern, von Kuhbauern und von Großbauernbetriben erforderlich und wünschenswert ist, daß auch verschiedenartiger Boden erwünscht ist, daß Buntsandsteinböden, Lößböden und Aueböden nützlich sind und daß Dörfer in Gemengelagen oder auch irgendwie vereinzelt in Waldhufen da sein müssen. Auch eine aufgeschlossene Bauernbevölkerung stellt eine günstige Voraussetzung dar.
Nehmen Sie es mir da nicht übel: da ich immerhin Odenwälder Abgeordneter bin und feststelle, daß dort diese technischen und menschlichen Voraussetzungen erfüllt sind, schlage ich halt den Odenwald vor. Wo, das kann man sehen. Man wird ja auch ein Versuchsgut brauchen, gelt?! Aber immerhin sind dort die Voraussetzungen erfüllt, die anderswo nicht gegeben sind. Ob sie in dem schönen Weinbaugebiet an der Bergstraße gegeben sind, Herr Kollege Hammer, das wage ich nicht zu bezweifeln; ich glaube, dort wächst noch etwas Besseres.
Herr Abgeordneter Professor Baur, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind sicherlich alle der Überzeugung, daß die Wissenschaft in der Landwirtschaft gar nicht genug gefördert werden kann. Wir werden alles tun, um möglichst viele Mittel zur Verfügung zu stellen. Ich glaube aber, man muß sich dann doch überlegen, ob man gut daran tut, neue Institute zu gründen, oder ob es nicht vielleicht zweckmäßiger ist, die alten Institute besser zu dotieren. Es ist doch bei uns immer das große Leid, daß gerade die bereits bestehenden Hochschulinstitute so schlecht dotiert sind. Vielleicht könnte man die Dinge auf diesem Wege viel rascher und viel einfacher machen.
Wenn ich nun als Abgeordneter der Alb noch etwas sagen wollte, dann könnte ich, Herr Kollege Ritzel, erklären, daß ein solches Institut eventuell auch auf die Schwäbische Alb passen würde. Wir
wollen aber einander heute im Plenum keine große Konkurrenz machen.
Ich möchte beantragen, den Antrag an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur weiteren Beratung zu überweisen.
Soweit ich sehe, als letzter Herr Abgeordneter Hoffmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ganz kurz fassen. Der Antrag der SPD berührt eigentlich eine der Grundfragen der Landwirtschaft, die Frage des Weiterbestehens des Bauernstandes in den Mittelgebirgsgegenden. Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Lebenshaltung in den Mittelgebirgen weit unter der anderer Gebiete liegt. Aber, Herr Kollege Ritzel, es genügt nicht, daß wir forschen, sondern wir müssen weitergehen und die Mittel beschaffen, um diesen Bauern zu helfen. Wir müssen dafür sorgen, daß auch Arbeit eingespart wird. Wir haben Maschinen für die Landwirtschaft notwendig. Ihre Beschaffung kostet
Geld. Ich möchte bitten, daß, wenn der Antrag in
den Ausschuß gebracht wird, die Sache auch im ganzen untersucht wird, also auch die Lage des Bauernstandes in den Mittelgebirgen und die Lage der Klein- und Kleinstbauern. Wenn wir das tun, haben wir auf jeden Fall einen Erfolg.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Das war mir auch bereits eingefallen, Herr Abgeordneter Pelster.
Ich schließe die Besprechung. Es ist beantragt worden, diesen Antrag dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
und dem Haushaltsausschuß als mitberatendem Ausschuß zu überweisen. Also ich bitte die Damen und Herren, die wünschen, daß der Antrag — nicht der Fraktion der SPD, sondern der Abgeordneten Ritzel und Genossen — Drucksache Nr. 3166 den beiden Ausschüssen überwiesen wird, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Die Überweisung ist erfolgt.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die 201. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Mittwoch, den 26. März, 13 Uhr 30 und schließe die 200. Sitzung des Deutschen Bundestags.