Protokoll:
10198

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 10

  • date_rangeSitzungsnummer: 198

  • date_rangeDatum: 20. Februar 1986

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:31 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/198 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 198. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1986 Inhalt: Nachträgliche Überweisung eines Antrags an den Haushaltsausschuß 15231A Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 15231B, 15280 C Begrüßung von Mitgliedern der Kommission für die Zusammenarbeit mit den Parlamenten und der Öffentlichkeitsarbeit der WEU 15287 D Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 15338 D Beratung des Jahresgutachtens 1985/86 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung — Drucksache 10/4295 — in Verbindung mit Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1986 der Bundesregierung — Drucksache 10/4981 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Vogel, Dr. Apel, Frau Fuchs (Köln), Roth, Dr. Jens, Lutz, Dr. Spöri, Wieczorek (Duisburg) und der Fraktion der SPD Politik zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit und Überwindung der Wachstumsschwäche — Drucksachen 10/3431, 10/4561 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Rohde (Hannover), Dr. Jens, Lutz, Dr. von Bülow, Buschfort, Collet, Dreßler, Egert, Dr. Ehrenberg, Frau Fuchs (Köln), Glombig, Heyenn, Jung (Düsseldorf), Junghans, Kirschner, Frau Dr. Martiny-Glotz, Meininghaus, Dr. Mitzscherling, Peter (Kassel), Reimann, Reuschenbach, Roth, Schreiner, Frau Dr. Skarpelis-Sperk, Frau Steinhauer, Urbaniak, Weinhofer, von der Wiesche, Wolfram (Recklinghausen), Zeitler, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Einführung eines Arbeitsmarktberichts durch die Bundesregierung — Drucksachen 10/1893, 10/4984 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Antrag der Abgeordneten Müntefering, Conradi, Huonker, Dr. Jens, Lohmann (Witten), Meininghaus, Menzel, Polkehn, Purps, Ranker, Reschke, Roth, Schmitt (Wiesbaden), Dr. Sperling, Waltemathe, Frau Weyel, Wolfram (Recklinghausen) und der Fraktion der SPD Stärkung und Verstetigung der Bautätigkeit — Drucksachen 10/3274, 10/4125 — Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 15232 C Roth SPD 15238 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 198. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1986 Hauser (Krefeld) CDU/CSU 15243 D Auhagen GRÜNE 15246 B Dr. Haussmann FDP 15248 C Dr. Ehrenberg SPD 15250 D Wissmann CDU/CSU 15252 D Dr. Mitzscherling SPD 15255A Kittelmann CDU/CSU 15256 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 15258 C Kraus CDU/CSU 15259 C Ruf CDU/CSU 15261 B Dr. Jens SPD 15263 A Dr. von Wartenberg CDU/CSU 15264 C Namentliche Abstimmung 15266 D Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung „Aktivitäten des BND bei der Nachforschung nach Dioxinabfällen im Jahre 1983" in Verbindung mit Unterrichtung durch die Parlamentarische Kontrollkommission Private Zuwendungen an den Bundesnachrichtendienst im Jahre 1983 — Drucksache 10/5049 — Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 15269A Dr. Emmerlich SPD 15271A Dr. Waigel CDU/CSU 15274 D Ströbele GRÜNE 15277 B Dr. Hirsch FDP 15278 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zur Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dr. Schmude, Bachmaier, Bernrath, Frau Blunck, Catenhusen, Frau Dr. Czempiel, Dr. Diederich (Berlin), Egert, Frau Fuchs (Köln), Frau Fuchs (Verl), Frau Dr. Hartenstein, Frau Huber, Immer (Altenkirchen), Dr. Kübler, Kuhlwein, Lutz, Frau Luuk, Frau Dr. Martiny-Glotz, Frau Matthäus-Maier, Müller (Düsseldorf), Frau Odendahl, Peter (Kassel), Frau Renger, Schäfer (Offenburg), Frau Schmidt (Nürnberg), Schröer (Mülheim), Frau Simonis, Dr. Soell, Frau Dr. Skarpelis-Sperk, Frau Steinhauer, Frau Terborg, Frau Dr. Timm, Frau Traupe, Wartenberg (Berlin), Frau Weyel, Frau Zutt und der Fraktion der SPD Frauen im öffentlichen Dienst — Drucksachen 10/2842, 10/4729 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen zu dem Antrag der Fraktion der SPD Verbesserung der Ausbildungssituation junger Frauen bei der Deutschen Bundespost — Drucksachen 10/1428, 10/4554 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dr. Schmude, Bachmaier, Bernrath, Frau Blunck, Catenhusen, Dr. Diederich (Berlin), Egert, Frau Fuchs (Köln), Frau Fuchs (Verl), Frau Dr. Hartenstein, Frau Huber, Immer (Altenkirchen), Dr. Kübler, Kuhlwein, Lutz, Frau Luuk, Frau Dr. Martiny-Glotz, Frau Matthäus-Maier, Müller (Düsseldorf), Frau Odendahl, Peter (Kassel), Frau Renger, Schäfer (Offenburg), Frau Schmedt (Lengerich), Frau Schmidt (Nürnberg), Schröer (Mülheim), Frau Simonis, Dr. Soell, Frau Dr. Skarpelis-Sperk, Frau Steinhauer, Stiegler, Frau Terborg, Frau Dr. Timm, Frau Traupe, Wartenberg (Berlin), Frau Weyel, Frau Zutt, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst — Drucksachen 10/3055, 10/5026 — Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 15296 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 15299 A Frau Pack CDU/CSU 15299 C Frau Dann GRÜNE 15302 B Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 15303 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFG 15305 B Schröer (Mülheim) SPD 15307 C Dr. Schwarz-Schilling, Bundesminister BMP 15309 D Frau Steinhauer SPD 15311C Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Volmer, Frau Eid, Auhagen und der Fraktion DIE GRÜNEN Lieferbindung und Mischfinanzierung in der bundesdeutschen Entwicklungshilfe — Drucksachen 10/3643, 10/4602 — Volmer GRÜNE 15313 C Dr. Hüsch CDU/CSU 15314 C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 198. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1986 III Dr. Holtz SPD 15315C Dr. Rumpf FDP 15316 C Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 15317 B Namentliche Abstimmung 15317 D Ergebnis 15319 B Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Borgmann und der Fraktion DIE GRÜNEN Vertriebsverbot für Krügerrand-Goldmünzen — Drucksache 10/3818 — Frau Eid GRÜNE 15318 B von Schmude CDU/CSU 15320C Toetemeyer SPD 15321 D Dr. Solms FDP 15322 D Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär BMWI 15323A Namentliche Abstimmung 15324 A Ergebnis 15327 C Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Müller (Bremen), Vogel (München), Tatge und der Fraktion DIE GRÜNEN Haushaltspolitische, ökologische und entwicklungspolitische Risiken der Ausfuhrbürgschaften — Drucksachen 10/3855, 10/4549 — Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 15324 B Dr. Lippold CDU/CSU 15325 D Walther SPD 15329A Frau Dr. Segall FDP 15330 D Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär BMZ . 15331 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Pinger, Dr. Hüsch, Höffkes, Hedrich, Dr. Lammert, Lamers, Repnik, Schreiber, Sauter (Epfendorf), Borchert, Feilcke, Frau Fischer, Dr. Kunz (Weiden), Dr. Pohlmeier, Graf von Waldburg-Zeil, Herkenrath, Echternach, Kraus, Schulhoff, Hornung, Weiß, Wilz, Kolb, Dr. Hornhues, Eylmann, Seesing, Frau Roitzsch (Quickborn), Dr. Hoffacker, Schemken, Maaß, Jagoda, Magin, Ruf, Schneider (Idar-Oberstein), Link (Frankfurt), Sauer (Stuttgart), Dr. Olderog, Dr. Schroeder (Freiburg), Clemens und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Schäfer (Mainz), Dr. Rumpf, Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Feldmann, Frau Seiler-Albring, Ertl, Ronneburger, Dr. Solms, Dr. Weng (Gerlingen) und der Fraktion der FDP Reformen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen als Voraussetzung für Selbsthilfe in der Dritten Welt — Drucksache 10/4109 — Frau Eid GRÜNE 15333 D Dr. Pinger CDU/CSU 15334 D Dr. Hauchler SPD 15335 D Dr. Rumpf FDP 15336 D Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär BMZ . 15337 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag des Abgeordneten Schwenninger und der Fraktion DIE GRÜNEN Rüstungsexportstatistiken — Drucksachen 10/2959, 10/4281 — Volmer GRÜNE 15339 A Lattmann CDU/CSU 15340 A Gansel SPD 15341 A Beckmann FDP 15342 B Senfft GRÜNE (zur GO) 15343A Frau Hürland CDU/CSU (zur GO) . . 15343 B Vizepräsident Cronenberg 15343 C Fragestunde — Drucksache 10/5031 vom 14. Februar 1986 — Verhinderung des Beitritts Spaniens zur NATO über die Partei der Spanischen Sozialisten durch deutsche politische Kräfte MdlAnfr 39 14.02.86 Drs 10/5031 Dr. Weng (Gerlingen) FDP Antw StMin Möllemann AA 15280 D ZusFr Dr. Weng (Gerlingen) FDP . . . 15280 D Effektivität des Goethe-Instituts in Daressalam; Auswirkungen des geplanten Kulturabkommens mit Tansania MdlAnfr 40, 41 14.02.86 Drs 10/5031 Dr. Rose CDU/CSU Antw StMin Möllemann AA 15281 B ZusFr Dr. Rose CDU/CSU 15281 C ZusFr Dr. Riedl (München) CDU/CSU . 15282 C Erkenntnisse der Bundesregierung über den Tod des Smart Alpha Kargbo in einem Gefängnis in Sierra Leone; abschließende Stellungnahme der Bundesregierung zum Fall Kargbo; Asylgewährung für eine in der Bundesrepublik Deutschland lebende Verwandte IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 198. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1986 MdlAnfr 42, 57 14.02.86 Drs 10/5031 Stahl (Kempen) SPD Antw StMin Möllemann AA 15282 C ZusFr Stahl (Kempen) SPD 15282 D Streichung des Themas Menschenrechtsverletzung in Ost-Timor von der Tagesordnung der UN-Menschenrechtskommission auf Grund der Ausführungen des Delegierten der Bundesrepublik Deutschland; Vergabe von Stipendien an Ost-Timoresen MdlAnfr 43, 44 14.02.86 Drs 10/5031 Frau Eid GRÜNE Antw StMin Möllemann AA 15284 B Einsatz des Staatssicherheitsdienstes der DDR in Nicaragua und Kambodscha MdlAnfr 45 14.02.86 Drs 10/5031 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Möllemann AA 15284 C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 15284 D ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . . 15285A Präsidentschaftswahlen auf den Philippinen MdlAnfr 46 14.02.86 Drs 10/5031 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw StMin Möllemann AA 15285 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 15285 C ZusFr Oostergetelo SPD 15285 D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 15286 A ZusFr Stahl (Kempen) SPD 15286 B Herausgabe von Gedenkmünzen aus Silber zum Nennwert von 10 DM MdlAnfr 65 14.02.86 Drs 10/5031 Dr. Riedl (München) CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Voss BMF 15286 D ZusFr Dr. Riedl (München) CDU/CSU . . 15286 D Umfang des Einsatzes von DDR-Bauarbeiter-Kolonnen auf Baustellen in der Bundesrepublik Deutschland; Schutz der arbeitslosen deutschen Bauhandwerker MdlAnfr 73, 74 14.02.86 Drs 10/5031 Reuter SPD Antw PStSekr Grüner BMWi 15287 C ZusFr Reuter SPD 15287 C ZusFr Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU . . . . 15288A ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . . . 15288 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 15288 C ZusFr Vogel (München) GRÜNE . . . . 15288 D ZusFr Frau Hürland CDU/CSU 15289 B ZusFr Oostergetelo SPD 15289 B ZusFr Klein (Dieburg) SPD 15289C ZusFr Büchner (Speyer) SPD 15290 C Gefährdung der Altölentsorgung durch Kurzarbeit bei der Dr. Dr. Meier AG (Uetze) MdlAnfr 58, 59 14.02.86 Drs 10/5031 Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi 15291 B ZusFr Dr.-Ing. Kansy CDU/CSU . . . 15291 C Verhinderung der Einfuhr von nach dem Washingtoner Artenschutz-Abkommen geschützten Tierprodukten, deren Begleitpapiere offenbar gefälscht sind MdlAnfr 77 14.02.86 Drs 10/5031 Dr. Weng (Gerlingen) FDP Antw PStSekr Gallus BML 15292 D ZusFr Dr. Weng (Gerlingen) FDP . . . 15293A Förderung der Ausdehnung der Industriestärke aus landwirtschaftlichen Rohstoffen MdlAnfr 78, 79 14.02.86 Drs 10/5031 Funk CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 15293 B ZusFr Funk CDU/CSU 15293C ZusFr Oostergetelo SPD 15293 D ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . . 15294A ZusFr Heistermann SPD 15294 D Erfolg der Umschulungsmaßnahmen für Arbeitslose durch die Bundesanstalt für Arbeit MdlAnfr 82, 83 14.02.86 Drs 10/5031 Müller (Wesseling) CDU/CSU Antw PStSekr Höpfinger BMA 15295A ZusFr Müller (Wesseling) CDU/CSU . . 15295 B ZusFr Frau Hürland CDU/CSU 15295 D Nächste Sitzung 15344 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 15345* A Anlage 2 Veröffentlichung von Lohnleitlinien durch die Bundesregierung vor Tarifverhandlungen MdlAnfr 66 14.02.86 Drs 10/5031 Dr. Jens SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 15345* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 198. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1986 V Anlage 3 Nachlassender Leistungswille auf Grund der Steuerbelastung mit steigendem Einkommen MdlAnfr 69, 70 14.02.86 Drs 10/5031 Walther SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 15345*C Anlage 4 Hinausschiebung des Stillegungstermins (Oktober 1986) des Kaltwalzwerks der Eisenwerk-Gesellschaft Maximilianshütte in Maxhütte-Heidhof; Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen MdlAnfr 71, 72 14.02.86 Drs 10/5031 Dr. Jobst CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . 15346*A Anlage 5 Einfluß der Strompreise auf die Wettbewerbsfähigkeit der verschiedenen Industriebranchen MdlAnfr 75 14.02.86 Drs 10/5031 Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 15346* C Anlage 6 Gründung von Milchquoten-Banken in den Niederlanden MdlAnfr 76 14.02.86 Drs 10/5031 Borchert CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . 15347*A Anlage 7 Widerspruch zwischen einer Untersuchung des Arbeitsamtes Ludwigshafen und der Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Enquete-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat" über die Jugendarbeitslosigkeit MdlAnfr 80, 81 14.02.86 Drs 10/5031 Reimann SPD SchrAntw PStSekr Höpfinger BMA . . 15347*A Anlage 8 Anrechnung des Erziehungsgeldes auf andere Sozialleistungen für Rentnerinnen auf Grund des Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung; Größe des Personenkreises MdlAnfr 84, 85 14.02.86 Drs 10/5031 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD SchrAntw PStSekr Höpfinger BMA . . 15347* D Anlage 9 Unfallversicherungsschutz für die Wege zu und von Vorstellungsgesprächen MdlAnfr 86 14.02.86 Drs 10/5031 Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Höpfinger BMA . . 15348*C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 198. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Februar 1986 15231 198. Sitzung Bonn, den 20. Februar 1986 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 21. 2. Dr. Apel 21. 2. Berger ** 20. 2. Böhm (Melsungen) * 21. 2. Frau Borgmann 20. 2. Dr. Dollinger 21. 2. Dr. Enders * 21. 2. Erhard (Bad Schwalbach) 20. 2. Ertl 21. 2. Feilcke 21. 2. Fischer (Bad Hersfeld) ** 20. 2. Gattermann 21. 2. Gerstl (Passau) 20. 2. Dr. Glotz 21. 2. Jaunich 21. 2. Jung (Düsseldorf) 20. 2. Kalisch 21. 2. Kittelmann ** 20. 2. Klose 21. 2. Lamers 21. 2. Frau Dr. Lepsius 21. 2. Marschewski 21. 2. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 2. Dr. Mertens (Bottrop) 20. 2. Dr. Meyer zu Bentrup 21. 2. Dr. Müller ** 20. 2. Neumann (Bramsche) 21. 2. Schäfer (Offenburg) 21. 2. Dr. Scheer ** 20. 2. Schmidt (Hamburg) 21. 2. Schmidt (Hamburg-Neustadt) 21. 2. Schulhoff 21. 2. Stockleben 21. 2. Vosen 20. 2. Werner (Dierstorf) 21. 2. Dr. Wieczorek 21. 2. Frau Zeitler 21. 2. Zink 21. 2. Frau Zutt 21. 2. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Jens (SPD) (Drucksache 10/5031 Frage 66): Beabsichtigt die Bundesregierung, in Zukunft jedes Jahr vor anstehenden Tarifverhandlungen Lohnleitlinien zu veröffentlichen, wie es jetzt durch den Bundesminister für Wirtschaft, Dr. Bangemann, erfolgte, und wie beurteilt sie diesen Vorgang? Anlagen zum Stenographischen Bericht Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, Lohnleitlinien zu veröffentlichen. Sie hat dies auch bisher nicht getan. Die in Ihrer Frage angesprochene Äußerung von Bundesminister Dr. Bangemann bezog sich ausdrücklich nicht auf konkrete Tarifverhandlungen, sondern war eine Erläuterung dessen, was die Bundesregierung in allgemeiner Form auch im Jahreswirtschaftsbericht 1986 zum lohnpolitischen Verteilungsspielraum sagt. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Fragen des Abgeordneten Walther (SPD) (Drucksache 10/5031 Fragen 69 und 70): Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesminister für Wirtschaft, daß Leistungswille und Leistungsbereitschaft auf Grund der Steuerbelastung mit zunehmenden Einkommen nachlassen? Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Beirates, daß der Leistungswille zunehmend mit der Höhe des Einkommens nachläßt? In der wissenschaftlichen Literatur sind generell die qualitativen leistungshemmenden Wirkungen hoher Abgabenbelastungen weitgehend unbestritten. Ich verweise z. B. auf den Bericht der TransferEnquete-Kommission. Auch die Bundesregierung ist der Auffassung, daß in einem marktwirtschaftlichen System allgemein ein angemessener Zuwachs des Einkommens erforderlich ist, damit erhöhte Leistungen erbracht werden. Dies wird auch international in der Regel so gesehen, wie entsprechende Steuerreformpläne in anderen Ländern zeigen. Andernfalls würde, wie jüngst etwa der wissenschaftliche Beirat beim BMWi zu Recht hervorhebt, der Leistungsanreiz mit steigendem Einkommen - gerade im Hinblick auf den progressiven Tarifverlauf der Lohn- und Einkommensteuer - zunehmend gelähmt werden. Die gesetzgebenden Körperschaften haben deshalb den Lohn- und Einkommensteuertarif mit ihrem Steuersenkungspaket 1986/1988 leistungsfreundlicher, aber auch beschäftigungs- und familienfreundlicher umgestaltet, und die Bundesregierung beabsichtigt - besonders mit Blick auf zusätzliche Leistungsanreize - diese steuerpolitische Linie fortzusetzen. Im übrigen darf ich darauf aufmerksam machen, daß in dem von Ihnen angesprochenen Gutachten des wissenschaftlichen Beirats nicht davon die Rede ist, daß der Leistungswille zunehmend mit der Höhe des Einkommens nachläßt. Vielmehr heißt es in dem Gutachten: „Wegen der Steuerprogression wächst die Lähmung des Leistungsanreizes mit steigendem Einkommen." 15346* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 198. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1986 Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Jobst (CDU/CSU) (Drucksache 10/5031 Fragen 71 und 72): Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, das Kaltwalzwerk der Eisenwerkgesellschaft Maximilianshütte in Maxhütte-Heidhof und damit die rund 720 Arbeitsplätze in diesem strukturschwachen und von höchster Arbeitslosigkeit gezeichneten Gebiet zu halten? Wird die Bundesregierung auf das Unternehmen Klöckner AG einwirken, daß zumindest der geplante Stillegungstermin Oktober 1986 hinausgeschoben wird, und welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, um die dort dringend erforderlichen Ersatzarbeitsplätze zu schaffen? Zu Frage 71: Die für die Umstrukturierung der deutschen Stahlindustrie erforderlichen Anpassungsmaßnahmen liegen in der Verantwortung der betroffenen Unternehmen und deren mitbestimmter Organe. Die Bundesregierung hat den unvermeidlichen Umstrukturierungsprozeß mit einem Hilfsprogramm in Höhe von rd. 3 Mrd. DM begleitet. Hieran hat auch die Maxhütte — entsprechend den hierfür vorgesehenen Kriterien — partizipiert. Nach Auskunft des Unternehmens sind umfangreiche zusätzliche Investitionen erforderlich, um Verlustquellen im Profilbereich zu beseitigen und die dort vorhandenen Arbeitsplätze auf Dauer zu sichern. Auch das Kaltwalzwerk könne auf Dauer nur erhalten werden, wenn erhebliche Investitionen getätigt werden. Da andere Finanzierungsmöglichkeiten nicht gegeben seien, bleibe dem Unternehmen nur der Ausweg, durch Verkauf des Kaltwalzwerkes die notwendigen Finanzmittel für die Modernisierung des Profilbereichs zu beschaffen. Die dabei freigesetzten rd. 720 Beschäftigten sollen zum überwiegenden Teil auf andere Betriebsstätten übernommen werden. Weitere Hilfen sind schon aus EG-rechtlichen Gründen nicht möglich. Die Bundesregierung sieht bei dieser Sachlage keine Möglichkeiten, auf die Maxhütte im Sinne einer Rückgängigmachung des Verkaufs des Kaltwalzwerkes einzuwirken. Zu Frage 72: Wie schon erwähnt, kann und will die Bundesregierung in Unternehmensentscheidungen nicht eingreifen. Dies gilt auch für den Termin der geplanten Stillegung des Kaltwalzwerkes. Nach Auskunft der Klöckner-Werke AG ist diese Entscheidung betriebswirtschaftlich notwendig. Die Bundesregierung hält die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen außerhalb der Eisen- und Stahlindustrie für notwendig, um die Auswirkungen des Anpassungsprozesses im Stahlbereich auf die hiervon betroffenen Regionen in Grenzen zu halten. Daher unterstützt sie im Rahmen der Bund-LänderGemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" in den Fördergebieten, zu denen auch die Mittlere Oberpfalz gehört, in erster Linie solche Investitionen, mit denen neue Dauerarbeitsplätze geschaffen werden. Diesem Ziel dient insbesondere auch das von Bund und Ländern im Jahre 1982 beschlossene und inzwischen bis zu der Neuabgrenzung der Fördergebiete verlängerte Sonderprogramm der Gemeinschaftsaufgabe zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen außerhalb der Eisen-und Stahlindustrie („Stahlstandorteprogramm"). In dieses Programm sind auch die Arbeitsmarktregionen Amberg und Schwandorf, in denen die Betriebe der Maximilianshütte liegen, einbezogen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/5031 Frage 75): Wie beurteilt die Bundesregierung den Einfluß der Strompreise auf die Wettbewerbsfähigkeit der verschiedenen Industriebranchen, und hält sie es mit dem geltenden Recht für vereinbar, bestimmten Großkunden in bestimmten Bereichen und Regionen Strompreissonderkonditionen zu gewähren? Die Stromkosten bewegen sich für die meisten Industriebetriebe in der Größenordnung von einigen Prozent des Produktionswertes und stellen damit einen nicht zu vernachlässigenden Kostenfaktor dar. Bei einigen sog. stromintensiven Produktionen wie insbesondere im Bereich der Nichteisenmetallhütten und in der chemischen Industrie erreicht der Anteil der Stromkosten am geschaffenen Produktionswert 25% und mehr. Naturgemäß ist die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen insbesondere im Verhältnis zu Wettbewerbern mit Standorten in Ländern mit hohen Anteilen kostengünstiger Wasserkraft und Kernenergie an der Stromerzeugung durch steigende Strompreise in besonderem Maße beeinflußt. Die betroffenen Unternehmen sehen mit Sorge die Kostensteigerungen in der Stromerzeugung insbesondere aufgrund der verschärften Umweltbestimmungen, die sich in den Strombezugsverträgen niederschlagen müssen, die in den kommenden Jahren in einer Reihe von Fällen zur Neuverhandlung anstehen. Das geltende Preis- und Wettbewerbsrecht erlaubt bzw. verlangt eine Differenzierung der Strompreise, soweit die Abnahmecharakteristika des jeweiligen Unternehmens wie Spannungsebene, hohe Benutzungsdauer, Unterbrechbarkeit etc. für die Kosten der Stromerzeugung Relevanz haben, nicht dagegen eine Differenzierung nach der Stromverwendung. Der kürzlich in der Bilanzpressekonferenz eines großen Versorungsunternehmens zur Diskussion gestellte Vorschlag, bestimmten stromintensiven Produktionen im gesamtwirtschaftlichen Interesse niedrigere Strompreise einzuräumen, zielte deshalb auch auf eine Änderung der entsprechenden Bestimmungen des Kartellgesetzes. Die Bundesregierung hat vor wenigen Tagen in einer Antwort auf eine Frage des Abgeordneten Wissmann deutlich gemacht, daß sie weder in einer staatlichen Sanktionierung der Benachteiligung anderer Abnehmer noch in einer direkten oder indirekten Subventionierung von Strompreisen einen gangbaren Weg sieht, die Probleme stromintensiver Produktionen in der Bundesrepublik zu lösen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 198. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1986 15347* Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Frage des Abgeordneten Borchert (CDU/CSU) (Drucksache 10/5031 Frage 76): Wie beurteilt die Bundesregierung die Gründung von Milchquoten-Banken in den Niederlanden, und beabsichtigt sie, die Bildung solcher „Banken" in der Bundesrepublik Deutschland, z. B. zum Ausgleich von Härtefällen, zu unterstützen? Der Bundesregierung ist offiziell von der Existenz von sogenannten Milchquoten-Banken in den Niederlanden nichts bekannt. Es muß darauf verwiesen werden, daß nach dem geltenden EG-Recht Referenzmengen nur mit Flächen übertragen werden können. Insoweit ist der freie Handel mit Referenzmengen auch über sogenannte Banken nicht zulässig. In der Bundesrepublik Deuschland sind die Bundesländer ermächtigt, Referenzmengen zum Zwecke der Umverteilung aufzukaufen. Davon haben die Mehrzahl der Flächenstaaten Gebrauch gemacht. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höpfinger auf die Fragen des Abgeordneten Reimann (SPD) (Drucksache 10/5031 Fragen 80 und 81): Wie erklärt die Bundesregierung den Widerspruch zwischen dem Ergebnis einer Sonderuntersuchung des Arbeitsamtes Ludwigshafen, in der festgestellt wird, daß Jugendliche unter 24 Jahren 41 v. H. aller Neuzugänge in die Arbeitslosigkeit stellen und die unter 35jährigen gar 69,5 v. H., und ihrer Stellungnahme zum Bericht der Enquete-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat", daß die von ihr verfolgte Politik zu einer deutlichen Entspannung auf dem Arbeitsmarkt für Jugendliche geführt hat? Wie erklärt die Bundesregierung den ständig steigenden Anteil an Neuzugängen mit abgeschlossener Berufsausbildung seit 1983 um 8,7 v. H. auf 51,7 v. H.? Die Bundesregierung hatte in ihrer Stellungnahme vom 2. Oktober 1984 ausgeführt, daß die von ihr verfolgte Politik zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen „seit den Sommermonaten des Jahres 1983 zu einer deutlichen Entspannung auf dem Arbeitsmarkt für Jugendliche geführt" hat. Dieser richtigen Aussage lag zugrunde, daß seit Juli 1983 die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen unter 20 Jahren — jeweils im Vorjahresvergleich — eine von der Gesamtarbeitslosigkeit positiv abweichende Entwicklung genommen hat und erfreulicherweise ab Oktober 1983 in jedem Monat die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen unter 20 Jahren jeweils niedriger war als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Diese günstige Entwicklung hat sich auch nach dem Zeitpunkt der Abgabe der Stellungnahme der Bundesregierung fortgesetzt. Im Jahresdurchschnitt 1983 waren 192 238 Jugendliche unter 20 Jahren arbeitslos, 1984 sank diese Zahl im Jahresdurchschnitt auf 166 182 und 1985 auf 158 999, zwischen 1983 und 1985 also um zusammen 17,3%. Die von Ihnen zitierten Ergebnisse der ZehnTage-Untersuchung Ende Mai/Anfang Juni 1985 über alle Zugänge in und alle Abgänge aus der Arbeitslosigkeit im Arbeitsamtsbezirk Ludwigshafen steht hierzu nicht im Widerspruch. Auch im Arbeitsamtsbezirk Ludwigshafen ist die durchschnittliche Zahl der arbeitslosen Jugendlichen unter 20 Jahren zwischen 1983 und 1985 mit 13 % erheblich zurückgegangen. Die Sonderuntersuchung, die in allen Arbeitsämtern des Bundesgebiets durchgeführt wird, gibt näheren Aufschluß über die Bewegungen am Arbeitsmarkt. Eine isolierte Betrachtung des Zugangs in die Arbeitslosigkeit führt zu Fehlschlüssen, wenn nicht auch gleichzeitig die Abgänge aus der Arbeitslosigkeit gegenübergestellt werden. In dem untersuchten Zehn-Tages-Zeitraum entfielen 40,1 % der Zugänge in Arbeitslosigkeit und 33,2 % der Abgänge aus der Arbeitslosigkeit auf die Altersgruppe bis unter 25 Jahre. Für die Analyse der jahresdurchschnittlichen Entwicklung des Niveaus der Arbeitslosigkeit sind die Anteilswerte nicht aussagekräftig. Wenn, wie in der Bundesrepublik Deutschland, immer mehr Personen beruflich qualifiziert sind, wächst auch die Wahrscheinlichkeit, daß mehr beruflich Qualifizierte arbeitslos werden, jedenfalls in einer schwierigen Arbeitsmarktsituation. Auch die unbestrittene Notwendigkeit einer Ausbildung über Bedarf kann zu zusätzlichen Fällen von Übergangsarbeitslosigkeit führen. Zur Überwindung dieser Probleme an der Nahtstelle zwischen Ausbildung und Beschäftigung wurden durch das 7. AFG-Änderungsgesetz zusätzliche Hilfsmöglichkeiten in das AFG aufgenommen. Nach wie vor ist aber das Risiko, arbeitslos zu werden, für beruflich qualifizierte Arbeitnehmer weit geringer als für nicht qualifizierte. Vor allem ist zu berücksichtigen, daß für beruflich nicht qualifizierte Arbeitnehmer zu dem hohen Zugangsrisiko auch ein höheres Verweilrisiko kommt; das heißt Arbeitslose ohne abgeschlossene Berufsausbildung sind länger arbeitslos als solche mit abgeschlossener Berufsausbildung. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höpfinger auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin (SPD) (Drucksache 10/5031 Fragen 84 und 85): Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, daß das ab Januar 1986 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung und das dadurch gewährte Erziehungsgeld pro Kind in Höhe von 25 DM auf die Sozialhilfe, Wohngeld oder sonstige Vergünstigungen für Rentnerinnen angerechnet wird und den betroffenen Frauen somit nur ein minimaler Restbetrag der ursprünglichen Höhe von 25 DM pro Kind bleibt? Wie groß ist nach Ansicht der Bundesregierung unter allen Personen, denen Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung angerechnet werden, der Personenkreis, dem das gewährte Erziehungsgeld in Höhe von 25 DM pro Kind auf sonstige Hilfen angerechnet wird (absolut und prozentual)? 15348* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 198. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1986 Ab 1. Januar 1986 werden erstmals in der 100jährigen Geschichte der Rentenversicherung Kindererziehungszeiten rentenbegründend und rentensteigernd angerechnet. Hierdurch wird endlich anerkannt, daß die Tätigkeit in der Familie und bei der Kindererziehung der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit gleichwertig ist. Ziel der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ist es, Lücken in der Versicherungsbiographie von Vätern und Müttern auszugleichen, die dadurch entstehen, daß im Interesse der Erziehung von Kindern eine Erwerbstätigkeit in dieser Zeit nicht oder nur eingeschränkt ausgeübt wird. Diese Mütter und Väter werden damit ebenso wie alle Erwerbstätigen in die Lage versetzt, im Alter oder bei vorzeitiger Invalidität ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise mit Hilfe einer Rente zu bestreiten, die eine Anerkennung ihrer Lebensleistung einschließlich der Erziehung von Kindern darstellt. Als Rentenbezieher sind sie ebenso wie alle anderen Rentenbezieher je nach der Höhe ihrer Rente überhaupt nicht oder nur in geringerem Umfang auf subsidiäre Sozialleistungen abgewiesen. Daß Renten zum Beispiel bei der Berechnung der Sozialhilfe als Einkommen berücksichtigt werden, ist Folge des Nachranggrundsatzes, der zu den Grundprinzipien dieser Sozialleistung gehört. Er besagt, daß ein Recht auf Sozialhilfe nur hat, wer nicht in der Lage ist, sich aus aus eigenen Kräften und Mitteln zu helfen und wer auch von anderer Seite keine ausreichende Hilfe erhält. Dieser Grundsatz wahrt die verfassungsrechtlich relevanten Belange der Allgemeinheit an der Abwehr ungerechtfertigter Anforderungen an staatliche Sozialleistungen, die ohne finanzielle Vorleistungen des einzelnen aus allgemeinen Steuermitteln erbracht werden. Entsprechend muß auch beim Wohngeld der einzelne im Rahmen des Zumutbaren zunächst die ihm zur Verfügung stehenden Mittel für seine Wohnkosten einsetzen. Bei Sozialhilfe und Wohngeld hat dies die Berücksichtigung von Einkommen zur Folge, zu dem auch die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung gehören. Deshalb müssen auch Rentenerhöhungen, die auf einer Anrechnung von Kindererziehungszeiten beruhen, berücksichtig werden. In den ersten Jahren werden etwa 350 000 bis 400 000 Mütter oder Väter jährlich in den Genuß der Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei ihrer Rente kommen. Dies sind Frauen oder Männer, die in der Vergangenheit Kinder erzogen haben und ab 1. Januar 1986 erstmals in Rente gehen oder einen erneuten Versicherungsfall haben. Bei wievielen dieser Personen die Rente, in der Kindererziehungszeiten enthalten sind, bei der Gewährung sonstiger Leistungen berücksichtigt wird, läßt sich nicht vorhersagen. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, daß man zur Zeit nicht absehen kann, in welchem Umfang Kindererziehungszeiten bei den leiblichen Müttern oder bei anderen Erziehungspersonen (den leiblichen Vätern oder Adoptiv-, Stief- oder Pflegemüttern oder -vätern) angerechnet werden und wie sich die Einkommensverhältnisse dieser Personen im Versicherungsfall darstellen. Auch aus der Sicht der Sozialhilfe und des Wohngeldes ist die Größe des in Betracht kommenden Personenkreises mit dem verfügbaren statistischen Datenmaterial nicht zu bestimmen. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Höpfinger auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/ 5031 Frage 86): Wird die Bundesregierung sich damit abfinden, daß Arbeitnehmer auf dem Weg zu Vorstellungsgesprächen nicht unfallversichert sind (vgl. Bundessozialgericht 2 RU 1/85), oder wird sie eine entsprechende Gesetzesänderung bei nächster Gelegenheit vorschlagen, die den Unfallversicherungsschutz für die Wege zu und von Vorstellungsgesprächen gesetzlich regelt? Sie fragen nach dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf den Wegen von und zu Vorstellungsgesprächen. Das Urteil des Bundessozialgerichts, auf das Sie sich in diesem Zusammenhang beziehen, ist bislang noch nicht veröffentlicht. Ich möchte Sie daher um Ihr Einverständnis bitten, Ihre Frage schriftlich beantworten zu dürfen, sobald der genaue Sachverhalt und die Entscheidungsgründe mit dem Urteil vorliegen.
Gesamtes Protokol
Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019800000
Die Sitzung ist eröffnet.
Zunächst einmal habe ich einige amtliche Mitteilungen zu verlesen. Erstens. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat gebeten, daß der in der 194. Sitzung des Deutschen Bundestages gemäß § 96 unserer Geschäftsordnung überwiesene Antrag der Fraktion der SPD zur Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen — Drucksache 10/4747 — dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen wird. Damit würde die Beratung gemäß § 96 der Geschäftsordnung entfallen. Ist das Haus damit einverstanden? — Widerspruch erhebt sich offensichtlich nicht. Dann ist das so beschlossen.
Zweitens. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung erweitert werden, und zwar um die Punkte, die Sie auf der Ihnen vorliegenden Liste „Zusatzpunkte zur verbundenen Tagesordnung" aufgeführt bekommen haben:
2. Unterrichtung durch die Parlamentarische Kontrollkommission
Private Zuwendungen an den Bundesnachrichtendienst im Jahre 1983
— Drucksache 10/5049 —
3. Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dr. Schmude, Bachmaier, Bernrath, Frau Blunck, Catenhusen, Dr. Diederich (Berlin), Egert, Frau Fuchs (Köln), Frau Fuchs (Verl), Frau Dr. Hartenstein, Frau Huber, Immer (Altenkirchen), Dr. Kübler, Kuhlwein, Lutz, Frau Luuk, Frau Dr. Martiny-Glotz, Frau Matthäus-Maier, Müller (Düsseldorf), Frau Odendahl, Peter (Kassel), Frau Renger, Schäfer (Offenburg), Frau Schmedt (Lengerich), Frau Schmidt (Nürnberg), Schröer (Mülheim), Frau Simonis, Dr. Soell, Frau Dr. Skarpelis-Sperk, Frau Steinhauer, Stiegler, Frau Terborg, Frau Dr. Timm, Frau Traupe, Wartenberg (Berlin), Frau Weyel, Frau Zutt, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD
Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst
— Drucksachen 10/3055, 10/5026 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Regenspurger
Schröer (Mülheim)

Frau Hönes Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung (Sechstes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz — 6. RVÄndG)

— Drucksache 10/5053 —Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend)

Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß
4. Aktuelle Stunde Ausbildungsplatzsituation 1986
Zugleich soll mit der Aufsetzung des Zusatzpunktes 4 — erste Beratung des Sechsten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes — von der Frist für den Beginn der Beratung abgewichen werden. Ist das Haus hiermit einverstanden? — Auch das ist der Fall. Dann ist auch dies beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 2 auf:
a) Beratung des Jahresgutachtens 1985/86 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
— Drucksache 10/4295 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft (federführend)

Finanzausschuß
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß
b) Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1986 der Bundesregierung
— Drucksache 10/4981 —
Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Finanzausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Haushaltsausschuß
c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordne-



Vizepräsident Cronenberg
ten Dr. Vogel, Dr. Apel, Frau Fuchs (Köln), Roth, Dr. Jens, Lutz, Dr. Spöri, Wieczorek (Duisburg) und der Fraktion der SPD
Politik zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit und Überwindung der Wachstumsschwäche
— Drucksachen 10/3431, 10/4561 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Graf Lambsdorff
Beschlußfassung
d) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Rohde (Hannover), Dr. Jens, Lutz, Dr. von Bülow, Buschfort, Collet, Dreßler, Egert, Dr. Ehrenberg, Frau Fuchs (Köln), Glombig, Heyenn, Jung (Düsseldorf), Junghans, Kirschner, Frau Dr. Martiny-Glotz, Meininghaus, Dr. Mitzscherling, Peter (Kassel), Reimann, Reuschenbach, Roth, Schreiner, Frau Dr. Skarpelis-Sperk, Frau Steinhauer, Urbaniak, Weinhofer, von der Wiesche, Wolfram (Recklinghausen), Zeitler, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD
Einführung eines Arbeitsmarktberichts durch die Bundesregierung
— Drucksachen 10/1893, 10/4984 —
Berichterstatter: Abgeordneter Pohlmann
Beschlußfassung
e) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (16. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Müntefering, Conradi, Huonker, Dr. Jens, Lohmann (Witten), Meininghaus, Menzel, Polkehn, Purps, Ranker, Reschke, Roth, Schmitt (Wiesbaden), Dr. Sperling, Waltemathe, Frau Weyel, Wolfram (Recklinghausen) und der Fraktion der SPD
Stärkung und Verstetigung der Bautätigkeit — Drucksachen 10/3274, 10/4125 —
Berichterstatter: Abgeordnete Ruf Dr. Sperling
Beschlußfassung
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 2 a bis 2 e und eine Aussprache von insgesamt drei Stunden vorgesehen. — Das Haus ist damit einverstanden. So ist auch dies beschlossen.
Nun habe ich zu fragen, ob das Wort zur Berichterstattung gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall. Dann können wir mit der Beratung beginnen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019800100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Der Aufschwung in der Bundesrepublik entfaltet sich auf solider Basis. Expansion bei Stabilität — das ist der Weg, zu dem alle, nicht nur die Wirtschaftspolitik, in den letzten Jahren beigetragen haben. Einfach war es nicht, ihn zu erreichen ... Der Weg, der in der Bundesrepublik beschritten wird, findet auch international zunehmend Anerkennung.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Herr Präsident, ich habe nicht darauf hingewiesen, daß dies ein Zitat war. Ich bitte daher nachträglich um Genehmigung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Brauchen Sie nicht!)

Es war das Urteil des Sachverständigenrates

(Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Kluge Leute!)

in seinem jüngsten Jahresgutachten, das ich hier vorgetragen habe, weil es, glaube ich, wichtig ist, daß man sich in der Beurteilung seiner eigenen Politik nicht nur an das hält, was man selbst richtig und gut findet, sondern auch das Urteil anderer einbezieht. Ich möchte dem Sachverständigenrat für seine gute Arbeit ausdrücklich danken.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Eine Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht ist gleichzeitig auch immer eine Debatte über Zahlen, die Prognosen sind. Deswegen ist es vielleicht ein guter Anlaß, einmal der Frage nachzugehen, ob die Zahlen, die wir vor einem Jahr genannt haben, realistisch waren.

(Dr. Jens [SPD]: Anlageinvestitionen nicht vergessen!)

— Herr Jens, ich habe Zitate mitgebracht, die belegen, welche Schätzungen und Prognosen Sie in der Öffentlichkeit gemacht haben. Wenn es Sie interessiert, dann darf ich vielleicht auf eine kleine Verlautbarung von Ihnen eingehen,

(Kittelmann [CDU/CSU]: Das wird schlimm!)

um die Treffsicherheit Ihrer Prognosen mit der meiner Prognosen, die ich im vergangenen Jahr abgegeben habe, zu vergleichen. Sie haben in einer Information der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vom 22. Oktober 1984 — Sie können sie unschwer finden — folgendes gesagt — ich zitiere wörtlich —:
Es besteht die heute schon absehbare Gefahr,
daß wir mit einem Sockel von 2,5 Millionen Arbeitslosen noch im Laufe des Jahres 1985 in die



Bundesminister Dr. Bangemann
nächste konjunkturelle Abschwungphase eintreten.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Kittelmann [CDU/CSU]: Wer war das, Herr Kollege?)

— Das war Herr Jens.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Ich kann aber noch mehr Prognosen vortragen, falls Herr Roth noch einen Zwischenruf machen sollte, wozu ich ihn einlade. Mir liegen auch von ihm eine Reihe falscher Prognosen vor.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie müssen — gemessen an Ihren Einlassungen von damals — schon zugeben, daß das, was Sie damals gesagt haben, keine realistische Prognose war; Ihre damaligen Äußerungen wurden vielmehr von der Absicht getragen, die Stimmung zu vermiesen, damit das eintreten sollte, was Sie eigentlich wollten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Panikmacher! — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Jetzt haben sie Pech gehabt!)

Wir dagegen standen mit unseren Einschätzungen auf der sicheren Seite.

(Zurufe von der SPD)

— Das kann man ja nachlesen. — Meine Damen und Herren, auch für die Werte des Jahreswirtschaftsberichts 1986, die wir heute vorlegen, gilt — das werden Sie vielleicht nicht mehr bestreiten —, daß sie eher an der Untergrenze des Wahrscheinlichen angesiedelt worden sind. Alle Betrachter und Beobachter — einschließlich dessen, was die Bundesbank dazu sagt — gehen davon aus, daß die Werte im Verlaufe des Jahres 1986 besser werden können. Angesichts der aktuellen Ölpreisentwicklung, auf deren Folgen ich auch noch eingehen möchte, kann man in dem Zusammenhang sicherlich sagen, daß diese Entwicklung — vorausgesetzt, man macht keine falsche Politik — auch dazu beitragen wird, daß sich die Zahlen hin zum Besseren entwickeln und daß wir eine noch höhere Geldwertstabilität, ein beschleunigteres Wachstum und eine bessere Entwicklung am Arbeitsmarkt verzeichnen können.
Meine Damen und Herren, es ist auch unbestrittene Meinung aller Beobachter, daß der Aufschwung 1986 nicht zu Ende gehen wird, sondern daß er sich fortsetzen kann und daß auch die Beschäftigung weiter steigt.
Als wir vor einem Jahr über den Jahreswirtschaftsbericht debattierten, behauptete die Opposition u. a., wir bauten nur Luftschlösser; in Wahrheit sei der wirtschaftliche Erfolg ja ausschließlich auf den starken Dollar zurückzuführen. Ich habe schon damals vergeblich versucht, Herrn Roth und Herrn Jens einige Grundtatsachen wirtschaftlichen Beobachtens und Beurteilens nahezubringen, aber ohne Erfolg.
Ich will aber jetzt noch einmal darauf hinweisen, was ich damals in bezug auf die Zahlen gesagt habe. Der Dollarkurs betrug im Februar 1985 durchschnittlich 3,29 DM. Er bewegt sich heute um die 2,40 DM-Marke herum; zum Teil wurde er in den jeweiligen Tagesfeststellungen erheblich niedriger notiert; ich rede vom Durchschnitt. Er wird um ungefähr 90 Pfennig oder 27% niedriger als damals notiert. Es ist natürlich unbestreitbar, daß ein exportierendes Unternehmen Vorteile daraus zieht, daß der Dollar stark ist, und Nachteile erleidet, wenn er schwach ist. Aber das ist eben nicht die ganze Wahrheit. Ich habe versucht, Ihnen das im letzten Jahr zu erklären. Ich habe vor monokausalen Erklärungen gewarnt, etwa des Stils — ich bin froh, daß Herr Ehrenberg gerade kommt, denn er hat das damals mit großer Verve vorgetragen —: Der starke Dollar ist die alleinige Erklärung für das Wirtschaftswachstum; alles andere, was Sie, Herr Wirtschaftsminister, vortragen, ist Unsinn. —

(Kittelmann [CDU/CSU]: Das war schon peinlich damals!)

Schon damals habe ich gesagt: Zwei Drittel der deutschen Ausfuhr gehen in europäische Länder; unmittelbar in die USA gehen nur 10 % der Exporte. Bei einem Rückgang des Dollarkurses verbilligen sich unsere Einfuhren in dem so wichtigen Bereich Rohstoffe, Energie. Dadurch sinken die Produktionskosten. Außerdem hat ein niedriger bewerteter Dollar für die Entwicklungsländer den Vorteil, daß sie Erleichterung im Hinblick auf ihre Verschuldung erfahren und zusätzlich die Möglichkeit haben, zu importieren. Alles das haben Sie damals nicht wissen wollen. Sie haben es vom Tisch gefegt, weil Sie auch dort wieder Ihren eigenen pessimistischen Prophezeiungen glauben wollten.
Was ist eingetreten? Wir haben im vergangenen Jahr, meine Damen und Herren, einen Höchstwert sowohl im Handelsbilanzüberschuß als auch bei der Zahlungsbilanz erreicht, obwohl sich der Dollarkurs im vergangenen Jahr kontinuierlich abgeschwächt hat.
Wer hat denn nun eigentlich recht? Man kann die einfache Frage stellen: Wer macht die bessere Wirtschaftspolitik? Die Opposition, die sich in allem irrt — in ihren Prognosen, in ihren Beurteilungen —, oder die Regierung, die auf Zahlen verweisen kann, die so gut sind wie nie zuvor?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019800200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jens?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019800300
Ich nehme an, Herr Präsident, daß Herr Jens immer noch nicht genug belehrt ist. Deswegen möchte ich ihm die Chance nicht rauben, heute morgen noch mehr zu erfahren.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019800400
Ohne zu der Begründung Stellung zu nehmen: Herr Abgeordneter, bitte schön!

Prof. Dr. Uwe Jens (SPD):
Rede ID: ID1019800500
Herr Minister, können Sie mir denn zugestehen, daß auch Ihre Betrachtungsweise



Dr. Jens
wiederum sehr einseitig ist, daß es durchaus Unternehmen in der Bundesrepublik gibt, die insbesondere in den Dollarraum exportieren, die zwangsweise auf Grund des sinkenden Dollarkurses jetzt Schwierigkeiten bekommen? Ich kann Ihnen sogar Namen nennen. Können Sie das denn nicht eingestehen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019800600
Aber Herr Jens, natürlich ist das richtig. Nur: Wenn wir hier jetzt über die Erfolge der Wirtschaftspolitik diskutieren, dann muß ich doch Durchschnittswerte nehmen. Ich kann doch nicht nur auf die Schlechten schauen. Dann müßte ich mit demselben Recht fragen: Warum schauen Sie nicht dauernd auf die Guten?

(Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

— Herr Vogel, nun regen Sie sich nicht auf. Ich nehme doch bei der Beurteilung der Finanzlage der Kommunen auch nicht die schlechten Daten der sozialdemokratisch regierten Kommunen, sondern man muß Durchschnittswerte nehmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Bangemanns Plauderstunde! — Weitere Zurufe von der SPD)

Eines, meine Damen und Herren, muß man auch deutlich sagen: Das Vertrauen der Bevölkerung, insbesondere der Wirtschaft, in diese Wirtschaftspolitik der Regierung und in den Kurs der Regierung ist gestiegen. Das gibt eine Basis für Kontinuität. Wir müssen unsere Politik fortsetzen, wenn wir nicht einen abrupten Abbruch dieser wirtschaftlichen Entwicklung erleben wollen. Wir müssen deswegen für eine neue Investitions- und Verbrauchsdynamik durch unsere Wirtschaftspolitik sorgen. Wir dürfen uns nicht auf irgendwelche noch so gutgemeinten Experimente einlassen; denn die Leistungskraft und der Leistungswille der Wirtschaft und der in ihr Arbeitenden werden von der Opposition kontinuierlich unterschätzt.
Ich darf einige Bemerkungen zur Entwicklung der Ölpreise und zu den Folgerungen machen, die daraus zu ziehen sind. Diese Ölpreissenkungen wirken sich bei uns besonders stark aus, weil sie mit dem schwächeren Dollar zusammenfallen. Alle Analysen und Modellrechnungen stimmen darin überein: Diese eingetretenen Preissenkungen sind für uns wie für alle Ölimportländer positiv. Die Verbraucher werden spürbar entlastet. Die Inflationsrate wird gedrückt. Die Energiekosten für die Industrie sinken. Die Wettbewerbsfähigkeit nimmt zu. All das wird Konjunktur und Wachstum zugute kommen. Deswegen werden wir in 1986 vermutlich noch bessere Zahlen erreichen, als wir sie angenommen haben.
Alles das, meine Damen und Herren kann man aber mit einem Handstreich zunichte machen, wenn man den Vorschlägen folgt, die die Opposition sofort wieder gemacht hat, mit Steuern oder Abgaben diese Ölpreisentwicklung zu beeinflussen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD] — Weitere Zurufe von der SPD)

— Ich spreche hier für die Regierung, verehrter Herr Vogel. Soweit ich weiß, gehört Herr Spöri Ihrer eigenen Fraktion immer noch an.

(Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

Er hat ja die Schnapsidee zuerst geäußert, daß man die positiven Impulse für Stabilität, Wachstum und Beschäftigung wieder wegsteuern soll.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Meine Damen und Herren von der SPD, immer dann, wenn Sie einen wirtschaftspolitischen Vorschlag machen, fällt Ihnen nichts anderes ein, als eine neue Steuer einzuführen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

Sie sollten sich überlegen, ob „SPD" heute nicht übersetzt werden muß mit „Steuerpartei Deutschlands".

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Das ist ja mäßiges Kabarett!)

— Herr Vogel, es stimmt schon, daß das, was Sie wirtschaftspolitisch vorschlagen, sehr mäßiges Kabarett ist. Sie müssen doch einmal zur Kenntnis nehmen: In Ihrem Programm „Arbeit und Umwelt", das Sie heute wieder vortragen, schlagen Sie eine Erhöhung der Abgaben und Strompreise vor. Wenn die Ölpreise sinken: Was fällt Ihnen dazu ein? Eine Ölimportsteuer, um dem Verbraucher die Vorteile wegzunehmen.
Ich frage mich auch: Wo ist denn eigentlich das Soziale in dieser Politik? Der kleine Mann ist es, der bei Ihnen immer, jedesmal belastet wird oder belastet werden soll.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Roth [SPD]: Ergänzungsabgabe! — Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

Sie haben auch gar nicht richtig verstanden, daß die Marktkräfte, die wir damals, als die Ölpreise stiegen,

(Dr. Hauff [SPD]: Zugabe!)

sich haben auswirken lassen, dazu beigetragen haben, daß neue Technologien entwickelt wurden und daß Öl sparsamer verwendet wurde. Was war denn damals Ihre Position, als die Ölpreise stiegen? Da wollten Sie die gestiegenen Ölpreise für die Verbraucher und Industrie durch Subventionen ausgleichen und niedriger machen. Damit hätten Sie den Effekt der Öleinsparung und der Entwicklung von modernen Technologien zunichte gemacht.

(Roth [SPD]: Sie haben geschlafen oder schlecht geträumt!)

Sie haben eben mit dem Markt überhaupt nichts im Sinn. Das ist Ihr Problem.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Hauff [SPD]: Zugabe!)

Die gegenwärtige Lage auf dem Ölmarkt ist zunächst einmal Ausdruck des Kampfes der OPEC- Mitglieder. Aber ihre wirtschaftliche Ursache liegt



Bundesminister Dr. Bangemann
auch in einer Überkapazität auf dem Ölmarkt, die übrigens nicht allein dadurch entstanden ist, daß neue Ölfelder erschlossen worden sind oder Produktionsreserven heute stärker ausgeschöpft werden, sondern auch deswegen, weil die Nachfrage gesunken ist. Das heißt, der heutige Preisverfall beweist erneut, daß ein Preiskartell, wenn es überhöhte Preise durchsetzen will, letztendlich am Markt scheitert. Denn die Nachfrage sinkt bei solchen Preisen. Die Verbraucher weichen entweder, soweit sie es können, auf Ersatzprodukte aus oder sparen eben.
Diese konsequente Energiepolitik, die auf Marktkräfte setzt, hatte diesen Preisverfall zur Folge. Deswegen kann man sehr wohl sagen, daß wir diese Politik, wenn wir sie fortsetzen, zum Vorteil des Verbrauchers und unserer Wirtschaft gestalten können. Die Bundesregierung wird sich jedenfalls nicht an der Lotterie über kurzfristige Ölpreisprognosen und kurzatmige Steuerpläne beteiligen. Wir halten nichts davon, daß kurzatmige Politik betrieben wird. Denn das würde auch ein schlechtes Klima in der internationalen Debatte über Zölle und andere Handelshemmnisse schaffen. Wie würden wir bei unserem Bemühen, in den anstehenden GATT-Verhandlungen zu mehr Freihandel zu kommen, denn dastehen, wenn wir selber Zölle einführen würden — für die wir übrigens nach den GATT-Regeln Ausgleich schaffen müßten —, und wie will man denn den Ausgleich gegenüber erdölexportierenden Ländern schaffen? Also auch außenwirtschaftlich wäre die Erhebung derartiger Zölle oder Steuern ein Rückschritt gegenüber dem, was wir anstreben.
Die langfristigen Preis- und Versorgungsentwicklungen kann wohl niemand heute verläßlich vorhersagen. Aber es wäre völlig falsch, von der Politik der Energieeinsparung jetzt Abschied zu nehmen oder nicht mehr alle Anstrengungen zu unternehmen, um Ersatztechnologien zu schaffen.

(Auhagen [GRÜNE]: Das machen Sie doch!)

Wenn wir diese Ölpreisentwicklungen verfolgen, müssen wir feststellen, daß das jetzige Preisniveau nicht auf lange Sicht beibehalten wird.
Natürlich hat diese Ölpreisentwicklung nicht nur positive Folgen. Diese Frage stellt sich besonders für die Kohlepolitik. Deswegen mache ich dazu einige Ausführungen. Wie Sie wissen, sind die beiden wichtigsten Absatzbereiche der deutschen Kohle, nämlich die Stahlindustrie und die Verstromung, durch den Jahrhundertvertrag und durch den erst vor kurzem erfolgreich neu verhandelten Hüttenvertrag wirksam abgesichert. An diesen beiden Sicherungen ändert sich durch die Entwicklung des Ölpreises grundsätzlich nichts. Allerdings steigen die volkswirtschaftlichen Kosten, weil die Differenz, die wir im Hüttenvertrag ausgleichen müssen, bei den insgesamt gesunkenen Energiepreisen auf dem Weltmarkt natürlich ausgeglichen werden muß. Das wird den Haushalt stärker belasten. Aber diese beiden Sicherungen bleiben bestehen. Die Bundesregierung wird ihre Kontinuität auch in der Kohlepolitik beibehalten. Niemand kann davon sprechen, daß diese kurzfristigen Ölpreisschwankungen die Position der Kohle langfristig gefährden. Wir werden das, was wir mit der Kohle vereinbart haben, durchhalten und weiter durchführen.
Man darf natürlich auch nicht übersehen, daß diese Entwicklung der Ölpreise für ölexportierende Entwicklungsländer eine Belastung ist, andererseits für die ölimportierenden Entwicklungsländer eine erhebliche Entlastung. Auch diesem Problem kann man nicht mit Ölsteuern beikommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Vielmehr müssen wir dafür sorgen, daß die ölexportierenden Entwicklungsländer wie beispielsweise Mexiko nicht in eine Situation geraten, die sie aus eigener Kraft nicht mehr bestehen können. Das ist eine Frage an unsere Kooperationsbereitschaft.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Fakten zeigen: Optimismus und Zuversicht haben ein solides Fundament, weil sich die wirtschaftlichen Daten deutlich verbessert haben. Was haben wir erreicht, was erwarten wir für dieses Jahr? Vor wenigen Tagen hat das Statistische Bundesamt gemeldet, daß die Preise im Januar nur noch um 1,3 % gestiegen sind. Eine so niedrige Zahl hat es seit 18 Jahren nicht mehr gegeben. Das ganze Gerede über den sogenannten Sozialabbau fällt in sich zusammen, wenn man weiß, daß diese Preissteigerungsrate ein erheblicher Beitrag zu einer menschlichen Sozialpolitik ist; denn sie hilft denen, die weniger Einkommen haben als andere oder der Durchschnitt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Einkommenszuwächse sind heute wieder Einkommenszuwächse.

(Zurufe von der SPD)

— Daß Ihnen das nicht gefällt, wirft doch ein Licht auf Ihre eigenen Ziele.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019800700
Herr Bundesminister, der Abgeordnete Ehrenberg möchte gerne eine Zwischenfrage stellen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019800800
Bitte sehr.

Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID1019800900
Herr Bundesminister, können Sie dem Plenum bestätigen, daß die Statistik ausweist, daß seit 1982 in jedem Jahr der Anstieg der Nettolöhne unterhalb der Preissteigerungsrate geblieben ist, und können Sie erklären, wie die Arbeitnehmer von dieser Preissteigerungsrate Vorteile haben, wenn der Anstieg der Nettolöhne unterhalb der Preissteigerungsrate bleibt?

(Beifall bei der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019801000
Nein, das kann ich nicht bestätigen, Herr Ehrenberg.

(Dr. Ehrenberg [SPD]: Es ist aber so!)




Bundesminister Dr. Bangemann
Wenn Sie nachsehen, werden Sie feststellen, daß wir im vergangenen Jahr zum erstenmal wieder reale Einkommenszuwächse hatten

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: Nein!)

und daß wir in diesem Jahr erneut solche realen Nettozuwächse haben werden; denn die Preissteigerungsrate liegt sicher — wie wir sagen — zwischen 1,5 und 2 %, wahrscheinlich sogar erheblich darunter,

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! — Widerspruch bei der SPD)

und das bei den bereits bekannten Tarifabschlüssen und auch angesichts der Verbesserungen für die Rentner, über die wir noch diskutieren können. Das führt in diesem Jahr mit Sicherheit zu einem realen Zuwachs bei den Einkommen. Das kann man überhaupt nicht wegdiskutieren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Steuerreform!)

Herr Ehrenberg, Sie wissen ganz genau, daß z. B.
— um eine andere Zahl zu nennen — von 1980 bis 1982 das Sozialprodukt um 21/2% zurückgegangen ist und daß es, seitdem diese Regierung Politik macht, um 10 % gestiegen ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Lachen und Zurufe bei der SPD)

Wir haben eine Zunahme der wirtschaftlichen Leistungen, seitdem diese Regierung die Wirtschaftspolitik bestimmt, um 150 Milliarden DM.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das haben wir nicht durch Wachstums- oder Beschäftigungsprogramme erreicht.

(Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Ihr Vorgänger muß miserabel gewesen sein!)

— Mein Vorgänger war sehr gut, nur konnte er seine Qualität leider nicht unter Beweis stellen, weil er einen schlechteren Koalitionspartner hatte.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich habe schon von unserem Bilanzüberschuß gesprochen. Dieser Überschuß sowohl in der Handelsbilanz wie auch in der Zahlungsbilanz ist inzwischen so groß, daß die Regierung anfängt, sich darüber Gedanken zu machen, was wir tun müssen, damit diese Situation für unsere Handelspartner nicht unzumutbar wird. Aber ich sage Ihnen: Wir werden Exporte nicht künstlich beschneiden — dafür gibt es auch gar keine Instrumente —, sondern wir werden unsere Märkte für unsere Handelspartner weiter öffnen, um dadurch zu einem besseren Ausgleich zu kommen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Nun gibt es ein Datum, bei dem diese sehr optimistische Schilderung sicherlich nachdenklicher und kritischer werden muß. Das sieht die Regierung auch. Natürlich kann niemand leugnen, daß die mehr als 2 Millionen Arbeitslosen ein Schatten auf dem sonst günstigen Konjunkturbild sind.

(Dr. Vogel [SPD]: Schatten? Das ist der richtige Ausdruck!)

— Wenn Sie sich schon über diesen Ausdruck aufregen,

(Dr. Vogel [SPD]: 2 Millionen Schatten!)

wenn Sie sich darüber aufregen, daß diese Zahl das Konjunkturbild nicht in denselben guten Farben und demselben hellen Licht erscheinen läßt, wenn Sie sich darüber aufregen, daß ich das als einen Schatten, als eine ungünstige Zahl bezeichne, dann weiß ich überhaupt nicht mehr, worüber man sich mit Ihnen unterhalten soll.
Aber auch auf dem Arbeitsmarkt, meine Damen und Herren, gibt es eine spürbare Verbesserung. Seit dem Tiefpunkt der Beschäftigung 1983/84 ist die Zahl der Beschäftigten bis Ende 1985 um 350 000 gestiegen. Die günstigen Wachstumsperspektiven lassen erwarten, daß sich der Anstieg der Beschäftigung 1986 verstärkt fortsetzen wird. Im Jahreswirtschaftsbericht rechnen wir mit einer Zunahme von rund 300 000 Erwerbspersonen im Jahresdurchschnitt. Das heißt, Ende 1986 wird wahrscheinlich die Erwerbstätigenzahl gegenüber dem letzten Tiefpunkt um mindestens 600 000 zugenommen haben. Wir hätten dann zwei Drittel der Arbeitsplätze, die früher verlorengegangen sind, neu geschaffen.

(Dr. Vogel [SPD]: Sie haben heute noch nicht den Stand von 1982!)

Meine Damen und Herren, wie sorgfältig die Opposition auch hier mit Zahlen umgeht, hat j a Herr Roth vor kurzem bewiesen. Ich unterstelle einmal, daß die Agenturmeldung richtig ist, nach der er sagt, wir hätten 100 000 Arbeitsplätze hinzufabuliert. Diese Auseinandersetzung des Herrn Roth mit den Zahlen des Jahreswirtschaftsberichts zeigt, daß Sie nicht nur in den Prognosen sehr fehlerhaft sind, sondern daß Sie nicht einmal mit empirischen Daten ordentlich umgehen.

(Dr. Ehrenberg [SPD]: Besser als Sie!)

— Das will ich Ihnen jetzt einmal zeigen, Herr Ehrenberg. Sagen Sie dem Kollegen Roth, daß er sich ein bißchen besser informieren soll. Zunächst einmal folgendes. Er macht zwei Fehler. Erstens nimmt er Zahlen, die in den anfänglichen Entwürfen des Jahreswirtschaftsberichts standen, die nicht in die endgültige Fassung übernommen worden sind, weil für die ersten Entwürfe natürlich die statistischen Daten noch gar nicht vorliegen, die wir am Ende unserer Arbeiten vorliegen haben, so daß Zahlen, die aus den ersten Entwürfen stammen, anständigerweise — und da kann man auch einmal ein bißchen Anstand mit Zahlen praktizieren — nicht übernommen werden sollten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Zweitens macht Herr Roth einen ganz einfachen Trick. Er vergleicht Jahresdurchschnittszahlen. Da muß er natürlich zu einem niedrigeren Ergebnis kommen. Im Jahreswirtschaftsbericht ist der Anstieg der Zahl der Beschäftigten aber seit dem Tief-



Bundesminister Dr. Bangemann
punkt, also von Ende 1983/Anfang 1984 bis Ende 1985, im Jahresverlauf ausgewiesen. Das heißt, wir hatten im Jahre 1983 eine Entwicklung, die noch abwärts gerichtet war. Deswegen muß der Jahresdurchschnitt in diesem Jahr über dem Niveau am Jahresende liegen. 1985 hatten wir einen Jahresdurchschnitt unter dem Jahresendstand, weil es das ganze Jahr mit der Beschäftigung aufwärts ging. Es ist j a nun wirklich nicht so, daß die Zeitpunkte, auf die die Zahlen bezogen sind, und auch die Methode, mit der sie ermittelt worden sind, im Jahreswirtschaftsbericht nicht ausgewiesen sind. Das steht im Jahreswirtschaftsbericht drin. Wenn der wirtschaftspolitische Sprecher der Opposition falsche Zahlen erfindet, obwohl er den Jahreswirtschaftsbericht ja lesen kann, dann sind nur zwei Schlußfolgerungen möglich. Entweder er hat ihn nicht gelesen oder er macht bewußt und absichtlich falsche Zahlenangaben. Und das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir haben immerhin erreicht, meine Damen und Herren, daß in den letzten drei Jahren das Ausbildungsplatzangebot auf eine Rekordhöhe von rund 700 000 gebracht werden konnte und daß die Jugendarbeitslosigkeit — anders als in allen anderen europäischen Nachbarländer — nicht gestiegen ist, sonder zurückgegangen ist. Es ist durchaus positiv zu werten, daß neue Arbeitsmöglichkeiten zunehmend auch von Frauen und Männern aus der sogenannten stillen Reserve wahrgenommen werden. Das beweist übrigens, wie wichtig es ist, daß wir die Qualifikation der registrierten Arbeitslosen anheben. Denn wenn heute schon von jedem neugeschaffenen Arbeitsplatz angenommen werden kann, daß die Chance, daß ein Arbeitsloser ihn besetzt, mindestens gleichwertig ist mit der Chance, daß ein Berufsanfänger oder jemand aus der vorhandenen Reserve diesen Platz besetzt, dann bedeutet das, daß die Chancen der Arbeitslosen besser werden müssen und wir sie besser qualifizieren müssen, damit sie diese Chancen wahrnehmen können.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Deswegen kann man hier nicht durch Umverteilungspolitik, sondern nur durch mehr Flexibilität und Dynamik auch auf dem Arbeitsmarkt Verbesserungen schaffen. Die flankierenden Maßnahmen, die wir im Bereich des Arbeitsrechts und des Arbeitsschutzes ergriffen haben, haben ja die Anpassungsfähigkeit und Bereitschaft der Arbeitnehmer verbessert. Diese Qualifizierungsanstrengungen müssen wir fortsetzen, denn natürlich wird die technische Entwicklung dazu führen, daß die Gefahr, durch Technologie arbeitslos zu werden, um so größer ist, je weniger qualifiziert ein Arbeitnehmer ist.
Das sind nun einmal Tatsachen, an denen niemand vorbeigehen sollte, übrigens auch die Tarifpartner nicht. Natürlich tragen wir, die Bundesregierung, auch Verantwortung für die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, aber auch die Tarifpartner tragen diese Verantwortung. Wenn ich mir ansehe, welche kümmerlichen Ergebnisse in bezug auf eine stärkere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes herausgekommen sind, ist die Frage erlaubt, ob die Tarifpolitik jedenfalls von einigen derjenigen, die die Verantwortung dafür tragen, auch wirklich berücksichtigt, daß das Schicksal der Arbeitslosen auch die Tarifpolitik beschäftigen muß. Wir dürfen nicht Tarifpolitik nur für diejenigen machen, die einen Arbeitsplatz haben, sondern die Tarifpolitik muß so ausgestaltet werden, daß Arbeitslose eine neue Chance bekommen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, Lohndifferenzierung ist nicht ein sozialer Abbau, sondern ein Beitrag zu mehr Chancen für Arbeitslose. Das wollen Sie nicht einsehen, aber ich meine, daß jemand, der eine solche offensive Tarifpolitik ablehnt, nicht im gleichen Atemzug von sich behaupten kann, daß er wirkungsvoll die Arbeitslosigkeit bekämpft. Es ist nämlich die eigentliche Heuchelei unserer Tage, daß diejenigen, die eine Politik für die glücklichen Arbeitsplatzbesitzer betreiben, das auch noch als einen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verkaufen. Das ist Heuchelei.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

Meine Damen und Herren, 1986 planen die Unternehmen eine Ausdehnung ihrer Investitionen, und Investitionen sind immer noch der beste Weg zu mehr Arbeitsplätzen. Wir müssen das unterstützen. Das Steuerentlastungsgesetz, das zu einem Teil in Kraft ist und das in der zweiten Stufe in Kraft treten wird, ist ein Beitrag dazu. Aber wir brauchen eine große Steuerstrukturreform. Die Koalitionsparteien und -fraktionen sind sich in diesem Ziel auch einig. Es gibt nur noch ganz geringe Unterschiede in den Nuancen, die uns nicht daran hindern werden, in der nächsten Legislaturperiode dafür zu sorgen, daß die durchschnittliche Steuerbelastung der Unternehmen nicht mehr — wie es heute der Fall ist — bei 70 % liegt.
Meine Damen und Herren von der Opposition, die Anlage in Geldkapital war zur Zeit Ihrer Regierung lohnender geworden als die Anlage von Geld in Sachkapital.

(Zurufe von der SPD)

— Herr Jens, das hat sich heute geändert! Zum erstenmal ist die Anlage von Geld in Sachkapital, also die Investition, die Arbeitsplätze schafft, lohnender geworden als die Anlage in Geldkapital, und das ist eine vernünftige Politik.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Weitere Zurufe von der SPD)

Wir brauchen einen linear ansteigenden Progressionstarif für die Einkommen- und Lohnsteuer. Wir dürfen das Existenzminimum nicht mehr besteuern. Es macht keinen Sinn, daß jemand, der nur das Existenzminimum verdient, dafür auch noch Steuern zahlen muß. Aber ich sage ebenso: Auch die übergroße Belastung in den Spitzensteuersätzen ist eine Belastung derjenigen, die Arbeitsplätze schaffen sollen. Wenn um uns herum andere europäische Länder diese Belastung ihrer Wirtschaft abbauen,



Bundesminister Dr. Bangemann
müssen wir für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und dafür sorgen, daß diese unsinnige Steuerpolitik aufhört, daß die Steuerpolitik vernünftiger gemacht wird, was übrigens auch gerechter ist; denn ein allgemein niedriger Einkommensteuertarif ohne große Ausnahmen ist allemal auch sozial gerechter als hohe Einkommensteuertarife mit vielen Ausnahmen, die nur einige wenige nutzen können.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Der Abbau der Subventionen gehört in diesen Kontext, und weil das alles so ist, Herr Präsident, meine Damen und Herren, kann sich die Regierung für die Vorschläge, die die Opposition hier vorlegt, nicht erwärmen. Wir halten diese Vorschläge in der Tat für das Gegenteil unserer Politik, und es ist gut, daß das so ist, denn es wird ja immer behauptet, der Wähler könne zwischen den einzelnen Alternativen gar nicht mehr unterscheiden, weil mindestens in der Wirtschaftspolitik der Sachverstand ja bei allen so vertreten sei, daß man gar nicht mehr wisse, wo man nun eigentlich sein Kreuz machen solle. Dann aber, wenn der Wähler in der Wirtschaftspolitik das, was die Opposition vorschlägt, mit dem vergleicht, was die Regierung gemacht hat, erkennt er zweierlei: Erstens. Was wir gemacht haben, hat seine guten Ergebnisse gehabt. Zweitens. Wenn wir das fortsetzen wollen, hat es keinen Sinn, die Vorschläge der Opposition zu unterstützen, sondern dann muß man dafür sorgen, daß auch in der nächsten Legislaturperiode diese Regierung vernünftige Politik machen kann.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019801100
Das Wort hat der Abgeordnete Roth.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1019801200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die „Welt" schrieb am 14. Februar 1986:
Er fühlt sich oft mißverstanden, vor allem von Journalisten, doch selbst und besonders in seinem Wirtschaftsministerium sähe man es gern, wenn Martin Bangemann sich besser informierte, bevor er plauderte.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Ich stimme der „Welt" selten zu; aber dies ist wirklich ein treffsicheres Urteil über die Person.
Beispiel: er setzt sich wortreich mit mir auseinander, weil ich gesagt habe, es sei vernünftiger, Jahresdurchschnittszahlen in der Entwicklung am Arbeitsmarkt zu vergleichen als eine Quartalszahl, wo wir immer wieder Ausreißer haben.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wenn ich diese Jahresdurchschnittszahlen nehme, dann ist in der Tat eine Mehrbeschäftigung von nur 190 000 statt 350 000 im Jahre 1985 herausgekommen, und dies im vierten Jahr des konjunkturellen Aufschwungs; wahrhaft eine bedauerliche Entwicklung am Arbeitsmarkt, über die wir ernsthaft reden sollten.

(Beifall bei der SPD)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019801300
Geben Sie dem Abgeordneten Wissmann die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen?

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1019801400
Lassen Sie mich doch jetzt erst noch ein paar Minuten reden; aber später — —

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019801500
Es ist Ihre Entscheidung.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1019801600
Ich bin jetzt beim „Plauderer", und da glaube ich nicht, daß er Ihre Verteidigung notwendig hat — ach doch, er hat sie notwendig. Bitte schön.

(Heiterkeit)


Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1019801700
Herr Kollege Roth, ich hätte Sie gerne gefragt, ob Sie mit dieser Bemerkung hier, die natürlich anders klingt als in Ihrer Presseerklärung, den Vorwurf zurücknehmen, wir hätten Zahlen über die Beschäftigungsentwicklung falsch dargestellt?

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1019801800
Na, ich glaube, das ist falsch dargestellt, wenn man statt Jahresdurchschnittszahlen mal eine Quartalszahl heraussucht. Ich sehe doch dieses Spiel im Wirtschaftsministerium immer. Wenn die Zahl mal gut ist, nimmt man eine Monatszahl; wenn die Zahl schlecht ist, nimmt man einen Zweimonatsdurchschnitt, damit es wieder besser aussieht. Es wird permanent so gemacht. Zu früheren Zeiten war das übrigens seriöser;

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

also, da muß ich Graf Lambsdorff gegen seinen Nachfolger in Schutz nehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Aber lassen Sie mich das Plaudern ein bißchen darstellen. Was haben wir in den letzten Jahren erlebt? Schuldzinsabzug: die Verkündigung, jetzt würde der deutsche Bürger, der sich hat verschulden müssen, einen Schuldzinsabzug bekommen. Wo ist er geblieben? Oder ein anderes Thema: wir würden jetzt von der FDP bzw. vielleicht von der ganzen Koalition eine staatliche Grundrente bekommen, staatliche Grundrente für alle, vom Bundeswirtschaftsminister vorgeschlagen. Wo ist es geblieben?
Oder ein anderer Fall. Wenige Tage vor der komplizierten Londoner Konferenz über Zinspolitik im Westen verkündigt der Bundeswirtschaftsminister, man werde jetzt Zinssenkungen vornehmen. Allein durch seine Aktion hat er eine sinnvolle Zinsrunde verhindert.

(Dr. Vogel [SPD]: „Plauderer"! — Weitere Zurufe von der SPD)

Das sind nun wahrhaft Plauderleistungen, die einem Wirtschaftsminister wirklich nicht angemessen sind.

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, er plaudert dann frech über Zahlen, bzw. über anderer Leute Zahlen, und



Roth
sagt z. B., im letzten Jahr hätten wir Realeinkommenssteigerungen bei Arbeitnehmern gehabt. Ausweislich des DIW — ich habe es hier mit, ich kann es Ihnen auch herüberreichen, und Sie können das studieren — hatten wir im Jahre 1985 beim privaten Verbrauch eine Preissteigerungsrate von 2,0 % und bei den Nettolöhnen eine Steigerungsrate von 1,5 %, sprich 0,5 % weniger in den Taschen der Arbeitnehmer. So ist es ausweislich dieser Statistik, die jeder nachlesen kann. Im übrigen, ich kenne das Wirtschaftsministerium und seine Beamten ganz gut. Er hat qualifizierte, fähige Berater, aber er plaudert in der Tat, statt daß er sich auf seriöse Beratung verläßt.

(Beifall bei der SPD)

Mich hat heute früh — neben vielem anderen — noch etwas erstaunt: daß eines der schwierigsten strukturpolitischen Probleme in diesen Tagen in der Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers nicht vorkommt, daß darauf keine Antwort gegeben wird. Ich meine die Lage bei Arbed Saarstahl. Wir hatten in mehreren Legislaturperioden FDP-Wirtschaftsminister im Saarland. In diesen Jahren ist die Entscheidung über Arbed Saarstahl ständig verschleppt worden. Man hat immer gesagt, wir haben kein Konzept. Seit mehreren Monaten liegt jetzt ein Konzept vor. Es liegt die Tatsache vor, daß die IG Metall einem veränderten Sozialplan zugestimmt hat. Es liegt die Tatsache vor, daß die Banken auf Forderungen in Höhe von 250 Millionen DM verzichten wollen. Es liegt die Tatsache vor, daß eine saarländische Stahlgesellschaft bereit wäre, treuhänderisch das Management dieser Arbed Saarstahl zu übernehmen. — Das Konzept liegt auf dem Tisch. Und seit Monaten taktiert die Bundesregierung und gefährdet Arbed Saarstahl, so daß die Gefahr besteht, daß Ende des Monats das Licht ausgeht. Ich halte es für skandalös, daß dazu beim Jahreswirtschaftsbericht nicht einmal ein Wort gesagt wird.

(Beifall bei der SPD)

Wir erwarten, daß Sie in einer zweiten Stellungnahme hier klar sagen, ob Sie das Konzept der Landesregierung Lafontaine, das von dem früheren CDU-Wirtschaftsminister im Saarland, Schäfer, unterstützt wird, das von der öffentlichen Meinung, soweit sie sich informiert hat,

(Lachen des Abg. Kittelmann [CDU/CSU])

unterstützt wird, akzeptieren oder ob Sie weiter taktieren und einen Konkurs dieses Unternehmens riskieren. Das erwarten wir heute noch von Ihnen.

(Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Keinen Druck, bitte!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zur konjunkturellen und strukturellen Lage unserer Wirtschaft kommen. Man könnte sagen: Kohl im Glück, wenn man die außenwirtschaftlichen Bedingungen betrachtet. Die internationale wirtschaftliche Lage war seit mindestens einem Jahrzehnt nicht mehr so gut wie im Augenblick.

(Zuruf von der CDU/CSU: Vielen Dank!)

In allen Industrieländern gehen die Inflationsraten zurück. Preisstabilität ist in Europa nun typisch geworden.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Na! Na!)

Man bedenke, daß in Frankreich die Preissteigerungsrate, als die sozialistische Regierung ans Ruder kam, 13,4 % betrug, daß sie zum jetzigen Zeitpunkt 4 % beträgt und daß sie nach der Prognose 1986 auf 2 % zurückgehen wird — wahrhaft eine gute Entwicklung, eine gute Entwicklung auch bei uns, die wir begrüßen.

(Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)

Die deutsche Wirtschaft erzielt Exportüberschüsse wie seit langem nicht mehr. Der günstigste Wechselkurs gegenüber dem Dollar seit 1974 hat sich im Jahre 1985 geradezu wie eine Exportdroge ausgewirkt. Die wenigen Arbeitsplätze, die mehr entstanden sind, sind praktisch auf den gewaltigen Außenhandelsüberschuß von 73 Milliarden DM zurückzuführen.
Was die Mineralölpreisentwicklung angeht, die uns in den 70er Jahren so außerordentlich zu schaffen machte, muß man geradezu von einer Traumkonstellation sprechen. Der Mineralölpreis hat sich innerhalb von wenigen Wochen von 620 DM pro Tonne an der Grenze auf 300 DM reduziert. Mußten wir beispielsweise noch im Vorjahr 70 Milliarden DM für Rohölprodukte ausgeben — ich spreche jetzt nicht von den Krisenjahren, sondern von den Verhältnissen noch im letzten Jahr —, so werden wir dieses Jahr, wenn es sich hält, nur 35 Milliarden DM auszugeben brauchen. Das ist auf der Seite eine außerordentlich positive Bedingung.
Das waren also Chancen. Wir sprechen heute über die Lage am Arbeitsmarkt, in der Finanzpolitik und in der Wirtschaftspolitik. Hat diese Bundesregierung diese außerordentlich positive außenwirtschaftliche Konstellation genutzt?

(Kittelmann [CDU/CSU]: Natürlich!)

Der Bundeskanzler hatte bei seiner Regierungserklärung 1983 folgendes ausgeführt:
Aufgabe Nummer eins ist die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit.

(Dr. Vogel [SPD]: Sehr gut!)

Und mit welchem Optimismus sind Sie damals ans Werk gegangen. Lassen Sie mich noch etwas anderes zitieren, nur um auf Prognosen zurückzukommen:
Wir brauchen mindestens zwei Jahre — 1983 auf 1985 —
harter Arbeit, um die Arbeitslosigkeit auf 1 Million herunterzudrücken.

(Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

Wenn wir das bis 1985 schaffen, ist das ein großer Erfolg.
Das sagte der Generalsekretär der CDU, Heiner Geißler, am 3. Mai 1983, einen Tag vor der genannten Regierungserklärung.

(Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)




Roth
Daß dies nun kein propagandistischer Ausrutscher des Herrn Chefdemagogen war, sondern das Ziel Ihrer Regierung, wird deutlich, wenn am 5. Juli 1983 der Kölner „Express" aufmacht:
Blüm optimistisch: '85 eine Million Arbeitslose.
Der „Express" zitiert Blüm in diesem Artikel:
„Ein solcher Abbau" — auf eine Million — „sei ,ganz sicher' möglich ..."
Das waren die großen Hoffnungen, die diese Bundesregierung erweckt hat, als sie das Amt übernahm. Das waren aber nicht nur die Hoffnungen der Bundesregierung, das waren die Erwartungen von Millionen von Arbeitslosen an diese Regierung.
Lassen Sie mich an dieser Stelle aus einem gemeinsamen Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur Arbeitslosigkeit zitieren:
Arbeit gehört zum menschlichen Leben. Insbesondere durch Arbeit kann der Mensch seine Fähigkeiten und Kräfte entfalten und am Leben der Gesellschaft teilhaben. Der Erwerbsarbeit kommt dabei besondere Bedeutung zu. Arbeitslosigkeit, insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit, bedeutet für die Betroffenen erhebliche materielle Einbußen. Sie unterhöhlt den Leistungswillen und das Selbstbewußtsein. Sie greift die sozialen Bindungen in Ehe und Familie, im nachbarschaftlichen Leben an und zerstört die Solidarität. Arbeitslosigkeit trifft Jugendliche besonders schwer.
Ich kann mich diesem Wort nur anschließen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Gemessen an der Tatsache einer unverändert hohen Arbeitslosigkeit seit der Wahl vor drei Jahren erscheint mir Ihr Hurra-Optimismus hemmungslos und unmenschlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich Tag für Tag lese: Die Wirtschaft läuft!, dann frage ich mich: Reden Sie niemals mit den 2,5 Millionen registrierter Arbeitsloser und der weiteren Million nicht registrierter Arbeitsloser in der Bundesrepublik Deutschland? Gemessen an der fabelhaften internationalen Ausgangslage muß man Ihrer Regierung vorwerfen, daß sie Chancen und Bedingungen zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit verspielt und vertan hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Die Massenarbeitslosigkeit stieg, während die Gewinne geradezu explodierten. Das ist die Realität in diesem Land. Es ist ein niederschmetterndes Ergebnis, ein besonders niederschmetterndes Ergebnis auch deshalb, weil es Alternativen zu dieser Politik gibt. Jeder, der über die Grenzen schaut, jeder, der beispielsweise nach Schweden schaut

(Zurufe von der CDU/CSU: Oje!)

oder nach Österreich, der weiß, daß Vollbeschäftigung unter heutigen internationalen Bedingungen möglich ist.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt keine Jugendarbeitslosigkeit in Österreich und Schweden. Das ist Tatsache. In keinem anderen Land ist die Arbeitslosigkeit von 1980 bis 1985 so stark gestiegen wie in der Bundesrepublik Deutschland. Waren wir noch 1980 in der Gruppe der Länder mit der niedrigsten Arbeitslosenquote — wie die Schweiz, wie Österreich, wie Japan, wie Schweden —, so sind wir heute in der Gruppe mit der höchsten Arbeitslosigkeit in der Welt.

(Dr. Ehrenberg [SPD]: Und mit dem allerhöchsten Anstieg!)

Ich frage Sie — legen Sie sich diese Frage doch selbst vor —: Wann denn sonst als bei derart positiven außenwirtschaftlichen Bedingungen, wann denn sonst als in der Hochkonjunktur soll die Massenarbeitslosigkeit abgebaut werden? Wann denn sonst?

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wenn Sie in den vergangenen Jahren auf Ihre überzogene Konsolidierungspolitik verzichtet hätten, dann hätten wir vielleicht eine Million Arbeitslose weniger bekommen, wenn man das noch mit Arbeitszeitverkürzung gekoppelt hätte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber exakt das haben Sie abgelehnt. Meine Damen und Herren, Sie haben einen Aufschwung regelrecht verspielt. Wenn Sie, anstatt sich sich auf die Seite der Arbeitgeber zu schlagen und jede Arbeitszeitverkürzung stur abzulehnen, zwischen den Tarifparteien vermittelt hätten und einen konstruktiven Weg zur Arbeitszeitverkürzung mitentwickelt hätten, dann läge die Arbeitslosenzahl heute sicher weit niedriger. Sie hätten damit auch einen Beitrag zum sozialen Frieden geleistet.
Statt dessen haben Sie das soziale Feuer angefacht. Meinen Damen und Herren, das zentrale Mißverständnis der Wirtschaftspolitik dieser Regierung ist, daß sie bedingungslos an eine Gleichung glaubt: Höhere Gewinne bedeuten mehr Investitionen; mehr Investitionen bedeuten automatisch mehr Arbeitsplätze. Aber, meine Damen und Herren, diese simple Gleichung stimmt heute nicht mehr. Sie haben mehr als jede Regierung, übrigens auch mehr als jede CDU-Regierung vorher, Einkommen zugunsten der Unternehmen und zu Lasten der Arbeitnehmer, der Rentner und der Sozialleistungsempfänger umverteilt. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland verdiente im Jahre 1985 real so viel wie im Jahre 1977. Man hat also acht Jahre früher genausoviel wie heute verdient.

(Wissmann [CDU/CSU]: Wer hat die Ursachen dafür gesetzt? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Trotz sinkender Inflationsraten sind die Realeinkommen bis ins letzte Jahr hinein — ich habe das
schon gesagt — gesunken, nicht zuletzt wegen der



Roth
drastisch erhöhten Steuern und Sozialabgaben. Wir haben heute trotz der angeblich größten Steuerreform aller Zeiten eine höhere Steuer- und Abgabenbelastung als jemals zuvor in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der SPD)

Das war realer Einkommensentzug. Allein in den vier Jahren von 1982 bis 1985 sind 145 Milliarden DM an die Unternehmer gegangen und von den Arbeitnehmern abgezogen worden; die Lohnquote ist von 74 % auf 70 % zurückgegangen.

(Zuruf von der FDP: Und deshalb wollen Sie die Steuern erhöhen?)

Was hat diese Umverteilung gebracht? Sie behaupten, das gibt eine Investitionsexplosion, aber auch im letzten Jahr sind die Anlageinvestitionen mit einem Minus von 0,8 % sogar leicht gesunken. Im Vorjahr waren das 1,5 % Minus.
Meine Damen und Herren, Sie setzen sich mit dem Problem, warum die Investitionen nicht in dem Umfang wachsen, wie es die Gewinne an sich erlaubten, überhaupt nicht auseinander. Dabei gibt es Zahlen von der Deutschen Bundesbank, die das Problem verdeutlichen. Der Novemberbericht der Deutschen Bundesbank zeigt Ihnen, warum dieses Patentrezept nicht aufgeht. In dem Bericht der Deutschen Bundesbank heißt es, daß die gesamten Finanzierungsmittel der Unternehmen im Jahre 1984, Eigen- und Fremdmittel, 200 Milliarden DM betragen haben. Von diesen 200 Milliarden DM — das ist eine Globalzahl — wurden nur 107 Milliarden DM in eigene Investitionen gesteckt, in Sachanlagen investiert, und sage und schreibe ein Superrekordbetrag von über 72 Milliarden DM wurde thesauriert, in Geldvermögen gelegt. Dieses Grundproblem unserer heutigen wirtschaftlichen Situation analysieren Sie nicht. Siemens hat eine Kriegskasse von 20,5 Milliarden DM angesammelt, Daimler Benz von 6,5 Milliarden DM, und nun wollen Sie den Spitzensteuersatz senken. Das ist wohl eine ideale Maßnahme, um noch mehr Thesaurierung zu erhalten!

(Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Das ist doch gar nicht das Thema!)

Diese gewaltige Umverteilung haben viele Unternehmen genutzt, um Kapital aus den Unternehmen herauszuziehen. Wir haben noch nie so viel Gewinnentnahmen wie in den letzten Jahren gehabt, und damit sind Geldvermögensbestände außerhalb angehäuft worden. Die tatsächliche Steuerfreiheit vieler Vermögenserträge förderte den Kapitalabzug aus den Unternehmen zusätzlich. Sie wissen das, aber Sie tun überhaupt nichts dagegen. Wir sind konsequent und fordern, daß die großen leistungslosen Geldvermögenserträge steuerlich genauso wie jede vom Arbeitnehmer verdiente Mark erfaßt werden. Wir wollen nicht, daß es beim Arbeitnehmer gläserne Taschen gibt, während die Geldvermögenserträge am Finanzamt vorbeifließen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben auch Vorschläge gemacht, z. B. eine steuerfreie Investitionsrücklage, die dann dem Unternehmer, der tatsächlich etwas unternimmt, der tatsächlich etwas tut, bei seiner unternehmerischen Leistung hilft.
Dazu kommt, meine Damen und Herren, daß der zweite Teil Ihrer Gleichung auch nicht mehr so aufgeht wie früher. Investitionen an sich bedeuten nicht automatisch mehr Arbeitsplätze, wenn Unternehmen mehr rationalisieren als erweitern. Das ist ein Wissen, das inzwischen jeder Arbeitnehmer auf Grund seiner Erfahrungen hat. Die Bundesregierung sollte sich wenigstens mal damit auseinandersetzen. Auch deshalb ist es falsch, daß Sie jede aktive Politik für mehr Arbeit durch die Gemeinschaft ablehnen. Auch deshalb ist es falsch, daß Sie Arbeitszeitverkürzungen ablehnen. Warum gibt es beispielsweise kein Überstundengesetz, das durch den Abbau der 1,7 Milliarden Überstunden im Jahr ein paar hunderttausend Arbeitsplätze mehr schaffen könnte? Das wäre praktische Solidarität aller Arbeitgeber wie Arbeitnehmer mit den jungen Leuten.

(Beifall bei der SPD)

Sie lehnen — und das ist heute schon wieder geschehen — die große Chance ab, durch ein Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" die Umwelt zu verbessern,

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

obgleich damit, wie ein Hearing gezeigt hat, mehrere hunderttausend Arbeitsplätze zu schaffen sind.

(Beifall bei der SPD)

Warum betreiben Sie keine konjunkturgerechte, an den Produktionsmöglichkeiten unserer Wirtschaft ausgerichtete Finanzpolitik? Warum bremsen Sie durch das Runterfahren der öffentlichen Investition den Konjunkturaufschwung?

(Beifall bei der SPD)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019801900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte sehr!

Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1019802000
Herr Abgeordneter Roth, Sie haben jetzt erneut auf das Programm „Arbeit und Umwelt" hingewiesen. Wir sind als CDU-Fraktion sehr stark an diesem Programm interessiert. Nur konnte bedauerlicherweise Ihre Fraktion bislang die Finanzierungsseite dieses Programms im Ausschuß noch nicht vorlegen. Wenn Sie also so weit vorgedacht haben, wann werden wir damit rechnen können, daß das Programm, das Sie seit langer Zeit als Allheilmittel anpreisen, wenigstens eine Finanzierungsseite bekommt?

(Dr. Jens [SPD]: Das haben wir Ihnen gestern gesagt!)


Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1019802100
Wir haben das ja schon für die Ausschußsitzungen in der nächsten Woche angemeldet.

(Lachen bei der CDU/CSU)




Roth
Ich interessiere mich dann für die Auseinandersetzung zu diesem Thema. Führen Sie doch nicht das Scheingefecht!

(Lachen bei der CDU/CSU)

Zentral geht es doch um ein Problem, nämlich ob man ähnlich, wie damals nach dem Zweiten Weltkrieg, als es Massenarbeitslosigkeit gab, durch Wohnungsbau Arbeitsplätze geschafft hat, jetzt durch Umweltinvestitionen Arbeitsplätze schafft,

(Beifall bei der SPD)

oder ob man das aus Sturheit ablehnt. Die Menschen wollen bessere Umwelt, und wir haben die Chance, sie ihnen zu geben.
Sie lehnen eine Beschäftigungsbrücke für die junge Generation ab, obgleich inzwischen — man muß sich das klarmachen — 600 000 junge Leute unter 25 Jahren arbeitslos sind, und zwar registriert, und weitere 300 000 nicht registriert. 900 000, meine Damen und Herren, unter 25 Jahren arbeitslos! Und dann machen Sie so eine aus dem Handgelenk organisierte Optimismuskampagne, ohne sich mit dem Problem auseinanderzusetzen,

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Die Zahl ist falsch!)

und das in einer Gesellschaft, die reich und leistungsfähig ist. Die Massenarbeitslosigkeit bei uns ist nach meiner Überzeugung ein zynischer Luxus.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das hat die SPD angefangen, diesen Luxus!)

Kein Wort verliert der Jahreswirtschaftsbericht im übrigen über die immer bedrohlichere Kluft zwischen wirtschaftsstarken und wirtschaftsschwachen Regionen, kein Wort zu den katastrophalen Arbeitslosenzahlen in benachteiligten Regionen, kein Wort zum sprunghaften Anstieg der Firmenpleiten und Firmenzusammenbrüche gerade in diesen Regionen. Professor Pestel, der ehemalige Wissenschaftsminister im Kabinett von Herrn Albrecht in Niedersachsen, hat gerade in einem Gutachten bestätigt, war zuvor schon Prognos in der Schweiz gesagt hat: „Ohne Korrektur der Wirtschaftspolitik wird die Arbeitslosigkeit in Niedersachsen bis 1990, also in nur fünf Jahren, um weitere 25 % steigen."

(Hört! Hört! bei der SPD)

Wir müssen heute feststellen, die Lebensverhältnisse und Zukunftsaussichten einzelner Regionen in der Bundesrepublik sind deprimierend. Die Bundesregierung schweigt in ihrem Jahreswirtschaftsbericht dazu. Das Gebot der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in den Teilräumen wird in verfassungswidriger Weise allmählich verletzt. Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. Einzelne leistungsstarke Bundesländer veranstalten auf Kosten der Steuerzahler und zum Schaden der strukturschwachen Regionen einen regelrechten Wettbewerb um Großunternehmen. Darauf hat die Bundesregierung keine Antwort. Sie läßt den Grafen Lambsdorff ein bißchen kritisieren, aber der Herr Bundeswirtschaftsminister schweigt sich zu diesem Problem aus.
Eine aktive Politik für alte und neue Problemregionen ist nicht nur ein Verfassungsgebot, sondern auch ein Gebot der ökonomischen Vernunft. Wie vernünftig ist es eigentlich, daß wir jetzt große Zuwanderungen haben in die Region München, in die Region Stuttgart, in die Frankfurter Region und dort weiter die Infrastruktur expandieren, während sich die von der Infrastruktur her guten Räume im Ruhrgebiet, an der Küste und im Saarland entleeren?
Welchen Sinn hat das eigentlich? Ich frage: Ist Mobilität, ist der Verlust der Heimat ein wirtschaftspolitisches Ziel dieser Bundesregierung?

(Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Unerhörte Polemik! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Da geht es nicht um Grundsatzstreitigkeiten, meine Damen und Herren, sondern schlicht um die Frage: Gibt es einen neuen Länderfinanzausgleich, der den benachteiligten Regionen in der Bundesrepublik Deutschland wieder eine Entwicklungschance gibt? Das ist das Thema, das zur Klärung auch beim Bundesverfassungsgericht ansteht.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Menschen in großen Teilen Schleswig-Holsteins, Niedersachsens, in der Eifel, in der Oberpfalz, im Zonenrandgebiet,

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Reden Sie lieber einmal von Hamburg und Bremen statt von Schleswig-Holstein und Niedersachsen!)

in den altindustriell geprägten Regionen an Rhein und Ruhr, an der Saar, an der Küste werden im Jahreswirtschaftsbericht in einem Nebensatz behandelt. Diese Menschen werden gegenüber den Aufschwungparolen der Regierung zunehmend mißtrauischer. Sie stellen fest, daß sich die Probleme in ihren Regionen verschärfen, und zwar gerade in Niedersachsen. Dies sage ich, weil Sie immer von anderen Regionen sprechen. Diese Menschen durchschauen, daß sich diese Bundesregierung ausschließlich an den positiven Räumen orientiert.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Niedersachsen ist ein positiver Raum!)

Meine Damen und Herren, der Kern unserer Auseinandersetzung ist das folgende: Sollen und können wir die Solidarität und Gerechtigkeit aufbringen, um die Massenarbeitslosigkeit auch in regionaler Hinsicht zu bekämpfen? Lassen Sie mich zu diesem Thema den Herrn Bundeskanzler aus einem offiziellen Informationsdienst der CDU zitieren. Helmut Kohl schreibt dort — ich zitiere jetzt wörtlich —:
Liebe Freunde!
Wir müssen darum kämpfen, daß am Wahltag unseren Mitbürgern vor allem eines klar ist:

(Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Nie wieder SPD! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Die Gefahr, arbeitslos zu werden, wird für jene,
die einen Arbeitsplatz besitzen, immer gerin-



Roth
ger. Denn machen wir uns keine Illusionen: Ich glaube nicht an die große Solidarität der Arbeitsbesitzenden mit den Arbeitsplatzsuchenden.

(Dr. Vogel [SPD]: Unglaublich! — Weiterer Zuruf von der SPD: Pfui!)

Herr Bundeskanzler — er ist heute nicht anwesend; sagen Sie es ihm —, ich halte das nicht für einen Beitrag zur geistig-moralischen Erneuerung, sondern für einen Beitrag zum geistig-politischen Niedergang in dieser Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Mit diesem Satz wird ein nackter Egoismus einfach hingenommen, j a, geradezu gepredigt.
Lassen Sie mich dem Bundeskanzler und dem Vorsitzenden der Christlich Demokratischen Union Deutschlands hier mit einem Zitat begegnen:
Wir dürfen es nicht zulassen, daß die von Arbeitslosigkeit Betroffenen von den Arbeitsplatzbesitzern mit ihrem Schicksal alleingelassen werden und ein Abbau der Solidarisierung weiter um sich greift. Wir dürfen es auch nicht zulassen, daß durch leichtfertige Unterstellungen in der öffentlichen Diskussion — z. B.: viele Arbeitslose wollen in Wirklichkeit gar nicht arbeiten — die menschliche Not vergrößert und das gesellschaftliche Ansehen der von Arbeitslosigkeit Betroffenen überschattet wird.
Etwas später heißt es im gleichen Text:
Gefordert ist von uns allen und jedem einzelnen tätige Solidarität. Jeder unbesetzte Arbeitsplatz, jede unnötige Überstunde, jede versäumte Qualifizierung, jedes unnötige Einstellungshemmnis ist ein Verstoß gegen dieses Gebot der Solidarität.
Dies, meine Damen und Herren, waren Worte aus der gemeinsamen Erklärung des Landesbischofs Eduard Lohse, des Vorsitzenden der EKD, der Evangelischen Kirche in Deutschland, und des Kardinals Höffner, des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Ich unterstreiche jedes dieser Worte und möchte mich besonders auch den Schlußfolgerungen der beiden Kirchen anschließen:
Die in Politik und Wirtschaft Verantwortlichen sollten sich jetzt zusammenfinden und schnell handeln. Wir müssen miteinander und füreinander die Arbeitslosigkeit bewältigen helfen. Das gilt auch für das gemeinsame Tragen der finanziellen Lasten. Beim Staat, bei den Arbeitgebern und den Gewerkschaften liegt ein besonders hohes Maß der Verantwortung. Wir müssen im Sinne eines Sozialpaktes gemeinsam handeln.

(Zuruf des Abg. Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU] — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Es genügt nicht, Forderungen jeweils an den anderen zu stellen.

(Dr. Vogel [SPD]: Richtig!) Notwendig ist vielmehr, gemeinsam Kraftanstrengungen zu unternehmen.


(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie es mich in unseren Worten sagen — das ist derselbe Gedanke —: Wir brauchen ein soziales Bündnis

(Zuruf von der CDU/CSU: GRÜNE!)

Arbeit für alle. Genau diese Aufgabe ist nun von der Politik zu lösen. Weil es einen Aufschwung gibt, ist diese Aufgabe jetzt auch zu bewältigen, anders als in einer Ölkrise.

(Beifall bei der SPD)

Wenn der Wirtschaftsminister in seiner Rede zum Thema Massenarbeitslosigkeit hier wörtlich ausführt, da falle „ein kleiner Schatten" auf die Politik,

(Urbaniak [SPD]: Unerhört dieser Bangemann! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

dann ist das der Zynismus, den die beiden Kirchenführer abgelehnt haben. Ich fordere die CDU auf, in dieser Koalition endlich auch für Solidarität mit den Arbeitslosen einzutreten.

(Beifall bei der SPD — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Fangen Sie mal bei der Neuen Heimat an! Das war die versammelte wirtschaftspolitische Potenz der deutschen Opposition! — Kittelmann [CDU/CSU]: Wo bleibt die Alternative?)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019802200
Das Wort hat der Abgeordnete Hauser.

Hansheinz Hauser (CDU):
Rede ID: ID1019802300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da heute morgen offenbar die Stunde der Zitate ist, will auch ich nicht zurückstehen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU) Ich beginne mit einer Frage:

Welches Land ist so stark wie die Schweiz, so arbeitswütig wie Japan und besitzt die Managementfähigkeiten der USA? Ein solches Land gibt es zwar nicht, aber das, das ihm am nächsten kommt, ist die Bundesrepublik Deutschland.
Das schrieb der „Daily Mail" Mitte Januar zur Situation in unserem Land.
Der Jahreswirtschaftsbericht 1986 stellt das Ergebnis eines geschlossenen Konzepts dar, von dem zu Recht festgestellt wird:
Nicht kurzfristiger, an Tagesereignissen orientierter Aktionismus, sondern eine mittelfristige Strategie, die dauerhaft die Ursachen der Probleme behebt, führt zum Ziel.
Meine Damen und Herren, die Aufwärtsentwicklung unserer Wirtschaft vollzieht sich fast wie im Bilderbuch. Der bisher vom Export getragene Aufschwung wird jetzt durch eine immer stärkere binnenwirtschaftliche Nachfrage unterstützt. Herr Kollege Roth, Sie haben sich hier heute morgen einge-



Hauser (Krefeld)

hend mit der Frage befaßt, ob diese Politik auch dem sogenannten kleinen Mann — was immer das heißen mag — zugute komme. Dazu möchte ich zunächst einmal feststellen, daß die durch unsere Politik erreichte Preissteigerungsrate, die ja zu Ihrer Zeit knapp 6% betrug und heute unter 2 % liegt, mit jedem Prozent

(Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

— Herr Kollege Ehrenberg, ich sage das, auch wenn Sie es nicht gerne hören — für die Arbeitnehmerhaushalte 5 Milliarden DM und für die Rentnerhaushalte 2 Milliarden DM Zuwachs an Kaufkraft bringt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das heißt: pro anno 25 Milliarden DM zusätzlicher Kaufkraft für die Arbeitnehmer und für die Rentner —, allein dieser eine Punkt als Ergebnis unserer Politik.
Die deutsche Wirtschaft hat endgültig wieder Tritt gefaßt, und zwar mit Produktionssteigerungen, die selbst Optimisten nicht für möglich gehalten haben. Das entspricht auch dem Stimmungsbild, dem Geschäftsklimaindex, der sich im Laufe der letzten Monate immer weiter nach oben entwikkelt hat. Er war schon seit Jahren nicht mehr so gut wie zur Zeit.
Meine Damen und Herren, natürlich ist es unser gemeinsames Ziel — ich hoffe, das ist unstreitig —, diese Ergebnisse unserer Politik auch verstärkt zum Abbau der Arbeitslosigkeit auszuwerten. Die Zahl der Kurzarbeiter konnte weitgehend abgebaut werden. Damit hat die Regierung Kohl ein weiteres Stück Wirtschaftswunder in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erreicht.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der SPD: Blackout!)

— Meine Damen und Herren, ich verstehe natürlich sehr gut, daß Sie das alles nicht gerne hören und daß das für Sie sehr unangenehm ist.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

Aber ich frage mich natürlich: In welcher Wirklichkeit leben Sie eigentlich, wenn sich Ihre Aussagen darauf reduzieren, all das mieszumachen, was für jeden, der mit einigermaßen offenen Augen durch dieses Land geht, als ein positives Ergebnis unserer Politik erkennbar wird?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019802400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller (Bremen)?

Hansheinz Hauser (CDU):
Rede ID: ID1019802500
Ich tue das gern, wenn ich gleich mit meiner Redezeit zurechtkomme. Ich habe nur zehn Minuten, und das ist ein bißchen knapp.
Der Kollege Roth hat sich heute morgen zunächst zehn Minuten lang darauf beschränkt, den Herrn
Wirtschaftsminister mit dummen Bemerkungen zu glossieren, was ihm aber nicht gelungen ist.

(Dr. Vogel Das war ein Beispiel dafür, daß man sich, wenn man in der Sache nichts beizutragen hat, in solche Nebenkriegsschauplätze verliert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

Trotz mehrfacher Nachfrage ist während der ganzen Rede, die der Kollege Roth hier gehalten hat, nicht mit einem einzigen Satz erkennbar geworden, wo denn die Alternative der Opposition zu dieser Politik liegt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Wie ist es denn mit dem Programm der SPD?)

Dr. Hermann Josef Unland (CDU):
Rede ID: ID1019802600
Sie zeigen ja nicht den leisesten Ansatz, Ihre Fehler aus Ihrer Regierungszeit zu überdenken, also Ihre Oppositionszeit auch für sich selbst als Chance zu begreifen. Vielleicht liegt das daran, daß die Marktwirtschaft für ihre Gegner so schwer zu begreifen ist, weil sie so einfach ist, wie Ludwig Erhard gesagt hat. Genau das scheint mir bei Ihnen der Fall zu sein: Sie begreifen nicht die simplen Gesetzes des Marktes, weil Sie sie nicht begreifen wollen. Das ist der Eindruck, den ich auch aus der heutigen Debatte gewinnen mußte.
Die positive Entwicklung in weiten Bereichen der deutschen Wirtschaft hat mittlerweile auch große Teile des Mittelstands erfaßt, obwohl hier — das will ich gleich hinzufügen — die Dinge etwas differenzierter zu betrachten sind. Ich will gern ein Zitat von einem Mann vortragen, den vor allen Dingen der Kollege Vogel besonders gut kennen muß, weil er zu seiner sogenannten Regierungsmannschaft gehörte. Ich meine Herrn Professor Krupp, der vorige Woche im Wochenbericht seines Instituts festgestellt hat:
Mit Beginn dieses Jahres sind für die privaten Haushalte Steuerentlastungen in Kraft getreten, die zu einer kräftigen Erhöhung der verfügbaren Einkommen geführt haben. Da diese erste Stufe der Steuersenkung vor allem die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen begünstigt,

(Wissmann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

ist damit zu rechnen, daß der größere Teil dieser Gelder auch zu mehr Konsum verwendet wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

Hierzu kommen die stabilen Verbraucherpreise, die die Kaufkraft der privaten Haushalte stärken.
Meine Damen und Herren von der SPD, wenn Ihr eigener wirtschaftspolitischer Berater solche Erklärungen zum derzeitigen Stand unserer Politik abgibt, dann weiß ich nicht, was dieses ganze Geschwafel von der ständigen Benachteiligung der



Hauser (Krefeld)

privaten Haushalte und der weniger Verdienenden hier zu suchen hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wenn die objektiven Forschungsinstitute dies alles feststellen, dann diskutiert die SPD neue Steuerpläne wie beispielsweise die Zurücknahme der bereits beschlossenen zweiten Stufe. Gleichzeitig fordern Sie von der SPD zwar die Einführung einer steuerstundenden Investitionsrücklage für kleine und mittlere Unternehmen, aber diese mittelstandspolitische Hauptmahlzeit haben Sie durch Zutaten garniert wie die Beseitigung der Kinderfreibeträge, die Erhöhung der Einheitswerte, die Revitalisierung der Gewerbesteuer, umweltspezifische Abgaben, Ergänzungsabgabe und anderes mehr, wodurch das ganze Gericht völlig ungenießbar und unappetitlich wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn Sie hierherkommen und meinen: „Weil die Ölpreise gesunken sind, müssen wir uns ganz schnell etwas Neues einfallen lassen; wir wollen jetzt eine Ölsteuer einführen", dann muß ich Ihnen sagen: Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP werden heute hier einen Antrag vorlegen, wonach der Bundestag durch eine Entscheidung ganz klipp und klar sagen soll, daß wir einer solchen Politik unsere Zustimmung nicht geben,

(Kittelmann [CDU/CSU]: Sehr gut!)

damit die Verunsicherung der Verbraucher im Keim erstickt wird. Es handelt sich hier um die Drucksache 10/5065.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019802700
Der Abgeordnete Roth, Herr Abgeordneter Hauser, bittet Sie um eine Zwischenfrage.

Hansheinz Hauser (CDU):
Rede ID: ID1019802800
Der Abgeordnete Roth kann diese Zwischenfrage stellen.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das ist eine Gemeinheit! Das ist richtig gemein!)


Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1019802900
Ich möchte, Herr Präsident, dem Abgeordneten Hauser die folgende Frage stellen.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Das wird interessant!)

Ist Ihnen bekannt, daß der energiepolitische Sprecher der CDU, Herr Gerstein, gestern eine Ölimportsteuer verlangt hat? Ist Ihnen ferner bekannt, daß die SPD-Fraktion eine Ölimportsteuer ablehnt?

Hansheinz Hauser (CDU):
Rede ID: ID1019803000
Erstens hat der energiepolitische Sprecher der Fraktion diese Forderung nicht erhoben.

(Kittelmann [CDU/CSU]: So ist es!)

Zweitens hat der bei Ihnen für Steuerfragen zuständige Kollege Spöri diese Forderung lautstark verkündet. Und damit es überhaupt keinen Zweifel darüber gibt, was wir wollen, werden wir diesen
Antrag einbringen. Dann ist ziemlich gleichgültig, wer was wann gesagt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich sagte schon: Die Alternative der Fraktionen der Opposition ist hier auf der Strecke geblieben. Das Wirtschaftsprogramm aus Ihrer Feder, Herr Kollege Roth, das seit drei Monaten in irgendwelchen Schubladen liegt, ist ja nicht zu verabschieden, weil Sie sich nicht einmal untereinander verständigen können, was aus diesem Programm werden soll. Deswegen ist für uns so schwer, überhaupt mit Ihnen eine politische Auseinandersetzung zu führen, weil wir gar nicht wissen, mit wem wir uns auseinandersetzen. Wir haben das gerade wieder bei dem Kollegen Spöri gehört. Wer sagt denn bei Ihnen eigentlich verbindlich, was Sie wirtschaftspolitisch und finanzpolitisch wollen? Da ist doch niemand auszumachen. Da redet doch jeder etwas anderes. Und dann wollen Sie uns hier als Volksbeglückung ein Programm „Arbeit und Umwelt" andienen, von dem Sie im Grunde nicht einmal wissen, wie Sie das Ganze finanzieren sollen.
Die Probleme in unserer Wirtschaft verdienen auch von der Opposition einen solideren und fundierteren Lösungsbeitrag, nicht aber das Larifari, das wir uns in der letzten Zeit immer anhören mußten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich in dem Zusammenhang ein paar weitere Bemerkungen machen, die mir wichtig erscheinen. Sie betreffen den Abbau der Subventionen. Ich mache es sehr kurz. Ich bin der Meinung, wir sollten durchaus einmal ernsthafter darangehen, den Subventionsabbau zu betreiben. Graf Lambsdorff hat j a vor einigen Wochen unseren alten Vorschlag aufgegriffen, durch die Senkung eines bestimmten Prozentsatzes Abhilfe zu schaffen. Diesen Vorschlag haben wir schon in unserer Oppositionszeit gemacht. Ich kann mir vorstellen, daß in meiner Fraktion für diesen Vorschlag Sympathien vorhanden sind, trotz Bedenken von Interessengruppen und der leisen, aber wirkungsvollen Einwände der Bürokraten.
Auch der Bereich der Privatisierung verdient eine differenzierte Betrachtung. Wir begrüßen die Bemühungen der Bundesregierung, die hier ihr Konzept vorgelegt hat. Ich finde es notwendig, daß wir dabei vorankommen.
In diesem Zusammenhang mache ich ein paar Anmerkungen zum Marktverhalten großer Staatsunternehmen. Der Sachverständigenrat hat sich in den Textziffern 337 ff. mit der Deutschen Bundespost und ihrer Marktstellung befaßt. Das Bundeskabinett hat eine Regierungskommission beauftragt, sich mit der Entwicklung des Fernmeldewesens zu befassen. Ich halte es nicht für hilfreich, wenn vor Abschluß dieser Untersuchungen der Regierungskommission irgendwelche Änderungsvorschläge öffentlich zur Debatte gestellt werden. Das gilt sowohl für die Netzträgerschaft als auch für den Einfluß auf den Endgerätemarkt. Individualkommunikation ist auch ein Stück Daseinsvorsorge. Hier ist bei jeder Änderung Vorsicht geboten. Wir müssen



Hauser (Krefeld)

hier sehr sorgfältig darauf achten, daß es vernünftig läuft.
Das gibt mir Anlaß, ein paar Bemerkungen zum Verhalten der Bundesbahn zu machen. Ich tue es mit ein paar Sätzen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019803100
Herr Abgeordneter Hauser, entschuldigen Sie, daß ich unterbreche. Sie haben Ihre Redezeit deutlich überschritten. Auch die Rückfrage von Ihrer Fraktion läßt es nicht zu, daß ich Ihnen mehr zugestehe. Ich bitte Sie ernsthaft, zum Schluß zu kommen.

Hansheinz Hauser (CDU):
Rede ID: ID1019803200
Herr Präsident, ich will das sehr gern tun.
Ich will nur sagen, daß es nicht Aufgabe der Bundesbahn sein kann, Hotels zu bauen und ihre Tochtergesellschaft DSG jetzt in alle Bahnhofswirtschaften zu Lasten der privaten Gastronomen zu bringen. Zur Privatisierung gehört auch die Beschränkung der Staatsunternehmen auf ihre eigentliche Aufgabe.

(Wissmann [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Die Politik dieser Bundesregierung ist geeignet, auch die Probleme der Arbeitslosigkeit zu lösen. Wir werden diese Politik nachhaltig weiter unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019803300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Auhagen.

Hendrik Auhagen (GRÜNE):
Rede ID: ID1019803400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Bild beginnen. Zwei Busfahrer konkurrieren um das Steuer, obwohl sie sich über die Strecke einig sind. Der erste Busfahrer kommt auf der passablen Straße zunächst gut voran. Dann mehren sich die Schlaglöcher. Das Fahrzeug ächzt. Vielen Fahrgästen wird schlecht. „Laßt mich ans Steuer, der andere Busfahrer wird den Bus sonst total ruinieren, ich werde den Bus wieder in Fahrt bringen", sagt der zweite Busfahrer. Es kommt zum Fahrerwechsel, aber die Straße bleibt schlecht. Noch mehr Fahrgästen wird übel. Der zweite Fahrer verteidigt sich: „Ich muß das Fahrzeug erst einmal wieder ins Gleichgewicht bringen." Dann wird die Straße wieder besser, und auf gutem Asphalt gleitet der Bus und gewinnt an Fahrt. „Seht ihr, ich habe mein Versprechen gehalten", triumpiert der zweite Fahrer. „Mit mir fahrt ihr besser."
Diese Vereinnahmung äußerer Bedingungen als eigene Erfolge charakterisiert diese wirtschaftspolitische Debatte und macht sie so unglaubwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Stellen wir uns doch vor, die SPD wäre noch an der Regierung und die CDU/CSU in der Opposition. Wie würde dann bei den gleichen wirtschaftspolitischen Daten argumentiert werden? Herr Stoltenberg spräche angesichts der hohen Bundesbankgewinne wütend von der Konsolidierungslüge.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Genau!)

Herr Blüm würde die Massenarbeitslosigkeit als ein Beispiel sozialistischer Unsozialität attackieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und Herr Geißler würde die neue Armut geißeln.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Finanzminister Apel dagegen würde die niedrige Inflationsrate als größten sozialen Akt feiern. Und die Exportrekorde gingen natürlich auf das Konto des Weltökonomen Helmut Schmidt.
Diese Austauschbarkeit der Argumente macht die wirtschaftspolitische Debatte unglaubwürdig.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Wollen Sie in Ihren paar Minuten nicht sagen, was Sie wollen?)

Leistungskriterium für erfolgreiche Politik muß die Nutzung von Handlungsspielräumen sein. Also nicht die Frage nach der Wirtschaftslage sagt etwas über den Erfolg einer Regierung aus, sondern die Frage nach den zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten:

(Zuruf von den GRÜNEN: Genau!)

ob sie genutzt werden, um die Lage der Menschen, die in Not geraten sind, zu verbessern, und ob sie genutzt werden, um die Lage der Umwelt zu verbessern.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Betrachten wir in diesem Sinne den Jahreswirtschaftsbericht. Es ist nicht zu leugnen: Der Aufschwung ist da. Vielleicht wird er sich in diesem Jahr sogar noch verstärken. Aber noch niemals zuvor — und das ist das Neue — ist ein Aufschwung einerseits so zu einem Aufschwung für Gutverdiener geworden, während es andererseits keinerlei Hoffnung für die Hauptbetroffenen der Krise gibt, nämlich für die Arbeitslosen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es handelt sich um eine gespaltene Entwicklung: Boom für Exporte und Spitzenindustrien wie die Chemieindustrie, Autoindustrie, Anlagenbau mit einer Fusionswelle ohne Beispiel, die wirtschaftliche Machtblöcke erzeugt,

(Bohl [CDU/CSU]: Haben Sie etwas dagegen?)

die die demokratische Ebene immer stärker an den Rand drückt. Wenn nämlich die zehn größten Unternehmen einen Umsatz haben, der dem Volumen des Bundeshaushaltes gleichkommt, dann bedeutet das in diesem Lande eine Machtverlagerung.
Eine Existenzgründungswelle überzieht das Land, und gleichzeitig ist für 1985 ein Pleitenrekord zu verbuchen — nicht nur im Baugewerbe, sondern auch im vielbeschworenen Dienstleistungsgewerbe, 3000 Lebensmittelgeschäfte verschwinden jährlich.
Es finden Großinvestitionen in supergefährliche Projekte wie die Wiederaufbereitungsanlage statt, den zerstörerischen Fernstraßenausbau und die völlig unnötige, auf keine Nachfrage stoßende Verkabelung. Gleichzeitig unterläßt die Bundesregie-



Auhagen
rung dringend notwendige ökologische Sanierungsaufgaben wie durchgreifende Energiesparmaßnahmen, Verbesserung des öffentlichen Verkehrs in der Fläche und die Lösung des immer riskanter werdenden Müllproblems.
Kein Wort bei den Wachstums- und Konjunkturdaten des Wirtschaftsberichts dazu, inwiefern diese Gesellschaft, dieses Land durch Wachstum auch ärmer wird, so z. B. durch die Straßenbauprojekte. Ich selbst wohne in einem Konstanzer Stadtviertel, das durch eine Quasi-Autobahn zerteilt werden soll. Damit diese Autobahn — der hier so hoch gelobten Finanzpolitik der Bundesregierung wegen — möglichst billig ausfällt, soll sie oberirdisch verlaufen. Wo wird nun in diesem Jahreswirtschaftsbericht der Verlust an Wohnwert, an sauberer Luft und an Ruhe registriert?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Solche Folgeschäden dieser Produktionsweise — wie ansteigende Krankheitskosten, Umweltzerstörung und Kriminalität — machen schon ein Fünftel des Bruttosozialprodukts aus. Diese Folgekosten wirtschaftlichen Handelns müssen endlich in den volkswirtschaftlichen Bilanzen als Wohlstandsverlust auftauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daher wollen wir GRÜNEN eine neue, eine realistische Erfassung der Wirtschafts- und Ökoentwicklung durch ein Ökosozialprodukt.
Kommen wir zum schärfsten Gegensatz in der Aufschwungsbilanz dieses Jahreswirtschaftsberichts, der anhaltenden Millionenarbeitslosigkeit bei gleichzeitigen Exportrekorden, im Jahresdurchschnitt 2,3 Millionen Registrierte und 1,3 Millionen stille Reserve an Arbeitslosen bei Einkommensverhältnissen, die bei ledigen Arbeitslosen im Durchschnitt 40 % der Einkommen bei vergleichbaren Beschäftigten ausmachen, bei verheirateten 60 % der vergleichbaren Einkommen. Das bedeutet in vielen Fällen bittere Armut für die Betroffenen.
Trotzdem ist Arbeitslosigkeit nur zu einem Teil ein Problem akuter materieller Verelendung. Vielmehr ist es ein Problem ständiger Existenzunsicherheit, eine Existenzunsicherheit, die weit mehr Menschen als die 3,5 Millionen offen oder verdeckt Erwerbsloser betrifft. Es sind ebenso Millionen von noch Arbeitenden betroffen, die ständig unter dem Damoklesschwert des Rausschmisses stehen. Es sind Hunderttausende von Studenten betroffen, die angesichts dieser Politik kaum jemals die Aussicht auf eine Stelle haben werden. Millionen Hausfrauen sind dazu verdammt, weiter in ökonomischer Abhängigkeit von ihren Ehemännern zu leben, weil sie keine Aussicht auf Erwerbsarbeit haben.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wenn Sie sich, meine Damen und Herren von der Koalition, nun mit der Neuschaffung von — nach Berechnungen des IAB sind es nur 190 000 Stellen im letzten Jahr — neuen Stellen brüsten, dann ist zunächst einmal nach der Qualität und der Sicherheit dieser Arbeitsplätze zu fragen. Denn ungesicherte, schlecht bezahlte Teilzeitjobs à la US-Beschäftigungswunder werden am Existenzangstklima nichts ändern.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)

Erst wenn das gesellschaftliche Machtverhältnis, das sich im Verhältnis von einer offenen Stelle zu 23 gesuchten Stellen äußert, halbwegs ausgeglichen ist, wird das Problem Arbeitslosigkeit und schleichende Existenzangst überwunden sein.
Die Frage aber stellt sich bei Ihrer konkreten Politik: Hat diese Regierungskoalition überhaupt ein Interesse daran? Die positiven Wirtschaftsdaten
— Exportstärke, Ertragsstärke, niedrige Inflation
— sind ja nicht Erfolge der Bundesregierung, sondern stellen Handlungsmöglichkeiten dar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie nutzt die Bundesregierung diese Handlungsmöglichkeiten, z. B. als konkurrenzstärkstes Land mit der Einführung der 35-Stunden-Woche voranzugehen? Bekanntlich lehnt die Bundesregierung generelle Arbeitszeitverkürzung als „dumm und töricht" ab, obwohl die 38,5-Stunden-Woche im Gegensatz zum Vorruhestand, von dem Sie ja alle nicht mehr sprechen wollen, zwischen 50 000 und 100 000 Arbeitsplätze geschaffen hat.
Angesichts der Existenznöte und -ängste vieler offen oder verdeckt Arbeitsloser und angesichts der Tatsache, daß alle Wirtschafsforschungsinstitute prognostizieren, daß bis 1990 keine nennenswerte Besserung der Arbeitslosigkeit eintreten wird, wäre es ein Gebot der Mitmenschlickkeit, endlich eine Grundabsicherung für die Arbeitslosen zu schaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was macht die Koalition? Sie hält die Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf einem menschenunwürdigen Niveau und begründet das mit der Notwendigkeit zu sparen. Gleichzeitig schiebt sie mit der Steuerreform den Gutverdienenden über 70 000 DM Jahreseinkommen 10 Milliarden DM jährlich zu. Eine solche Politik ist eine Kampfansage an die Betroffenen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gleichzeitig werden Arbeitslose als faul, dumm oder unqualifiziert indirekt von der Bundesregierung diffamiert, obwohl 50 % der Arbeitslosen qualifizierte Abschlüsse haben. Damit haben Sie sich den Applaus der Stammtische gesichert, das ist richtig. Mit dieser Stimmungsmache aber betätigen Sie sich als Luntenleger.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was war das?)

— Als Luntenleger! Die Betroffenen werden es nicht hinnehmen, sich einfach über den Tellerrand dieser Gesellschaft kippen zu lassen.
In diesen Tagen formiert sich eine bundesweite Arbeitsloseninitiative, die in den Wahlkampf eingreifen — —

(Kittelmann [CDU/CSU]: Ist das wieder so eine Deckorganisation der GRÜNEN?)




Auhagen
— nein, nein, keine Deckorganisation der GRÜNEN — und schon in den nächsten Wochen durch entschlossene, gewaltfreie Aktionen ihren Handlungswillen zeigen wird.
In diesem Zusammenhang, Herr Roth, ist allerding auch beschämend — bei Ihren großen Tönen von vorhin —, daß sich die SPD mit den jüngsten Apel-Steuerreformplänen zugunsten der Besserverdienenden eben auch der Wende zu- und von den Arbeitslosen abwendet.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Umverteilungsklassenkämpfer seid ihr! — Zuruf des Abg. Dr. Ehrenberg [SPD])

— Dann dementieren Sie bitte schön die jüngsten Apel-Vorschläge. Statt die vorhandenen positiven Daten zu sozialen und ökologischen Strukturverbesserungen zu nutzen, betreibt die Bundesregierung eine Politik des Wellenreitens in der Konjunktursonne. Die Erhöhung der Mineralölsteuer wäre eine solche Möglichkeit, zu handeln, ohne jemandem weh zu tun, und finanziellen Handlungsspielraum dafür zu gewinnen, ökologische Reformen durchzuführen und zum solidarischen Ausgleich mit den Ölförderländern, die durch den Zusammenbruch des Ölpreises in den Bankrott getrieben werden, beizutragen.
Kommen wir zum Antrag der SPD gegen Massenarbeitslosigkeit und Wachstumsschwäche. Immerhin steht hinter diesem Antrag ein Handlungswille zugunsten ökologischer Maßnahmen. Daher lehnen wir diesen Antrag nicht ab.

(Zustimmung des Abg. Dr. Müller [ Bremen] [GRÜNE])

Wir können aber einem Antrag, der Wachstum per se als etwas Wünschenswertes darstellt, auch nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ist es denn wünschenswert, wenn im Gefolge eines Wirtschaftsbooms die Kaufkraft auch für Autos, für Flugreisen, für Skiurlaube und dergleichen wieder steigt? Eine solche Nachfragestärkung wünschen wir nicht. Selbstverständlich sind wir GRÜNEN für ein Mehr an menschenwürdigen Wohnungen, an umweltfreundlichen und sparsamen Energietechnologien, an qualitativ besseren und schöneren Gebrauchsgütern. Gleichzeitig sind wir aber auch für Schrumpfung bei gefährlichen Chemieprodukten, bei dieser wahnsinnigen Agrarproduktion, bei der Verpackungsindustrie und bei der Autoherstellung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Falsch informiert sind diejenigen, die angesichts der Rede von Horst Janßen auf der Bundesversammlung der GRÜNEN behaupten, wir seien gegen moderne Technik und Industrie schlechthin. Das stimmt nicht. Wir sind nicht für den Ausstieg, sondern für den notwendigen sozialen und ökologischen Umbau des Industriesystems.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Es wird auf euch Gott sei Dank nicht ankommen!)

Detaillierte, durchgerechnete Vorschläge — dies im Gegensatz zum SPD-Antrag „Arbeit und Umwelt" —

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Hört! Hört!)

dazu, was schon innerhalb der nächsten Jahre notwendig und machbar ist, haben wir in einem sozialen und ökologischen Umbauprogramm erarbeitet, das in den nächsten Tagen der Öffentlichkeit vorgestellt wird.
Ich danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019803500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haussmann.

Prof. Dr. Helmut Haussmann (FDP):
Rede ID: ID1019803600
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Man kann ja nur darüber staunen, mit welcher Unbekümmertheit rote und grüne Abgeordnete an den wirklichen sozialen Verbesserungen für breite Bevölkerungskreise vorbeireden.

(Beckmann [FDP]: Das ist ein Skandal! — Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Meine Damen und Herren, jedermann weiß, daß sich in den letzten Monaten für Arbeitnehmer, für Rentner, für Jugendliche die Situation in der Bundesrepublik deutlich verbessert hat. Es würde Ihnen überhaupt nicht schlecht anstehen, wenn Sie im Deutschen Bundestag zugeben würden, daß sich die wirtschaftliche Lage für viele Menschen in der Bundesrepublik in den letzten Monaten deutlich verbessert hat.

(Wissmann [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Das würde zum positiven Klima und zur Verbesserung der Zukunftsperspektiven der jungen Leute beitragen.

(Zustimmung bei der FDP)

Meine Damen und Herren, bei der Diskussion des Jahreswirtschaftsberichts ist dieser bereits überholt. Ich halte das aus zwei Gründen nicht für negativ, sondern für positiv: Zum einen hat sich Martin Bangemann als Wirtschaftsminister auch in einem Vorwahljahr, was die Zahlen angeht, nicht gesundgerechnet.

(Wissmann [CDU/CSU]: So ist es!)

Zweitens hat die Wirtschaftspolitik inzwischen ein Ergebnis erreicht, das besser ist, als die Gutachter uns vorausgesagt haben. Meine Damen und Herren, zwar ist es sicher richtig, daß die Ergebnisse durch Entwicklungen besser geworden sind, die nicht alle von uns direkt beeinflußt waren — ich denke an die Ölpreissenkung, an die Dollarentwicklung und an den Bundesbankgewinn —, aber auch hier gilt das Sprichwort: Das Glück steht eben dem Tüchtigen bei. Wenn die Gesamtlage psychologisch besser wird, werden die Ergebnisse in sich besser, sie verstärken sich selbst.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Wissmann [CDU/CSU]: Ein kluges Wort!)




Dr. Haussmann
Meine Damen und Herren, in meiner kurzen Rede will ich über das Soziale der Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung sprechen. Die Koalition wird diese Wirtschaftspolitik zur Abstimmung stellen, eine Wirtschaftspolitik, die zutiefst sozial ist,

(Peter [Kassel] [SPD]: So tief, daß man es nicht sieht!)

weil sie zunächst auf marktwirtschaftliche Weise dafür sorgt, daß junge Menschen wieder Perspektiven haben.

(Menzel [SPD]: Ich könnte Ihnen Hunderte von Arbeitslosen bringen! — Weitere Zurufe von der SPD — Lachen bei den GRÜNEN)

Sie sollten auch als Opposition im Deutschen Bundestag zur Kenntnis nehmen, daß noch vor drei Jahren lediglich ein Drittel der jungen Generation in der Bundesrepublik Deutschland für sich selbst positive wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven sah. Die neueste, neutrale Umfrage zeigt, daß heute zwei Drittel der jungen Generation in der Bundesrepublik Deutschland für sich selbst positive wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven sehen, meine Damen und Herren.

(Menzel [SPD]: Und was ist mit dem anderen Drittel! — Weitere Zurufe von der SPD — Gegenruf von der CDU/CSU: Trotz eurer Schwarzmalerei!)

Das ist wichtig, und die FDP wird dafür sorgen, daß diese Persepktiven trotz des Krisengeredes ihres Sprechers, meine Damen und Herren, besser werden. Jugend braucht Optimismus, Jugend braucht Zuversicht und nicht Krisengemälde von rot und schwarz, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Zur Abstimmung für Bürger steht eine Wirtschaftspolitik, die sozial ist, weil sie endlich dem einzelnen Arbeiter und Rentner mehr netto auf die Hand gibt. Wir haben seit 18 Jahren zum erstenmal eine extrem niedrige Inflationsrate.

(Zurufe von der SPD)

Es bedeutet stabile Preise, und stabile Preise bedeuten praktizierte Sozialpolitik.

(Beifall bei der FDP — Lachen und Zurufe von der SPD)

Nicht künstliche Ausgabenprogramme, nicht eine aggressive Lohnpolitik, sondern eine vorbildliche Stabilitätspolitik hilft allen Menschen in einer sozialen Marktwirtschaft. Ein Prozent weniger Inflation bedeutet 8 Milliarden DM mehr Kaufkraft für Arbeitnehmer und für Rentner, meine Damen und Herren. Diese Zahl ist für die Bürger wichtig, nicht künstliche Ausgabenprogramme und nicht falsche Tarifpolitik.
Was steht dieser Politik gegenüber? Niemand weiß, meine Damen und Herren, ob Johannes Rau eigene wirtschaftspolitische Vorstellungen hat. Die
Ergebnisse in Nordrhein-Westfalen lassen jedenfalls nichts Gutes ahnen.

(Wissmann [CDU/CSU]: In der Tat!)

Fest steht auch heute, daß Johannes Rau und seine Sozialdemokraten auf Bundesebene keine Mehrheit bilden können.

(Müntefering [SPD]: Das überlassen Sie mal dem Wähler!)

38 % bei der letzten Bundestagswahl zeigen, daß dies nicht möglich ist.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

Er muß sich also, ähnlich wie Herr Börner in Hessen, die Macht mit GRÜNEN teilen, wenn er überhaupt an die Macht kommen will.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Gott sei Dank! — Lachen bei der CDU/CSU — Roth [SPD]: Gehen Sie in Ihr Parteibüro!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019803700
Herr Abgeordneter Haussmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte sehr.

Heinz Menzel (SPD):
Rede ID: ID1019803800
Herr Kollege Haussmann, da Sie sich auf die Umfrageergebnisse beziehen, frage ich: Sind Sie sich dann darüber im klaren, daß, wenn diese Umfrageergebnisse umgesetzt würden und Realität wären, Sie dann überhaupt nicht hier stünden, weil Ihre Partei bei 3% liegt?

(Roth [SPD]: So wie in Nordrhein-Westfa len! — Weitere Zurufe von der SPD)


Prof. Dr. Helmut Haussmann (FDP):
Rede ID: ID1019803900
Meine Damen und Herren, verehrter Kollege von der SPD, die letzten Wählerabstimmungen im letzten Jahr bei allen drei Landtagswahlen haben gezeigt, daß die FDP ein Wählerpotential zwischen 6 und 10% Bürgerstimmen hat. Wir sind sehr beruhigt, wir kümmern uns um unsere Wähler.
Ich will auf meine vorigen Bemerkungen zurückkommen. Mehrheitsfähig kann Herr Rau auf Bundesebene nur durch Stimmen der GRÜNEN werden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Teile einer rot-grünen Regierungserklärung zur Wirtschaftspolitik konnte man ja der vielumjubelten Rede des IG Metallfunktionärs Janßen entnehmen. Die Bürger dürfen sich nicht täuschen lassen, meine Damen und Herren. Diese verquere Ideologie, die dort vorgetragen wurde, gefällt ja nicht nur GRÜNEN, sondern auch einem zunehmend wichtigeren Teil jüngerer und linker SPD-Funktionäre, auf die auch Herr Rau immer mehr angewiesen ist.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU) Herr Eppler läßt grüßen!


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019804000
Herr Abgeordneter Haussmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Beckmann?




Prof. Dr. Helmut Haussmann (FDP):
Rede ID: ID1019804100
Nein, meine Zeit eilt. Ich werde ihm nachher zur Verfügung stehen.

(Heiterkeit — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Sagen Sie mal was zur Wirtschaftspolitik!)

Herr Janßen sagte sinngemäß, die von der Regierung angestrebten Wachstumsraten würden mittelfristig zu einer Verdoppelung des Sozialproduktes führen. Und dies würde bedeuten: doppelt so viele Autos, doppelt so viel Blech, doppelt so viele Straßen, doppelt so viel Beton, doppelt so viele Abgase. — Bei diesem Umwelthorrorszenario tut das rotgrüne Bündnis so, als kämen keine alten Autos aus dem Verkehr, als bräuchte man ständig zusätzliche Straßen, als hätte ein Auto heutiger Technik die gleichen schlechten Abgaswerte wie ein altes. Wer so redet, meine Damen und Herren, hat mit den Arbeitern im Auto- und Baubereich nichts Gutes vor,

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

undenkbar im übrigen für einen amerikanischen oder japanischen Gewerkschaftsvertreter im Metallbereich.
Gleichzeitig sucht die Sozialdemokratische Partei scheinheilig auf Technologiekongressen ihren Frieden mit moderner, technologieorientierter Wachstumspolitik, meine Damen und Herren. Welch eine Heuchelei, wenn man diesen Kongreß nimmt und das, was Herr Janßen für die IG Metall sagt.

(Zuruf von der SPD: Zum Thema!)

Wenn die IG Metall, meine Herren von der Opposition, so für sich reden läßt, darf sie sich nicht wundern, wenn jüngere Arbeitnehmer, teilzeitarbeitsuchende Frauen, Angestellte, Ingenieure sich nicht mehr gewerkschaftlich organisieren. Nur, meine Damen und Herren, diese Regierung und meine Partei, die FDP, können nicht Watschenmann für Gewerkschaften sein, die ihre eigenen Aufgaben nicht lösen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es wird daher höchste Zeit, daß die Entscheidung im Hinblick auf die Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit im nächsten Monat fällt. Hier geht es aus Sicht der Freien Demokraten um eine wichtige ordnungspolitische Aufgabe des Gesetzgebers, die uns auch kein irgendwie gearteter Schiedsrichter, neutraler Pfarrer oder Professor, abnehmen kann. Diese Wiederherstellung der Machtbalance der Tarifpartner stört nicht, sondern sie dient langfristig dem sozialen Ausgleich. Theodor Eschenburg hat recht: Es geht um die neue Machtbilanz, nicht um die Streikfähigkeit der Gewerkschaften.
Wenn die Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit wiederhergestellt ist, müssen sich die deutschen Gewerkschaften in einem Dialog mit dieser Regierung den wirklichen ökonomischen, technologischen und sozialen Herausforderungen stellen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Und aus liberaler Sicht gilt: Genausowenig wie die Kirchen ein Definitionsmonopol für die Frage haben, was in unserer Gesellschaft gut oder böse ist, genausowenig steht es den deutschen Gewerkschaften zu, allein zu entscheiden, was in unserer Gesellschaft sozial oder unsozial ist. An dieser Diskussion über die wesentliche Frage des Sozialen in unserer Gesellschaft beteiligt sich die Freie Demokratische Partei gerne. Sozial ist aus unserer Sicht eine Wirtschaftspolitik, wenn sie auf Dauer wettbewerbsfähige Arbeitsplätze schafft und nicht auf Pump lebt.

(Beifall bei der FDP)

Sozial ist eine Wirtschaftspolitik, wenn sie für stabile Preise sorgt und damit den kleinen Leuten, den Arbeitern und Rentnern, hilft. Sozial ist aus unserer Sicht eine Wirtschaftspolitik, wenn sie das Ergebnis hat, daß die Finanzen wieder in Ordnung kommen, das Vertrauen wächst, die Zinsen sinken und jedermann mehr Geld zur eigenen Verfügung hat.

(Wissmann [CDU/CSU]: So ist es!)

In diesem Sinne wird die FDP mit Sozialdemokraten, mit GRÜNEN, mit Gewerkschaftern, mit allen Bürgern gerne eine Diskussion über das Soziale in unserer Gesellschaft führen.
Dieser Jahreswirtschaftsbericht von Martin Bangemann ist jedenfalls der beste seit vielen Jahren. Die Fraktion der Freien Demokraten steht voll hinter dieser Politik.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019804200
Das Wort hat der Abgeordnete Ehrenberg.

Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID1019804300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Kollege Haussmann hier seine Rede begann, hatte ich vorübergehend den Eindruck, hier würde vielleicht mal zur Sache gesprochen.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Doch nicht von Herrn Haussmann! — Kittelmann [CDU/CSU]: Bei Herrn Roth haben Sie gar nicht damit gerechnet, nehme ich an!)

Nur, Herr Haussmann, ein moderater Tonfall hat leider noch nichts mit Redlichkeit zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Und wenn Sie über soziale Politik sprechen, bitte ich Sie, vorher in die amtliche Statistik hineinzusehen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Nach der amtlichen Statistik war der Preisanstieg 1985 2,2 %. Die von der Mehrheit dieses Hauses beschlossene Rentenanpassung betrug knapp 1,5 %. Nach der Statistik des Bundesamtes in Wiesbaden ist der Anstieg der Nettolöhne 1985 bei 1,7 %. Wie Sie bei diesen Zahlen — einmal eine Steigerung von 0,7 Prozentpunkten und einmal eine von 0,5 Prozentpunkten unter dem Preisanstieg — hier behaupten, Sie hätten Politik für die Rentner und Arbeitnehmer gemacht, ist das Geheimnis Ihrer Unredlichkeit.

(Beifall bei der SPD)




Dr. Ehrenberg
Genauso unredlich geht der Bundeswirtschaftsminister, nicht ganz so moderat im Ton wie Sie, mit den Fakten um, wenn er hier am Pult behauptet, es habe eine reale Kaufkraftsteigerung für die Arbeitnehmer gegeben. Um 0,5 Prozentpunkte sind die Nettolöhne unter dem Preisanstieg geblieben. Lesen Sie die Statistik, Herr Bundeswirtschaftsminister.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Es geht Ihnen nur ums Miesmachen!)

- Ich interpretiere die Statistik, und die wird in Wiesbaden nicht mies, sondern objektiv gemacht.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Wie Sie es machen!)

Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn Sie schon die Wiesbadener Zahlen nicht lesen, dann vielleicht bitte die Ihres eigenen Wirtschaftsberichts! Wenn Sie die gelesen hätten, dann hätten Sie sich nicht hier hinstellen und sagen können, seit Ihrer Regierungszeit sei das reale Bruttosozialprodukt um 10 % gestiegen. Ich lese Ihnen die Zahlen des Wirtschaftsberichts vor. 1983 gab es ein Wachstum von 1,5 %, 1984 ein Wachstum von 2,7 %, 1985 ein Wachstum von 2,5 %. Jetzt sagen Sie mir, mit welcher Mathematik — das würde noch nicht einmal mit der Mengenlehre gehen — Sie hieraus 10 % machen.

(Beifall bei der SPD — Stockhausen [CDU/ CSU]: Besser als Ihr Nullwachstum!)

Meine Damen und Herren, Redlichkeit statt Eigenlob, das ist das, was die Wirtschaftspolitik in diesem Lande bräuchte. Vielleicht hätte es Ihnen gut angestanden, Herr Bundeswirtschaftsminister, hier am Pult zuzugeben, wie es der Jahreswirtschaftsbericht tut, daß Sie sich bei der Einschätzung der Arbeitslosigkeit gründlich geirrt haben. Im Jahreswirtschaftsbericht 1985 wurde eine Arbeitslosenquote unter 9 % vorausgesagt, und 9,3 % sind es geworden. Das ist Ihre Beschäftigungspolitik.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für eines will ich dem Bundeswirtschaftsminister ausdrücklich Dank sagen, nämlich daß er meine Anregung aus dem Wirtschaftsausschuß aufgenommen hat und in diesem Jahreswirtschaftsbericht, anders als bei den Vorgängern, nicht nur die internationale Preisstatistik, sondern auch die ganze Breite der OECD-Statistik abgedruckt hat. Sie finden das in der Tabelle nach Ziffer 7 der Anlage. Der Text des Jahreswirtschaftsberichts nimmt allerdings von dieser Tabelle keine Kenntnis, der Bundeswirtschaftsminister auch nicht. Sonst hätte er nicht hier in so hohen Tönen von den Erfolgen der deutschen Wirtschaftspolitik sprechen können.

(Beifall bei der SPD — Peter [Kassel] [SPD]: Der liest keinen Anhang!)

Denn, meine Damen und Herren, aus diesem Text geht hervor, daß die Bundesrepublik im Jahre 1983 ein Wirtschaftswachstum von 1,5 % hatte. Im Durchschnitt der OECD waren es 2,7 %. 1984 gab es bei uns ein Wirtschaftswachstum von 2,7 %, im Durchschnitt der OECD von 4,9 %, 1985 bei uns 2,5 %, im Durchschnitt der OECD 2,8 %. Drei Jahre lang ist
die Bundesrepublik bei ihrem großen Wirtschaftspotential mit ihren Wachstumsraten weit unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten geblieben. Soll das ein Erfolg sein, Herr Bundeswirtschaftsminister?

(Beifall bei der SPD — Dr. von Wartenberg [CDU/CSU]: Wie hoch waren die USA?)

— Die waren sehr viel höher.

(Dr. von Wartenberg [CDU/CSU]: Eben! Und wer zieht den Durchschnitt hoch?)

Es ist noch nicht so lange her — es war 1979 —, daß die Bundesrepublik von der ganzen Welt als Lokomotive in der Weltwirtschaftspolitik angesehen wurde. Da hatten wir allerdings Wachstumsraten von 3,5 % und 4 % und allein in den Jahren 1979 und 1980 eine Verbesserung der Beschäftigung um 745 000 Arbeitsplätze. Nehmen Sie das doch bitte zur Kenntnis!

(Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Sie lesen die Statistiken nicht! Nehmen Sie doch mal die EG-Statistik! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019804400
Herr Abgeordneter Ehrenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID1019804500
Ja, wenn Sie mir das nicht auf meine Redezeit anrechnen.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019804600
Das wird Ihnen nicht angerechnet.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019804700
Herr Ehrenberg, Sie zitieren die Statistik der OECD. Ich gehe davon aus, daß Sie auch über die gegenwärtige Beurteilung der OECD und über die Prognosen der OECD für das reale Bruttosozialproduktswachstum für die Bundesrepublik Deutschland informiert sind. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die OECD für dieses Jahr ein reales Bruttosozialproduktswachstum von 3,5 % prognostiziert hat und daß sich auf Grund der zugegebenermaßen für die deutsche Volkswirtschaft glücklichen Senkung der Ölpreise und der Dollarpreise mindestens noch ein halbes Prozent reales Wachstum mehr ergibt, so daß wir jetzt schon — ich frage, ob Sie das zur Kenntnis nehmen — an der Spitze der Durchschnittsbewegung der OECD liegen, wenn wir die zugegebenermaßen lange und schwierige USA-Politik beiseite lassen?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019804800
Unsere Geschäftsordnung weist darauf hin, daß die Fragen kurz und präzise sein sollen. Ich will nicht die Präzision, aber mindestens die Kürze anzweifeln, Herr Abgeordneter.

Dr. Herbert Ehrenberg (SPD):
Rede ID: ID1019804900
Herr Kollege, ich habe über Fakten gesprochen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das sind doch Fakten!)

und Prognosen sind, wie die Prognose des Bundeswirtschaftsministers über die Arbeitslosigkeit 1985
zeigt, noch lange keine Fakten. Aber es ist sicher,



Dr. Ehrenberg
daß die Ölpreissenkung unser Wirtschaftswachstum beschleunigen wird.

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Zusätzlich beschleunigen!)

Das ist in den anderen europäischen Staaten auch so; davon profitieren wir nicht allein. Das widerlegt überhaupt nichts.

(Beifall bei der SPD)

Viel schlimmer ist der Verlauf der Arbeitslosenstatistik. Innerhalb der 16 OECD-Staaten hat die Bundesrepublik beim Anstieg der Arbeitslosigkeit von 1982 bis 1985 den traurigen 13. Platz, wenn die niedrigste Zahl oben rangiert. So hoch ist der Anstieg bei uns! Nur drei OECD-Staaten haben einen höheren Anstieg, in fünf OECD-Staaten ist die Arbeitslosigkeit seit 1982 rückläufig, und im Durchschnitt der OECD ist sie konstant geblieben. Das ist doch keine erfolgreiche, das ist eine miese Wirtschaftspolitik, die dieses Ergebnis hervorbringt.

(Beifall bei der SPD)

Die Preissteigerungsrate ist gut, aber hier liegen wir exakt im Schnitt der OECD-Staaten und sind nicht besser als die anderen. Diese Stabilisierung hat sich überall vollzogen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Nur, wenn die Erhöhung der Nettolöhne unterhalb der Preiserhöhungen liegt, wie es bei Ihrer Politik der Fall war, hilft es den Arbeitnehmern nicht, da sie weniger haben. Sie haben heute netto und real so viel wie 1977 und leider nicht mehr. Sie haben 1 200 DM im Jahr weniger als 1980. Da hilft es Ihnen gar nichts, mit schönen Worten von Steigerung zu reden. Auch die neue Steuersenkung wird diese 1200 DM nicht aufholen, zumal ein Teil davon durch die schon steigenden Krankenversicherungsbeiträge wieder aufgefressen wird.
Herr Bundeswirtschaftsminister, ich hätte von Ihnen gern etwas über die regionale Differenzierung in diesem Lande gehört und in dem Bericht gefunden. Haben Sie jemals zur Kenntnis genommen, daß im Januar dieses Jahres in Friesoythe die Arbeitslosigkeit 39,1 %, in Wittmund 28,7 % und in Leer 26,7 % betrug? Herr Bundeswirtschaftsminister, dies ist nicht nur zur Winterszeit so, auch im Sommer ist in der Nordwestregion unseres Landes die Arbeitslosigkeit nie unter 20 % gesunken, und das ist erst so, seit Sie regieren; vorher hat es diese Zahlen niemals gegeben.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Bei der SPD würde es auch im Sommer schneien! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Da gab es das nicht. Zu unseren Zeiten waren das viel weniger als jetzt.
Was sagt der Jahreswirtschaftsbericht zur regionalen Verbesserung? Er bietet nichts. Dabei bieten die katastrophale Lage der Bauwirtschaft und gleichzeitig die drängenden Umweltprobleme das Rezept geradezu an. Herr Bundeswirtschaftsminister, ein ganz simples Beispiel von der Nordseeküste: Das Marpol-Abkommen gibt jetzt von den rechtlichen Bestimmungen her jede Chance, die
Nordsee allmählich sauber zu bekommen. Aber Reeder und Kapitäne, die das Abkommen erfüllen wollen, müssen ewig lange suchen, bis sie für öl- und chemiekalienhaltige Schiffsrückstände geeignete Entsorgungsanlagen finden. Und der Bundesverkehrsminister? Statt sich um ein gemeinsames Programm mit den Küstenländern zu bemühen, das hier helfen würde, gibt mir zur Antwort: „Abfallbeseitigung ist Ländersache", und er kümmert sich nicht darum, daß dort etwas geschieht, das Beschäftigung und Umwelt gleichzeitig verbessern würde.
Letzte Bemerkung, weil sie gleich etwas zur Finanzierung mitsagt. Ein so langer und ausführlicher Jahreswirtschaftsbericht, Herr Bundeswirtschaftsminister, sollte vielleicht auch von der Kapitalbilanz dieses Landes Kenntnis nehmen und etwas zu der traurigen Tatsache sagen, daß in den ersten elf Monaten — Dezemberzahlen gibt es noch nicht — wieder ein Kapitalexport von mehr als 30 Milliarden DM aus der Bundesrepublik stattgefunden hat. Bis 1982 kamen in die Bundesrepublik mehr Kapitalanlagen als aus der Bundesrepublik hinausgingen. Diese 30 Milliarden DM, Herr Bundeswirtschaftsminister, beweisen erneut, daß Sie die Bundesrepublik zu einem von der internationalen Finanzwelt gemiedenen und nicht zu einem gesuchten Investitionsplatz gemacht haben.

(Widerspruch bei der CDU/CSU — Dr. Schwörer [CDU/CSU]: Deshalb die hohen Aktienkurse?)

Wer das nicht glaubt, dem empfehle ich sehr, die Monatsberichte der Deutschen Bundesbank gründlich nachzulesen. Alle diese Zahlen finden Sie dort auf der Seite 74.

(Beifall bei der SPD)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019805000
Das Wort hat der Abgeordnete Wissmann.

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1019805100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Ehrenberg hat zwei Punkte in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt. Zum einen hat er gesagt, die Wirtschaftspolitik sei mies, weil sie nicht sozial sei.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, lieber Kollege Wolfram, wenn man das untersucht, dann muß man sich auf die Entwicklung des Jahres 1986 konzentrieren. Wir haben 1986 10,9 Milliarden DM Steuerentlastungen vor allem im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer.

(Roth [SPD]: Zwei Jahre zu spät!)

Wir haben 1986 zusammengenommen 6 Milliarden DM Familienentlastung, Kindergelderhöhung, Erhöhung des Kinderfreibetrages, Erziehungsgelderweiterung.

(Roth [SPD]: Zwei Jahre zu spät!)

Wir haben 1986 steigende Bruttolohn- und -gehaltssummen.

(Roth [SPD]: Zwei Jahre zu spät!)

Wir haben 1986 stabile Mietpreise, wir haben, was
wir selbst nicht beeinflussen, was aber ein günstige



Wissmann
Ergänzung ist, sinkende Energie- und Treibstoffpreise, so daß sich alle Experten einig sind: Wir werden 1986 durch diese zusammenwirkenden Entwicklungen etwa 60 Milliarden DM zusätzlich in den Haushaltskassen der Bürger haben. Wenn das als unsozial gekennzeichnet ist, dann haben Sie Statistiken manipuliert und nicht die Wirklichkeit getroffen, meine Damen und Herren.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019805200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Jens?

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1019805300
Bitte schön, Herr Kollege Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (SPD):
Rede ID: ID1019805400
Herr Kollege Wissmann, können Sie bei diesen ganzen Wohltaten, die Sie verteilen, wenigstens zugeben, daß die Statistik auch ausweist, daß die Lohnsteuerquote weiterhin gestiegen ist und sie auch in Zukunft, trotz der ganzen Vergünstigungen, die Sie da anpreisen, weiterhin steigen wird?

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1019805500
Herr Kollege Jens, ich bin Ihnen für diese Frage dankbar, weil sie unseren Willen, mit der einmal begonnenen Lohn- und Einkommensteuersenkung auch in der nächsten Legislaturperiode fortzufahren, nachhaltig unterstreicht. Meine Bitte an Sie wäre: Helfen Sie, mit uns den Weg zu bereiten, und fordern Sie nicht Steuererhöhungen statt Steuersenkungen.
Ich will einen zweiten Punkt ansprechen, zumal auch der Kollege Roth das heute morgen getan hat: die Beschäftigungsentwicklung: Meine Damen und Herren, vom Tiefpunkt der Beschäftigung im vierten Quartal 1983 bis zum Ende des dritten Quartals 1985 ist ausweislich aller Statistiken die Zahl der Beschäftigten in der Bundesrepublik Deutschland um 240 000 gestiegen. Im vierten Quartal 1985 ist die Zahl der Beschäftigten — auch nach den Schätzungen des DIW in Berlin — um noch einmal 100 000 angestiegen. Summe also: 340 000 zusätzliche Beschäftigte.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Zuhören, Herr Ehrenberg!)

Alle Experten erwarten, daß wir im Jahre 1986 noch einmal etwa 300 000, 350 000, vielleicht sogar 400 000 zusätzliche Arbeitsplätze bekommen werden. Das heißt, wir werden mit rund 700 000 mehr Arbeitsplätzen in das Ende des Jahres 1986 und den Anfang des Jahres 1987 hineingehen als auf dem Tiefpunkt der Beschäftigungsentwicklung. Ich erwähne das hier deswegen, meine Damen und Herren, weil der Kollege Roth — er hat sich vorhin bei meiner Zwischenfrage um eine Antwort gedrückt — noch in der letzten Woche eine Erklärung unter der Überschrift „Fälschern das Handwerk legen" abgegeben hat, weil er zu dem — ich möchte es zurückhaltend sagen — Kunstgriff gegriffen hat, nicht den Tiefpunkt der Beschäftigungsentwicklung, den Sie uns hinterlassen haben,

(Stockhausen [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

sondern schnell die Jahresdurchschnittszahlen zum Maßstab zu nehmen und damit zu einer niedrigeren Beschäftigtenentwicklung zu kommen. Lieber Herr Roth, nicht wir haben gefälscht, sondern Sie haben sich, um es freundlich zu sagen, geirrt. Sie sollten hier herkommen und zugeben, daß wir mit dem Zuwachs von 340 000 Beschäftigten, den Sie bestritten haben und den selbst Professor Krupp in Berlin, Ihr Wirtschaftsberater, zugibt, einen großen Erfolg im Interesse von Millionen Arbeitnehmern erreicht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019805600
Herr Abgeordneter, dies veranlaßt den Abgeordneten Peter, eine Zwischenfrage stellen zu wollen.

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1019805700
Der Herr Abgeordnete Peter ist herzlich willkommen.

Horst Peter (SPD):
Rede ID: ID1019805800
Herr Kollege Wissmann, sind Sie vor dem Hintergrund der Aussage der Bundesregierung, des Parlamentarischen Staatssekretärs Vogt, daß zwar die Beschäftigtenzahl gestiegen, aber die Zahl der Jahresarbeitsstunden seit 1982 kontinuierlich gesunken ist,

(Zuruf von der CDU/CSU: Logo!)

bereit, Ihre Aussage über die Beschäftigungszahl dahin gehend zu relativieren, daß dies das Ergebnis von Umverteilung vorhandener Beschäftigung sein muß?

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1019805900
Herr Kollege Peter, ich finde alle einfachen oder parteipolitisch verengten Erklärungen der erfreulichen Entwicklung falsch. Natürlich hat auch die Entwicklung im Bereich der Arbeitsstundenzahl zu dieser Entwicklung beigetragen.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Aber an einem ist doch nicht vorbeizureden, meine Damen und Herren: Seitdem wir wieder Wachstumszahlen und nicht Minus-Entwicklung haben, seitdem wir wieder mehr Existenzneugründungen als Pleiten haben, steigt die Beschäftigtenzahl wieder deutlich.

(Vo r s itz : Vizepräsident Westphal)

Ich bin froh, wenn es auch andere Entwicklungen gibt, die diesen erfreulichen Prozeß begleiten. Ich bin nicht dafür, das, was wir hier als erfreuliche Bilanz gemeinsam feststellen können, parteipolitisch kleinkariert auf einen einzigen Grund zu verengen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019806000
Herr Abgeordneter, es gibt noch den Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage. Sind Sie dazu bereit?

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1019806100
Gern, eine letzte Zusatzfrage.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019806200
Herr Kollege Roth, bitte.




Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1019806300
Lieber Herr Wissmann, ich habe folgende Frage: Ist es nicht auch für Sie bestürzend,

(Kittelmann [CDU/CSU]: Nein!)

daß wir ausweislich der von Ihnen zitierten Statistik im Durchschnitt des Jahres 1985 22,253 Millionen Beschäftigte und im weltwirtschaftlichen Krisenjahr 1982 , also vier Jahre vorher — jeder weiß, daß das das Jahr der Ölpreiskrise und der Verwerfungen weltweit war —, 22 436 000 Beschäftigte hatten, also fast 200 000 mehr, und müßte es nicht auch Ihrer Meinung nach uns alle bestürzt machen, daß im vierten Aufschwungjahr weniger Beschäftigung vorhanden ist als zum Tiefpunkt der Krise?

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1019806400
Herr Kollege Roth, natürlich wissen wir — der Wirtschaftsminister hat es vorhin gesagt —, daß wir hinsichtlich der Beschäftigtenentwicklung bisher nur einen Teil dessen wieder haben aufholen können, was — u. a. durch die Wirtschaftspolitik der früheren Regierung beeinflußt — in der Zeit zuvor verlorengegangen war. Aber deswegen ist es ja so erfreulich, daß der Sachverständigenrat in seinem Gutachten sagt: Es ist in der Bundesrepublik auch in der Zukunft eine größere Chance für eine positive Beschäftigungsentwicklung da als in jedem anderen Land in Europa. Ich finde, das gibt Anlaß zu einem vernünftigen Optimismus.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf einen Aspekt hinweisen, der heute noch nicht erwähnt worden ist und der gerade für die CDU/CSU- Bundestagsfraktion von besonderer Bedeutung ist. Wir haben wieder Wachstumszahlen. Die vorsichtige Schätzung der Bundesregierung für 1986 sagt 3 % voraus. Viele Auguren meinen inzwischen, auch eine 4 vor dem Komma sei realistisch. Es gibt keine bessere Zeit für einen von der Union lange vertretenen Grundgedanken, den wir heute erneut ins Bewußtsein rufen wollen, nämlich die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand wieder stärker zu forcieren. Denn nur in Zeiten des Wachstums, in Zeiten, in denen es reale Einkommenszuwächse der Arbeitnehmer bei niedriger Inflationsentwicklung geben kann, gibt es die Chance, daß auch in Tarifabschlüsse Vermögensbildungsleistungen eingebaut werden.
Sie wissen, die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen legen einen Entwurf zu einer zweiten Stufe der Vermögensbildung mit dem Ziel vor, die Ausgabe von Belegschaftsaktien zu begünstigen, mit der Zulassung von Kapitalanlagegesellschaften, mit Beteilgungs-Sondervermögen im Investmentgesetz, also mit dem Ziel, den Tarifparteien, Arbeitgebern und Gewerkschaften, anzubieten, stärker als bisher die Chancen zur Vermögensbildung zu nutzen.
Meine Damen und Herren, bis Ende des vergangenen Jahres sind 17 Tarifverträge über vermögenswirksame Leistungen abgeschlossen worden. Rund 400 000 Arbeitnehmer kamen in deren Genuß. Mehr als 90 000 Verträge über den Kauf von Aktienvoranteilen sind abgeschlossen worden. Das ist ein erfreuliches Zeichen, aber es ist nicht genug.
Ich will die Gelegenheit dieser Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht nutzen, um nicht nur die Kollegen der SPD aufzufordern, unseren Entwurf zu einer zweiten Stufe zu unterstützen, sondern um auch Gewerkschaftsvertretern und Arbeitgebervertretern zu sagen: Jetzt, in einer Zeit des Wachstums, der realen Einkommenszuwächse und der niedrigen Preissteigerungen, ist die Stunde, Vermögensbildungsanteile in Tarifverträge einzubauen. Wir wollen mit dazu beitragen, daß Millionen Menschen am Produktivkapital beteiligt werden. Wir wollen nicht die klassenkämpferische Strategie des Herrn Janßen, die er bei den GRÜNEN vertreten hat, mitunterstützen, sondern wir wollen die Partnerschaftsstrategie, für die auch ein Mann wie Herr Rappe steht, stärker als bisher ins Bewußtsein breiter Bevölkerungskreise rufen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir wollen ein zweites. Wir wollen den erfreulich belebten Gedanken der Existenzgründung junger Leute noch stärker als bisher auch ins Bewußtsein jener Kreise tragen, die sich bisher nicht zur Selbständigkeit entschließen konnten. Im vergangenen Jahr dürften etwa 318 000 Existenzen neu gegründet worden ein. Seit dem Sommer 1984 werden in der Bundesrepublik erfreulicherweise insgesamt wieder mehr Existenzen neu gegründet, als Existenzen durch Konkurs, Vergleich oder natürliches Ausscheiden verlorengehen.
Wir sollten diesen Prozeß weiter unterstützten. Wir sollten mit dazu beitragen, daß der Gedanke der Existensgründungsansparverträge stärker als bisher ins breite Bewußtsein getragen wird. Ich füge hinzu: Wir sollten dazu beitragen, daß die Programme von Bund und Ländern zur Existenzgründung so abgestimmt und so unbürokratisch gemacht werden — hier bestehen häufig noch Hindernisse —, daß sie für den potentiellen Existenzgründer attraktiv sind. Wir wissen: Jeder, der eine Existenz neu gründet, schafft nach einigen Jahren drei bis vier neue Arbeitsplätze. Wenn es uns gelingt, diese Existenzgründungswelle zu beschleunigen, schaffen wir mehr neue Arbeitsplätze als durch jedes SPD-Wirtschaftsprogramm.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, um die Alternative klar auszusprechen, nur noch einmal sagen: Der entscheidende Unterschied zwischen der Wirtschaftspolitik dieser Regierung der CDU/CSU und der FDP und derjenigen von SPD und GRÜNEN ist, daß wir darauf setzen, durch Steuerentlastung die Investitionsbereitschaft und die Leistungsbereitschaft von Unternehmen und Arbeitnehmern zu unterstützen, während Sie darauf setzen, die Steuerbelastung von Unternehmen und Bürgern durch Ölimportsteuer, durch Chemiesteuer, durch eine 10 %ige Abgabenerhöhung, wie sie gar Herr Farthmann vorschlägt, und durch andere Formen von Energiesteuern zu erhöhen. Meine Damen und Herren, damit töten Sie den Aufschwung ab und vernichten Arbeitsplätze.
Deswegen bitte ich Sie: Denken Sie um, helfen Sie mit, daß ein freiheitliches Wirtschaftskonzept in



Wissmann
Zukunft auch in der Sozialdemokratischen Partei auf breitere Unterstützung stößt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019806500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mitzscherling.

Dr. Peter Mitzscherling (SPD):
Rede ID: ID1019806600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wachstum, Preisstabilität, Außenhandelsüberschüsse, mehr Arbeitsplätze — ein großer Erfolg der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung; so hat es der Bundeswirtschaftsminister erklärt.

(Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

Es gibt nur einen leichten kleinen Schatten: Wir haben eben ein bißchen Massenarbeitslosigkeit.
Keiner von uns leugnet, daß das Jahr 1986 ein gutes Jahr werden wird, um das klipp und klar zu sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Aber wir wollen dabei doch nicht verdrängen, daß das, was dieser Jahreswirtschaftsbericht beschreibt, Maßstab für Beurteilungen ist. Wenn ich diesen Maßstab der eigenen Erwartungen anlege, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, dann ist die Gleichung, wie heute schon gesagt wurde, nicht aufgegangen: Lohnzurückhaltung, vermehrte Gewinne — sie sind in der Tat in den letzten Jahren gestiegen — gleich viel mehr Investitionen und gleich erheblich mehr Arbeitsplätze. Das alles hat nicht stattgefunden. 1984 ist ein Investitionsboom ausgeblieben.
Die Anlageinvestitionen der Unternehmen — Herr Bangemann, das steht in Ihren Wirtschaftsberichten —, und zwar ohne Wohnungsbau, aber einschließlich der Wirtschaftsbauten und der Ausrüstungen, sind nur um 0,6 % gestiegen. Im Jahre 1985 sind sie nur um 4,7 % gestiegen, auch unter den Erwartungen, die Sie selbst im Jahr zuvor hatten. Es ist also kein Investitionsboom gewesen. Davon kann keine Rede sein, trotz aller glänzenden Gewinne und trotz des Verzichts der Arbeitnehmer auf erhebliche Teile ihres Lohns.
Die Frage, warum nicht investiert wurde, ist im wesentlichen mit drei Gründen zu beantworten. Der erste Grund waren die schlechten Absatzerwartungen im Inland. Der zweite Grund war, daß die Unternehmen durch die Dollarkursentwicklung und die Aberwitzigkeit dieses Kurses wesentlich irritiert waren. Der dritte Grund war, daß die Realzinsen zu hoch waren und die Entscheidungen der Unternehmer, erhebliche Teile ihrer Gewinne in Geldvermögen anzulegen, erleichtert haben.

(Dr. Ehrenberg [SPD]: Das weiß nur Herr Bangemann nicht!)

Ihre wirtschaftspolitische Strategie, Herr Bangemann, durch eine rapide Umverteilung zugunsten der Unternehmen die Investitionen anzuregen, ist aus diesen Gründen bislang nicht aufgegangen. Das hat sich in den letzten Monaten etwas geändert. Es zeigen sich erste Anzeichen einer Verbesserung der Investitionstätigkeit.
Wir wollen uns nicht darüber streiten: Es ist eindeutig so, daß erhebliche Teile dessen, was Sie als Ihren wirtschaftlichen Erfolg verbuchen, auf äußere Einflüsse zurückzuführen ist. Die weltweite Konjunkturerholung, der amerikanische Wirtschaftsaufschwung, der gewaltige Dollaranstieg — das hat Ihnen ein Exportkonjunkturprogramm beschert, aber investiert wurde deshalb kaum. Wir haben Sie immer vor dem Glauben gewarnt, daß die Unternehmen allein wegen günstiger Gewinnentwicklung investieren würden. Wir haben Ihnen stets gesagt: Es müssen Absatzerwartungen hinzukommen, und zwar sowohl im Inland als auch im Ausland. Stabile Absatzerwartungen auf dem Auslandsmarkt bedeuten in jedem Fall kalkulierbare Wechselkursentwicklungen.
Wir haben Sie immer wieder gedrängt, die Weltwirtschaftsgipfel dazu zu nutzen, internationale Absprachen über eine Stabilisierung der Wechselkursentwicklung zu erreichen. Dagegen haben Sie sich massiv gesträubt. Sie haben gesagt: Das ist die Entscheidung des Marktes.
Jetzt gibt es Devisenmarktinterventionen, die Sie zunächst verteufelt haben. Erst unter dem Druck des amerikanischen Finanzministers Baker haben Sie sich schließlich eines Besseren besonnen.
Inzwischen ist der Dollar gesunken. Wenn man den Unternehmensumfragen glaubt, dann ist bei einem heutigen Dollarkurs von 2,31 DM für viele Unternehmen die „Schmerzgrenze" deutlich erreicht.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Bringen Sie doch einmal Beispiele dazu!)

Seit Mitte letzten Jahres sinken die in D-Mark gerechneten deutschen Ausfuhrpreise. Das heißt, daß viele Unternehmen seit einem halben Jahr ihre DM-Preise zurücknehmen müssen, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Die Gewinne schrumpfen. Das bedeutet, daß die Exporterträge schlechter werden. Dennoch propagieren Sie, der Investitionsboom werde jetzt erst so richtig beginnen. Was spricht denn eigentlich dafür? Ist es nicht genausogut möglich, daß die Unternehmen, wie sie in den letzten Jahren Geldvermögen angesammelt haben, nun erhebliche Teile dieses Vermögens dafür verwenden, um im Ausland, wo viele ihrer Absatzmärkte liegen, neue Unternehmen zu kaufen?

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)

Und sind denn die extrem hohen Realzinsen von gegenwärtig 5 1/2 bis 6 % nicht ebenfalls ein Hemmnis für mehr Unternehmensinvestitionen? Japan hat in letzter Zeit seine Zinsen drastisch gesenkt, um die Binnenkonjunktur anzustoßen. Sie, Herr Bangemann — das wurde ja heute schon gesagt —, haben damals bei Ihrem Amerikabesuch ausgeplaudert, es stehe eine konzertierte Zinssenkungsrunde bevor, um eine von uns immer wieder geforderte akkordierte Zinssenkungsbemühung einzuleiten. Das wäre nötig gewesen. Aber dazu ist es leider nicht gekommen.

(Beifall bei der SPD)




Dr. Mitzscherling
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie können sich heute so viel bejubeln, wie Sie wollen, und das Jahr 1986 mag noch ein ausgezeichnetes Exportjahr werden. Aber die Exportkonjunktur geht zu Ende. Sie muß zu Ende gehen. Denn die USA wollen und müssen von ihrem enormen Handelsbilanzdefizit herunterkommen, und dies kann nur zu Lasten der Leistungsbilanz der Bundesrepublik und der Leistungsbilanz der Japaner gehen.
Wir Sozialdemokraten haben Sie schon im letzten Jahr aufgefordert, für diesen Fall Vorsorge zu treffen und einiges zur Stärkung der Binnenkonjunktur zu tun. Übrigens standen wir mit dieser Forderung nicht allein. Auch Graf Lambsdorff verlangte Steuertarifkorrekturen in einem Schritt, und Herr Strauß warnte davor, sich zu Tode zu konsolidieren. Nur, Herr Stoltenberg hat dies alles abgelehnt.
Sie müßten heute bei einem Dollarkurs von 2,31 DM — und es ist noch keinesfalls ausgemacht, ob dieser Kursabschwung damit schon zu Ende ist — über solche Maßnahmen ernsthaft nachdenken, wenn — Sie haben Glück — Saudi-Arabien nicht einen Preiskrieg begonnen hätte, Herr Kittelmann. Dann hätten Sie nicht diese Schützenhilfe gehabt, die Ihnen heute ein Konjunkturprogramm zur Stärkung der Binnennachfrage beschert hat.

(Dr. Schwörer [CDU/CSU]: Das Glück des Tüchtigen!)

Wir sollten uns darüber im klaren sein, Herr Schwörer, daß wegen der sich erhöhenden Produktivität damit noch keine Entlastung für den Arbeitsmarkt verbunden sein muß. Das sagt übrigens das Ifo-Institut.
Aber natürlich: Diese Ölpreissenkung ist ein Konjunkturprogramm — allerdings, und das kann keiner heute sagen, möglicherweise nur für ein bis zwei Jahre. Keiner weiß, wie lang das dauern wird. Man muß davon ausgehen, daß der Ölpreiskrieg gänzlich andere Ziele verfolgt, nämlich die Kartellpartner zu größerer Disziplin zu bekehren und die bisherigen Außenseiter in das Kartell hineinzuzwingen.
Es wäre also völlig verfehlt, zu glauben, daß sich nun alle Probleme von selber lösen, daß die Wirtschaftspolitik richtig war und daß alles, was von anderen vorgeschlagen wird von vornherein unsinnig ist. Dies wird Sie nicht davon abhalten dürfen, international tätig zu bleiben. Es wird nach wie vor darauf ankommen, die Verschuldungsprobleme in der Dritten Welt, die sich in einigen Staaten infolge des Ölpreisverfalls enorm verschärft haben, anzupacken. Es gibt nach wie vor die amerikanischen Haushaltsprobleme. Es gibt Untersicherheit im Weltwährungssystem. Schließlich halten die protektionistischen Tendenzen an, die uns durch unrealistische Wechselkurse beschert worden sind, und erfahren neuen Auftrieb.
Aber, Herr Bangemann, auch unsere Handelspolitik ist weiter gefordert. Sie haben im vorigen Herbst dazu etwas, wie Sie sagten, völlig Neues vorlegen wollen: ein in sich geschlossenes Außenhandelskonzept mit neuen Möglichkeiten. Das entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eine gute, säuberliche Zusammenstellung der bisherigen außenwirtschaftlichen Aktivitäten. Aber es ist im wesentlichen auf Exportförderungsmaßnahmen gerichtet. Doch nicht nur darum kann es gehen. Wer exportieren und Absatzmärkte sichern und erhalten will, muß sich auch Gedanken darüber machen, wie man Import fördern kann. Denn wir müssen importieren. Das gilt in besonderem Maße für den Ost-WestHandel. Der Bundeskanzler hat erst kürzlich erklärt, die Möglichkeiten wirtschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Ost und West seien noch nicht ausgeschöpft. Recht hat er. Doch, meine Damen und Herren von der Koalition, eines muß klar sein: Der Handel mit den RGW-Staaten wird nur dann auszuweiten sein, wenn wir diese Staaten beim Absatz ihrer Produkte bei uns und auf Drittmärkten und bei der Modernisierung ihrer Produktion noch mehr unterstützen. Auch das ist Außenwirtschaftspolitik, Herr Bangemann. Denn erst dann kann sie zu einer wirklichen Politik der Zusammenarbeit zwischen Ost und West und West und Ost werden.
Wir Sozialdemokraten haben mit Willy Brandt und Helmut Schmidt diese Politik vorangebracht, weil sie der Entspannung dient. Wir fordern Sie auf, alle Möglichkeiten zu nutzen, diese Politik fortzusetzen und auszubauen, damit der Frieden auch durch Handel sicherer wird.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019806700
Das Wort hat der Abgeordnete Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID1019806800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gewichte in der Diskussion über den Jahreswirtschaftsbericht 1986 wären noch vor wenigen Wochen von vielen Rednern anders gelagert worden. Der unerwartete und radikale Verfall der Erdölpreise zeigt, wie viele Prognosen schnellebig sind und sich rasch verändern können. Für die CDU/CSU heißt das, unabhängig von Prognosen unsere erfolgreiche Wirtschaftspolitik fortzusetzen. Das betrifft nicht nur die inzwischen — Herr Mitzscherling, ich kann mich an Ihre Rede vor einem Jahr erinnern —

(Roth [SPD]: Den Bausektor in Berlin!)

erfreuliche Entwicklung in der Binnenwirtschaft, sondern auch kontinuierliche, durch flankierende Hilfe sich abzeichnende Erfolge in der Außenwirtschaft.
Im Bereich des Wirtschaftswachstums hat die Außenwirtschaft wesentlich zur Kontinuität beigetragen. Wir wissen, daß eine kontinuierliche positive Wachstumsentwicklung nicht allein auf den Export gestützt werden kann. Deswegen freuen wir uns, daß jetzt auch binnenwirtschaftlich die Impulse immer stärker werden.
Die Sozialdemokraten haben das immer angezweifelt.

(Schreiner [SPD]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)




Kittelmann
Zu den letzten Daten, die Sie, Herr Mitzscherling, eben genannt haben, darf ich kurz feststellen: Unsere Wirtschaftspolitik hat dazu geführt — die Zahlen beweisen es; wenn Sie doch nur einmal die Statistik richtig lesen würden! —, daß sich das Investitionsklima nachhaltig verbessert hat. Die Investitionspläne der Unternehmen erhöhen sich in letzter Zeit kräftig. Einige Branchen vermelden bereits Kapazitätsengpässe. Fast ein Drittel aller Unternehmen nennt als Hauptinvestitionsmotiv die Kapazitätserweiterung. Das kommt unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit zugute. Die Unternehmen richten sich auf Expansion ein.
Ich habe ja Verständnis dafür, daß den Sozialdemokraten diese positive Politik nicht paßt, weil sie ihren Wählern zu erklären versuchen, daß sie die bessere Politik machen. Aber man kann doch deshalb nicht so brutal an der Wahrheit vorbeigehen.
Unsere Wettbewerbsfähigkeit hat sich — im Gegensatz zu dem, was immer wieder gesagt wird — in den letzten Jahren erheblich verbessert. Die meisten unserer Produkte können sich trotz des sich abschwächenden Dollarkurses auf den internationalen Märkten behaupten.
Herr Roth hat ja seine erste Viertelstunde nur zu Plaudereien genutzt. Er hätte sie an sich sehr gut nutzen können, um uns einmal klarzumachen, wo eigentlich das Wirtschaftsprogramm der SPD bleibt. Dann hätte man eindeutig feststellen können, welches eigentlich die Alternative ist; denn auch uns käme es zugute, wenn konkrete Impulse von Ihnen kämen. Wo etwas zu lernen ist, wollen wir das schließlich auch aufnehmen.

(Zurufe von der SPD)

Ich darf zu den Ölpreissenkungen folgendes sagen. Für den Bundesbürger ergibt sich aus dem Verfall des Ölpreises — so die Bundesbank — ein realer Wohlstandsgewinn von etwa 16 Milliarden DM. Vielleicht ist er sogar höher. Wir wissen, die derzeitigen Ölpreissenkungen sind durch drei Entwicklungen eingetreten. Erstens. Durch den Kursrückgang des Dollars sind die Öleinfuhren labil geworden. Zweitens. Der Einsatz anderer Energieressourcen hat dazu geführt, daß das Öl in verschiedenen Marktbereichen durch andere Energieträger, wie z. B. die Kernenergie und die Kohle, ersetzt wurde. Drittens. Mit dem Ersetzen des Rohöls durch andere Energieträger und der Erschließung des Nordseeöls ist das OPEC-Kartell zusammengebrochen. Durch ein gleichzeitiges Auftreten dieser drei Faktoren wird der Verfall des Ölpreises begünstigt.
Diese kurzfristigen Signale können nicht als Indikator für die langfristige Entwicklung des Preises am Weltenergiemarkt gesehen werden. Die derzeitige Entwicklung am Mineralölmarkt ist kein Indiz für einen Überfluß an Rohöl. Ö1 bleibt aus geologischen Gründen ein knappes Gut, und wir haben allen Anlaß, dies immer wieder in Erinnerung zu bringen. Verbraucher und Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland sollten sich daher in ihrem Bestreben, weiter Energie einzusparen, nicht ablenken lassen.

(Gerstein [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Dies gilt auch angesichts der sinkenden Ölpreise. Die Verbraucher können wahrscheinlich in nächster Zeit auf weitere Benzin- und Heizölpreissenkungen rechnen. Erfreulicherweise — dies kann man hier auch mal loben — haben die Mineralölgesellschaften diese Preissenkungen unmittelbar an die Verbraucher weitergegeben. Dies ist ein positives Beispiel dafür, daß ein Markt auch in dieser Branche sehr gut funktionieren kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, die CDU/CSU begrüßt die Entlastung für die Bundesbürger. Die CDU/CSU begrüßt auch die klare Erklärung der Bundesregierung, daß die positive gesamtwirtschaftliche Auswirkung niedriger Ernergiepreise voll zum Tragen kommen soll. Es wird keine Einführung einer Ölimportsteuer und keine Anhebung der Mineralölsteuer geben. Entscheiden wird der Markt. Die SPD befindet sich mit ihren Forderungen auf dem Holzweg. Wir werden ihr nicht zustimmen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich darf den Entschließungsantrag, den die CDU/ CSU und die FDP nachher zur Abstimmung bringen werden, hier kurz verlesen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag begrüßt die Absicht des Bundesregierung, allen aus der SPD bekanntgewordenen Plänen zur Einführung einer Ölimport- und Chemiesteuer nicht nachzukommen.
Sie haben allen Anlaß, diesem Antrag mit zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

In der Diskussion um den Ölpreis sollte bei allen positiven Effekten für die Volkswirtschaft der westlichen Industriestaaten nicht vergessen werden, daß die Senkung des Ölpreises insbesondere für die hochverschuldeten und bevölkerungsreichen erdölfördernden Länder mit großen Schwierigkeiten verbunden ist.

(Abg. Wolfram [Recklinghausen] [SPD])

meldet sich zu einer Zwischenfrage)
— Ich lasse keine Zwischenfragen zu. — Herr Mitzscherling, wir stimmen hier völlig überein, daß wir eine gemeinsame Verantwortung dafür haben, daß gerade die Länder, die von den Ölpreissenkungen sehr wesentlich getroffen worden sind, allen voran Mexiko und Nigeria, nicht alleingelassen werden dürfen. Herr Minister Bangemann, ich habe mit Genugtuung gehört, daß auch die Bundesregierung dieses Problem als eine Herausforderung versteht, diese Länder nicht alleinzulassen. Denn es wäre wirklich fatal, wenn gerade der Baker-Plan, der



Kittelmann
sich ja als Beispielland Mexiko auserkoren hatte und der den einzigen Lichtblick für konkrete langfristige Entschuldung der Entwicklungsländer darstellt, durch diese neue Situation zu einem nicht mehr wirksamen Mittel werden sollte. Die Bundesrepublik Deutschland muß sich nicht vorwerfen, bei der Überwindung der Verschuldungskrise nicht laufend konstruktive Hilfe anzubieten. Aber gerade die jetzige Situation eines allgemeinen Wirtschaftsaufschwungs in den Industrieländern verpflichtet uns besonders, konkretes und solidarisches Verhalten gegenüber Ländern der Dritten Welt zu beweisen. Es bleibt die Politik der CDU/CSU, die Bundesregierung zu ermuntern, wo immer möglich sich für eine liberale Handlungspolitik einzusetzen.
Das darf aber die Bundesregierung nicht hindern, sich neuen Anforderungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten anzupassen. Deswegen begrüßt die CDU/ CSU die ersten Schritte — ich sage bewußt: die ersten Schritte — zu einer Verbesserung der Wirtschaftsdienste in den deutschen Botschaften wie auch die angestrebte Verbesserung der Zusammenarbeit mit den Außenhandelskammern. Die CDU/ CSU wird sich weiteren Verbesserungen, die notwendig sind, nicht entziehen, sondern sie unterstützen. Das bedeutet für Wirtschaftsräume, in denen wir trotz aller Anstrengungen noch erheblichen Nachholbedarf haben, z. B. den pazifischen Raum und China, eine Verbesserung der flankierenden Maßnahmen. Meine Damen und Herren, in neuen Märkten, wie etwa im China-Handel, heißt es langfristige Arrangements einzugehen und nicht auf kurzfristige Erfolge zu hoffen. Nicht nur der ChinaHandel, sondern auch der Ost-Handel erfordert erhöhte Aufmerksamkeit der deutschen Außenwirtschaft. Die kommenden Messen, nicht nur in Leipzig, werden aber beweisen, wie unflexibel das östliche Wirtschaftssystem noch immer ist. Ohne Mut zu einer grundsätzlichen Änderung des zentralen Wirtschaftssystems werden sich die Ostblockstaaten auch weiterhin selbst im Wege stehen. Wir werden mit Interesse den Parteitag der KPdSU verfolgen, und ich darf schon jetzt voraussagen, daß wir dort keine Verbesserung des wirtschaftlichen Systems erfahren werden.
Meine Damen und Herren, unter außenwirtschaftlichen Gesichtspunkten kann nicht häufig genug wiederholt werden, daß eine liberale Handelspolitik vor allem von den westlichen Industrieländern beispielhaftes Verhalten fordert. Dies gilt vor allen Dingen bei der Umsetzung von Beschlüssen gegen den Protektionismus. Die CDU/CSU sieht z. B. den Protektionismus in den USA mit Sorge; sie war aber immer der Meinung, daß es uns wenig bringt, wenn die Handlungen der EG im wesentlichen darin bestehen, daß man bei jeder protektionistischen Maßnahme in den USA mit Revanchefouls antwortet. Der deutschen Industrie ist — in ihrem eigenen Interesse wie im Interesse ihrer Kunden — an der Verbesserung und der Stabilisierung der Welthandelsbedingungen gelegen; denn Protektionismus und Dirigismus — man kann es nicht oft genug sagen — lösen keine Probleme, sie führen in immer neue Sackgassen, verzerren den Außenhandel, verengen Wachstumsspielräume

(Roth [SPD]: Das gilt vor allem für die Berliner Bauwirtschaft!)

und mindern weltweit die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt. Faires Verhalten in der internationalen Arbeitsteilung kommt längerfristig allen Beteiligten zugute. Die CDU/CSU sieht gerade bei Erfolgen in bezug auf eine steigende binnenwirtschaftliche Nachfrage mit Genugtuung, daß wir die Außenwirtschaft nicht vernachlässigen. Die Bundesregierung wird bei der Durchführung dieser Politik immer wieder ermuntert und unterstützt werden.
Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019806900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller (Bremen).

Dr. Joachim Müller (GRÜNE):
Rede ID: ID1019807000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kittelmann, das irritiert schon sehr! Es irritiert schon sehr, wenn Sie für die Berliner CDU für mehr Bauinvestitionen eintreten. Wie haben wir das zu verstehen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN und der SPD)

Was haben Sie damit gemeint? Ich möchte darüber keine Spekulationen anstellen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN — Kittelmann [CDU/CSU]: Sind Sie dünn!)

Zur Wirtschaftspolitik der Bundesregierung: Programmatisch haben Sie immer behauptet: Wir wollen nichts tun; Marktwirtschaft soll sich wieder lohnen. Das war ja Ihr Programm. Man muß sagen, Sie haben eine Wirtschaftspolitik gemacht, die mich sehr an Hans-guck-in-die-Luft erinnert,

(Stockhausen [CDU/CSU]: Genauso sehen Sie auch aus!)

nicht an Hans im Glück, sondern an Martin im Glück. Man muß sich das einmal vorstellen: erst ein Exportboom auf der Grundlage eines ansteigenden und sehr hohen Dollars — dafür können Sie gar nichts —, und danach, als der Kurs zusammengefallen ist, haben Sie wegen des Benzinpreisverfalls zusätzliche Kaufkraft und zusätzliche Nachfrage in Höhe von ungefähr 8 Milliarden; manche sprechen von 15 Milliarden. Man muß sich die Dimensionen einmal vorstellen! Das letzte Keynesianische Programm der Sozialdemokratie, Herr Roth, betrug lächerliche 4,5 Milliarden an zusätzlicher Kaufkraft; er war das Zukunftsinvestitionsprogramm. Das heißt, meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben nichts getan, aber Sie haben Schwein gehabt.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Nun könnte man meinen, daß auf der Grundlage des Benzinpreisverfalls folgendes zustande kommt: daß jeder Bundesbürger für die Wahl 1987 an jeder Zapfsäule zusätzlich noch ein bißchen Optimismus tankt. Doch dafür gibt es keinen Grund und keinen Anlaß; denn Sie sind ja nicht bereit, eine wirklich



Dr. Müller (Bremen)

aktive Beschäftigungspolitik zu betreiben. Sie müßten bereit sein, nicht nur im Sinne von Windfall-Profits von der zusätzlichen Kaufkraft auf Grund des Benzinpreisverfalls zu profitieren. Manchmal habe ich ja den Eindruck, wäre das den Sozis oder uns passiert, würden Sie j a behaupten, wir würden mit Yamani und Gaddhafi unter einer Decke stekken. So ein Glück haben Sie, so ein Glück!

(Heiterkeit und Zustimmung bei den GRÜNEN — Kittelmann [CDU/CSU]: Stecken Sie mit denen nicht unter einer Decke? Sagen Sie doch einmal etwas dazu!)

Aber, meine Damen und Herren von der CDU, Wirtschaftspolitik heißt heutzutage, den Mut zu haben, auch gestaltend zu wirken, und zwar in Richtung Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und in Richtung Umweltschutz. Deswegen fordern wir GRÜNEN ausdrücklich, daß die zusätzlichen Einnahmen, die angesichts des Benzinpreisverfalls durch eine zusätzliche Besteuerung möglich sind,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sonst fällt euch auch nichts ein!)

aufgenommen werden und daß diese Gelder für Umweltmaßnahmen investiert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN )

Meine Damen und Herren von der CDU, was nützt uns denn dieses bißchen Optimismus auf Grund des Benzinpreisverfalls? Was nützt es, wenn das Benzin billig ist, aber der Wald stirbt? Das kann nicht unser Ziel sein!
Solche Umweltinvestitionen könnten auch Arbeitsplätze schaffen. Das wäre eine Möglichkeit, jenseits dieses Ihres Opportunismus, der darin besteht, daß einfach nur kassiert wird, wirklich gestalterisch Wirtschaftspolitik zu machen. Das Erdöl zusätzlich besteuern, den Benzinpreis auf dem alten Niveau halten und die Gelder für Umweltmaßnahmen investieren, das wäre Wirtschaftspolitik nicht nur nach grüner Art; das würde all denjenigen Menschen eine Chance geben, die heutzutage Arbeitsplätze brauchen, und würde den Menschen eine Hoffnung geben, die wirklich etwas für die Umwelt tun wollen. Darauf käme es an.
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie haben ja soeben vor dem rot-grünen Kabinett gewarnt. Sie sind doch beschäftigungspolitisch ein Schreckenskabinett gewesen. Sie haben doch nichts getan, um mit Maßnahmen das Leid dieser Leute auch nur ansatzweise zu mildern.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie machen alles mies und damit alles kaputt! Sie sind eine Miesmacherpartei!)

Sie haben die Umwelt kaputtgespart, Sie haben den Arbeitsmarkt kaputtgespart und haben sich damit auch noch gebrüstet.

(Dr. Langner [CDU/CSU]: Und Sie haben keine Ahnung!)

Insofern wird Ihre Wahlkampfrechnung, mit dem
rot-grünen Kabinett zu drohen, angesichts der realen Erfahrung, die wir in Ihrer Umweltpolitik und
in Ihrer Arbeitsmarktpolitik machen müssen, nicht aufgehen.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019807100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kraus.

Rudolf Kraus (CSU):
Rede ID: ID1019807200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich auch über die Feststellung, die Herr Müller hier getroffen hat, daß diese Regierung mit einer guten Portion Glück für das kommende Jahr zu rechnen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das wird uns sicher helfen. Aber Sie wissen ja, nur der Tüchtige hat auf Dauer auch Glück.

(Roth [SPD]: Das letztere war richtig, „auf Dauer" nicht!)

— Herr Roth, auf Ihre Ausführungen werde ich noch etwas näher eingehen; vielleicht sollte ich das gleich am Anfang tun.
Ihre Kritik hat sich im wesentlichen darauf beschränkt, krampfhaft irgendwelche Punkte aufzufinden, die es erlauben, dieser Regierung am Zeug zu flicken. Konstruktiv haben Sie offensichtlich nichts gebracht. Selbst von Ihrem Programm „Arbeit und Umwelt", das Sie immer wieder ins Gespräch bringen, müßten Sie doch wissen, daß es auch im Hearing selbst von den DGB-Gewerkschaften praktisch abgelehnt worden ist;

(Roth [SPD]: Das ist ja nicht wahr!)

es wurde zerrupft, man sagte, die Art, wie Sie es finanzieren wollen, sei letztlich arbeitnehmerfeindlich. Mit diesem Urteil wurde dieses Programm ja zunächst einmal auch von Ihnen in Wahrheit ad acta gelegt. Es gibt also keine wirklich durchdachten Alternativen, wie wir mit der Arbeitslosigkeit schneller und besser fertig werden könnten, als es die Regierung im Augenblick tut. Das alte Patentrezept Arbeitszeitverkürzung hat, wie Sie im vergangenen Jahr durchgeführt worden ist, ja in Wahrheit nichts gebracht. Daß zufällig in den Bereichen, wo man die Wochenarbeitszeitverkürzung durchgeführt hat, auch mehr Leute eingestellt worden sind, hängt j a damit zusammen, daß eben ausgerechnet dort die Konjunktur besonders angezogen hat.

(Zuruf von der SPD)

Es gibt auch ein anderes Beispiel, nämlich das der Vorruhestandsregelung. Da stellt sich nunmehr heraus, daß die Vorruhestandsregelung ganz sicher nicht ohne Probleme ist. Denken Sie nur an die leeren Sozialkassen des Baugewerbes. Diese Dinge haben also in der Vergangenheit keine echte Entlastung bringen können.
So ist es auch mit dem alten Vorschlag, die Zahl der Überstunden zu reduzieren. Wo werden denn Überstunden gemacht? Überstunden werden vor allem dort gemacht, wo man die Fachleute, die man



Kraus
zusätzlich einstellen will, nicht bekommt. Solche Gebiete gibt es in großer Menge.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: So ist die Wirklichkeit!)

Ich möchte mich auch mit aller Entschiedenheit gegen die Behauptung wehren, von uns werde die Auffassung vertreten, daß die meisten Arbeitslosen in Wahrheit nicht arbeiten wollten. Diese Behauptung ist natürlich genauso falsch wie etwa die Behauptung, daß jeder Arbeitslose mit demselben ungeheuren Drang an die Werkbank drängt. Beides ist so einfach nicht richtig. Wir wissen natürlich, daß es heute Gegenden gibt, in denen es für jemanden, der wirklich arbeitswillig ist und keine besonderen Ansprüche stellt, sehr schwer ist, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Wir wissen aber auch gleichzeitig, daß es Gegenden in der Bundesrepublik gibt, in denen manche Leute etwas sehr hohe Bedingungen an ihren Arbeitsplatz stellen und daß eben an diesen Bedingungen die Arbeitsaufnahme scheitert. Wenn das von Leuten geleugnet wird, die sich als die Partei der Arbeitnehmer bezeichnen, so bin ich der Meinung, daß die wirklichen Arbeitnehmerinteressen von dieser Partei nicht mehr wahrgenommen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sondern von uns!)

Selbstverständlich müssen auch die Ausgaben für diese Leute von der breiten Arbeitnehmerschaft bezahlt werden. Wer bezahlt sie denn sonst? Also hier gehen die Dinge wohl etwas durcheinander.
Noch ein Wort zu Herrn Roth, weil er uns sagen wollte, wie das eigentlich geht: Was ich feststelle, Herr Roth, ist, daß es interessanterweise einen Bereich in der Bundesrepublik gibt, der ganz besonders konkursanfällig ist und in dem besonders viele — prozentual gesehen — Arbeitsplätze vernichtet werden. Das ist der Bereich der gemeinwirtschaftlichen Wirtschaft. Dort wird ganz besonders viel kaputtgemacht.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Erzählen Sie doch nicht solchen Unsinn!)

Soviel ich weiß, kommen auch Sie aus diesem Bereich. Deswegen braucht man sich über die Vorschläge, wo man offensichtlich sehr genau weiß, wie man ausgeben will, wo aber ganz große Unklarheit darüber herrscht, wie das hereingebracht werden soll, letztlich nicht zu wundern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte mich mit aller Entschiedenheit gegen die Behauptung wehren, daß diese Bundesregierung zuwenig auf dem Sektor Arbeitsmarkt getan habe.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Sie hat gar nichts getan!)

Es gibt eine ganze Menge von Erfolgen, die hier nicht oft genug vorgetragen werden können. Denken Sie an die Zahl der Beschäftigten, die von Ende 1980 bis zum Frühjahr 1983 um eine volle Million zurückgegangen war und seit dem Frühsommer
1984 wieder deutlich angestiegen ist. Die Zahl der Kurzarbeiter war 1983 mit 1,2 Millionen wahnsinnig hoch und ist heute auf eine Zahl zurückgegangen, die durchaus der in normalen Zeiten entspricht,

(Zuruf von der SPD: Steigt aber wieder!)

jedenfalls so niedrig ist, daß man davon sprechen kann, daß in den Betrieben keine nennenswerten Arbeitskräftereserven mehr vorhanden sind.
Ein weiteres interessantes Zeichen ist auch der Anstieg der Zahl der offenen Stellen,

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

wobei ich meine, daß diese Zahl sehr viel höher ist, als sie offiziell angegeben wird. Es vergeht doch wirklich keine Versammlung mit Leuten aus der Wirtschaft, in der nicht vehement Klage darüber geführt wird, daß das Arbeitsamt nicht in der Lage sei, die angeforderten Arbeitskräfte — übrigens unterschiedlicher Berufsgruppen — tatsächlich auch zur Verfügung zu stellen. Ich denke, daß die Arbeitgeber auch in zu großem Umfang darauf verzichten, freie Arbeitsplätze dem Arbeitsamt zu melden, ein Verhalten, das ich zwar aus einer Reihe von Gründen verstehen kann, das uns aber politisch überhaupt nicht hilft und sicher auch nicht im wohlverstandenen Interesse der Arbeitgeber und natürlich auch der Arbeitnehmer ist.
Es gibt einen Bereich in der deutschen Wirtschaft, dessen Probleme ich ganz kurz anschneiden möchte, weil er meines Erachtens zu den Sorgenbereichen gehört, denen wir unsere volle Aufmerksamkeit widmen müssen. Das ist der Bereich der Bauwirtschaft. Zweifelsohne ist es so, daß dort die Konjunktur nicht die wünschenswerte Entwicklung genommen hat. Es wird im Bau zuwenig investiert. Selbstverständlich wissen auch wir, daß es in vielen Gegenden der Bundesrepublik nicht mehr sinnvoll ist, zusätzliche Wohnungen zu bauen. Aber es gibt doch einen Riesenbedarf an Stadtsanierung, an Verbesserung der Infrastruktur, an Baumaßnahmen zur Verhinderung von Umweltschäden bzw. zur Wiederherstellung einer gesunden Umwelt. Alle diese Dinge müßten jetzt gebaut werden.
Es ist deshalb dringend erforderlich, daß alle Gebietskörperschaften den Investitionsausgabenanteil ihrer Haushalte deutlich erhöhen. Es gibt ein Beispiel — und das ist Bayern —, wo es auf diesem Sektor wirklich vorangegangen ist. Bayern hat gezeigt, wie so etwas gemacht werden kann. Die Verhältnisse in der bayerischen Bauwirtschaft sind auch deutlich besser als in der anderer Länder. Das, was ich jetzt behauptet habe, mag für Baden-Württemberg vielleicht nicht gelten, aber für viele andere Länder gilt es ganz sicher. Hier etwas mehr zu tun, würde sicher gut sein.
Es gibt auch noch einen anderen Grund, warum gerade jetzt Bauinvestitionen gefragt sind. Wir werden erleben, daß in wenigen Jahren die Zahl der jungen Leute, die in einen Beruf eintreten wollen, sehr zurückgehen wird. Bereits jetzt zeigt sich, daß in Ballungsgebieten, in denen viele Lehrstellen angeboten werden, Lehrstellen im Bereich des Bauwesens frei bleiben — was selbstverständlich ist; denn



Kraus
wer will schon in eine Branche gehen, die keine besonders sicheren und, im Verhältnis zu anderen gleichbezahlten Arbeitsplätzen, keine besonders guten Arbeitsplätze bereitstellen kann? Das heißt, es wird einen natürlichen Rückgang der Bauarbeitnehmerzahl geben. Das sollte man bereits jetzt berücksichtigen.
Ansonsten ist einfach zu erwarten, daß irgendwann einmal das Pendel zurückschlägt, die Baupreise nicht mehr niedrig sind, sondern wieder relativ hoch werden und das, was man heute vermeintlich einspart, später mehrfach draufzahlen muß, nämlich dann, wenn die Firmen ihren Preisspielraum voll nutzen werden. Ich denke, wir sollten auf diesem Sektor noch sehr viel mehr tun als das, was bisher geschehen ist. Das gilt nicht nur für den Bund, sondern das gilt für alle Gebietskörperschaften.
Ich glaube, wenn wir in diesem Wirtschaftsbereich noch Erfolge erzielen, werden wir mit dem Ergebnis des kommenden Jahres zufrieden sein können.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019807300
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.

Rudolf Ruf (CDU):
Rede ID: ID1019807400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt überhaupt keinen Zweifel, daß sich die Bauwirtschaft unseres Landes nach Auslaufen der steuerlichen Vergünstigungen Ende 1984 seit Anfang 1985 in einer schweren strukturellen und konjunkturellen Krise befindet. Die Bauwirtschaft, einst Schlüsselbranche in den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Kriege, wurde zur kräftigen Bremse für gesamtwirtschaftliches Wachstum und für den Arbeitsmarkt.

(Roth [SPD]: Kein Wort darüber vom Wirtschaftsminister!)

— Warten Sie doch ab, Herr Roth. Denken Sie lieber über die Neue Heimat nach.

(Beifall bei der CDU/CSU) Das ist eine teure Heimat.


(Roth [SPD]: Kein Wort vom Wirtschaftsminister!)

Denken ist allen erlaubt, aber manchen bleibt es erspart.
Die Ursachen für die Misere am Bau sind vielschichtig. Kurzfristige konjunkturelle und witterungsbedingte Einflüsse können eine Rolle spielen. Entscheidend sind jedoch strukturelle Faktoren. Sie stellen das Baugewerbe in seiner Gesamtheit vor die Notwendigkeit einer Kapazitätsanpassung, die ohne Zweifel schmerzlich für die Unternehmen und die darin beschäftigten Arbeitnehmer ist.
Die Strukturkrise tangierte und tangiert besonders den Wohnungsbau. Auf diese Sparte entfiel mit rund 40 % der größte Anteil am Umsatz des Bauhauptgewerbes. Strukturell dämpfende Einflüsse im Wohnungsbau gehen von der stagnierenden bzw. rückläufigen Wohnbevölkerung aus. Damit verbunden ist eine Sättigung des Marktes, vor allem im Mietwohnungsbau. Die von der jetzigen SPD-Opposition und dem Mieterbundpräsidenten im Bundestagswahlkampf 1983 — Herr Roth, passen Sie gut auf, jetzt kommt etwas für Sie — gezeichnete Horrorvision: 40 Millionen Mieter werden vogelfrei, 30% Mietsteigerung fließen in die Taschen der kapitalistischen Hauseigentümer, ist nicht Realität geworden.
Die traurige Bilanz mit 18 Milliarden DM Schulden, 10 Milliarden DM „verbratener" staatlicher Förderung, vielen verunsicherten Mietern und einem gestörten Wohnungsmarkt blieb dem Mißmanagement und der Unfähigkeit der DGB-Spitzenfunktionäre im Aufsichtsrat der „Teuren" Heimat, fast ausnahmslos SPD-Mitglieder, vorbehalten, wie die Entwicklung leider gezeigt hat.
Meine Damen und Herren, der Markt für das Baugewerbe, vor allem aber für das Ausbauhandwerk hat sich vom Neubau zur Altbauerneuerung verlagert. Noch zu Anfang der 70er Jahre lag der Wert des Anteils an den Baumaßnahmen im Bereich der Renovierung und Modernisierung etwas über 20%. Inzwischen liegt er bei über 35%, mit steigender Tendenz. Günstigere Entwicklungen waren für den Wirtschaftsbau und die Stadt- und Dorferneuerung zu erkennen.
Auch im Verkehrsbau haben sich die Schwerpunkte verlagert: von Neubau auf Erhalt und Modernisierung. Das Straßennetz ist weitgehend fertig. Das Bauvolumen bei Autobahnen und Fernstraßen wird deshalb insgesamt gesehen rückläufig sein. Das am 30. Januar 1986 verabschiedete Dritte Änderungsgesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen mit dem Bedarfsplan bis zum Jahre 2000 hat dies trotz dem miesen Abstimmungsklimbim der GRÜNEN bestätigt.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das war unparlamentarisch!)

Dagegen zeichnet sich bei Bahn und Post für Schnellstraßen und Verkabelung ein beträchtlicher Neubaubedarf ab.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: „Abstimmungsklimbim" ist unparlamentarisch!)

— Herr Kollege, Ihre Politik läßt sich auf einen einfachen Nenner bringen: Jede Woche einen neuen Schadstoff und Angst als nationales Symbol.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Sehr dünner Beifall, nicht witzig!)

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, daß sich Regierung und Opposition Gedanken darüber machen, wie der Bauwirtschaft die strukturelle und konjunkturelle Anpassung erleichtert werden kann. Die SPD-Fraktion hat in diesem Zusammenhang am 26. April 1985 den Antrag auf Drucksache 10/3274 eingebracht, der auch Gegenstand der heutigen verbundenen Debatte ist und zu dem ich zu sprechen habe.
Wie nicht anders zu erwarten, wurde mit der Krise am Bau — wie jetzt auch bei dem Skandal



Ruf
der Neuen Heimat — von SPD und ihren Hilfstruppen, den DGB-Gewerkschaften, der Ruf nach dem Staat wieder einmal laut.

(Zurufe von der SPD)

Unter Beschäftigungsaspekten werden umfangreiche Stützungsmaßnahmen und Programme gefordert. — Ich weiß, daß Sie das nicht gern hören. Die Erfahrung lehrt aber, daß derartige Förderprogramme keinen Erfolg bringen können, schon gar nicht in Wirtschaftszweigen mit strukturellen Nachfrageschwächen. Die Folge wäre nur ein Hinausschieben und eine weitere Verschärfung der Probleme, von den erheblichen Schulden ganz abgesehen.
Diese Erfahrungen und die daraus allen zugänglichen Erkenntnisse hinderten die SPD-Fraktion aber nicht, im Hearing am 26. Juni 1985 alten Wein in neuen Schläuchen anzubieten bzw. anbieten zu lassen. In einem Acht-Punkte-Programm wurde auf Drucksache 10/3274 eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die in die planwirtschaftlichen ideologischen Denkschablonen der SPD passen. Wir nehmen die Vorschläge der SPD schon ernst, sie können notfalls als schlechtes Beispiel dienen.
Im SPD-Papier waren aber auch einige, zumindest im Ansatz richtige Vorschläge, die die Bundesregierung aber bereits in die Wege geleitet hatte und die weit über die SPD-Vorschläge, allerdings unter Beachtung marktwirtschaftlicher Grundsätze, hinausgehen.
Dazu zählt erstens die weitere Aufstockung der Mittel für die Städtebauförderung. Dazu hat mein Kollege Kraus bereits gesprochen. Ich würde jetzt gerne den Aufgabenkatalog erwähnen, was mir aber mit Blick auf die Uhr nicht möglich sein wird.
Die zweite Maßnahme ist die Erweiterung und Verbesserung zinsgünstiger Kredite aus den ERP- Wirtschaftsplänen 1986 und 1987 mit Schwerpunkt für Umweltschutzmaßnahmen. Auch das wurde hier bereits genannt.
Maßnahme Nummer drei sind bessere Abschreibungen für Wirtschaftsgebäude. Für neue Wirtschaftsgebäude wird der steuerliche Abschreibungszeitraum von 50 auf 25 Jahre gesenkt, die degressive Abschreibung wurde verbessert. Aus Zeitgründen kann ich auch hier nicht auf Einzelheiten eingehen.
Maßnahme Nummer vier: Ausweitung der Förderung nach § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung. Der Einbau von Heizungs- und Warmwasseranlagen in Gebäuden, die zum Zeitpunkt des Einbaus mindestens zehn Jahre alt sind, wurde in die Abschreibungsvergünstigung des § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung einbezogen. Diese Maßnahme begünstigt vor allem Eigentümer selbstgenutzter Wohnungen. Bei der Erneurung von zehn Jahre alten Anlagen sind 18 % Energieeinsparung und 30 % Verminderung der Umweltbelastung möglich.
Bedauerlicherweise konnte die gleichwertige Berücksichtigung aller baulichen und technischen Energieeinsparungsmöglichkeiten im Rahmen des § 82 a Einkommensteuer-Durchführungsverordnung nicht mit einbezogen werden. Auch eine zeitlich begrenzte Abschreibungsmöglichkeit für Renovierung und Modernisierung im Rahmen des § 82 a bis zum Inkrafttreten der neuen steuerlichen Regelung von selbstgenutztem Wohneigentum hätte wesentliche beschäftigungspolitische und konjunkturelle Impulse ausgelöst und die Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit erheblich eingedämmt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Hinweis auf die Verletzung der Steuersystematik ist unlogisch, denn sonst dürften die gleichen Abschreibungen in öffentlich ausgewiesenen Sanierungsgebieten nach § 82 g EinkommensteuerDurchführungsverordnung auch nicht zulässig sein.
Insgesamt kann man feststellen: Mit den eingeleiteten und genannten Maßnahmen setzte und setzt die Bundesregierung ihre Politik der Stärkung der Wachstumskräfte und der soliden Finanzen konsequent fort. Sie stellte und stellt sich zugleich auch der Aufgabe, den notwendigen strukturellen Anpassungsprozeß der Bauwirtschaft zu erleichtern und zu fördern.
Für die weitere Stärkung und Verstetigung der Bautätigkeit wären folgende Maßnahmen wünschenswert: Erstens. Beseitigung von bürokratischen Investitionshemmnissen, wie dies im Baugesetzbuch vorgesehen ist, Entbürokratisierung und Entnormierung im Baubereich, einschließlich der Wirtschaftsbürokratie, z. B. RAL und DIN, zweitens Abbau staatlicher Regietätigkeit und intensivere Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung, drittens Ausweitung bauinvestiver Haushaltsansätze, viertens bedarfsgerechte öffentliche Bauinvestitionen, fünftens Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, sechtens Schwerpunktmaßnahmen für Umweltschutzinvestitionen, siebtens steuerliche Entlastungen im Unternehmensbereich als Voraussetzung für weitere gewerbliche Investitionen, vor allem die Einführung einer steuerstundenden Investitionsrücklage für den Mittelstand, aber nicht nach dem SPD-Modell, achtens Verstetigung und Konsolidierung der Bautätigkeit der öffentlichen Hand durch die strikte Beachtung der VOB, Vergabe zum annehmbarsten, aber nicht zum billigsten Angebot, neuntens Mittelübertragung am Jahresende bei den Vergabestellen der öffentlichen Hand, ohne Kürzungskonsequenzen, um den alljährlich festzustellenden Fertigstellungsdruck zum Jahresende und die damit verbundenen Überstunden zu vermeiden und zehntens Zulassung der Vergabe an Generalunternehmer nur in besonders begründeten Ausnahmefällen, grundsätzliches Verbot der Vergabe an Generalübernehmer.
Meine Damen und Herren, die Bauwirtschaft kann man nicht gesundbeten. Die eingeleiteten Maßnahmen haben aber bereits zu einer wesentlichen Verbesserung der Lage der Bauwirtschaft geführt, die sich 1986 fortsetzen wird. Darüber sind sich die Experten und die Bauwirtschaft einig.
Ich danken Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019807500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jens.

Prof. Dr. Uwe Jens (SPD):
Rede ID: ID1019807600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien sind bemüht, die Optimismusarie in schönen Tönen zu singen. Die Lage und die vorhersehbare Entwicklung ist heute auch zweifellos — das geben wir gern zu — besser als vor einem Jahr.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht „gern"!)

Mir scheinen drei Feststellungen am Anfang meiner Rede und am Ende dieser Debatte doch notwendig zu sein.
Die Koalitionsregierung sollte nicht so tun und irrtümlich den Eindruck erwecken, als wenn das voraussichtliche Wirtschaftswachstum von etwa 3,5 % für 1986 ein Erfolg ihrer Politik sei. Für den nächsten Abschwung des achten Konjunkturzyklus der Nachkriegszeit, der mit Gewißheit kommt, ist keinerlei politische Vorsorge getroffen.
Trotz guter konjunktureller Lage in diesem Jahr wird das innenpolitische Problem Nummer eins, die hohe Arbeitslosigkeit, nicht spürbar vermindert. Es hat sich bisher von Jahr zu Jahr und bis in den Januar dieses Jahres hinein leider verschärft.

(Unruhe)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019807700
Herr Abgeordneter, darf ich Sie einen Moment unterbrechen und etwas mehr Ruhe schaffen?
Für die Kollegen, die wegen der bevorstehenden namentlichen Abstimmung neu hereingekommen sind, sage ich, wir hatten eine interessante Debatte. Wenn Sie die nicht durch Ihre Unterhaltung stören wollen, dann hören Sie bitte den Kollegen zu, die noch zu reden haben.

(Beifall)


Prof. Dr. Uwe Jens (SPD):
Rede ID: ID1019807800
Wir Sozialdemokraten freuen uns über die kräftigen konjunkturbelebenden Wirkungen der gegenwärtigen Ölpreissenkung. Ich darf zu dem Antrag, der uns vorgelegt wurde, einige Bemerkungen machen.
Wir Sozialdemokraten haben auf Drucksache 10/5068 einen Änderungsantrag zu dem Antrag der CDU/CSU auf Drucksache 10/5065 eingebracht. Unserer Meinung nach muß klargestellt werden, daß diese Forderung nach einer Ölpreis- und nach einer Chemiesteuer zuerst vom Vorsitzenden des Sachverständigenrates Herrn Professor Schneider in die Diskussion gekommen ist. Außerdem soll klargestellt werden, daß auch die CDU durch Herrn Gerstein für eine derartige Ölsteuer votiert hat. Wenn diese Änderungen akzeptiert werden, werden wir auch Ihrem Antrag zustimmen. Aber wir haben das Gefühl, daß das alles so ein bißchen zur Veralberung des Parlaments dient. Auf grünem Papier gedruckt machen die Koalitionsparteien offenbar der Grünen-Partei das nach und stellen zu harmlosen Sachen Anträge auf namentliche Abstimmung.
Sicherlich gibt es mehrere Ursachen für diesen Preisverfall beim Rohöl. Eine wichtige Ursache ist aber zweifellos die bis 1980 eingeleitete Energiepolitik der sozialliberalen Koalition. Insofern erntet diese Regierung jetzt die Früchte der politischen Maßnahmen der damaligen Regierung. Die zu erwartende Konjunkturbelebung durch die Ölpreissenkung entspricht nicht dem Glück des Tüchtigen, sondern eher den dicksten Kartoffeln der sprichwörtlich dümmsten Bauern.

(Heiterkeit — Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist denn der Bauer?)

Die Regierung unter Bundeskanzler Kohl gibt sich hier einmal mehr als Windfall-Profiteur und als nichts anderes.

(Beifall bei der SPD)

Hat die konservative Regierung möglicherweise einen Grund zur Angeberei? Mir scheint, es gibt etliche Ziele, die sie nicht erreicht hat. Man sollte sie an dem messen, was sie einmal selbst in die Öffentlichkeit gesetzt hat.
Die Verschuldung des Bundes wollte diese Regierung angeblich drastisch senken. Tatsache ist jedoch, daß die Verschuldung von 309 Milliarden DM im Jahre 1982 auf 390 Milliarden DM im Jahre 1985 gestiegen ist. Sie wäre alljährlich um rund zehn Milliarden höher, wenn Sie die Bundesbankgewinne nicht hinzubekommen hätten. Selbst in Relation zum Volkseinkommen ist die Verschuldung des Bundes von 24 % auf rund 27 % gestiegen. Sagen Sie doch zumindest Ihren Wählern ehrlich: Auf diesem Gebiet haben wir unsere Ankündigungen nicht erreicht.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Weil wir Ihre Zinsen zurückzahlen müssen!)

Im Jahreswirtschaftsbericht, den wir heute diskutieren, wird gegen globale Subventionen erneut großspurig Stellung genommen. Die Subventionen sind jedoch nach Untersuchungen des Instituts für Weltwirtschaft von 1982 bis 1985 um 15 % angewachsen. Auch in Relation zum Volkseinkommen gibt es einen Anstieg der Subventionen, und jetzt werden den Landwirten weitere Milliarden versprochen.

(Beifall bei der SPD)

Sinnvoll wäre es gewesen, statt der Subventionen eine kräftige Erhöhung der öffentlichen Investitionen vorzunehmen. Aber die konservative Regierung hat die finanzpolitischen Weichen in umgekehrte Richtung gestellt, und dies ist und bleibt eine falsche Politik.

(Beifall bei der SPD)

Das Besondere an dem achten Konjunkturzyklus in der Bundesrepublik — den Sie als Aufschwung der Wende für sich reklamieren — ist das außerordentlich ungerechte Verteilungsverhältnis. In keinem anderen Konjunkturzyklus hat sich die Reallohnposition der Arbeitnehmer nach den Statistiken des Sachverständigenrates so stark verschlechtert. Abzüglich der Steuererhöhung und der Preis-



Dr. Jens
steigerung haben sich die Einkommen für Arbeitnehmer von 1982 bis 1985 um 1 %,

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Herr Krupp sieht das aber anders! Fragen Sie ihn doch einmal, was er dazu sagt!)

für Rentner um 1,6 % und für Landwirte sogar um 8 % verringert.

(Hört! Hört! bei der SPD — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Ihr Wirtschaftsberater Krupp sieht das völlig anders! Das hören Sie nicht gern! — Kittelmann [CDU/CSU]: Zur Agrarpolitik würde ich als SPD aber völlig schweigen! Schämen würde ich mich!)

An diesen Bevölkerungsschichten ist Ihr vielgepriesener Aufschwung dieser Regierung bisher völlig vorbeigegangen.
Ich hätte gern noch etwas zu den Perspektiven der sozialdemokratischen Politik gesagt,

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Wo gibt's die denn? — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

die wir auf den Tisch gelegt haben. Wir würden die Zahl der Arbeitslosen in einigen wenigen Jahren mit absoluter Sicherheit

(Kittelmann [CDU/CSU]: Noch erhöhen!) um mehr als 500 000 verringern können.


(Beifall bei der SPD — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Wem haben wir die Arbeitslosen zu verdanken? Wer hat die zwei Millionen Arbeitslosen hinterlassen? — Kittelmann [CDU/CSU]: Unerhört! Billiges Versprechen! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Unser Programm „Arbeit und Umwelt" trägt nach Aussagen des Ifo-Instituts dazu bei, die Zahl der Arbeitslosen um 300 000 bis 400 000 zu reduzieren. Arbeitszeitverkürzungen würden von uns sofort eingeführt, so daß wir dieses Problem mit Sicherheit intensiver angehen und auch Erfolge erreichen würden.

(Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Herr Jens, das hätten Sie doch alles machen können! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Nein, meine Damen und Herren, diese Koalition hat eine Politik betrieben, die am Arbeitnehmer vorbeigegangen ist. Ich stelle fest: Die aus sozialdemokratischer Sicht wichtigen wirtschaftspolitischen Ziele, hohe Beschäftigung und soziale Symmetrie

(Zuruf von der CDU/CSU: Und hohe Inflation!)

haben für diese Regierung nach ihren bisherigen Maßnahmen, nach ihrer bisherigen Politik leider überhaupt keine Bedeutung.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019807900
Das Wort hat der Abgeordnete von Wartenberg.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019808000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir bitte als letztem Redner der Debatte heute morgen, vor der namentlichen Abstimmung noch einmal kurz das zusammenzufassen, was hier heute morgen drei Stunden diskutiert worden ist. Die SPD, insbesondere der Kollege Wolfgang Roth, geht mit folgenden vier Thesen in die Diskussion und verbreitet sie hier und auch draußen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019808100
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter, ich möchte Sie einmal unterbrechen, um Ihnen Ruhe zu verschaffen. — Darf ich die Kollegen bitten, Platz zu. nehmen. Ich stand vorhin schon einmal vor der Notwendigkeit, diejenigen, die neu hinzugekommen sind, um an der Abstimmung teilzunehmen, daran zu erinnern, daß wir hier eine interessante Debatte führen, die dadurch gestört werden kann, daß manche ihr nicht zuhören und über Themen reden, die zur Zeit nicht zur Debatte stehen. Ich bitte um Aufmerksamkeit für den Redner.

(Beifall)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019808200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte zusammenfassen: Die SPD hat hier heute morgen im wesentlichen vier Thesen vertreten; sie tut dies auch draußen.
Sie behauptet erstens: Es gibt keinen Aufschwung.

(Zuruf von der SPD: Quatsch!)

Sie sagt zweitens: Wenn es einen Aufschwung gibt, dann ist er allein dem starken Dollar der vergangenen Monate zu verdanken.
Sie stellt drittens fest: Die nächste Rezession kommt bestimmt, und behauptet, die jetzige Bundesregierung bereitet sich nicht vor, das Problem der Arbeitslosigkeit bis dahin zu regeln.

(Zustimmung bei der SPD)

Viertens: Sie wirft uns vor, wir würden die Arbeitslosigkeit gelassen hinnehmen in der Hoffnung, über die Geburtenentwicklung werde eine Entlastung herbeigeführt.
Erlauben Sie mir, stichwortartig darauf zu antworten.
Erstens. Meine Damen und Herren, das Problem der Arbeitslosigkeit bedrückt uns sehr.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Aber jeder weiß — ohne große Zahlenspielereien vorzunehmen —, die Realeinkommen steigen, die Investitionen nehmen zu, die Erwartungen sind positiv. Wenn man weiß, daß die Arbeitslosigkeit ein konjunktureller „Nachhänger" ist, daß also die Arbeitslosigkeit noch niedrig sein kann, obwohl die Konjunktur sinkt,

(Roth [SPD]: Das ist ein „Durchhänger"!)




Dr. von Wartenberg
und daß die Arbeitslosigkeit hoch sein kann, obwohl sich die Konjunktur bereits wieder in einer Aufwärtsentwicklung befindet,

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das stimmte für die 50er Jahre!)

dann kommt es darauf an festzustellen: Der Trend des Wachstums der Arbeitslosigkeit ist von dieser Bundesregierung gestoppt worden. Wir haben wieder positive Erwartungen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich komme — zweitens — zu der Behauptung, der hohe Dollarkurs habe den Ausschlag für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft gegeben. Meine Damen und Herren, kein seriöser Wirtschaftspolitiker wird bestreiten, daß der hohe Dollarkurs für uns eine Hilfe war, für die wir dankbar sind. Über den Export konnte natürlich ein enormer Beitrag zur konjunkturellen Erholung in der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden. Aber was nutzt der beste Export oder der im Hinblick auf den Export günstigste Dollarkurs, wenn die Rahmenbedingungen hier in der Bundesrepublik nicht stimmen? Erst dadurch, daß die Bundesregierung durch die Haushaltskonsolidierung, durch Steuersenkungen und durch die Schaffung von Leistungsanreizen die Rahmenbedingungen geschaffen hat, war es möglich, daß tüchtige Unternehmer und fleißige Arbeitnehmer diese Exportchance zum Wohle der deutschen Volkswirtschaft nutzen konnten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Drittens. Sie sagen: Die nächste Rezession kommt bestimmt. — Auch wir rechnen mit dieser Rezession. Aber, meine Damen und Herren, unser Ziel ist doch, den Zeitpunkt der Rezession möglichst lange hinauszuzögern. Mit den von Ihnen vorgeschlagenen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wird nur ein Feuerwerk entzündet; es wird ein Boom produziert, der die Strukturen, die wir bereits haben, im Prinzip nur verfestigt, ohne einen langatmigen, etwas anhaltenden Aufschwung zu bewirken. Unser Ziel ist, einen langdauernden gemäßigten Aufschwung herbeizuführen, der es uns in der Zwischenzeit ermöglicht, das Problem der Arbeitslosigkeit wirklich anzupacken.
Wenn Sie sich die Statistik über die Struktur der Arbeitslosigkeit ansehen, dann werden Sie erkennen: Das Hauptproblem der Arbeitslosigkeit heute ist die zum Teil mangelnde Qualifizierung und die fehlende Ausbildung vieler Jugendlicher. Die Zeit muß genutzt werden für eine Qualifizierungsoffensive, bevor wir in die nächste — relative — Rezession geraten.
Meine Damen und Herren, mit einem Verbot der Ableistung von Überstunden kommen Sie nur Ihren dirigistischen Vorstellungen, Ihrem Hang zur Verordnung entgegen und nehmen keine Rücksicht darauf, daß die Exporterfolge der deutschen Volkswirtschaft u. a. auch deshalb zu verzeichnen sind, weil die Unternehmen flexibel auf die jeweilige Auftragssituation reagieren können. Ein Verbot von Überstunden würde diese Flexibilität von der Tendenz her einengen und damit auch dem deutschen Arbeitnehmer schaden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich komme zum vierten und letzten Punkt. Sie werfen uns vor, wir würden hinsichtlich der Entlastung des Arbeitsmarktes eine abwartende Haltung einnehmen, wohl wissend, daß auf Grund der zukünftigen Geburtenrate damit zu rechnen sei, daß weniger Schulabgänger einen Arbeitsplatz suchen. Meine Damen und Herren, wir wissen, daß wir in den zukünftigen Jahren schwere Probleme lösen müssen. Zu diesen schweren Problemen gehört auch, daß wir erkennen müssen, daß ein Arbeitnehmer immer mehr Nichtarbeitende versorgen muß. Dieses Problem kann ich nur dadurch lösen, daß ich nicht nein sage zu neuen Techniken und nur über Arbeitszeitverkürzungen nachdenke. Nein, dieses Problem kann ich nur lösen, indem ich alles tue, um die Arbeitsproduktivität der deutschen Volkswirtschaft zu erhöhen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir brauchen mehr Qualifizierung, eine Qualifikationsoffensive bei der Berufsausbildung; wir müssen alles tun, um die Flexibilität der deutschen Volkswirtschaft zu erhalten und zu erhöhen; wir müssen uns für eine starke Erhöhung der Arbeitsproduktivität einsetzen, um die auf uns zukommenden Probleme zu lösen.
Statt dessen schlägt die SPD Beschäftigungsprogramme vor, die über mehr Steuern finanziert werden, die den Handlungsspielraum der deutschen Unternehmen und der deutschen Arbeitnehmer einengen. Das beste und typischste Beispiel dafür sind das Verhalten der SPD und die Reaktionen der Sozialdemokraten auf die Entwicklung des Weltölpreises. Anstatt diesen Ölpreis im Sinne einer Entlastung der privaten Arbeitnehmer auf ihre Haushalte durchschlagen zu lassen, macht man den Vorschlag einer Ölimportsteuer. Das ist das typische Zeichen der SPD.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019808300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Spöri?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019808400
Herr Kollege Spöri, ich bitte um Verständnis. Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich muß den letzen Satz bringen.

(Dr. Spöri [SPD]: Ganz kurz!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019808500
Die Zeit würde unterbrochen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019808600
Bitte.

Dr. Dieter Spöri (SPD):
Rede ID: ID1019808700
Herr Kollege Wartenberg, ist Ihnen bekannt, daß der Vorschlag einer Ölimportsteuer vom Vorsitzenden des Sachverständigenrats, Professor Schneider, in die Debatte eingeführt wurde und daß als einziger Politiker dieses Bundestages der forschungs- und energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Ludwig Gerstein, diesen Vorschlag bedingungslos unterstützt hat? Ist Ihnen das bekannt?



Dr. Spöri
Ich zitiere hier die „Welt" von gestern. Herr Gerstein hat dort eindeutig die Ölimportsteuer gefordert.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Unerhörte Demagogie!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019808800
Verehrter Herr Spöri, ich habe eben während der Debatte die ganze Zeit neben Herrn Gerstein gesessen. Er hat ja die Gelegenheit, wenn der Herr Präsident dies gestattet, durch die Formulierung einer Zwischenfrage das zu sagen, was man mir vorher gesagt hat.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019808900
Sie gestatten also eine weitere Zwischenfrage? — Bitte schön, Herr Gerstein.

Ludwig Gerstein (CDU):
Rede ID: ID1019809000
Herr Kollege von Wartenberg, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß ich weder eine Ölimportsteuer gefordert noch entsprechende Pläne vorgetragen habe, daß ich vielmehr in einem ganz anderen Zusammenhang lediglich darauf hingewiesen habe, daß es Entwicklungen geben könnte — z. B. dann, wenn die Erreichung unserer energiepolitischen Ziele gröblich verletzt würde —, die dazu führen könnten, zu prüfen, ob eine solche Steuer sinnvoll wäre?

(Zurufe von der SPD)

Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß das Bundeswirtschaftsministerium inzwischen eine solche Prüfung angestellt und den Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuß das Ergebnis dieser Prüfung, das negativ ist, mitgeteilt hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019809100
Herr Kollege Gerstein, ich nehme Ihre Anmerkungen gern zur Kenntnis und bemühe mich, dies in der Beantwortung der Frage an Herrn Spöri weiterzureichen.

(Abg. Dr. Spöri [SPD] meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019809200
Der Abgeordnete am Rednerpult entscheidet, ob er weitere Zwischenfragen zuläßt. Er möchte zum Ende kommen. Der Präsident hat ein gleiches Interesse. Meine Damen und Herren, wir sind eine Viertelstunde über die vorgesehene Debattenzeit hinaus. Es war eine interessante Debatte. Auch dieser Teil war schon Gegenstand der Diskussion.
Bitte schön, Herr Wartenberg. Kommen Sie bitte zum Schluß.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019809300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben die Sachargumentation ausgetauscht; Sie warten auf die Abstimmung. Die Behauptung von Herrn Spöri, Herr Gerstein habe diese Ölimportsteuer gefordert, hat eben Herr Gerstein hier vor dem Plenum nicht bestätigt, Herr Spöri.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

Herr Kollege Spöri, wenn Sie den Gutachten des Sachverständigenrats und der Weisheit der Vorschläge seiner Vorsitzenden gefolgt wären, hätten wir 1982 überhaupt keine Rezession gehabt.

(Dr. Spöri [SPD]: Sie kneifen!)

Sie eignen sich sonst nicht unbedingt dazu, die Anregungen des Sachverständigenrats zu befolgen.

(Dr. Spöri [SPD]: Seien Sie doch kollegial und lassen mich das hier zitieren!)

Herr Präsident, ich möchte keine Zwischenfrage mehr zulassen. Wir wollen zum Ende der Debatte kommen. Die SPD hat einen Antrag gestellt, den wir ablehnen. Ich beantrage namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung über den von uns vorgelegten Antrag, durch den dokumentiert wird, daß wir gegen die Ölimportsteuer und gegen jeden Dirigismus sind und daß wir diese Entwicklungen auf den Weltmärkten, die etwas Positives sind, an die deutschen Verbraucher weitergeben wollen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019809400
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Zu den Tagesordnungspunkten 2 a und 2 b wird vorgeschlagen, die Drucksachen 10/4295 und 10/4981 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Die Überweisungen sind so beschlossen.
Wir kommen nun zu dem inzwischen vorliegenden Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 10/5065 und dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5068.

(Unruhe)

Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD ab, aber wir tun das erst, wenn alle Abgeordneten ihre Plätze eingenommen haben.

(Anhaltende Unruhe)

— Eben, verehrte Kollegen, hatte der Präsident die Absicht, Sie zu bitten, Platz zu nehmen, damit wir in die Abstimmung eintreten können. Das gilt für die Kollegen auf allen Seiten des Hauses.
Wir stimmen also zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD ab. Wer diesem Änderungsantrag auf Drucksache 10/5068 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist bei einer Enthaltung mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP auf Drucksache 10/5065. Die Fraktion der CDU/CSU und die Fraktion der FDP verlangen gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung. Das Verfahren ist Ihnen bekannt.



Vizepräsident Westphal
Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme abzugeben wünscht? — Ich stelle fest, das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie Platz nehmen, können wir mit den Abstimmungen zu Tagesordnungspunkt 2 fortfahren.

(Unruhe)

— Ich bitte noch einmal, Platz zu nehmen.
Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2 c. Der Ausschuß für Wirtschaft empfiehlt auf Drucksache 10/4561, den Antrag der Abgeordneten Dr. Vogel, Dr. Apel, Frau Fuchs (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/3431 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dann ist diese Beschlußempfehlung bei einer Reihe von Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Wir stimmen jetzt über Tagesordnungspunkt 2 d ab. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/4984 unter Ziffer 1, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/1893 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist die Beschlußempfehlung des Ausschusses mit Mehrheit angenommen.
Der Ausschuß empfiehlt weiterhin auf Drucksache 10/4984 unter Ziffer 2 die Annahme einer Entschließung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer dagegen zu stimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Enthaltungen? — Dann ist diese Beschlußempfehlung mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2 e, und zwar über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau auf Drucksache 10/4125. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/3274 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist mit Mehrheit angenommen.
Ich warte nun ab, bis das Ergebnis der namentlichen Abstimmung vorliegt. —
Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen das von den Schriftführern mitgeteilte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 10/5065 bekannt. Es wurden 426 Stimmen abgegeben. Davon war keine Stimme ungültig. Mit Ja haben gestimmt 245 Abgeordnete, mit Nein 178; es hat 3 Enthaltungen gegeben.
Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 426 Abgeordnete; davon
ja: 245 Abgeordnete
nein: 178 Abgeordnete
enthalten: 3 Abgeordnete
Ja
CDU/CSU
Dr. Abelein
Frau Augustin Austermann
Bayha
Dr. Becker (Frankfurt) Berger
Frau Berger (Berlin)

Dr. Berners
Biehle
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm Dr. Bötsch Bohl
Bohlsen Borchert Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler (Bruchsal)

Dr. Bugl Buschbom Carstens (Emstek)

Carstensen (Nordstrand) Clemens
Dr. Czaja Dr. Daniels
Frau Dempwolf
Deres
Dolata
Doss
Dr. Dregger
Eigen
Engelsberger
Eylmann
Dr. Faltlhauser
Fellner
Frau Fischer
Dr. Friedmann
Funk
Ganz (St. Wendel)

Frau Geiger
Dr. von Geldern
Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz)

Glos
Dr. Göhner
Götzer
Günther Dr. Häfele
von Hammerstein
Hanz (Dahlen)

Haungs
Hauser (Esslingen) Hauser (Krefeld) Hedrich
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Soltau) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Jäger (Wangen)

Jagoda
Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung (Lörrach)

Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kittelmann
Klein (München)

Dr. Köhler (Duisburg) Dr. Köhler (Wolfsburg) Kolb
Kraus
Dr. Kreile Krey
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn
Dr. Kronenberg
Dr. Kunz (Weiden)

Dr. Lammert
Landré
Dr. Langner Lattmann Dr. Laufs Lenzer
Link (Diepholz)

Link (Frankfurt) Linsmeier Lintner
Dr. Lippold Löher
Lohmann (Lüdenscheid) Dr. h. c. Lorenz
Louven
Lowack
Maaß
Frau Männle
Magin
Metz
Michels
Milz
Dr. Möller Dr. Müller Müller (Wadern)

Müller (Wesseling)

Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog Frau Pack Pesch
Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pfennig Dr. Pinger Pöppl
Pohlmann
Dr. Pohlmeier
Dr. Probst Rawe
Reddemann Regenspurger
Dr. Riedl (München)




Vizepräsident Westphal
Dr. Riesenhuber Rode (Wietzen)

Frau Rönsch (Wiesbaden)

Frau Roitzsch (Quickborn) Dr. Rose
Rossmanith Roth (Gießen) Ruf
Sauer (Salzgitter)

Sauer (Stuttgart) Saurin
Sauter (Epfendorf) Sauter (Ichenhausen) Scharrenbroich Schartz (Trier) Schemken
Scheu
Schlottmann Schmidbauer Schmitz (Baesweiler)

von Schmude Schneider (Idar-Oberstein)

Dr. Schneider (Nürnberg) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder (Freiburg) Dr. Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Schultz (Wörrstadt) Schulze (Berlin) Schwarz

Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Seiters
Dr. Freiherr
Spies von Büllesheim Spilker
Spranger
Dr. Sprung
Dr. Stark (Nürtingen) Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken Stockhausen Stommel
Straßmeir
Strube
Stücklen
Stutzer
Susset
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Duren)

Dr. Voigt (Northeim)

Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiß
Werner (Ulm) Frau Will-Feld Wilz
Wimmer (Neuss) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann Wittmann (Tännesberg) Dr. Wörner
Würzbach
Dr. Wulff
Zierer
Dr. Zimmermann
Zink
FDP
Frau Dr. AdamSchwaetzer
Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg (Arnsberg) Eimer (Fürth)
Engelhard Gallus
Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Haussmann
Dr. Hirsch Hoffie
Hoppe
Kleinert (Hannover) Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick Möllemann Neuhausen Paintner
Ronneburger
Dr. Rumpf Schäfer (Mainz)

Frau Dr. Segall
Frau Seiler-Albring
Dr. Solms
Dr. Weng (Gerlingen) Wolfgramm (Göttingen)
Nein
SPD
Amling
Antretter Bachmaier Bamberg
Becker (Nienberge) Bernrath
Berschkeit Bindig
Buckpesch Büchler (Hof)

Büchner (Speyer)

Dr. von Bülow
Buschfort Catenhusen Collet
Conradi
Dr. Corterier
Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Delorme
Dr. Diederich (Berlin) Dreßler
Duve
Dr. Ehrenberg
Dr. Emmerlich
Dr. Enders Esters
Ewen
Fiebig
Fischer (Homburg) Fischer (Osthofen) Franke (Hannover)
Frau Fuchs (Köln)

Frau Fuchs (Verl)

Gansel
Gerstl (Passau)

Gilges
Glombig
Grunenberg Dr. Haack Haase (Fürth)

Haehser
Hansen (Hamburg)

Frau Dr. Hartenstein
Dr. Hauchler
Hauck
Dr. Hauff Heimann Heistermann
Herterich Hettling Heyenn Hiller (Lübeck)

Dr. Holtz Horn
Huonker Ibrügger
Immer (Altenkirchen) Jahn (Marburg)
Jansen
Dr. Jens Jungmann Kastning Kiehm
Kirschner Kisslinger Klein (Dieburg)

Dr. Klejdzinski
Kolbow Kretkowski Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lambinus Lennartz Leonhart Liedtke Löffler
Lohmann (Witten)

Lutz
Frau Luuk
Frau Matthäus-Maier Matthöfer
Meininghaus
Menzel
Dr. Mitzscherling
Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)
Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Dr. Nöbel
Frau Odendahl
Paterna Pauli
Dr. Penner Peter (Kassel)

Porzner Poß
Ranker
Rapp (Göppingen) Reimann
Frau Renger
Reschke Reuschenbach
Reuter
Rohde (Hannover)

Roth
Sander
Schanz
Schlaga Schluckebier
Schmidt (München)

Frau Schmidt (Nürnberg) Schmidt (Wattenscheid) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schöfberger Schreiner
Dr. Schwenk (Stade) Sielaff
Sieler (Amberg)

Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Sperling
Dr. Spöri
Stahl (Kempen)

Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler
Stobbe
Dr. Struck Frau Terborg Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe Urbaniak
Vahlberg
Verheugen Dr. Vogel
Vogelsang Waltemathe Walther
Wartenberg (Berlin) Weinhofer
Weisskirchen (Wiesloch) Dr. Wernitz
Westphal
Frau Weyel Wiefel
von der Wiesche Wimmer (Neuötting) Witek
Dr. de With Wolfram

(Recklinghausen) Würtz

Zander
Zeitler
DIE GRÜNEN
Auhagen Bueb
Frau Dann
Frau Eid Frau Hönes
Mann
Dr. Müller (Bremen) Rusche
Schily
Schulte (Menden)

Senfft
Ströbele Tatge
Tischer
Vogel (München)

Volmer
Frau Wagner
Werner (Westerland)

fraktionslos Bastian
Enthalten
SPD
Eickmeyer Frau Huber Rappe (Hildesheim)

Damit ist der Entschließungsantrag angenommen worden.



Vizepräsident Westphal
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 3 und den Zusatztagesordnungspunkt 2 auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
„Aktivitäten des BND bei der Nachforschung nach Dioxinabfällen im Jahre 1983"
Unterrichtung durch die Parlamentarische Kontrollkommission
Private Zuwendungen an den Bundesnachrichtendienst im Jahre 1983
— Drucksache 10/5049 —
Meine Damen und Herren, hierzu liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP sowie der Fraktion der SPD und des Abgeordneten Ströbele und der Fraktion DIE GRÜNEN auf den Drucksachen 10/5054, 10/5055 und 10/5069 vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind eine gemeinsame Beratung des Tagesordnungspunktes 3 sowie des Zusatztagesordnungspunktes 2 und eine Aussprache von insgesamt 60 Minuten vorgesehen. — Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch; dann ist das beschlossen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID1019809500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Plenum des Bundestages hat sich am 15. November des vergangenen Jahres auf der Grundlage eines Berichts der PKK vom 14. November mit einem den BND betreffenden Vorgang aus den Jahren 1979 und 1980 befaßt. Damals hatten deutsche Wirtschaftsunternehmen die Nachforschungen des Bundesnachrichtendienstes im Ausland im Rahmen der Terrorismusbekämpfung durch finanzielle Zuwendungen unterstützt.
Der Deutsche Bundestag hat sich mit großer Mehrheit der Bewertung der Parlamentarischen Kontrollkommission angeschlossen, die Entgegennahme privater Zuwendungen für die Erledigung dienstlicher Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes sei nicht angängig. Die Bundesregierung hat ebenfalls diese Auffassung vertreten und mitgeteilt, sie habe Vorkehrungen getroffen, die eine Mitfinanzierung dienstlicher Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes durch private Mittel künftig ausschließen.
Im Zusammenhang mit diesem Vorgang wurde damals von der Parlamentarischen Kontrollkommission der Bundesregierung die Frage gestellt, ob es weitere vergleichbare Fälle gegeben habe. Nach sorgfältiger Prüfung hat die Bundesregierung dann von sich aus die PKK über einen weiteren Fall unterrichtet. Er wird in dem Ihnen vorliegenden Bericht der PKK vom 18. Februar 1986 dargestellt und bewertet und ist Gegenstand der heutigen Aussprache.
Die Bundesregierung hätte es für wünschenswert gehalten, wenn dieser Vorgang ausschließlich in den dafür zuständigen vertraulichen parlamentarischen Gremien hätte behandelt werden können. Dies war schon deshalb nicht möglich, weil unmittelbar nach der vertraulichen Unterrichtung der PKK und des besonderen Haushaltsgremiums für die Nachrichtendienste Teile der Presse vollständig über den Inhalt der vertraulichen Berichterstattung der Bundesregierung informiert waren.

(Kühbacher [SPD]: Durch wen denn?)

Ich nehme hier keine Schuldzuweisung vor, sondern stelle nur fest, daß sich meine Befürchtung, mit einer Vergrößerung des Kreises der Informierten werde auch bei vertraulich zu behandelnden Operationen die Geheimhaltung gefährdet, bewahrheitet hat. Die Bundesregierung im allgemeinen und ich im besonderen haben jedoch in dieser Sache nichts zu verbergen.
Ich bitte Sie, sich zu erinnern: Im Jahre 1976 explodierte im italienischen Seveso im Werk Icmesa des schweizerischen Chemiekonzerns Hoffmann-La Roche ein Reaktionsgefäß. Hochgiftiges Dioxin wurde freigesetzt und verseuchte Menschen, Tiere und den Boden. Dioxinhaltige Abfälle im Gesamtgewicht von mehreren Tonnen wurden in 41 Fässer abgefüllt. Jahrelang wurde nach einem geeigneten Entsorgungskonzept gesucht.
Im September 1982 wurden die Giftmüllfässer nach Frankreich transportiert. Dort verlor sich ihre Spur. Sie blieben für geraume Zeit unauffindbar. Von der mit dem Abtransport der Fässer beauftragten Firma wurde lediglich mitgeteilt, die Abfälle seien in einer genehmigten Deponie unter Beachtung der geltenden Umweltschutzbestimmungen beseitigt worden.
Ausgelöst durch einen Artikel in einer Fachzeitschrift, begann im März 1983 eine fieberhafte Suche nach den Fässern in mehreren europäischen Staaten, aber besonders intensiv in der Bundesrepublik Deutschland. Jeder möge nachprüfen und nachlesen, was alles damals behauptet wurde, was Politiker und Journalisten gesagt und geschrieben haben. Einmal wurden die Fässer in Frankreich vermutet, einmal in Belgien oder in der DDR, ja, sogar London wurde genannt. Einige Vermutungen richteten sich darauf, die Fässer seien im Mittelmeer oder im Atlantik versenkt worden. Von „Greenpeace" wurde die absurde Behauptung aufgestellt, die Fässer seien durch den Bundesinnenminister persönlich in die Bundesrepublik gebracht worden.

(Lachen bei den Abgeordneten der CDU/ CSU)

Die Behörden des Bundes und der Länder erhielten eine Flut von Hinweisen und Verdächtigungen betreffend die angebliche Lagerung der gesuchten Fässer. In einer Vielzahl von Fällen wurden Suchaktionen, vor allem in Deponien, eingeleitet, die erhebliche zeitliche, organisatorische und finanzielle Aufwendungen erforderten; sie alle blieben erfolglos.
Nun hätte ich als der für den Umweltschutz zuständige Bundesminister es mir ganz leicht machen können; ich hätte sagen können, Abfallbeseitigung ist Sache der Bundesländer, ich frage alle Bundesländer, und nach den erhaltenen Fehlanzeigen — und die erhielt ich — hätte ich die Akten schließen



Bundesminister Dr. Zimmermann
können. Das habe ich nicht getan; das entspricht nicht meinem Amtsverständnis.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mir ging es darum, Schaden von der deutschen Bevölkerung abzuwenden. Einmal wollte ich die mögliche Gefährdung von Menschen ausschließen, zum anderen aber auch die ungeheuren Verdächtigungen gegen den Staat, er sei sozusagen ein Komplize derer, die die Fässer verschwinden lassen wollten, ad absurdum führen.
Mir war zu einem relativ frühen Zeitpunkt klar, daß nur das Auffinden der Fässer die Lage beruhigen konnte. Entsprechend meiner umweltpolitischen Maxime, daß die Verursacher von Umweltschäden in erster Linie für die Beseitigung solcher Schäden verantwortlich zu machen sind, bin ich an diejenigen Firmen, die in diesem Falle besondere Verantwortung getragen haben, herangetreten und habe Aufklärung gefordert. Die Firmen hatten inzwischen eingesehen, daß Fehler vorgekommen waren, und zeigten sich uneingeschränkt kooperationsbereit.

(Ströbele [GRÜNE]: Welche Firmen?)

Sie versicherten glaubhaft, nichts über den Verbleib der Fässer zu wissen. Es gab nur einen, der den Verbleib kennen mußte, der verantwortliche Spediteur für den Transport der Fässer, und der schwieg beharrlich, obwohl er in der Zwischenzeit in Beugehaft genommen worden war.
Die eigenen Aufklärungsbemühungen der beteiligten Firmen, die auch eine Detektei eingeschaltet hatten, blieben zunächst ohne Ergebnis.
Um dem nationalen Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einer Aufklärung Rechnung zu tragen und gegebenenfalls notwendige Maßnahmen zur Gefahrenabwehr für die Bevölkerung ergreifen zu können, bat ich im April 1983 den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes um Unterstützung bei den notwendigen Nachforschungen. Ich ließ dabei wissen — und dazu sah ich mich auf Grund meiner vorangegangenen Gespräche mit den beteiligten Firmen in der Lage —, daß im Interesse einer beschleunigten Aufklärung Geldmittel zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Quelle dieser Mittel habe ich dem Bundesnachrichtendienst nicht genannt. Es bestand aber Einigkeit, daß diese Mittel nur zur Informationsgewinnung eingesetzt werden sollten.
Insgesamt wurden dem Bundesnachrichtendienst auf ein offizielles Konto 350 000 DM überwiesen. Da der BND den Geldgeber nicht kannte, war jegliche Einflußnahme von dritter Seite von vornherein ausgeschlossen.
Ich hatte seinerzeit keinerlei Bedenken, so zu verfahren; denn erstens konnte ich nicht einsehen, warum der deutsche Steuerzahler für Vorgänge zur Kasse gebeten werden sollte, die von der Industrie zu verantworten waren, und zweitens kam es mir auch auf einen schnellen Erfolg an. Ich habe mich persönlich von Anfang an stark engagiert, und ich sage offen, daß ich befriedigt und erleichtert war, als die Fässer endlich gefunden waren.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Emmerlich [SPD])

Selbstverständlich würde ich mich jederzeit wieder so einsetzen, wenn ein vergleichbares Problem zu lösen wäre; aber ebenso selbstverständlich käme eine Finanzierung staatlicher Maßnahmen in solchen Fällen durch private Zuwendungen für mich nicht mehr in Betracht, weil ich selbstverständlich der Beschlußlage des Deutschen Bundestages Rechnung trage. Die gab es jedoch damals nicht, sondern es gab eine Ausnahmesituation, die nach außergewöhnlichen Maßnahmen verlangte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine solche Ausnahmesituation hat es weder vorher noch später vergleichbar gegeben.
Der Bundesnachrichtendienst hat die ihm zur Verfügung gestellten Gelder ausnahmslos für die Informationsbeschaffung und nicht zur Finanzierung des eigenen Haushalts eingesetzt. Das Geld wurde auf den Pfennig genau verbucht und der Restbetrag, der fast zwei Drittel ausmacht, den Geldgebern zurückgezahlt. Die Parlamentarische Kontrollkommission konnte sich an Hand von Quittungen und Belegen von der korrekten Abwicklung überzeugen.

(Ströbele [GRÜNE]: Von wann sind die Quittungen?)

Auf einen Aspekt möchte ich jedoch noch eingehen, und das ist die Geheimhaltung. Mein Prinzip ist es in solchen Fällen, den Kreis der Unterrichteten so eng wie möglich zu halten. Dieses Prinzip hat auch Ende 1983 bei der wochenlangen Fahndung nach den RAF-Terroristen an den gefundenen Erddepots zum Erfolg geführt.
An dieses Prinzip habe ich mich auch bei den Nachforschungen nach den Dioxinfässern gehalten. Wenn heute gesagt wird, ich hätte das Bundeskanzleramt und parlamentarische Gremien unterrichten müssen, so akzeptiere ich diese Kritik, ohne sie jedoch voll überzeugend zu finden.
Die bewußte Begrenzung des Kreises der Wissensträger bei der damaligen Operation macht es erklärlich, daß in der ersten Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission, an der ich selbst nicht teilnahm, niemand spontan auf die Frage nach möglichen weiteren Fremdfinanzierungen antworten konnte. Dies konnte erst nach meiner Unterrichtung geschehen, nachdem ich von dem Berichtsauftrag der Parlamentarischen Kontrollkommission an die Bundesregierung erfahren hatte. Und dieser Berichtsverpflichtung bin ich dann unverzüglich nachgekommen.
Ich fasse zusammen:
Erstens. Die intensive Suche nach den Dioxinfässern war notwendig. Sie lag im nationalen Interesse und diente der Wahrung des internationalen Ansehens der Bundesrepublik Deutschland.
Zweitens. Die deutsche Bevölkerung konnte nach dem Auffinden der Fässer wieder beruhigt sein.



Bundesminister Dr. Zimmermann
Drittens. Die finanzielle Abwicklung der Suchaktion erfolgte seinerzeit korrekt, ist jedoch nach dem Beschluß des Bundestages vom 15. November 1985 künftig nicht mehr angängig.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019809600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1019809700
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits am 14. November 1985 mußte die Parlamentarische Kontrollkommission den Deutschen Bundestag über private Zuwendungen an den Bundesnachrichtendienst unterrichten. Im Dezember 1985 und Januar 1986 ist sie wieder mit einem Fall befaßt gewesen, in dem der Bundesnachrichtendienst private Zuwendungen erhalten und verwendet hatte.
Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt, daß die Parlamentarische Kontrollkommission dem Deutschen Bundestag darüber mit der Drucksache 10/5049 berichtet hat und hinsichtlich der in ihrem Bericht enthaltenen Feststellungen und Bewertungen übereinstimmt. Die SPD-Bundestagsfraktion bedauert, daß es nicht möglich war, hinsichtlich aller Aspekte dieses Falles zu gemeinsamen Bewertungen zu kommen.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Sehr wahr!)

Aus dem Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission ergibt sich: Der Bundesnachrichtendienst hat im Jahre 1983 im Ausland Nachforschungen über den Verbleib von 41 Fässern mit dioxinhaltigen Abfällen aus Seveso angestellt. Der amtierende Bundesminister des Innern hatte den ihm nicht unterstehenden BND dazu veranlaßt, und zwar unter Umgehung des Bundeskanzleramtes, das für den BND zuständig ist.

(Vosen [SPD]: So ist es!)

Er hat das Bundeskanzleramt nicht einmal unterrichtet, und zwar weder vor der Einschaltung des BND noch danach.

(Jahn [Marburg] [SPD]: Und die haben sich das gefallen lassen!)

— Das ist richtig.
Dem BND ist für die Suche nach den Seveso-Fässern aus der privaten Wirtschaft ein Geldbetrag von 350 000 DM zur Verfügung gestellt worden. Bundesinnenminister Zimmermann hat diese Geldzahlung an den BND vermittelt. Der BND hat von den 350 000 DM rund 120 000 DM verbraucht. 230 000 DM sind vom BND durch Boten bar an das Büro des Bundesinnenministers Dr. Zimmermann zurückgegeben worden

(Vogel [München] [GRÜNE]: Mafia-Art!)

und von dort an die privaten Zuwender. Dieser Vorgang ist im Bundesinnenministerium nicht verbucht worden. Über die Rückgabe der 230 000 DM an die privaten Zuwender hat sich Bundesinnenminister Dr. Zimmermann keine Quittung geben lassen.
Dem Bundesnachrichtendienst standen für die bei der Suche nach den Seveso-Giftfässern entstehenden Ausgaben ausreichende Haushaltsmittel zur Verfügung. Die Notwendigkeit zur Inanspruchnahme privater Geldgeber bestand nicht.

(Fischer [Osthofen] [SPD]: Hört! Hört!)

Wie die Parlamentarische Kontrollkommission ist die SPD-Bundestagsfraktion der Auffassung, daß dieser Vorgang genauso zu bewerten ist wie der von der Parlamentarischen Kontrollkommission mit der Drucksache 10/4253 vom 14. November 1985 mitgeteilte Fall der Entgegennahme privater Geldbeträge durch den BND. Die Parlamentarische Kontrollkommission hat damals u. a. einstimmig festgestellt, daß die Entgegennahme privater Zuwendungen für die Erledigung dienstlicher Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes nicht angängig ist, und sie hat hinzugefügt — ich zitiere wörtlich —:
Es muß jeder Anschein vermieden werden, daß sich
— Sicherheitsorgane in Abhängigkeit von finanzkräftigen Geldgebern begeben und
— im Interesse finanzkräftiger Geldgeber eine stärkere Aktivität entfalten als in anderen Fällen.
Der Deutsche Bundestag hat den damaligen Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission zustimmend zur Kenntnis genommen.
Bundesinnenminister Dr. Zimmermann hat die von der Parlamentarischen Kontrollkommission festgestellten und vom Deutschen Bundestag gebilligten Grundsätze nicht beachtet, nämlich daß die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ausschließlich eine Aufgabe des Staates ist, daß, wenn es um die Sicherheit des Staates und seiner Bürger geht, die dafür erforderlichen Maßnahmen mit öffentlichen Mitteln finanziert werden müssen und daß allein auf diese Weise der Anschein ausgeschlossen werden kann, als hätten sich die Sicherheitsorgane in wie immer geartete Abhängigkeiten von privaten Geldgebern begeben oder als seien sie staatsfremden Zwecken dienstbar gemacht worden.

(Schmidbauer [CDU/CSU]: Geistige Akrobatik!)

— Ich habe Zwischenrufe an dieser Stelle erwartet, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich habe lediglich Bundesminister Schäuble aus seiner damaligen Regierungserklärung zitiert.

(Schmidbauer [CDU/CSU]: Aber zwei Fälle verwechselt!)

Bundesinnenminister Dr. Zimmermann hat sich über diese Prinzipien hinweggesetzt und dadurch seine Amtspflicht verletzt.

(Beifall bei der SPD)

Die Entschuldigung des Bundesinnenministers, die von ihm veranlaßte und vermittelte Privatfinanzierung des BND liege zeitlich vor dem Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission und dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. November 1985, ist nicht stichhaltig. Vom Bundesmi-



Dr. Emmerlich
nister des Innern muß erwartet werden, daß er so wie die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission und so wie der Deutsche Bundestag erkennt, daß Maßnahmen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nur mit öffentlichen Mitteln finanziert werden dürfen

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und welche Risiken sich für unseren Staat und das Vertrauen der Bürger zu ihm ergeben, wenn solche Aufgaben durch Zuwendungen privater kapitalkräftiger Wirtschaftskreise finanziert werden.

(Tietjen [SPD]: Der kennt von Vertrauen nichts!)

Mit der Parlamentarischen Kontrollkommission, meine Damen und Herren, ist die SPD-Bundestagsfraktion der Auffassung, daß es sich bei der Entgegennahme von privaten Zuwendungen für die Suche nach den Seveso-Fässern um einen Vorgang von besonderer Bedeutung gehandelt hat. Die Bundesregierung wäre infolgedessen gesetzlich verpflichtet gewesen, die Parlamentarische Kontrollkommission über diesen Vorgang zu unterrichten. Daß das nicht geschehen ist, beruht auf einer weiteren Pflichtverletzung des amtierenden Bundesinnenministers.

(Beifall bei der SPD)

Aus der CDU/CSU meine Damen und Herren, kam eben im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Unterrichtung der PKK der Zwischenruf „ausplaudern". Das ist ein bemerkenswertes Zeichen dafür, wie wichtig Sie die Kontrollaufgaben der Parlamentarischen Kontrollkommission nehmen.
In diesem Zusammenhang muß auch daran erinnert werden, daß Bundesinnenminister Dr. Zimmermann verhindert hat, daß die Parlamentarische Kontrollkommission wegen seines hier in Rede stehenden Verhaltens Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums befragen und im Bundesinnenministerium vorhandene Unterlagen einsehen konnte.

(Kühbacher [SPD]: Warum wohl?)

Der Bundesinnenminister hat es der Parlamentarischen Kontrollkommission dadurch erschwert, ihrem gesetzlichen Auftrag nachzukommen, die nachrichtendienstliche Tätigkeit des Bundes zu kontrollieren.

(Mann [GRÜNE]: Das ist unglaublich!)

Der Bundesminister des Innern hat die Privatfinanzierung der Suche des BND nach den Seveso-Fässern selbst dann noch verschwiegen, als die Parlamentarische Kontrollkommission die private Finanzierung der Beauftragung des Detektivbüros Mauss durch den BND untersucht hatte und als am 15. November 1985 über den damaligen Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission im Deutschen Bundestag debattiert und beschlossen worden ist.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019809800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mann?

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1019809900
Ich möchte diesen Gedanken zu Ende führen; dann gern, wenn keine Anrechnung erfolgt.
Dieses Verschweigen des Bundesministers des Innern wiegt um so schwerer, als in der Parlamentarischen Kontrollkommission und in dem Gremium zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste ausdrücklich danach gefragt worden war, ob es weitere Fälle privater Zuwendungen an den BND gebe.

(Ströbele [GRÜNE]: Und?)

Auch in der Bundestagsdebatte vom 15. November hat diese Frage eine Rolle gespielt. Bundesinnenminister Dr. Zimmermann hat gleichwohl den ihm nicht nur bekannten, sondern auf seine Veranlassung und unter seiner Mitwirkung zustande gekommenen Fall einer Privatfinanzierung weiterhin verschwiegen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber Erfolg gehabt!)

Ein Verschweigen unter solchen Umständen ist so zu bewerten wie eine vorsätzliche falsche Unterrichtung des Deutschen Bundestages.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Schmidbauer [CDU/CSU]: Der Neid der Erfolglosen!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019810000
Herr Abgeordneter Mann zu einer Zwischenfrage, bitte schön.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1019810100
Herr Kollege Dr. Emmerlich, Sie verstehen vielleicht meine Neugier. Da wir ja in verfassungswidriger Weise nicht in der Parlamentarischen Kontrollkommission vertreten sind,

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

möchte ich Sie fragen, in welcher Weise sich der Bundesinnenminister der Aufklärung entzogen hat. Sie hatten eben erwähnt, daß Fragen, offensichtlich der SPD-Mitglieder, der Kommission an den Innenminister oder an Beamte des Innenministeriums nicht beantwortet worden sind. Könnten Sie das einmal kurz erläutern?

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1019810200
Er hat die Zustimmung verweigert, daß während der Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission vor dem Sitzungszimmer anwesende Zeugen aussagen konnten und daß vorhandene Unterlagen, auf die er sich selber bezogen hatte, von der Parlamentarischen Kontrollkommission eingesehen werden konnten.

(Dr. Kunz [Weiden]: Das ist an den Haaren herbeigezogen! — Kühbacher [SPD]: Das ist die Wahrheit, Herr Kunz!)

Die Einlassung des Bundesinnenministers, er habe die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik berücksichtigen müssen — auch heute hat er wieder davon gesprochen —, ist eine haltlose Schutzbehauptung.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Sie sollten sich schämen!)

Der Bundesinnenminister hatte selbstverständlich
hinreichende Möglichkeiten, die Parlamentarische



Dr. Emmerlich
Kontrollkommission, das Gremium zur Genehmigung der Wirtschaftspläne der Nachrichtendienste und auch den Deutschen Bundestag in einer Weise zu unterrichten, die keine gravierenden Nachteile für unsere auswärtigen Beziehungen heraufbeschwor. Im übrigen hat das nachträgliche Bekanntwerden dieses Sachverhalts zu keiner außenpolitischen Belastung für die Bundesrepublik geführt.
In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß Bundesinnenminister Dr. Zimmermann im Dezember 1985 in der Parlamentarischen Kontrollkommission wahrheitswidrig behauptet hat, im Besitz einer Quittung über die Rückzahlung der nicht verbrauchten 230 000 DM an die privaten Zuwender zu sein, während er sich in Wahrheit von diesen Geldgebern erst im Januar 1986, also drei Jahre nach Rückzahlung, eine Bestätigung über die 1983 erfolgte Rückzahlung hat geben lassen.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Ändert das etwas an den Fakten?)

Ich fasse, meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammen. Der derzeitige Bundesminister des Innern hat im Zusammenhang mit der Suche nach den Seveso-Giftfässern mehrfach und schwerwiegend gegen seine Amtspflichten verstoßen.

(Kühbacher [SPD]: Herr Waigel, Anweisung! Haben Sie alles gut verstanden?)

Erstens. Unter Mißachtung bestehender Zuständigkeiten hat er am Bundeskanzleramt vorbei den BND zu Amtshandlungen veranlaßt.
Zweitens. Er hat für diese Amtshandlungen des BND Geld von privaten Wirtschaftsunternehmen an den BND vermittelt.
Drittens. Der Rücktransfer des Geldes ist im Bundesministerium des Innern nicht verbucht worden.
Viertens. Bundesinnenminister Dr. Zimmermann hat die Parlamentarische Kontrollkommission gesetzwidrig über diesen Vorgang nicht unterrichtet.

(Tatge [GRÜNE]: Ein Gesetzesbrecher!)

Fünftes. Bundesinnenminister Dr. Zimmermann hat in der Parlamentarischen Kontrollkommission wahrheitswidrig behauptet, die Rückzahlung der 230 000 DM an die privaten Geldgeber sei von diesen quittiert worden.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das stimmt ja gar nicht!)

Sechstens. Bundesinnenminister Dr. Zimmermann hat der Parlamentarischen Kontrollkommission die Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben erschwert.
Siebtens. Er hat dem Deutschen Bundestag den zugrunde liegenden Vorgang selbst dann noch verschwiegen, als das Verschweigen eine bewußte Unwahrheit war.

(Schmidhuber [CDU/CSU]: Achtens. Die Fässer sind gefunden worden!)

Bewertung: Herr Dr. Zimmermann ist der hohen Verantwortung, die einem Bundesminister des Innern auferlegt ist, nicht gerecht geworden,

(Zuruf von der SPD: Wieder einmal!) und er ist ihr auch zukünftig nicht gewachsen.

Sein Versagen in diesem Fall, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist bedauerlicherweise nicht einmalig. Ich erinnere an sein Verhalten im Fall Altun. Damals war er bereit, das Schicksal eines von einer Auslieferung bedrohten Menschen, seine Freiheit und seinen Anspruch auf ein rechtstaatliches Verfahren,

(Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/ CSU)

ohne Manipulation und Folter, der guten Zusammenarbeit mit der Polizei einer Militärdiktatur unterzuordnen. Nach dem Freitod von Kemal Altun fand er kein Wort des Bedauerns, der Betroffenheit und der Anteilnahme.

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Sie täuschen die Öffentlichkeit! — Schmidhuber [CDU/ CSU]: Unsachlich und unfair! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Kaltschnäuzig und herzlos erklärte er, der Tod Altuns sei dessen Privatsache.
Bundesminister Dr. Zimmermann trägt ferner die politische Verantwortung dafür,

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Schämen Sie sich!)

daß unsere Spionageabwehr gegen die DDR nahezu vollständig ausgeschaltet worden ist

(Dr. Olderog [CDU/CSU]: Sie täuschen schon wieder die Öffentlichkeit! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

und daß für diejenigen, die sich für uns besonders exponiert haben, schwerste Folgen eingetreten oder zu erwarten sind. Bundesminister Dr. Zimmermann hat versucht, sich seiner politischen Verantwortung dadurch zu entziehen, daß er den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum alleinigen Sündenbock gemacht hat.
Bundesminister Dr. Zimmermann hat es schließlich ausdrücklich gutgeheißen, daß sein Parlamentarischer Staatssekretär Spranger den Verfassungsschutz für parteipolitische Zwecke mißbraucht hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jämmerlich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Bundesminister Dr. Zimmermann widmet sich mit Akribie und beinahe fanatischem Eifer kleinen Anhängern und Mitläufern von extremistischen Gruppierungen. Er ist aber nicht bereit, die ihm zur Verfügung stehenden Mittel darauf zu konzentrieren, wirklichen Bedrohungen unserer Sicherheit wirksam entgegenzutreten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)




Dr. Emmerlich
Bundeskanzler Kohl, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat einen Mann zum Bundesminister des Innern ernannt,

(Schmidbauer [CDU/CSU]: Schmutz und Halbwahrheiten!)

der den Anforderungen, die an dieses Amt gestellt werden müssen, politisch und persönlich nicht gewachsen ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dieser Kanzler ist in der Tat — insofern hat Herr Geißler gestern abend den Nagel auf den Kopf getroffen — ein Blackout-Kanzler,

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

nicht nur bei Aussagen vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, sondern überhaupt. In der Geschichte der Bundesrepublik hat es noch kein Kabinett mit einer solchen Zahl von Ministern gegeben, die politisch und persönlich versagt und abgewirtschaftet haben.

(Zurufe von der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019810300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klein (München)?

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1019810400
Wenn Sie die Zeit nicht anrechnen, Herr Präsident, sehr gerne.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019810500
Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Hans Klein (CSU):
Rede ID: ID1019810600
Herr Kollege Emmerlich, finden Sie diese Form der parlamentarischen Auseinandersetzung nicht auch selbst jämmerlich?

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU)


Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1019810700
Herr Kollege Klein, Sie haben recht, daß die Form, in der Ihre Fraktion, insbesondere die der CSU angehörenden Mitglieder, permanent versuchen, den Redner durch krasse Störungen zu behindern,

(Lachen bei der CDU/CSU)

einem ordnungsgemäßen parlamentarischen Stil nicht entspricht und einen Versuch darstellt, die freie Meinungsäußerung selbst im Parlament zu beeinträchtigen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Junge, Junge! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Warum sorgt Kanzler Kohl nicht dafür, daß seinem Kabinett keine Minister angehören, deren Reputation dahin ist? Dieser Kanzler ist hochmütig mit dem Versprechen der geistig-moralischen Erneuerung angetreten. Wenn er dieses Versprechen heute erneuerte, könnte er allenfalls einen Heiterkeitserfolg erzielen. Der Kanzler, der sich auf sein Gespür für die Stimmung des Volkes so viel einbildet, müßte wissen, daß politische Moral und politischer Anstand mehr und etwas anderes sind als das
Kalkül der Macht und tagespolitischer Opportunismus; auch mehr als die Arithmetik einer Koalition, in der einerseits das Machtstreben eines Franz Josef Strauß und andererseits die Existenzangst und die daraus resultierende Profilierungssucht der FDP von größerer Bedeutung sind als das Wohl unseres Staates, das Ansehen seiner Institutionen, einschließlich das des Bundeskanzlers.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

Welch ein Abstand zwischen Konrad Adenauer und seinem selbsternannten Enkel! Als Strauß, der mächtige CSU-Fürst, vor dem Deutschen Bundestag die Unwahrheit gesagt hatte, mußte er gehen. Wenn ein Mini-Strauß a lá Zimmermann den Deutschen Bundestag durch Verschweigen der Wahrheit brüskiert, dann kuscht Kanzler Kohl vor der CSU und wagt es nicht, das zu tun, was seine Pflicht ist, nämlich den Bundesinnenminister Dr. Friedrich Zimmermann zu entlassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU: Das war ja ein dünner Beifall!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019810800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Waigel.

Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID1019810900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was Sie eben geboten haben, Herr Kollege Emmerlich,

(Ströbele [GRÜNE]: Das war die Wahrheit! — Zuruf von der CDU/CSU: War jämmerlich!)

war ein jämmerlicher Mißbrauch dieser Debatte, und Ihre klägliche Beteiligung macht den ganzen Unernst dessen klar, was Sie hier geboten haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie können hier die SPD-Mitglieder an ein bis zwei Händen abzählen,

(Zuruf von der CDU/CSU: An einer!)

und Sie bringen hier eine polemische Rede über den Zustand der Regierung, an der Ihre eigene Fraktion und ihre Mitglieder überhaupt kein Interesse haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn sich weniger als zehn Mitglieder der SPD an dieser Debatte beteiligen, dann zeigen sie deutlich, daß sie Ihrer Argumentation nicht folgen, Sie selbst und diese Debatte nicht ernst nehmen. Das ist schade, weil wir nämlich in der Parlamentarischen Kontrollkommission eine wichtige einvernehmliche Vorarbeit getroffen haben, und Sie sich dieser Verantwortung in dieser Kommission durch diese Rede nicht bewußt geworden sind und sie nicht wahrgenommen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Ströbele [GRÜNE]: Unter den Teppich gekehrt haben Sie! — Abg. Schulte [Menden] [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)





Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019811000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID1019811100
Der GRÜNEN nicht, Herr Präsident, und zwar deswegen, weil sie zu Recht vom Bundesverfassungsgericht aus der Diskussion um diese Dinge ausgeschaltet worden sind und ich die Hoffnung habe, daß der Wähler sie auch künftig aus der Diskussion in deutschen Parlamenten überhaupt ausscheiden wird.

(Beifall bei der CDU/CSU — Schulte [Menden] [GRÜNE]: Zwei Millionen Wähler haben uns gewählt! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Was der Herr Kollege Emmerlich in einer miserablen Form hier versucht hat, war nur die schmutzige Fortsetzung einer Kampagne gegen den Bundesinnenminister mit unbewiesenen Verdächtigungen und mit Unterstellungen, wie es die SPD tut und wie sie im Ausschuß über Tiedge kläglich gescheitert ist, wo von den Verdächtigungen und Unterstellungen gegen den Bundesinnenminister nichts übriggeblieben ist. Jetzt sucht man krampfhaft neue Felder, um das Versagen in diesem Ausschuß übertünchen und überdecken zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist politisch, menschlich und — Sie sind Jurist, Herr Kollege Emmerlich — als Jurist unanständig, mit unbewiesenen Verdächtigungen und Unterstellungen zu arbeiten,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das macht der immer!)

die im Untersuchungsausschuß bisher in keiner Weise belegt werden konnten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben hier behauptet, der Bundesinnenminister habe die Beschlußlage des Bundestages nicht respektiert. Sie wissen ganz genau: Die Vorgänge spielten im Jahre 1983, und der Bundestag und die Parlamentarische Kontrollkommission haben sich dazu im Herbst 1985 geäußert.
Warum haben Sie eigentlich die gleichen Vorwürfe nicht an den damaligen Staatssekretär Schüler gerichtet, der der SPD angehört? Warum sind Sie nicht so redlich, wie wir es sind, die wir den Fall von damals politisch genauso werten wie den Fall von heute? Sie mißbrauchen eine schwierige Situation, Sie mißbrauchen schwierige Entscheidungen für eine reine Parteipolemik.

(Ströbele [GRÜNE]: Darauf kommen wir gleich zurück!)

Sie zeigen, daß Sie das, was mit der Einrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission und anderer Gremien im Haushaltsausschuß bewirkt werden sollte, nicht mehr wahrnehmen und die Verantwortung dafür — jedenfalls gilt das nach Ihrer heutigen Rede für Sie persönlich — nicht ausüben können.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Verantwortungslos!)

Es ist schon eine politische Unverfrorenheit,

(Mann [GRÜNE]: Politisch unverfroren ist das, was Sie hier bieten, Herr Waigel! — Ströbele [GRÜNE]: Sagen Sie etwas zu den Fakten! Wo ist denn das Geld?)

dem Innenminister hier eine Amtspflichtverletzung unterstellen zu wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zudem war es immer üblicher Stil der Unterrichtung, daß über konkrete Operationen aus guten Gründen nicht berichtet wurde.

(Ströbele [GRÜNE]: Wo ist denn das Geld?)

Daran hat sich die Regierung auch hier gehalten.

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

Im übrigen haben Sie verschwiegen, daß die Regierung von sich aus — ohne Not, ohne Veröffentlichungen in der Presse — dem Auftrag nachgekommen ist und die Parlamentarische Kontrollkommission — zuerst ihren Vorsitzenden und dann alle — über diese Dinge informiert hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist auch nicht richtig und eine böse Unterstellung, Herr Emmerlich, was Sie hinsichtlich der Quittung behauptet haben. Der Bundesinnenminister hat in der Sitzung erklärt: Ich kann eine Quittung jederzeit vorlegen, und das hat er getan. Was Sie behaupten, entspricht nicht dem, was sich in der PKK konkret abgespielt hat.

(Berger [CDU/CSU]: Typisch! — Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Ströbele [GRÜNE]: Wo ist sie denn, die Quittung?)

Es steht Ihnen nicht zu, dann eine menschlich und politisch unanständige Bewertung daran zu knüpfen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Ströbele [GRÜNE]: Wo ist die Quittung?)

Es war der Gipfel der absoluten Geschmacklosigkeit, den Fall Altun hier noch mit einzubeziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Pfui!)

Sie haben sich damit, Herr Emmerlich, als ernst zu nehmender Kollege in so schwierigen Fragen absolut disqualifiziert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, um die Situation von damals charakterisieren zu können, Ihnen einige Stimmen aus der damaligen Zeit nicht vorzuenthalten.
Johannes Rau, ein nicht unbekannter Politiker in der Bundesrepublik

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

— gut, ich relativiere das etwas —, vertrat damals die Auffassung, daß sich der Seveso-Giftskandal auf die Einstellung der Menschen zur Industrie negativ auswirke und die Industriefeindlichkeit in der Bundesrepublik fördere.



Dr. Waigel
Volker Hauff — wo ist er? — betonte in einem Schreiben an Bundeskanzler Kohl, die mysteriösen Vorgänge im Zusammenhang mit den aus Italien ausgeführten Dioxin-Giften, die auch von der Bundesregierung bis jetzt nicht hätten aufgeklärt werden können, „zwingen zu der Frage, wie das Leben und die Gesundheit von Menschen besser geschützt werden können". Er forderte den Bundeskanzler in diesem Schreiben auf, sich beim EG-Gipfel in Stuttgart für strengere Maßnahmen gegen den „Giftmüll-Tourismus" in Europa einzusetzen und entsprechende Beschlüsse zu fassen.
In einer Presseerklärung der SPD-Fraktion vom 8. April 1983 erklärte Volker Hauff wörtlich:
Die Bundesregierung darf sich nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen ... Das Rätselraten um den Verbleib der 41 Seveso-Giftfässer, das nunmehr seit Wochen die europäische Öffentlichkeit beschäftigt, ist schon nicht mehr grotesk ... Niemand hat noch Verständnis dafür, daß Tag um Tag verstreicht, ohne daß der Verbleib der Fässer und ihr Transportweg, bekanntgegeben werden. Die Bundesregierung
— immer noch Volker Hauff —
kann sich nicht länger um die Beantwortung drängender Fragen herumdrücken.
Und:
Die zu Recht besorgte Öffentlichkeit hat Anspruch auf eine eindeutige, umfassende und nichts beschönigende Antwort auf diese und andere Fragen, die sich noch aus diesem Skandal ergeben mögen. Der Bundesinnenminister ist gefordert ...

(Zurufe von der CDU/CSU)

Carl Ewen, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, verlangte von der Bundesregierung energische Schritte zur Aufklärung des Vorgangs. Es gehe nicht um eine Lappalie, sondern um ein tödliches Gift, über dessen Verbleib die Bevölkerung „bewußt im unklaren gelassen wird".

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Er forderte die Regierung zum Durchgreifen auf. Weitere Opfer des Seveso-Giftes dürfe es nicht geben.
Auch der Kollege Freimut Duve

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Auch nicht hier! Er hat das Interesse am Thema verloren!)

— ich sehe ihn nicht — wollte nicht zurückstehen und forderte:
Der Bundesinnenminister ist aufgefordert, sofort bei den beteiligten Firmen, unter anderem bei der ebenfalls in den Skandal verwickelten Firma Mannesmann, klären zu lassen, wohin die Fässer transportiert wurden und wo sie heute lagern.

(Ströbele [GRÜNE]: Wo lagern sie denn?)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019811200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hansen?

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Einer von den neuen SPD-Abgeordneten! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Dr. Theodor Waigel (CSU):
Rede ID: ID1019811300
Nein.
Ich kann nur feststellen: Während die SPD redete und forderte, hat der Bundesinnenminister gehandelt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Parlamentarische Kontrollkommission ist das parlamentarische Gremium, in dem geheimhaltungsbedürftige Tatbestände zur Sprache kommen und die Bundesregierung über Vorgänge im Bereich der Dienste informiert. Die Parlamentarische Kontrollkommission ist weder Organ der Bundesregierung noch Instrument der Opposition. Ihre Arbeit verlangt Vertrauen und Verantwortung über Fraktionen und Koalitionen hinweg. Es darf daher auch nicht zur Regel werden, daß Informationen über konkrete Operationen Gegenstand von parlamentarischen Beratungen werden.
Wenn sich daher die Parlamentarische Kontrollkommission einstimmig dafür entschieden hat, diese Unterrichtung vorzunehmen, dann nur deswegen, weil es eine ähnliche Unterrichtung im November 1985 gegeben hat und wir dem Vorwurf begegnen wollen, es würde hier irgend etwas unter den Teppich gekehrt. Allerdings muß eine solche Unterrichtung die Ausnahme bleiben und darf nicht zu einem ständigen Vorgang werden. Ansonsten wäre die Arbeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission überflüssig, und eine umfassende Information durch die Regierung könnte nicht mehr stattfinden.
Der Bundesinnenminister hat in seiner Regierungserklärung einen korrekten, sachlichen Bericht über die Vorgänge gegeben. Er hat den Sachverhalt präzise wiedergegeben, die damalige Situation dargestellt und die Handlungspflicht des Staates begründet.

(Ströbele [GRÜNE]: Sagen Sie mal was zu den Fakten!)

Er hat darüber hinaus die Bewertung der Parlamentarischen Kontrollkommission des Deutschen Bundestages respektiert. Die Regierung hat zugesagt, daß eine Mitfinanzierung dienstlicher Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes durch private Mittel künftig ausgeschlossen wird.
Die Beauftragung des Bundesnachrichtendienstes für diese wichtige Aufgabe war legitim, die Verwendung privater Mittel nicht ungesetzlich, und die Abrechnung bzw. Rückerstattung des Geldes erfolgte korrekt.
Nachdem im November 1985 der Auftrag an die Regierung ergangen war, zu prüfen, ob es ähnliche Vorgänge gegeben habe, hat die Bundesregierung den jetzt in Rede stehenden Vorgang dem Vorsitzenden und den anderen Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission pflichtgemäß mitgeteilt. Ursprünglich war die SPD bereit, es dabei be-



Dr. Waigel
wenden zu lassen. Erst als eine Veröffentlichung erfolgte, die nicht auf uns zurückgeht, war die SPD der Meinung, darüber müsse es eine weitere Diskussion geben.
Die Kritik in Ziffer 4 des SPD-Antrags ist durch die Daten und durch die Fakten nicht gedeckt. Ich verweise darauf, daß der Kollege Jahn bei ähnlicher Gelegenheit am 12. November 1985 darauf die Antwort gegeben hat. Er war der Meinung, er halte es für einen „völlig normalen Vorgang, daß ein Bundeskanzler nicht über alle einzelnen Schritte und Einzelentscheidungen einer ihm nachgeordneten Behörde unterrichtet ist". Er sagte weiter:
Beamte in solchen hohen und verantwortlichen Stellungen tragen auch ein Maß eigener Verantwortung, dem sie gerecht werden, und das drückt sich nicht darin aus, daß nun in allen Einzeloperationen, in allen Einzelfällen dann jeweils eine vollständige Unterrichtung aller in diesem Bereich Verantwortlichen erfolgt.
Meine Damen und Herren, was für SPD-Leute und SPD-Kanzler gilt, das muß auch für CDU/CSU- Kanzler und für CDU/CSU-Politiker gelten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir jedenfalls sind froh, daß die Bundesregierung, insbesondere der Bundesinnenminister, alle Möglichkeiten ausgenutzt hat, einen unerträglichen Zustand der Unsicherheit über das Verbleiben der Giftfässer zu beseitigen, und alles getan hat, um den Verbleib der Fässer aufzuklären.
Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, dem sachgerechten Antrag von CDU/CSU und FDP zuzustimmen und den überflüssigen Antrag der SPD abzulehnen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019811400
Das Wort hat der Abgeordnete Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1019811500
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Waigel, Ihr Demokratieverständnis

(Klein [München] [CDU/CSU]: Aber Ihres!)

und das, was wir im Geheimdienst/ZimmermannUntersuchungsausschuß herausbekommen, sind für immer mehr Wähler der letzte Anstoß, immer mehr die GRÜNEN zu wählen.

(Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Da lachen ja die Hühner im Kreml!)

Herr Waigel, ich kann Sie beruhigen: Es steht jetzt schon fest, daß aus Berlin zwei Abgeordnete der Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz in den Deutschen Bundestag einziehen werden. Die Fraktion der GRÜNEN wird sich im gleichen Verhältnis ebenfalls vergrößern.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Sind die vorbestraft?)

Ich möchte einen Satz von Brecht abwandeln: Diese Regierung versucht offenbar, wenn sie mit der Opposition nicht zufrieden ist, sich eine Opposition selbst zu wählen. Nur: Hier in der Bundesrepublik entscheiden immer noch die Wähler, Herr Waigel. Wir sind hier nicht auf den Philippinen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist richtig!)

Herr Minister Zimmermann, was Sie hier heute gesagt haben, die Geschichte, die Sie uns hier erzählt haben, glaube ich Ihnen nicht. Sie haben zu den wesentlichen Vorwürfen, zu den wesentlichen Fakten, die der Kollege Emmerlich hier wieder dargelegt hat, mit keinem Wort Stellung genommen. 350 000 DM haben Sie von Ihren Freunden von der Industrie für eine Geheimdienstoperation des BND bekommen, für die offenbar keine Steuergelder zur Verfügung standen. 119 000 DM davon haben Sie an Ihren, wie man sagen muß, teuren Topagenten Mauss zahlen müssen, wofür auch immer.
Die erste Frage lautet: Für was konkret sind die 119000 DM eigentlich ausgegeben worden?
Die 230 000 DM, die vom BND offenbar zurückgezahlt wurden, sind bis zu Ihnen gelangt, aber nicht als Überweisung, sondern in bar, offenbar wieder im Koffer, in einem Koffer mit gebündeltem Barem. Die sind bei Ihnen angekommen. Aber wohin sind sie wann gelangt? Sie sind bei Ihnen offenbar zwischengelagert worden, aber wir wissen nicht — Sie haben das bis heute nicht erklärt —, wann Sie sie weitergegeben haben, wieso Sie, wenn Sie jemandem 230 000 geben, dafür keine Quittung bekommen und wieso die Quittung, die Sie jetzt beschafft haben wollen, erst im Januar 1986 beschafft worden ist, also zwei Jahre, nachdem diese ganze Aktion gelaufen ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Kunz [Weiden] [CDU/ CSU])

In Berlin ist der Politiker Riebschläger zurückgetreten und hat alle seine Ämter niedergelegt, weil er Geld einbehalten und erst, nachdem man ihn dabei ertappt hatte, zurückgegeben hat. Aber dieser Minister hier sitzt nach wie vor auf dem Ministerstuhl.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Aber jetzt zu den Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Mich wundert: Noch im Januar 1986 haben Sie verkündet und in der Presse verkünden lassen, Sie würden einen 3. Untersuchungsausschuß oder die Erweiterung des Untersuchungsauftrags des 2. Untersuchungsausschusses beantragen. Alle diese Skandale, die Sie hier nur angetippt haben, Herr Kollege Emmerlich, müssen bis ins letzte aufgeklärt und der Öffentlichkeit präsentiert werden. Der Wähler muß wissen, mit wem er es hier zu tun hat.

(Beifall des Abg. Schulte [Menden] [GRÜNE] — Gilges [SPD]: Es nützt doch alles nichts!)

Ich frage mich, warum sind Sie davon abgekommen? Was ist in der Parlamentarischen Kontrollkommission am 22. Januar 1986 passiert, daß Sie nun plötzlich von dem ursprünglichen Vorhaben Abstand genommen haben? Haben Sie sich trotz all



Ströbele
Ihrer Polemik mit den Herren von der CDU/CSU und der FDP arrangiert? Und wenn: Aus welchen Gründen? Das würde ich gern wissen.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das möchten Sie gern wissen! — Zuruf des Abg. Dr. Olderog [CDU/CSU])

— Das würde ich gern wissen.
Aber das eigentlich Interessante an der ganzen Geschichte ist ja: Was ist 1983 tatsächlich passiert? Da keiner von Ihnen hier dazu Stellung genommen hat, muß ich nach dem, was ich weiß, nach dem, was schon veröffentlicht worden ist, und nach dem, was mir zugegangen ist, davon ausgehen, daß, als alle Welt die 41 Seveso-Fässer gesucht und großes Geschrei gemacht hat, dieses Dioxin-Gift von Seveso in die DDR nach Schönberg verbracht worden ist, wo es heute noch lagert.

(Kühbacher [SPD]: Was? Das ist neu! — Hört! Hört! bei den GRÜNEN)

Sie haben der Weltöffentlichkeit Fässer vorgezeigt, die ganz eindeutig und unstreitig nicht die Fässer sind, die in Seveso abgeschickt worden waren.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Ou!)

Die Zahlen und die Zeichen, die auf den Fässern waren — dafür gibt es Fotos —, waren auf den Fässern, die Sie in Frankreich der Öffentlichkeit präsentiert haben, nicht mehr zu sehen, und Sie haben auch nicht erlaubt, daß irgend jemand am Lack dieser angeblichen Seveso-Fässer kratzt.

(Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU])

Diese Fässer — das behaupte ich hier — lagern nach wie vor auf der Mülldeponie an der deutschdeutschen Grenze in Schönberg. Dort sind sie eine sehr unfriedliche Zeitbombe.
Dafür gibt es weitere Anhaltspunkte. Sie haben sich im April 1983 nicht nur mit den Topherren von Mannesmann und nicht nur mit den Leuten vom BND und nicht nur mit Herrn Mauss, sondern auch mit Vertretern der schleswig-holsteinischen Landesregierung getroffen, um diesen Coup, den Sie in der Bundesrepublik arrangiert haben, durchzuziehen.
Schließlich frage ich Sie, Herr Minister Zimmermann: Was ist das für eine Zollbescheinigung? Können Sie die vorlegen? Haben Sie die der PKK vorgelegt? Ich meine die Zollbescheinigung, aus der sich ergibt, daß Fässer aus Seveso in die DDR auf die Schönberger Mülldeponie gelangt sind.
Nach alldem haben wir in unserem Entschließungsantrag heute beantragt, mit einem erweiterten Auftrag für den 2. Untersuchungsausschuß das alles aufzuklären und festzustellen: Für was hat Herr Mauss diese 120 000 DM verbraucht? Für was hat er sie gekriegt? Das sind Sie der Öffentlichkeit schuldig.
Wir meinen, so lange darf Ihnen, Herr Zimmermann, hier im Haus und draußen in der Öffentlichkeit keiner Glauben schenken.

(Beifall bei den GRÜNEN — Krey [CDU/ CSU]: Das ist ja unerhört! So was! Wo leben wir denn! — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/ CSU]: Berlin!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019811600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hirsch.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1019811700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Emmerlich, wir sollten nicht jetzt und nicht bei einem Vorgang dieser Art im Bereich der inneren Sicherheit anfangen, Wahlkampf zu machen. Ich glaube, das ist kein Punkt, der sich wirklich dafür eignet.

(Zuruf des Abg. Ströbele [GRÜNE])

Herr Kollege Ströbele, Ihnen muß ich sagen: Ich kann Sie nicht mehr ernst nehmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Art, wie Sie mit Verdächtigungen, Unterstellungen, Halbandeutungen arbeiten, ist — entschuldigen Sie, daß ich Ihnen das so sage — einfach mies.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU — Dolata [CDU/CSU]: Das macht dieser Jurist immer! — Dr. Olderog [CDU/CSU]: Der gehört raus aus dem Parlament!)

Nun muß ich aber auch sagen, Herr Innenminister: Ihrer Erklärung habe ich mit wachsendem Ärger, mit wachsendem Zorn zugehört. Ich habe den Eindruck, daß Sie den Sinn der Zusammenarbeit mit der Parlamentarischen Kontrollkommission nicht verstanden haben. Das muß man Ihnen sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das muß man Ihnen sagen. Die Kontrollkommission ist ein gesetzliches Organ des Deutschen Bundestages. Die Beantwortung der Frage, ob Sie mit dieser Kontrollkommission zusammenarbeiten oder nicht, kann nicht davon abhängen, ob Sie das Gefühl haben, in einer Ausnahmesituation zu sein oder nicht.

(Beifall bei der FDP, SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Der Vorgang veranlaßt mich zu folgenden Bemerkungen: Wir haben schon vor kurzem private Zuwendungen für dienstliche Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes gemeinsam als nicht angängig bezeichnet. Der Nachrichtendienst arbeitet nicht auf Kommissionsbasis. Ihm standen hinreichende Haushaltsmittel zur Verfügung.

(Zuruf von den GRÜNEN: Aha!)

Wir sind der Auffassung, daß der Bundesminister des Innern schon damals den Vorgang der Parlamentarischen Kontrollkommission hätte mitteilen müssen, weil er von besonderer Bedeutung war. Das eigene Verhalten des Bundesministers bei der Weiterleitung und der Zrücknahme eines Teiles des



Dr. Hirsch
Geldes, nämlich die äußerste Vertraulichkeit auch gegenüber dem eigenen Haus, zeigt, daß er den Vorgang auch selber so, nämlich als ungewöhnlich, eingestuft hatte.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019811800
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Krey? — Bitte schön.

Franz Heinrich Krey (CDU):
Rede ID: ID1019811900
Herr Kollege Dr. Hirsch, ist die Meßlatte, die Sie an das Verhalten des amtierenden Bundesinnenministers gegenüber der Kontrollkommission angelegt haben, auch bei seinem Amtsvorgänger anzulegen hinsichtlich der Beantwortung der Frage, ob bei seinem Verhalten — wie er es reklamiert — ein Ausnahmezustand galt?

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1019812000
Herr Kollege Krey, wir reden nicht über den amtierenden Innenminister, sondern über den Innenminister. Sie können ganz sicher sein, daß unser Maßstab unverändert derselbe ist. Aber der Kollege Baum hat Ihnen in der vorhergehenden Debatte dargestellt, daß er von einer Privatfinanzierung des damaligen Vorganges nicht informiert war. Ich meine, Sie sollten das nachlesen, ehe Sie eine solche Behauptung aufstellen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019812100
Herr Abgeordneter, auch der Abgeordnete Baum möchte eine Zwischenfrage stellen.

Gerhart Rudolf Baum (FDP):
Rede ID: ID1019812200
Herr Kollege, können Sie dem Haus in Erinnerung rufen, daß die damalige Aktion nicht in meiner Verantwortung stattgefunden hat?

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1019812300
Das haben Sie, Herr Kollege, hier in aller Eindringlichkeit dargestellt, und dem hat niemand widersprochen. Das ist im Protokoll nachlesbar.
Wir können die Bemühungen des Bundesministers des Innern durchaus verstehen, die Hilfe durch den Dienst äußerst vertraulich zu behandeln. Wir müssen aber daran erinnern, Herr Bundesinnenminister, daß die Parlamentarische Kontrollkommission j a gerade zu dem Zweck eingerichtet worden ist, Vorgänge dieser Art politisch erörtern und sie damit im Interesse der Sache auch aus der öffentlichen kontroversen Behandlung heraushalten zu können.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Die ist ja nicht dicht! Das ist doch das Problem!)

— Ich komme darauf zurück, Herr Kollege.
Erstens. Wir gehen davon aus, daß es nunmehr keine weiteren Fälle dieser Art gibt. Es könnte sicherlich nicht ohne Folgen bleiben, wenn es weitere Fälle gäbe, die zwar einem Mitglied der Bundesregierung bekannt, aber der Parlamentarischen Kontrollkommission nicht mitgeteilt worden wären.

(Mann [GRÜNE]: Ist das eine Andeutung?)

Zweitens. Wir lassen dahingestellt, ob der Bundesnachrichtendienst bei Vorgängen dieser Art eingesetzt werden sollte. Sicherlich war die Bevölkerung beunruhigt. Aber nicht jeder Fall hohen öffentlichen Interesses ist eine Frage der Außen- und Sicherheitspolitik. Es gibt zur Zeit keine gesetzlichen Regelungen über die Zuständigkeiten des BND. Bei einer Definition seiner Zuständigkeiten wird darauf Bedacht zu nehmen sein, daß er keine Aufgaben aus dem Bereich der Polizei erfüllt. Der Bundesnachrichtendienst ist keine europäische Oberpolizei.

(Sehr gut! bei der SPD)

Drittens. Die Tätigkeit der Parlamentarischen Kontrollkommission beruht auf gegenseitigem Vertrauen. Die Verwaltung muß sich darauf verlassen können, daß die von ihr in der Kommission vorgetragenen Sachverhalte auch wirklich vertraulich bleiben. Nur dann kann die Kommission erwarten, daß ihr nichts vorenthalten wird. Geht diese Basis verloren, dann wird die Kommission wirkungslos oder müßte völlig anders konstruiert werden, z. B. mit eigenen Untersuchungsrechten. Darum hat es auch eine wesentliche Auswirkung auf die Arbeit der Kommission, wenn sie konkrete, von ihr behandelte Vorgänge in die Öffentlichkeit des Plenums trägt und die Verwaltung nicht von vornherein erkennen kann, ob sie damit rechnen muß.
Wir werden weiteren Berichten dieser Art kaum zustimmen können, auch wenn sie politisch reizvoll sein mögen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019812400
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kühbacher?

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1019812500
Ja.

Klaus-Dieter Kühbacher (SPD):
Rede ID: ID1019812600
Herr Kollege Hirsch, wie beurteilen Sie die Einlassung des Bundesinnenministers, daß das Innenministerium am Abend der Unterrichtung der Gremien — der Kontrollkommission und des Haushaltsausschusses — von einem Journalisten angerufen worden sei, der vorgegeben habe, etwas über den Vorgang erfahren zu haben, worauf das Innenministerium diese Dinge nur noch mit dem Redakteur habe diskutieren können? Ist diese Form von Entlastung und Angriff gegenüber der PKK und anderen Gremien nicht auch eine Frage der vertrauensvollen Zusammenarbeit? Denn niemand kann nachvollziehen, was in diesem Telefongespräch in der Zeitung „Bild am Sonntag" mit dem Minister tatsächlich vorgegangen ist.

Dr. Burkhard Hirsch (FDP):
Rede ID: ID1019812700
Herr Kollege Kühbacher, ich habe dazu vorhin für uns gesagt — und das ist ein Teil des gemeinsamen Berichts der Parlamentarischen Kontrollkommission —, daß nach unserer Auffassung der Bundesminister des Innern damals, als sich der Vorgang ereignete, die Parlamentarische Kontrollkommission davon hätte unterrichten sollen, weil es ein ungewöhnlicher Vorgang war. Das ist der Punkt. Ich brauche gar nicht darüber zu reden, wann jetzt eine Unterrichtung hätte erfolgen können. Sie hätte damals erfolgen müssen.
Viertens. Eine erfolgreiche Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission setzt gegenseitiges Vertrauen voraus. Das kommt nicht von allein. Alle Beteiligten müssen sich darum bemühen, daß diese



Dr. Hirsch
wichtige Voraussetzung erhalten bleibt. Diese Bemerkung bezieht sich nicht nur auf das Verhältnis der Kommissionsmitglieder zueinander — aber auch —, sondern bezieht sich natürlich auch auf die Mitglieder der Bundesregierung, mit denen wir es in der Kommission zu tun haben. Der Bundesminister des Innern hat sich im Verlauf unserer Beratungen auch auf den reinen Rechtsstandpunkt über die Art und den Umfang der Unterrichtung zurückgezogen. Das ist zwar sein Recht, entspricht aber nicht dem Stil, den wir in unserem gegenseitigen Interesse wahren müssen. Wir können die teilweise sehr zögerliche Unterrichtung der Kommission nicht gutheißen und erwarten, daß uns Wiederholungen erspart bleiben. Für uns ist diese Angelegenheit hinreichend geklärt und mit dem gemeinsamen Bericht, den wir vorlegen, abgeschlossen.

(Beifall bei der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019812800
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3, und zwar über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5055. Die SPD-Fraktion hat gebeten, den Entschließungsantrag zu teilen und zunächst den Abschnitt I erster Absatz zur Abstimmung zu stellen und danach den Teil, der mit den Worten „Er stellt fest" beginnt. Wer dem Entschließungsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 10/5055 erster Absatz zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Dann ist der erste Absatz dieses Antrages bei einer Stimmenthaltung mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zu dem zweiten Absatz dieses Antrags von „Er stellt fest" bis zum Schluß auf Seite 2. Wer diesem Teil des Antrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nun zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 10/5054. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dann ist dieser Entschließungsantrag mit Mehrheit angenommen worden.
Wir kommen nun zu dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/ 5069. Dazu muß ich zunächst eine Korrektur des Textes mitteilen. Auf Seite 2 unter Ziffer 4 hat sich ein technischer Fehler eingeschlichen. Hinter den Worten „Bundesminister des" muß hinzugefügt werden: „Innern zurückgezahlt". Dann heißt es also: „Wann wurde der Restbetrag in Höhe von ... DM an den Bundesminister des Innern zurückgezahlt?" Ich hoffe, Sie haben es notiert.
Wir kommen zur Abstimmung über diesen Entschließungsantrag. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der Entschließungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Meine Damen und Herren, bevor wir in die Mittagspause eintreten, habe ich Ihnen noch folgendes mitzuteilen. Interfraktionell ist vereinbart worden, heute nachmittag nach Tagesordnungspunkt 4 und Zusatztagesordnungspunkt 3 — das ist die Debatte über die Beschäftigung von Frauen — zunächst die Tagesordnungspunkte 7 und 8 aufzurufen, bei denen es namentliche Abstimmungen geben wird.
Wir treten dann — auch da bitte ich zuzuhören — in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 14 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt. Um 15.15 Uhr findet eine Fraktionssitzung der SPD statt, so daß die Plenarsitzung dann um zirka eine Stunde unterbrochen wird. Wir werden Ihnen über die Lautsprecheranlagen mitteilen, wann die Fortsetzung der unterbrochenen Plenarsitzung stattfindet.
Ich unterbreche die Sitzung für die Mittagspause.

(Unterbrechung von 13.31 bis 14.02 Uhr)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019812900
Wir fahren in den Beratungen fort.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksache 10/5031 —
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatsminister Möllemann zur Verfügung.
Ich rufe Frage 39 des Abgeordneten Dr. Weng (Gerlingen) auf:
Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, daß es Versuche aus der politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat, über die Partei der Spanischen Sozialisten zu erreichen, daß Spanien der Werte- und Verteidigungsgemeinschaft der westlichen Demokratien NATO nicht beitritt, und wie bewertet die Bundesregierung gegebenenfalls diesen Vorgang?
Bitte schön.

Jürgen W. Möllemann (FDP):
Rede ID: ID1019813000
Herr Kollege Dr. Weng, zunächst ist festzustellen, daß Spanien ja der NATO angehört, daß es also in nächster Zeit nicht darum geht, ob es der NATO beitritt, sondern darum, ob es Mitglied der NATO bleibt.
Wenn ich Ihre Frage aber so verstehe, ob es aus der politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland Versuche gegeben hat, zu erreichen, daß Spanien nicht in der NATO bleibt, dann ist die Frage so allgemein gehalten, daß ich sie so nicht beantworten kann. So allgemeine Informationen liegen uns nicht vor.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019813100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Weng.

Dr. Wolfgang Weng (FDP):
Rede ID: ID1019813200
Herr Staatsminister, die Frage betraf, wenn ich das festellen darf, die



Dr. Weng (Gerlingen)

Zeit vor dem Beitritt Spaniens zur NATO. Ich bin etwas darüber verwundert, daß der Bundesregierung keine Daten vorliegen, und frage Sie: Ist Ihnen nicht bekannt, daß dem saarländischen Ministerpräsidenten und SPD-Landesvorsitzenden genau derartige Versuche unterstellt werden und daß der Landtag des Saarlandes hierüber diskutiert hat?

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019813300
Das betrifft eigentlich nicht die Bundesregierung.
Möllemann, Staatsminister: Herr Kollege Weng, es ist bekannt, daß der saarländische Ministerpräsident in Spanien Erklärungen abgegeben hat, die sich darauf bezogen, daß es besser wäre, wenn sich Spanien aus der militärischen Integration der NATO heraushielte und auch atomwaffenfrei bliebe. Diese Äußerungen sind uns bekannt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019813400
Die zweite Zusatzfrage, bitte.

Dr. Wolfgang Weng (FDP):
Rede ID: ID1019813500
Herr Staatsminister, genau darauf bezieht sich meine ursprüngliche Frage. Bewertet die Bundesregierung solche Äußerungen aus der politischen Landschaft der Bundesrepublik nicht? Ich halte solche Äußerungen für fatal!
Möllemann, Staatsminister: Herr Kollege Weng, wir haben gegenüber der spanischen Regierung jederzeit deutlich gemacht, daß wir es sehr begrüßen würden, wenn sich die spanische Bevölkerung bei den bevorstehenden Referendum mehrheitlich für einen Verbleib in der NATO aussprechen würde,

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

auch und gerade deshalb, weil wir glauben, daß auf längere Sicht eine Teilung der Solidarität, zwischen ökonomischer Solidarität, wie sie etwa in der gemeinsamen Mitgliedschaft in den Europäischen Gemeinschaften zum Ausdruck kommt, und sicherheitspolitischer Solidarität, kaum sehr zweckmäßig und wohl auch nicht sehr überzeugend ist. Wir sind auch froh darüber, daß der spanische Ministerpräsident, Herr Gonzales, sich im Moment in einer großen Werbekampagne befindet, um die Bevölkerung zu überzeugen, daß es gut sei, wenn Spanien NATO- Mitglied bleibe.
Wir würden es gut finden, wenn auch die Mitglieder des Bundesrates die von der Bundesregierung und übrigens ja auch von diesem Parlament mehrheitlich vertretene Politik bei öffentlichen Äußerungen in betroffenen Ländern mit unterstützen würden und nicht eine Art dagegen gerichteter Nebenaußenpolitik betreiben würden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019813600
Ich rufe die Frage 40 des Herrn Abgeordneten Dr. Rose auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung den derzeitigen Aufwand des Goethe-Instituts in Daressalam im Vergleich zu seiner derzeitigen Effektivität?
Möllemann, Staatsminister: Herr Dr. Rose, die Zweigstelle des Goethe-Instituts in Daressalam gehört mit nur einer entsandten und zwei Ortskräften sowie einem Honorarlehrerdeputat zu den kleinen Zweigstellen. Dennoch leistet sie als einzige deutsche Kultureinrichtung in Tansania mit ihrem Kultur- und Informationsprogramm und ihrem Sprachkursangebot einen wichtigen Beitrag zum Kulturaustausch mit diesem Land. Mit ihrer Lage im Zentrum Daressalams hat sie dafür auch eine gute Ausgangsposition.
Der Aufwand für die Zweigstelle Daressalam liegt im Rahmen des für Zweigstellen dieser Größe — also mit ihrer bescheidenen Ausstattung — Üblichen und steht zu ihren Aktivitäten in einem angemessenen Verhältnis. Ich möchte Ihnen sagen, daß die jährlichen Betriebsmittelzuschüsse für die Zweigstelle Daressalam derzeit 112 300 DM betragen, dank einer derzeit günstigen Miete, während etwa — um einen Vergleich zu haben — die Betriebsmittelzuschüsse für zwei andere sogenannte Einmannzweigstellen, Jaunde und Lomé, 346 000 bzw. 154 000 DM betragen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019813700
Zusatzfrage, Herr Dr. Rose.

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1019813800
Darf ich Ihr Stichwort von der derzeit günstigen Miete zum Anlaß nehmen, Sie zu fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß gerade im Zusammenhang mit der Miete große Schwierigkeiten aufgetreten sind, weil die Republik Tansania laufend Mieterhöhungen propagiert, die vom Goethe-Institut allerdings momentan nicht bezahlt werden? Wie sehen Sie hier die künftige Entwicklung auch im Hinblick auf die Effektivität?
Möllemann, Staatsminister: Die tansanische Regierung, die Eigentümerin des Gebäudes ist, in dem die Zweigstelle des Goethe-Instituts arbeitet, hat angekündigt, sie wolle den Mietpreis von jetzt 26 000 DM jährlich praktisch verfünffachen auf 127 000 DM. Wir haben der Regierung über unsere Vertretung klargemacht, daß dies Schlußfolgerungen für den Bestand des Instituts auslösen würde; das könnten wir nicht hinnehmen. Darauf hat uns die tansanische Regierung mitgeteilt, man werde dieses Vorhaben überprüfen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019813900
Zweite Zusatzfrage.

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1019814000
Nachdem die DDR ihr Institut dort — offensichtlich auch aus finanziellen Gründen — geschlossen hat, möchte ich schon noch mal nachfragen, ob Sie dann, wenn es tatsächlich zu diesen überhöhten Preisen kommt, die dort ja staatlicherseits gemacht werden, auch an Konsequenzen bis hin zu einer Schließung des Instituts denken.
Möllemann, Staatsminister: Ja, wir können eine solche Schlußfolgerung dann nicht ausschließen, weil das einfach unvertretbar wäre. Wir haben der tansanischen Regierung bedeutet, daß ihr Interesse an einem Kulturabkommen, das sie signalisiert hat, nicht sehr glaubwürdig untermauert würde, wenn man auf der anderen Seite die wenigen Aktivitäten, die bestehen, auf solche Weise erschweren würde. Wir sind guter Hoffnung, daß wir uns doch noch einigen können.




Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019814100
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Dr. Rose auf:
Welche grundsätzlichen Fortschritte erwartet sich die Bundesregierung aus dem geplanten Kulturabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Republik Tansania?
Bitte, Herr Staatsminister.
Möllemann, Staatsminister: Herr Dr. Rose, wir erhoffen uns von einem Kulturabkommen mit Tansania einen weiteren Ausbau des Kulturaustausches und den Abbau statusrechtlicher Probleme, die in der Vergangenheit die Arbeit der Zweigstelle Daressalam erschwert haben, sowie auch die Absicherung der Tätigkeit unseres sonstigen Kulturpersonals in Tansania. Wir haben darüber hinaus nämlich sechs Langzeitdozenten, die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst dorthin entsandt worden sind. Es wäre sicherlich für deren praktische Arbeit wie auch für die praktische Arbeit des Goethe-Instituts nützlich, wenn die dafür nötigen Voraussetzungen durch ein Abkommen getroffen werden könnten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019814200
Zusatzfrage, bitte.

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1019814300
Verstehe ich Sie also richtig, daß in dieses Kulturabkommen nicht nur die Möglichkeiten, die wir bisher haben, also z. B. bei dem Goethe-Institut, einbezogen werden können, sondern daß auch Ausweitungen der gegenseitigen Kulturbeziehungen möglich sind? Oder denken Sie nur an das, was bisher ist?
Möllemann, Staatsminister: Wir denken an eine Ausweitung dieser Beziehungen und glauben, daß dafür auch die Voraussetzungen gegeben sind.
Sie haben vorhin in Ihrer Zusatzfrage noch einen interessanten Sachverhalt mit angesprochen, nämlich das Verhalten der DDR in diesem Bereich.
Vorausgesetzt, die tansanische Seite erhält ihr Interesse aufrecht — und wir haben guten Grund dafür, das anzunehmen; denn sie wollte dieses Abkommen —, glauben wir, daß über das bisherige Maß der Zusammenarbeit im akademischen Bereich und im Goethe-Instituts-Bereich hinaus eine kulturelle Zusammenarbeit möglich ist.

Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1019814400
Würde in diese geplante Zusammenarbeit auf kulturellem Gebiet neben dem jetzt bestehenden, also modernen Verbindungsspektrum zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Tansania auch irgendwo das mit einbezogen, was von früher an gegenseitigen Beziehungen da war, z. B. Bagamoyo und Umgebung?
Möllemann, Staatsminister: Ich glaube, daß die Geschichte wechselseitiger Beziehungen auch immer ein Bestandteil kultureller Arbeit sein muß. Insofern könnte das der Fall sein. — Ich kann Ihnen das jetzt im Detail nicht beantworten. Ich möchte das gerne schriftlich nachreichen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019814500
Zusatzfrage, Herr Dr. Riedl.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID1019814600
Herr Staatsminister, wird bei diesen Kulturverhandlungen auch darüber gesprochen, wie die Missionsarbeit der katholischen und der evangelischen Kirche in Tansania mehr als bisher gefördert werden kann?
Möllemann, Staatsminister: Es kann sich natürlich nur darum handeln, daß kulturelle Aktivitäten der Kirchen oder auch der Stiftungen, die dort ebenfalls tätig sind, besonders gesichert werden. Die allgemeine kirchliche Arbeit wird man nicht unter ein Kulturabkommen fassen können,

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019814700
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 42 des Herrn Abgeordneten Stahl auf:
Auf Grund welcher Erkenntnisse ging die Bundesregierung bei der Beantwortung meiner Anfrage (Plenarprotokoll 10/130, S. 9676) und der neuen Antwort auf die Frage des Abgeordneten Ströbele (Plenarprotokoll 10/191, S. 14449) davon aus, daß Herr Smart Alpha Kargbo aus Sierra Leone, dem durch Gerichtsentscheid politisches Asyl in der Bundesrepublik Deutschland verweigert und der dann ausgewiesen wurde, in einem Gefängnis in Sierra Leone zu Tode gekommen sein soll, und welche neuen Erkenntnisse hat die Bundesregierung heute?
Möllemann, Staatsminister: Herr Kollege Stahl, bei der Beantwortung der Anfrage am 29. April 1985 lagen der Bundesregierung zwar eine Reihe von mündlichen Hinweisen auf einen möglichen Tod von Herrn Smart Alpha Kargbo in einem sierraleonischen Gefängnis vor, jedoch keinerlei gesicherten Erkenntnisse. So habe ich damals auch auf Ihre Frage geantwortet. Damals habe ich noch nicht gesagt, wir müßten von seinem Tod ausgehen. Erst im Oktober 1985 ergaben die Nachforschungen des Auswärtigen Amtes durch unsere Botschaft in Sierra Leone ernstzunehmende Indizien für Kargbos Tod, die auf Aussagen eines Zeugen vor Ort beruhten. Die Beantwortung der Anfrage des Abgeordneten Ströbele am 23. Januar 1986 erfolgte gemäß diesem Kenntnisstand.
Unmittelbar nach Erteilung der Antwort an Herrn Ströbele wurde das Auswärtige Amt über eine zwischenzeitlich erfolgte Befragung des zuvor erwähnten Zeugen durch die neue Regierung Sierra Leones informiert. Diese Befragung fand in der deutschen Botschaft in Freetown statt. Bei dieser Befragung hat der Zeuge seine früher gemachten Aussagen vollständig widerrufen. Somit fehlt erneut jeder überprüfbare Nachweis für den möglichen Tod des Herrn Kargbo in einem sierraleonischen Gefängnis. Wir sind im Grunde wieder dort, wo wir bei der Beantwortung Ihrer ersten Frage im April 1985 waren.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019814800
Zusatzfrage Herr Stahl.

Erwin Stahl (SPD):
Rede ID: ID1019814900
Herr Staatsminister, wann ist damit zu rechnen, daß es etwas gesichertere Erkenntnisse unter dem Gesichtspunkt gibt, daß es doch üblich ist, daß Anwesenheitslisten bzw. Belegungslisten in Gefängnissen geführt werden? Hat die deutsche Botschaft die Möglichkeit gehabt, derartige Listen einzusehen? Ist damit zu rechnen, daß



Stahl (Kempen)

der hier in Rede stehende Zeuge, wenn er nach der Vernehmung nach Hause geht, nicht doch mit irgendwelchen Repressalien des Systems oder der Regierung zu rechnen hat?
Möllemann, Staatsminister: Ein Teil Ihrer Frage ist im Grunde Bestandteil Ihrer zweiten Frage. Wenn Sie erlauben, möchte ich die Antwort darauf mit der auf diese Frage verbinden, weil es sonst sehr schwierig ist, sie zu behandeln.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019815000
Einverstanden? — Stahl (Kempen) (SPD): Ja, einverstanden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019815100
Dann rufe ich auch die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Stahl (Kempen) auf:
Wann ist mit einer die momentanen und noch geplanten Untersuchungen der Bundesregierung abschließenden Stellungnahme zum Fall Kargbo zu rechnen, und wäre es von seiten der Bundesregierung nicht sinnvoll, einer nahen Verwandten, die in der Bundesrepublik Deutschland lebt, aus humanitären Gründen nun Asyl zu gewähren, damit eine Lebensplanung über einen längeren Zeitraum möglich ist?
Möllemann, Staatsminister: Wir haben bisher von den Personen, die behauptet hatten, Herr Kargbo sei nach der Rückkehr nach Sierra Leone umgekommen, keine neuen Erkenntnisse oder Beweise vorgelegt bekommen. Wir können auch nicht absehen, inwieweit die neue sierraleonische Regierung in der Lage sein wird, eine den Fall abschließende, wirklich eindeutige Erklärung abzugeben. Die Tatsache, daß wir uns bemüht haben, den Zeugen bei uns in der Botschaft anzuhören, und daß wir dazu ein Mitglied der neuen sierraleonischen Regierung gebeten haben, zeigt zweierlei: erstens, wie ernst wir das Bemühen des Parlaments genommen haben, die Sache aufzuklären, und zweitens, daß wir glaubten, das auch nur im Zusammenwirken mit der dortigen Regierung tun zu können, und daß die neue Regierung dazu auch bereit war — sie hat es etwas leichter, weil sie unbefangener darangehen konnte —, da mitzuhelfen.
Insofern haben wir keinen Anlaß, davon auszugehen, daß dem seinerzeitigen Zeugen irgendwelche Nachteile aus seiner Aussage entstanden sind. Wir haben aber keine Möglichkeit — über das Gespräch mit der jetzigen Regierung hinaus —, weitere Aufklärung zu betreiben. Wir gehen davon aus, daß die Regierung alle Dokumente, die vorliegen — wie auch die von Ihnen angesprochenen — überprüft, um uns gegenüber am Ende eine wirklich verbindliche Aussage machen zu können.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019815200
Sie haben jetzt noch zwei Zusatzfragen.

Erwin Stahl (SPD):
Rede ID: ID1019815300
Herr Staatsminister, dann darf ich, bezugnehmend auf meine Frage 57, die ich eingereicht hatte, fragen, ob es nicht recht und billig ist — darauf haben Sie nicht geantwortet —, da das Verfahren vom Gericht derzeit nur ausgesetzt ist, der hier in Rede stehenden nahen Verwandten Asyl zu gewähren, damit die Lebensplanung in irgendeiner Form für wenigstens einen sehr bestimmten längeren Zeitraum tatsächlich vorgenommen werden kann. Denn ich glaube, es ist auch ein Akt der Humanität, so etwas zu tun.
Möllemann, Staatsminister: Hinsichtlich der Gewährung von Asyl möchte ich darauf hinweisen, daß es sich hierbei, wie Sie zu Recht erklärt haben, um eine Rechtsfrage handelt, über die am Ende nach pflichtgemäßem Ermessen von dem dafür Zuständigen entschieden werden muß. Über die Frage der Asylgewährung an eine in der Bundesrepublik Deutschland lebende Verwandte des Herrn Kargbo entscheidet ein insoweit unabhängiger Einzelentscheider beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Da im Hinblick auf die laufenden Nachforschungen nach wie vor eine unklare Sachlage gegeben ist, konnte bisher eine Entscheidung nicht getroffen werden. Das heißt, ich gehe davon aus, daß die zuständige Stelle auf eine Mitteilung der Bundesregierung wartet, nachdem sich die sierraleonische Regierung geäußert haben wird, um das dann auch zur Grundlage ihrer Entscheidung zu machen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019815400
Sie haben noch zwei Zusatzfragen, bitte.

Erwin Stahl (SPD):
Rede ID: ID1019815500
Herr Staatsminister, Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Der jetzige Zustand ist doch sehr zweideutig. Von der Bundesregierung, vertreten durch das Auswärtige Amt, wird auf Grund von Erhebungen nämlich einmal dies und einmal jenes gesagt. Ich frage deshalb nochmals — damit es dieser Frau in dem Gerichtsverfahren nicht geht wie dem Stiefbruder —, ob nicht die Bundesregierung, sprich der Außenminister, das Gericht bitten kann — das kann sie, da sie vor Gericht auch gutachterlich tätig ist —, unter die Sache für einen längeren Zeitraum einen Schlußstrich zu ziehen, damit dieser Frau eine gewisse Lebensplanung ermöglicht wird. Das ist meines Erachtens eine wichtige Frage, die nicht nach den Vorschriften des Asylrechts allein zu lösen ist.
Möllemann, Staatsminister: Ich habe auf den Rahmen, in dem entschieden wird, hingewiesen. Nur, Herr Kollege Stahl, wenn das Ergebnis der Recherchen ist, daß der angenommene Tod des Herrn Kargbo gar nicht eingetreten ist, wenn herauskommt, daß es sich um eine falsche Aussage eines Zeugen handelt, aus welchen Motiven auch immer, dann entfällt auch die Voraussetzung.
Ich will jetzt einmal ohne jeden Bezug zu diesem Fall — weil das den Eindruck erwecken würde, ich unterstellte, das sei hier der Fall — sagen, daß es kein Sonderereignis wäre, wenn sich etwa bei einzelnen Asylanträgen herausstellte, daß nur bestimmte Behauptungen aufgestellt worden sind. Wenn der hier in Rede stehende Zeuge erklärt, er müsse alles widerrufen, z. B. weil er zum in Rede stehenden Zeitpunkt gar nicht in dem Gefängnis gewesen ist, in dem der Betroffene zu Tode gekommen sein soll, dann wäre die Grundannahme, von der die Stiefschwester des Herrn Kargbo ausgeht, gar nicht gegeben. Wenn sie aus dem möglichen Tod ihres Stiefbruders eine Gefährdung für sich selbst ableitet, diese Voraussetzung aber gar nicht



Staatsminister Möllemann
gegeben ist, wäre das natürlich auch für den Asylantrag relevant. Da wir leider nicht umhin können, die Einzelfallentscheidung zu treffen und dabei die konkreten Gegebenheiten zur Grundlage zu machen, müssen wir jetzt die endgültige Antwort der neuen Regierung von Sierra Leone, der wir keine mißbräuchliche Behandlung dieses Themas unterstellen wollen, abwarten. Dann können wir etwas sagen, und dann muß die zuständige Instanz entscheiden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019815600
Eine weitere Zusatzfrage.

Erwin Stahl (SPD):
Rede ID: ID1019815700
Herr Staatsminister, wann ist die Antwort oder der Bericht der sierraleonischen Regierung in etwa zu erwarten.
Möllemann, Staatsminister: Das kann ich Ihnen wiederum, so unbefriedigend das für Sie wie für uns ist, hier nicht, mit einem Datum verbunden, ankündigen. Wir bemühen uns mit unserer Vertretung vor Ort, möglichst schnell eine verbindliche Aussage zu bekommen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019815800
Ich rufe die Frage 43 der Frau Abgeordneten Eid auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß bei einer nichtöffentlichen Sitzung der UN-Menschenrechtskommission im Februar 1985 zu Ost-Timor die vom bundesdeutschen Delegierten Höynck vertretene Auffassung, die Situation in OstTimor habe sich entscheidend verbessert, maßgeblich dazu beigetragen hat, daß Ost-Timor von der „schwarzen Liste" gestrichen wurde und die Menschenrechtsverletzungen in Ost-Timor nunmehr kein Tagesordnungspunkt bei der UN- Menschenrechtskommission sind, und wie beurteilt die Bundesregierung diesen Vorgang?
Bitte, Herr Staatsminister.
Möllemann, Staatsminister: Frau Eid, die Bundesregierung kann dies nicht bestätigen. Der Vorschlag zur Einstellung des Verfahrens zur Prüfung der Menschenrechtslage in einem Land wird von der zuständigen Arbeitsgruppe der Menschenrechtskommission gemacht, der wir gar nicht angehören. Das Plenum der Menschenrechtskommission pflegt die prozeduralen Vorschläge dieser Arbeitsgruppe zu übernehmen; das ist auch in diesem Fall so geschehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019815900
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Eid?

Ursula Eid-Simon (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1019816000
Nein.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019816100
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 44 der Frau Abgeordneten Eid auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung zukünftig, Stipendien an Ost-Timoresen zu vergeben, und in wessen Auftrag konnte der bundesdeutsche Pastor Seifert während seiner Reise in Ost-Timor seinen Gesprächspartnern versichern, daß die Bundesregierung 50 v. H. der Stipendien (50 v. H. übernimmt die westdeutsche katholische Kirche) übernimmt (Jakarta Post, 7. Januar 1986)?
Bitte, Herr Staatsminister.
Möllemann, Staatsminister: Frau Eid, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, Stipendien an Ost-
Timoresen zu vergeben. Stipendien, die in die Zuständigkeit des Auswärtigen Amts fallen würden, sind deshalb ausgeschlossen, weil sie grundsätzlich nur an Post-Graduierte vergeben werden. Mangels einer Universität in Ost-Timor fehlt es hierfür schlicht an Kandidaten. Nach Auskunft des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit sind auch dort Stipendien für Ost-Timoresen nicht vorgesehen.
Zweitens. Die Pastor Seifert zugeschriebene Äußerung in der „Jakarta-Post" vom 7. Januar 1986 wird von ihm dementiert. Eine Nachfrage bei ihm ergab, daß er anläßlich eines Besuchs in Indonesien lediglich erklärt habe, er werde sich um die Unterstützung kirchlicher Kreise in der Bundesrepublik Deutschland für Stipendien ganz allgemein bemühen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019816200
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Stimmen Nachrichten, denen zufolge der Staatssicherheitsdienst der DDR sowohl in Nicaragua als auch in Kambodscha von den dortigen Regierungen beschäftigt und eingesetzt wird?
Bitte, Herr Staatsminister.
Möllemann, Staatsminister: Herr Dr. Hupka, der Bundesregierung sind Nachrichten, denen zufolge der Staatssicherheitsdienst der DDR in Nicaragua beschäftigt und eingesetzt wird, bekannt. Ob diese Nachrichten den Tatsachen entsprechen, ist uns aus eigenen Erkenntnisquellen nicht bekannt, weil wir dort relativ wenig Leute haben, die das überprüfen können. Hinsichtlich eines Einsatzes des DDR- Staatssicherheitsdienstes in Kambodscha verfügen wir über keinerlei Informationen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019816300
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID1019816400
Herr Staatsminister, würden Sie dann zur Ergänzung des Informationsstandes vielleicht auf das Buch von Professor Kriehle zurückgreifen, das er jetzt gerade über Nicaragua veröffentlicht hat — „Nicaragua, das blutende Herz Amerikas" — und in das er den Sachverhalt aufgenommen hat, daß die DDR den Staatssicherheitsdienst in Nicaragua aufgebaut hat?
Möllemann, Staatsminister: Herr Kollege Hupka, es gibt über dieses Thema aus neuerer Zeit eine Reihe interessanter Publikationen, und es hat auch eine Reihe interessanter Missionen dorthin gegeben. Auch Kollegen dieses Hauses haben sich jüngst sehr sorgfältig und nachdenklich zu diesem Thema geäußert, wie unsere Kollegen Klose und Wischnewski. Ob Herr Professor Kriehle bei seinem Besuch dort tatsächlich die Möglichkeit gehabt hat, geheimdienstliche Erkenntnisse zu gewinnen, entzieht sich meiner Beurteilungsmöglichkeit. Dieses Buch und auch die darin vertretene These sind uns bekannt. Ich sagte bereits: Uns sind auch andere Nachrichten bekannt, nach denen der DDR- Staatssicherheitsdienst in Nicaragua tätig ist.




Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019816500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID1019816600
Ist der Bundesregierung bekannt, daß innerhalb des Ostblocks eine Aufgabenverteilung dahingehend stattgefunden hat und auch praktiziert wird, daß sich die DDR jeweils um den Staatssicherheitsdienst zu kümmern habe, etwa auch in Äthiopien und nun in Nicaragua?
Möllemann, Staatsminister: Von einer förmlichen Beschlußfassung darüber und von einer daraus resultierenden Aufgabenverteilung ist der Bundesregierung nichts bekannt. Aber bekannt ist uns, daß der Staatssicherheitsdienst der DDR sich in bestimmten Ländern offenbar großer „Beliebtheit" erfreut.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019816700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1019816800
Herr Staatsminister, können Sie ausschließen, daß der Staatssicherheitsdienst der DDR durch Agenten auch in der Bundesrepublik tätig ist?
Möllemann, Staatsminister: Nein. Aber ich glaube, nicht auf dem Ausbildungssektor; jedenfalls hoffe ich das nicht.

(Heiterkeit — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Da bin ich nicht ganz sicher!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019816900
Ich rufe Frage 46 des Abgeordneten Jäger (Wangen) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung auf Grund der bisher vorliegenden Erkenntnisse die Präsidentschaftswahlen auf den Philippinen?
Möllemann, Staatsminister: Herr Kollege Jäger, gestern habe ich vor dem Auswärtigen Ausschuß des Deutschen Bundestages dargelegt, daß die Wahlen auf den Philippinen ohne Zweifel von Wahlfälschungen begleitet waren. Die Bundesregierung hat mit großer Betroffenheit die Stellungnahme der philippinischen Bischofskonferenz und die Feststellung einer amerikanischen Beobachterdelegation zur Kenntnis genommen, wonach die philippinische Regierung in diese massiven Wahlfälschungen verwickelt gewesen sei.
Die Bundesregierung ist überzeugt, daß diese Vorgänge dem Bemühen um wirtschaftliche und politische Stabilisierung der Philippinen und der Region, an der die gesamte internationale Staatengemeinschaft ein Interesse haben muß, äußerst abträglich sind. Ohne durchgreifende politische, wirtschaftliche und soziale Reformen wird es auf den Philippinen keine innere Befriedung geben.
Die Bundesregierung hat in einer Presseerklärung auf die Bedeutung dieser Wahlen für die Stabilität der Philippinen und der Region hingewiesen. Sie hat ihre Betroffenheit, wie ich sagte, über Manipulationsversuche deutlich gemacht. Sie hat darüber hinaus mit ihren Partnern in der EG ihre Haltung zu den Wahlen im philippinischen Außenministerium erläutert. Sie hat den deutschen Botschafter in Manila zur Berichterstattung zurückberufen. Botschafter Dr. Zeller hat gestern die Bundesregierung über die Lage auf den Philippinen unterrichtet. Er stand auch dem Auswärtigen Ausschuß für eine ausführliche Unterredung zur Verfügung. Ihr weiteres Vorgehen im Blick auf die Philippinen wird die Bundesregierung eng mit ihren europäischen Partnern abstimmen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019817000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID1019817100
Herr Staatsminister, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß es für die Beurteilung einer Wahl und die Beurteilung der Beeinträchtigung des Wahlrechts von Bürgern genauso schlimm ist, wenn, wie auf den Philippinen jetzt, der Bürger zwar zunächst frei wählen kann, die Wahlergebnisse aber dadurch verfälscht werden, daß die Wahlurnen beiseite geschafft, vernichtet und bestimmte Massen von Stimmzetteln überhaupt nicht ausgewertet oder in anderem Sinne, als der Wähler sie abgegeben hat, ausgewertet werden? Kurzum, erstreckt sich das Grundrecht der freien Wahlen nicht nur auf den Wahlakt bis zum Einlaufen der Stimmkarte, sondern auch auf alles, was danach bis zur korrekten Auszählung einer Wahl erfolgt?
Möllemann, Staatsminister: Korrekte Wahlen: Da muß man schon sagen, daß auch die gleichen Chancen in einem Wahlkampf schon zu einem fairen Wahlvorgang gehören. Auch hier sind die Berichte durchaus kritisch. Im übrigen stimme ich der Annahme in Ihrer Frage zu.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019817200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger.

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID1019817300
Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung diesen eklatanten Fall, wie er sich auch nach Ihren Darlegungen darstellt, zum Anlaß nehmen, um in den Vereinten Nationen einen Vorstoß dahin zu unternehmen, daß das Grund- und Menschenrecht der freien Wahl durch neue Vereinbarungen zwischen den Teilnehmerstaaten auf eine bessere und sicherere Grundlage, insbesondere unter verstärkter Einschaltung internationaler Kontrollen, gestellt werden kann?
Möllemann, Staatsminister: Eine Aktivität dieser Art haben wir bis jetzt als Schlußfolgerung aus der Wahl in Manila nicht gezogen. Aber wenn ich Sie richtig verstehe, geht es Ihnen darum, daß wir dafür eintreten sollen, daß die Menschen das Recht, frei zu wählen, möglichst nicht nur auf den Philippinen, sondern auch anderswo haben sollen. Wir werden das im Rahmen der uns gegebenen Möglichkeiten verfolgen. Ich kann Ihnen heute keine Initiative dieser Art bei den Vereinten Nationen ankündigen. Aber wir setzen uns in unserer Politik dafür ein.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019817400
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Oostergetelo.

Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID1019817500
Herr Staatsminister, steht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang mit der Regierung der Vereinigten Staaten in Kontakt, und wie bewertet sie deren Haltung?



Möllemann, Staatsminister: Die Erklärung, die der amerikanische Präsident vor einigen Tagen abgegeben hat, in der er sich ja fast wortgleich so ausgedrückt hat, wie ich das hier getan habe, und von schweren Manipulationen gesprochen hat, ist mit unserer identisch. Es gibt also keine Meinungsverschiedenheit darüber.
Auch was die Verantwortlichkeiten angeht, hat es nach gewissen Anfangsirritationen ja eindeutige Aussagen gegeben. Wir stehen mit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ebenso wie mit den Regierungen der Europäischen Gemeinschaft im Kontakt. Ich gehe davon aus, daß dieses Thema neben anderen auch Gegenstand der Beratungen beim bevorstehenden Ministerrat der EG am kommenden Montag sein wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019817600
Meine Damen und Herren, ich darf zwischendurch vielleicht sagen — ich gebe Ihnen gleich das Wort —: Die SPD-Fraktion hat eine Fraktionssitzung um 15.30 Uhr beantragt. Ich bitte Sie deswegen sehr herzlich, sich so zu fassen, daß wir die Fragestunde bis dahin beenden können. Deswegen bitte ich, hier nicht allzu viele weitere Zusatzfragen zu stellen.
Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID1019817700
Herr Staatsminister, Sie haben soeben von der Berichterstattung unseres Botschafters gesprochen, der deswegen hier hergerufen worden ist. Ist das nun, da er gestern im Auswärtigen Ausschuß Bericht erstattet hat, wortwörtlich oder im diplomatischen Sinne zu verstehen, daß er also nicht so schnell wieder nach Manila zurückkehrt?
Möllemann, Staatsminister: Er geht nach Manila zurück, selbstverständlich. Sie wissen, daß wir in der Frage, ob wir wegen bestimmter Maßnahmen, wegen politischer Umstände, die wir nicht billigen, den Botschafter abziehen, sehr, sehr zurückhaltend sind. Es ist die Aufgabe des Botschafters, unsere Interessen dort zu vertreten und von dort hierher zu berichten. Er wird, wie gesagt, nach Manila zurückgehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019817800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stahl.

Erwin Stahl (SPD):
Rede ID: ID1019817900
Herr Staatsminister, wird die Bundesregierung die schweren Wahlmanipulationen, die Sie hier soeben auch angesprochen haben, offiziell verurteilen, etwa in der Form, wie es gestern in einem Beschluß drüben in den Staaten — ich glaube, im Repräsentantenhaus

(Zuruf von der SPD: Im Senat!)

— Entschuldigung, im Senat — mit einer übergroßen Mehrheit geschehen ist?
Möllemann, Staatsminister: Herr Stahl, das Parlament ist natürlich frei

(Stahl [Kempen] [SPD]: Ich habe die Bundesregierung gefragt!)

— ja, ich komme darauf — wie das amerikanische Parlament, um die Parallele zu Ende zu bringen, hier einen Beschluß zu fassen.
Die Bundesregierung hat klar Stellung genommen. Ich habe hier soeben deutlich von schwerwiegenden Manipulationen und auch davon gesprochen, daß die Verantwortung dafür bei der philippinischen Regierung liegt.

(Beifall des Abg. Immer [Altenkirchen] [SPD])


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019818000
Herr Staatsminister, herzlichen Dank. Sie haben die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Voss zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 63 des Herrn Abgeordneten Ströbele auf. — Er ist nicht im Raum. Die Frage wird nicht beantwortet. Das gleiche gilt für die Frage 64 des Herrn Abgeordneten Ströbele.
Ich rufe die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Gedenkumlaufmünzen der Bundesrepublik Deutschland wieder als Silbermünzen, gegebenenfalls zum Nennwert von 10 DM, herauszugeben, und ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß die derzeitige Legierung dieser Münzen vor allem auch unter numismatischen Gesichtspunkten ausgesprochen unattraktiv ist?

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID1019818100
Herr Kollege Riedl, die Bundesregierung hat bis 1975 5-DM-Umlaufmünzen und bis 1979 5-DM-Gedenkmünzen aus einer Legierung von 625 Tausendteilen Silber und 375 Tausendteilen Kupfer ausgegeben. Die Ausgabe solcher — silberner — Umlaufmünzen wurde aufgegeben, weil diese sich für die Verwendung in Automaten mit moderner Prüftechnik nicht eigneten. Die Ausgabe von Gedenkmünzen aus Silber wurde eingestellt, nachdem die Entwicklung des Silberpreises dazu geführt hatte, daß der Metallwert dieser Münzen ihren Nennwert überstieg. Die in Silber ausgeführte Otto-Hahn-Gedenkmünze von 1979 konnte deshalb nicht ausgegeben und mußte sogar wieder eingeschmolzen werden. Da auch für die Zukunft größere Bewegungen des Silberpreises nicht auszuschließen sind, hat die Bundesregierung derzeit nicht die Absicht, die Prägung von 5-DM-Münzen aus Silber wiederaufzunehmen.
Die Möglichkeit einer Ausgabe silberner 10-DM-
Münzen wird zur Zeit geprüft.
Die Bundesregierung verkennt nicht, daß — neben anderen Merkmalen — auch die Legierung einer Münze für ihre Anziehungskraft von Bedeutung sein kann.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019818200
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Riedl.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID1019818300
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, diese Prüfungen so schnell wie möglich abzuschließen und



Dr. Riedl (München)

alsbald mit der Ausgabe von 10-DM-Gedenkmünzen mit Umlaufqualität aufzuwarten?
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Riedl, die Bundesbank vertritt die Meinung, daß für die Ausgabe von 10-DM-Gedenkmünzen etwa eine Zeit von zwei Jahren erforderlich sein wird. Ich bin aber der Meinung, daß diese Zeit etwas abzukürzen sein wird. Die Bundesregieung wird sich in dieser Richtung einsetzen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019818400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Riedl, bitte.

Dr. Erich Riedl (CSU):
Rede ID: ID1019818500
Herr Staatssekretär, ich könnte mir vorstellen, daß, wenn Sie der Deutschen Bundesbank in der gebotenen Form etwas Dampf machen würden, beispielsweise die 750-
Jahr-Feier unserer Hauptstadt Berlin Anlaß zur ersten Herausgabe einer solchen 10-DM-Gedenkmünze sein könnte.
Dr. Voss, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Riedl, ich gehe davon aus, daß es durchaus möglich sein wird, das Ereignis der 750-Jahr-Feier zum Anlaß zu nehmen, eine 10-DM-Gedenkmünze herauszugeben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019818600
Immerhin wurde das von einem Bayern gewünscht.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Grüner steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Frage 66 des Herrn Abgeordneten Dr. Jens soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 67 des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage 67 sowie die von demselben Fragesteller eingebrachte Frage 68 werden nicht beantwortet.
Die Fragen 69 und 70 des Herrn Abgeordneten Walther sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage sowie die von demselben Fragesteller eingebrachte Frage 72 werden nicht beantwortet.*)
Ich rufe die Frage 73 des Herrn Abgeordneten Reuter auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob und gegebenenfalls in welchem Unfang Arbeitskolonnen von DDR-Bauarbeitern auf Baustellen in der Bundesrepublik Deutschland tätig sind?
*) Siehe jedoch Seite 15292

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID1019818700
Herr Kollege, der Bundesregierung ist bekannt, daß auch eine — verglichen mit der Anzahl der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe — geringe Anzahl von DDR-Bauarbeitern auf Baustellen in der Bundesrepublik tätig ist.
Da DDR-Bürger als Deutsche im Sinne des Grundgesetzes weder einer Arbeits- noch einer Aufenthaltserlaubnis bedürfen und nach den für den innerdeutschen Handel geltenden Bestimmungen die Tätigkeit von DDR-Bauarbeitern allgemein genehmigt ist, liegen der Bundesregierung keine exakten Zahlen vor. Nach Schätzungen des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie sowie nach Angaben der DDR liegt die Anzahl der DDR-Bauarbeiter aber bei etwa 1000. Das heißt, ihr Anteil beträgt weniger als 0,1 % der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe, wenn man diese Angaben zugrunde legt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019818800
Zusatzfrage, Abgeordneter Reuter.

Bernd Reuter (SPD):
Rede ID: ID1019818900
Herr Staatssekretär, was können die Gründe dafür sein, daß solche Kolonnen hier bei uns tätig sind?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Gründe sind Aufträge, die hier erteilt werden und die von solchen Bauarbeitern im Wettbewerb günstig ausgeführt werden. Ihnen entsprechenden Aufträge, die deutsche Unternehmen in der DDR haben, die auch mit Mitarbeitern westdeutscher Unternehmen in der DDR ausgeführt werden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019819000
Eine weitere Zusatzfrage.

Bernd Reuter (SPD):
Rede ID: ID1019819100
Herr Staatssekretär, wenn die von Ihnen genannte Zahl auch gering erscheint: Ist der Bundesregierung dennoch bekannt, daß gerade die Bauunternehmen im Zonenrandgebiet sehr unter dieser Entwicklung leiden, und gedenkt die Bundesregierung etwas zu unternehmen, um das einzuschränken?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Wir haben auch in diesem Bereich das Preisprüfungsverfahren, weil derartige Bauleistungen ja häufig mit der Bemerkung angegriffen werden, sie würden zu Dumping-Preisen ausgeführt. Solche Möglichkeiten können durch Preisprüfungsverfahren ausgeschlossen werden. Es hat auch in einer ganzen Reihe von Fällen derartige Prüfungen gegeben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019819200
Meine Damen und Herren, ich freue mich, auf der Tribüne die Mitglieder der Kommission für die Zusammenarbeit mit den Parlamenten und der Öffentlichkeitsarbeit der WEU begrüßen zu können. Meine Damen und Herren, Sie haben Ihre Tagung hier schon zu einem erheblichen Teil abgeleistet. Ich hoffe, daß die Ergebnisse gut sein werden und daß Ihnen der Aufenthalt in der Bundesrepublik Freude macht. Wir freuen uns, daß Sie hier sind. Herzlichen Dank.

(Beifall)

Herr Kansy zu einer Zusatzfrage.




Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU):
Rede ID: ID1019819300
Herr Staatssekretär, von den Preisprüfungsverfahren, von denen Sie soeben sprachen, ist mir bekannt — ich frage Sie, ob auch Ihnen das bekannt ist —, daß seit Jahrzehnten nur ganz wenige durchgeführt wurden und daß dafür mehr oder weniger eine Blankovollmacht vorliegt, ohne daß man heute noch tatsächlich im Detail überprüft.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist richtig, daß ein solches Preisprüfungsverfahren einen Antrag voraussetzt, daß es keinen Automatismus gibt und daß bei der Durchführung solcher Preisprüfungsverfahren sicher auch sehr gegensätzliche Interessen aufeinanderstoßen, etwa das Interesse deutscher Auftraggeber an der Durchführung dieses Auftrags. Trotzdem können solche Verfahren durchgeführt werden und sind auch durchgeführt worden. Sie sind die einzige Einschränkung, die der Wirtschaft im Verhältnis zur DDR gegeben ist.
Ich weise darauf hin, daß wir ein großes wirtschaftliches Interesse an einem intensiven wirtschaftlichen Austausch mit der DDR in beiden Richtungen haben und daß unsere deutschlandpolitische Haltung ganz maßgeblich unsere Haltung in dieser Frage mit bestimmt, zumal nach unseren Informationen insgesamt gesehen eine größere Zahl von Arbeitern aus der Bundesrepublik Deutschland in der DDR tätig sind und von dort aus Aufträge ausführen nicht allein im Baugewerbe, aber auch im Baugewerbe. Immerhin: Es ist ein Zusammenhang, der unauflöslich ist. Deshalb sind wir zwar daran interessiert — ich werde in der Beantwortung der zweiten Frage darauf noch eingehen —, die Zahlen exakt zu ermitteln, die hier eine Rolle spielen, weil ich glaube, daß die Transparenz uns allen hilft, aber es ändert sich nichts an dem Tatbestand, daß wir an diesen wirtschaftlichen Beziehungen ein großes Interesse haben und daß es keine Handhabe und keine Absicht gibt, sie zu unterbinden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019819400
Zusatzfrage des Abgeordneten Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1019819500
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß wir im Baugewerbe im Augenblick eine Flaute haben wie kaum zuvor und Firmenstillegungen an der Tagesordnung sind, aber insbesondere die Arbeitnehmer betroffen sind, frage ich Sie, ob Sie nicht einen Unterschied machen müssen zwischen Aufträgen, die durch Ausschreibungen von Firmen der DDR angenommen werden können, deren Arbeitnehmer dann hier tätig werden, und den von deutschen Firmen angemieteten Kolonnen aus der DDR.

(Zustimmung des Abg. Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU])

Das ist im Grunde genommen das Problem, daß hier — —

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019819600
Die Frage haben Sie gestellt. Zu begründen brauchen Sie sie nicht.
Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, ich meine nicht, daß hier ein Unterschied gemacht werden sollte. Aber gerade in diesem Bereich ist die Frage der Preisprüfung selbstverständlich von besonderer Bedeutung.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019819700
Zusatzfrage des Abgeordneten Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID1019819800
Herr Staatssekretär, wenn man einmal mit Ihnen davon ausgeht — ich glaube, wir gehen alle davon aus —, daß diese hier arbeitenden Arbeitnehmer Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind und deswegen weder einer Erlaubnis bedürfen noch an der Arbeit hier bei uns gehindert werden können, so frage ich Sie: Wie sorgt die Bundesregierung dafür, daß diese Arbeitnehmer während ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik auch den Schutz der Grund- und Menschenrechte genießen, z. B. also nach den für Arbeitnehmer hier geltenden Bestimmungen entlohnt, versichert usw. werden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir kennen diese Forderung aus vielfältigen Diskussionen, etwa auch in unserem Verhältnis gegenüber Textileinfuhren, von uns aus darauf hinzuweisen, daß Löhne, die bei uns gelten, auch für die Produkte, die hierher geliefert werden, Gültigkeit haben.
Ich weise darauf hin, daß es richtig ist, daß bei den Werkvertragsarbeitnehmern aus der DDR die hier geltenden tarifvertraglichen Regelungen nicht zur Anwendung kommen und demzufolge Unternehmen aus der DDR beispielsweise auch keine Sozialkassenbeiträge abführen. Es ist allerdings keine Besonderheit im Verhältnis zur DDR. Das gilt in gleicher Weise im Verhältnis zu den osteuropäischen Staatshandelsländern sowie für die Tätigkeit etwa niederländischer Bauarbeiter in der Bundesrepublik.
Was das Lohnniveau anlangt, so richtet sich dieses nach den Gegebenheiten der DDR. Wollte man das ändern, müßte man eine grundsätzlich andere Politik betreiben, die in krassem Widerspruch stünde nicht nur zu unserer innerdeutschen Haltung in dieser Frage, sondern auch zu unserer wirtschaftlichen Haltung im Ausstausch von Dienstleistungen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019819900
Zusatzfrage des Abgeordneten Vogel (München).

Axel Vogel (GRÜNE):
Rede ID: ID1019820000
Herr Staatssekretär, da die Baukolonnen vermutlich in D-Mark (West) und nicht in D-Mark (Ost) bezahlt werden, möchte ich gern wissen, ob die Arbeiter auf bundesdeutsche Lohnsteuerkarten arbeiten oder auf DDR-Lohnsteuerkarten und wie es sich in vergleichbaren Fällen mit österreichischen Arbeitern verhält.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich habe am Beispiel der Sozialversicherungsbeiträge schon darauf hingewiesen, daß es sich nach dem Lohnniveau in der DDR richtet und deshalb einer Vergleichbarkeit mit den deutschen D-Mark-Beträgen nicht gegeben ist, weil die Dienstleistung aus der DDR oder aus den Niederlanden kommt. Mit den Mitarbeitern dieser



Parl. Staatssekretär Grüner
Unternehmen ist es ebenso wie mit den Deutschen, die etwa in der DDR oder in den Niederlanden oder in Afrika arbeiten, nach deutschem Recht bezahlt werden und ihre Entlohnung nach deutschen Bestimmungen und den Vereinbarungen, die sie mit ihren Unternehmen getroffen haben, erhalten.
Das ist im umgekehrten Verhältnis genauso.

(Büchner [Speyer] [SPD]: Was heißt in diesem Zusammenhang „deutsch"? Sie meinen „der Bundesrepublik"!)

— Der Bundesrepublik Deutschland; ja. Ich bedanke mich für die Klarstellung. — Das ist der Tatbestand, an dem wir nichts ändern können. Ich kann mir keine Maßnahmen vorstellen, mit der so etwas geändert werden könnte, wenn man das wollte. Ich betone noch einmal: Das würde eine grundsätzliche Änderung unseres Verhältnisses gegenüber Dienstleistungen, die von ausländischen Firmen in Deutschland erbracht werden, bewirken, zumal — ich füge das hinzu — die Dienstleistungsbilanz im Verhältnis der DDR zu uns für uns positiv ist. Das heißt, die Dienstleistungen, die wir in die DDR erbringen, übersteigen das, was die DDR bei uns leistet. Aber das ist nur eine zusätzliche Bemerkung, die nichts an der grundsätzlichen Problematik ändert.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019820100
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.

Agnes Hürland (CDU):
Rede ID: ID1019820200
Herr Staatssekretär, sehen Sie denn eine Möglichkeit der Regelung für all jene Kolonnen, die nicht nur von der DDR, sondern — Sie haben es vorhin kurz angeschnitten — in gleichem oder noch stärkerem Maße aus den Niederlanden, aus Belgien und aus anderen Nachbarländern gerade im Baugewerbe zu uns kommen, um sicherzustellen, daß die Arbeitnehmer, die dann zu uns kommen, sozialversichert sind?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, Frau Kollegin, nicht über das hinaus, was an Regelungen in diesem Bereich schon besteht. Wir haben nicht die Absicht, in diesem Bereich neue Regelungen zu treffen. Es liegen auch keine entsprechenden Vorschläge aus dem parlamentarischen Raum vor.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019820300
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Oostergetelo.

Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID1019820400
Herr Staatssekretär, es gibt überhaupt keine Meinungsverschiedenheit in der Frage, ob es politisch richtig ist, gegenseitig wirtschaftliche Beziehungen zu haben. Nur, die Frage geht doch dahin, ob Ihnen bekannt ist, daß deutsche Unternehmen Arbeitnehmer aus der DDR nicht gleich wie die deutschen Arbeitnehmer mit den gleichen Bedingungen entlohnen. Das ist der eigentliche Punkt, wo Wettbewerbsverzerrung stattfindet.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Was Sie hier sagen, ist richtig. Ich habe aber schon dargelegt, welche Haltung wir hier einnehmen. Ich sehe mit Interesse Vorschlägen aus dem parlamentarischen Raum entgegen, die diese Regelung ändern wollen. Dann käme, glaube ich, die Diskussion auf den Punkt, weil dann die Konsequenzen solcher Änderungswünsche deutlich sichtbar würden.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Wie wäre es mit einer Niederlassungspflicht?)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019820500
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Klein (Dieburg).

Heinrich Klein (SPD):
Rede ID: ID1019820600
Sie sprachen, Herr Staatssekretär, wiederholt von ausländischen Unternehmungen, die hier tätig sind. Reihen Sie auch DDR- Unternehmungen unter diesen Begriff ein?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir gerade mit Blick auf den innerdeutschen Handel und unsere politische Auffassung die DDR nicht darunter einreihen. Ich habe nur, um die Problematik zu verdeutlichen, auch darauf aufmerksam gemacht, daß vergleichbare Probleme auch mit anderen Ländern und anderen Wirtschaftsgebieten auftreten, die Dienstleistungen in der Bundesrepublik Deutschland verkaufen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019820700
Ich rufe die Frage 74 des Abgeordneten Reuter auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diesen DDR-
Bauarbeiter-Tourismus im Interesse der arbeitslosen Bauhandwerker der Bundesrepublik Deutschland zu unterbinden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Angesichts der niedrigen Zahl der DDR-Bauarbeiter vermag die Bundesregierung einen „DDR-Bauarbeiter-Tourismus" nicht zu erkennen. Das sehr geringe Gewicht läßt auch Beschränkungen nicht zu, zumal die Zahl der in der DDR tätigen westdeutschen Bau- und Montagearbeiter die Zahl der DDR-Bauarbeiter übersteigt.
Um einen genaueren Überblick über die von der DDR getätigten Bauarbeiten zu erhalten, beabsichtigt die Bundesregierung, eine Regelung dahin gehend zu treffen, daß die Auftraggeber künftig die jeweiligen Verträge mit der DDR vorlegen müssen. Damit würde die Bundesregierung Informationen darüber erhalten, in welchem Umfang DDR-Firmen bei uns tätig sind, welche Art von Bauvorhaben ausgeführt werden und wo sich die Projekte befinden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019820800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reuter.

Bernd Reuter (SPD):
Rede ID: ID1019820900
Herr Staatssekretär, wenn der Bundesregierung nicht bekannt ist, daß ein solcher Tourismus existiert, frage ich Sie: Ist denn der Bundesregierung nicht bekannt, daß das Außenhandelsunternehmen Limex aus Ost-Berlin in Düsseldorf eine Zweigstelle unterhält, wo diese Kolonnen an bundesrepublikanische Baufirmen vermietet werden, die hier Aufträge ausführen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe die Zahlen genannt, die uns auf Grund der Angaben des Verbands des Bauhauptgewerbes und der Bauindustrie zugänglich sind. Diese Schätzungen belaufen sich auf 1 000 DDR-Bauarbeiter bei uns. Diese Zahl gibt mir Veranlassung, zu sagen,



Parl. Staatssekretär Grüner
daß wir den Ausdruck „DDR-Bauarbeiter-Tourismus" nicht für angemessen halten.
Aber ich füge hinzu: Wenn wir auf Grund der jetzt angekündigten vergaberechtlichen Veränderungen genaue Zahlen darüber erhalten werden, wie viele Bauarbeiter und wo, an welchen Projekten sie tätig sind, wird die Transparenz mit dazu beitragen, beurteilen zu können, welche wirtschaftliche Bedeutung man dieser Entwicklung beizumessen hat und wie sie im Verhältnis zu der schwierigen Lage unserer Bauwirtschaft und der Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft zu bewerten ist.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019821000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reuter.

Bernd Reuter (SPD):
Rede ID: ID1019821100
Herr Staatssekretär, Ihrer Antwort war zu entnehmen, daß die Bundesregierung auch wegen der einheitlichen Staatsbürgerschaft die von Ihnen so gesehen wird, nichts Wesentliches unternehmen kann.
Wäre denn die Bundesregierung bereit, darüber nachzudenken, ob man eine andere Regelung finden müßte, um diese Probleme zu lösen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege. Wir halten das nicht für richtig. Ich habe die Gründe genannt. Die wirtschaftliche Konkurrenz, die hier mit den Auswirkungen auch auf unseren Arbeitsmarkt besteht, ist auch im Verhältnis zu ausländischen Staaten gegeben, nicht allein im Rahmen der innerdeutschen Beziehungen. Es versteht sich von selbst, daß gerade unser Interesse an einem intensiven Wirtschaftsaustausch mit der DDR, an einer möglichst engen Verklammerung auch im wirtschaftlichen Bereich ein zusätzliches Motiv darstellt, hier nicht zu Änderungen zu kommen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019821200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kansy.

Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU):
Rede ID: ID1019821300
Herr Staatssekretär, ohne in diesem Zusammenhang die Staatsbürgerschaftsfrage stellen zu wollen und ohne auf gute Beziehungen zur DDR verzichten zu wollen: Sind meine Informationen richtig, daß heute selbst im Bereich der Bauwirtschaft die von Ihnen angegebene Zahl von rund 1 000 bezweifelt wird und daß eine zunächst von der DDR zugesagte freiwillige Meldung, die im Rahmen einer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der DDR ausgehandelt worden war, zwischenzeitlich von der DDR nicht mehr erfolgte?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann die Meldung nicht bestätigen, was die Freiwilligkeit anlangt. Aber wir sind angesichts der politischen Diskussion, der Intensität und der Nachhaltigkeit, mit der sie geführt wird, zu dem Entschluß gekommen, nunmehr Verpflichtungen zur Offenlegung einzuführen. Wir versprechen uns von dieser Offenlegungspflicht eigenständige Informationen, die dann jeder Nachprüfung standhalten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019821400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Büchner.

Peter Büchner (SPD):
Rede ID: ID1019821500
Herr Staatssekretär, berücksichtigen Sie bei Ihren Äußerungen zu diesem Problemkreis auch die Tatsache, daß sich die Bundesrepublik Deutschland den Bestimmungen der Sozialcharta des Europarates unterworfen hat, und sind Sie sicher, daß diese Bestimmungen z. B. bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge, an deren Ausführungen auch Bauarbeiter aus anderen Ländern teilnehmen, immer eingehalten werden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bestimmungen der Sozialcharta sind dabei voll berücksichtigt. Das schließt natürlich nicht die Bereiche ein, die sie möglicherweise im Auge haben: daß in einer außerordentlichen Weise mit Schwarzarbeit auch von ausländischen Arbeitnehmern in diesem Bereich Arbeiten erbracht werden. Das Thema betrifft allerdings ein völlig anderes Gebiet. Hier handelt es sich um regelrechte, vertraglich einwandfreie Abmachungen, gegen die keinerlei sozialrechtliche Einwendungen möglich sind.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019821600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klein (Dieburg).

Heinrich Klein (SPD):
Rede ID: ID1019821700
Wie bewerten Sie, Herr Staatssekretär, die Entscheidung des Magistrats der Stadt Frankfurt — der bekanntlich CDU-geführt ist —, daß keine Bauaufträge der Stadt an Unternehmen erteilt werden, die im Subverhältnis DDR-Baukolonnen beschäftigen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Frankfurter Regelung ist nicht neu und aus vergaberechtlicher Sicht vom Grundsatz her auch nicht angreifbar. Nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen bedarf der Auftragnehmer im Regelfall immer der Zustimmung des Auftraggebers, falls er Unterauftragnehmer einschalten will. Begründet wird das Zustimmungserfordernis des Auftraggebers bei Unterauftragsvergaben insbesondere damit, daß nur über die Zustimmung sichergestellt werden kann, daß der Unterauftragnehmer entsprechend den Kriterien der VOB fachkundig, leistungsfähig und zuverlässig ist. Vergabefremde Aspekte dürfen aber bei öffentlichen Auftragsvergaben keine Rolle spielen.
Die VOB bietet keine Handhabe, ausländische Unternehmen allgemein oder gar gezielt Unternehmen aus der DDR von vornherein auszuschließen bzw. die Zustimmung zur Vergabe von Unteraufträgen zu versagen. Soweit der Bundesregierung bekannt ist, sind auch in den zusätzlichen Vertragsbedingungen der Stadt Frankfurt derartige diskriminierende Regelungen nicht enthalten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019821800
Ich lasse nur noch zwei Zusatzfragen zu. Herr Immer, Sie haben die nächste Zusatzfrage.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1019821900
Herr Staatssekretär, ich komme noch einmal auf die Frage von Herrn Reuter zurück, wonach eine Firma Limex Auslei-



Immer (Altenkirchen)

hen von Bautrupps vornimmt. Widerspricht das nicht dem Verbot der Leiharbeit im Baugewerbe?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich kann mich zu diesem Fall nicht äußern, weil ich ihn nicht kenne. Ich möchte nur bemerken, daß alle meine Ausführungen, die ich hier gemacht habe, von der Voraussetzung ausgegangen sind, daß es sich um rechtlich einwandfreie Verträge handelt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019822000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Vogel (München).

Axel Vogel (GRÜNE):
Rede ID: ID1019822100
Herr Staatssekretär, weil Sie sich mehrfach auf die hohe Anzahl von bundesdeutschen Arbeitnehmern bezogen haben, die in der DDR auf Baustellen und auf Montage arbeiten, würde ich gern wissen, ob diese Arbeitnehmer in der DDR eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis benötigen oder ob jeder Bundesdeutsche sofort in der DDR ohne Probleme zu arbeiten anfangen kann.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin nicht in der Lage, die aufenthaltsrechtlichen Fragen, wie sie die DDR gestaltet, aus dem Stande zu beantworten. Ich werde Ihnen dazu gerne eine schriftliche Mitteilung geben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019822200
Die Frage 75 des Abgeordneten Stiegler wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 58 des Abgeordneten Dr.-Ing. Kansy auf:
Treffen Pressemitteilungen zu (HAZ, Landkreiszeitung Ost, 3. Februar 1986), daß wegen Kurzarbeit bei einer Firma in Uetze die Altölentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist und damit entweder für die Umwelt oder für viele Arbeitsplätze in Industriebetrieben Gefahr besteht?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft als Vertragspartner der Altölsammelunternehmen sind Schwierigkeiten bei der Altölentsorgung nur in Einzelfällen bekanntgeworden. Dabei handelte es sich im wesentlichen um Metallbearbeitungsöle und Selbstwechsleraltöle, die im Hinblick auf hohe Chlorgehalte oder mögliche Vermischungen mit Chlorkohlenwasserstoffen nur noch schwierig zu entsorgen sind.
Gespräche mit den übrigen Aufarbeitungsunternehmen, die einen Marktanteil von etwa 40% haben, haben gezeigt, daß trotz Absatzproblemen und Preisverfall bei Zweitraffinaten kurzfristig nicht mit Entsorgungsschwierigkeiten zu rechnen ist. Für den norddeutschen Raum liegt eine entsprechende Presseerklärung vor.
Die Firma Dr. Dr. Maier hat zwischenzeitlich angekündigt, die Kurzarbeit zum 31. März 1986 zu beenden. Sammelunternehmen, die mit der Firma Maier zusammenarbeiten, berichten von einer kontinuierlichen Abnahme ihrer Altöle.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019822300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kansy.

Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU):
Rede ID: ID1019822400
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, gibt es also, falls die Firma Maier völlig ausfallen würde, keine gravierenden Probleme bei der Altölentsorgung?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, eine solche Aussage können Sie meinen Worten nicht entnehmen. Denn die Firma Maier ist nicht ausgefallen; darauf habe ich hingewiesen. Ich kann im Augenblick nicht beurteilen, was es für die Entsorgung bedeuten würde, wenn tatsächlich ein solcher Fall eintreten würde, den ich ausdrücklich als extrem hypothetisch bezeichnen möchte. Ich möchte nicht der Gefahr erliegen, hier etwa dazu beizutragen, daß ein falscher Eindruck über die Lage der Firma Maier entsteht. Das ist wirklich eine hypothetische Frage. Im Augenblick gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Gefahr.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019822500
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU):
Rede ID: ID1019822600
Können Sie, ohne die letzte Detailinformation über die Situation dieses Unternehmens zu haben, meiner Vermutung insofern zustimmen, als, falls tatsächlich eine Schwierigkeit des Unternehmens dahin gehend eintritt, daß es ausfallen würde, die Altölentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland dann in Schwierigkeiten kommen könnte, und sieht sich nicht vor dem Hintergrund der dadurch bedingten Umweltprobleme die Bundesregierung trotz marktwirtschaftlicher Lösungsansätze doch in der Situation, dann handeln zu müssen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ja, diese Notwendigkeit sehen wir. Deswegen haben wir auch das Altölgesetz geschaffen. Im Augenblick sind wir ja dabei, mit dem Abfallbeseitigungsgesetz neue rechtliche Grundlagen zu schaffen, Ich betone, daß die Verursacher für die Beseitigung der Abfälle verantwortlich sind. Das bedeutet auch, daß der Verursacher, in diesem Fall die Mineralölwirtschaft insgesamt, hier in Anspruch genommen werden wird. Daß wir hier auch Regelungen suchen, um zu Lösungen möglichst freiwilliger Art im Abfallbeseitigungsgesetz zu kommen, ist Ihnen bekannt. Wir sind deshalb zuversichtlich, daß wir keine Schwierigkeiten mit der Altölbeseitigung bekommen werden, auch wenn es Probleme gegeben hat und noch gibt, die Sie hier mit Ihrer Frage ansprechen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019822700
Ich rufe Frage 59 des Herrn Abgeordneten Dr.-Ing. Kansy auf:
Trifft die Aussage der Firma zu, daß sich bisher bei zuständigen Bundes- oder Landesbehörden „keine oder kaum eine Hand" gerührt hätte, um die Gefahren abzuwenden, obwohl seitens der Firma vielfältige Vorstöße unternommen wurden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die zuständigen Bundes- und Landesbehörden bemühen sich seit langem, seit Anfang 1984, darum, die Diskussion um Schadstoffe im Altöl, die ja eine der entscheidenden Ursachen für die Schwierigkeiten, die Sie hier ansprechen, sind, und in den Aufarbeitungsprodukten zu versachlichen und eine Gefährdung des bisheri-



Parl. Staatssekretär Grüner
gen Systems der Altölentsorgung nach Möglichkeit auszuschließen.
Die Bundesregierung hat frühzeitig die ihr nach dem geltenden Recht zur Verfügung stehenden Möglichkeiten genutzt, um gemeinsam mit den von Absatzkrise und Preisverfall betroffenen Aufarbeitungsunternehmen die Grundlagen der Altölentsorgung abzusichern: Sie hat die Vorschläge der Umweltministerkonferenz zur Schadstoffbegrenzung aufgegriffen und Richtwerte für PCB und Chlor im Altöl festgelegt, und zwar mit der Konsequenz, daß bei Überschreitungen eine Abholpflicht für Altölsammler entfällt und der Besitzer diese Öle auf seine Kosten als Abfall entsorgen muß. Die Unternehmen der Altölentsorgung haben diese Initiative der Bundesregierung als Vorgriff auf künftige gesetzliche Regelungen begrüßt.
Um den Absatzstau bei den Aufarbeitungsprodukten abzubauen — das war ein Problem der Firma Dr. Maier —, hat die Bundesregierung die Mineralölwirtschaft aufgefordert, ihre Verantwortung als Produzent und Importeur und damit als Verursacher wahrzunehmen und wieder mehr Aufarbeitungsprodukte abzunehmen. Diese Aktion wurde durch eine Erklärung des Bundesministers des Innern abgesichert, daß Aufarbeitungsprodukte bei Einhaltung der von der Umweltministerkonferenz vorgegebenen Richtwerte unbedenklich abgenommen werden können. Den Aufarbeitungsunternehmen wurde nach den Bestimmungen des Altölgesetzes für eine Übergangszeit eine Abdeckung nachgewiesener Verluste in Aussicht gestellt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019822800
Eine Zusatzfrage?

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Ja!)

— Ich bitte um kurze Fragen und kurze Antworten.

Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU):
Rede ID: ID1019822900
Ist dann die Behauptung der Firma — gemäß Presseberichten — falsch, daß fehlende Grenzwerte — gerade was die von Ihnen angesprochenen Stoffe betrifft — und die daraus resultierende Unsicherheit, die durch Pressemeldungen, „Monitor"-Sendungen und ähnliches auf die Abnehmer übertragen wird, dazu führen, daß die Schwierigkeiten auftreten?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, diese Behauptung ist nicht falsch. Die Meldungen über Schadstoffe im Altöl haben zu einer Stockung geführt, haben zu einer Werbung von Teilen der Mineralölwirtschaft, auf diese Produkte zu verzichten, geführt und haben zu dieser Absatzstockung beigetragen.
Es war deshalb entscheidend, daß der Bundesinnenminister bereit war, die Erklärung abzugeben, daß Altöle, die den Vorschriften entsprechen, die in der Schadstoffhaltigkeit den Grenzwerten entsprechen, unbedenklich verwendet werden können. Wir hoffen, daß diese Erklärung entscheidend dazu beigetragen hat, daß die Absatzstockung bei den Altölprodukten, die — das muß man deutlich sehen — durch den Verfall der Preise an den Märkten zusätzlich unter Druck gekommen sind, aufgehoben werden kann. Die Schwierigkeiten sind natürlich auch von der Preisseite her nicht unbeträchtlich.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019823000
Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU):
Rede ID: ID1019823100
Angesichts Ihrer Mahnung, Frau Präsidentin, verzichte ich heute darauf.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019823200
Vielen Dank!
Herr Staatssekretär, die Fragen 71 und 72 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst können wir nicht noch einmal aufrufen, aber ich bitte Sie, sie doch schriftlich zu beantworten. — Herr Abgeordneter Dr. Jobst, Sie sind leider nicht anwesend gewesen.
Herr Staatssekretär, damit ist Ihr Fragenbereich beendet, und wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Die Frage 76 des Abgeordneten Borchert wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet.
Ich rufe Frage 77 des Abgeordneten Dr. Weng (Gerlingen) auf:
In welcher Weise wird die Bundesregierung künftig sicherstellen, daß in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht weiterhin Produkte von nach dem Washingtoner Artenschutz-Abkommen geschützten Tierarten eingeführt und hier verarbeitet werden, deren Begleitpapiere, obwohl im Ursprungsland möglicherweise oder sogar offensichtlich gefälscht, in einem EG-Mitgliedsland „legalisiert" worden sind?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Georg Gallus (FDP):
Rede ID: ID1019823300
Herr Kollege Dr. Weng, die Bundesregierung wird alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um die Vermarktung von WA-Produkten, die mit zweifelhaften Begleitdokumenten über andere EG-Staaten eingeführt wurden, zu verhindern. Dazu gehören insbesondere folgende Maßnahmen:
Erstens. Auf Antrag der Bundesregierung hat die EG ein Informationssystem aufgebaut, das dazu dienen soll, daß dubiose Begleitdokumente rechtzeitig erkannt werden und daß es erst gar nicht zur „Legalisierung" der zweifelhaften Waren durch EG- Staaten kommt.
Zweitens. Die Bundesregierung wird darauf drängen, daß zu Unrecht erteilte Einfuhrgenehmigungen anderer EG-Mitgliedstaaten von diesen zurückgenommen werden, um so die Beschlagnahme derartiger Waren in der Bundesrepublik zu ermöglichen.
Drittens. Darüber hinaus wird die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem in Vorbereitung befindlichen Entwurf einer neuen Bundesartenschutzverordnung prüfen, für welche Tier- und Pflanzenarten strengere nationale Vorschriften erforderlich und im Rahmen des EG-Rechts zulässig sind. Das EG-Recht gestattet den EG-Mitgliedstaaten unter engen Voraussetzungen, für bestimmte



Parl. Staatssekretär Gallus
Arten zusätzliche Einfuhrbeschränkungen auch im innergemeinschaftlichen Bereich einzuführen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019823400
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Weng.

Dr. Wolfgang Weng (FDP):
Rede ID: ID1019823500
Herr Staatssekretär, bis zu welchem Zeitpunkt wird die Bundesregierung die von Ihnen im Augenblick in Aussicht gestellte Verschärfung im Sinne des Schutzes der Arten in Angriff nehmen oder abgeschlossen haben?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Was ich unter den Punkten 1 und 2 erwähnt habe, wird von der EG in Angriff genommen und durchgeführt. Wir haben bei der EG dafür gesorgt, daß die Dinge in Gang kommen. Was den Punkt 3 — Bundesartenschutzverordnung — anbetrifft, so hoffen wir, sie gleichzeitig mit der Artenschutznovelle voraussichtlich am 1. Januar 1987 in Kraft treten lassen zu können.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019823600
Eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Wolfgang Weng (FDP):
Rede ID: ID1019823700
Herr Staatssekretär, wenn ich unterstelle, daß in anderen EG-Ländern die Dinge nicht so streng gesehen werden wie in der Bundesrepublik, ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, nationales Recht innerhalb der EG zu verschärfen, um dafür Sorge zu tragen, daß dem politischen Willen des Bundesgesetzgebers auch dann Rechnung getragen wird, wenn aus Gründen der Mentalität oder aus anderen Gründen in anderen EG-Ländern nicht so verfahren wird, wie das der Deutsche Bundestag zweifelsfrei wünscht?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Dazu muß ich Ihnen sagen, daß wir natürlich in unseren Möglichkeiten in der angesprochenen Materie im Rahmen des Art. 15 der Verordnung (EWG) Nr. 3626/82 eingegrenzt sind. In diesem Rahmen — das habe ich unter Punkt 3 erklärt — werden wir dann bei der Artenschutzverordnung versuchen, auch unsere nationalen Interessen in diesem Zusammenhang zur Geltung zu bringen, soweit uns dazu die EG eben Spielraum läßt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019823800
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe dann die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Funk auf:
Welche in der Landwirtschaft angebauten Kulturen eignen sich zur Produktion von Industriestärke unter Berücksichtigung der Kosten für den Umweltschutz?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Funk, zum Anbau geeignet sind grundsätzlich sämtliche stärkehaltigen Pflanzen. Unter deutschen und EG- Verhältnissen kommen insbesondere Weizen und Kartoffeln in Frage, in einigen Regionen der Gemeinschaft auch Mais.
Die gewonnene Stärke kann sowohl im Nahrungs- wie im industriell-technischen Bereich eingesetzt werden. In der Bundesrepublik Deutschland entfällt etwa die Hälfte — 360 000 t — des Stärkeverbrauchs auf den Industriebereich; überdurchschnittlich hoch ist ihr Anteil bei Kartoffelstärke.
Umwelt- und Kostenprobleme ergeben sich bei der Stärkeherstellung im Falle der Verarbeitung der wasserhaltigen Kartoffel. Den aus der Reststoffverwertung und den relativ hohen Aufwendungen für eine umweltschonende Abwasserbeseitigung resultierenden Nachteilen trägt die Gemeinschaft dadurch Rechnung, daß im Rahmen der Stärkemarktregelung den Kartoffelstärkefabriken eine feste Prämie je erzeugte Tonne Stärke gewährt wird.
Ein vermehrter Einsatz von Industriestärke ist aus ökologischer Sicht vorteilhaft. Stärke als Naturprodukt ist im Gegensatz zu den meisten synthetischen Rohstoffen biologisch abbaubar. Die biotechnische Verarbeitung der Stärke zeichnet sich durch einen niedrigen Wasser- und Energiebedarf sowie verminderte Abwasserbelastungen aus. Außerdem kann Stärke im Produktionsprozeß gesundheitsbedenkliche Stoffe wie Phenol und Formaldehyd ersetzen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019823900
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Honor Funk (CDU):
Rede ID: ID1019824000
Herr Staatssekretär, in dem letzten Protokoll des Agrarrates — das dürfte Ihnen bekannt sein — hat es über die weitere Herstellung von Stärke Streit gegeben. Welcher Art sind diese Streitpunkte im Europäischen Agrarrat?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich weiß jetzt nicht, auf was Sie sich direkt beziehen. Ich bin gerne bereit, Ihnen diese Dinge schriftlich zu beantworten. Im Augenblick stehen wir in der Auseinandersetzung um die Frage, inwieweit Stärke in der EG zu technischen Zwecken auf Weltmarktbasis verbilligt werden kann. Da hat es bis jetzt einige Auseinandersetzungen gegeben. Es waren nicht alle Mitgliedstaaten der gleichen Auffassung wie die Bundesrepublik Deutschland. Wir sind der Meinung, daß etwas geschehen soll, um in diesen Bereich noch mehr Produkte hineinfließen lassen zu können.

Honor Funk (CDU):
Rede ID: ID1019824100
Herr Staatssekretär, wie hoch ist der Unterschied zwischen dem Weltmarktpreis und dem EG-Getreidepreis? Welche Erstattungen sind hier erforderlich?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich sehe mich im Augenblick außerstande, Ihnen die einzelnen Erstattungssätze, die wir zur Zeit haben, die wir in Zukunft in bezug auf die technische Verwendbarkeit dieser Stärke anstreben, zu nennen. Ich werde sie Ihnen aber schriftlich mitteilen lassen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019824200
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Oostergetelo.

Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID1019824300
Herr Staatssekretär, da bekannt ist, daß in der EG eine neue Stärke-Regelung angestrebt wird, die auch von der Bundesregierung angestrebt wird, Sie aber momentan die Informatio-



Oostergetelo
nen nicht haben: Sind Sie bereit, alles zu tun, damit es zu keiner Verschlechterung in Sachen Prämie kommt, und sind Sie bereit, alles daraufhin zu unternehmen, daß der Rohstoff Kartoffel nicht unter einer neuen Stärke-Regelung zu leiden hat?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, uns ist bewußt, daß die Kartoffel ohne entsprechende Prämien nicht wettbewerbsfähig ist. Und wir werden versuchen, darauf hinzuwirken, daß keinesfalls eine Verschlechterung der Kartoffelstärke, insbesondere auch wegen der Fabrik in Emlichheim und der übrigen Stärke-Fabriken in der Bundesrepublik Deutschland, stattfinden wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019824400
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1019824500
Herr Staatssekretär, bestätigen Sie, daß die Kartoffelstärke qualitativ die hochwertigste Stärke ist, die zum Teil bei der Papierherstellung verwendet wird und nur für hochwertiges Papier zum Zuge kommt, während andere Stärkearten natürlich die Möglichkeit eines Dumpings, eines Unterlaufens der Preise für Kartoffelstärke, bieten?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Dies ist uns bekannt, und wir werden bei den Verhandlungen sehr stark darauf abheben, daß die Prämiengewährung in bezug auf die Kartoffelstärke auch dementsprechend gestaltet wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019824600
Ich rufe Frage 79 des Herrn Abgeordneten Funk auf:
Ist die Bundesregierung bereit, gesetzliche Regelungen zu schaffen, welche geeignet sind, die Ausdehnung der Industriestärke aus landwirtschaftlichen Rohstoffen zu fördern?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung beabsichtigt keine gezielten gesetzlichen Regelungen auf nationaler Ebene, mit denen ein vermehrter Einsatz von Industriestärke erreicht werden soll. Ein solcher Mehreinsatz kann sich jedoch aus verschärften Umweltauflagen ergeben, durch die die Verwendung gesundheitsschädlicher Stoffe im Produktionsprozeß wie z. B. Formaldehyd eingeschränkt wird.
Die EG-Kommission hat Vorschläge zur Änderung der Marktordnungsregelungen für Industriestärke unterbreitet, die noch in diesem Jahr in Kraft treten sollen. Damit soll es der EG-Industrie ermöglicht werden, die agrarischen Rohstoffe für die Herstellung von Industriestärke wie ihre Konkurrenten in Drittländern zu Weltmarktbedingungen zu beziehen. Nach Schätzungen der Wirtschaft könnte allein hierdurch in der EG ein zusätzliches Absatzpotential von 600 000 t Stärke erschlossen werden.
Durch Entwicklung neuer Technologien, insbesondere bei weiteren Fortschritten in der Biotechnologie, können darüber hinaus weitere 800 000 t abgesetzt werden. Daher liegt ein weiterer Schwerpunkt staatlicher und gemeinschaftlicher Aktivitäten in der Intensivierung der Forschung.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019824700
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Funk.

Honor Funk (CDU):
Rede ID: ID1019824800
Ist die Bundesregierung bereit, z. B. auch die Stärkeherstellung aus überschüssigem Weizen zu fördern, und wie kann dies geschehen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Auffassung, das dadurch, daß wir die Stärke zu Weltmarktpreisen der chemischen Industrie zur Verfügung stellen, ein größerer Verwendungsbedarf für Stärke, insbesondere im biotechnologischen Bereich, entstehen wird, und wir werden alle Maßnahmen, die dazu führen, unterstützen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019824900
Weitere Zusatzfrage, Herr Oostergetelo.

Jan Oostergetelo (SPD):
Rede ID: ID1019825000
Herr Staatssekretär, da bei der Diskussion um nachwachsende Rohstoffe konkret der Stärkebereich als Hilfe für die Landwirtschaft gilt — ich denke, das teilen Sie —, frage ich Sie: Was machen Sie, um die großen Kosten, die auf der Ebene der Bundesrepublik hier im Umweltbereich entstehen, zu reduzieren, und sind Sie auch bereit, auf Niedersachsen einzuwirken, das die Beihilfen im Zusammenhang mit der Abwasserregelung von 50 auf 30 % zusammengestrichen hat?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir von seiten des Bundes haben natürlich ein großes Interesse daran, daß vermehrt Stärke produziert wird, wenn die finanziellen Voraussetzungen über die EG dazu gegeben sind. Über die Entwicklung der Kosten durch die Umweltbelastung kann ich im Augenblick keine Auskunft geben. Ich nehme aber an, daß sich die Länder daran auch in der Zukunft gebührend beteiligen werden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019825100
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Heistermann.

Dieter Heistermann (SPD):
Rede ID: ID1019825200
Herr Staatssekretär, könnten Sie Ihr Haus dazu bewegen, bei der Frage der Ausdehnung der Industriestärke auch stärker das Bundeskabinett einzubeziehen, um feststellen zu lassen, inwieweit auf diesem Weg Industriestärke auf das Kabinett übertragen werden könnte?

(Lachen bei der SPD)

Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich nehme an, daß die Faschingszeit vorbei ist. Eine Beantwortung der Frage erübrigt sich.

(Lambinus [SPD]: Wäre aber sehr interessant!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019825300
Vor allem, wo er sonst so viel Humor hat, der Herr Gallus. — Schönen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Höpfinger steht zur Beantwortung zur Verfügung.



Vizepräsident Frau Renger
Die Fragen 80 und 81 des Abgeordneten Reimann werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Zur Beantwortung steht jetzt die Frage 82 des Herrn Abgeordneten Müller (Wesseling) an:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Erfolg der Umschulungsmaßnahmen für Arbeitslose durch die Bundesanstalt für Arbeit?
Bitte schön, Herr Höpfinger.

Stefan Höpfinger (CSU):
Rede ID: ID1019825400
Frau Präsidentin, wenn der Herr Kollege Müller einverstanden ist, würde ich gern die Fragen 82 und 83 gemeinsam beantworten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019825500
Ich rufe zusätzlich die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Müller (Wesseling) auf:
Wie hoch ist die Zahl derer, die nach Abschluß der Maßnahmen vermittelt wurden, und in welche Berufe hinein geschah dies?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Müller, die Maßnahmen zur beruflichen Umschulung, die von der Bundesanstalt für Arbeit gefördert werden, haben sich bewährt. Für sie gibt es keine arbeitsmarktpolitisch gleich wirksame Alternative. Mit der konjunkturellen Besserung, die insbesondere beim Angebot an Stellen für Fachkräfte positive Auswirkungen zeigt, sind die Chancen zur Vermittlung von Umschülern gewachsen. So bezogen von rund 6 200 Umschülern, die ihre Umschulung im ersten Quartal 1985 abgeschlossen haben, nach Ablauf eines Vierteljahres nur noch 23 % und nach Ablauf eines halben Jahres nur noch 16 % Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit. Dabei ist zu berücksichtigen, daß rund 80 % der Umschüler vor Beginn der Umschulung arbeitslos waren.
Aktuelle repräsentative Berufsverlaufsuntersuchungen mit längeren Untersuchungszeiträumen fehlen. Nach einer Berufsverlaufsuntersuchung der Bundesanstalt für Arbeit im Jahre 1980 haben innerhalb eines Monats nach Abschluß der Umschulung rund 50 %, innerhalb von drei Monaten rund 70 % und innerhalb eines Jahres 87 % eine Arbeit aufgenommen, hiervon rund 70 % im Umschulungsberuf.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019825600
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.

Alfons Müller (CDU):
Rede ID: ID1019825700
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Aussagen der Industrie und weiter Kreise der mittelständischen gewerblichen Wirtschaft, daß die Arbeitslosigkeit in erster Linie auf einen Mangel an Qualifikation zurückzuführen ist und daß wir weiterhin große Anstrengungen im Bereich der Umschulung, Fort- und Weiterbildung unternehmen müssen?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: In der gesamten Arbeitslosigkeit, Herr Kollege Müller, spielt die berufliche Qualifikation eine überaus große Rolle. Deshalb legt auch die Bundesregierung auf die berufliche Qualifikation enormen Wert. Auch die Bundesanstalt für Arbeit sucht hier spezifisch berufliche Bildung in Zusammenarbeit mit Kammern und beruflichen Verbänden, damit auch in moderne Richtungen ausgebildet wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019825800
Zweite Zusatzfrage, bitte.

Alfons Müller (CDU):
Rede ID: ID1019825900
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß jeder zweite Arbeitslose keinen berufsbildenden Abschluß hat? Können Sie das bestätigen?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Der Mangel an beruflicher Qualifikation bei den Arbeitslosen hängt sicher auch damit zusammen, daß ältere und in Betrieben länger dienende Arbeitnehmer, wenn sie arbeitslos werden, nicht mehr auf ihre frühere berufliche Qualifikation zurückgreifen können. Von daher trifft es zu, daß fast die Hälfte der Arbeitslosen berufliche Qualifikation nötig hat.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019826000
Weitere Zusatzfrage, bitte.

Alfons Müller (CDU):
Rede ID: ID1019826100
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung auf Grund gemachter Erfahrungen die Bereitschaft der betroffenen Arbeitslosen, sich umschulen und weiterbilden zu lassen?
Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Die Bereitschaft der Arbeitslosen selber ist als positiv anzusprechen. Wer selber solche Berufsbildungsmaßnahmen besucht, der ist immer wieder überrascht und erstaunt über den enormen Ehrgeiz, den junge Menschen, den überhaupt Arbeitslose haben, sich beruflich zu qualifizieren.

(Lambinus Natürlich trifft das nicht für jeden einzelnen zu. Aber überwiegend kann diese Aussage getroffen werden. Ihre letzte Zusatzfrage. Könnten Sie mir sagen, in welche Berufe umgeschulte Arbeitslose vorrangig vermittelt werden? Gibt es darüber gesicherte Erkenntnisse? Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Ich möchte jetzt nicht einzelne Berufssparten nennen. Aber ich darf darauf hinweisen, daß hochmodern ausgebildet wird und daß man gerade auch bei den Berufsbildungsmaßnahmen moderne Berufsentwicklungen und auch die technischen Geräte einbezieht, damit man nicht neben dem Bedarf ausbildet, sondern für den Bedarf. Frau Hürland, eine Zusatzfrage, bitte. Herr Staatssekretär, wie hoch ist der Anteil der arbeitslosen Frauen bei den Umschulungsmaßnahmen? Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich kann den Prozentsatz jetzt nicht nennen. Ich würde Ihnen die Frage gern schriftlich beantworten, um keine falschen Zahlen in den Raum zu stellen. Ihre zweite Zusatzfrage. Könnten Sie mir dann auch mitteilen, aus welchen Gründen gegebenenfalls arbeitslose Frauen an solchen Umschulungsmaßnahmen nicht teilnehmen können, etwa wegen häuslicher Bindungen? Höpfinger, Parl. Staatssekretär: Wir sind gern bereit, Ihnen, Frau Kollegin, einen Gesamtbericht über die Umschulung von Frauen zuzustellen, wo auch diese Fragen mit angesprochen werden. Keine weitere Zusatzfrage. Die Fragen 84 und 85 der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin und 86 des Abgeordneten Stiegler werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir sind am Ende der Fragestunde. Meine Damen und Herren, wir unterbrechen die Sitzung jetzt für etwa eine Stunde. Die Sitzung ist unterbrochen. Meine Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a und b sowie den Zusatzpunkt 3 auf: 4. a)

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019826200
Alfons Müller (CDU):
Rede ID: ID1019826300
Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019826400
Agnes Hürland (CDU):
Rede ID: ID1019826500




(Frau Hürland [CDU/CSU]: Danke schön!)

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019826600
Agnes Hürland (CDU):
Rede ID: ID1019826700
Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1019826800

(Unterbrechung von 15.21 bis 16.32 Uhr)

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019826900
Frauen im öffentlichen Dienst
— Drucksachen 10/2842, 10/4729 — Berichterstatter:
Abgeordnete Schröer (Mülheim) Regenspurger
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen (15. Ausschuß) zu dem Antrag der Fraktion der SPD
Verbesserung der Ausbildungssituation junger Frauen bei der Deutschen Bundespost
— Drucksachen 10/1428, 10/4554 —
Berichterstatter: Abgeordneter Nelle Zusatzpunkt 3:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin, Dr. Schmude, Bachmaier, Bernrath, Frau Blunck, Catenhusen, Dr. Diederich (Berlin), Egert, Frau Fuchs (Köln), Frau Fuchs (Verl), Frau Dr. Hartenstein, Frau Huber, Immer (Altenkirchen), Dr. Kübler, Kuhlwein, Lutz, Frau Luuk, Frau Dr. Martiny-Glotz, Frau Matthäus-Maier, Müller (Düsseldorf), Frau Odendahl, Peter (Kassel), Frau Renger, Schäfer (Offenburg), Frau Schmedt (Lengerich), Frau Schmidt (Nürnberg), Schröer (Mülheim), Frau Simonis, Dr. Soell, Frau Dr. Skarpelis-Sperk, Frau Steinhauer, Stiegler, Frau Terborg, Frau Dr. Timm, Frau Traupe, Wartenberg (Berlin), Frau Weyel, Frau Zutt, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD
Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst
— Drucksachen 10/3055, 10/5026 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Regenspurger Schröer (Mülheim)

Frau Hönes
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 4 a und b sowie des Zusatzpunktes 3 und eine Aussprache von 90 Minuten vorgesehen. — Dazu höre und sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Frau Dr. Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID1019827000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sehen uns heute noch einsamer als sonst im Bundestag, wenn es um Frauenangelegenheiten geht. Aber das ist heute das Ergebnis der parlamentarischen Turbulenz, die wir gerade durchlaufen.
Die Debatte, die wir heute führen, knüpft an eine ganze Reihe von Vorgängen an. Es geht heute wieder einmal um das Thema: Wie sichern wir Frauen, die den Bund als Arbeitgeber haben, gleichberechtigte Chancen? Wie schaffen wir es, daß sie nicht nur bei der Einstellung, sondern auch bei der Beför-



Frau Dr. Däubler-Gmelin
derung und im Zusammenhang mit der Fortbildung angemessen und gleich berücksichtigt werden?
Es ist ja bekannt, daß wir in dieser Legislaturperiode schon mehrfach auf den seit 1982 besonders traurigen Stand im Bereich des Bundes hingewiesen haben. Wir haben das durch eine Große Anfrage gemacht. Die Antwort der Bundesregierung war sehr wenig zufriedenstellend. Die Antworten auf unsere inzwischen erfolgten Nachfragen waren ebenfalls sehr wenig zufriedenstellend.
Vor mehr als einem Jahr haben wir dann, weil niemand mehr bestritten hat, daß es konkrete Frauenförderpläne im Bereich des öffentlichen Dienstes geben sollte, einen Antrag eingebracht, in dem wir sehr konkret vorgeschlagen haben, was zu tun sei und wie man das machen solle, und zwar in bezug auf folgende Punkte: in bezug auf die Stellenausschreibungen, Bewerbung und Ausbildung von Frauen, in bezug auf die Einstellung, die Fortbildung, die Beförderung und Höhergruppierung, auch in bezug auf die Wiederaufnahme der Berufstätigkeit nach einer Beurlaubung aus familiären Gründen und in bezug auf die Teilzeitbeschäftigung. Wir haben ferner einen Bereich herausgestellt, der uns ebenfalls sehr wichtig war, nämlich Vorschläge, Benennungen und Entsendungen in Ämter, Gremien und Positionen, in denen der Bund Einflußrechte wahrnimmt.
Es geht heute also weniger um eine Fortsetzung der allgemeinen Darlegungen, wie groß der Nachholbedarf im Bereich des Bundes sei, sondern es geht uns heute um ganz konkrete Fragen und Forderungen, wie wir erreichen, daß dieser Nachholbedarf im Bereich des öffentlichen Dienstes in einer vertretbaren Zeit aufgeholt werden kann. Im letzten Jahr wurde über unseren Antrag diskutiert. Vor etwa drei Monaten hatten wir die erste Lesung. Damals hat die Bundesregierung erklärt, sie bereite einen Richtlinienentwurf vor, wie man das alles regeln könne. Herr Waffenschmidt war geradezu überschäumend freundlich und hat zugesagt, man werde diesen Richtlinienentwurf nicht nur dem Plenum zuleiten, sondern auch am 1. März in Kraft setzen, also in weniger als 14 Tagen. Da wir erfahren haben, daß dieser Richtlinienentwurf wenigstens dem Innenausschuß zugegangen ist, halten wir es für richtig, über diesen Entwurf im Plenum des Deutschen Bundestages zu reden, und zwar deshalb, weil wir den Richtlinienentwurf so, wie er vorgelegt wurde, Herr Waffenschmidt, nicht für akzeptabel halten.
Ich versuche, Ihnen deutlich zu machen, warum. Wir sind der Auffassung, daß der Richtlinienentwurf, den Sie vorgelegt haben und den Sie in Kraft setzen wollen, zwar verbal einiges von dem aufgreift, was man unter Frauenförderplan verstehen könnte und was mittlerweile alle Parteien beschlossen haben, daß er aber lückenhaft und mangelhaft ist.
Lückenhaft ist er deshalb, weil die Regelungen z. B. im Hinblick auf die Chancengleichheit für Frauen bei Entsendungen, Benennungen und Vorschlagslisten völlig fehlen. Wir halten das für einen großen Mangel einfach deshalb, weil wir die Praxis der jetzigen Bundesregierung sehen:
Der Bundesjustizminister — um nur ein Beispiel zu nennen — legt laufend Listen mit Vorschlägen und Namen vor, wer als Bundesrichter wählbar sei. In diesen Listen findet sich seit Monaten, eigentlich seit eineinhalb Jahren keine Frau oder nur ab und zu eine Frau. Wir sind der Meinung: Dies alles geht so nicht. Die Praxis des Bundes, sich in Gremien, Bereichen, Unternehmen oder Verbänden vertreten zu lassen, sieht gleich aus: Frauen sind praktisch nicht vertreten.
Eine weitere Lücke ist diese. Sie schreiben keine Berichtspflicht der Bundesregierung im Hinblick auf das, was sie als Arbeitgeber tun will, gegenüber dem Bundestag vor, sondern Sie sagen: Wir geben vielleicht alle drei Jahre dem Innenausschuß einen Bericht. Wir halten das nicht für akzeptabel, Herr Waffenschmidt — übrigens es wäre mir ganz recht, wenn Sie mir im Moment Ihr Ohr leihen würden, weil es heute ja darum gehen soll, wie wir für Frauen etwas erreichen — einfach deshalb, weil die Erfahrungen, die wir von der EG bis hin zu den kommunalen Gleichstellungsstellen und aus den Ländern haben, uns zeigen, daß wir Frauenförderung im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht gegen die Öffentlichkeit und nicht ohne die Öffentlichkeit, sondern nur mit der Öffentlichkeit durchsetzen können. Sie müssen, wenn Sie dem zustimmen, auch unserer Forderung zustimmen, der Berichtspflicht gegenüber dem Deutschen Bundestag nachzukommen,

(Beifall bei der SPD)

und zwar deshalb, weil nur so die Öffentlichkeit gewährleistet werden kann. Nur so kann eine Information der Kolleginnen und Kollegen, nur so kann eine Information der Personalverwaltungsstellen und nur so kann eine Information auch der Zeitungen darüber erfolgen, wie ernst Sie es überhaupt mit dem meinen, was Sie hier ankündigen.
Auch darauf hat, wie Sie wahrscheinlich wissen — aber nein, der Herr Waffenschmidt muß sich schon wieder unterhalten; das ist ein guter Beginn für die Diskussion —, bereits vor zwei Tagen die Gewerkschaft ÖTV hingewiesen, deren Mitglieder sich ja mit der Durchsetzung besonders befassen sollen.
Der zweite Punkt. Ich sagte: Diese Regelungen sind nicht nur lückenhaft; sie sind auch mangelhaft. Mangelhaft, Herr Waffenschmidt, sind sie ebenfalls in drei Punkten. Darf ich den gravierendsten nennen. Wir alle haben darauf bestanden, daß jetzt nach fünf Jahren Erfahrung z. B. in Hamburg oder in Nordrhein-Westfalen oder in kommunalen Gleichstellungsstellen der Zeitpunkt erreicht sei, wo man verbindliche Regelungen vorsehen kann.
Sie tun das aber nicht. Überall da, wo eigentlich stehen müßte „muß", „soll", „wir ordnen an" oder „wir führen durch", haben Sie Regelungen wie „angemessen", „darauf hinwirken", „kann" und „vielleicht". Dies, Herr Waffenschmidt, kann man nur dadurch wettmachen, daß man verbindliche Formulierungen in die Richtlinie einführt und damit



Frau Dr. Däubler-Gmelin
sagt, was man eigentlich wie durchsetzen will. Das tun Sie nicht. Unsere Aufforderung an Sie, dies zu tun, steht. Aber ich habe den Eindruck, daß Sie das nicht wollen.
Ich untermauere diesen Eindruck durch etwas anderes: Staatssekretär Neusel hat in seinem Brief an den Innenausschuß vom 27. Dezember des vergangenen Jahres sehr deutlich gemacht, was dieser Frauenförderungsrichtlinienentwurf eigentlich soll. Darin steht, durch eine Frauenförderungsrichtlinie solle an die Personalverwaltungen — ich zitiere jetzt wörtlich — appelliert werden, bei Einstellung und Beförderung angemessen Frauen zu berücksichtigen. Dieses erscheine hilfreicher — ebenfalls ein Zitat —, als zusätzliche Rechtsvorschriften zu erlassen. Das sind klare Worte.
Sie wollen auf Appelle ausweichen, wo Sie anordnen könnten. Sie würden auch anordnen, wenn Ihnen das Thema, nämlich die Frauenförderung im öffentlichen Dienst, wichtig genug wäre, was leider nicht der Fall ist.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ein Punkt, den die Frauen des Deutschen Frauenrates genauso zur Kenntnis nehmen müssen wie wir. Wir werden uns damit allerdings nicht abfinden, weder mit Ihrem Richtlinienentwurf — es sei denn, Sie verbessern ihn — noch mit der Beschlußempfehlung — das bekümmert mich ganz besonders —, die die Mehrheit der Kollegen der CDU/ CSU im Innenausschuß beschlossen hat.
Wenn Sie sich diese Beschlußempfehlung im einzelnen anschauen, werden Sie feststellen, daß sie weit hinter den Rechtsstandpunkt zurückgeht, den das Innenministerium schon vor einigen Jahren in diesen Fragen geäußert hat. Und damit hier auch kein Zweifel besteht, worüber wir konkret reden, darf ich Ihnen das vortragen. Anlaß für die rechtliche Stellungnahme des Bundesinnenministeriums waren die Hamburger Richtlinien. Das Schreiben, auf das ich mich beziehe, stammt aus dem Juli 1982. Darin heißt es — ich darf jetzt wieder zitieren —, daß man aus verfassungsrechtlicher Sicht zwar davon ausgehe, daß gesetzliche Quotenregelungen zugunsten von Frauen dann ausgeschlossen seien, wenn die Qualifikationsvoraussetzungen des Art. 33 Abs. 2 GG ersetzt werden sollten. Das gelte aber nicht, wenn es darum gehe, die Qualifikationskriterien zu ergänzen.
Herr Waffenschmidt, einige dieser Kriterien sind uns ja wohl bekannt, etwa proportionale föderale Parität der Beamten bei oberen Behörden. Das kennen wir durchaus, das liegt jedem Richterwahlvorschlag zugrunde. Diese Kriterien sind doch verfassungsrechtlich nicht vorrangig vor dem Gleichberechtigungsgebot in Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes.
Die rechtliche Begutachtung kommt zu dem Schluß, daß Art. 33 Abs. 2 und damit die Möglichkeit, Frauen zu befördern, in einigen besonderen Fällen ergänzungsoffen sei. In diesem Rahmen seien Quotenregelungen zugunsten von Frauen möglich, wenn es sich dabei erstens um eine echte Ergänzung der in Art. 33 Abs. 2 genannten Eignungskriterien handele und wenn zum zweiten die Regelung als Übergangsregelung nur so lange praktiziert werde, bis sich der Anteil der weiblichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf einem normalen Niveau eingependelt habe, nämlich entsprechend dem Nachholbedarf, der aufzuholen ist.
Sie gehen in Ihrer Stellungnahme weit hinter das zurück, was das Innenministerium in dieser rechtlichen Äußerung von sich gegeben hat. Ich kann das nur bedauern. Ich fordere Sie auf, schon aus diesem Grund dem Beschluß der Mehrheit des Innenausschusses nicht zu folgen.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich einige Sätze zu Ihnen sagen, Frau Süssmuth. Ich habe mich sehr gefreut, daß auch Sie das aufgegriffen haben, was aus der Dienstbesprechung der Oberlandesgerichtspräsidenten im letzten Sommer an Skandalösem herausgekommen ist. Auch Sie haben die seltsamen Vorstellungen des Herrn Wassermann in bezug auf die Einstellung von Richterinnen aufgegriffen. Ich kann an dieser Stelle nur betonen — ich habe das schon gesagt —: Herr Wassermann verwechselt ganz offensichtlich die Wahrung des Rechtes mit der Wahrung männlicher Vorrechte.
Das gleiche könnten wir beide in bezug auf Herrn Kuthning bemerken, der hinsichtlich der Praxis des Oberlandesgerichtes Schleswig bei der Einstellung von Rechtspflegern erklärt hat: Gute Erfahrungen habe man damit gemacht, daß bei der Einstellung von Rechtspflegeranwärtern männliche Bewerber auch dann berücksichtigt würden, wenn sie etwas schwächere Abiturnoten als die weiblichen Bewerber aufwiesen. Dadurch werde nämlich vermieden, daß Frauen eingestellt würden.
Ich habe den Eindruck, daß beide Herren gar nichts gegen Quoten haben, wenn diese zur Sicherung männlicher Vorrechte dienen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Dann [GRÜNE])

Nur dann haben sie etwas dagegen, wenn damit der Nachholbedarf der Frauen aufgeholt werden soll.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019827100
Frau Kollegin, ich muß Sie darauf aufmerksam machen: Sie haben Ihre Redezeit schon deutlich überschritten.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID1019827200
Mein letzter Satz ist deswegen folgender: Die Kolleginnen und Kollegen im Landtag zu Kiel und zu Hannover werden darauf zu achten haben, daß das Grundgesetz und die Gleichberechtigung der Frauen in beiden Fällen nicht zu kurz kommt. Lassen Sie uns hier im Bund dafür sorgen, daß in unserem eigenen Haus konkrete, verbindliche und auch die Wirklichkeit verändernde Frauenförderungsrichtlinien tatsächlich durchgesetzt werden.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019827300
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Herr Waffenschmidt.




Dr. Horst Waffenschmidt (CDU):
Rede ID: ID1019827400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin, ich habe mich gleich zu Wort gemeldet, um auf das zu entgegnen, was Sie hier vorgetragen haben. Denn zweierlei muß sofort richtiggestellt werden. Erstens. Wenn wir eine Bilanz der letzten Jahre aufmachen, dann darf ich Zahlen sprechen lassen. In der Zeit vom 1. Juli 1980 bis zum 30. Juni 1983 betrug der Anteil von Frauen an neu eingestellten Bediensteten bei den obersten Bundesbehörden 45,6%.

(Zurufe von der SPD: Das sind die Putzfrauen! — Teilzeitbeschäftigte!)

Im Sommer 1985 haben wir eine Erhebung über den Anteil von Frauen bei neu eingestellten jüngeren Bediensteten durchgeführt. Für die Zeit vom 1. Januar 1983 bis zum 31. Juli 1985 lag der Frauenanteil bei 54,7 %. Das ist also eine ganz deutliche Steigerung. — Weil hier eben das Stichwort „Putzfrauen" kam, muß ich im übrigen sagen: ich finde auch die Arbeit der Damen, die diese Aufgabe erfüllen, recht wichtig für das, was an Arbeit hier anfällt. Das sollte man nicht irgendwie abwerten.
Ich möchte hier gern sagen, daß wir in den Gruppen, die Sie offenbar immer anschneiden wollen, etliches getan haben. Im Jahre 1980 waren unter den neu eingestellten Bediensteten im höheren Dienst — Frau Däubler-Gmelin, damals stellten Sie die Spitze der Bundesregierung — 5,9% Frauen. Im Jahre 1983 betrug der Anteil 12,5 %. Das sind klare Zahlen. Man kann also nicht davon reden, der Anteil würde zurückgehen. Vielmehr sind die Dinge besser geworden; freilich sind sie immer noch nicht so gut, wie wir uns das gemeinsam wünschen.
Ich nenne hier noch folgende Zahlen. Im höheren Dienst lag der Anteil der beförderten Frauen, also der Frauen, die in höhere Stellen einrückten, 1980 bei 5,3%, 1983 lag er bei 6,4%, 1985 bei 10,9%. Wir haben also ganz kräftig auch hier zugelegt. Ich sage noch einmal, das reicht uns alles noch nicht aus; wir wollen noch mehr erreichen. Aber die SPD sollte, nachdem sie jahrelang die Bundesregierung geführt hat, jahrelang schlechtere Zahlen hatte, nicht so tun, als könne sie alles besser machen, obwohl man selbst alles versäumt hat, als man selber an der Regierung war.
Nächster Punkt: Sie haben die Frauenförderungsrichtlinie angesprochen. Ich will hier nur dies ganz deutlich sagen. Sie kritisieren eine Richtlinie, die wir jetzt erlassen, womit wir erreichen wollen, daß noch mehr und noch gerechter gegenüber den Damen, die sich bewerben, verfahren wird. Ich will hier ausdrücklich aus der Ziffer 2 den Satz zitieren:
Auf die Erhöhung des Anteils von Frauen ist dabei in Bereichen, in denen sie gering vertreten sind, hinzuwirken.
Auf die Erhöhung des Anteils ist hinzuwirken, daß heißt zu deutsch: Darauf muß hingewirkt werden, dafür muß gesorgt werden. Das ist eine deutliche politische Richtungsanzeige der Leitung der Bundesregierung, des Kabinetts, gegenüber allen nachgeordneten Dienststellen.
Nun will ich in dieser kurzen Intervention eine Schlußbemerkung machen. Ich möchte Ihnen ganz deutlich sagen, wir haben gezeigt — die Zahlen beweisen es —, daß wir die Anteile für die Frauen mit guten Gründen verbessert haben. Wir werden mit der Frauenförderungsrichtlinie daran arbeiten, daß es noch besser wird. Aber das Entscheidende ist, daß wir eine Atmosphäre in unserem Lande schaffen, wo wir auch wirklich etwas für die Frauen erreichen können. Ich wiederhole als Beispiel —dies hat Signalwirkung — das, was ich beim letztenmal hier schon gesagt habe. Ich wende mich ganz konzentrisch gegen eine Kampagne gegen die sogenannten Doppelverdiener. Wir haben die jungen Mädchen ausbilden lassen, wir haben ihnen eine Chance eröffnet; nun müssen sie auch eine berufliche Chance haben. Dafür treten wir ein, und dafür wird die Bundesregierung sorgen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019827500
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Pack.

Doris Pack (CDU):
Rede ID: ID1019827600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die Debattenbeiträge der SPD zur Frauenpolitik und auch den Beitrag von Frau Däubler-Gmelin vorhin verfolgt hat, der kann sich davon überzeugen, mit welcher Inbrunst heute Forderungen erhoben werden, die zu nennen Sie in 13 Jahren Regierungsverantwortung nicht gewagt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Ich bedaure Sie j a, verehrte Kolleginnen von der SPD. Sie haben es ja nicht nur versäumt, Ihre Partei für die Anliegen der Frau frühzeitig zu sensibilisieren. Sie mußten ja über 13 Jahre wirklich ruhig sein, weil Ihr Kanzler Schmidt nicht willens und in der Lage war, in die „Niederungen" der Frauenpolitik hinabzusteigen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Die ASF hatte noch nie einen so schweren Stand wie unter der Kanzlerschaft Helmut Schmidts. Ich bedaure dies.

(Zurufe von der SPD)

In allen Ihren Debattenbeiträgen zur Frauenpolitik, die ich nachlesen konnte, insbesondere, lieber Herr Kollege Schreiner, nach dem Essener CDU-Parteitag, sind Sie peinlichst der Beantwortung der Frage ausgewichen, was Sie denn ganz konkret in der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung für die Belange der Frau getan haben.

(Zuruf des Abg. Schreiner [SPD])


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019827700
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Matthäus-Maier?

Doris Pack (CDU):
Rede ID: ID1019827800
Ja, gerne.




Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019827900
Bitte schön, Frau Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1019828000
Ist Ihnen entgangen, daß unter der Kanzlerschaft des vielgeschmähten Kanzlers Schmidt das Mutterschaftsurlaubsgesetz eingeführt worden ist und daß Ihre erste Großtat die war, die Ansprüche nach diesem Mutterschaftsurlaubsgesetz zu kürzen und den Kündigungsschutz zu verschlechtern?

(Beifall bei der SPD)


Doris Pack (CDU):
Rede ID: ID1019828100
Frau Kollegin, vielen Dank für Ihre Einlassung. Viel geschmäht hat den Kanzler Schmidt sicherlich ein Großteil Ihrer Gruppe; ich habe dazu nichts beigetragen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Ich meine aber, wenn Sie das Mutterschutzgesetz ansprechen, so kann ich nur sagen: Sie haben damals in unserer Republik Gräben zwischen den Müttern, die im Erwerbsleben stehen, Und den Müttern, die nicht im Erwerbsleben stehen, sondern Hausarbeit verrichten, geschaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Gräben haben wir am 1. Januar 1986 zugeschüttet.

(Abg. Frau Matthäus-Maier [SPD] meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch keine Fragestunde!)

Frau Däubler-Gmelin, Sie haben vorhin in Ihrem Debattenbeitrag gesagt, daß wir heute einen Nachholbedarf haben. Ich gestehe das zu. Nur, dieser Nachholbedarf ist doch nicht erst entstanden, seit diese Regierung hier in Bonn regiert. Dieser Nachholbedarf ist uralt.

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Aber ihr wolltet doch alles besser machen!)

Er ist mindestens schon 13 Jahre alt oder noch älter.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Ich glaube also, Sie können heute nicht hergehen und hier bedauern, daß nichts getan wurde, wo Sie doch 13 Jahre lang Zeit gehabt hätten, Fortschrittliches zu tun. Nun haben Sie 13 Jahre lang nichts getan, und das bedarf natürlich einer Kompensation und einer Rechtfertigung in der Öffentlichkeit. Dies führt dann zu Aktionismus und Übereifer, und der wiederum schadet dem Anliegen der Frauen mehr, als er ihm nützt.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019828200
Frau Abgeordnete, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Doris Pack (CDU):
Rede ID: ID1019828300
Nein, ich möchte weiterreden, denn ich habe nicht mehr so viel Zeit.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie weiß schon, warum!)

— Vielleicht können Sie sich nachher noch einmal melden.
Wir haben hier heute eine Tagesordnung, die nicht das zum Inhalt hat, wozu Sie heute gesprochen haben. Ich möchte dazu allerdings nachher auch etwas sagen. Wir haben für die Frauen im öffentlichen Dienst ja nicht schon dann etwas getan, wenn wir Frauenförderrichtlinien für den öffentlichen Dienst erarbeiten, sondern nur dann, wenn wir auch ansonsten eine gute Politik für Frauen machen. Lassen Sie mich wenigstens drei oder vier Punkte anführen, von denen ich glaube, daß wir als CDU stolz auf sie sein können.
Erstens. Die CDU und die Frauen in der CDU haben mit ihrem Essener Parteitag die größte Sensibilisierungsleistung für die berechtigten Anliegen der Frauen erbracht,

(Beifall bei der CDU/CSU)

weit größer als das mitunter massenhaft abgelegte Bekenntnis in lila.
Zweitens. Durch diesen Parteitag ist die Öffentlichkeit in noch nie dagewesenem Umfang auf die größte Benachteiligung in unserer Gesellschaft aufmerksam gemacht worden, und damit ist die CDU nicht, wie Frau Odendahl in der letzten Debatte meinte, auf einen Zug aufgesprungen, sondern hat die alte verrostete Dampflok der SPD, die in Ermangelung des notwendigen Dampfes — nämlich wegen des Unvermögens der SPD-Frauen, ihre Partei für die Anliegen der Frau zu mobilisieren — stehengeblieben war, abgehängt und statt dessen dem Zug der Frauenpolitik die hochmoderne E-Lok der Union vorgehängt.

(Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

Mit dem sogenannten Benachteiligtenprogramm haben wir insbesondere Mädchen gefördert. Zwei Drittel der Mittel aus diesem Benachteiligtenprogramm sind Mädchen zugute gekommen. Wir haben — anders als andere in diesem Hause — nie den Gedanken eines allgemeinen Antidiskriminierungsgesetzes verfolgt, weil mit einem derartigen papierenen Bekenntnis unserer Meinung nach keine ernsthafte Verbesserung für die Frauen erreicht werden kann. Statt dessen haben wir das Benachteiligungsverbot des § 611 a BGB zugunsten der Frauen verschärft.
Wir haben ab 1. Januar 1986 ein zehnmonatiges Erziehungsgeld in Höhe von 600 DM, und ab 1988 wird es nicht nur für zehn Monate, sondern für ein ganzes Jahr gezahlt. Ich fordere die SPD-regierten Bundesländer auf, es Bayern, Niedersachsen und Berlin gleichzutun und an dieses eine Jahr, für das der Bund aufkommt, noch ein zweites oder auch ein drittes Erziehungsjahr mit Leistungen des Landes anzuhängen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Immer [Altenkirchen] [SPD]: Es geht um den öffentlichen Dienst!)

— Auch diese Damen sind oftmals im öffentlichen Dienst beschäftigt, Herr Kollege Immer.
Liebe Kolleginnen von der SPD, bevor Sie meinen, unsere Leistungen für die Frauen — die sicherlich noch zu wünschen übriglassen — schlichtweg



Frau Pack
nur in Abrede stellen zu müssen, fordern Sie doch einmal Ihren Ministerpräsidenten in diesem Bundesland auf, sich darum zu kümmern, daß ein solches Jahr auf unseres aufgestockt wird.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Ich finde, es ist einmalig in der Rentengeschichte, daß ab 1. Januar 1986 die Anerkennung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung eingeführt ist.

(Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Für einen Teil der Frauen!)

Ich finde auch, daß sich das Familienpaket der Bundesregierung, das die Familien und auch die Frauen, auch die im öffentlichen Dienst, ab 1. Januar dieses Jahres um 10 Milliarden DM entlastet, sehen lassen kann. Davon konnten Sie in Ihrer Regierungszeit nur träumen.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben mit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes zum erstenmal eine spezifische Förderung von Frauen vorgesehen. Weder haben Sie das in Ihrem 1976 verabschiedeten Hochschulrahmengesetz auch nur annähernd berücksichtigt

(Zurufe von der SPD)

noch gibt es bislang Anzeichen dafür, daß die sozialdemokratisch geführten Bundesländer Ihre Forderungen, die Sie dabei wiederum erhoben haben, umzusetzen gedenken. Bei Ihnen gibt es eine permanente Lücke zwischen dem Reden vom Handlungsbedarf und dem nicht vorhandenen Handeln Ihrer eigenen SPD-geführten Bundesländer.
Nun komme ich zu dem Frauenförderungsplan, den die Bundesverwaltung am 5. Dezember vorgestellt hat und der gestern im Kabinett verabschiedet wurde. Auch das haben Sie zwar immer lauthals gefordert, liebe Frau Dr. Däubler-Gmelin, doch in 13 Jahren Regierungsverantwortung ist diesbezüglich nichts zustande gekommen.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Wer hat was wann vorgestellt?)

— Gestern ist die Frauenförderrichtlinie im Bundeskabinett verabschiedet worden; ich wiederhole dies.

(Zurufe von der SPD)

Es ist eine Richtlinie; sie ist gestern verabschiedet worden. — Ich finde, wenn wir heute darüber diskutieren, sollten wir der Öffentlichkeit auch sagen, daß die Erwartungen, die an den Erfolg einer solchen Richtlinie geknüpft sind, nicht zu hoch geschraubt werden dürfen;

(Zurufe von der SPD)

denn dies ist auch nur ein Instrument von vielen. Ich finde aber, allein das Befassen mit dieser Richtlinie, das Diskutieren darüber, auch das Verbessern dieser Richtlinie hat bereits in vielen Orten, an vielen Stellen — auch in der Verwaltung — neues Bewußtsein geschaffen.
Die vorgelegte Richtlinie zur beruflichen Förderung von Frauen in der Bundesverwaltung ist, das sage ich ganz offen, bei weitem noch nicht der Weisheit letzter Schluß. In den Ausschüssen für Jugend, Familie und Gesundheit sowie für Bildung und Wissenschaft sind Änderungsvorschläge gemacht und auch angenommen worden. Daß diese Änderungen dann nicht ebenfalls vom Innenausschuß übernommen wurden, kann wohl nur daran liegen, daß dort keine Frau dafür eintreten konnte.
Ich finde, wir sollten zukünftig bei der Befassung mit dieser Richtlinie den Begriff des Leistungsprinzips im Zusammenhang mit Formulierungen wie — ich zitiere — „sind Frauen unter Beachtung des Leistungsprinzips ... zu berücksichtigen" ersetzen. Dies bedarf einer Änderung. Ich meine, wir müssen von einer Qualifikation sprechen; denn abgesehen davon, daß sich der Begriff Leistungsprinzip auf einen zeitlichen Rahmen bezieht, der zur Beurteilung bei der Einstellung von Frauen unberücksichtigt bleiben muß, weil über die Leistungen der Frauen, die sie nach der Einstellung erbringen, sachgerechterweise keine Aussage getroffen werden kann, darf nur die zu dem Einstellungszeitpunkt festzustellende Qualifikation der Bewerberin ausschlaggebend sein.
Ferner verstehe ich die Formulierung, daß auf die Erhöhung des Anteils von Frauen in Bereichen, in denen sie gering vertreten sind, hinzuwirken ist, im Sinne einer bevorzugten Einstellung von Frauen in den genannten Bereichen.

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD])

Des weiteren bedarf es unserer Ansicht nach einer Berichtspflicht im Hinblick auf die Situation von Frauen in der Bundesverwaltung der alle drei Jahre vor diesem Deutschen Bundestag nachzukommen ist.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das steht aber auch nicht drin!)

Falls dies aus datenschutzrechtlichen Gründen, wie gesagt wurde, nicht möglich sein sollte, muß der Bericht nicht nur dem Innenausschuß vorgelegt werden, sondern auch den Ausschüssen für Arbeit und Sozialordnung, für Jugend, Familie und Gesundheit und für Bildung und Wissenschaft.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Warum soll das aus datenschutzrechtlichen Gründen im Bundestag nicht gehen?)

— Es gibt Beamte, die gesagt haben, daß dies aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht gehe. Ich habe gesagt: Sollte dies nicht möglich sein ... — Für mich ist die Pflicht zur Berichterstattung im Deutschen Bundestag das vorrangige Ziel.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, der Vorstellung, daß der öffentliche Dienst Vorreiterfunktion bei der Gleichberechtigung von Männer und Frauen zu übernehmen hat, sind wir mit der Verabschiedung dieser Richtlinie ein bißchen näher gekommen. Der Anteil der neu eingestellten Frauen im öffentlichen Dienst wächst Gott sei Dank ja bereits jetzt. Ge-



Frau Pack
naue Zahlen wird die Frau Minister sicherlich im Anschluß nennen. Doch wir stehen erst am Anfang eines noch langen Weges. So scheint mir die Sensibilisierung des Bewußtseins für Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern gewachsen zu sein. Doch es bedarf noch weiterer, größerer Anstrengungen.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Tun Sie mal endlich etwas!)

Auch hier muß der öffentliche Dienst vorangehen. Machen wir uns doch nichts vor. Es ist doch so, daß das Gros der Verwaltung unseren Anliegen nur abwehrend bis skeptisch gegenübersteht. Angesichts der — auch bei Politikern — noch nicht seit langem mit der vollen Breite wirksamen bewußtseinsmäßigen Veränderung ist dies bis zu einem gewissen Grade zu verstehen. Ich finde, es bedarf sehr großer Anstrengungen, um auch in den gehobenen und höheren Laufbahngruppen im öffentlichen Dienst die positiven Anzeichen weiter zu verstärken. Es geht uns Frauen ja nicht ausschließlich um einen gleichberechtigten prozentualen Anteil an Arbeitsverhältnissen, sondern auch und gerade um einen gleichberechtigten Anteil an denjenigen gesellschaftlichen Positionen, in denen sie auch Einfluß und größere Verantwortung wahrnehmen können. Diese Bereiche sind auch heute leider immer noch eine Männerbastion. Dies zu verbessern, ist eine Aufgabe, die in der nächsten Legislaturperiode sicherlich noch nicht vollendet werden wird. Dafür brauchen wir noch viel Zeit.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019828400
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dann.

Heidemarie Dann (GRÜNE):
Rede ID: ID1019828500
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Beschlußempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 10/4729 macht Schönwetter für Frauen. Die Förderrichtlinien zur Verbesserung der Ausbildungschancen werden befürwortet. Auch soll ein Bericht vorgelegt werden. Bis wann und mit welcher Zielsetzung — davon ist allerdings nicht die Rede. Vielversprechend schließt die Empfehlung mit den Worten, daß der Antrag der SPD damit erledigt sei. Dieser formale Umgang mit dem Problem wird der Realität mit keiner Silbe gerecht.
Frauenförderrichtlinien und -förderpläne scheinen zur Zeit hoch im Kurs zu stehen und werden als Lösung gepriesen. Acht Bundesländer haben sich für diesen Weg entschieden. Zugegeben: Das ist ein Weg in die gewünschte Richtung. Nur nützen Empfehlungen wenig, wenn eine Durchsetzungsstrategie ausbleibt.
Mit dieser Position trat Wolfgang Warburg, Vorstandsmitglied der ÖTV, an die Presse heran. Er meinte, Richtlinien sagten nichts darüber aus, mit welchen konkreten Schritten die Diskriminierung von Frauen im Bundesdienst abgebaut werden solle.
Dementsprechend sieht auch die Realität aus. Aus der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage und den Berichten über die Erfahrung mit Frauenförderplänen geht hervor, daß Frauen auf den unteren und mittleren Beschäftigungsebenen fast 50 Prozent — wie Herr Waffenschmidt bereits ausführte — ausmachen. Aber im gehobenen Dienst und in Führungspositionen werden nur vereinzelt Frauen angetroffen.
Warum sieht es auch im öffentlichen Dienst nicht anders als in der Privatwirtschaft aus? Liegt es an der fehlenden Fähigkeit von Frauen, sich zu qualifizieren? Das wird wohl heute niemand mehr behaupten. Falls doch: Die Statistiken über die erwerbslosen Hochschulabsolventinnen zeigen deutlich, Frauen sind in allen Ausbildungsfachrichtungen vertreten. Im Vergleich zu ihren Kollegen bleibt jedoch ein größerer Anteil von Frauen aus sogenannten typischen männlichen Fachrichtungen erwerbslos.
Man kann die Frage auch nicht mit dem Argument abtun, daß Frauen nicht die Bereitschaft zeigen, sich in die Führungspositionen hineinzuwagen und in die Laufbahn des gehobenen Dienstes einzutreten. Damit macht man es sich zu einfach. Der Punkt scheint ein ganz anderer zu sein: Entscheidungsgremien für Neueinstellungen sind entsprechend der erwähnten Statistik mit Männern besetzt. Hier ist in vielen Fällen eine ganz andere Sorge bestimmend. Ich verweise dazu auf das Beispiel, das Frau Däubler-Gmelin vorhin schon erwähnte.
Der Präsident des Oberlandesgerichtes, Wassermann — ein SPD-Mitglied —, machte vorletzte Woche Schlagzeilen.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Der Kuthning machte leider keine Schlagzeilen!)

Die zunehmende Besetzung von Richterstellen mit Frauen ist für ihn Anlaß, die Einstellungsvoraussetzungen zugunsten von Männern zu ändern. Um Männern zu ermöglichen, erfolgreich mit Frauen zu konkurrieren, soll die Einstellungsnote von „vollbefriedigend" auf „befriedigend" gesenkt werden. Zudem sollen neue Testverfahren eingeführt werden, die männlichen Bewerbern bessere Chancen einräumen. Nach Wassermann gilt es, das geistige Kontinuum eines Bewerbers zu ermitteln.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch ein SPD-Politiker!)

Keine Angst, meine Herren! Noch durchweht der Geist des Patriarchats unsere Gerichtssäle — zum Leidwesen der Frauen. Sie sind, wie Wassermann richtig einschätzt, auch als Richterin doppelt und dreifach belastet: im Beruf, als Ehefrau und als Mutter.
Wassermanns „Männerförderplan" soll alte Verhältnisse festschreiben, obwohl gerade Juristen gegen die Quotierung im öffentlichen Dienst zugunsten von Frauen das Grundgesetz ins Feld führen, wonach Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eines Bewerbers die maßgeblichen Einstellungskriterien sind.



Frau Dann
Die GRÜNEN haben in ihrem Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes und in dem Antrag auf Drucksache 10/4444 die mindestens 50 % ige Besetzung aller Ausbildungs- und Erwerbsarbeitsplätze im öffentlichen Dienst mit Mädchen und Frauen gefordert. Die Tatsache, daß die SPD die Mitbehandlung dieses Antrags in der heutigen Debatte ohne Begründung blockiert hat, zeigt, wie wenig ernst sie es mit Ihren Forderungen zur Förderung von Frauen meint.
Die einzige Möglichkeit, die Ungleichbehandlung von Frauen im öffentlichen Dienst hier und heute zu beseitigen, ist die bevorzugte Einstellung von Frauen auf Grund formaler Qualifikation, bis die 50%-Quote auf allen Ebenen erreicht ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die GRÜNEN setzen diese Forderung in ihrer Fraktion in die Tat um. Dies ist nicht verfassungswidrig, sondern verfassungsrechtlich geboten. Solange die Gleichstellung der Frauen nicht gesellschaftliche Wirklichkeit ist, ist deren positive Förderung notwendig, um dem Gleichheitsgrundsatz genüge zu tun.
Nun zur Ausbildungssituation der Frauen bei der Deutschen Bundespost. Der Antrag der SPD zielt auf eine notwendige und gerechtfertigte Korrektur der Qualifizierungsmöglichkeiten für Frauen ab. Die Reaktion der Bundesregierung und die geplanten Umstrukturierungen bei den Bundesbehörden lassen jedoch Schlimmes befürchten. So wird mit keinem Wort auf die Auswirkungen der neuen Technologien auf die Beschäftigung von Frauen eingegangen. Es ist nachgewiesen, daß durch die Automatisierung in erster Linie Frauenarbeitsplätze vernichtet werden. Die Stellungnahme des Ausschusses läßt diesen Aspekt außen vor. Einem verantwortlichen Arbeitgeber — in diesem Fall der Bundespost — stünde es gut an, die soziale Absicherung und die qualifizierte Ausbildung von Frauen besonders ins Auge zu fassen und nicht alles dem Diktat des technischen Fortschritts zu unterwerfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Bezirksfrauenkonferenz der Deutschen Postgewerkschaft, die Ende letzten Jahres in Koblenz stattfand, verabschiedete den Antrag, daß
Frauen verstärkt in technischen Berufen ausgebildet werden müssen
und daß
der öffentliche Dienst als größter Arbeitgeber in diesem Bereich beispielhaft vorangehen muß.
An dieser Stelle wäre es für die Bundesregierung ein leichtes, Maßnahmen vorzuschlagen, die dem Qualifizierungsinteresse von Frauen Rechnung tragen. Aber nein, das Gegenteil ist der Fall. Frauen werden wieder einmal vertröstet, bis es auf Grund der technologischen Entwicklung zu spät ist und ihre Arbeitsplätze wegrationalisiert worden sind. Im Sinne des Entwurfs eines Antidiskriminierungsgesetzes der GRÜNEN wäre hier auf jeden Fall eine über Empfehlungen hinausgehende aktive Einflußnahme der Bundesregierung auf die Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen geboten.
Damit schließe ich meinen Beitrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019828600
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Adam-Schwaetzer.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP):
Rede ID: ID1019828700
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ausgangspunkt für die heutige Debatte ist ein Antrag der SPD vom März 1985 über die Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst. Die FDP-Fraktion begrüßt es, daß gestern im Kabinett eine Richtlinie zur Förderung von Frauen in der Bundesverwaltung vorgelegt und verabschiedet worden ist. Es ist sicherlich auch richtig zu sagen, daß der Antrag der SPD dazu beigetragen hat, daß diese Richtlinie in der Bundesregierung diskutiert und dann auch verabschiedet worden ist. Insofern war es sehr gut, daß wir einen solchen Antrag vorliegen hatten und ihn debattiert haben.
Die Richtlinien zur Förderung von Frauen in der Bundesverwaltung muß man meines Erachtens ein wenig anders klassifizieren, als das Frau Däubler-Gmelin eben getan hat. Wir alle wollen sicherlich nicht mit Frauenförderrichtlinien neue Schutzzäune für Frauen aufbauen. Wir alle wollen sicherlich nicht, daß Frauen auf diesem Weg in bestimmte Positionen hineingeschoben werden. Wir wollen vielmehr, daß die Startchancen verbessert und daß Vorurteile abgebaut werden. Vorurteile, die sich auf die Leistungsfähigkeit von Frauen beziehen und nach denen die Leistungsfähigkeit der Frauen genauso wie die Einsatzbereitschaft geringer als die der Männer eingeschätzt wird. Das ist falsch, wie viele Frauen, die sehr aktiv im öffentlichen Leben stehen, immer wieder beweisen.
Wir wollen die Beurteilung nach der Leistungsfähigkeit auch in der Zukunft, und wir wollen, daß die Leistungsfähigkeit bei allen gleichmäßig beurteit wird. Nicht nur Männer, sondern selbstverständlich haben auch Frauen eine Familie, und deshalb müssen auch Frauen durchaus häufig Geld verdienen, um zum Familienbudget beizutragen, nicht nur die Männer. Das heißt, die Kriterien zur Auswahl bei der Einstellung müssen für alle gleich sein.
In der Theorie ist das alles wunderbar und in der Öffentlichkeit akzeptiert. Deshalb ist es unglaublich, was der Oberlandesgerichtspräsident aus Braunschweig, Herr Wassermann, im vergangenen Jahr offensichtlich in einer nicht öffentlichen Sitzung gesagt hat. Es nützt nichts, darum herumzureden; denn er hat wirlich vorgeschlagen, daß Bewertungskriterien bei der Einstellung nach unten verschlechtert werden sollen, weil man dadurch die Möglichkeit bekommt, aus einem größeren Angebot von Männern für die Einstellung in die juristische Laufbahn auswählen zu können.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist ein Skandal!)




Frau Dr. Adam-Schwaetzer
Das ist grundgesetzwidrig, denn es verstößt gegen das Benachteiligungsverbot, das im Grundgestz festgelegt ist.

(Dr. Blank [CDU/CSU]: Herr Wassermann ist doch Sozialdemokrat, wenn ich das richtig sehe!)

— Herr Wassermann ist Sozialdemokrat, aber es gibt auch in CDU-regierten Ländern, wenn Sie genau hingucken, mit ziemlicher Sicherheit ähnliche Beispiele, und natürlich gibt es auch in meiner eigenen Partei Beispiele, die ich Ihnen zitieren könnte, daß solche Ansichten immer wieder vorgetragen werden. Ich finde, wir haben alle in unseren Parteien genügend Arbeit. Wir sollten nicht aufeinander einprügeln, sondern uns alle miteinander darum bemühen, daß diese Einstellung verschwindet.

(Beifall bei der FDP)

Die vorgelegte Richtlinie zur Förderung der Frauen in der Bundesverwaltung hat ein paar vernünftige Ansätze: Stellenausschreibungen sollen so gestaltet werden, daß sich Frauen auch wirklich darauf bewerben. Sie sollen also quasi einen Aufforderungscharakter haben, daß sich Frauen tatsächlich für die ausgeschriebene Stelle bewerben. Bei Einstellungen soll darauf hingewirkt werden, daß vor allen Dingen in den Bereichen mehr Frauen eingestellt werden, wo sie bisher nicht ausreichend zum Zuge gekommen sind. Auch bei Beförderungen sollen sie angemessen berücksichtigt werden. Ich finde, daß dies ein wenig vorsichtig formuliert ist.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr gut!)

Ich hätte mir in der Tat ein wenig mehr gewünscht. Ich wünsche mir, daß bei der Umsetzung dieser Richtlinie, die für alle Bundesbehörden gilt, konkreter verfahren wird,

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Man kann sie doch auch verschärfen!)

daß z. B. zeitliche Vorgaben für die Realisierung genauer formulierter Ziele gegeben werden. Man kann sich z. B. einen Bereich heraussuchen und sagen: Innerhalb der nächsten fünf Jahre möchten wir, daß hier der Anteil der Frauen ganz erheblich verstärkt wird.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das kann man in die Richtlinie hineinschreiben!)

— Ich finde, so etwas sollte man durchaus in diese Richtlinie hineinschreiben.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr gut!)

Dies gebe ich als Wunsch für die Umsetzung der Vorgaben in jedem Hause mit auf den Weg.
Die Quotierungsdiskussion, meine Damen und Herren — das ist hier soeben schon angeklungen —, ist allerdings ein Knackpunkt der ganzen Auseinandersetzung. Wir wollen keine Quotierung, wir wollen keine festen Quoten in irgendwelche Förderrichtlinien hineinschreiben, wir wollen auch keine festen Quoten in Gesetze hineinschreiben. Die Begründungen, die für Quotierungen gegeben werden, sind bisher für uns zumindest nicht überzeugend; denn mit einer solchen Quotierung ist nicht sichergestellt, daß tatsächlich ein anderes Erfordernis erfüllt ist, das wir für die Beschäftigung von Frauen für ebenso wichtig halten, daß nämlich gleiche Leistungsanforderungen gestellt werden. Mit einer Quotierung wäre das nicht mehr sichergestellt. Quotierungen führen dazu, Alibifrauen zu nehmen,

(Frau Dann [GRÜNE]: Sie unterstellen, daß Frauen nicht qualifiziert sind!)

und Alibifrauen werden niemals eine gleichberechtigte Stellung in unserer Gesellschaft haben. Wir wollen Wettbewerb, wir wollen Bewußstseinswandel. Nur dadurch kann man die Vorurteile abbauen, die heute noch verhindern, daß Frauen auch bei der Einstellung wirklich den angemessenen Anteil bekommen. Frauen sind einsatzbereit, sie sind leistungsfähig; aber nur wenn Vorurteile abgebaut werden können, werden sie auch angemessen zum Zuge kommen.
Ich finde auch, daß die Quotierungsdiskussion zum Teil sehr halbherzig geführt wird. Auch in der Sozialdemokratischen Partei gibt es hier durchaus keine einheitliche Meinung, sondern das, was die Sozialdemokraten in ihrem Antrag zum öffentlichen Dienst fordern, haben sie bisher nicht in ihrer eigenen Partei umsetzen können. Konsequent in dieser Frage sind in der Tat nur die GRÜNEN, ohne allerdings zu sagen, welche Auswirkungen das haben würde. Ich würde gern mal wissen, ob Joschka Fischer in Hessen in seinem Ministerium diese Prinzipien auch anwendet.

(Beifall bei der FDP — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das würde ich auch gern wissen!)

In dieser Richtlinie wird ein Bereich angesprochen, der ganz besondere Bedeutung hat, nämlich der Bereich der Fortbildung für Frauen. Es reicht j a nicht, zu beklagen, daß Frauen in den höheren Positionen nur unzureichend vertreten sind, sondern man muß ihnen auch die Chance geben, sich innerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit weiter zu qualifizieren, und da stehen häufig gerade familiäre Probleme entgegen. Bisher war die Wiedereinstiegsausbildung, vor allen Dingen aber auch die qualifizierende Ausbildung im öffentlichen Dienst für Frauen nicht ausreichend. Wir wissen, daß über 70 % der Frauen Familienarbeit und Erwerbsarbeit miteinander vereinbaren wollen. Wir wissen auch, daß über 40 % der Frauen nicht ständig berufstätig sein, sondern daß sie für die Zeit der Kindererziehung eine Pause einlegen möchten. Das heißt, vor allem für diese Frauen ist die Wiedereinstiegsausbildung besonders wichtig. Wir begrüßen es deshalb, daß in dieser Richtlinie steht, daß Frauen, die Erziehungsurlaub genommen haben, Frauen, die längerfristig zur Pflege ihrer Kinder aus dem Dienst ausscheiden, Angebote zur Fortbildung während dieser Pause bekommen, und daß es obligatorisch sein soll, sie auf Angebote hinzuweisen.
Unzureichend ist aber — allerdings ist das keine Frage dieser Richtlinie —, daß Frauen, die eine sol-



Frau Dr. Adam-Schwaetzer
che Fortbildung wahrnehmen, bisher die Kosten dafür von niemandem bekommen. Sie bekommen sie nicht vom öffentlichen Arbeitgeber — dafür habe ich viel Verständnis —, aber sie können sie nicht einmal, wie jeder andere Arbeitnehmer, steuerlich berücksichtigen. Das halte ich allerdings für unzureichend.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was hier vorgelegt worden ist, ist in meinen Augen ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es kann nicht ausreichen und uns auf die Dauer nicht zufriedenstellen. Deshalb ist es wichtig, daß wir weiter wachsam beobachten, wie die Umsetzung dieser Richtlinie in den öffentlichen Behörden vollzogen wird. Der öffentliche Dienst kann Vorreiterfunktion bei der Beschäftigung von Frauen haben, und er soll es unserer Meinung nach auch tun. Nicht in allen Behörden ist bisher dieser Wunsch, der immer wieder aus dem politischen Raum geäußert worden ist, angemessen berücksichtigt worden. Wir fordern deshalb alle auf, nicht bei dem stehenzubleiben, was hier vorgelegt worden ist, sondern bei der Umsetzung in den einzelnen Ministerien und in den Bundesbehörden mehr und konkreter die Bedürfnisse und die Wünsche von Frauen zu realisieren.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem zweiten vorgelegten Antrag, den wir hier debattieren, sagen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hatte vorgeschlagen, einen spezifischen Ausbildungsgang für weibliche Beschäftigte bei der Post zu machen. Das Anliegen, nämlich für bestimmte Tätigkeiten, die nur bei der Post auftreten, eine spezifische Ausbildung anzubieten, ist richtig, und sie ist auch von uns gesehen worden. Der Weg dahin, nämlich nach dem Berufsbildungsgesetz eine eigene Ausbildung zu schaffen, scheint uns der falsche Weg zu sein. Dem Dienstrecht angemessen ist eine Lösung, die auch innerhalb des öffentlichen Dienstes Vorgaben für eine spezifische Ausbildung, die aber in der Laufbahn abgeleistet wird, vorsieht. Eine solche Lösung hat die Bundesregierung vorgelegt, und wir erwarten, daß sie auch in der Zukunft zügig umgesetzt wird, damit wirklich die Frauen, die darauf warten, qualifizierte Positionen bei der Post einzunehmen, diese Chance auch bekommen.
Insgesamt, meine Damen und Herren, ist das, was in dieser Bundesregierung in bezug auf Frauenförderung gelaufen ist, hoch anzusetzen.

(Zuruf von der SPD: Na, na!)

Aber es ist noch nicht ausreichend. Daher ermuntern wir die Bundesregierung ausdrücklich, auf diesem Weg noch viele große Schritte zu tun.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019828800
Das Wort hat Frau Professor Süssmuth, Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019828900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir hier heute die Frage „Frauenförderung im öffentlichen Dienst" diskutieren, dann halte ich es für völlig abwegig, uns wechselseitig um die Ohren zu schlagen, wer nun eigentlich Schrittmacherin oder Schrittmacher für die Frauenförderung sei, und hinsichtlich Bund, Länder und Kommunen danach zu schauen, ob sie nun SPD- oder CDU-regiert sind. Wir sind hier auf einem entscheidenden, mühsamen Weg, der ein langer Weg ist. Gerade die jüngste öffentliche Diskussion zeigt j a, daß wir in vielen Punkten eher am Anfang stehen als auf dem Weg schon fortgeschritten sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE])

Und wenn ich jüngst bei einer Begegnung in Niedersachsen die einzige Präsidentin eines Landesarbeitsgerichtes angetroffen habe, dann muß ich feststellen, daß wir weit davon entfernt sind, im Bereich der Gerichtsbarkeit auf den obersten Stellen hinreichend Frauen zu haben.
Daran gemessen ist der Weg lang. Aber in dieser Auseinandersetzung um alles oder nichts halte ich die im Kabinett verabschiedete Richtlinie zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst auf der Ebene der Bundesverwaltung für einen entscheidenden Schritt nach vorn, wenn es um die Frage geht, nichts zu tun oder einen entscheidenden Anfang zu setzen. Denn es reicht nicht aus, zu sagen, es hätte mehr sein müssen, wenn vorher weniger nicht durchgesetzt worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gewiß käme es dem öffentlichen Dienst sehr wohl zu, Vorreiter für die Gleichberechtigung zu sein.

(Frau Steinhauer [SPD]: Richtig!)

In Teilen, wenn es um die Gesetzgebung geht, ist er dies. Wenn es um die Umsetzung geht, tut er sich ebenso schwer wie die private Wirtschaft.

(Frau Steinhauer [SPD]: Das ist der Unterschied zwischen Theorie und Praxis!)

Nur müssen wir ganz deutlich sehen, daß es nicht nur gilt, Klage zu führen. Hier muß ich die Aussagen von Herrn Waffenschmidt ausdrücklich bestätigen, daß wir den Anteil der Frauen im höheren Dienst wie im gehobenen Dienst in den letzten Jahren prozentual erheblich gesteigert haben. Wenn ich nun sage, er ist verdoppelt worden, dann muß man sicherlich sehen, welches Ausgangsniveau man dabei zugrunde legt, wenn ich von 5,3 % auf 10,9 % komme. Aber wenn wir sehen, was wir mit Modellvorhaben „Mädchen in gewerblich-technischen Berufen" an Steigerungen erreicht haben, dann stellen wir fest, daß diese ganz beträchtlich sind. Sie sehen nicht danach aus, daß Frauen als Arbeitnehmerinnen, als Angestellte und Beamtinnen aus dem öffentlichen Dienst verbannt worden sind.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019829000
Frau Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Däubler-Gmelin? — Bitte schön.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID1019829100
Frau Minister, ich stimme Ihnen völlig zu, daß man Zahlen nur an



Frau Dr. Däubler-Gmelin
Hand von konkreten Aussagen vergleichen sollte. Deswegen darf ich — wir wissen, daß z. B. der Senat von Hamburg seit mehreren Jahren Erfahrungen mit konkreten Frauenförderrichtlinien hat, die verbindlich sind — folgende Fragen stellen: Warum ist es nicht möglich, daß man gemeinsam mit der Bundesregierung, mit Ihnen und Herrn Waffenschmidt, wenigstens auf diesem Stand aufbaut, um dann wirklich weiterzukommen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019829200
Ich komme gleich, wenn Sie einverstanden sind, im Rahmen der Ausführungen auf diese Frage zurück. Im übrigen denke ich, daß das Ausgangsniveau jeweils sehr unterschiedlich aussieht. Die Frage, die Sie hier anschneiden, ist: Wie konkret sind die Zielbestimmungen, die wir vor Augen haben? Darauf hat sowohl Frau Pack als auch Frau Adam-Schwaetzer schon hingewiesen; ich komme darauf gleich noch einmal zurück.
Ich möchte in diesem Zusammenhang zunächst einmal feststellen, daß die erhebliche Steigerung im höheren und gehobenen Dienst gleichzeitig in Verbindung mit den Neueinstellungen zu sehen ist, und zwar — dies betone ich ganz besonders — in Verbindung mit den Neueinstellungen jüngerer Frauen. Denn wir haben immer gesagt, das Entscheidende ist, daß nicht nur die älteren Frauen im Dienst verbleiben, sondern daß die jüngere Generation hineinkommt. Wenn wir an die Untersuchung von Jahoda denken, dann wird in ihr ganz deutlich, daß der Verdrängungsprozeß gerade bei den jüngeren Frauen stattfindet. Die Zahlen aus dem Bereich der Bundesverwaltung belegen, daß ganz wesentlich jüngere Frauen neu eingestellt worden sind. Gleiches gilt für den Gesamtbereich der öffentlichen Verwaltung: 54 % aller neu Eingestellten waren Frauen.
Immer wieder wird den Frauen gesagt: Das Kriterium ist die Leistungsfähigkeit. Dieser Begriff der Leistung öffnet offenbar unterschiedlichen Interpretationen Tür und Tor. Gerade die jüngste Diskussion hat wieder deutlich gemacht, daß die Familienaufgaben den Frauen als mangelnde Leistungsfähigkeit im Beruf angelastet werden. Ich denke, gerade hier haben die Frauenförderrichtlinien mit ihren verschiedenen Ebenen einen entscheidenden Beitrag dazu zu leisten, daß zum einen die Leistungsfähigkeit der Frauen gefördert wird und daß zum anderen Vorurteilen — den Frauen wird nachgesagt, sie seien weniger einsatzbereit und weniger an Weiterbildung und gehobenen Posten interessiert — entgegengewirkt wird.
In diesem Zusammenhang ist auch das heute ergangene Urteil des Bundessozialgerichts zu sehen. Frauen dürfen nicht mehr nach einer Schwangerschaft gefragt werden, wenn sie mit einem männlichen Bewerber konkurrieren. Auch dies ist ein weiterer Schritt auf dem Weg gegen die Diskriminierung von Frauen auf Grund der Familienaufgaben.

(Frau Karwatzki [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Die an die Justizminister gerichteten Rundschreiben meines Hauses betreffend die Einstellung von Rechtspflegerinnen und Juristinnen zeigen sehr wohl, daß die Einschätzung der öffentlichen Verwaltungen, Frauen seien in geringerem Maße leistungsfähig, nicht nachweisbar ist. Im Gegenteil, die Antworten lauten: Wir haben gute bis sehr gute Erfahrungen mit den Frauen in verschiedenen Berufspositionen gemacht.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr gut!)

Trotzdem gilt: Wenn wir die Berufschancen von Frauen verbessern wollen, dann müssen wir vor allen Dingen bei diesen nach wie vor massiv vorhandenen Vorurteilen ansetzen und sie in einer beharrlichen Kampagne — auch die Frauen selbst müssen diese Vorurteile bekämpfen — abbauen.
Nur, ich möchte davor warnen, das Instrument der Richtlinie überzubewerten. Frau Pack hat es schon gesagt. Es ist einerseits eine Antwort auf geringe Anteile von Frauen im öffentlichen Dienst, insbesondere im höheren und im gehobenen Dienst. Es kann andererseits jedoch nichts bewirken, solange es allein auf dem Papier steht. Trotzdem ist diese Richtlinie ein erster Schritt in die richtige Richtung. Es ist ein wichtiger Schritt, weil schon die Diskussion um die Richtlinie und ihre Verabschiedung, so wie sie in der Bundesregierung und in den Ausschüssen des Bundestages geführt worden ist, das Bewußtsein für ein Problem schafft und damit hoffentlich auch Veränderungen bewirkt.
Zu warnen ist vor der Überschätzung. Dies gilt auch für die Forderung nach Quoten. Auf den ersten Blick scheint es für viele der einzige Weg zu sein, durch Quotierungen Veränderungen zu erzwingen, nachdem Förderungen jahrzehntelang kaum Veränderungen gebracht haben. Ich meine aber, daß Quotierungen durchaus auch problematische Auswirkungen haben können, indem sie nämlich genau das fördern, was sie eigentlich abbauen wollen. Frauen, die ihren Arbeitsplatz durch Quotierung erhalten haben, können als „Quotenfrauen" abgestempelt werden und sind so ständig dem Verdacht ausgesetzt, nicht ausreichend qualifiziert zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es wird vielfach vergessen, daß sie nur deshalb eine „Quotenfrau" geworden sind, weil sie zumindest genauso qualifiziert waren wie der männliche Mitbewerber. Hinzu kommt, daß starre Quoten nicht zur Bewußtseinsveränderung, sondern oftmals zur Verfestigung von Vorurteilen beitragen. Wenn ein Arbeitgeber keine Frauen einstellen will, so wird er immer alles daransetzen, zu beweisen, daß die Frau eben nicht gleich qualifiziert ist. Nach meinen Erfahrungen sollte man sich in dieser Frage nichts vormachen. Was Qualifikation ist, ist doch so wenig eindeutig bestimmt, daß ich mir keinen einzigen Personalchef vorstellen kann, der — jedenfalls dann, wenn er es will — nicht schlüssig und überzeugend beweisen könnte, daß die Frau die schlechter Qualifizierte ist.



Bundesminister Frau Dr. Süssmuth
Diejenigen, die für eine Quotierung sind, schaffen oftmals politische Erfolge auf dem Papier; in der Realität bleibt meistens alles beim alten.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Das bestätigen Erfahrungen aus dem Ausland in großer Zahl. Auch mit der Quotierung auf dem Papier ist nichts über die Umsetzung gesagt. Da kann die Quotierung so gut und so schlecht sein wie jede unpräzise Frauenförderungsrichtlinie.
Wichtig ist daher, unablässig auf Einstellung und Verhalten in den Behörden einzuwirken. Die Bundesregierung hat für ihren eigenen Verantwortungsbereich daher gestern im Kabinett die Richtlinie zur beruflichen Förderung verabschiedet. Sie soll am 1. März dieses Jahres in Kraft treten. Die Richtlinie verpflichtet die Personalverwaltungen, sich bei Entscheidungen über Einstellung und Beförderung den Belangen der Frauen verstärkt zu widmen. Dadurch wird der Prozeß der Bewußtseinsänderung in der Verwaltung, der bereits in den letzten Jahren zweifellos eine positive Entwicklung genommen hat, nachhaltig unterstützt.
Dies kann ich für meinen eigenen Geschäftsbereich bereits feststellen. Die im Frühjahr letzten Jahres im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit beschlossene Leitlinie zur beruflichen Förderung von Frauen hat bewirkt, daß ihr Anteil unter den neu Eingestellten zur Zeit bei fast 70% liegt, auch im gehobenen und höheren Dienst.

(Beifall bei der CDU/CSU — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Teilzeitarbeit eingeschlossen? — Zuruf der Abg. Frau Steinhauer [SPD])

— Bei uns im eigenen Hause haben wir wenig Teilzeitarbeit. Das werden Sie der Zahl von drei bis vier Stellen entnehmen.
Wir werden wie auch schon in der Vergangenheit die Entwicklung sehr genau beobachten. Wir werden in regelmäßigem Abstand Berichte darüber erstellen, welche Verbesserungen sich für die Frauen im öffentlichen Dienst ergeben haben.
Der Umsetzung der Richtlinie kommt entscheidende Bedeutung zu. Diese Umsetzung bezieht sich auf alle ihre Punkte: die Ausschreibung, die Einstellung, die Beförderung, die Weiterbildung und die Wiedereingliederung. Insofern sind die Berichte nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Berichte.
Wir werden zu prüfen haben, was in drei Jahren bewirkt worden ist. Wenn dies nicht ausreicht, muß die Richtlinie erweitert und verbessert werden. Ich gehe davon aus, daß die Richtlinie mit ihrer Berichtspflicht dazu führt, daß die Berichte im Parlament diskutiert werden und die Auseinandersetzung um die Verbesserung der Frauenförderung hier im Parlament erfolgt und die Bundesregierung die kritischen Fragen offen beantwortet und es an der Förderung nicht fehlen läßt.
Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019829300
Das Wort hat der Abgeordnete Schröer (Mülheim).

Thomas Schröer (SPD):
Rede ID: ID1019829400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Minister, vieles von dem, was Sie hier vorgetragen haben, erscheint mir sehr bedenkenswert. Es kam mir auch bekannt vor, weil es in ähnlicher Weise bei uns seit vielen Jahren so oder ähnlich diskutiert worden ist.
Meine Bitte an Sie ist nur, daß Sie Ihre Überlegungen auch Ihrem Kollegen, Herrn Innenminister Dr. Zimmermann, und Ihrem Nachbarn auf der Regierungsbank, Herrn Staatssekretär Waffenschmidt, einmal zur Lektüre geben. Herr Waffenschmidt ging eben etwas spazieren; er hat nicht alles mitbekommen. Es wäre gut, wenn er es nachlesen könnte, weil es für die Entscheidungen des Innenministeriums hilfreich wäre, wenn das, was Sie gesagt haben, auch dort Beachtung fände.

(Beifall bei der SPD)

Aber nun muß ich ein Wort zu Ihnen sagen, Herr Waffenschmidt. Sie sind für mich ein Phänomen,

(Heiterkeit bei der SPD und den GRÜNEN — Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

ein Phänomen deshalb: Wenn niemanden draußen in der Bevölkerung die „Optimismuskampagne" der Bundesregierung überzeugt, so leuchtet sie aus Ihnen geradezu heraus. Unter Ihren Händen wird alles bonbonfarben. Sie schaffen es, Probleme einfach zu übertünchen, wegzumalen. So brüsten Sie sich damit, daß der Beschäftigtenanteil der Frauen im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren zugenommen habe. Das stimmt sogar. Das bestreite ich nicht. Nur, was Sie verschweigen, ist: Bei diesen Neueinstellungen handelt es sich weit überwiegend um befristete Verträge bzw. Teilzeitverträge, und zwar zum Teil, sogar zum großen Teil, um Verträge ohne Sozialversicherungspflicht. Dieses Unwesen der 400-DM-Verträge treibt unter Ihrer Regierung wirklich Blüten. So etwas hat es früher nicht gegeben. Das haben erst Sie mit dieser Regierung eingeführt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Leider wahr!)

Die Zahl der vollbeschäftigten Frauen dagegen ist seit 1980 drastisch zurückgegangen. Deshalb können Sie so schön malen, wie Sie wollen, Tatsache ist: Die Situation der Frauen im öffentlichen Dienst hat sich seit 1980 deutlich verschlechtert.
Wahr ist auch: In der Upper-class der öffentlich Bediensteten sind die Männer unter sich. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Nur 2 % der leitenden Positionen der Bundesbehörden werden von Frauen besetzt. Konkret heißt dies: Unter 133 Abteilungsleitern finden sich 2 Frauen; unter 250 Unterabteilungsleitern 7; 518 Männer dürfen sich „Leitender Regierungsdirektor" nennen, aber nur 23 Frauen. Das ist die Realität.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nennen Sie mal die Zahlen von 1982!)

— Die können Sie gerne nachschauen. Sie werden
feststellen: Es war damals nicht viel besser. Aber es



Schröer (Mülheim)

ist seither nicht besser geworden, wie Herr Waffenschmidt behauptet.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Schlechter!)

Es ist heute so: In der Beletage des öffentlichen Dienstes residieren die Männer. Die Frauen stellen das Fußvolk.
Mit diesem Kastensystem muß endlich Schluß sein,

(Beifall bei der SPD)

nicht nur, weil dieses Kastensystem unsozial, ungerecht, verfassungswidrig ist, sondern auch deswegen, weil sich die Frauen selber diese Form von Diskriminierung nicht mehr gefallen lassen.

(Frau Steinhauer [SPD]: Sehr gut!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, auf Ihrem Essener Parteitag konnte man den Eindruck gewinnen, daß auch Ihnen langsam, aber doch deutlich, diese Einsicht dämmert.

(Boroffka [CDU/CSU]: Waren Sie da?) — Ich hab's nachgelesen.


(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Aber es paßt Ihnen nicht!)

Aber was gilt eigentlich noch von dem, was Sie damals beschlossen und damit auch versprochen haben?

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Alles!)

Mich irritiert: Wenn ich im Innenausschuß Beschlüsse Ihres Essener Parteitags zitiere, dann sitzen mir lauter Kollegen gegenüber, die ein verlegenes Lächeln auf den Lippen haben

(Zuruf der Abg. Frau Hürland [CDU/ CSU])

und anfangen, verständnisheischend mit den Augen zu zwinkern —

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Womit denn sonst?)

nach dem Motto: Nun nimm das doch nicht alles so genau:

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das hört auch bald auf!)

Offensichtlich ist es wohl so: In Essen haben Sie sich aus dem Fenster herausgelehnt; in Bonn haben Sie die Fensterläden wieder zugeklappt. Das ist die Wirklichkeit.

(Beifall der Abg. Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD])

Wie anders ist es zu erklären, daß Sie unseren Antrag für Frauenförderrichtlinien — daß Sie die haben wollen, haben Sie auf Ihrem Parteitag beschlossen — ablehnen? Und wie anders ist es zu erklären, daß Sie sich in Appelle flüchten, wo doch konkretes Handeln gefordert ist?
Also, ich kann nur sagen: Der vom Bundesinnenminister vorgelegte Entwurf kann von den betroffenen Frauen nur als Brüskierung empfunden werden.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: So ist es!)

Denn er verpflichtet niemanden zu irgend etwas. Sein Tenor ist nur eines: Seid doch bitte nett zu den Frauen!

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Das ist doch schon etwas! — Frau Pack [CDU/CSU] und Frau Karwatzki [CDU/CSU]: Das ist doch schon was!)

— Sehen Sie: Das sind die typischen Zurufe. Immer, wenn frauenpolitische Fragen kommen, kommt bei den Männern in diesem Haus Heiterkeit auf. Das ist ganz typisch.

(Beifall bei der SPD — Frau Pack [CDU/ CSU]: Erheiternd sind Sie!)

So viele Heiterkeitserfolge wie bei frauenpolitischen Themen gibt es bei keinem anderen Thema im deutschen Bundestag.

(Frau Hürland [CDU/CSU]: Doch, wenn Sie reden!)

Ich empfehle Ihnen — um vielleicht etwas zu Ihrer Heiterkeit oder auch einmal zu Ihrer Nachdenklichkeit beizutragen — dringend die Lektüre des Berichts des Innenausschusses auf Drucksache 10/5026. Lesen Sie einmal die paar Sätze der Stellungnahme der CDU/CSU-Fraktion zu unserem Antrag. Dann können Sie die Unionswirklichkeit mit Händen greifen. Es heißt dort nämlich:
Seitens der Fraktion der CDU/CSU wurde erklärt, ... eine Frau dürfe nicht bevorzugt werden, nur weil sie eine Frau sei.
Meine Frage ist: Kann mir irgend jemand von Ihnen eine Drucksache des Deutschen Bundestages zeigen, in der der Satz zu finden ist, „ein Mann dürfe nicht bevorzugt werden, nur weil er ein Mann sei"?

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist aber auch richtig! In dem nächsten Protokoll des Bundestages wird es stehen, weil Sie es jetzt gesagt haben! Sie hätten es früher sagen sollen!)

Ich habe gesucht, aber nichts gefunden. Vielleicht kennen Sie eine solche Drucksache.
Es heißt weiter — jetzt wird es noch schöner:
Was Fortbildungsmaßnahmen angehe, so wolle man keiner Frau vorschreiben, sich fortbilden zu müssen. Sie solle sich bewerben können.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Dürfen!)

Das gleiche gelte für das Angebot der Teilzeitbeschäftigung.
Das sage ich — ich bin von Hause aus zufällig Germanist —: Wie verräterisch können doch Hilfsverben sein! Sie sollen sich bewerben können.

(Zuruf von der CDU/CSU: Germanist? Das hört man!)




Schröer (Mülheim)

Das ist wirklich großherzig. Ich bin sicher, die Frauen werden sich für diese Großherzigkeit zu bedanken wissen.
Ich stimme der ÖTV zu, wenn sie den Entwurf des Bundesinnenministers mit den Worten „Hinhaltetaktik und Augenwischerei" kennzeichnet.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Waffenschmidt hört schon wieder nicht zu!)

Er hat tatsächlich nur Alibifunktion. Man beschließt ein Papier, aber es ändert sich nichts.

(Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: So ist es! Das ist auch beabsichtigt!)

In der Beletage bleibt es beim „Gruppenbild mit Dame", — falls eine solche Dame zufällig vorhanden ist.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Besser in der Beletage als im Personalrat der Deutschen Bundesbahn!)

Wir unterstützen jeden — auch auf Ihrer Seite —, der mehr Gerechtigkeit, mehr Chancen für Frauen einfordert. Aber Realität ist nun einmal: Jetzt liegt dieser Entwurf von Minister Zimmermann vor. Er soll zum 1. März 1986, also in neun Tagen, in Kraft treten.
Da muß ich Sie erstens fragen: Ist dieser Richtlinienentwurf mit dem Personalrat abgeklärt worden?
Zweitens. Bleibt es dabei, daß die Anregungen, die in den Beratungen des Innenausschusses zu diesem Entwurf gegeben worden sind, von der Bundesregierung bei der endgültigen Beschlußfassung über die Richtlinien noch einmal geprüft werden — jetzt wohl: worden sind, und, wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Drittens. Was bleibt, nachdem Sie gestern schon beschlossen haben, von Ihrer Zusage, daß die Richtlinie vor der endgültigen Verabschiedung im Innenausschuß noch einmal beraten werden solle?

(Frau Steinhauer [SPD]: So ist das!)

Viertens. Sieht die Richtlinie vor — wie im Innenausschuß andiskutiert —, daß statt einer dreijährigen Berichtspflicht eine zweijährige vorzusehen sei, und zwar nicht nur gegenüber dem Innenausschuß, sondern gegenüber dem Deutschen Bundestag, gegenüber diesem Hause?
Ich wäre dankbar, wenn wir auf diese konkreten Fragen im Laufe dieser Debatte noch konkrete Antworten bekämen.
Letzter Punkt: Wer sich wirklich für die Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst interessiert, der sollte einmal das Gespräch mit den Gleichstellungsbeauftragten in den einzelnen Kommunen suchen. Hessen hat hier den Vorreiter gemacht, und NRW ist dem nachgefolgt. Fahren Sie einmal nach Kassel, oder — bitte, Sie sind herzlich eingeladen — kommen Sie einmal in meine Heimatstadt Mülheim/Ruhr und reden Sie mit unserer Gleichstellungsbeauftragten.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Wie viele weibliche Beigeordnete gibt es denn bei Ihnen in der Stadt?)

— Da ist keine Beigeordnete.

(Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Hüsch [CDU/ CSU])

— Natürlich, aber nun einmal langsam, langsam.
Unsere Gemeinden — das werden Sie dann merken — haben Erfahrung bei der Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst, die sich der Bund zunutze machen sollte. Wir haben das mit unserem Antrag getan.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Der Entwurf des Bundesinnenministers bleibt dagegen hinter dem Notwendigsten zurück.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Warum antworten Sie denn nicht?)

Es wäre gut, wenn Sie ihn überdächten;

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Wie viele weibliche Beigeordnete haben Sie in Ihrer Heimatstadt?)

denn — da erinnern Sie sich noch einmal an Essen — das sollten Sie wissen: Die Geduld der Frauen ist zu Ende. Und ungeduldige Frauen können sehr ungemütlich werden, ungemütlich vor allem für Regierende.

(Beifall bei der SPD — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Denen geht es um ihre Gemütlichkeit!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019829500
Das Wort hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.

Dr. Christian Schwarz-Schilling (CDU):
Rede ID: ID1019829600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, Herr Kollege Schröer, bei der Bundespost stehen die Fenster vor dem Essener Parteitag und auch nach dem Essener Parteitag weit offen.
Um gleich auf den wichtigen Punkt zu kommen, der hier angesprochen worden ist: Wir sind uns alle darüber klar — ich glaube, darüber gibt es gar keinen Dissens —, daß bei der Ausbildung der jungen Frauen auch bei der Deutschen Bundespost etwas getan werden muß. Aber über den Weg dazu gibt es einen Dissens. Meine Vorgänger Gscheidle und Matthöfer haben zwar einen Weg über das Berufsausbildungsgesetz in Aussicht gestellt, konnten ihn allerdings nicht realisieren, weil die Rechtsbedenken aus dem Hause des Bundesinnenministers auch damals nicht aus dem Wege geräumt werden konnten und bedacht werden mußten. Die Rechtsprüfungen durch den Bundesinnenminister und uns im Jahre 1983 haben ergeben, daß eine Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz insbesondere wegen des Funktionsvorbehalts des Art. 33 Abs. 4 des Grundgesetzes rechtlich nicht zulässig ist. Denn der betroffene Personenkreis ist hoheitlich tätig. Da die



Bundesminister Dr. Schwarz-Schilling
Ausbildung andererseits, nicht so wie bisher üblich weiter bestehenbleiben kann, muß es deshalb eine neue Regelung im Rahmen eines beamtenrechtlich geregelten Vorbereitungsdienstes geben.
Auf Grund der gestiegenen Anforderungen im Post- und Fernmeldebereich und im Interesse der Mobilität der betroffenen Kräfte — auch außerhalb der Deutschen Bundespost — wird vorgesehen, die neuen Ausbildungsinhalte im Rahmen eines beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienstes zu vermitteln. Wir orientieren uns hierbei an dem Berufsbild des Verwaltungsfachangestellten. Das Ziel ist auch die Gleichstellung der Zeugnisse über die Laufbahnprüfungen mit den Zeugnissen über das Bestehen der Abschlußprüfung im Ausbildungsberuf Verwaltungsfachangestellter nach dem Berufsbildungsgesetz. Die Gleichstellung setzt eine insgesamt dreijährige Ausbildung voraus. Bewerberinnen und Bewerber mit Realschulabschluß werden nach erfolgreichem Abschluß des Berufsgrundbildungsjahres im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung in den beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienst eingestellt, und zwar als Post- oder Fernmeldeassistentenanwärter.
Aufbauend auf dem Berufsgrundbildungsjahr werden im ersten Jahr des Vorbereitungsdienstes Lerninhalte des Verwaltungsfachangestellten vermittelt. Die Anwärter besuchen in diesem ersten Jahr wöchentlich an zwei Tagen die Berufsschule. Am Ende des Jahres findet eine Zwischenprüfung statt. Im zweiten Jahr des Vorbereitungsdienstes, in dem kein Berufsschulunterricht mehr stattfindet, werden die speziell für die jeweilige Laufbahn notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt. Die Ausbildung schließt mit der Laufbahnprüfung ab. In das Ergebnis fließen die Abschlußergebnisse der Berufsschule, soweit sie für den Ausbildungsgang von Bedeutung sind, ein.
Die Arbeiten an den neuen Ausbildungsregelungen sind weit fortgeschritten. Nach Zustimmung weiterer Beteiligter — nämlich des Bundesinnenministers, der zuständig ist für die Rechtsverordnung zur Gleichstellung der Zeugnisse gemäß § 43 des Berufsbildungsgesetzes und des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung — wird nun der Bundesrat um Zustimmung gebeten werden.
Meine Damen und Herren, ich möchte wirklich einmal darauf hinweisen: Jeder, der weiß, wie schwierig die Abgleichung zwischen den Fragen des Bundes und der Länder ist und wie langwierig diese Dinge sind, der sollte uns vor allen Dingen dabei helfen, daß uns die Länder in diesem Punkt nunmehr schnell zur Hilfe kommen und der Bundesrat die entsprechenden Beschlüsse fassen kann. Um so schneller werden wir in der Lage sein, nach der neuen Konzeption auszubilden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir könnten dann 1986/87 mit der Bewerberauswahl starten. Die dabei ausgewählten Bewerberinnen können nach den Sommerferien 1987 mit dem Berufsgrundbildungsjahr und ein Jahr später mit dem Vorbereitungsdienst bei der Deutschen Bundespost beginnen.
Die Realisierung dieses Konzepts — meine Damen und Herren, das muß man einmal sehen; da können wir uns mit der Gewerkschaft nicht in Übereinstimmung bringen lassen — bringt den betroffenen Nachwuchskräften nämlich Mobilität sowohl innerhalb der Bundespost — für die hoheitlichen Funktionen — als auch außerhalb der Bundespost. Das ist genau im Sinne der jungen Menschen, die eine größere Wahlmöglichkeit haben wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich werde den Eindruck nicht los, daß die dezidierte Ablehnung dieses Weges seitens der Gewerkschaft damit zusammenhängen könnte, daß unter Umständen das Streikpotential etwas reduziert werden könnte, weil dann wiederum mehr Beamte und Beamtinnen da sind. Aber das ist ja wohl nicht der wirkliche Angelpunkt der Fragen, über die wir hier sprechen.

(Frau Steinhauer [SPD]: Aber für Sie!)

Meine Damen und Herren, die von uns vorgesehene Neuordnung verbessert die Situation der jungen Frauen, stärkt die Funktionsfähigkeit der Bundespost

(Frau Steinhauer [SPD]: So viele Hoheitsaufgaben gibt es gar nicht!)

und hilft auch den Ländern, weil dort zusätzliche Berufsschullehrer beschäftigt werden können. Insofern sollten hier auch die Länder in ihrem eigenen Interesse sehr zügig handeln. Schließlich werden auch für die Dauer von drei Jahren, beginnend 1987, jährlich etwa 1 500 bis 2 000 Ausbildungsplätze zusätzlich zur Verfügung gestellt, die dadurch entstehen, daß aus Personalbedarfsgründen übergangsweise parallel nach altem und nach neuem Recht ausgebildet wird.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zum Schluß machen. Daß wir hier wirklich nicht nur Lippenbekenntnisse ablegen, sondern uns sehr redlich bemühen, den Erfordernissen zu entsprechen, geht aus einigen Zahlen hervor, die ich Ihnen nennen möchte. Die Deutsche Bundespost war es, die im August 1984 auf ihre Initiative hin durchgesetzt hat, daß für Beamte und Beamtinnen die Möglichkeit der Teilzeitarbeit erweitert worden ist. Dabei können beachtliche Erfolge im Interesse der Frauen nachgewiesen werden. Es ist ein ganz wichtiger Punkt, gerade Teilzeitarbeitsplätze auf diese Weise auszuweiten. Diese Bundesregierung war es auch, die die Dauer der Beurlaubung der Frauen vom Dienst von sechs auf neun Jahre ausgedehnt hat, was insbesondere im Hinblick auf die Pflichten in der Familie von ganz besonderer Bedeutung ist.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Das hat die SPD noch nicht gemerkt!)

In der wahrlich kurzen Zeit von drei Jahren haben wir für die jungen Frauen die Türen zu den technischen Berufen zusätzlich weit geöffnet. Während es zum Beispiel 1982 nur 650 Fernmeldehandwerkerinnen gegeben hat, waren es 1985 mit rund 1 100 fast doppelt so viele. Die Zahl der weiblichen



Bundesminister Dr. Schwarz-Schilling
Führungskräfte hat sich in dieser Zeit immerhin auch von 830 auf 980 erhöht.
Hier wurde auch der Gesichtspunkt der Rationalisierung angesprochen. Durch den Rationalisierungsschutz haben wir alle Vorkehrungen dafür getroffen, daß die Zahl der Frauenarbeitsplätze durch Rationalisierung nicht reduziert wird.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

Wir haben in der Vergangenheit — das wird uns ja immer vorgeworfen — sehr viel rationalisiert. Aber wie sieht es denn in Wirklichkeit aus? In den Ausbildungsberufen der Deutschen Bundespost haben wir folgende Anteile der Frauen: Im Vorbereitungsdienst lag im Jahre 1985 der Anteil der Frauen bei 42,8 %; 1976 waren es noch 10 %! Bei der Ausbildung von Fernmeldehandwerkerinnen lag der Anteil 1985 bei 7,5 %; 1976 waren es 1,2 %. Ausbildung der Postjungbotinnen und Dienstleistungsfachkräfte: im Jahre 1985 ein Frauenanteil von 39 %; 1976 waren es 11%.
Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, hat der Nachwuchs einen ganz gewaltigen Schub genommen. Das gilt aber auch für die Beschäftigten insgesamt. Wir beschäftigen bei der Deutschen Bundespost heute 192 681 Frauen; das ist ein Anteil von 35,2 %. Ich möchte Ihnen dazu sagen: 1985 haben wir gegenüber 1984 3 436 Frauen mehr eingestellt, und zwar gegenüber 1 000 Männern in der gleichen Zeit. Das heißt, in diesem Jahr sind dreimal so viele Frauen eingestellt worden, wie Männer neu eingestellt worden sind.

(Frau Steinhauer [SPD]: Teilzeit!)

Insofern stimmt es auch nicht, wenn gesagt wird, daß durch die Rationalisierung die Zahl der Frauenarbeitsplätze reduziert worden ist. Im Gegenteil, wir haben mehr Frauen beschäftigt als je zuvor.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte auch sagen — es ist j a sehr verdienstvoll, daß uns die SPD durch ihre Große Anfrage die Möglichkeit gibt, das hier auch einmal darzustellen. Sie fordern den Bundespostminister auf, durch eine aktive Unternehmenspolitik die Arbeitsplätze für Frauen bei der Bundespost zu erhalten. Nein, wir sind darüber hinausgegangen, wir haben sie nicht nur erhalten, sondern vermehrt. Also insofern, glaube ich, ist diesem Anliegen in entsprechender Weise Rechnung getragen worden.
Unsere Bilanz kann sich auch in diesem Bereich wahrhaftig sehen lassen, zumal nicht unbekannt ist, daß die Post als der größte Ausbilder im Bundesbereich mit 18 298 Ausbildungsplätzen im Jahre 1986 fast 50 % aller Ausbildungsplätze des öffentlichen Dienstes zur Verfügung stellt. Wir werden uns bemühen, die Anteile für Frauen weiter zu erhöhen. Wenn wir diese Schritte weitergehen, werden wir in einigen Jahren noch bessere Erfolge zeigen können.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1019829700
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Steinhauer.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1019829800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Auch die schönen Worte des Herrn Bundespostministers können nicht darüber hinwegtäuschen, daß hier die Dinge nur mit Halbherzigkeit in Angriff genommen werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir beraten heute eine Beschlußempfehlung der Mehrheitskoalition. Sie lehnt es ab, daß die Ausbildungs- und Berufschancen für Mädchen bei der Deutschen Bundespost verbessert werden.
Was will die Koalition? Sie will die 27wöchige Anlernausbildung im mittleren nichttechnischen Postdienst in eine Ausbildung auf der Grundlage des Beamtenrechts umwandeln. Das ist uns ja eben schon mehrfach geschildert worden. Wir — die SPD-Fraktion — wollen eine anerkannte Ausbildung nach dem Berufsausbildungsgesetz als Verwaltungsangestellte bzw. Verwaltungsangestellter.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das geht doch nicht!)

— Das geht wohl.
Abgelehnt wird durch die Vorstellung der Bundesregierung die Schaffung qualifizierter Ausbildungs- und Arbeitsplätze mit realistischen Zukunftschancen in erster Linie für arbeitsuchende junge Frauen. Gerade sie sind ja die Stiefkinder auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Nach amtlichen Daten der Bundesanstalt für Arbeit sind ca. zwei Drittel aller noch nicht vermittelten Bewerber um Ausbildungsstellen junge Frauen, obwohl diese über eine zumindest gleiche schulische Ausbildung verfügen wie die jungen Männer.
Insbesondere betroffen von der Arbeits- und Ausbildungsmarktsituation sind also junge Menschen unter 20 Jahren. Im Januar 1986 waren dies 167200. Davon waren 85 300 Frauen. Das widerspricht nicht dem, was ich vorhin zu dem Ausbildungsstellenmarkt gesagt habe. Angesichts dieser Situation würde dem öffentlich-rechtlichen Unternehmen Deutsche Bundespost mit seiner gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung eine Signalfunktion zukommen.

(Beifall bei der SPD)

Das wollen die konservative Bundesregierung und die politische Mehrheit in diesem Parlament verhindern, indem sie eine Umgestaltung der Kurzausbildung in eine ordentliche Verwaltungsfachangestelltenausbildung nicht zulassen wollen. Die Politik der Deutschen Bundespost opfert die Interessen junger Frauen, um ihre Verbeamtungspolitik hier wie in allen anderen Bereichen des Unternehmens weiter konsequent durchzusetzen.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist ja boshaft, was Sie da sagen!)

Letztes Ziel dabei ist, die Beschäftigten zu disziplinieren und die Rechte der Gewerkschaften auszuhöhlen.

(Vorsitz: Vizepräsident Stücklen)




Frau Steinhauer
Wir werden uns auch hier mit aller Kraft gegen solche Mittel wehren.
Besonders betroffen sind bei der Deutschen Bundespost u. a. die Arbeitsbereiche Fernsprechauskunftsdienst und die Postgiro- und Postsparkassenämter, in denen die umfangreichsten Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt werden.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Wer hat die denn eingeleitet?)

Wo bleiben die künftigen, im nichttechnischen Postdienst ausgebildeten Beamtinnen, wenn rationalisiert wird? Dieses Problem kann doch nur dadurch gelöst werden, daß man von vornherein noch weniger junge Frauen ausbildet, d. h. den Rationalisierungsausfall von vornherein in die Einstellungspolitik mit einkalkuliert.

(Zuruf des Abg. Pfeffermann [CDU/CSU])

Bereits jetzt sind nach zuverlässigen Angaben über 2 000 Posten im mittleren nichttechnischen Fernmeldedienst nicht besetzt. Diese Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten werden schon jetzt den Mädchen und jungen Frauen vorenthalten. Aber nicht genug damit. Nach mir soeben zugegangenen Informationen der Deutschen Bundespost wird beabsichtigt, durch zentrale Maßnahmen allein im Postgirodienst in den Jahren von 1987 bis 1990 ca. 3 500 Arbeitsplätze für Frauen im sogenannten BPw-Bereich zu vernichten — das heißt: für weibliche Kräfte. Ausgetragen wird diese Sparpolitik sowohl auf dem Rücken der Arbeitsuchenden als auch auf dem Rücken der Arbeitsplatzinhaber, die einer ständigen Rationalisierung unterliegen.
Im übrigen, meine Herren und Damen: 1984 gab es bei der Bundespost in erheblichem Umfang Überstunden, nämlich — man muß sich das auf der Zunge zergehen lassen — 11 Millionen. Durch ihren Abbau könnten 4 000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Das hat die SPD bereits im vorigen Sommer gefordert. Damit wäre einigen tausend der etwa 1 Million arbeitsloser Frauen geholfen.
So wie die Bundespost auf eine Verbeamtungspolitik setzt, verfolgt sie offensichtlich auch weiter das Ziel, Vollarbeitsplätze abzubauen. Darüber täuschen dann auch ihre angeblich so hohen Einstellungszahlen nicht hinweg. Das waren vor allem Teilzeitarbeitsverhältnisse mit einer Beschäftigung von unter 20 Wochenstunden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019829900
Frau Abgeordnete Steinhauer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pfeffermann?

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1019830000
Nein, der Herr Pfeffermann macht schon genügend Zwischenrufe. Da braucht er nicht noch zu fragen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Schon heute beschäftigt die Deutsche Bundespost fast jede zweite Frau in Teilzeitarbeit. Das gilt vor allem für Angestellte und Arbeiterinnen, aber auch der Anteil der Beamtinnen mit Teilzeitbeschäftigung nimmt zu. Die Deutsche Bundespost verhält sich somit nicht anders als Privatunternehmer. Die Stammbelegschaft, überwiegend männlich, wird immer kleiner, die flexibel einsetzbare Randbelegschaft, überwiegend Frauen, wird immer größer. Ihnen werden immer öfter Teilzeitarbeitsverhältnisse unter 20 Wochenstunden, die keinen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schutz bieten, angeboten. Bereits jetzt arbeiten bei der Post ca. 19 % aller teilzeitbeschäftigten Angestellten unter 15 und ca. 30 % aller teilzeitbeschäftigten Angestellten unter 20 Wochenstunden.
Wenn die Bundesregierung mit ihrem Beschäftigungsförderungsgesetz die beruflichen Perspektiven der Frauen fördern will, ist die Bundespost hier eher ein negatives Beispiel.
Daß Kurzausbildungen im übrigen häufig in Arbeitslosigkeit münden, ist der Bundesregierung bekannt; denn bereits in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage zur Ausbildungssituation von jungen Frauen bei der Bundespost hat sie 1984 zugegeben, daß eine Ersetzung der Kursausbildung durch eine Vollausbildung sowohl wegen der längeren Dauer als auch wegen der dann vermittelbaren breiteren Kenntnisse das Ausbildungsplatzangebot für Frauen verbessern würde. Sie hat j a auch anerkannt, daß dadurch die beruflichen Chancen steigen und die beruftliche Wiedereingliederung auch außerhalb der Bundespost erleichtert wird.
Aber die Beamtenlösung, die von der Bundespost bevorzugt und von den Regierungsparteien ausdrücklich begrüßt wird, ist halbherzig und unzureichend.

(Frau Matthäus-Maier [SPD]: Genau!)

Einerseits soll die neu zu konstruierende Ausbildung im mittleren nichttechnischen Dienst an das Berufsbild der Verwaltungsangestellten angepaßt und die Laufbahnprüfung zum Verwaltungsfachangestellten dieser Prüfung gleichgestellt werden, andererseits geht die Beamtenlösung am Ziel des SPD-Antrages vorbei. Ziel war es, mit einer Umgestaltung der Ausbildung zugleich die Voraussetzungen für eine qualifizierte Ausbildung über den Bedarf hinaus zu schaffen, um dadurch die volle Ausnutzung aller Ausbildungskapazitäten zu ermöglichen. Die Notwendigkeit, daß die Ausbildung in diesem Bereich auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nach den Bestimmungen des Beamtenrechts geschehen müsse, wird von uns nicht gesehen. Das gilt im übrigen auch für andere Fälle in weitaus sicherheitsrelevanteren Bereichen, z. B. bei Fernmeldehandwerkern.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Warum hat es dann der frühere Postminister nicht gelöst?)

Die SPD hält nach wie vor an einer am Berufsbildungsgesetz orientierten Ausbildung dergestalt fest. Sie ist für unsere Begriffe sinnvoller. Sie sichert eine breit angelegte berufliche Grundbildung, eine Anerkennung der Ausbildung außerhalb der Post, größere Mobilität und größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, begründet einen sozialversicherungsrechtlichen Schutz einschließlich der Ansprüche auf Umschulungs- oder Förderungsmaßnahmen durch die Bundesanstalt für Arbeit, eine Zugangschance nicht nur für Realschüler und -schülerinnen,



Frau Steinhauer
sondern auch für Hauptschüler und -schülerinnen. Auch später sichert sie eine vernünftige berufliche Eingliederung.
Die Bundesregierung beweist wieder einmal, daß ihr die Interessenlage der Beschäftigten und hier insbesondere der Frauen weitestgehend egal ist.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)

Wenn ihr die berufliche Förderung von Frauen ein ernstes Anliegen wäre, hätte sie diesen Schritt zu ordnungsgemäß breit angelegter Verwaltungsfachangestellten-Ausbildung gehen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich zum Schluß noch einen Hinweis weitergeben, den ich kurz vor dieser Beratung bekommen habe und der die Verhaltensweise der Bundesregierung in der hier besprochenen Thematik besser charakterisiert als viele Worte.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Der ist genauso falsch wie Ihre anderen Informationen!)

— Sie wissen noch gar nicht, was ich sage. — Der Herr Bundespostminister hat das ja nur so verbrämt gebracht, indem er sagte: 1987 fangen wir an. Es ist nämlich so: Die Deutsche Bundespost hat die von ihr betriebene Ausbildung für den mittleren technischen Postdienst nach dem Beamtenrecht offensichtlich auf Grund der Bedenken anderer Bundesressorts für 1986 schon aufgegeben.

(Beifall bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019830100
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Punkt 4a der Tagesordnung. Der Innenausschuß empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/4729, den Entschließungsantrag auf Drucksache 10/2842 für erledigt zu erklären. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen und Gegenstimmen ist diese Beschlußempfehlung mit Mehrheit angenommen.
Wir stimmen über Punkt 4b der Tagesordnung ab, die Beschlußempfehlung des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen. Der Ausschuß empfiehlt in seiner Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/4554 unter Nr. 1, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/1428 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit ist diese Beschlußempfehlung angenommen.
Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 10/4554 unter Nr. 2 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer größeren Zahl von Enthaltungen ist diese Entschließung mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Innenausschusses auf
Drucksache 10/5026. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/3055 abzulehnen. Wer dieser Beschlußempfehlung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit ist diese Beschlußempfehlung angenommen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Volmer, Frau Eid, Auhagen und der Fraktion DIE GRÜNEN
Lieferbindung und Mischfinanzierung in der bundesdeutschen Entwicklungshilfe
— Drucksachen 10/3643, 10/4602 —
Hierzu liegen Entschließungsanträge der Abgeordneten Volmer, Frau Eid, Auhagen und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5048 und der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5073 vor.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für jede Fraktion ein Beitrag von je fünf Minuten vereinbart worden. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Volmer. — Bitte sehr.

Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1019830200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir behandeln heute einen Gegenstand, der in den letzten zwei Jahren ins Kreuzfeuer der entwicklungspolitischen Debatte geraten ist und in der entwicklungspolitischen Teilöffentlichkeit immer größere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es geht um die Mischfinanzierung und Lieferbindung bei der Entwicklungshilfe, die der Bevölkerung gegenüber mit dem Argument verkauft wird, damit sei ein positiver Beschäftigungseffekt für den bundesdeutschen Arbeitsmarkt verbunden.
Diese Argumentation ist nicht neu. Sie ist vor vielen Jahren schon von Egon Bahr entwickelt worden, der meinte, er müßte dem sogenannten „spinnerten" Vorgänger Eppler eine realistische Entwicklungspolitik entgegensetzen, die auch für das hiesige Wirtschaftssystem Bedeutung hätte.
Minister Offergeld hat diese Maßnahmen ausgeweitet; er hat die Gleichrangigkeit der Wirksamkeit von Entwicklungshilfe für die Geber- und Nehmerländer propagiert, um damit seiner sozialdemokratischen Klientel klarzumachen, daß Entwicklungshilfe notwendig sei.
Dieser Ansatz wurde weiter pervertiert durch Minister Warnke, der im Kern die Entwicklungshilfe nur noch als Subventionsmittel für die Exportindustrie nutzt, wobei entwicklungspolitische Kriterien lediglich noch als Entwicklungsvorbehalt vorkommen.
Wir haben in unserer Großen Anfrage nachgefragt, ob die Bundesregierung wirklich Belege dafür hat, daß positive Arbeitsplatzeffekte für die Bundesrepublik eintreten. Die Bundesregierung konnte



Volmer
nicht eine einzige Zahl nennen; sie konnte nicht ein einziges Argument bringen — außer vagen Spekulationen.
Zudem ist nachgewiesen, daß die Beschäftigungswirksamkeit für die jeweiligen Empfängerländer durchaus negativ ist. Wenn High-Tech-Projekte irgendwo in der Dritten Welt plaziert werden, heißt es gewöhnlich, daß die Subsistenzwirtschaft und die arbeitskraftintensive Wirtschaft eingehen.
Unseres Erachtens ist das Argument der Beschäftigungswirksamkeit nur der ideologische Vorwand, unter dem diese Politik durchgezogen werden soll. Es gibt Beispiele — etwa in Indonesien —, an denen nachzuweisen ist, daß die Bundesregierung sogar mit erpresserischen Mitteln vorgeht, um eine Regierung dazu zu zwingen, solche mischfinanzierten Projekte anzunehmen.
Über ein weiteres Beispiel konnte man vor wenigen Tagen in der Zeitung lesen. Laut dpa-Meldung vom 13. Februar wurde ein bundesdeutscher Geschäftsmann in Ägypten wegen Bestechung festgenommen. Die Bestechungssumme belief sich auf 10 Millionen DM. Es ging um ein Projekt in Kus, Ägypten. Das Finanzvolumen betrug 130 Millionen DM aus der finanziellen Zusammenarbeit, 100 Millionen DM Finanzkredit von der KfW. Es handelt sich also um ein mischfinanziertes Projekt, das von einem bundesdeutschen Konsortium unter Beteiligung der Firma Siemens durchgeführt werden sollte.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Das Pikante ist, daß es sich um ein Mischfinanzierungsprojekt handelt, das in der Rahmenplanung für 1985 als Reserve vorgesehen ist, wofür Grundbedürfnisprojekte wiederum zum Opfer fielen.
Man sieht die Moral der Geschicht': Warnke gibt Mischfinanzierungsprojekte, die bundesdeutschen Lieferanten bestechen. Was hat das mit Entwicklungspolitik zu tun? Wir meinen, daß damit Schluß sein muß.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019830300
Herr Abgeordneter Volmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mann?

Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1019830400
Bitte.

Norbert Mann (GRÜNE):
Rede ID: ID1019830500
Ludger, findest du nicht auch, daß dieses Thema mehr Aufmerksamkeit und Ruhe verdient, als zur Zeit in diesem Saale herrschen?

(Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Wer bestimmt das denn?)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019830600
Herr Abgeordneter Mann, die Aufgabe, für Ruhe und Ordnung zu sorgen und dem Redner gebührende Achtung zu verschaffen, ist nicht Ihre Aufgabe; das ist Aufgabe des Präsidenten.

(Beifall bei der CDU/CSU) Fahren Sie fort.


Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1019830700
Ich bedanke mich beim Präsidenten und beim Abgeordneten Mann für die Intervention. Vielen Dank.
Unseres Erachtens muß Schluß sein mit dieser Mischfinanzierung. Das DIW hat entsprechend argumentiert. Vor zwei Wochen hat der Geschäftsführer von Misereor auch gewarnt, diese Politik fortzusetzen. Der entwicklungspolitische Sprecher der FDP, Rumpf, hat gewarnt, dieses Beschäftigungsargument heranzuziehen. Auch der DGB verneint, daß es positive Beschäftigungsfolgen gebe, und meint zudem, daß die bundesdeutsche Arbeiterschaft kein Interesse daran hat, wenn die Entwicklungshilfe zweckentfremdet wird.
Wir legen heute einen Antrag vor, um dieses Beschäftigungsargument endlich aus der Entwicklungspolitik herauszulösen, und geben jedem Abgeordneten, der entwicklungspolitischen Verstand hat und mittlerweile auch in den Koalitionsfraktionen kritisch Position dazu bezogen hat, die Gelegenheit, sich in namentlicher Abstimmung zu einer Kursänderung in der Entwicklungspolitik zu bekennen. — Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019830800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hüsch.

Dr. Heinz Günther Hüsch (CDU):
Rede ID: ID1019830900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der bekannte gemeinsame Beschluß vom 5. März 1982 lautet in Punkt 14:
Die Möglichkeiten von Mischfinanzierungen sind auszuschöpfen.
Diesem Beschluß haben seinerzeit alle Fraktionen, auch die SPD, zugestimmt. Indem die SPD jetzt keine Chance ausläßt, an diesen Beschluß zu erinnern, beweist sie, daß sie ihre Neigung zur Mischfinanzierung erneut durchsetzen möchte. Aber dafür braucht sie sich gar nicht zu schämen.
Ein mischfinanzierter Kredit ist für ein Entwicklungsland kein Unglücksfall. Im Gegenteil, er erhöht das Kreditvolumen mit angepaßten Konditionen. Deshalb stehen mehr Mittel für die Finanzierung der Entwicklung bereit. Entscheidend ist, was damit finanziert wird. Ein richtig durchkalkuliertes Projekt mit einem effizienten Projektträger spielt seine Kosten ein, zumal der Zuschuß 50% beträgt.
Ein mischfinanzierter Kredit verringert entgegen der Darstellung der GRÜNEN nicht das Förderungsvolumen für die ärmsten Länder. Es gibt keinen Pfennig weniger für die Grundbedürfnisbefriedigung und keinen Pfennig weniger für die ländliche Entwicklung. Jeder, der an der Beratung des Bundeshaushaltes teilgenommen hat, wird das bestätigen können.
Wenn Sie das Verhalten der Bundesrepublik mit dem Verhalten anderer Geberländer vergleichen, werden Sie feststellen, daß wir uns zu den fairsten Partnern in der Entwicklungspolitik zählen dürfen. Es gibt eine Reihe knallharter Lieferbinder. Der Begriff der „chasse gardée", der vor allem die gesicherten Einflußzonen in Afrika betrifft, ist eben kein deutsches Wort, sondern ein französisches, und das ist kein Zufall.
In diesem Zusammenhang darf wohl an das erinnert werden, was im „Kölner Stadtanzeiger" vom



Dr. Hüsch
25. September 1985 zu lesen war. Dort hieß es unter Berufung auf einen ehemaligen Mitarbeiter des BMZ:
Unter Entwicklungsminister Bahr (SPD) mußte in jeder Verhandlung darauf Wert gelegt werden, ein Schiff zu verkaufen. Schließlich brauchten die deutschen Werften in Bahrs Wahlkreis unbedingt Aufträge.
Nicht nur im Vergleich dazu muß festgestellt werden: Diese Bundesregierung ist ein wesentliches Stück liberaler als jede ihrer Vorgängerinnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ergebnis: Die SPD hat an der Ausweitung der Mischfinanzierung ebenso mitgewirkt wie die Koalitionsparteien. Sie hat in ihrer Regierungszeit die Lieferbindung zunehmend praktiziert, anders als die Regierung heute. Sie hat das vor allem heimlich getan. Deswegen wäre die SPD unglaubwürdig und unaufrichtig, wollte sie sich heute zum Träger der Kritik in beiden Punkten machen.
Nun ein paar Sätze an die Adresse der GRÜNEN. Bringen Sie Ihre Optik in Ordnung! Beispiel: Während Sie die Milliarden, die für die Grundbedürfnisbefriedigung, die ländliche Entwicklung und die Bildung eingesetzt werden, zu einem Nichts herunterreden wollen, blasen Sie das Mischfinanzierungsvolumen für die asiatischen Entwicklungsländer unangemessen auf. Es sind ganze 980 Millionen DM oder 2 % des Gesamtexports in diese Region. Von einem massiven Einsatz der Mischfinanzierung kann überhaupt keine Rede sein. Kehren Sie zur intellektuellen Redlichkeit zurück!
Wären Sie nur konsequent in Ihrer Gedankenführung! Auf der einen Seite beklagen Sie die geringen Zuschußelemente der Mischfinanzierung, weil so der Schuldendienst — so sagen Sie — der Entwicklungsländer erhöht werde. Auf der anderen Seite unterstellen Sie, daß man mischfinanzierte Vorhaben auch ohne den Einsatz von Entwicklungshilfe durchführen könne. So kann man mit der Logik nicht umgehen.
Letztlich: Seien Sie auch konsequent beim Verbreiten Ihrer Botschaft! Predigen Sie solchen Bürgern, die durch Ihre Politik unmittelbar geschädigt würden, könnten Sie diese durchsetzen, und predigen Sie insbesondere auch den Stahlkochern an der Ruhr oder im Saarland, daß sie ihre Arbeitslosigkeit deshalb freudig begrüßen sollten, weil die Bundesregierung die Anlagen für ein Entwicklungsprojekt nach Ihrer Meinung beispielsweise in der Tschechoslowakei oder in Nordkorea ordern soll. Dabei werden Sie sich sicherlich der Hilfe von Herrn Janßen von der IG Metall bedienen dürfen, bei dem wir mit großer Freude entgegensehen, daß er seine Mitglieder zur Unterstützung dieser törichten Forderung der GRÜNEN bewegen wird.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Also, meine Damen und Herren von den GRÜNEN: Bringen Sie dem Arbeiter an Rhein und Ruhr bei, daß das Sozial-Dumping mancher Länder gerecht ist und daß es deshalb durch einen Zuschlag belohnt werden soll.
Und vor allen Dingen: Unterdrücken Sie nicht länger die Wahrheit! Zählen Sie auch diejenigen Reprogrammierungsfälle, in denen statt ursprünglich geplanter Industrieprojekte künftig Grundbedürfnisvorhaben gefördert werden, hinzu und nicht nur die umgekehrten Fälle. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß die afrikanischen Entwicklungsländer im Handel mit uns allein im Jahre 1984 einen Überschuß von 9 Milliarden DM erzielt haben und Lateinamerika einen Überschuß von 4 Milliarden DM erzielt hat. Das sind 13 Milliarden DM harter Devisen für die Entwicklung dieser Länder, die unser aufnahmefähiger Markt dank eines Währungssystems und Wirtschaftssystems aufgebracht hat, das Sie zu bekämpfen suchen.
Ich kann nur sagen: Gott schütze die Entwicklungsländer vor Freunden in Gestalt der GRÜNEN! Deshalb kann auch Ihr Antrag von uns nicht unterstützt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019831000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Holtz.

Prof. Dr. Uwe Holtz (SPD):
Rede ID: ID1019831100
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung betreibt mit der zunehmenden Lieferbindung und Mischfinanzierung eine verhängnisvolle Richtungsänderung in der Entwicklungspolitik.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wer — wie Sie, Herr Minister Warnke — Entwicklungshilfe mit Wirtschaftsförderung im eigenen Land verwechselt, hat von den wahren Problemen der Dritten Welt nicht viel begriffen.

(Beifall bei der SPD)

Das katholische Hilfswerk „Misereor" warnt deshalb davor, Entwicklungshilfe zum Geschäft der Industrieländer werden zu lassen

(Toetemeyer [SPD]: Hört! Hört!)

und damit einem neuen Kolonialismus Tür und Tor zu öffnen. Diese Warnung ist voll gerechtfertigt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Eine Lieferbindung widerspricht sowohl entwicklungs- als auch ordnungspolitischen Prinzipien. Sie führt letztlich, wie das Deutsche Entwicklungsinstitut in Berlin Ihnen vorgerechnet hat, nicht zu mehr, sondern zu weniger Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik.

(Toetemeyer [SPD]: So ist es!)

Niemand hat etwas dagegen, daß deutsche Entwicklungshilfe auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik beiträgt. Nur müssen langfristige entwicklungspolitische Überlegungen den Vorrang vor kurzfristigen Erwägungen der Beschäftigung in der Bundesrepublik haben. Wir wollen — so unser Antrag —, daß Entwicklungsprojekte danach ausgewählt werden, ob sie die wirt-



Dr. Holtz
schaftliche und soziale Lage der Menschen in der
Dritten Welt verbessern. Das ist es, worum es geht.

(Beifall bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019831200
Herr Abgeordneter Holtz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Pinger?

Prof. Dr. Uwe Holtz (SPD):
Rede ID: ID1019831300
Nein, ich habe nur fünf Minuten; ich bitte um Entschuldigung. — Nun beteuert die Bundesregierung zwar immer wieder, daß in erster Linie die entwicklungspolitische Wirksamkeit von Projekten geprüft wird und die Beschäftigungswirksamkeit hintansteht. Wir haben jedoch Anlaß zur Befürchtung, daß das ständige Betonen der Beschäftigungswirksamkeit durch den Minister in seinem Haus und auch in nachgeordneten Institutionen eine Tendenz erzeugt, die Beschäftigungswirksamkeit voranzustellen. Diese Befürchtung sehen wir durch den Minister selbst genährt, der z. B. den „Kieler Nachrichten" sagte: „Wir sorgen dafür, daß solche Projekte ausgewählt werden, bei denen die deutsche Wirtschaft leistungs- und wettbewerbsfähig ist."

(Toetemeyer [SPD]: Hört! Hört!)

Dies läuft den Interessen der Entwicklungsländer häufig zuwider.

(Beifall des Abg. Toetemeyer [SPD])

In diesem Zusammenhang sehen wir mit besonderem Mißtrauen das Ansteigen der Mischfinanzierung. Dieses Instrument, dessen Anwendung, behutsame Anwendung auch der Bundestag gefordert hatte, mißbraucht die derzeitige Bundesregierung. Deshalb fordern wir, die Mischfinanzierung zukünftig nur ausnahmsweise einzusetzen. In den letzten drei Jahren wurde der Anteil der Mischfinanzierung in ungeahnte Höhen getrieben; hoffentlich geht das bald herunter. Ich will jetzt gar nicht darüber diskutieren, ob und in welchem Maße das zur weiteren Verschuldung der Entwicklungsländer beiträgt. Ich möchte nur ihren Einfluß auf die Projektauswahl zeigen.
Die Mischfinanzierung kommt besonders häufig bei Großprojekten mit modernster Technologie zum Zuge, so etwa bei der Einführung des digitalen Fernsprechsystems in ärmsten Ländern. Die Mischfinanzierungsprojekte dienen vorwiegend der Industrieförderung und tragen so weiter zur Vernachlässigung der so wichtigen Landwirtschaft bei. Die Industrieförderung behindert auch die entwicklungspolitisch wichtige Stärkung des kleinen und mittleren Gewerbes. Die Mischfinanzierung gefährdet damit gerade die Förderbereiche, bei denen nach einhelliger Meinung auch im Bundestagsausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit eine sinnvolle Entwicklung ansetzen muß.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, eine solche Politik bringt vielen Entwicklungsländern langfristig mehr Schaden als Nutzen. Sie arbeitet den Fundamentalkritikern der Entwicklungshilfe geradezu in die Hände.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist ein Kurswechsel nötig. Der entwicklungspolitische Zug fährt in die falsche Richtung. Von daher bitte ich Sie, mit uns die Notbremse zu ziehen und dem vernünftigen Antrag der SPD zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019831400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rumpf.

Dr. Wolfgang Rumpf (FDP):
Rede ID: ID1019831500
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch Mischfinanzierung werden über die zur Verfügung stehenden Mittel des Haushalts hinaus neue Finanzquellen erschlossen. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, daß im Grundsatz etwas Schlechtes dabei sein soll. Sie werden verwendet, um die Not in den armen Ländern zu lindern und vor allem um Hilfestellung zu geben, die zur verbesserten Selbsthilfe in diesen Ländern führt. Eine Mischung verschiedener Finanzmittel hat positive Wirkungen. Sie erhöht den Geldzufluß, sie verbessert und erleichtert die Zusammenarbeit zwischen Industrie, Gewerbe und Handwerk, zwischen den Geber- und Nehmerländern, den Partnern, und sie dient den entwicklungspolitischen Zielvorstellungen des Parlaments und der Bundesregierung.
Natürlich kommt es darauf an, was mit den Mittel gemacht wird. Uns freut es am meisten, wenn sie zur Entwicklung der ländlichen Räume, des Kleingewerbes und des Kleinhandwerks eingesetzt werden und wenn sie zur Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts und der ökologischen Grundlagen gebraucht werden. Wir sind auch sehr zufrieden, wenn die Mittel zur Gesundheitsförderung, zur Ausbildung und zur Fortbildung in den Entwicklungsländern oder für die Einrichtung von Systemen der Familienplanung verwendet werden. Wir haben auch nichts gegen den Einsatz von Mischfinanzierungsmitteln zur Schaffung von Industrie- und Gewerbeanlagen in Ballungsräumen.

(Beifall bei der FDP)

Aber die Beschäftigungswirksamkeit im eigenen Lande darf nach unserer Meinung nicht im Vordergrund stehen. Diese Forderung ist aber auf der anderen Seite ebensowenig unanständig wie die damit verbundene zwangsläufige Bindung an deutsche Produkte. Eine Lieferbindung, wie Sie sie hier darstellen und der Bundesregierung unterstellen, besteht j a nicht.

(Beifall bei der FDP)

Ganz im Gegenteil, es werden Ausschreibungen durchgeführt. Deutsche Angebote werden nur im Zweifel vorgezogen. Es kann auch umgekehrt sein; dafür kann man viele Beispiele nennen.
Im übrigen ist es in der deutschen Entwicklungspolitik überhaupt nichts Neues. Auch in den 70er Jahren unter der sozialliberalen Koalition hat es sehr viel Mischfinanzierung gegeben. Es gab sogar



Dr. Rumpf
einen Parteitagsbeschluß der SPD, in dem die Lieferbindung gefordert wurde. Ich habe hier eine ganze Liste von Lieferbindungen aus der Zeit der sozialliberalen Koalition. Zwingen Sie mich nicht, einige Dinge daraus vorzutragen.

(Zurufe von der SPD: Warum nicht?)

Ich darf zusammenfassen. Durch Mischfinanzierungen kann das Volumen der zur Verfügung stehenden Mittel entscheidend gesteigert werden. In diesem Zusammenhang sei an die beiden Bundestagsbeschlüsse vom 2. März 1985 und vom 19. Januar 1984 erinnert.
Daß Mischfinanzierung unterschiedlich bewertet werden kann, zeigt ja diese Debatte. Für die FDP- Bundestagsfraktion erkläre ich deshalb: Es ist von entscheidender Bedeutung, welche Projekte und welche Maßnahmen im Bereich der Entwicklungspolitik gefördert werden. Alle Finanzierungsformen müssen entwicklungspolitischen Kriterien dienen. Das bedeutet bei der Mischfinanzierung auch, daß diese Vorhaben diesen Ansprüchen genügen müssen. Für uns steht fest: Entwicklungspolitik darf nicht zu einem Mittel der Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland werden. Entwicklungspolitik darf nicht zu einem Mittel für den Abbau der Arbeitslosigkeit bei uns verkümmern, sondern sie soll dazu dienen, daß möglichst viel Arbeit und Einkommen in den Entwicklungsländern geschaffen wird.

(Toetemeyer [SPD]: Richtig!) Dies ist der Fall.


(Bindig [SPD]: Dies ist ausnahmsweise der Fall!)

Deshalb können wir von der FDP den Argumenten der Opposition nicht folgen und werden diesen Antrag der Opposition ablehnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019831600
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Dr. Jürgen Warnke (CSU):
Rede ID: ID1019831700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die schlechte Beurteilung der deutschen Entwicklungspolitik durch die Redner der Opposition wird in den Entwicklungsländern nicht geteilt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das hat die gestern zu Ende gegangene Reise des Bundespräsidenten durch drei asiatische Entwicklungsländer bewiesen: Deutsche Entwicklungshilfe im vierten Jahre der Regierung Kohl hat einen guten Ruf in der Dritten Welt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Mischfinanzierung ist entwicklungsgerechte Finanzierung, sie erlaubt es, den Kapitalfluß in die Entwicklungsländer zu erhöhen und Kapital in entwicklungspolitische Bereiche zu lenken. Die Bundesregierung hat dies in ihrer Antwort auf die
Große Anfrage der Fraktion der GRÜNEN im einzelnen dargelegt.
Diese Finanzierung ist ein zusätzliches Angebot über die Mittel der Rahmenplanung hinaus. Auch mischfinanzierte Vorhaben werden entwicklungspolitisch geprüft. Sie müssen entwicklungspolitisch sinnvoll sein, damit sie zum Zuge kommen können. Die Nutzung der Mischfinanzierung richtet sich nicht nach irgendwelchen Vorgaben, sondern nach dem tatsächlichen Bedarf der Entwicklungsländer. Im Gegensatz zu dem, was Sie, Herr Kollege Holtz, dem Hohen Hause hierzu eben erklärt haben, ist Mischfinanzierung nicht ansteigend, sondern rückläufig: Sie hat im Jahre 1985 nur gut ein Drittel dessen betragen, was sie im Jahre 1984 ausgemacht hat. Alles andere, was Sie vorgetragen haben, ist schiere Ideologie und in den Tatsachen nicht begründet.

(Beifall bei der CDU/CSU — Bindig [SPD]: Sind Sie sicher, daß Sie keinen Blackout haben? — Weitere Zurufe von der SPD)

Die Bundesregierung richtet ihr Augenmerk in der Tat in allen entwicklungspolitisch geeigneten Fällen auf die Beschäftigungswirksamkeit für die Bundesrepublik Deutschland. Dies ist Ausdruck der Bemühungen um die Wiederbelebung der Wirtschaft und um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bei uns. Bei dieser Politik der Beschäftigungswirksamkeit weiß sich die Bundesregierung mit der überwiegenden Mehrheit des Deutschen Bundestages einig, der in seiner Entschließung vom 8. Oktober 1984 ausdrücklich die Beachtung der Beschäftigungswirksamkeit in allen entwicklungspolitisch geeigneten Fällen gefordert hat.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, glauben, dies sei nicht die Meinung der Arbeitnehmer, rate ich Ihnen, daß Sie sich einmal einer Belegschaftsversammlung stellen, um zu erfahren, was wirklich die Meinung der deutschen Arbeitnehmer ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ihr Antrag, in Zukunft von Beschäftigungswirksamkeit abzusehen, bringt den Entwicklungsländern keinen Nutzen, er schadet der deutschen Wirtschaft und den deutschen Arbeitnehmern. Deshalb bitte ich das Hohe Haus, den Antrag der GRÜNEN und den Antrag der SPD abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019831800
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Volmer, Frau Eid, Auhagen und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5048.
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN verlangt gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung. Das Verfahren ist bekannt. Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses bereit, sich an der Abstimmung zu beteiligen?



Vizepräsident Stücklen
Meine Damen und Herren, der zweite und letzte Aufruf zur Teilnahme an der namentlichen Abstimmung. — Ich sehe kein Bedürfnis mehr. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmen auszuzählen.*)
Im Einvernehmen mit allen Fraktionen des Hauses können wir in der Tagesordnung fortfahren — allerdings erst, wenn Sie Platz genommen haben.

(Unruhe)

— Nehmen Sie bitte Platz. Sie erleichtern es mir damit, in der Tagesordnung fortzufahren. Das gilt für die Mitglieder des Innenausschusses, Herr Laufs, wie für Herrn Wissmann und auch Herrn Horn.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Borgmann und der Fraktion DIE GRÜNEN
Vertriebsverbot für Krügerrand-Goldmünzen
— Drucksache 10/3818 —
Im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag zu je fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Das Haus ist damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch.

(Zurufe von der SPD: Über unseren Antrag muß noch abgestimmt werden!)

— Der Tagesordnungspunkt ist zwar aufgerufen, er wird aber jetzt nicht behandelt. Ich berufe mich aber wieder auf den aufgerufenen Tagesordnungspunkt.
Zuerst möchte ich noch abstimmen lassen über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/5073 zur Großen Anfrage der Abgeordneten Volmer, Frau Eid, Auhagen und der Fraktion DIE GRÜNEN, Drucksachen 10/3643, 10/4602: Lieferbindung und Mischfinanzierung in der bundesdeutschen Entwicklungshilfe. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine. Der Entschließungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich berufe mich auf den bereits aufgerufenen Tagesordnungspunkt 8. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Eid. Bitte sehr.

Ursula Eid-Simon (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1019831900
Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen! Die Aussagen meiner Gesprächspartner während meines Aufenthaltes in Südafrika im vergangenen Jahr waren eindeutig. Alle — darunter Bischof Tutu, Dr. Beyers-Naudé, Winnie Mandela und der Generalsekretär der schwarzen Gewerkschaften, Herr Camay — stimmten überein, daß ein internationaler Wirtschaftsboykott das einzige erfolgreiche Mittel ist, welches das Apartheidregime in die Knie zwingen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

*) Ergebnis Seite 15319
Wir GRÜNEN fordern umfassende Wirtschaftssanktionen in Übereinstimmung mit der südafrikanischen Opposition. Nach der Evangelischen Kirche hat nun auch die katholische Bischofskonferenz zu Wirtschaftssanktionen aufgerufen, um die Rassendiskriminierung abzuschaffen und — Zitat — „den Weg der Gerechtigkeit und der vollen Beteiligung aller Bürger an der Regierungsverantwortung" einzuschlagen. Dies sind mutige und klare Worte. Wer da heuchlerisch Sanktionen ablehnt, sollte sich ernsthaft mit diesen Positionen der Kirchen in Südafrika auseinandersetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Argumente, Wirtschaftssanktionen träfen vorwiegend die schwarze Bevölkerung, sind zynisch und stellen die Realität auf den Kopf. Denn bisher sind es doch gerade die Schwarzen, die unterdrückt, eines menschenwürdigen Lebens beraubt, ausgesondert und von der Ausübung grundlegender Bürgerrechte ausgeschlossen werden. Um eben diese Menschen machen sich die Gegner von Sanktionen, so auch unsere Bundesregierung, angeblich so große Sorgen. Aber es sind die gleichen, die sich bisher wenig darum scherten, daß im letzten Jahr über 850 Menschen getötet und über 10 000 inhaftiert worden sind, Menschen, deren einziges Verbrechen es ist, schwarz zu sein. Wo bleibt Ihre Entrüstung, Herr Bundeskanzler, wenn bei Beerdigungen in den Townships die Trauernden durch die Polizei terrorisiert werden? Wo bleibt Ihre Entrüstung, wenn mit Hubschraubern von Messerschmitt-Bölkow-Blohm Jagd auf Schwarze gemacht wird?
Wir GRÜNEN fordern als eine konkrete Sanktionsmaßnahme den Boykott von KrügerrandGoldmünzen, wird doch der südafrikanische Staatshaushalt per Steuern und Gewinnbeteiligung bis zu einem Viertel durch Goldverkauf abgedeckt. Im August letzten Jahres beantragten die GRÜNEN, den An- und Verkauf von Krügerrand-Goldmünzen zu unterbinden. Inzwischen haben die weltweiten Boykottaufrufe zu einem Teilerfolg geführt. Da sich der Krügerrand am Markt nicht mehr durchsetzen kann, z. B. gegen den kanadischen Maple Leaf, hat Südafrika die Prägung eingestellt.
Für das konservative Lager trifft es sich gut, daß Gatsha Buthelezi gerade in Bonn ist und als Kronzeuge für eine Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen mit Südafrika ins Feld geführt werden kann. Das Problem dabei ist nur, daß der InkathaPräsident vom weißen Regime ausgehalten wird und etwas zu verlieren hat durch die kompromißlose Beseitigung der Apartheidstrukturen. Buthelezi genießt materielle Privilegien und politische Freiräume, von denen die Oppositionsgruppen in Südafrika nur träumen können. Ich finde es eine Provokation aller Apartheidsgegner, daß die Bundesregierung mit diesem als höchsten Staatsgast behandelten Besucher ein Propagandaspektakel in Bonn aufführt, das einzig und allein ihren innenpolitischen Zwecken in dem heranziehenden Wahlkampf dienen soll.

(Schwarz [CDU/CSU]: So ein dummes Geschwätz!)




Frau Eid
Da die offene Unterstützung des Apartheidregimes auf immer entschiedeneren Widerspruch in unserer Gesellschaft stößt, soll jetzt aus optischen Gründen die Solidarität mit der angeblich gemäßigten Mitte der Schwarzen in das Blickfeld gerückt werden. Die Menschen in der Bundesrepublik werden sich dadurch nicht täuschen lassen. Sie wissen, die Bundesregierung und die bundesdeutsche Wirtschaft sind die Hauptstützen des Apartheidregimes.

(Beifall bei den GRÜNEN — Schwarz [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)

Es sei hier noch erwähnt, daß unsere Große Anfrage zur Finanzierung der Apartheid durch bundesdeutsche Banken vom 8. Mai 1985 immer noch nicht beantwortet ist. Ich frage deshalb die Bundesregierung: Was hat sie wohl zu verschweigen, daß es so lange dauert, um auf klare Fragen klare Antworten zu geben?
Ich möchte schließen mit den Worten der nord' rheinwestfälischen Wissenschaftsministerin Anke Brunn. Sie sagte: „Jede Verlängerung der Apartheid schadet den Schwarzen mehr als ein Boykott." Wir können dem nur zustimmen und hoffen, daß die SPD dies auch so sieht und folglich unserem Antrag zustimmt.
Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN — Schwarz [CDU/CSU]: Jetzt kommt wieder die rotgrüne Koalition!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019832000
Meine Damen und Herren, ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Drucksache 10/5048 bekannt: Abgegebene Stimmen 392. Mit Ja haben gestimmt 19, mit Nein haben gestimmt 373, Enthaltungen keine.
Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 392 Abgeordnete; davon
ja: 19 Abgeordnete
nein: 373 Abgeordnete
Ja
DIE GRÜNEN
Auhagen
Frau Dann
Frau Eid
Frau Hönes
Frau Kelly
Mann
Dr. Müller (Bremen) Rusche
Schily
Schulte (Menden) Senfft
Ströbele
Tatge
Tischer
Vogel (München) Volmer
Frau Wagner Werner (Westerland)

fraktionslos Bastian
Nein
CDU/CSU
Frau Augustin Austermann Bayha
Dr. Becker (Frankfurt) Berger
Frau Berger (Berlin) Dr. Berners
Biehle
Dr. Blank
Dr. Blens
Dr. Blüm
Bohlsen
Borchert
Boroffka
Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler (Bruchsal)

Dr. Bugl Buschbom
Carstensen (Nordstrand) Clemens
Dr. Czaja Dr. Daniels
Frau Dempwolf
Deres
Dolata
Doss
Echternach
Ehrbar
Eigen
Engelsberger
Eylmann
Dr. Faltlhauser
Fellner
Frau Fischer
Fischer (Hamburg) Francke (Hamburg) Funk
Ganz (St. Wendel)

Dr. von Geldern
Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz)

Glos
Dr. Göhner
Dr. Götz Götzer
Günther Dr. Häfele
von Hammerstein
Hanz (Dahlen)

Haungs
Hauser (Esslingen) Hedrich
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Soltau) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka Jäger (Wangen)

Jagoda
Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung (Lörrach)

Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kiechle
Klein (München)

Dr. Köhler (Wolfsburg) Kolb
Kraus
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn
Dr. Kronenberg
Dr. Kunz (Weiden)

Dr. Lammert
Landré
Dr. Langner
Lattmann Dr. Laufs Link (Diepholz)

Link (Frankfurt)

Linsmeier Lintner
Dr. Lippold Löher
Lohmann (Lüdenscheid)

Dr. h. c. Lorenz
Louven
Lowack
Maaß
Frau Männle
Magin
Metz
Michels
Milz
Dr. Möller Dr. Müller Müller (Remscheid)

Müller (Wadern)

Müller (Wesseling)

Nelle
Frau Dr. Neumeister
Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Frau Pack Pfeffermann Pfeifer
Dr. Pfennig Dr. Pinger Pöppl
Pohlmann
Dr. Pohlmeier
Rawe
Reddemann Regenspurger
Dr. Riesenhuber
Rode (Wietzen)

Frau Rönsch (Wiesbaden)

Frau Roitzsch

(Quickborn)

Dr. Rose
Rossmanith Roth (Gießen)

Rühe
Ruf
Sauer (Salzgitter)

Sauer (Stuttgart)

Saurin
Sauter (Epfendorf)

Sauter (Ichenhausen) Scharrenbroich
Schemken Scheu
Schlottmann Schmidbauer Schmitz (Baesweiler)

von Schmude
Schneider (Idar-Oberstein)

Dr. Schneider (Nürnberg) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder (Freiburg)

Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) Schultz (Wörrstadt)
Schulze (Berlin)

Schwarz
Dr. Schwarz-Schilling
Dr. Schwörer
Seehofer Seesing
Dr. Freiherr
Spies von Büllesheim Spilker
Dr. Sprung
Dr. Stark (Nürtingen)

Dr. Stercken Stockhausen Straßmeir Strube
Stücklen



Vizepräsident Stücklen
Stutzer
Susset
Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Duren)

Dr. Voigt (Northeim)

Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Graf von Waldburg-Zeil Dr. Warnke
Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiß
Werner (Ulm) Frau Will-Feld Wilz
Wimmer (Neuss) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann Wittmann (Tännesberg) Würzbach
Dr. Wulff
Zierer
Dr. Zimmermann
Zink
SPD
Amling Antretter
Bachmaier
Bamberg
Becker (Nienberge) Bernrath
Bindig Brandt Buckpesch
Büchler (Hof)

Büchner (Speyer)

Dr. von Bülow Catenhusen
Collet Conradi Dr. Corterier
Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Delorme
Dr. Diederich (Berlin) Dreßler
Duve Eickmeyer
Dr. Emmerlich
Esters Ewen Fiebig
Fischer (Osthofen) Franke (Hannover)
Frau Fuchs (Köln)

Frau Fuchs (Verl) Gansel
Gerstl (Passau)

Gilges Glombig
Grunenberg
Dr. Haack
Haase (Fürth)

Hansen (Hamburg)

Dr. Hauchler
Hauck Heimann
Heistermann
Herterich
Hettling
Heyenn
Dr. Holtz Horn
Frau Huber
Huonker
Ibrügger
Jahn (Marburg)

Jansen Junghans
Kastning
Kiehm Kirschner
Kisslinger
Klein (Dieburg)

Dr. Klejdzinski
Kolbow Kretkowski
Dr. Kübler
Kühbacher
Kuhlwein
Lambinus
Leonhart
Liedtke
Lohmann (Witten)

Frau Luuk
Frau Matthäus-Maier Meininghaus
Dr. Mitzscherling
Müller (Schweinfurt)

Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Frau Odendahl Oostergetelo
Paterna
Dr. Penner
Peter (Kassel)

Porzner Purps Ranker Rapp (Göppingen)

Frau Renger
Reschke Reuter Rohde (Hannover)

Roth
Sander Schanz Schlaga Schluckebier
Frau Schmedt (Lengerich)

Schmidt (München)

Frau Schmidt (Nürnberg) Schmidt (Wattenscheid) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger Schreiner
Schröer (Mülheim)

Dr. Schwenk (Stade) Sielaff
Sieler (Amberg)

Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Sperling
Dr. Spöri
Stahl (Kempen)

Steiner Stiegler Stobbe Dr. Struck
Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer
Vahlberg
Dr. Vogel
Vogelsang
Waltemathe
Walther
Wartenberg (Berlin) Weinhofer
Weisskirchen (Wiesloch)

Westphal
Frau Weyel
Wieczorek (Duisburg) Wiefel
von der Wiesche Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Witek
Dr. de With
Wolfram

(Recklinghausen) Würtz

Zander Zeitler
FDP
Frau Dr. AdamSchwaetzer
Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg (Arnsberg) Eimer (Fürth)
Engelhard Gallus
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Hirsch
Hoffie
Hoppe
Kleinert (Hannover) Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick Möllemann Neuhausen Paintner
Ronneburger
Dr. Rumpf Schäfer (Mainz)

Frau Dr. Segall
Dr. Solms
Dr. Weng (Gerlingen)

fraktionslos
Handlos
Voigt (Sonthofen)

Damit ist dieser Entschließungsantrag abgelehnt.
Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Schmude.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019832100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen meiner Vorrednerin möchte ich nur anmerken: Es ist nicht alles Gold, was schillert; denn wer in Südafrika den friedlichen Übergang zu einer Gesellschaftsordnung der Gleichberechtigung aller Bürger will, der muß Boykottmaßnahmen, wie sie hier gefordert werden, ablehnen, weil sie zusätzliche Spannungen und soziale Belastungen in dieses Land hineintragen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, das Apartheidsystem entspricht nicht unseren Vorstellungen von Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde, und gerade deshalb sollten wir nichts tun, was den bereits eingeleiteten Prozeß des Wandels in diesem Land erschwert.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Die derzeitige politische Situation Südafrikas verlangt bei einer Beurteilung Augenmaß und Objektivität und nicht Einäugigkeit, Einseitigkeit und ein von Vorurteilen geprägtes Handeln.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Bindig [SPD]: Charakterisieren Sie Ihre Haltung?)

— Ja, das gilt auch für Sie von der SPD! — Ablehnung der Apartheid und Kampf gegen sie führen nicht automatisch zu einer besseren, gerechteren Ordnung.
Wir müssen leider feststellen, daß in vielen Ländern der Erde Bedingungen herrschen, unter denen die Menschenrechte eben nicht nach unseren Vorstellungen praktiziert werden. Wenn wir aber diese Maßstäbe anlegen würden und zur Vorbedingung der Aufrechterhaltung unserer zwischenstaatlichen Handelsbeziehungen zu all diesen Ländern machen



von Schmude
würden, könnten wir uns als Welthandelsnation abmelden. Wir müßten dann nämlich zahlreichen anderen Ländern, auch und vor allem den Ostblockstaaten, den Wirtschaftsboykott erklären,

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Genau das ist der Fall!)

und wir müßten nicht nur den Handel mit südafrikanischen Goldmünzen verbieten, sondern müßten das gleiche auch für libysches 01 und für sowjetisches Erdgas erklären,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

und zwar aus Gründen der politischen Glaubwürdigkeit. Wer hierzu schweigt, der verhält sich merkwürdig, der verhält sich scheinheilig und betreibt Augenwischerei.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, geschwiegen wird von den GRÜNEN und auch von den Sozialdemokraten auch in bezug auf die Auswirkungen einer solchen Boykottmaßnahme auf unsere Wirtschaft.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019832200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmude?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019832300
Nein, ich habe nur fünf Minuten. — Das gilt auch und insbesondere für die Frage der Auswirkungen auf Arbeitsplätze in der deutschen Wirtschaft. Es hat sich in der Praxis immer wieder gezeigt, daß wirtschaftliche Boykottmaßnahmen eben Gegendruck erzeugen, daß sie umgangen werden, daß sachgerechte Lösungen erschwert werden und daß vor allen Dingen die Falschen getroffen werden.
Südafrika hat 1984 Gold in die Bundesrepublik in einem Maße exportiert, das lediglich 1,9 % der dortigen Goldproduktion ausmacht und das sich in unseren Einfuhren mit 412 Millionen DM niederschlägt; das entspricht noch nicht einmal einem Siebentel unserer Goldimporte. Ein Vertriebsverbot für Krügerrand-Münzen könnte sehr leicht durch Lieferungen über Drittländer umgangen werden.
Vergessen wird bei dieser Diskussion auch, daß natürlich auch deutsche Sparer getroffen wären, die für Notzeiten eine Krügerrand-Münze erworben haben, besonders in jener Zeit, als Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, die politische Verantwortung getragen haben, als Inflationstreiberei, zerrüttete Staatsfinanzen und Existenzangst die Menschen in unserem Land beherrscht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

Vergessen wird bei dieser Debatte auch, welche schlimmen Auswirkungen sich bei einem Boykott aller westlichen Länder in bezug auf die Situation der Minenarbeiter in Südafrika — und nicht nur dort, sondern auch in den afrikanischen Nachbarländern — ergeben würden. Wer auf die Weißen in Südafrika zielt, trifft vor allem die schwarze Bevölkerung.
Meine Damen und Herren, Boykottmaßnahmen werden deshalb auch vom Großteil der schwarzen Bevölkerung abgelehnt,

(Toetemeyer [SPD]: Woher wissen Sie das?)

deren Meinung wir hier in unsere Überlegungen auch mit einzubeziehen haben

(Toetemeyer [SPD]: Falsch!)

und deren Schicksal wir nicht für politische Zwecke mißbrauchen sollten.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

Das Bundespresse- und -informationsamt hat festgestellt — ich zitiere, Herr Präsident —:
Die Verleumdungskampagne wird vor allem von Teilen des „African National Congress" ... und der deutschen Gruppe der „Anti-ApartheidBewegung" geführt. Ihren Urhebern kommt es nicht in erster Linie auf den Kampf gegen die Apartheid-Politik an, der auch der erklärten politischen und moralischen Zielsetzung der Bundesregierung entspricht. Vielmehr ist es ihr eigentliches Ziel, die Bundesregierung international unglaubwürdig zu machen.
Soweit das Presse- und Informationsamt zur Zeit der sozialdemokratischen Regierung vom 5. Dezember 1978. Ich habe dem, meine Damen und Herren, nichts hinzuzufügen.

(Hört! Hört! und Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019832400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Toetemeyer.

Hans-Günther Toetemeyer (SPD):
Rede ID: ID1019832500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt sind wir natürlich wieder mitten in der Debatte über Wirtschaftssanktionen, obwohl es hier nur um einen Teil geht. Ich kann mich über den Kollegen von der CDU- Fraktion nur wundern. Er hat den Mund sehr voll genommen. Er hat eben erklärt: Wir lehnen Boykottmaßnahmen ab.
Ich darf zurückfragen. Bedeutet das für die Regierungsparteien, daß sie dem Beschluß von Luxemburg aus dem Herbst letzten Jahres nicht mehr zustimmen?

(Beifall bei der SPD — Oh-Rufe von der CDU/CSU)

Bedeutet das, daß Sie anderer Auffassung sind als der Präsident der Vereinigten Staaten, der bei seinen nach meiner Auffassung viel zu schwachen Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika mindestens diesen Punkt, über den wir uns heute unterhalten, nämlich das Verbot des Imports des Krügerrands, zu seinen Maßnahmen zählt? Sie sind sonst immer sehr flink, den Amerikanern zu folgen. Hier soll das alles nicht mehr wahr sein?

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wir lehnen das ab. Erstaunliche Wende in Ihrer Auffassung, meine Damen und Herren!

(Zuruf von der CDU/CSU)




Toetemeyer
Und nun kommt — und das ist nun wirklich, meine Damen und Herren, ein alter Hut — das Argument, dann müßten wir auch einen Wirtschaftsboykott mit allen kommunistischen Staaten durchführen.

(Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Aber richtig ist es!)

Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch!)

Oder sind Sie in der Tat der Auffassung, daß es sich bei der Sowjetunion um einen demokratischen Staat wie Südafrika handelt? Das darf doch wohl nicht wahr sein.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Hier geht es doch darum, daß wir demokratischen Staaten des Westens mit Hilfe von Druck — politischem Druck und auch wirtschaftlichem Druck — dafür Sorge tragen, daß in diesem Staat, der sich einen Rechtsstaat nennt, endlich einmal gleiches Recht für alle Bürger durchgesetzt wird; das ist doch der Punkt: man kann hier doch nicht ständig Äpfel mit Birnen vergleichen.

(Beifall bei der SPD — Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

Wenn Sie hier im Brustton der Überzeugung sagen, die Mehrheit der Schwarzen lehne den Wirtschaftsboykott ab, dann kann ich Ihnen nur sagen, verehrter Herr Kollege, recherchieren Sie etwas genauer, lesen Sie bitte die Protokolle der letzten Konferenz der Außenminister der Frontstaaten in Lusaka — lesen Sie das bitte nach! —, die ausdrücklich sagen: Obwohl wir Frontstaaten Südafrikas wissen, daß Wirtschaftsboykott uns in unserer Abhängigkeit von Südafrika belastet, sind wir dennoch dafür. — Das ist die Wahrheit. Die Mehrheit der Schwarzen will den Druck, damit sie endlich gleiche Rechte bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist einfach falsch, zu behaupten, die Mehrheit wolle das nicht.
Nun, meine Damen und Herren, das zu den GRÜNEN gesagt: In der Sache sind wir nicht auseinander. Nur, Sie kennen, verehrte Kollegin Eid, j a auch unseren Antrag vom Oktober letzten Jahres, Drucksache 3994, der sich im Augenblick in der parlamentarischen Beratung befindet. Da heißt es — ich zitiere aus diesem Antrag —: „das Verbot der Einfuhr von Krügerrand-Münzen in die Bundesrepublik Deutschland sowie das Verbot des Handels mit diesen Münzen". Das ist in der Sache fast wörtlich identisch mit Ihrem Antrag.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Es ist von daher eben keine Glaubenshoffnung gewesen, sondern es ist Tatsache, daß aus diesem Grunde die Sozialdemokraten Ihrem Antrag zustimmen werden. Das ist eine Vorwegnahme der endgültigen Annahme des gesamten Antrages. Ich hoffe, daß Sie dann auch mitstimmen werden.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß und sage das mit großem Nachdruck. Ich warne Sie davor, zu akzeptieren, das Chief Buthelezi der Sprecher der Schwarzen sei.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Mehrheit der Schwarzen ist völlig anderer Auffassung.

(Zuruf des Abg. Hinsken [CDU/CSU])

Sie können das nachlesen. Es gibt eine wissenschaftlich fundierte Untersuchung — hören Sie zu, Herr Kollege; bevor Sie einen Zwischenruf machen, erst mal hören — es gibt diese Untersuchung vom August letzten Jahres in den Black Townships, wo die Frage gestellt wurde: Welche Politik würden Sie bevorzugen, die von Chief Buthelezi oder Inkatha oder die des ANC? Die Antwort lautet zu 49 %: ANC und zu 6 %: Inkatha; alles eindeutig. Ich bitte ein bißchen vorsichtiger zu argumentieren, wenn man von der Mehrheit der Schwarzen spricht. Wir sollten hier nicht klüger sein wollen als die Schwarzen selbst. Die Schwarzen wissen, welche Konsequenzen der Wirtschaftsboykott hat. Dennoch fordern sie ihn, weil sie sagen: Lieber noch ein kurzes Leiden als ein dauerndes Leiden. Und das sollten wir in diesem Hause sehr aufmerksam hören.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019832600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1019832700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit keine Zweifel entstehen, will ich hier gleich zu Anfang betonen: Die FDP-Fraktion ist genauso kritisch wie jede andere Fraktion in diesem Hause gegenüber der Politik der Rassentrennung der südafrikanischen Regierung eingestellt.

(Beifall bei der FDP)

Das kann uns aber nicht dazu veranlassen, etwas zu unterstützen, was von vornherein als völlig zwecklos offenkundig ist, nämlich eine Boykottmaßnahme gegen ein Handelsprodukt eines Landes, gegen Goldmünzen. Dies ist genauso eine Boykottmaßnahme wie jede andere Boykottmaßnahme, die hier gegenüber Ländern wie Libyen, Nicaragua oder eben Südafrika vorgeschlagen worden ist.
Alle Handelsboykotts in der Geschichte haben zu nichts geführt. Und wer aus der Geschichte lernen kann, der muß wissen, daß seit der Kontinentalsperre unter Napoleon Handelsboykotts immer der Erfolg versagt geblieben ist. Und wenn in dieser Woche Chief Buthelezi, der Vertreter der Zulus, in Bonn ist und erklärt, daß nach seiner Meinung ein Handelsboykott gerade die ärmsten Teile der Bevölkerung, nämlich auch die Minenarbeiter, in Südafrika treffen würde und daß er von ihm deshalb abgelehnt werde, ist das auf jeden Fall eine wesentliche Stimme aus Südafrika, die wir zur Kenntnis nehmen sollten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich verstehe nicht, wie Sie mit dieser Arroganz
hierherkommen können, Frau Eid, und einen Ver-



Dr. Solms
treter einer großen Volksgruppe in Südafrika in dieser Weise zu deklassieren suchen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das können wir uns nicht erlauben. Jeder der südafrikanischen Vertreter hat seine eigene Meinung,
bringt sie ein. Und wir hören auf diese Meinungen.
Aber entscheidend ist, daß ein solcher Boykott natürlich die Bevölkerung am meisten treffen würde, ohne die Regierung zu einem anderen Verhalten zwingen zu können. Wichtiger ist, daß wir verhandeln, Einfluß ausüben. Gerade die Wirtschaft in Südafrika versucht, Einfluß auf die Regierung auszuüben, damit sie von dieser Rassentrennungspolitik Abstand nimmt.
Genau daraufhin zielen auch die Einwirkungsbemühungen der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen. Wir lehnen deshalb diesen unnötigen Antrag ab.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019832800
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Sprung.

Dr. Rudolf Sprung (CDU):
Rede ID: ID1019832900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung spricht sich aus politischen und rechtlichen Gründen gegen ein Verbot des An- und Verkaufs von Krügerrand-Münzen im Bundesgebiet aus.
Das beantragte Verbot ist als Maßnahme zum Abbau des Apartheidsystems gedacht. Die Bundesregierung hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie die Apartheid entschieden ablehnt und für einen schnellen und friedlichen Wandel zu einer gesellschaftlichen und politischen Ordnung in Südafrika eintritt, die von der Zustimmung aller Südafrikaner getragen wird und in der alle Südafrikaner einen gerechten Anteil an der Gestaltung der Geschicke ihres Landes haben. Die Bundesregierung sieht jedoch in einem Wirtschaftsembargo kein geeignetes Mittel, einen solchen Wandel herbeizuführen.
Wirtschaftsembargos haben nach den bisherigen Erfahrungen niemals die beabsichtigte Wirkung gezeigt. Es hat immer Möglichkeiten gegeben, sie zu umgehen. Außerdem rufen sie Gegenmaßnahmen auf den Plan, tragen damit zu einer Verhärtung der Situation bei und erschweren die Lösung der Konflikte. Im Fall Südafrika wird zudem der schwächste Teil der Bevölkerung durch Embargomaßnahmen am meisten getroffen.
Im Interesse einer konsequenten Reformpolitik, die konsensfähig ist und alle südafrikanischen Bürger gerecht und menschenwürdig behandelt, ist die Politik der Bundesregierung auf einen kritischen Dialog mit Südafrika ausgerichtet. Ausdruck dieses kritischen Dialogs, der in die Südafrikapolitik der Europäischen Gemeinschaft eingebettet ist, ist die Erklärung der Außenminister im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit von Luxemburg vom 10. September letzten Jahres und des darin enthaltenen Maßnahmenkatalogs,

(Zuruf des Abg. Toetemeyer [SPD])

der, Herr Toetemeyer, keine Sanktionen vorsieht, sondern gegen Waffenexporte nach Südafrika gerichtet ist.
Mit diesen positiven Maßnahmen, die im Vordergrund der Luxemburger Erklärung stehen, soll ein konstruktiver Beitrag zu den geforderten Reformen geleistet werden. Hierzu zählen wir vor allem auch eine Anpassung und Verschärfung des EG-Verhaltenskodex für Unternehmen mit Tochtergesellschaften in Südafrika. Die Bundesregierung wirkt durch den Kodex darauf hin, daß im Bereich dieser Unternehmen Rassendiskriminierungen abgebaut und die Arbeits- und Lebensbedingungen der schwarzafrikanischen Arbeitnehmer verbessert werden.
Ein Verbot des Handelns mit Krügerand-Münzen in Deutschland entspräche nicht den Außenministerbeschlüssen. Es wäre auch, von den grundsätzlichen Bedenken gegen ein Wirtschaftsembargo abgesehen, ein viel zu punktueller und willkürlicher Ansatz, um irgendeine politische Wirkung auf Südafrika erwarten zu lassen.
Im übrigen haben schon die Marktkräfte für eine erhebliche Verringerung des Absatzes von südafrikanischen Goldmünzen in der Bundesrepublik gesorgt. Die Einfuhr von Krügerrand-Goldmünzen ist seit Jahren rückläufig. Während 1981 für 573 Millionen DM Münzen in die Bundesrepublik eingeführt wurden, waren es 1983 nur noch für 380 Millionen und 1985 nur noch für 218 Millionen DM. Dies ist ein Rückgang von 62% innerhalb von vier Jahren.
Ein weiterer Grund spricht gegen das beantragte Verbot. Die Bundesrepublik ist eines der wenigen Länder auf der Welt, in denen es keinerlei Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs mit dem Ausland gibt. In den entsprechenden internationalen Gremien bemüht sich die Bundesregierung nachdrücklich, auch andere Länder von der Notwendigkeit einer Liberalisierung ihres Kapital- und Zahlungsverkehrs zu überzeugen und für eine entsprechende Politik zu gewinnen.
Schließlich noch einige Worte zu den rechtlichen Gründen, die gegen das An- und Verkaufsverbot sprechen. Nach dem Außenwirtschaftsgesetz kann der Verkehr mit ausländischen Zahlungsmitteln nur in eng begrenzten Fällen beschränkt werden. Eine Beschränkung könnte im vorliegenden Fall nur darauf gestützt werden, daß unsere auswärtigen Beziehungen bei weiterem Handel mit Krügerrand-Münzen erheblich gestört würden. Hierfür liegt kein Ansatzpunkt vor.
Noch einmal: Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, den Antrag der Fraktion der GRÜNEN abzulehnen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019833000
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Frau Borgmann und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3818. Es ist namentliche Abstimmung gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung von der Fraktion der GRÜNEN beantragt. Das Verfahren ist bekannt.
Ich eröffne die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ist ein Mitglied des Bundestages im Saal, das die Absicht hat, noch abzustimmen?
Meine Damen und Herren, der zweite Aufruf zur Beteiligung an der namentlichen Abstimmung. Besteht noch das Bedürfnis? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Stimmen auszuzählen.*)
Bestehen Einwendungen dagegen, wenn ich jetzt den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe und das Ergebnis bekanntgebe, wenn es vorliegt? — Ich sehe Zustimmung.
Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 5 auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Müller (Bremen), Vogel (München),
Tatge und der Fraktion DIE GRÜNEN Haushaltspolitische, ökologische und entwicklungspolitische Risiken der Ausfuhrbürgschaften
— Drucksachen 10/3855, 10/4549 —
Hierzu liegen Entschließungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/5047 und der Fraktion der SPD auf 10/5072 vor.
Im Ältestenrat ist eine Aussprache von je zehn Minuten für jede Fraktion vorgesehen worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller (Bremen).

Dr. Joachim Müller (GRÜNE):
Rede ID: ID1019833100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten eine Reihe von Gründen, diese Anfrage zu stellen. Erstens wollten wir wissen, inwieweit entwicklungspolitische, soziale und insbesondere ökologische Kriterien in die Bewilligung von Hermesbürgschaften eingehen. Zweitens hat es bei den Hermesbürgschaften in den letzten drei Jahren eine dramatische finanzielle Entwicklung gegeben.
1975 hatten wir bei den Hermesbürgschaften noch ein positives Jahresergebnis von 267 Millionen DM. Dagegen mußten aus dem Bundeshaushalt 1983 733 Millionen DM und 1984 sogar 1 206 000 000 DM zugeschossen werden. 1984 also 2,1 Milliarden DM Schadenszahlung und 1,2 Milliarden DM Zuschuß an Steuergeldern. Das sind die Fakten.
Doch was sagt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage dazu? Sie sagt auf Seite 1 der Antwort:
*) Ergebnis Seite 15327
Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß das Instrument der Ausfuhrbürgschaften sich durch kostendeckende Entgelte selbst trägt.
Und weiter sagt sie:
Die Ausfuhrgewährleistungen haben keinen Subventionscharakter.
Ja, was sollen dann eigentlich die 2,7 Milliarden DM Steuergelder sein, die zur Absicherung von Exportrisiken aus dem Bundeshaushalt bezahlt worden sind, außer eben Subventionen? Sollen das vielleicht Spendengelder oder gar Almosen für die Exportindustrie oder ein „Notopfer Export" sein? Oder wie wollen Sie eigentlich den Tatbestand bezeichnen, daß aus Bundesmitteln Exportrisiken finanziert und abgedeckt werden?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es ist doch eine Tatsache, daß das, was den Hermesbürgschaften an Gebührenerträgen gegenübersteht, die Risiken nicht mehr trägt. Wenn Sie wie sonst marktwirtschaftlich argumentieren würden — ich unterstelle das einmal —, gibt es in dieser Situation nur eine einzige Lösung: radikale Anhebung der Gebühren, damit sich das deckt. Eine andere Lösung wäre nicht als marktwirtschaftlich zu bezeichnen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Diese Zahlungen gehören also offen und ehrlich in den Subventionsbericht der Bundesregierung, damit endlich Schluß ist mit der Behauptung, daß diese Bundesregierung weniger Subventionen bezahlen würde als andere Regierungen.
Ich rechne Ihnen das gerne vor. Im Subventionsbericht weisen Sie aus: von 1985 auf 1986 ein Minus von 600 Millionen DM gezahlten Subventionen. Würden Sie die 1,2 Milliarden DM dazurechnen, mit der Sie die Exportindustrie subventioniert haben, würde in dem Subventionsbericht stehen müssen: plus 600 Millionen DM. Sie würden nicht mehr landauf, landab argumentieren können, Sie seien der Held, der die Subventionen auf irgendeine Art und Weise kürzen könne.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich will hier nicht grundsätzlich gegen Export argumentieren. Ich weiß von den fundamentalen Vorteilen eines internationalen Warenaustausches. Ich weiß auch, wie viele Arbeitsplätze in der Bundesrepublik vom Export abhängig sind. Und ich weiß auch, daß es grober Unfug wäre, einen grundsätzlichen Ausstieg aus der Exportindustrie zu fordern. Aber ich weiß auch von der schädlichen Wirkung in Ländern der Dritten Welt durch Exportprojekte, durch Industrialisierungsprojekte und durch die Art und Weise, wie die Finanzierung auf Kosten dieser Länder selbst durchläuft.
Meine Damen und Herren, Sie betreiben nicht nur die Verschleierung eines Subventionstatbestandes, sondern auch die Hineinsubventionierung der Bundesrepublik in eine überzogene Exportabhängigkeit auf Kosten der Steuerzahler. Bitte verschonen Sie uns mit dem sonst üblichen Argument, daß das irgendwelchen kleinen und mittleren Betrieben zugute kommen werde. Es sind nicht die kleinen



Dr. Müller (Bremen)

und mittleren Betriebe, die Atomkraftwerke nach Ägypten, Brasilien oder China liefern; Atomkraftwerke, die dort so unnütz sind wie ein Kropf.
Sie subventionieren die Risiken von Großunternehmen weg, die in der Regel reich genug sind, angemessene Gebühren zu bezahlen. Wir fordern eine angemessene Gebührenzahlung im Bereich der Hermes-Bürgschaften. Ich denke beispielsweise an den Siemens-Konzern. Auch er profitiert von den Exportsubventionen aus den Hermes-Bürgschaften.
Mit ihren Exportsubventionierungen vertieft diese Bundesregierung auf Kosten der Steuerzahler die weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte. Es ist abzusehen, daß dies zur Destabilisierung des Welthandels beitragen wird.
1985 hatte die Bundesrepublik mit ca. 73 Milliarden DM den zweithöchsten Exportüberschuß in der Welt; einen Überschuß, der Ihrem sonstigen Gleichgewichtsdenken, meine Damen und Herren von der CDU, völlig widerspricht und der auf Kosten anderer erzielt wird.
Nun könnte man meinen, daß die Subventionierung des Exportes ein vorübergehendes Phänomen einer besonderen Unsicherheit des Weltmarktes sei. Doch in der Antwort auf die Große Anfrage wird das Gegenteil deutlich: Sie gedenken sich auf eine Dauersubventionierung einzulassen. Bis 1989 gehen Sie von 4,9 Milliarden DM Zahlungen für die Hermes-Bürgschaften aus. Bis dahin erwarten Sie 11,5 Milliarden DM an Schadenszahlungen. Das sind erhebliche Größen.
Ein Blick auf die am stärksten bedienten Länder macht deutlich, daß diese Schätzungen noch wesentlich zu tief gegriffen sind. Beim höchsten Obligo finden wir Länder wie Brasilien, Libyen — man höre! —, Irak, Nigeria, Indonesien und natürlich wieder einmal Südafrika. Der deutsche Steuerzahler subventioniert also zur Zeit den Export nach Südafrika. Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich fordere Sie hiermit auf, keine Hermes-Bürgschaften für Südafrika zuzulassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der CDU, Libyen liegt in der Reihe der Nehmerländer bereits an vierter Stelle. Es ist noch nicht so lange her, da haben Sie uns freundschaftliche Beziehungen zu dem kriminellen Spinner Gaddafi vorgeworfen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ach, auf einmal!)

Ihnen kann man zu Recht vorwerfen, meine Damen und Herren, daß Sie die Finanziers von Gaddafi sind. Das halte ich für ganz entscheidend, und das muß hier auch einmal gesagt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun zu dem, was Sie alles subventionieren. Da das mit Steuergeldern geschieht, liegt es im allgemeinen Interesse, Kriterien für Hermes-Bürgschaften zu fordern. Es gilt doch, statt Großstaudämme und AKWs an die Verhältnisse in der Dritten Welt angepaßte Technologien zu fördern und diese möglicherweise auch zu exportieren. Statt kapitalintensiver High-Tech brauchen die Länder der Dritten Welt landwirtschaftliche Maschinen, durch deren Einsatz die Grundbedürfnisse der Bevölkerung sichergestellt werden können. Wir fordern, daß diese Art der Exportsubventionierung mit Hilfe der Hermes-Bürgschaften sofort eingestellt wird.
Wir fordern weiterhin, daß Vertreter von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen in den IMA aufgenommen werden, wie es in unserem Antrag zu lesen ist. Wir erklären weiterhin, daß sich — wenn Sie hier noch einmal von Marktwirtschaft reden — Ihre Glaubwürdigkeit daran mißt, ob Sie bereit sind, die Gebühren für die Hermes-Bürgschaften marktwirtschaftlich anzupassen. Das sind Maßstäbe, die Sie selbst setzen. Die sollten Sie auch einhalten.
Nun zu den Anträgen. Wir finden den Antrag der sozialdemokratischen Partei sehr gut. Wir finden, daß in einigen Punkten weiter gegangen werden müßte, insbesondere bei den Kriterien für den Export. Wir glauben, daß hierzu Kataloge aufgestellt werden müssen, um deutlich zu machen, was für die Länder der Dritten Welt nun sinnvoll ist und was nicht. Aber in der grundsätzlichen Intention, in der Zielrichtung, stimmen wir diesem Antrag zu.
Nun zu unserem Antrag. Es ist einfach notwendig, bei der Frage des Exports in Länder der Dritten Welt viel stärker als bisher entwicklungspolitische Aspekte zu akzeptieren und zu berücksichtigen. Um das zu erreichen, haben wir unseren Antrag gestellt. Wir bitten Sie, ihm zuzustimmen.
Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019833200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lippold.

Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1019833300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die starke außenwirtschaftliche Verflechtung der Bundesrepublik Deutschland ist nicht nur für unsere Wirtschaftspolitik, sondern für unsere Politik insgesamt eine Herausforderung. Die Entwicklung unserer Wirtschaft wird heute mehr denn je durch diese außenwirtschaftliche Verflechtung bestimmt. War es noch vor zwei Jahrzehnten ein Anteil von knapp 20 %, so ist es heute immerhin ein Anteil von rund 35 % unseres Bruttosozialprodukts, bei dem außenwirtschaftliche Verflechtungen vorliegen. Das ist ein ganz erheblicher Anteil.
Aber nicht nur bei uns hat die Verflechtung mit der Weltwirtschaft zugenommen. Das gilt auch für andere Industrieländer, aber es gilt in mindestens ebenso starkem Maße für die Entwicklungsländer. Niemand darf sich deshalb der Grundeinsicht verschließen, daß durch Ausmaß und Qualität der internationalen Verflechtungen Bindungen entstanden sind, denen wir heute Rechnung tragen müssen. Zur weltwirtschaftlichen Integration gibt es für uns keine Alternative.



Dr. Lippold
Ich möchte eines deutlich machen: Bezüglich des Exportüberschusses, den Sie angeführt haben, sollte man nicht in eine falsche Euphorie verfallen. Die Wirtschaft der Bundesrepublik hat in den Jahren von 1979 bis 1981 gezeigt, daß sie außenwirtschaftlich durchaus verwundbar ist. Wir hatten damals Defizite. Wir haben diese Schwächephase überwinden können. Aber das ist noch lange kein Grund, heute in Euphorie zu verfallen. Wir müssen auch heute Vorsorge dafür treffen, daß wir auch in Zukunft auf allen relevanten Märkten vertreten sind.
Ich sage in diesem Zusammenhang ganz deutlich, daß dies auch für Märkte in Entwicklungsländern gilt. Eine entsprechende Vorsorge liegt nicht nur im Interesse der Bundesrepublik selbst, sondern ist gerade auch für die Entwicklungsländer von wesentlicher Bedeutung. Zwei Drittel aller Mittel, die wir heute durch Ausfuhrbürgschaften absichern, gehen in Projekte, die für Entwicklungsländer bestimmt sind. Das macht nicht nur deutlich, wie notwendig das ist. Das macht auch deutlich, daß dort eine Nachfrage besteht, auf die wir eingehen sollten, auch im Interesse dieser Länder selbst.
Nun wird der Vorwurf erhoben, daß wir hier subventionierten. Die Finanzierungskonditionen im Außenhandel sind ein wichtiges Element des Wettbewerbs. Um so störender wirken Verzerrungen in den Finanzierungskonditionen, die auf Zins- und sonstige staatliche Subventionen zurückzuführen sind.
Die Bundesregierung hat sich deshalb, insgesamt gesehen, nicht an der Eskalierung des Konditionenwettbewerbs beteiligt und wird dies auch in Zukunft nicht tun. Sie wird sich weiterhin für eine Begrenzung der Wettbewerbsverzerrung in den Finanzierungskonditionen einsetzen. Wir waren in der Vergangenheit auf diesem Gebiet erfolgreich. Wir werden an diese erfolgreiche Politik anknüpfen.
Das macht auf der anderen Seite aber auch deutlich, daß es auch bei der Frage der Ausfuhrbürgschaften und der Deckung durch Hermes das Ziel ist, daß dieses Instrument keinen Subventionscharakter bekommt.
Wenn Sie jetzt einmal von der kurzfristigen Betrachtung abgehen: Keiner hat in den ersten Jahrzehnten davon gesprochen, als über diese Ausfuhrbürgschaften Mittel erwirtschaftet wurden, die dem Haushalt zugeführt wurden, daß man die Konditionen verändert, um diese Überschüsse zu verhindern. Wenn wir heute auflisten, was seinerzeit an Überschüssen im Vergleich zu den Defiziten, die wir jetzt einfahren erzielt worden ist, ist die Bilanz immer noch positiv. Deshalb muß ganz eindeutig gesagt werden: Dies ist kein Subventionsinstrument. Wir werden natürlich sehen, daß wir in Zukunft wieder darauf hinarbeiten können, daß dies auch so bleibt. Wir haben die entsprechenden Konditionen deutlich verschärft — das ist ein wesentlicher Schritt —, und zwar haben wir sie um 40 angehoben. Wir müssen allerdings auch sehen, daß auf Grund der weltwirtschaftlichen Entwicklung zur Zeit eben mehr Risikomärkte als früher gegeben sind. Das ist aber für uns noch lange kein
Grund, aus diesen Märkten auszusteigen und die Konditionen für unsere Wirtschaft insgesamt zu verschlechtern.
Schon heute müssen wir sehen, daß dies im Gegensatz zu Ihrer Darstellung weite Bereiche der deutschen Wirtschaft genau gegenteilig sehen und meinen, daß sie im Vergleich zu anderen Industrienationen wesentlich schlechter dastehen,

(Walther [SPD]: Das stimmt sogar!)

und auf Fonds hinweisen, die es in den USA gibt usw. Man muß das ganz deutlich sehen. Wenn Sie das im einzelnen vergleichen, ist das so.
Wir bleiben dabei, daß wir sagen: Wir wollen trotzdem nicht in diesen Subventionswettlauf hineingehen. Aber wir müssen natürlich sehen,

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Also doch Subventionen!)

daß wir die Wettbewerbsbedingungen für unsere heimische Wirtschaft so schaffen, daß sie nach wie vor auf allen Märkten mithalten kann, wo dies erforderlich ist, insbesondere auf den Zukunftsmärkten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Zukunftsmärkte liegen nicht nur in den Industrieländern, sondern gerade auch in den Ländern der Dritten Welt.
Weil dieses Instrumentarium ein positives Instrumentarium ist, verbessern wir es jetzt. Ich gebe nur einige Stichworte: Progress payment; ich gehe auf das Treuhandmodell jetzt nicht im einzelnen ein; auch die Forderungsabtretungen werden dazu beitragen, daß dieses Instrument in Zukunft griffiger ist.
Jetzt zum Vorwurf der haushaltspolitischen Risiken. Sie haben das, was Sie vorgetragen haben, ja gar nicht so ernst gemeint. Das geht aus folgendem hervor: Wenn ich lediglich einmal Ihre Anträge zum letzten Bundeshaushalt nehme und sehe, welche Unterdeckung dort vorlag, wird deutlich, daß die Position der haushaltspolitischen Unterdeckung für Sie heute ja nur ein Vorwand ist, um ein Ihnen mißliebiges Instrument angreifen zu können. Im Grunde genommen — das zeigen Ihre Anträge zur Haushaltspolitik ganz deutlich — geht es Ihnen ja gar nicht um eine solide Haushaltspolitik. Wir wollen das einmal ganz deutlich sagen. Wenn Sie wollen, können wir jederzeit gerne in die Einzelkritik hineingehen.

(Tatge [GRÜNE]: Machen Sie mal! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Sie sagen dann weiter, es gebe entwicklungspolitische Bedenken. Ich bleibe dabei: Zwei Drittel der beanspruchten Maßnahmen betreffen Deckungsmaßnahmen für Entwicklungsländer. Das zeigt — ich wiederhole es —, wie notwendig das ist. Es geht auch — ich bitte Sie, da zuzuhören — um Projekte, die von den Entwicklungsländern selbst ausgeschrieben waren. Ich frage mich: Woher nehmen Sie eigentlich diese elitäre Arroganz, daß Sie besser als diese Länder selbst wissen, was für sie gut ist? Woher nehmen Sie eigentlich diese elitäre Arro-



Dr. Lippold
ganz? Das ist etwas, was Sie nicht beantworten können.

(Tatge [GRÜNE]: Sie palavern nur!)

Sie stellen sich hin und sagen: Diese Projekte sind schädlich. Um welche Projekte geht es denn dabei? Meinen Sie das Wärmekraftwerk auf der Basis heimischer Energiequellen, das verhindert, daß Wälder abgeholzt werden? Sie beklagen doch gerade, daß der Tropenwald wegen des Energiemangels in diesen Ländern vernichtet wird. Das gleiche gilt für den Kernkraftwerksbereich. Meinen Sie etwa die Errichtung von Nahverkehrssystemen in Hauptstädten von Entwicklungsländern? Sie sind doch sonst für die Entwicklung von Nahverkehrssystemen. Warum auf einmal diese pauschalierte Verunglimpfung? Da zeigt sich doch ganz deutlich, wie unsolide hier gearbeitet wird

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Wer spricht von pauschaliert?)

und wie lediglich das ideologische Ziel, etwas gegen ein ungeliebtes Instrument zu tun, gegenüber jeglicher sachlicher Überlegung im Vordergrund steht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir können dabei ganz deutlich sagen: Auch Kernkraft ist ein positiver Beitrag zum Umweltschutz. Auch wenn in Entwicklungsländern Kernkraftwerke realisiert werden

(Abg. Tatge [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— im Hinblick auf die Kürze der Zeit keine Zwischenfragen! —, ist dies ebenso ein Beitrag dazu, daß Energie aus einer Quelle kommt, die weniger umweltzerstörend ist, als wenn die heimischen Wälder abgeholzt würden. Wir müssen das einmal mit allem Nachdruck sagen. Aus Kernkraftwerken kommen auch keine 502- und Stickoxidemissionen, die es in anderen Bereichen gibt.

(Zuruf des Abg. Tatge [GRÜNE])

Deshalb sind wir ganz klar und eindeutig der Meinung, daß wir dies in der Form von Ihnen nicht akzeptieren können. Das ist ein Punkt, weshalb wir hier z. B. für den Vorschlag der SPD nicht votieren können. Einem Teil des Entschließungsantrags der SPD können wir selbstverständlich zustimmen: „Das Instrument der Ausfuhrbürgschaften des Bundes ist weiterhin unverzichtbar." Das brauchen wir nicht zu beschließen; darüber besteht Konsens. Weiter heißt es: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, Ausfuhrbürgschaften für den Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern außerhalb des NATO-Bereichs ... nicht mehr zu erteilen." Auch das ist selbstverständlich.

(Tatge [GRÜNE]: Das machen Sie aber!)

— Das ist die praktische Handhabung, wie die Bundesregierung in der Beantwortung der Großen Anfrage gerade bestätigt hat.

(Zuruf des Abg. Tatge [GRÜNE])

Wenn Sie auf Schnellbrutreaktoren abstellen, müssen wir Ihnen halt sagen, daß wir in der Frage
Kernkraftwerke unterschiedlicher Meinung sind
und bleiben werden. Ich erinnere mich nur allzu gut, daß vor nicht allzulanger Zeit an diesem Pult jemand stand, der als hessischer Wirtschaftsminister noch davon sprach, jährlich müsse mindestens ein Kernkraftwerk zugebaut werden. An den Fakten hat sich seitdem eigentlich nichts geändert, nur an seiner Meinung. Ob das mit koalitionärer Rücksichtnahme zusammenhängt, wäre zu prüfen. Darauf könnte jederzeit noch eingegangen werden.
Wir glauben, daß dieses Instrument Ausfuhrbürgschaften zur Sicherung des Exports wichtig ist — nicht um seiner selbst willen, sondern weil wir in diese außenwirtschaftliche Verflechtung eingebunden sind. Dieser Export sichert auf der anderen Seite klar und deutlich Beschäftigung hier in der Bundesrepublik Deutschland. Das zu erreichen ist ein hohes Ziel.
Deshalb werden wir bei dem Instrumentarium in der bisherigen Art und Weise bleiben. Wir werden das Instrumentarium weiter verbessern und die Bundesregierung dabei unterstützen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019833400
Bevor ich das Wort weiter erteile, gebe ich das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Drucksache 10/3818 bekannt. Abgegeben wurden 393 Stimmen. Davon war keine ungültig. Mit Ja haben 155, mit Nein 237 Abgeordnete gestimmt; enthalten hat sich ein Abgeordneter.
Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen 391 Abgeordnete; davon
ja: 155 Abgeordnete
nein: 235 Abgeordnete
enthalten: 1 Abgeordneter
Ja
SPD
Amling
Antretter Bachmaier Bamberg Bernrath Bindig
Brandt
Buckpesch Büchler (Hof)

Büchner (Speyer)

Dr. von Bülow Catenhusen
Collet
Conradi
Dr. Corterier
Curdt
Frau Dr. Däubler-Gmelin Daubertshäuser
Delorme
Dr. Diederich (Berlin) Dreßler
Duve
Dr. Emmerlich
Esters
Ewen
Fischer (Osthofen) Franke (Hannover)
Frau Fuchs (Köln) Frau Fuchs (Verl) Gansel
Gerstl (Passau) Gilges
Glombig
Grunenberg
Dr. Haack
Hansen (Hamburg)

Dr. Hauchler Hauck
Heimann
Heistermann Herterich
Hettling
Dr. Holtz
Horn
Frau Huber
Huonker
Ibrügger
Jahn (Marburg) Jansen
Junghans
Kastning
Kiehm
Kirschner
Kisslinger
Klein (Dieburg)




Vizepräsident Stücklen
Dr. Klejdzinski
Kolbow Kretkowski
Dr. Kübler
Kühbacher
Kuhlwein
Leonhart Liedtke
Lohmann (Witten)

Frau Luuk
Frau Matthäus-Maier Meininghaus
Dr. Mitzscherling
Müller (Schweinfurt)

Dr. Müller-Emmert Müntefering
Nagel
Nehm
Frau Odendahl Oostergetelo
Paterna
Dr. Penner
Peter (Kassel)

Porzner Purps
Ranker
Rapp (Göppingen)

Frau Renger
Reschke Reuter Rohde (Hannover)

Roth
Sander Schanz Schlaga Schluckebier
Frau Schmedt (Lengerich)

Schmidt (München)

Frau Schmidt (Nürnberg) Schmidt (Wattenscheid) Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude
Dr. Schöfberger Schreiner
Schröer (Mülheim)

Dr. Schwenk (Stade) Sielaff
Sieler (Amberg)

Frau Simonis
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Sperling
Dr. Spöri
Stahl (Kempen)

Stiegler Stobbe Dr. Struck
Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer
Vahlberg
Verheugen
Dr. Vogel
Vogelsang
Waltemathe
Walther
Wartenberg (Berlin) Weisskirchen (Wiesloch) Westphal
Frau Weyel
Wieczorek (Duisburg) Wiefel
von der Wiesche
Wimmer (Neuötting) Wischnewski
Witek
Dr. de With
Wolfram (Recklinghausen)

Würtz
Zander Zeitler
DIE GRÜNEN
Auhagen Bueb
Frau Dann Frau Eid Frau Hönes
Frau Kelly Mann
Dr. Müller (Bremen) Rusche
Schily
Schulte (Menden)

Senfft
Ströbele Tatge
Tischer
Vogel (München) Volmer
Frau Wagner
Werner (Westerland)

fraktionslos Bastian
Nein
CDU/CSU
Frau Augustin Austermann
Bayha
Dr. Becker (Frankfurt) Berger
Frau Berger (Berlin)

Dr. Berners
Biehle
Dr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm Dr. Bötsch Bohlsen Borchert Boroffka Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler (Bruchsal)

Dr. Bugl Buschbom Carstens (Emstek)

Carstensen (Nordstrand) Clemens
Dr. Czaja Dr. Daniels
Frau Dempwolf
Deres
Dolata
Doss
Echternach
Ehrbar
Eigen
Engelsberger
Eylmann
Dr. Faltlhauser
Fellner
Frau Fischer
Fischer (Hamburg) Francke (Hamburg) Funk
Ganz (St. Wendel)

Dr. von Geldern
Gerlach (Obernau) Gerstein
Gerster (Mainz)

Glos
Dr. Göhner
Dr. Götz Götzer
Günther Dr. Häfele
von Hammerstein
Hanz (Dahlen)

Haungs
Hauser (Esslingen)

Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger
Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann (Soltau) Dr. Hornhues
Hornung
Frau Hürland
Dr. Hüsch
Dr. Hupka
Jäger (Wangen)

Jagoda
Dr. Jahn (Münster)

Dr. Jenninger
Dr. Jobst
Jung (Lörrach)

Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kiechle
Klein (München)

Dr. Köhler (Wolfsburg) Kolb
Kraus
Kroll-Schlüter
Frau Krone-Appuhn
Dr. Kronenberg
Dr. Kunz (Weiden)

Dr. Lammert
Landré
Dr. Langner
Lattmann
Dr. Laufs
Link (Frankfurt) Linsmeier
Lintner
Dr. Lippold
Löher
Lohmann (Lüdenscheid) Dr. h. c. Lorenz
Louven Lowack Maaß
Frau Männle
Magin Metz
Michels Milz
Dr. Möller
Dr. Müller
Müller (Remscheid) Müller (Wadern)
Müller (Wesseling)

Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog
Frau Pack
Pfeffermann
Pfeifer
Dr. Pfennig
Dr. Pinger
Pöppl
Pohlmann
Dr. Pohlmeier
Dr. Probst
Rawe
Reddemann Regenspurger
Dr. Riesenhuber
Rode (Wietzen) Frau Rönsch

(Wiesbaden) Frau Roitzsch


(Quickborn) Dr. Rose

Rossmanith Roth (Gießen) Rühe
Ruf
Sauer (Salzgitter)

Sauer (Stuttgart) Saurin
Sauter (Epfendorf) Sauter (Ichenhausen) Scharrenbroich Schemken
Scheu
Schlottmann Schmidbauer
Schmitz (Baesweiler) von Schmude Schneider

(Idar-Oberstein)

Dr. Schneider (Nürnberg) Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder (Freiburg) Dr. Schulte

(Schwäbisch Gmünd) Schultz (Wörrstadt) Schulze (Berlin) Schwarz

Dr. Schwarz-Schilling Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Dr. Freiherr
Spies von Büllesheim Spilker
Dr. Sprung
Dr. Stark (Nürtingen) Dr. Stercken Stockhausen Straßmeir
Strube
Stücklen
Stutzer
Susset
Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel (Ennepetal)

Vogt (Duren)

Dr. Voigt (Northeim)

Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt
Dr. Waigel
Dr. Warnke
Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiß
Werner (Ulm) Frau Will-Feld Wilz
Wimmer (Neuss) Windelen
Frau Dr. Wisniewski Wissmann
Dr. Wittmann Wittmann (Tännesberg) Würzbach
Dr. Wulff
Zierer
Dr. Zimmermann
Zink
SPD
Eickmeyer Fiebig



Vizepräsident Stücklen FDP
Frau Dr. AdamSchwaetzer
Baum Beckmann
Bredehorn
Cronenberg (Arnsberg) Eimer (Fürth) Engelhard
Gallus
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Hirsch
Hoffie Hoppe
Kleinert (Hannover) Kohn
Dr.-Ing. Laermann Mischnick
Möllemann
Neuhausen
Paintner
Ronneburger
Dr. Rumpf
Schäfer (Mainz)

Frau Dr. Segall
Dr. Solms
Dr. Weng (Gerlingen) Wolfgramm (Göttingen)
fraktionslos
Handlos
Voigt (Sonthofen)

Enthalten
SPD
Haase (Fürth)

Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Walther.

Rudi Walther (SPD):
Rede ID: ID1019833500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sosehr wir es begrüßen, daß durch die Große Anfrage der Fraktion DIE GRÜNEN und deren Beantwortung durch die Bundesregierung hier eine Debatte zu diesem ja nicht ganz unwichtigen Thema stattfindet, so sehr müssen die angedeuteten und von Ihnen, Herr Kollege Dr. Müller, hier auch vorgetragenen Gründe dieser Großen Anfrage bei uns große Zweifel erwecken. Wir Sozialdemokraten halten — was wir in unserem Antrag auch zum Ausdruck bringen — das Instrument der Ausfuhrbürgschaften für unverzichtbar, weil es im wohlverstandenen Interesse unserer Volkswirtschaft, einer großen Anzahl exportorientierter deutscher Unternehmen liegt und vor allem der Sicherung der Arbeitsplätze in solchen Unternehmen dient. Wir teilen deshalb, Herr Kollege Müller, die generellen Vorbehalte, die in der Großen Anfrage und heute von Ihnen zum Ausdruck gebracht wurden, nicht.
Andererseits verschweigen wir aber auch nicht, daß wir in einigen — ich gebe zu: wenigen — bestimmten Einzelfällen mit Bürgschaftsgewährungen durch die Bundesregierung nicht einverstanden sind und manche reichlich lapidaren Antworten, insbesondere zur Verbürgung von Rüstungsgeschäften im weiteren Sinne und von Atomanlagen, bedauern. Wir hätten da — das sage ich der Regierung ganz freimütig — gern ein paar bessere, substantiellere Antworten gesehen. Hier hätten klarere und präzisere Auskünfte zu einer sachgerechteren Debatte beitragen können. Ich will gerne einräumen — deshalb rede ich ja hier —, daß die Bundesregierung in regelmäßigen Abständen den Haushaltsausschuß über relevante Ausfuhrbürgschaften informiert. Diese Information kann aber die Dürftigkeit einiger Antworten nicht ersetzen.
Nun bin ich beim Thema Subventionen. Man kann theoretisch lang darüber streiten — der Herr Kollege Müller hat es gemacht —, ob die Ausfuhrbürgschaften und vor allem die daraus entstehenden Risiken für den Bundeshaushalt Subventionen im eigentlichen Sinn sind. Trotz dessen, was wir
gestern im Haushaltsausschuß gehört haben, Herr Kollege Müller, neige ich der Meinung zu, daß es im eigentlichen Sinn keine Subventionen sind, besonders wenn man — das ergibt sich beim Vergleich der Einnahmen und Ausgaben — bedenkt, daß wir in früheren Jahren Überschüsse und keine Defizite hatten.
Aber selbst wenn es sich dabei um Subventionen handelt, wäre das aus unserer Sicht nicht zu kritisieren. Sicher handelt es sich dabei um ein Instrument der Exportförderung. Aber ich sage für uns: Das ist auch so gewollt. Man darf nämlich nicht übersehen, daß Ausfuhrbürgschaften in aller Regel nur für Aufträge aus solchen Länder gewährt werden, bei denen es aus mancherlei Gründen, insbesondere aus Zahlungsbilanz- und Währungsgründen, Risiken gibt, die vielfach die Kraft eines einzelnen Unternehmens übersteigen müssen.
Herr Kollege Müller, im Gegensatz zu Ihnen bin ich der Auffassung — Sie sollten einmal das lesen, was Ihnen im Haushaltsausschuß alle Vierteljahr zugestellt wird —, daß gerade mittelständische Unternehmen bei solch schwierigen Märkten kaum in das Exportgeschäft kommen könnten, weil ein Eintritt des Versicherungsfalles den Ruin des Betriebes bedeuten müßte, gäbe es nicht das Instrument der Hermes-Bürgschaften. Es geht also im wesentlichen darum — das möchte ich für uns gern noch einmal betonen —, nicht dort durch Bürgschaften Hilfe zu leisten, wo der Export ohne Schwierigkeiten floriert. Bei Exporten nach Amerika wird ja niemand eine Bürgschaft in Anspruch nehmen wollen. Vielmehr geht es darum, gerade auf schwierigen Märkten, die vielfach auch Märkte der Zukunft sind, nicht anderen das Feld zu überlassen und insbesondere der mittelständischen Industrie Sicherheit zu geben.
Sie, Herr Kollege, haben das schon zu Recht angeschnitten. Wer sich ein wenig auf diesem Gebiet auskennt, weiß, daß viele andere Industrieländer sehr viel massiver ihrer Exportindustrie unter die Arme greifen — wirklich sehr viel massiver. Deshalb haben wir Sozialdemokraten — da bin ich anderer Meinung als Sie und noch anderer Meinung als der Kollege Müller — auch die zum 1. April 1984 vorgenommenen Erhöhungen der Entgeltsätze um durchschnittlich 40 % kritisiert. Unsere Sorge, daß durch die neue Höhe der Entgelte die bei solchen Exportgeschäften zu erzielenden Gewinnmargen aufgefressen werden, sind nicht geringer geworden. Denken Sie nur an bestimmte Bereiche des Maschinenanlagenbaus.
Ich bin mir bewußt, daß die Risiken für den Bundeshaushalt durchaus beachtlich sind. Aber deshalb muß man abwägen, ob die Risiken für den Bundeshaushalt schwerwiegender zu werten sind als der mögliche, ja sogar wahrscheinliche Verlust von Exportmärkten der Zukunft.
Wir begrüßen aus dieser Einstellung heraus die Überarbeitung des Ausfuhrgewährleistungsinstrumentariums, wie sie die Bundesregierung in ihrer Antwort angekündigt hat. Sie haben auf die Einzelheiten hingewiesen; ich kann mir an dieser Stelle eine Wiederholung ersparen. Ich sage nur: Wir be-



Walther
grüßen das ausdrücklich, weil, Herr Kollege Roth, das dem entspricht, was wir im Haushaltsausschuß gefordert haben und was wir Sozialdemokraten in dieser Debatte auch für richtig gehalten haben.
Sosehr also meine Fraktion das Instrument der Ausfuhrbürgschaften bejaht und insbesondere auch die angestrebte größere Beweglichkeit in der Handhabung durch die Bundesregierung begrüßt, so wenig kann ich verschweigen, daß wir hinsichtlich der Bürgschaftsgewährung in einzelnen Fällen Bedenken haben. Das kommt ja auch in unserem Antrag zum Ausdruck. Der Übernahme von Bürgschaften beim Export von umweltschädlichen Anlagen, die auch bei uns zu Hause nicht geduldet werden, können wir ebensowenig zustimmen wie der Verbürgung von manchen Waffengeschäften. Beides hat nämlich mit der von uns Sozialdemokraten gewollten Motivation für die Gewinnung neuer, zukunftsträchtiger Exportmärkte nichts zu tun. Im Gegenteil.
Wir bedauern auch ausdrücklich, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, Exporte nach Südafrika nicht mehr zu verbürgen, und zwar auch aus Gründen der Haushaltsrisiken; denn es ist abzusehen, daß diese Risiken eintreten werden.

(Zustimmung des Abg. Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE])

Ich brauche das an dieser Stelle nicht weiter zu erläutern. Jeder, der sich auskennt, weiß, wovon ich rede.
Nun sage ich zu Ihnen, Herr Kollege Dr. Müller: Gleichwohl können wir dem Entschließungsantrag — er soll ja wohl überwiesen werden, aber ich schicke das schon einmal voraus — nicht zustimmen. Schon die Begründung — ich bin da ein bißchen anderer Meinung als Sie, Herr Kollege —, Ausfuhrgewährleistungen würden im Schwerpunkt für Exporte in die Entwicklungsländer in Anspruch genommen, ist so nicht zutreffend. Das werden Sie feststellen, wenn Sie einmal die globalen Zahlen für die einzelnen Länder zur Hand nehmen. Oder nehmen Sie die Antwort der Bundesregierung, und stellen Sie fest, wo die höchsten Beträge verbürgt sind. Es sind nicht gerade Entwicklungsländer, über die wir dann reden. Deshalb halte ich die Begründung nicht für zutreffend. Trotz der Dürftigkeit der Antwort der Bundesregierung ist für jeden ersichtlich, meine ich, daß die Schwerpunkte in ganz anderen Bereichen liegen. Im übrigen weisen das auch die regelmäßigen Berichte der Bundesregierung an den Haushaltsausschuß aus.

(Tatge [GRÜNE]: Das ist ein .Eiertanz!)

— Lieber Herr Kollege, Sie reden wie der Blinde von der Farbe. Gucken Sie sich die Berichte an den Haushaltsausschuß an. Dann wüßten Sie, wovon Sie reden. So machen Sie nur Zwischenrufe nach der Methode: Sachverstand hindert nur am vorschnellen Urteil.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im übrigen würde eine Hinzuziehung von Organisationen, wie Sie sie beschrieben haben, zu den Sitzungen des interministeriellen Ausschusses das Instrumentarium mit Sicherheit unbeweglicher machen, die Verantwortlichkeiten auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht verschieben und letztlich auch den Versuch bedeuten, diejenigen Länder, für die Lieferungen verbürgt werden sollen, im Zweifel mit deutscher Gründlichkeit bevormunden zu wollen. Jeder, der die Empfindlichkeit von solchen Ländern kennt, weiß, wie solche Bevormundungsaktionen die Beziehungen stören können. Wir halten deswegen den Antrag der GRÜNEN für ein untaugliches Mittel. Wir selber haben mit unserem Antrag dargestellt, was wir meinen und was wir auch im Hinblick auf Exportbürgschaften, die wir nicht für besonders günstig halten, der Bundesregierung aufgeben. Wir werden darüber im Ausschuß miteinander zu diskutieren haben. Wir fordern schon hier an dieser Stelle die Bundesregierung auf, sich an das zu halten, was in unserem Entschließungsantrag steht. Aber das ändert nichts daran — das möchte ich zum Schluß gern noch einmal ganz ausdrücklich für meine Fraktion betonen und wiederholen —, daß das Instrument der Exportbürgschaften jetzt und vermutlich noch für lange Zeit als unverzichtbar angesehen werden muß.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019833600
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Segall.

Dr. Inge Segall (FDP):
Rede ID: ID1019833700
Herr Präsident! Meine noch anwesenden Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst ein paar Worte zur Bedeutung des Außenhandels für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Die Bedeutung des Außenhandels für die Bundesrepublik Deutschland liegt vor allem darin, daß wir durch Exporte von Gütern und Dienstleistungen Devisen erwirtschaften, mit denen wir jene Rohstoffe auf den Weltmärkten kaufen können, die wir nicht besitzen, vom Kaffee für den Kaffeetisch bis zum Öl für die warme Stube und die Petrochemie, oder eben Güter, die andere besser und billiger produzieren als wir. So etwas nennt man den komparativen Kostenvorteil ausnutzen, indem wir nämlich für diese Güter mit Gütern bezahlen, die wir besser und billiger herstellen können und so auch jene relativ günstig beziehen, günstiger jedenfalls, als wenn wir sie selbst produziert hätten. Ich nenne in diesem Zusammenhang auch Dienstleistungen wie die Ferienaufenthalte in fremden, meist wärmeren Ländern.
Ein freier, unverzerrter Welthandel schafft auch Arbeitsplätze. Ein solcher freier Welthandel bringt für alle, die sich daran beteiligen, Vorteile, auch für die Entwicklungsländer. So wie wir mit dem Verkauf von Gütern und Dienstleistungen den Kauf anderer Güter und Dienstleistungen finanzieren und Wohlstand und Arbeitsplätze mehren, können auch die Entwicklungsländer nur durch vermehrte Exporte zu einem steigenden Bruttosozialprodukt kommen. Voraussetzung dafür ist aber, daß ihr Außenhandel nicht nur aus dem Export ihrer Rohstoffe besteht und sie alle anderen Güter und Dienstleistungen importieren müssen, eine Situation, die insbesondere bei instabilen Rohstoffprei-



Frau Dr. Segall
sen am Weltmarkt — man denke nur an das jüngste Beispiel am Zinnmarkt — für die Entwicklungsländer unerträglich werden kann.
Daher müssen die Entwicklungsländer in die Lage versetzt werden, die Produktion von Gütern aufzubauen, bei denen sie ihren Vorteil erzielen können. Hierzu bedarf es der Hilfe auch durch den Export von Gütern und Dienstleistungen aus den Industrieländern. Da solche Exporte aber häufig mit Risiken behaftet sind, die ein einzelner Unternehmer nicht tragen kann, müssen diese Exporte abgesichert werden. Für diese besonderen Risiken des Exports gibt es in der Bundesrepublik Deutschland die Hermes-Exportkreditversicherung. Für die Bereitstellung einer solchen Bürgschaft spricht, daß damit für den deutschen Exporteur gleiche Voraussetzungen und die Bedingungen geschaffen werden, unter denen alle anderen westlichen Industrieländer und auch eine Reihe von Entwicklungsländern exportieren. Insbesondere ist eine solche Ausfuhrbürgschaft unerläßlich für den Mittelstand, der sich häufig nur bei einer solchen Absicherung am Export beteiligen kann. Darum sollte einmal erwogen werden, die zu versichernden Summen zu plafondieren. Dies würde den Bedürfnissen der mittelständischen Unternehmen mehr entsprechen. Die FDP sieht den Sinn einer solchen Bürgschaft nicht darin, daß für einzelne Großunternehmen Bürgschaften in einer Höhe übernommen werden, die dem gesamten Wirtschaftsvolumen für alle übrigen mittelständischen Unternehmen entspricht.
Zu der Idee der Hermes-Versicherung gehört, daß sie kostendeckend arbeitet. Sie hat sich auch bis 1982 selbst getragen. Die internationale Schuldenkrise hat dann allerdings zu Verlusten geführt. Durch die Erhöhung der Entgelte um rund 40 % seit dem 1. April 1984 soll wieder für eine Kostendekkung Sorge getragen werden. Diese Kostendeckung ist für die FDP so wichtig, damit die Ausfuhrbürgschaften eben nicht den Charakter von Subventionen erhalten.
Betrachtet man jetzt einmal den Fragenkatalog in der Anfrage, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als seien die meisten der sachlichen Fragen nur die Verbrämung für die ideologische Frage Nr. 15, die der Großen Anfrage ja auch ihren Titel gegeben hat. Hier wird nach Exporten von Atomkraftwerken, Waffen und ökologisch verheerenden sowie entwicklungspolitisch schädlichen Großprojekten gefragt.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: So etwas gibt es aber auf dieser Welt, gnädige Frau!)

Vor allem möchte ich feststellen: Das Thema „Ausfuhrbürgschaften" eignet sich nicht dazu, das Problem der Verschuldung der Dritten Welt zu diskutieren, wie die Fragesteller es versuchen, da die versicherten Projekte nicht typisch für die Verschuldungskrise der Dritten Welt sind.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Aber die Haushaltsrisiken ergeben sich doch aus den Verschuldungsrisiken! Das gehört doch zusammen!)

— Aber das hat doch nichts mit der Hermes-Versicherung zu tun.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Aber sicher, der Steuerzahler muß es bezahlen!)

Dann hätten Sie das Thema anders aufhängen müssen, nicht an der Hermes-Kreditversicherung.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dann hätten Sie hier eine Debatte über die Verschuldungskrise der Dritten Welt und darüber führen sollen, wo sie ihre Ursachen hat, aber nicht über die Hermes-Kreditversicherung.
Soweit eine sachliche Prüfung der Förderungswürdigkeit möglich ist, wird sie selbstverständlich durchgeführt und schließt auch die Fragen nach den möglichen ökologischen Beeinträchtigungen und anderen schädlichen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung des Importlandes — insbesondere bei Entwicklungsländern — ein.
Von all solchen Einzelfragen einmal abgesehen, kommt in dieser Großen Anfrage das Verhältnis der GRÜNEN zur Ökonomie deutlich zum Ausdruck: Am liebsten würden sie alle wirtschaftliche Betätigung eh auf Landwirtschaft oder einige handwerkliche Heimarbeit beschränken.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das ist doch Quatsch!)

Wie davon 65 Millionen Menschen in der Bundesrepublik leben können, haben sie nie erklärt. Es gibt ernst zu nehmende Berechnungen, wonach bei solchen Produktionsverhältnissen nur noch 600 000 überleben könnten. Ihre Bildungspolitik läßt allerdings keinen Zweifel daran, daß ihr Ziel eine Gesellschaft ohne industrielle Intelligenzija ist. Vor allem aber teilen sie die Ökonomie in gute und böse Ökonomie ein, und für dieses Werturteil setzen sie Vorurteile an Stelle von Urteilen als Maßstab ein.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Tatge [GRÜNE]: Und Sie haben keine Werturteile mehr!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1019833800
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Köhler.

(Walther [SPD]: Was hat der mit Hermes zu tun? — Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist doch die Nebenstelle des Wirtschaftsministeriums!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019833900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! — Nun seien Sie doch nicht so ungeduldig!

(Vorsitz: Vizepräsident Cronenberg)

Bevor ich mich den entwicklungspolitischen Fragestellungen im Zusammenhang mit den Ausfuhrbürgschaften zuwende, möchte ich zweierlei feststellen: Erstens. Ausfuhrgewährleistungen haben keinen Subventionscharakter. Zweitens. Sie sind auch entwicklungspolitisch sinnvoll; im Klartext, sie nützen nicht nur der deutschen Wirtschaft, sondern auch den Entwicklungsländern selbst.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)




Parl. Staatssekretär Dr. Köhler
Dazu folgendes zur Erläuterung: Wie Sie wissen, hat sich die Bundesregierung vor einiger Zeit entschließen müssen, die Prämien für Ausfuhrbürgschaften zu erhöhen. Sie mußte eben dies gerade deshalb tun, damit sich das Instrument langfristig selbst trägt, damit es keinen Subventionscharakter annimmt. Damit läuft der Vorwurf der GRÜNEN ins Leere.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Richtig!)

Unrichtig ist auch die Behauptung, innerhalb der OECD sei Kritik an den deutschen Ausfuhrbürgschaften geäußert worden. Die Bundesregierung verweist darauf, daß alle anderen westlichen Industrieländer und eine Reihe von Entwicklungsländern über vergleichbare Instrumente verfügen, die übrigens derzeit zum größten Teil ebenfalls mit Defiziten arbeiten müssen.
Die Bundesregierung tut das ihr Mögliche, um trotz verschlechterter Rahmenbedingungen im Außenwirtschaftsverkehr insbesondere mit Entwicklungsländern die auftretenden Verluste so gering wie möglich zu halten. Nach dem, was Sie, Kollege Walther, zu Südafrika sagten, würde ich Sie doch bitten, sich von der sehr zurückhaltenden Praxis, die in dieser Frage gegenwärtig herrscht, zu überzeugen.

(Walther [SPD]: Na gut, aber dann hätte das in der Antwort zum Ausdruck kommen können, Herr Staatssekretär!)

Man darf doch ergänzen, wenn gefragt wird. Oder wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn ich nur auf das verwiesen hätte, was in der Drucksache steht, und auf Ihre Bemerkungen nicht eingegangen wäre? Doch wohl kaum!
Lassen Sie mich also zu den speziellen entwicklungspolitischen Aspekten der Ausfuhrbürgschaften kommen. Dazu sind zunächst einige Fakten zu nennen. Die gesamte deutsche Ausfuhr betrug 1984 rund 490 Milliarden DM. Davon wurden 32 Milliarden DM — das sind 6,6 % — verbürgt. Knapp 70 % der Indeckungnahmen entfielen auf Entwicklungsländer. Dies zeigt erstens, wie risikobehaftet diese Länder nach der Erfahrung der deutschen Exporteure zur Zeit sind. Es zeigt aber auch, wie sehr die Entwicklungsländer für die Sicherung lebensnotwendiger Importe darauf angewiesen sind, daß der deutsche Exporteur Ausfuhrgewährleistungen erhält, die unsere Kapitalhilfe übrigens um das Vielfache übersteigen.
In welcher Situation sind denn heute viele Entwicklungsländer? Die Situation ist doch gekennzeichnet durch Devisenmangel, durch einen eingeschränkten Zugang zum internationalen Kapitalmarkt, durch die Notwendigkeit, brachliegende Anlagen wieder zum Laufen zu bringen und insgesamt die Produktion von Industrie und Landwirtschaft zu erhöhen. Die für Ersatz- und Neuinvestitionen notwendigen Einfuhren sind angesichts der Risiken für Exporteure nur durch Ausfuhrgewährleistungen sicherzustellen. Nur so können die Entwicklungsländer diese Importe zu Bedingungen beziehen, die günstiger sind als die oftmals diskutierten und auch benutzten Alternativen.
Neben der Gestellung von bestätigten Akkreditiven — es ist oftmals überhaupt gar nicht möglich — wären die Entwicklungsländer auf Tauschgeschäfte angewiesen. Diese Finanzierung von Einfuhren ist weit teurer als die Kosten für eine Einfuhrgewährleistung. Der Exporteur nimmt doch in aller Regel die Tauschware nur mit einem Abschlag, z. B. für Zinsen, Risiko oder Vertrieb, in Zahlung. Der Tauschhandel, der leider heute immer mehr um sich greift, ist für die Entwicklungsländer schädlich. Ausfuhrgewährleistungen sind demgegenüber nicht nur dem Exporteur nützlich, sondern sind eben auch für die Entwicklungsländer selbst von Vorteil. Diese Form der Risikominderung hat damit heute eine entwicklungspolitische Bedeutung wie nie zuvor.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Dem widersprechen wir nicht!)

Meine Damen und Herren, jeder Antrag auf Ausfuhrbürgschaft wird im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit entwicklungspolitisch geprüft. Wir prüfen ihn auf Übereinstimmung mit den Entwicklungszielen des jeweiligen Landes, aber wir prüfen auch mit dem Bewußtsein, daß wir es mit Ländern zu tun haben, die wir nicht bevormunden können und wollen. Diese Länder haben das Recht, ihre eigenen souveränen Entscheidungen zu treffen. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE GRÜNEN, der Regierung von Indien oder Indonesien vorschreiben wollen,

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Wer hat denn das gesagt?)

ob sie in die Elektrizitätswirtschaft, den Personennahverkehr oder die Milcherzeugung investieren soll, dann mag das ein Verständnis von Partnerschaft sein, daß Sie vielleicht haben.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das ist eine Unterstellung!)

Unser Verständnis von Partnerschaft mit der Dritten Welt ist dies nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wer jedoch meint, Industrieländer drängten den Entwicklungsländern jede Art von Exporten auf, der verkennt, daß dies angesichts der Verschuldungskrise und der Notwendigkeit zur Anpassung in der Dritten Welt auch unseren eigenen Interessen in keiner Weise entspräche und nicht in unserem Interesse liegt.
Warum nun die erhöhten Schäden? Entscheidungen — das muß ich leider, Herr Müller, sagen; es ist etwas, was ich mir gerne erspart hätte, was aber nach Ihrer Rede vielleicht doch noch einmal betont werden muß — können nur auf der Grundlage von Sachverhalten getroffen werden, die im Zeitpunkt der Entscheidung bekannt oder voraussehbar waren. Vieles ist nun einmal nicht voraussehbar. Deshalb haben Umstände wie der zweite Ölpreisschock, die Hochzinsperiode, der Rückgang der Exporterlöse, aber auch Naturkatastrophen oder Kriegsereignisse zu Schäden auch im Bereich der Ausfuhrgewährleistungen geführt. Die Disziplin und der Zwang zur sorgsamen Abschätzung des Risikos ha-



Parl. Staatssekretär Dr. Köhler
ben nach unserer Überzeugung dazu geführt, daß der Anteil von Schäden am Gesamtobligo der Ausfuhrgewährleistungen sich in einem Rahmen bewegt, der keinen Subventionscharakter hat. Für Lieferungen und Leistungen an viele Entwicklungsländer haben wir allerdings Ausfuhrgewährleistungen ganz oder teilweise wegen der Risikolagen — auch als Folge hoher Verschuldung — sperren müssen. Ich verweise dazu insbesondere auf die Antwort der Bundesregierung zur Frage 8. Aber ich darf auch folgendes zitieren:
In Einzelfällen kann es sich allerdings auch bei hoch verschuldeten Ländern als sinnvoll erweisen, daß die Bundesregierung im Rahmen multilateral abgestimmter Stabilisierungskonzepte unter Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds und der privaten Banken weitere Deckungsmöglichkeiten einräumt.
In dieser Hinsicht werden wir die weitere, auch internationale Entwicklung sehr sorgfältig analysieren und hieraus wie bisher die notwendigen Folgerungen für unsere Ausfuhrgewährleistungen ziehen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, noch ein Wort zum Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN. Ich möchte mich mit dem Antrag der SPD-Fraktion nicht weiter beschäftigen, sondern kann mich auf das beziehen, was Herr Kollege Lippold gesagt hat und was nach meiner Ansicht ausreichende Begründung dafür ist, daß dieser Antrag nicht angenommen werden kann. Aber nun also zum Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Bereits jetzt wird bei der Prüfung der Sachverstand herangezogen, der eben für alle Aspekte — und dazu gehören die entwicklungspolitischen und die ökologischen gleichermaßen — notwendig ist. Das braucht nicht erst durch diesen Entschließungsantrag mobilisiert zu werden. Die Berufung weiterer Sachverständiger ist weder notwendig noch sinnvoll.
Allerdings werden wir uns in einem Punkte wohl nicht einig werden. Wir gehen bei der Prüfung nicht von vorgefaßten Meinungen aus, wie sie in der Begründung Ihrer Großen Anfrage allzu durchsichtig stehen. Uns geht es um die sorgfältige Abwägung von haushaltspolitischen, entwicklungspolitischen und ökologischen Gesichtspunkten, von eigenen Exportinteressen und der gesamtwirtschaftlichen Lage des jeweiligen Entwicklungslandes — und das in jedem Einzelfall. Sie erwecken dagegen mit Ihren eigenen Worten den Eindruck, daß Ihnen nichts anderes am Herzen liegt, als diese Notwendigkeit Ihren Vorurteilen und ideologischen Wunschbildern unterzuordnen. Dies aber wird nach Auffassung der Bundesregierung weder der Interessenlage unserer Außenwirtschaft noch der der Entwicklungsländer gerecht.
Ich bitte daher das Hohe Haus, auch diesen Entschließungsantrag nicht anzunehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019834000
Nachdem weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, kann ich die Aussprache schließen.
Wir kommen nunmehr zu den Entschließungsanträgen der Fraktion DIE GRÜNEN und der Fraktion der SPD auf den Drucksachen 10/5047 und 10/ 5072.
Es wird vorgeschlagen, diese Entschließungsanträge zu überweisen zur federführenden Beratung an den Haushaltsausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft. Gibt es weitere Vorschläge? —

(Dr. Holtz [SPD]: Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit!)

— Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit. In Ordnung. Keine Einwendungen? — Dann ist dies so beschlossen.
Damit kann ich Punkt 6 der Tagesordnung aufrufen:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Pinger, Dr. Hüsch, Höffkes, Hedrich, Dr. Lammert, Lamers, Repnik, Schreiber, Sauter (Epfendorf), Borchert, Feilcke, Frau Fischer, Dr. Kunz (Weiden), Dr. Pohlmeier, Graf von Waldburg-Zeil, Herkenrath, Echternach, Kraus, Schulhoff, Hornung, Weiß, Wilz, Kolb, Dr. Hornhues, Eylmann, Seesing, Frau Roitzsch (Quickborn), Dr. Hoffacker, Schemken, Maaß, Jagoda, Magin, Ruf, Schneider (Idar-Oberstein), Link (Frankfurt), Sauer (Stuttgart), Dr. Olderog, Dr. Schroeder (Freiburg), Clemens und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Schäfer (Mainz), Dr. Rumpf, Frau Dr. Hamm-Brücher, Dr. Feldmann, Frau Seiler-Albring, Ertl, Ronneburger, Dr. Solms, Dr. Weng (Gerlingen) und der Fraktion der FDP
Reformen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen als Voraussetzung für Selbsthilfe in der Dritten Welt
— Drucksache 10/4109 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit (federführend)

Haushaltsausschuß
Vereinbart worden ist eine Aussprache mit Fünfminutenbeiträgen pro Fraktion. Widerspruch erhebt sich nicht. — Dann können wir so verfahren.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Eid.

Ursula Eid-Simon (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1019834100
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Lassen Sie mich zunächst einige Anmerkungen zum Antrag der Koalitionsfraktionen machen.
Erstens. Die Ursachenanalyse von Krisen in der Dritten Welt ist schwach und unvollständig, da reduziert auf die Betrachtung interner Krisenursachen der betroffenen Länder. Nicht mit einem Wort erwähnen Sie z. B. die Verschuldungs- und damit die Abhängigkeitsproblematik. Aber selbst die Vielschichtigkeit der internen Krisenursachen ignorieren Sie. Ihrer Analyse zufolge, sind zur Behebung



Frau Eid
dieser Krisen lediglich ordnungspolitische Rahmenbedingungen dergestalt vonnöten, daß sie einen Freiheitsraum lassen für private Leistungen und für marktorientierte wirtschaftliche Aktivitäten. Welch einfaches, ja eindimensionales Weltbild liegt Ihrem Antrag zugrunde.

(Dr. Holtz [SPD]: Sehr richtig!)

Die Realität, meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, ist komplexer, als daß sie nur durch marktwirtschaftliche Kategorien zu begreifen

(Beifall bei den GRÜNEN)

und lediglich durch marktwirksame Aktivitäten zu gestalten wäre.

(Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Genau! Sind doch gar keine Marktwirtschaftler!)

Die Probleme lassen sich nicht dadurch lösen, daß sich der Staat auf seine Nachtwächterrolle zurückzieht. Mit Rückzug ist es nicht getan; denn Selbsthilfe braucht z. B. Rechtssicherheit, Rechtssicherheit auch und gerade für die Armen. Selbsthilfe braucht Organisationsfreiraum, braucht Zugang zu einer bürgernahen, dezentralen, mit Kompetenz ausgestatteten Verwaltung und zu Einrichtungen wie z. B. landwirtschaftlichen Beratungsstellen, deren Leistungsangebot auf die Bedarfe der Armen ausgerichtet ist.

(Dr. Holtz [SPD]: Das ist alles richtig, Frau Kollegin!)

Sie sehen, der Staat kann nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden, wenn es darum geht, verbesserte Rahmenbedingungen zur Selbsthilfe zu schaffen.
Zweitens. Das Verständnis von Selbsthilfe reduzieren Sie in Ihrem Antrag auf Eigeninitiative im Rahmen des marktwirksamen Leistungswettbewerbs. Folgerichtig in Ihrer eigenen Logik fordern Sie dann, daß die Bundesregierung bevorzugt die Zusammenarbeit mit Ländern der Dritten Welt fördern soll, in der sich die persönliche Leistung in Marktbeziehungen entfalten kann.
Fürwahr, Sie haben ein sehr eingeschränktes Verständnis von Selbsthilfe, das meilenweit von den in der Tat existierenden Selbsthilfegruppen und Basisinitiativen entfernt ist.
Stellvertretend seien hier z. B. genannt die land- und wohnungslosen Menschen in Chile, die in Selbsthilfe brachliegendes Land besetzten und sich in Gemeinschaftsaktivitäten ihre Hütten bauten, oder die philippinische Menschenrechtsorganisation „Task Force Detainees", die in Eigeninitiative über das Schicksal der vom Marcos-Regime politisch Verfolgten Aufklärung sucht,

(Beifall bei den GRÜNEN)

oder die dörflichen Spar- und Kreditgruppen, zu denen sich Dorfbewohner zusammenschlossen, die von institutionellen Krediten ausgeschlossen sind oder die sich von der Abhängigkeit von Geldverleihern befreien wollen.
Sie sehen, Selbsthilfegruppen haben sehr unterschiedliche Ziele, je nach den situativen Bedingungen, die die Betroffenheit herausfordern. Eines haben sie allerdings gemeinsam. Das Ziel ihrer Aktivitäten ist das Durchbrechen ungerechter Strukturen. Sie rütteln an den bestehenden Herrschaftsverhältnissen und geraten deshalb oft in Konflikt mit der Obrigkeit. Deshalb sind der Zugang zu Rechtsinstanzen, Verläßlichkeit von Konfliktregelungsmechanismen und Sicherheit für Leib und Leben unabdingbare gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Selbsthilfe.
Drittens. Sie können uns nicht davon überzeugen, daß Sie das Instrument des Politikdialogs nicht doch dazu nutzen, den ärmsten Dritte-Welt-Ländern die Bedingungen für die Zusammenarbeit zu diktieren. Oder wie sonst soll die Aussage in Ihrem Antrag zu verstehen sein, daß für eine Politik geworben werden solle, die die Prinzipien einer sozialgebundenen Wettbewerbsordnung anwendet? Das heißt doch nicht etwa, daß Sie, Herr Warnke, Klinkenputzen gehen und für ein solches Modell von Haus zu Haus werben. Ein echter Politikdialog kann nicht auf Regierungsebene beschränkt sein, sondern es sind Foren zu schaffen, wo alle von Entwicklungshilfemaßnahmen Betroffenen, also Nehmer und Geber, beteiligt sind. Insofern finden wir Ihren Ansatz unter Punkt 6.3 auch richtig.
Zum Schluß möchte ich noch sagen: Selbst wenn man Ihrem Antrag die besten Absichten unterstellt, nämlich Krisen in der Dritten Welt durch entwicklungspolitische Zusammenarbeit verhindern zu helfen — ich unterstelle das einmal, obwohl in Ihrem ganzen Antrag nicht ein einziges Mal der Begriff der Armutsbekämpfung auftaucht —, hält die Realität der von Herrn Warnke praktizierten Entwicklungspolitik diesen Absichten nicht stand.
Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019834200
Nun hat das Wort Herr Abgeordneter Prof. Dr. Pinger.

Dr. Winfried Pinger (CDU):
Rede ID: ID1019834300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Augenblick richtet sich unser Interesse vor allem auf die Bevölkerung in Haiti und auf den Philippinen. Beide Länder sind typische Beispiele für entwicklungshemmende Rahmenbedingungen. Die staatliche Verwaltung und die Entwicklungsplanung dienten den Interessen einer kleinen Oberschicht und ihrer Klientel.

(Dr. Holtz [SPD]: Richtig!)

Der Leistungswettbewerb wurde auf allen Ebenen unterdrückt. Die privaten Organisationen wurden verboten, verfolgt oder zumindest in ihrer Arbeit massiv behindert. Die Menschenrechte wurden brutal und permanent verletzt. Es gibt unzählige weitere Beispiele dafür, wie die Regierenden in den Entwicklungsländern ihr Land zum Armenhaus machen.
Deshalb haben wir den vorliegenden Antrag eingebracht, mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Dabei setzen wir auf Privatinitiative und Selbsthilfe. Die Rolle des Staates muß sich dar-



Dr. Pinger
auf beschränken, durch Rahmenbedingungen die Privatinitiative möglich zu machen und abzusichern.

(Dr. Hauchler [SPD]: Das allein genügt nicht!)

Ein mit unserer Hilfe gestärkter Staat muß seine Ordnungsfunktion und Dienstleistungsfunktion in der Infrastruktur einschließlich der Rechtssicherheit, Frau Eid, in verstärktem Maße wahrnehmen und dabei auch der Vielzahl der kleingewerblichen, kleinbäuerlichen und handwerklichen Betriebe die faire Chance am Markt im Wettbeweb garantieren und sichern.

(Werner [Ulm] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Verfehlte Entwicklungspolitik vieler Geberländer hat in der Vergangenheit demgegenüber eine schwache und oft korrupte staatliche Verwaltung in immer mehr Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft auswuchern lassen. Dem Staat und seiner Bürokratie wurde es auferlegt, den Entwicklungsprozeß selbst zu tragen und zu steuern. Das bewirkte dann das Gegenteil von Entwicklungen; denn durch immer mehr Bürokratie wird Privatinitiative nicht ermöglicht, sondern erstickt. Die Konsequenz kann für uns nur lauten: Entstaatlichung der Entwicklung.
Von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, erwarten wir, daß Sie mit uns in eine sachliche Diskussion über unseren Antrag eintreten. Bisher haben wir pauschale Vorwürfe und Verdächtigungen gehört. Da war die Rede von ordnungspolitischem Kreuzrittertum; wir wollten unser System der Sozialen Marktwirtschaft exportieren. Sie haben offenbar den Antrag nicht gelesen. Darin steht in aller Deutlichkeit: Es geht uns nicht darum, ein bestimmtes Modell, nämlich die Soziale Marktwirtschaft, zu exportieren,

(Tatge [GRÜNE]: Das glaube ich Ihnen nicht!)

sondern es geht uns um die Anwendung von Prinzipien einer sozial gebundenen Wettbewerbsordnung

(Dr. Hauchler [SPD]: Dieser Antrag ist sehr widersprüchlich!)

in der jeweils der historischen und kulturellen Tradition des entsprechenden Entwicklungslandes angepaßten Form.

(Dr. Holtz [SPD]: Die Botschaft hör ich wohl!)

Wir werden es nicht zulassen, daß unsere Forderungen nach entwicklungsgerechten Rahmenbedingungen verfälscht werden. Wenn wir von Entstaatlichung der Entwicklung sprechen, so fordern wir nicht die Abschaffung des Staates in seinen wesentlichen Funktionen, sondern den Rückzug des Staates aus denjenigen Bereichen, in denen die Bürger ihre Probleme selbst besser lösen können und in denen der Staat der privaten Initiative unterlegen ist.
Es ist doch z. B. eine Erfahrungstatsache, daß ein staatlich verordnetes und gegängeltes Genossenschaftssystem keine Selbsthilfekräfte weckt und stärkt. Die Erfahrung zeigt auch, daß industrielle Staatsunternehmen sehr bald in roten Zahlen sind und dann nicht nur unsere Entwicklungshilfegelder gekostet haben, sondern auch noch das Geld der armen Bevölkerung verschlingen. Staatsmonopole im Handel und in der Vermarktung haben bisher durchweg zur Ausbeutung der Kleinbauern und des Kleingewerbes geführt.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!)

Wir kennen natürlich auch den Einwand, daß bessere Rahmenbedingungen nur schwer durchsetzbar seien; aber immer mehr Regierungen in den Entwicklungsländern erkennen, daß sie mit ihrer bisherigen Politik in eine Sackgasse geraten sind: Sie suchen den Rat und greifen Empfehlungen auch hinsichtlich der Rahmenbedingungen auf. Natürlich sind auch die internationalen und außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung eines Landes wichtig. Aber wir können mit unserer Entwicklungshilfe nicht warten, bis die internationale Staatengemeinschaft z. B. festgestellt hat, was gerechte Preise auf den Weltmärkten sind.

(Dr. Holtz [SPD]: Die Entwicklungshilfe ist nicht nur das Verbandsköfferchen!)

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich feststellen: Den Vorwurf, daß wir uns in die inneren Angelegenheiten des Entwicklungslandes in Form eines Diktates einmischen, nehmen wir gelassen hin: Ja, wir wollen zugunsten der notleidenden Menschen, ihrer Menschenrechte und ihrer Lebenschancen einwirken.

(Dr. Hauchler [SPD]: Weil wir alles besser wissen!)

Wir wollen auch in unserem Interesse einwirken, daß unsere Hilfe wirksamer wird als bisher.

(Dr. Holtz [SPD]: Und im Interesse der betroffenen Bevölkerung!)

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019834400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hauchler.

Prof. Dr. Ingomar Hauchler (SPD):
Rede ID: ID1019834500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der weitreichende parlamentarische Konsens, der in der Entwicklungspolitik bis 1982 herrschte, wird von den Regierungsparteien auch durch Ihren Antrag heute wieder Stück um Stück zertrümmert.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Die Unwahrheit wird durch Wiederholung nicht richtig!)

Den Bruch von Konsens und Kontinuität in der deutschen Entwicklungspolitik markieren vor allem drei Elemente: Erstens ist es die verschärfte Lieferbindung, über die heute bereits gesprochen worden ist. Entwicklungshilfe wird immer mehr



Dr. Hauchler
zum Vehikel, um eigene wirtschaftliche Interessen durchzusetzen.

(Tatge [GRÜNE]: Es geht darum, Märkte zu schaffen!)

Zweitens ist die Übertragung des Ost-West-Konfliktes zu nennen, Entwicklungshilfe quasi als Prämie für außenpolitisches Wohlverhalten.

(Dr. Pinger [CDU/CSU]: Wo denn? — Dr. Holtz [SPD]: El Salvador wird hochgepäppelt!)

Ich nenne die Fälle Nicaragua bzw. El Salvador.
Drittens sind es die ordnungspolitischen Selektionen, die Sie vornehmen wollen, Entwicklungshilfe als Lock- und Drohmittel, um die Entwicklungsländer zu veranlassen, ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung dem westlichen Leitbild anzupassen.

(Dr. Holtz [SPD]: Leider! So ist es!)

In allen drei Punkten müssen Sie mit unserem massiven Widerstand rechnen.
Mit dem vorliegenden Antrag von CDU/CSU und FDP zu den Rahmenbedingungen der Entwicklungspolitik soll die von der Regierung bereits geübte Praxis, Entwicklungshilfe an ordnungspolitische Auflagen zu binden — übrigens im Konzert mit westlichen Industriestaaten und IWF — nun von uns, vom Parlament abgesegnet werden. Herr Staatssekretär Köhler, bei diesem Vorhaben können Sie mit der SPD als Erfüllungsgehilfen nicht rechnen. Wir werden uns der Diskussion über die Rahmenbedingungen der Entwicklungserfolge nicht entziehen. Ein politischer Dialog darüber zwischen Industrie und Entwicklungsländern ist in der Tat notwendig.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was wollen Sie denn?)

Wo sich die Geister indessen scheiden werden, ist die Frage, welchen Inhalt dieser Dialog hat,

(Beifall bei der SPD)

wie er geführt wird und ob er dazu mißbraucht werden soll, das westliche Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell zu eigenen Gunsten anderen Ländern aufzudrängen. Für die SPD gilt: Dialog und gegenseitiges Lernen übrigens j a, ordnungspolitische Auflagen aber nein.
Wir wissen, daß Entwicklung um so eher möglich ist, je mehr alle Mitglieder einer Gesellschaft Freiräume besitzen, sich selbst zu helfen, produktiv tätig zu werden und sich frei zu organisieren. Sie brauchen uns darin nicht zu belehren, Herr Pinger, und auch nicht Ihre Fraktion. Dieser Notwendigkeit steht in vielen Entwicklungsländern einerseits ein Übermaß an staatlicher Bürokratie und Zentralisierung gegenüber, andererseits aber auch feudalistische Strukturen, eine ungerechte und wirtschaftlich schädliche Einkommensverteilung sowie die Fesselung kleinbetrieblicher Initiativen durch monopolistische und transnationale Wirtschaftsmacht. Sie reden gegen Staat, Sie reden gegen Bürokratisierung. Sie reden nicht gegen monopolistische Tendenzen und transnationale Vermachtung.

(Beifall bei der SPD)

Das habe ich bei Ihnen, lieber Herr Pinger, vermißt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Lesen Sie unseren Antrag!)

Die Leitlinie, von der wir im Politikdialog gemeinsam ausgehen sollten, hat der Bundespräsident in Bangladesh treffend formuliert; er sagte: „Wir dürfen uns nicht zu Hause am Reißbrett irgendwelche Theorien zurecht machen und dann exportieren." Genau das wollen Sie.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Das müssen Sie sich mal merken!)

Ein jüngst vorgelegtes Gutachten Ihres eigenen wissenschaftlichen Beirats, Herr Staatssekretär, bestätigt, daß zwischen Entwicklungserfolg und Wirtschaftsordnung empirisch kein strenger Kausalzusammenhang nachzuweisen ist. Der Beirat empfiehlt deshalb eine nach dem Entwicklungsstand eines Landes differenzierte Mischung von dezentraler und zentraler Wirtschaftssteuerung. Das ist genau unsere Position. Im übrigen betont der wissenschaftliche Beirat, daß zu den entscheidenden Bedingungen eine effiziente Entwicklungspolitik auch die Ordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehung gehört.

(Beifall bei der SPD)

Dazu sagt der Beirat wörtlich — und nun hören Sie gut zu —: „Tatsächlich verstoßen die ordnungspolitischen Verhältnisse im internationalen Rahmen weitgehend gegen die Prinzipien einer liberalen Gestaltung." Er nimmt ausdrücklich Bezug auf Lieferbindung und zunehmende protektionistische Tendenzen in den Industrieländern.

(Dr. Holtz [SPD]: Eine schallende Ohrfeige für den Minister!)

Meine Damen und Herren von der christlichen Fraktion, Sie sollten nicht nur die Splitter im Auge der Entwicklungsländer sehen, wie Ihr Antrag das dokumentiert, sondern auch den Balken im eigenen Auge.

(Beifall bei der SPD)

Ihr Antrag unterschlägt die Verantwortung der Industrieländer für gerechtere und effizientere internationale Rahmenbedingungen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben den Antrag nicht gelesen!)

und er sieht über die historische und kulturelle Bedingtheit unseres eigenen Wirtschaftsmodells hinweg.

(Beifall bei der SPD)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019834600
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Rumpf.

Dr. Wolfgang Rumpf (FDP):
Rede ID: ID1019834700
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht doch heute um wirtschaftliche u nd gesellschaftliche Rahmenbe-



Dr. Rumpf
dingungen, Herr Hauchler. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich da so aufregen und erregen.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Das kennen wir doch!)

Das Recht jedes Landes auf nationale Selbstbestimmung umfaßt die freie Wahl des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems und die Wahl der internationalen Orientierung; daran besteht doch gar kein Zweifel. Die FDP lehnt daher auch jeden Versuch ab, den Ost-West-Gegensatz auf Länder der Dritten Welt zu übertragen. Wir können hier aber doch nicht schweigen, wenn großen Bevölkerungsgruppen in diesen Ländern die Selbstbestimmung verwehrt wird, sei es durch fehlende Demokratie, sei es durch ethische, religiöse, rassische oder stammesgeschichtliche Konflikte. Liberale Politik strebt nach der weltweiten Verwirklichung der Menschenrechte, ohne die es keinen dauerhaften äußeren und inneren Frieden gibt.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Wir schweigen deshalb auch nicht, wenn Menschenrechte verletzt werden, gleichgültig, wo und mit welcher Begründung dies geschieht, auch nicht oder erst recht nicht, wenn dies mit dem Hinweis auf angebliche Bündnisinteressen geschieht. Auf den Philippinen werden die demokratischen Grundrechte — ich glaube, nach unser aller Auffassung —, nämlich freie, faire Wahlen, zur Zeit mit Füßen getreten. Dies muß Auswirkungen auf die Entwicklungspolitik der Bundesregierung bei der Zusammenarbeit mit der Regierung Marcos haben.

(Dr. Holtz [SPD]: Richtig, aber was heißt das konkret?)

Die Verwirklichung der Menschenrechte ist aber in erster Linie von inneren Faktoren abhängig. Nur die internationale Gemeinschaft und die bilaterale sowie multilaterale Zusammenarbeit können und müssen zur Schaffung positiver Rahmenbedingungen beitragen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Drücken Sie das einmal dialektisch aus!)

Sie liegen im politischen, im wirtschaftlichen, aber vor allem auch im administrativen Bereich.
Wir Freien Demokraten wollen aus den Fehlern und Erfahrungen der letzten 30 Jahre Entwicklungspolitik lernen; das wollen Sie doch auch. Warum haben unsere Anstrengungen nicht immer den angestrebten, erwarteten Erfolg gehabt? Die positiven Effekte blieben aus, weil die Rahmenbedingungen nicht immer so waren, wie man sie erwartet hat. Von den Projekten gingen falsche wirtschaftliche Impulse aus. Sie hatten zu hohe Folgekosten. Die Wirkungen auf die Umwelt waren zum Teil katastrophal. Die Eigenleistungen der Länder waren entweder unzureichend oder blieben ganz aus, und es fehlte auch an der Akzeptanz der Bevölkerung.
Deshalb müssen wir die Entwicklungspolitik in Zukunft immer analysieren, überprüfen und nach den vorliegenden oder den vorgegebenen Rahmenbedingungen ausrichten und auf diese auch achten. Dazu gehört natürlich auch der Abschied vom Mythos der Nichteinmischung. Jede Entwicklungspolitik hat zwangsläufig Eingriffe in ökonomische, ökologische und soziokulturelle Prozesse und Strukturen zur Folge.

(Dr. Holtz [SPD]: Auch wer Entwicklungshilfe verweigert, mischt sich ein!)

Dies war bisher schon so und wird auch in Zukunft — wahrscheinlich noch verstärkt — so sein.
Ich möchte kurz zusammenfassen: Will man Armut, Krankheit, Analphabetentum und soziale Ungerechtigkeit bekämpfen und will man die Lage der Entwicklungsländer insgesamt verbessern, dann ist es auf Grund der in den vergangenen Jahren gemachten Erfahrungen auch notwendig,

(Dr. Holtz [SPD]: Einen neuen Minister zu haben!)

die Entwicklungszusammenarbeit umzuorientieren und auf die ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu achten, auch auf die — ich habe Ihren Beitrag, Herr Holtz, gerade gelesen — internationale Rahmenbedingungen.

(Dr. Holtz [SPD]: Sehr wahr, gut kapiert!)

Aber in diesem Fall geht es um die Rahmenbedingungen in den Entwicklungsländern selbst.
Der beste Einsatz knapper Mittel wird — erstens — ermöglicht, wenn die Effektivität der Entwicklungszusammenarbeit durch Beachtung ihrer ökonomischen, ökologischen und soziokulturellen Auswirkungen erhöht werden kann. Zweitens. Im Rahmen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit sind komplementäre Eigenleistungen zu fordern und zu fördern.

(Zuruf von der SPD: So vorhanden!)

Drittens. Auf den eigenen Traditionen aufbauend, müssen die menschlichen und materiellen Ressourcen gefördert werden.
Wir bitten deshalb um eine eingehende und auch vertiefende Ausschußberatung. Ich meine, Herr Kollege Hauchler, Sie sollten nicht sagen, daß Sie da ein Erfüllungsgehilfe sind. Vielmehr brauchen wir — das darf ich doch wohl voraussetzen — bei diesen Dingen auch Ihre geistige Kapazität.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019834800
Und nun hat das Wort der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Köhler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1019834900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung würdigt diese Initiative der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP.

(Dr. Hauchler [SPD]: Oh!)

— Ja, Herr Hauchler, Sie waren offenbar im Irrtum begriffen, als Sie die ganze Zeit so sprachen, als sei das eine Regierungsvorlage. — Also, wir würdigen diese Initiative der Koalitionsfraktionen als einen wesentlichen Beitrag zur Neuorientierung der



Parl. Staatssekretär Dr. Köhler
deutschen Entwicklungspolitik. Wir werden ihn mit allem Ernst aufgreifen. Um das gleich sehr deutlich zu sagen, Herr Hauchler: Sie werden mit der Zeit irgendwann doch einmal die Antwort auf die Frage geben müssen, ob Sie angesichts der Notwendigkeit, die Wirkung der Entwicklungshilfe zu verbessern, auf der einen Seite jedes Nachdenken darüber von vornherein unter Ideologieverdacht stellen und damit mit Killerphrasen bedenken wollen

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

und auf der anderen Seite, da Sie j a selbst wissen, daß man nicht einfach bedingungslos zahlen kann, den Stopp der Hilfe hier, den Stopp der Hilfe da fordern können. Es muß doch irgendwann einmal eine konsistente und logische Konzeption dabei herauskommen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich bitte Sie sehr herzlich, sich das noch einmal zu überlegen.
Wir gehen bei unserer Stellungnahme von zwei Einsichten aus:
Erstens. Entwicklung bedeutet die Entfaltung der in den Menschen und in den Völkern angelegten Fähigkeiten. Die Voraussetzungen dafür liegen entscheidend in der Verantwortung der Entwicklungsländer. Das können wir ihnen nicht abnehmen.

(Dr. Hauchler [SPD]: Wie in Pakistan!)

Zweitens. Unsere Hilfe kann von außen nur dann wirksam und erfolgreich sein, wenn die Entwicklungsländer die für ihre Entwicklung notwendigen wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen setzen. Entwicklungshilfe kann immer nur Hilfe zur Selbsthilfe sein. Das ist keine neue Erkenntnis, aber die Erfahrungen der letzten Jahre — ich denke an die Rezession Anfang der 80er Jahre, an die Hungersnot in Afrika, an die Verschuldungskrise — haben dieser Erkenntnis neues Gewicht und neue Facetten gegeben. Sie verlangen entsprechendes politisches Handeln, denn sonst besteht die Gefahr, daß die bekannten Einsichten reine Leerformeln werden. Davor müssen wir die Entwicklungspolitik bewahren.
Es muß gehandelt werden. Die Bundesregierung hat dies auch getan, und zwar im Wege der Veränderung administrativer Verfahren unter Berücksichtigung der Faktoren, wie sie hier genannt sind, und mit der Einführung des Politikdialogs. Ich darf an die Adresse der Kollegin Frau Eid sagen: Frau Eid, wir gehen dort tatsächlich Klinken putzen. Wenn ich z. B. Ende Januar mit dem neuen Präsidenten von Sierra Leone über die dringend notwendige Veränderung der Prioritäten der Entwicklungspolitik für dieses Land gesprochen habe, dann gehörte dazu genauso eine umfassende Diskussion mit sämtlichen Dekanen der Universität von Sierra Leone. Dabei habe ich eine Menge gelernt. Wir gehen wirklich Klinken putzen.
Zum Politikdialog gehört des weiteren noch die Notwendigkeit der Koordination der Geber. Dies gilt um so mehr, als die Rolle der Weltbank und des
Internationalen Währungsfonds wirklich unverzichtbar ist.
Aber einer der wichtigsten Schwerpunkte der Neuorientierung — das steht im Gegensatz zu dem, was hier zum Teil gesagt wurde — ist gerade die Bekämpfung der Armut durch Selbsthilfe. Sie wissen doch, daß wir im Ministerium eine Sondereinheit eingerichtet haben, deren Arbeitsergebnisse so erfolgversprechend und ermutigend sind, daß wir nunmehr an die Kirchen, die politischen Stiftungen, an die privaten Träger und auch an die Durchführungsorganisationen mit der Bitte um permanente Zusammenarbeit herangetreten sind, denn auch ihre Erfahrungen sollen genutzt werden, um neue Wege gemeinschaftlichen Zusammenwirkens aller Kräfte zu gehen. Wer hier den ganzen Tag über Exportförderung in der Entwicklungshilfe redet, der sollte wenigstens diese Tatsache einmal zur Kenntnis nehmen. Ich verlange j a gar nicht, daß wir dafür gelobt werden.
Von den angesprochenen Organisationen sind unsere Anregungen aufgeschlossen aufgenommen worden. Die Gespräche stehen kurz vor dem Abschluß. Die Bundesregierung wird für die Bekämpfung der Armut durch Selbsthilfe auch auf internationaler Ebene eintreten. Entsprechende Gespräche — z. B. mit der niederländischen und der norwegischen Regierung — laufen schon seit Wochen.
Ich danke abschließend den Fraktionen der CDU/ CSU und der FDP für diesen Antrag. Wir betrachten ihn als eine wertvolle Unterstützung der Politik der Bundesregierung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Aber Sie richten sich nicht danach!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019835000
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag auf Drucksache 10/4109 an den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit — zur federführenden Beratung — und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. — Weitere Vorschläge werden nicht gemacht. Dann ist dies so beschlossen.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, kann ich dem Hause eine erfreuliche Mitteilung machen. Die SPD hat den Antrag auf eine Aktuelle Stunde morgen früh zurückgezogen. Ich bitte, die Kolleginnen und Kollegen zu informieren. Die morgige Plenarsitzung beginnt daher erst um 9 Uhr.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu dem Antrag des Abgeordneten Schwenninger und der Fraktion DIE GRÜNEN
Rüstungsexportstatistiken
— Drucksachen 10/2959, 10/4281 —



Vizepräsident Cronenberg
Berichterstatter:
Abgeordneter Jung (Düsseldorf)

Es ist eine Redezeit von fünf Minuten pro Fraktion vereinbart worden. Ich gehe davon aus, daß das Wort zur Berichterstattung nicht gewünscht wird. — Wir können mit der Aussprache beginnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Volmer.

Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1019835100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gedenken an den seligen, leider zu früh ausgeschiedenen Kollegen Schwenninger möchte ich nun seine Meinung zu diesem Thema zu Gehör bringen.

(Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Sie haben die Rotation doch gewollt!)

Er hat diesen Antrag — und wir unterstützen ihn dabei natürlich — auf Veröffentlichung der Rüstungsexportstatistiken eingebracht, weil wir überzeugt sind, daß die Schaffung von Öffentlichkeit in diesem Bereich ein wichtiger Schritt zur Reduzierung und letztlich zur Einstellung des Rüstungsexports überhaupt wäre. Deshalb stehen wir GRÜNEN mit diesem Antrag nicht etwa allein, sondern können uns der Unterstützung breiter Teile der Bevölkerung sicher sein.
Es waren die zwölf christlichen Organisationen, die sich zu einer bundesweiten Kampagne unter dem Slogan „Produzieren für das Leben — Rüstungsexporte stoppen" zusammengeschlossen haben und ausdrücklich unsere Forderung nach Veröffentlichung der Rüstungsexporte als einen wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg zur Abschaffung der Rüstungsexporte unterstützt und als eigene Forderung aufgenommen haben.
Ich wiederhole hier ganz bewußt, was meine Kollegin Annemarie Borgmann von dieser Stelle aus am 17. Oktober 1985 erklärt hat. Ich zitiere:
Rüstungsexporte sind in der Öffentlichkeit nicht mehrheitsfähig. Würde die Bundesregierung öffentlich erklären, wer wieviel und welche Waffen und Rüstungsmaterialien bekommt, ein Proteststurm ginge durch unser Land.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Die Mehrzahl der Bürger will keinen Rüstungsexport, will kein Geschäft mit dem Tod anderer Menschen in fernen Ländern.

(Beifall bei der SPD)

Die gemeinsame Konferenz „Kirche und Entwicklung" hat in ihrer Stellungnahme zur Entwicklung und Rüstung im September letzten Jahres erklärt — ich zitiere —:
Es ist ethnisch geboten und klüger, in die Überwindung der Unterentwicklung zu investieren, als später deren Folgen durch Militärhilfe und Rüstungsexporte zu bekämpfen.
Dem können wir uns nur anschließen.

(Gansel [SPD]: Wir auch!)

Wir sehen uns in dieser Erklärung in unserer Politik ausdrücklich unterstützt, die wir j a nicht nur im Bereich der Parlamente vertreten. Viele GRÜNE arbeiten selbst mit in den Kampagnen gegen Rüstungsexporte — etwa in der des Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie auch?)

Diese Menschen, die oft über eigene Erfahrungen in den Entwicklungsländern verfügen, wissen sehr genau, was deutsche Waffen, was Militärfahrzeuge — Daimler-Benz, Iveco und Magirus-Deutz — in Südafrika, im Krieg Iran/Irak, im Bürgerkrieg in Peru oder auch in El Salvador und Ost-Timor anrichten.
Unser Antrag auf Offenlegung der Statistiken nimmt eine Praxis auf, die im amerikanischen Kongreß längst üblich ist. Die Gegenargumente, die hierzu von seiten der Regierungsparteien, aber auch von seiten der SPD kamen, waren wenig hilfreich und schon gar nicht glaubwürdig. In einem Bereich, wo es um völkerrechtswidrige Genehmigungen für die Lieferung von Kriegsgerät an Länder wie Südafrika und Chile geht, kann es keine Rücksichtnahme und Vertraulichkeit geben. Es ist eine Verachtung des Parlaments, wenn die Bundesregierung auf Fragen von Bundestagsabgeordneten erklärt, sie müsse aus außenpolitischen Gründen Rücksicht auf ihre Handelspartner nehmen, und damit Angaben beispielsweise zum Rüstungsexport nach Bolivien verweigert.
Wir möchten Ihnen in diesem Zusammenhang etwas aus unserer praktischen Arbeit verraten, meine Damen und Herren von den Christdemokraten. Es war das Referat Bolivien-Hilfe des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend in der Diözese Trier, die sich mit der Frage nach Umfang und Art der bundesdeutschen Rüstungsexporte in diesem Land an uns gewandt hat. Diese jungen Christen, die seit Jahrzehnten praktische Hilfe im bolivianischen Hochland leisten, wollten wissen, ob und wieviel Rüstungsmaterial mit Genehmigung der Bundesregierung in dieses Land geliefert wurde und weiterhin geliefert wird.
Ich bin überzeugt: Die Nichtbeantwortung unserer Fragen wird beim BDKJ zur Meinungsbildung über diese sogenannte christlich-demokratische und scheinliberale Bundesregierung beitragen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Dieses ist nur ein Beispiel von vielen. Am Beispiel des Golfkrieges können Sie studieren, welche Rüstungsgüter und auch sogenannte zivilen Waffen, sage ich ausdrücklich, welche verheerenden Auswirkungen haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ein dummes Geschwätz habe ich lange nicht mehr gehört!)

Auch die Alternative der SPD erscheint uns nicht ausreichend; denn eine genauere Kontrolle dadurch gewährleisten zu wollen, daß zwar der Ausschuß etwas intensiver informiert wird, ohne daß aber die Öffentlichkeit letztlich ein Kontrollrecht erlangt, scheint uns nicht aussichtsreich zu sein, Kollege Gansel, um tatsächlich zu wirksamen Reduktionen



Volmer
bis hin zum Ende von Rüstungsexporten zu kommen.
Wir wollen in diesem Bereich Klarheit; wir wollen Öffentlichkeit und lehnen jede Mauschelei ab.
Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019835200
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lattmann.

Herbert Lattmann (CDU):
Rede ID: ID1019835300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu dem Kollegen von den sogenannten GRÜNEN spreche ich jetzt zu dem Antrag, den Sie eingebracht haben.

(Zurufe von den GRÜNEN)

— Regen Sie sich doch nicht so auf! — Ich gehe davon aus, daß das weite Feld der Rüstungsexporte hier noch ausführlich behandelt werden wird, wenn wir über den Antrag der SPD-Fraktion diskutieren werden.

(Bindig [SPD]: Unser Antrag geht nämlich noch weiter!)

— das ist völlig richtig —, und daß wir uns heute auf das beschränken können, was hier beantragt worden ist.
Die CDU/CSU lehnt den vorliegenden Antrag ab. Wir lassen uns dabei von folgenden Überlegungen leiten.

(Tatge [GRÜNE]: Sie waren schon immer dagegen!)

— Nein, wir sind überwiegend dafür. Diejenigen, die in diesem Hause dagegen sind, sind doch in der Regel Sie.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Erstens. Es kann bei der geforderten Art der Statistik nicht ausgeschlossen werden, daß die Statistik — was die GRÜNEN auch ausdrücklich wollen
— Geschäftsgeheimnisse betroffener Firmen berührt, die zwar bei der Genehmigung durch die Bundesregierung selbstverständlich einbezogen werden müssen, die aber nach geltendem Recht nicht veröffentlicht werden dürfen. Auch bei anderen Wirtschaftsstatistiken wird aus gutem Grund auf derartige Angaben nur Bezug genommen, wenn daraus Rückschlüsse auf einzelne Unternehmen nicht gezogen werden können.
Zweitens. Die Information — darin liegt der Sinn dieser Statistik —, daß bestimmte Länder bestimmte Rüstungsgüter beziehen, würde in anderen Ländern der Region zusätzliche Begehrlichkeiten wecken. Diese dann abzuweisen ist nicht immer leicht. Das führte in vielen Fällen zu Schäden, die in keinem Verhältnis zu der angestrebten Verbesserung stünden.

(Bindig [SPD]: Weisen Sie doch alle zurück!)

Drittens. Die Bundesregierung hat dankenswerterweise in vielfacher Hinsicht Detailinformationen, etwa anläßlich der Beantwortung parlamentarischer Anfragen, gegeben, die im Ergebnis deutlich über das hinausgehen, was hier gefordert wird, ohne daß es dabei zu den von mir genannten Schwierigkeiten gekommen wäre.

(Tatge [GRÜNE]: Dann können Sie doch auch zustimmen! Das ist doch widersprüchlich!)

Viertens. Ich habe mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, daß die GRÜNEN auf die Praxis in den Vereinigten Staaten Bezug nehmen. Das, meine lieben Kollegen, ist nun allerdings eine ganz eigenartige Geschichte. Ich weiß nicht, inwieweit Sie sich schon über die Praxis des Rüstungsexports in den Vereinigten Staaten Gedanken gemacht haben oder über entsprechende Informationen verfügen. Die Rüstungsexporte haben in den Vereinigten Staaten — im Gegensatz zu den Verhältnissen bei uns — einen ausgesprochen hohen Stellenwert. Sie sind ausdrücklich und erklärtermaßen ein Mittel der Außenpolitik, und sie gelten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als ausdrücklich erwünscht. Das ist im übrigen in den meisten anderen Ländern der Welt ebenso der Fall. Die Statistiken, die in den Vereinigten Staaten gefertigt werden, haben also letztlich die Funktion von Erfolgsmeldungen. Sie stellen Meldungen über den Erfolg der von mir beschriebenen Politik dar. Sie müssen sich schon einmal dazu äußern, ob Sie das eigentlich auch wollen. Das ist doch wohl das Gegenteil dessen, was Sie immer erklären.

(Volmer [GRÜNE]: Warum fürchten Sie denn Statistiken?)

Eine Regelung aus einem großen politischen Konzept herauszugreifen, die zufällig zu dem paßt, was Sie anzustreben vorgeben, ist eine Art und Weise, in der man mit der Praxis der Vereinigten Staaten nicht umgehen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Volmer [GRÜNE]: Legen Sie doch offen! Dann werden wir sehen, ob die Leute jubeln!)

Ich kann deshalb nur feststellen: Das Anliegen der GRÜNEN ist völlig klar. Es geht nicht um das, was Sie vorgeben, sondern es geht selbstverständlich wie in fast jeder Debatte darum, diese Bundesregierung, diese Bundesrepublik und ihre Repräsentanten anzuschwärzen,

(Tischer [GRÜNE]: Klugscheißer! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

sie als internationale Waffenschieber, als gewissenlose Monster und was weiß ich auch immer hinzustellen. Daß dies mit der Realität überhaupt nichts zu tun hat, wissen Sie genau. Aber das stört Sie natürlich nicht im geringsten. Ihr Ziel ist eine andere Republik. Da Sie dies nicht auf dem Weg über demokratische Prozesse erreichen können, versuchen Sie es durch den moralischen Totschlag zu erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Frage der Rüstungsexporte berührt einen sehr sensiblen Bereich. Die Probleme können von uns allerdings nicht im Alleingang gelöst werden. Aber wir können einen Beitrag leisten. Dazu gehört,



Lattmann
daß wir für unsere äußerst restriktive Handhabung auch in anderen Ländern werben. Dazu gehört beispielsweise auch, daß wir nicht zusehen, wenn ein NATO-Partner wie Griechenland, das doch selbst lange genug unter undemokratischen Verhältnissen gelitten hat, nun in einen Waffen-Deal ausgerechnet mit Libyen einsteigt und damit der demokratischen Idee Schaden zufügt. Bedauerlicherweise ist der Protest der GRÜNEN an dieser Stelle ausgeblieben. Möglicherweise differenzieren Sie beim Waffenhandel danach, an wen gerade geliefert wird.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Hier liegen also die eigentlichen Ursachen der Konflikte. Hier liegen unsere Aufgabenfelder. Sie liegen nicht in den vordergründigen parteitaktischen, demagogischen Aktionen der GRÜNEN. Wir lehnen deshalb diesen Antrag ab.

(Beifall bei der CDU/CSU — Volmer [GRÜNE]: Was ist mit dem Golf-Krieg?)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019835400
Nun hat der Abgeordnete Gansel das Wort.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID1019835500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schwenninger gehört dem Bundestag leider nicht mehr an. Er kann deshalb hier auch nicht erklären, was er sich eigentlich dabei gedacht hat, als er namens der Fraktion DIE GRÜNEN die Bundesregierung aufforderte, Ihre Rüstungsexportstatistiken in dem Umfang zu veröffentlichen, wie es die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika praktiziert.

(Volmer [GRÜNE]: Sie sind zu faul, die Einleitung zu lesen!)

Wahrscheinlich meint er die Berichte der US Arms Control and Disarmament Agency. Kollege Volmer, wenn Sie sie noch nie gesehen haben, zeige ich sie Ihnen hiermit. Bitte sehr.
In der Tat hat diese amerikanische Behörde in den letzten Jahren Statistiken über den internationalen Waffenhandel veröffentlicht, aus denen sich ergibt, daß die Bundesrepublik in die Reihe der Länder aufgerückt ist, denen die zweifelhafte Ehre gebührt, zu den größten Waffenexporteuren der Welt zu gehören. Boshaft könnte man mit Erhard auch hier sagen: Wir sind wieder wer.

(Volmer [GRÜNE]: Beifall bei der Union!)

In der Veröffentlichung der amerikanischen Behörde vom April 1984 „Militärausgaben und Waffenhandel der Welt 1972-1982" — selbige, die ich Ihnen hier zeige — wird der Waffenexport der Bundesrepublik im Jahre 1982 auf Seite 69 mit 725 Millionen Dollar angegeben. Unter den Begriff Waffen werden aber nicht nur Kriegswaffen, sondern auch Rüstungsgüter eingeordnet. Das steht auf Seite 106.
Für das Jahr 1983 hat die Bundesregierung ausnahmsweise selbst offizielle Zahlen in der Drucksache 10/2858 veröffentlicht. Danach wurden in diesem ersten Jahr nach der Wende Kriegswaffenexporte für 1,5 Milliarden DM und Rüstungsgüterexporte im Werte von 7 Milliarden DM genehmigt.

(Lattmann [CDU/CSU]: Das gab es bei Ihnen auch!)

Das war gewiß ein Nachkriegsrekord. Aber gewiß sind auch die Zahlen für 1982 höher als in der amerikanischen Statistik. Ich habe also Zweifel, ob uns der simple Verweis auf eine amerikanische Praxis das Informationsdefizit in der Waffenexportpolitik beseitigen hilft.
Der damalige Kollege Schwenninger, der vier Wochen nach seinem Bundestagsantrag von seiner Fraktion wegrotiert wurde, hat nicht die Gelegenheit bekommen, sein Engagement und seine Gegnerschaft gegen Waffenexporte in einer umfassenden Initiative darzulegen. Er hätte sicherlich darauf hingewiesen, daß es weniger um Statistiken geht als vielmehr um die Reduktion und parlamentarische Kontrolle der von der Bundesregierung betriebenen Waffenexportpolitik. In diesem Sinne hat die SPD-Fraktion ihren Gesetzentwurf zur Sicherung der Kriegswaffenkontrolle im Bundestag eingebracht. In diesem Gesetzentwurf ist eine bessere öffentliche Information ein zusätzliches Element.
Bei Waffenexporten gab es schon in der Zeit der sozialliberalen Regierung einiges zu kritisieren. Seit der Wende sind aber alle Hemmungen und Beschränkungen gefallen. 1983 wurde erstmals der Export von Kettenpanzern in ein Land außerhalb der NATO freigegeben. Zur Vorführung in Thailand stellte die Bundesregierung der Firma Krauss-Maffei einen Leopard-I-Panzer zur Verfügung. Bundeswehrsoldaten wurden zur Vorführung beurlaubt.
Vom Kontrolleur der Waffenexporte hat sich die Bundesregierung zum Förderer, ja, zum Kumpan entwickelt. Das ist eine grundgesetzwidrige, nein, eine verfassungsfeindliche Entwicklung.
Rüstungsgüter gehen in die Volksrepublik China, hochmoderne Panzerfahrzeuge nach Saudi-Arabien. Mit Indien, dem größten Empfänger deutscher Entwicklungshilfe, soll nun auch eines der größten Waffengeschäfte abgewickelt werden. Die ASEAN- Staaten sind den NATO-Staaten bei Waffenexporten gleichgestellt worden. Das haben wir vor ein paar Tagen im Auswärtigen Ausschuß amtlich erfahren. Mit Sicherheit ist die Rüstungsindustrie vor dem Parlament informiert worden. So etwas ist schlichtweg skandalös, wenn man an die lange Kette der Anfragen im Bundestag erinnern darf.

(Volmer [GRÜNE]: Die stützen Marcos!)

Für fast alle Staaten in der Golf-Region und um Israel sind Waffenlieferungen genehmigt worden. Das größte Pulverfaß der internationalen Politik wird mit Waffen aus der Bundesrepublik versehen.
Wir brauchen keine Statistiken nach amerikanischem Vorbild, um diese Politik zu ändern, sondern eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen in der Bundesrepublik, eine andere Politik.

(Bindig [SPD]: Die Regierung muß weg! — Volmer [GRÜNE]: Wir brauchen eine öffentliche Willensbildung!)




Gansel
Wer dieses Ziel teilt, wird unserem Gesetzentwurf zustimmen, wenn er dem Bundestag zur dritten Lesung vorliegt.
Herr Kollege Lattmann, ich möchte noch ein Wort zu dem Argument Datenschutz sagen. Darauf wird die Bundesregierung wahrscheinlich auch eingehen. Nirgendwo ist dieses Argument so läppisch wie bei Waffenexporten. Wir wissen bei jeder Waffe der Bundeswehr, von welcher Firma sie kommt und in welcher Stückzahl es sie gibt. Über ausländische Armeen können wir — allerdings mit einer gewissen Verspätung von ein paar Monaten — in den internationalen Wehrrevuen die Erfolgsmeldungen der deutschen Rüstungsindustrie lesen. Nichts ist geheim. Vieles wird sogar nur gekauft, um als Prestigeobjekt bei Paraden vorgeführt zu werden. Daß sich bei der Frage der öffentlichen Information und der parlamentarischen Kontrolle eine Bundesregierung hier auf Datenschutz beruft, die in anderen Fällen keine Hemmungen kennt, in den grundgesetzlich geschützten Intimbereich von Staatsbürgern

(Widerspruch des Abg. Lattmann [CDU/ CSU])

— ja, man muß das zusammen sehen —

(Lattmann [CDU/CSU]: Das muß man sachlich sehen!)

einzudringen, dies, finde ich wirklich, entlarvt das Argument Datenschutz als eine reine Schutzbehauptung.
Danke.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019835600
Das Wort hat der Abgeordnete Beckmann.

Klaus Beckmann (FDP):
Rede ID: ID1019835700
Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Kollegin Hürland! Meine Herren! Endlich haben die GRÜNEN ein Vorbild gefunden, an dem sie ihre politischen Ideale ausrichten können: die Vereinigten Staaten von Amerika. So jedenfalls steht es in dem Antrag, über den wir heute beraten und abstimmen. Ich kann mir lebhaft vorstellen, daß die Amerikaner über ihre neuen Bewunderer sehr erfreut sein werden.
Noch mehr fürchte ich allerdings, daß diese schwärmerische Liebe nicht von langer Dauer sein wird, weil Sie nämlich, verehrte Kollegen von den GRÜNEN, einige wesentliche Fakten übersehen haben. Bekanntlich betreiben die Amerikaner eine expansive Rüstungspolitik. Sie verstehen Rüstungspolitik und Rüstungsexport als ein Mittel der Außenpolitik. Deshalb werden diese Geschäfte auch überwiegend von Regierung zu Regierung abgewikkelt und durch Kredite und Garantien abgesichert.

(Volmer [GRÜNE]: Finden Sie das gut?)

Wenn Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, dies auch uns anpreisen wollen, sagen wir klar und deutlich nein.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir halten an der restriktiven Rüstungsexportpolitik fest, die wir seit vielen Jahren in den politischen
Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern niedergelegt haben.
Wenn man schon internationale Vergleiche anstellt, muß man zunächst einmal feststellen, die Anforderungen an deutsche Rüstungsexporte sind besonders streng,

(Sehr gut! bei der FDP)

und dies nicht etwa, weil wir nicht genügend Waffen exportieren könnten, sondern weil wir nicht mehr Waffen exportieren wollen.
Von den gesamten Waffenlieferungen in der Welt entfallen auf uns nur 3 %. Wir liegen damit weit abgeschlagen an fünfter Stelle. Kriegswaffen machen an der deutschen Warenausfuhr weniger als 1% aus. Nur 0,2% der Beschäftigten sind bei uns für den Rüstungsexport einschließlich des Exports in die NATO-Länder tätig. Das alles ist in den USA ganz anders. Das gilt übrigens auch für das Verhältnis Rüstungsexport zu Entwicklungshilfe. Hier schneidet gerade die Bundesrepublik im Verhältnis besonders gut ab.
Dies ist der Hintergrund, den man kennen muß, wenn man zur Frage der Rüstungsexportstatistik Stellung nimmt.
Wenn der Rüstungsexport, wie das in den USA geschieht, bewußt und gezielt als Mittel der Außenpolitik eingesetzt wird, besteht natürlich eine besondere Verantwortlichkeit der Regierung, der durch mehr Transparenz Rechnung getragen werden muß.
Noch ein anderes ist wichtig. In den USA muß die Berichtspflicht des Präsidenten im Zusammenhang mit dem legislativen Veto des Kongresses gesehen werden. Der Kongreß kann jeden angezeigten Rüstungsexport durch den Beschluß beider Häuser unterbinden. So sagt es das zuständige Rüstungsexportkontrollgesetz. Das oberste Gericht der USA hat übrigens diese Regelung für verfassungswidrig erklärt, weil sie den Grundsatz der Gewaltenteilung verletzt.
Auch in unserem Grundgesetz ist dieser Grundsatz festgelegt. Eine Verwischung der Verantwortlichkeiten zwischen Legislative und Exekutive ist verfassungswidrig. Ein Vetorecht des Parlaments gegenüber Einzelentscheidungen der Regierung würde den Kernbereich der Einzelverantwortlichkeit der Exekutive in Frage stellen und kommt deshalb auch nicht in Betracht.

(Bindig [SPD]: Das ist eine falsche Rede! Hier geht es um die Veröffentlichung der Daten!)

Im übrigen möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß das Parlament bei uns hier in der Bundesrepublik weit umfangreicher und detaillierter unterrichtet wird, als es allgemein behauptet wird. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren im Rahmen parlamentarischer Anfragen mehrere hundert Einzelfragen beantwortet und dabei eine beachtliche Fülle von Informationen über deutsche Rüstungsexporte und die ihnen zugrundeliegende Politik offenbart. Wir werden sorgfältig prüfen, ob die Informationsmöglichkeiten des Parlaments



Beckmann
noch darüber hinausgehend verbessert werden können, aber natürlich nur so weit, wie dies wegen der notwendigen Vertraulichkeit bestimmter Einzelangaben rechtlich vertretbar ist.

(Bindig [SPD]: Wieso ist das vertraulich?)

Eine Verständigung zwischen Regierung und Parlament hierüber erscheint mir wünschenswert und auch möglich, Herr Kollege.
Meine Damen und Herren, dem aber, was uns die GRÜNEN hier anpreisen, nämlich die expansive Rüstungsexportpolitik der USA und das verfassungswidrige Vetorecht der Legislative, was ja beides notwendig mit der dort praktizierten Form der Rüstungsexportstatistiken zusammenhängt, können wir nicht zustimmen. Meine Fraktion lehnt daher — das wird Sie nicht überraschen — den Antrag der GRÜNEN ab.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Volmer [GRÜNE]: Sie sind ein Dunkelmann!)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019835800
Nun gebe ich dem Abgeordneten Senfft das Wort zur Geschäftsordnung.

Hans-Werner Senfft (GRÜNE):
Rede ID: ID1019835900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der GRÜNEN beantragt gemäß § 26 unserer Geschäftsordnung die Vertagung der Sitzung auf morgen, Freitag, 9 Uhr, weil wir der Auffassung sind, daß wir morgen früh ausführlich über das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Binnenschiffahrt und über die Eisenbahnverbindungen nach Berlin diskutieren sollten und uns nicht damit beschäftigen sollten, hier die Sicherheitsgesetze durchzupeitschen.
Gleichzeitig beantragen wir die Feststellung der Beschlußfähigkeit gemäß § 45 unserer Geschäftsordnung.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019836000
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Hürland.

Agnes Hürland (CDU):
Rede ID: ID1019836100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es schon sehr eigenartig, wenn nur fünf Mitglieder der grünen Fraktion hier sind

(Zuruf von den GRÜNEN: Eben!)

und die Beschlußfähigkeit des Plenums feststellen lassen wollen.

(Tatge [GRÜNE]: Wir sind wenigstens konsequent! — Tischer [GRÜNE]: Wie viele von Ihrer Fraktion sind da?)

— Das ist doch überhaupt nicht die Frage! Sie bringen Anträge noch und noch ein, und wenn die hier verhandelt werden, sind Sie noch nicht einmal anwesend; selbst die Berichterstatter sind nicht da.
Alles, was Sie hier machen, ist doch ein Hin- und Herschieben. Sie wollen doch nur den ordentlichen Ablauf einer Plenarsitzung stören.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich beantrage daher, den Antrag abzulehnen, und bitte Sie alle um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1019836200
Herr Abgeordneter Senfft, in welcher Reihenfolge wünschen Sie, daß ich abstimmen lasse? Zunächst einmal über die Beschlußfähigkeit des Hauses, nehme ich an. Dann unterbreche ich die Sitzung im Einvernehmen mit dem Sitzungsvorstand,

(Abg. Senfft [GRÜNE] meldet sich zu Wort)

um dann die Beschlußfähigkeit des Hauses in dem bekannten Verfahren feststellen zu lassen.
Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung von 20.53 bis 21.18 Uhr)

Ich bitte, den Saal zu räumen. Die Schriftführer bitte ich, die Türen zu besetzen. Das Abstimmungsverfahren gebe ich noch bekannt.
Die Opposition bitte ich, zwei Schriftführer zu benennen, damit wir die Türen besetzen können. — Einen Schriftführer der SPD-Fraktion bitte ich, in den Saal zu kommen. — Die Türen sind nun ordnungsgemäß besetzt.
Wer dem Antrag des Abgeordneten Senfft nach § 26 unserer Geschäftsordnung, die Sitzung zu vertagen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich durch die Ja-Tür zu gehen. Wer diesen Antrag ablehnen will, den bitte ich, durch die Nein-Tür zu gehen. Selbstverständlich können Sie auch durch die Enthaltungs-Tür gehen.
Die Abstimmung ist eröffnet. — Da nicht ganz sicher ist, ob ich verstanden worden bin, möchte ich noch einmal sagen: Die Abstimmung ist eröffnet. Diejenigen, die den Vertagungsantrag ablehnen wollen, gehen durch die Nein-Tür, die, die ihm zuzustimmen wünschen, durch die Ja-Tür; EnthaltungsTür in der Mitte, wie gehabt.
Ich möchte die Geschäftsführer der Fraktionen bitten, zu mir zu kommen.
Ich bitte nunmehr, die Türen zu schließen und mir das Protokoll hereinzugeben, damit ich das Abstimmungsergebnis feststellen kann.
Meine Damen und Herren, wenn ich einen Moment um Ruhe bitten darf. Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Mit Ja, dem Antrag der GRÜNEN folgend, haben sechs Abgeordnete gestimmt,

(Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! — Pfui!)

mit Nein haben 188 Abgeordnete gestimmt; zwei Enthaltungen sind zu verzeichnen. Die Beschlußfähigkeit ist nicht gegeben, weil die 261 Stimmen, die erforderlich sind, nicht vorhanden sind.

(Klein [München] [CDU/CSU] zu den GRÜNEN: Was seid ihr für ein Volk!)




Vizepräsident Cronenberg Ich hebe die Sitzung auf

(Dr. Müller [CDU/CSU] zu den GRÜNEN: Ihr seid die Nazis von heute! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Freitag — —

(Weiterer Zuruf des Abg. Dr. Müller [CDU/ CSU] — Anhaltende Zurufe von der [CDU/ CSU])

— Der Abgeordnete Müller bekommt einen Ordnungsruf.
Ich bitte das Haus, meine letzte, etwas erfreulichere Mitteilung mit der nötigen Ruhe zur Kenntnis zu nehmen: Der Antrag der SPD-Fraktion auf eine Aktuelle Stunde ist zurückgezogen worden,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

so daß das Haus für morgen, 9 Uhr zu einer neuen Sitzung einberufen wird.
Die Sitzung ist geschlossen.