Protokoll:
10063

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 10

  • date_rangeSitzungsnummer: 63

  • date_rangeDatum: 4. April 1984

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:32 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/63 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 63. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. April 1984 Inhalt: Fragestunde — Drucksache 10/1215 vom 30. März 1984 — Schußversuche an lebenden Tieren MdlAnfr 3, 4 30.03.84 Drs 10/1215 Kirschner SPD Antw PStSekr Würzbach BMVg . . . 4447 B, D, 4448 A, B, C, D, 4449 A, B, C, D ZusFr Kirschner SPD 4448 B, C, 4449A, B ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 4447 B ZusFr Pauli SPD 4447 C, 4449 B ZusFr Lambinus SPD 4447 D ZusFr Stutzer CDU/CSU 4448 A ZusFr Kolbow SPD 4448 D ZusFr Frau Dr. Bard GRÜNE 4449 C ZusFr Sielaff SPD 4449 D Zweck der Tierversuche mit chemischen Kampfstoffen, radioaktiven Strahlen, Giftgas und Schußwaffen MdlAnfr 5, 6 30.03.84 Drs 10/1215 Stutzer CDU/CSU Antw PStSekr Würzbach BMVg . . . . 4449 D, 4450 A, B, C, D, 4451 A, B, C, 4452 A, B, C, D, 4453A, B ZusFr Stutzer CDU/CSU 4450A, B, 4451D, 4452A ZusFr Pauli SPD 4450C, 4452 B ZusFr Kirschner SPD 4450 D, 4452 C ZusFr Frau Dr. Bard GRÜNE . 4450D, 4453A ZusFr Frau Reetz GRÜNE 4451 A ZusFr Berger CDU/CSU 4451 B, 4452 D ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 4451 C ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . . 4453 A Lärmbelästigungen durch Tiefflüge von Militärflugzeugen in Bad Berleburg MdlAnfr 9 30.03.84 Drs 10/1215 Frau Steinhauer SPD Antw PStSekr Würzbach BMVg . . . 4453 C, D, 4454 A, C, D, 4455 A ZusFr Frau Steinhauer SPD . . . 4453D, 4454A ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 4454 B ZusFr Sielaff SPD 4454 C ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . . 4454 D ZusFr Jungmann SPD 4455 A Ausschluß von Kriegsdienstverweigerern bei Lehraufträgen an Bundeswehrhochschulen MdlAnfr 10, 11 30.03.84 Drs 10/1215 Paterna SPD Antw PStSekr Würzbach BMVg . . 4455 B, C, D, 4456 A, B, C, D, 4457 A, B, D, 4458 A, B ZusFr Paterna SPD 4455 B, C, 4457C, D ZusFr Jungmann SPD 4455C, 4458A ZusFr Jansen SPD 4456 A ZusFr Gansel SPD 4456B, 4458A, B ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 4456 C ZusFr Stockhausen CDU/CSU 4456 C ZusFr Lambinus SPD 4456 D ZusFr Berger CDU/CSU 4457 A ZusFr Sielaff SPD 4457 A Verbesserung des amerikanischen „Patriot"-Systems gegen taktische Flug- II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. April 1984 körper und ballistische Mittelstreckenraketen MdlAnfr 12 30.03.84 Drs 10/1215 Frau Fuchs (Verl) SPD Antw PStSekr Würzbach BMVg . . . 4458C, D ZusFr Frau Fuchs (Verl) SPD . . . . 4458C, D Zusammenhang zwischen der Disloszierung von SS-21- und SS-22-Raketen in der DDR und CSSR und den geplanten Änderungen am amerikanischen Luftabwehrsystem „Patriot" MdlAnfr 66 30.03.84 Drs 10/1215 Frau Fuchs (Verl) SPD Antw PStSekr Würzbach BMVg . 4459 A, B, C, D ZusFr Frau Fuchs (Verl) SPD . . . . 4459A, B ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 4459 C ZusFr Jungmann SPD 4459 C Unzureichende Blutversorgung der Bundeswehrsoldaten im Ernstfall; Verkauf von Bluteiweiß durch das Rodenwaldt-Institut MdlAnfr 13, 14 30.03.84 Drs 10/1215 Pauli SPD Antw PStSekr Würzbach BMVg . . . . 4459D, 4460 A, C, D, 4461A ZusFr Pauli SPD 4460 A, B, D, 4461A ZusFr Berger CDU/CSU 4460 C Zuständigkeit des MAD für die Suche von Abhöreinrichtungen in der Wohnung von Staatsminister Möllemann MdlAnfr 15, 16 30.03.84 Drs 10/1215 Jungmann SPD Antw PStSekr Würzbach BMVg . . 4461 B, C, D, 4462 A, B, C, D, 4463 A, B, C, D, 4464 A ZusFr Jungmann SPD . . . . 4461 B, C, 4463A, B ZusFr Catenhusen SPD 4461 C ZusFr Dr. Emmerlich SPD . . . . 4461 D, 4463 B ZusFr Gansel SPD 4462A, 4463 C ZusFr Dr. Klejdzinski SPD . . . 4462 B, 4463 C ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 4462 C ZusFr Kolbow SPD 4462 D ZusFr Kuhlwein SPD 4463 D ZusFr Dr. Jannsen GRÜNE 4464 D Tätigkeit von Pfarrern in Kriegsdienstverweigerungsausschüssen MdlAnfr 23 30.03.84 Drs 10/1215 Sielaff SPD Antw StSekr Chory BMJFG . . . . 4464 B, C, D ZusFr Sielaff SPD 4464C, D Nächste Sitzung 4464 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4465* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. April 1984 4447 63. Sitzung Bonn, den 4. April 1984 Beginn: 13.00 Uhr
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    Berichtigung 61. Sitzung, Seite 4403* C: Nach der 3. Zeile ist hinter den Worten „Auswärtiger Ausschuß (federführend)" einzufügen: „Innenausschuß". Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 6. 4. Bastian 6. 4. Beckmann 4. 4. Conradi 6. 4. Curdt 6. 4. Dr. Ehmke (Bonn) 6. 4. Dr. Enders * 6. 4. Frau Fischer ** 6. 4. Franke 6. 4. Frau Geiger ** 6. 4. Gerstl (Passau) * 6. 4. Gobrecht ** 6. 4. Frau Dr. Hellwig 4. 4. Dr. Holtz ** 6. 4. Kittelmann * 6. 4. Dr. Müller * 6. 4. Offergeld 6. 4. Polkehn 6. 4. Porzner 6. 4. Dr. Riesenhuber 6. 4. Frau Roitzsch (Quickborn) 6. 4. Roth 6. 4. Dr. Rumpf * 6. 4. Dr. Scheer ** 6. 4. Schemken 4. 4. Schmidt (Hamburg) 6. 4. Schmidt (Wattenscheid) 6. 4. Freiherr von Schorlemer 4. 4. Schröder (Hannover) 6. 4. Schwarz 4. 4. Dr. Freiherr Spieß von Büllesheim** 6. 4. Dr. Stark (Nürtingen) 6. 4. Graf Stauffenberg 4. 4. Dr. Stercken ** 6. 4. Stobbe 6. 4. Voigt (Frankfurt) 6. 4. Weiskirch (Olpe) 6. 4. Frau Dr. Wex 5. 4. Wissmann 6. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 71. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
Gesamtes Protokol
Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006300000
Die Sitzung ist eröffnet. Wir treten in Punkt 1 der Tagesordnung ein:
Fragestunde
— Drucksache 10/1215 —
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Der Fragesteller der Frage 1, Herr Abgeordneter Dr. Steger, bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Damit ist dieser Geschäftsbereich bereits abgeschlossen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Würzbach zur Verfügung. Die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Würtz und die Frage 8 der Frau Abgeordneten Blunck sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Kirschner auf:
Kann die Bundesregierung einen Bericht des SPIEGEL Nr. 13/1984 bestätigen, wonach bei der Bundeswehr lebende Tiere zu Schießversuchen benutzt werden, und wenn ja, um wie viele Tiere handelt es sich pro Jahr?

Peter Kurt Würzbach (CDU):
Rede ID: ID1006300100
Herr Präsident! Herr Kollege Kirschner, derartige Versuche werden nicht mehr durchgeführt, und es bestehen auch keine konkreten Planungen auf diesem Gebiet.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006300200
Eine Zusatzfrage? — Bitte sehr.

Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD):
Rede ID: ID1006300300
Herr Staatssekretär, Sie haben erklärt, derartige Versuche werden nicht mehr durchgeführt. Was war die Ursache der Einstellung dieser Art von Versuchen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Klejdzinski, die hier zur Rede stehenden Versuche sind in folgenden Jahren durchgeführt worden: der eine von 1976 bis 1979, der andere von 1975 bis 1978 und der dritte von April 1982 bis 1983. Die ersten beiden Versuche sind abgeschlossen, sind ausgewertet und haben zu den Ergebnissen geführt, die erreicht werden sollten. Weitere Ergebnisse sind
nicht erforderlich. Auf den erreichten Ergebnissen kann aufgebaut werden. Der dritte genannte Versuch wird in diesem Jahr abgeschlossen, und es sieht auch hier so aus, daß befriedigende Erkenntnisse erreicht werden und der Versuch beendet wird.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006300400
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Günter Pauli (SPD):
Rede ID: ID1006300500
Herr Staatssekretär, wenn diese Versuche bei der Bundeswehr nicht mehr durchgeführt werden, werden solche Versuche dann im Auftrag der Bundeswehr bei privaten und unabhängigen Institutionen durchgeführt? Wie sieht dies für die Zukunft aus?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, von den drei genannten Untersuchungen, über die wir hier reden und die in dem Magazin angesprochen wurden, ist nur einer durch die Bundeswehr und bei der Bundeswehr durchgeführt worden. Die beiden anderen sind an private Institute vergeben worden, der eine an die Universitäts- und Poliklinik in Bochum und der andere an die Universitätsklinik Würzburg. Meine auf die Frage von Herrn Kollegen Klejdzinski gegebene Antwort bezieht sich sowohl auf solche Versuche, die wir selbst in der Bundeswehr, in unseren Institutionen durchführen wie auf solche, die wir an die Universitäten vergeben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006300600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lambinus.

Uwe Lambinus (SPD):
Rede ID: ID1006300700
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, wie der konkrete Forschungsauftrag an die Universität Würzburg lautet?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Beschreibung des Auftrags habe ich nicht hier. Ich will Ihnen aber aus meiner Kenntnis, aus dem Studium der Akten, erläutern, worum es in diesen drei Bereichen ging. In dem ersten Versuch ging es darum, die Wirkung von Schutzwesten festzustellen, in dem zweiten Versuch ging es darum, Fertigkeiten für Operationstechniken zu entwickeln, um durch Schußwaffen entstandene Brüche operationell behandeln zu können. Der dritte Versuch in der Uni-



Parl. Staatssekretär Würzbach
versitätsklinik Würzburg bezog sich auf den gleichen Bereich.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006300800
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.

Hans-Jürgen Stutzer (CDU):
Rede ID: ID1006300900
Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie hier so klare Auskünfte geben, und frage Sie, nachdem ich die alte Bundesregierung wiederholt konkret nach den Tierversuchen bei der Bundeswehr gefragt habe, warum ich von der alten Bundesregierung nicht solche Auskünfte wie von Ihnen erhalten habe?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stutzer, ich weiß und wir alle wissen, daß auf diesem Felde sehr zurückhaltend — das ist noch eine vornehme Formulierung von mir —, sehr hinhaltend geantwortet wurde. Wir haben diese Praxis aufgegeben, weil wir meinen, daß dieses sehr sensible Thema bei einem offenen, klaren und ehrlichen Umgang miteinander auch über das Parlament in die Öffentlichkeit gehört. Wir müssen in der Bundeswehr zur Untersuchung von Restrisiken dann, wenn die technischen, analytischen Versuchsmomente ausgeschöpft sind, aber ein mögliches Restrisiko besteht, im Rahmen der Gesetze — des Arzneimittelgesetzes, des Tierschutzgesetzes — leider in einem unerläßlichen Maß auf solche Tierversuche zurückgreifen. Wir meinen, dies sollte vor der Öffentlichkeit nicht verborgen, sondern in aller Klarheit diskutiert werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006301000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kirschner.

Klaus Kirschner (SPD):
Rede ID: ID1006301100
Herr Staatssekretär, bestanden keine anderen Möglichkeiten, die — wie Sie es nennen — Operationstechniken zu erlernen, als diese damit zusammenhängenden Schießversuche an lebenden Tieren, zumal wir in der Bundesrepublik Deutschland Operationstechniken zwar nicht bei Schießversuchen, aber anderweitig bei der Behandlung ähnlich starker Verletzungen oder Verwundungen erlernen könnten?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, meine Antwort muß sein: leider nein. Jeder einzelne Versuch muß begründet, jedes einzelne Tier in jedem einzelnen Versuch muß auf einem Weg von der Versuchsstation in einer bestimmten hierarchisch angeordneten Form gemeldet werden, und es wird für bestimmte Versuche erst dann freigegeben, wenn gründlich geprüft ist — das, was Sie in Ihrer Frage eben ansprachen —, ob man auf bestimmte Untersuchungen an Universitäten, ob man auf vorhandene Ergebnisse in befreundeten Staaten der NATO, ob man auf Staaten auch außerhalb der NATO — ich weise z. B. auf Schweden hin — zurückgreifen kann. Erst wenn das der Fall ist, werden diese Tierversuche im gesetzlich zulässigen Rahmen durchgeführt zur Erlernung von Operationstechniken, Herr Kollege, die es leider noch nicht gibt. Der Mensch, in diesem Fall der Soldat, hat einen Anspruch darauf, daß, bevor er als Verletzter behandelt werden soll, die Ärzte, der Sanitätsdienst der Bundeswehr — der die Erkenntnisse auch in den zivilen Bereich weitergibt — über die medizinischen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, um ihn bei entsprechenden Verletzungen mit Erfahrung, mit dem Wissen, wie man es macht, und mit der Kenntnis von Schwerpunkten, die medizinisch beachtet werden müssen, behandeln zu können und nicht erst an ihm, dem verletzten Menschen, etwas Derartiges zu versuchen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006301200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kirschner.

Klaus Kirschner (SPD):
Rede ID: ID1006301300
Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß noch nicht genügend Erfahrungen bestünden. Ist daraus zu entnehmen, daß Sie nicht ausschließen — obwohl Sie vorher sagten, die dritte Experimentierphase sei zu Ende und damit sei Schluß —, daß es in Zukunft doch wieder solche Experimente gibt? Eigentlich müßten Erfahrungen vorliegen. Denn wenn ich richtig unterrichtet bin, Herr Staatssekretär, wurde das Kaliber 5,56 mm bereits im Vietnam-Krieg eingesetzt, so daß doch durch einen befreundeten Staat genügend Erfahrungen zu vermitteln gewesen wären.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Sie können aus meiner Antwort nicht schließen, daß nicht genügend Ergebnisse vorliegen und wir diese Untersuchungen weiter fortsetzen müssen, sondern ich bitte, daraus zu schließen, daß bei Anlegen des allerstrengsten Maßstabs durch Koordination im Rahmen der NATO und durch Heranziehen von Ergebnissen, wie Sie eines als Beispiel nannten, im Augenblick ein Erkenntnisstand erreicht ist, der uns in die Lage setzt, auf weitere Untersuchungen dieser Art zu verzichten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006301400
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kolbow.

Walter Kolbow (SPD):
Rede ID: ID1006301500
Herr Staatssekretär, Sie haben heute morgen zu diesem Themenkomplex im Verteidigungsausschuß vorgetragen, hatten aber, wenn ich mich recht entsinne, diese beiden Forschungsaufträge nicht erwähnt. Sind Sie bereit, die Ergebnisse der an die Universitäten vergebenen Forschungsaufträge den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses zu übermitteln?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Kolbow, erlauben Sie mir, da Sie als stellvertretender Vorsitzender auch wissen, wie manchmal eine Sitzung abläuft, darauf hinzuweisen, daß Sie sich in diesem Falle leider nicht richtig entsinnen. Ich habe gegen Ende sehr exakt auf die drei Untersuchungen hingewiesen, den Untersuchungszweck erläutert und die beteiligten Institute dargestellt. Natürlich reiche ich bei der von Ihnen angekündigten Diskussion die gewonnenen Ergebnisse im Detail nach.

(Kolbow [SPD]: Danke schön!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006301600
Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Kirschner auf:
Zu welchen militärischen Versuchen werden Tiere benutzt?



Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Tierversuche werden in der Bundeswehr nicht zu militärischen Zwecken, sondern nur zur Diagnose, zur Therapie und zur Entwicklung von Möglichkeiten des Schutzes für den Menschen durchgeführt. Hierbei gelten uneingeschränkt die Arzneimittelprüfrichtlinien, die vor Einführung eines Medikaments die Erprobung an Tieren zwingend vorschreiben. In der Entwicklung von Schutzmöglichkeiten für Soldaten wird erst nach Ausschöpfung aller physikalisch-technischer, analytischer Verfahren zur Ausschaltung des Restrisikos für den Menschen auf das unerläßliche Maß an Tierversuchen zurückgegriffen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006301700
Eine Zusatzfrage, bitte.

Klaus Kirschner (SPD):
Rede ID: ID1006301800
Herr Staatssekretär, trifft es zu — bezogen auf den in meiner Anfrage genannten „Spiegel"-Artikel —, daß ein Oberfeldarzt berichtet, daß in der Pathologie des Instituts für Wehrmedizin und Hygiene in Koblenz zwischen 1981 und 1983 „Hunderte" Gewebeproben beschossener Zwergschweine vergammelten, daß die Auswertung bis heute „noch nicht abgeschlossen" sei und die Wehrmediziner offenbar „viel zu viele Schweine" getötet hätten?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dies kann ich nach den mir zugeleiteten, bisher vorliegenden Untersuchungsergebnissen nicht bestätigen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006301900
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Klaus Kirschner (SPD):
Rede ID: ID1006302000
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dieser Sache nachzugehen und mir schriftlich entsprechend zu berichten?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich bin dazu nicht nur bereit, sondern ich habe veranlaßt, ihr energisch nachzugehen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006302100
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pauli.

Günter Pauli (SPD):
Rede ID: ID1006302200
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, diesem Haus eine komplette Übersicht über Art und Weise aller Tierversuche zu geben, sowohl was die Versuche in der Bundeswehr als auch was die im Auftrag der Bundeswehr an unabhängige Institute erteilten Aufträge anlangt?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe Ihnen, wie ich sehe, am 9. März geschrieben. Herr Kollege Stutzer machte auf den Unterschied im Umgang und in der offenen Mitteilung aufmerksam. Das erste Mal haben Sie hier eine Übersicht, die bis in den Januar 1979 zurückreicht. Weiter zurückreichende Statistiken lassen sich nicht mehr herstellen, weil dies nicht aufgezeichnet wurde. Ich wiederhole, daß wir hier zu einer offenen Diskussion gegenüber dem Verteidigungsausschuß, der dies gefordert hat, und gegenüber dem Parlament bereit sind.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006302300
Eine weitere Zusatzfrage, bitte sehr.

Dr. Sabine Bard (GRÜNE):
Rede ID: ID1006302400
Herr Staatssekretär, Sie sagten vorhin, Sie machten die Tierversuche in der Bundeswehr zu therapeutischen Zwecken. Heißt das, daß da therapeutische Mittel getestet werden sollen, die eventuelle chemische oder biologische Kampfstoffe abwehren sollen, und wie wollen Sie eigentlich diese therapeutischen Versuche machen, wenn die Bundesrepublik überhaupt nicht über solche Kampfstoffe verfügt und verfügen darf?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Auch die von Ihnen gestellte Frage verbirgt sich in dem großen Paket Diagnose, Schutz, Therapie. Ich erinnere an Vorkommnisse, die wir über die Bildschirme gesehen haben, im Augenblick Iran/Irak oder etwas länger zurückliegend der Unfall in der Sowjetunion in Swerdlowsk, wo die Menschen ein Anrecht darauf haben, wenn sie von diesen Stoffen befallen sind, unter Berücksichtigung aktueller medizinischer Kenntnisse behandelt zu werden.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Hier gibt es sehr klare Verträge im Rahmen der Westeuropäischen Union, die für alle Länder, auch für uns, sehr klar regeln, wer wem in welchem Maße unter welcher Kontrolle für diese Experimente welche Stoffe liefert.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006302500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sielaff.

Horst Sielaff (SPD):
Rede ID: ID1006302600
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, diese militärischen Experimente und Versuche ziviler Kontrolle zu unterstellen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das Tierschutzgesetz räumt der Bundeswehr diese Versuche ausdrücklich mit der Auflage ein, sie durch Fachleute, die wir haben, Veterinäre und Humanmediziner zu überwachen. Dies ist die bisher geübte Regel. Wenn wir diese Aufträge an die zivilen Institute — Universitäten, Kliniken — geben, werden sie dort ohnehin entsprechend den Landesgesetzen zivil überwacht, so daß dies kein völlig neuer Weg wäre.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006302700
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Stutzer auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß Versuchstiere in Munster — z. T. ohne vorherige Betäubung — chemischen Kampfstoffen und radioaktiven Strahlungen und an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München dem Hautgift Lost und Nervengiften ausgesetzt wurden, wenn ja, dienen diese Versuche ausschließlich therapeutischen Zwecken?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stutzer, die von Ihnen genannten Versuche an der wehrwissenschaftlichen Dienststelle für ABC-Schutz der Bundeswehr in Munster dienten ausschließlich der Entwicklung von lebensrettenden Schutzmöglichkeiten, die Versuche an der Akademie für Sanitäts- und Gesundheitswesen der Bundeswehr in München ausnahmslos therapeutischen Zwecken. Die Bewertung der Wirksamkeit neu ent-



Parl. Staatssekretär Würzbach
wickelter Schutz- bzw. Heilmittel für den gesamten Organismus läßt die Durchführung der Untersuchungen unter Vollnarkose nicht immer zu. Bedauerlicherweise stehen für diesen Teil der notwendigen Untersuchungen alternative Methoden — technische, analytische — noch nicht zur Verfügung.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006302800
Zusatzfrage, bitte.

Hans-Jürgen Stutzer (CDU):
Rede ID: ID1006302900
Herr Staatssekretär, handelt es sich hier nicht um vermeidbare Doppelversuche, da die bei den Tierversuchen gesammelten Erfahrungen — wenn ich dem Artikel im „Spiegel" Glauben schenken darf — schon in den Lehrbüchern standen, und können Sie, Herr Staatssekretär, ausschließen, daß schon gleichartige Versuche in den Vereinigten Staaten durchgeführt wurden? Ich denke hier, um ein Beispiel zu nennen, an die Erf as-sung und Heilung von Hautschäden nach Einwirkung des Hautgiftes Lost.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, gerade bei dem Hautgift Lost, das im Ersten Weltkrieg eingesetzt worden ist, wird deutlich, daß die 1917 gefundenen Gegengifte, Salben und ähnliches noch nicht ausreichen. Ich wies eben auf Swerdlowsk und auf Iran und Irak hin.
Ich darf das Beispiel in Ihrer Frage aufgreifen. Auf dem öffentlichen, zivilen medizinischen Markt wird verständlicherweise auf diesem Gebiet nicht so gründlich geforscht. Hier müssen die Bundeswehr, hier müssen die Armeen der verschiedenen Staaten der NATO selbst federführend tätig werden.
Ich schließe aus — auch das ist Teil Ihrer Frage gewesen —, daß Doppelversuche innerhalb der NATO-Staaten gemacht worden sind. Und ich möchte hinzufügen: Weil gerade in dem Feld, nach dem Sie fragen, noch ein solcher Aufholbedarf ist, kann man nicht — auch nicht in der NATO, die gut zusammenarbeitet — sagen: In dieser Frage forscht der Staat x oder y — Amerika oder die Bundesrepublik, Dänemark oder wer auch immer — allein. Hier sollten vielmehr, wie bei allen anderen Bemühungen üblich — wir haben ja noch viele Krankheiten als schlimme Geißeln der Menschheit —, alle Kapazitäten angeregt werden. Sie sollten allerdings koordiniert tätig werden, um ein Mittel zu finden, das dann mit Erfolg eingesetzt werden kann. Eine gegenseitige Unterrichtung, Herr Kollege Stutzer, über die laufenden Untersuchungen, über die Fortschritte und Ergebnisse wird — sehr eng verzahnt — ständig vorgenommen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006303000
Eine weitere Zusatzfrage.

Hans-Jürgen Stutzer (CDU):
Rede ID: ID1006303100
Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, daß bei den Versuchen unbetäubte Meerschweinchen, Kaninchen und Mäuse Qualen ausgesetzt waren? Wenn ja, können Sie sagen, wie viele Tiere 1983 unbetäubt den Versuchen ausgesetzt waren?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, sowie bei diesen Versuchen Schmerz bei den Tieren erkannt wird, wird das entsprechende Gegenmittel verabreicht. Sollte erkennbar sein, daß auch dieses nicht wirkt, werden die Tiere so, wie es das Gesetz sehr genau vorschreibt, schmerzlos — wie es gesetzlich heißt — getötet.
Ich kann Ihnen dazu keine Zahl nennen. Ich habe vorhin gesagt, daß wir mit solchen Erhebungen und Statistiken erst begonnen haben. Ich kann allerdings, wenn dieses verlangt wird, natürlich für die Zukunft anordnen, daß wir auch hierüber eine entsprechende Statistik führen. Das verlangt eine sehr aufwendige Führung der Statistik.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006303200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pauli.

Günter Pauli (SPD):
Rede ID: ID1006303300
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, werden diese hier in Frage stehenden Versuche immer noch durchgeführt. Ich darf Sie fragen: Wo werden in der Bundesrepublik noch solche Versuche in derselben Weise durchgeführt?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie kennen die Institute und Institutionen der Bundeswehr, wo wir neben dem Koblenzer Institut, nach dem Sie mehrfach fragten, dies tun. Wir haben in jedem Wehrbereich entsprechende Veterinärversuchsanstalten. Wir haben darüber hinaus in Munster, in Meppen und auch an der Sanitätsakademie in München solche Versuchsanstalten.
Bevor dort einzelne Versuche angeordnet werden — über die Prozedur habe ich vorhin gesprochen —, wird gründlich geprüft, wo in der NATO, wo in einem über die NATO hinaus befreundeten Staat, der uns Ergebnisse zugänglich macht, oder wo an zivilen Instituten — Universitäten — dies in ähnlicher Form auch getan wird, um sich dieser Ergebnisse zu bedienen und auf eigene Versuche verzichten zu können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006303400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kirschner.

Klaus Kirschner (SPD):
Rede ID: ID1006303500
Herr Staatssekretär, sind solche Wirkungen radioaktiver Strahlungen nicht anderweitig bekannt, ohne daß man zusätzlich auf Tierversuche zurückgreifen muß?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, in der Form, daß sich daraus Hinweise für die Therapie, ja, schon für die Diagnose ergeben — um zu wissen, in welchem Stadium und wie man den Patienten behandeln kann —, leider nicht.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006303600
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Bard.

Dr. Sabine Bard (GRÜNE):
Rede ID: ID1006303700
Ist es dann, wenn es so ist, wie Sie sagen, daß das alles nur therapeutischen Zwecken dient, nicht richtig und logisch, daß diese Versuche, soweit sie überhaupt gemacht werden, öffentlicher Kontrolle zugänglich sind und nicht von den Genehmigungsbehörden der Bundeswehr intern geregelt werden, weil so doch der Verdacht entsteht, daß die Bundesrepublik mit biologischen und



Frau Dr. Bard
chemischen Waffen umgeht und sie ja offensichtlich auch in Besitz hat?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, nicht nur Therapie, sondern — ich wiederhole es — Diagnose, Therapie und Schutz, das waren die drei Bereiche, die ich nannte. Sie haben nur einen herausgegriffen.
Im Unterschied zu Ihnen betrachte ich die Kontrolle in der Bundeswehr, die wiederum der Kontrolle des Parlaments und damit auch der Öffentlichkeit unterliegt, auch als öffentlich.
Zu der Einschätzung, die Sie eben in Ihre Frage hineinbrachten, kann ich nur sagen: Die kann nur der ausdrücken, der sich mit den wirklichen Zuständen, mit dem Auftrag und der Durchführung, nicht befaßt und der — ich gehe noch etwas weiter — dann augenscheinlich bewußt der Bundeswehr entgegen dem, was sie wirklich tut, etwas Unzutreffendes unterstellen will.

(Zuruf von der SPD: Das war unzulässig!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006303800
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Reetz.

Christa Reetz (GRÜNE):
Rede ID: ID1006303900
Herr Staatssekretär, in bezug auf die Auswirkungen von radioaktiven Strahlungen bestehen doch wirklich seit Jahrzehnten Erfahrungen; ich erinnere an das Strahlenkrankenhaus in Hiroshima, das laufend Auswertungen vornimmt. Bedeuten diese Versuche, daß es andere radioaktive Substanzen gibt und daß andere Auswirkungen als die zu befürchten sind, die wir von Hiroshima her kennen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Wirkungen auf den Menschen sind bekannt, aber wir verfügen noch nicht über Heilmittel, um bef allene, betroffene, verletzte Patienten mit Aussicht auf Heilungserfolg behandeln zu können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006304000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1006304100
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit meiner Beurteilung überein, daß wir auch im Hinblick auf diese Tierversuche zu rein therapeutischen Zwecken zu einer wesentlichen Einschränkung kommen könnten, wenn es endlich zu einem weltweit gültigen und auch verifizierten Verbot der Herstellung, der Lagerung und des Besitzes von chemischen Waffen käme?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dies ist ein wünschenswerter Vorgang, für den sich ja gerade bei uns in der Bundesrepublik alle Regierungen schon sehr eingesetzt haben. Wenn es keine chemischen Waffen gibt, wenn wir die bestehenden überprüfbar auf Null reduziert haben, tritt mit Sicherheit der Effekt ein, den Sie in Ihrer Frage angesprochen haben, daß dann bestimmte vorbeugende, zur Diagnose, zur Therapie und zum Schutz befähigende Erprobungen eingestellt werden könnten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006304200
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klejdzinski.

Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD):
Rede ID: ID1006304300
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß sich das, was vom Kollegen Berger vorgeschlagen wurde, auch auf die bakteriologischen und auf die biochemischen Waffen beziehen müßte?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Dies wäre noch schöner, als wenn es sich nur auf den einen Teil bezöge, Herr Kollege Klejdzinski.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006304400
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 6 des Herrn Abgeordneten Stutzer auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß in Meppen bzw. in Munster unbetäubte Zwergschweine nicht nur aus nächster Nähe dem Geschützdonner großkalibriger Waffen ausgesetzt wurden, um moderne Hörschutzgeräte für Geschützbedienungen zu erproben, sondern auch scharf beschossen wurden, um die Wirkung von Schutzausrüstungen zu testen, und bei diesen Versuchen z. T. schwer verletzt wurden, wenn ja, hätten diese Versuche nicht an einer schmerzfreien Materie, wie z. B. besonders hierfür konstruierten Puppen — wie bei der Verkehrsunfallforschung — vorgenommen werden können?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stutzer, Untersuchungen zu Auswirkungen des Knalltraumas in Verbindung mit der Entwicklung geeigneter Schutzmöglichkeiten sind durchgeführt worden. Ebenso wurden Versuche zur Entwicklung eines kugelsicheren Körperschutzes unter Heranziehung von Versuchstieren vorgenommen. Die Tiere befanden sich bei diesen Untersuchungen teils in Narkose, teils unter dem Einfluß stark sedierender Medikamente.
Versuche an schmerzfreier Materie, z. B. an besonders konstruierten Puppen wie etwa bei der Verkehrsunfallforschung, hätten diese Ergebnisse nicht erbringen können. In bezug auf die Verkehrsunfallforschung ist z. B. zu sagen, daß bei den hier in Rede stehenden Versuchen nicht die unkontrollierte Bewegung eines Körpers in einem bewegten System, sondern die komplexen Folgen einer ganz bestimmten Einwirkung auf den lebenden Organismus geprüft werden.
Die durch Knalldruck auf Gehör- und andere Körperorgane ausgeübten Einflüsse können an einer Puppe nicht — ich sage: leider nicht; Sie verstehen das, das verbindet uns ja über alle politischen Grenzen hinweg — dargestellt werden. Das gleiche gilt für die Prüfung von Schutzmöglichkeiten auf Wirksamkeit gegen Geschoßwirkungen auf den lebenden Organismus. Ich weise noch einmal darauf hin, daß vor der Heranziehung von Tieren durch Prüfungen im physikalisch-technischen analytischen Bereich die dort erreichbare höchstmögliche Sicherheit entwickelt wird und die Tierversuche stets nur am Ende stehen und sich auf das unerläßliche Mindestmaß beschränken.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006304500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stutzer.

Hans-Jürgen Stutzer (CDU):
Rede ID: ID1006304600
Herr Staatssekretär, was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um Alternativmethoden zu entwickeln, die die Versuche



Stutzer
ersetzen, und welche Mittel sind hierfür bisher von der Bundeswehr zur Verfügung gestellt worden?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Wir haben — ich habe das schon zweimal geschildert, einmal auch auf Ihre Frage — ein Verfahren, das sehr, sehr gründlich ist. Da heißt es nicht: „Hoch lebe der Vorgang!", sondern jeder Antrag bedarf, was den Untersuchungszweck, das angestrebte Ergebnis und den Umfang angeht, wieder neu einer gründlichen Überprüfung und Genehmigung. Es kann also keiner der entsprechenden Fachleute, der Mediziner diese Versuche aus eigenen Vorstellungen und Gutdünken vornehmen. Dies ist das eine.
Wir prüfen durch enge Verbindungen zur Wissenschaft weit über den bundesdeutschen Rahmen hinaus, wo sich neue technische, analytische alternative Methoden anbieten, um den heutigen Umfang der Tierversuche einzuschränken. Wir haben uns mit Mitteln, die Sie im Haushalt in einem bestimmten Ansatz finden könnten, aus dem Einzelplan 14 an solchen Vorhaben nicht beteiligt, wissen aber, daß es insgesamt mit erheblichen Mitteln in der Forschung betrieben wird.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006304700
Eine weitere Zusatzfrage.

Hans-Jürgen Stutzer (CDU):
Rede ID: ID1006304800
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, ob die Vereinigten Staaten bei der Entwicklung alternativer Methoden weiter sind als wir, und würden Sie die Einrichtung einer Datenbank begrüßen, mit Rücksicht gerade auf die Zusammenarbeit mit den NATO-Partnern und den anderen Ländern?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es kann nicht generell gesagt werden, daß die Vereinigten Staaten dort weiter sind als wir. Auch bei uns wird im Augenblick an einer Methode gearbeitet, um die heute leider nur durch Tierversuche festzustellenden Verdachtsmomente bei Tbc-Erkrankungen festzustellen. Hier zeichnet sich ab, daß in naher Zukunft unter starker Beteiligung gerade von Wissenschaftlern der Bundesrepublik eine Methode gefunden werden wird, bei der wir auf Tierversuche verzichten können.
Datenbank: Ich habe den Eindruck, daß der Austausch von Kenntnissen und Erfahrungen nicht erst am Ende einer Versuchsreihe, sondern ständig auch in den Zwischenphasen erfolgt. Durch jährlich stattfindende Gespräche, die nicht nur die NATO-Staaten führen, sondern zu denen auch neutrale Staaten eingeladen werden — ich nenne noch einmal Schweden, das dort sehr aktiv ist —, werden die Kenntnisse so eng miteinander ausgetauscht, daß ich eigentlich Ihr Wort aufnehmen möchte und sage: Es besteht ein abrufbares Informationssystem über das, was die anderen können, tun und im Augenblick durchführen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006304900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Pauli.

Günter Pauli (SPD):
Rede ID: ID1006305000
Herr Staatssekretär, darf ich Sie auch hier fragen, wo in der Bundesrepublik außer in Meppen und Munster noch solche Versuche durchgeführt werden?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich habe davon gesprochen, daß wir die Veterinäruntersuchungsstationen in allen sechs Wehrbereichen haben; die Verteilung über das Bundesgebiet ist Ihnen bekannt. Ich sprach über das Institut bei Ihnen in Koblenz, nach dem Sie oft gefragt haben, ich sprach von Munster und Meppen und von der Sanitätsakademie in München und von den Bundeswehrkrankenhäusern in Koblenz und Ulm. Das ist die komplette Liste innerhalb der Bundeswehr. Ich verweise korrekterweise noch einmal darauf, daß wir auch Aufträge an Universitätskliniken vergeben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006305100
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Kirschner.

Klaus Kirschner (SPD):
Rede ID: ID1006305200
Herr Staatssekretär, in der Frage des Kollegen Stutzer wurde danach gefragt, ob Minischweine in der Nähe der Geschütze stationiert werden, um Erkenntnisse zu bekommen, wie sich Geschützdonner auswirkt. Sind solche Auswirkungen nicht von vornherein bekannt, so daß dies überhaupt nicht notwendig ist? Man weiß doch, welche Auswirkungen so etwas hat.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir beide sind keine Mediziner. Ich bin sicher, daß der Mediziner, wenn er die Frage hörte, ob dies nicht von vornherein bekannt ist, als Fachmann beredter als ich antworten könnte. Daß es zu schädigenden Einwirkungen kommt, ist bekannt. Aber wie sich diese momentan und langanhaltend auswirken und wie wir was tun können, um dagegen einen Schutz vornehmen zu können, bedarf mit Sicherheit einer gründlichen Forschung und der Einleitung entsprechender Maßnahmen. Umgekehrt ausgedrückt: Ich gehe davon aus, wenn das so einfach wäre, wie sich das in Ihrer Frage anhörte, dann wäre ein solches Experiment nicht nötig und dann wäre ein solcher Versuch nicht genehmigt worden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006305300
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1006305400
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß solche Knalltraumata eine Erkrankung sind, von der insbesondere, auch in Friedenszeiten, sehr viele Soldaten betroffen sind und unter denen sehr viele Soldaten leiden; und können Sie zweitens bestätigen, daß gerade die Entwicklung der heute vorhandenen passiven Schutzvorkehrungen einen wesentlichen Beitrag geleistet haben, diese Erkrankungen zu verringern?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bestätige dies, nicht nur bezogen auf die Soldaten. Wir alle haben in unseren Wahlkreisen zunehmend damit zu tun, zu helfen, daß Lärmschutzvorkehrungen vorgenommen werden. Ich brauche hier vor dem Bundestag nicht zu erläutern, wie wir dieses Gebiet gerade in der letzten Zeit wegen der Einwirkungen auf die Menschen entwickelt haben.




Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006305500
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1006305600
Herr Staatssekretär, da Sie verschiedentlich in den Antworten darauf hingewiesen haben, daß es sich ausschließlich um medizinische Experimente handelt, deren Auswirkungen geprüft werden, um Heilungen vornehmen zu können, möchte ich Sie fragen, ob Sie ausschließen können, daß Parallelversuche in anderen Institutionen aus anderen medizinischen Gründen gemacht werden und daß das dann im Gegensatz zu den Intentionen der Verfasser der Novelle zum Tierschutzgesetz in Ihrer eigenen Regierung steht?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich wiederhole und bestätige, daß, bevor ein Experiment bei uns genehmigt wird, gründlich und immer wieder bis in die Details geprüft wird, ob ein solches Experiment erforderlich ist und ob ein solches Experiment im Augenblick irgendwo an einer Institution im In- und Ausland durchgeführt wird, um in diesem Fall auf ein solches zu verzichten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006305700
Weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Bard.

Dr. Sabine Bard (GRÜNE):
Rede ID: ID1006305800
Sie sagten vorhin, daß Sie die Beurteilung dieser Genehmigung dem Mediziner überlassen. Finden Sie nicht, daß die Diskussion inzwischen gezeigt hat, daß genau hier das Problem ist: daß die Bundeswehr ihre Experten, ihre Sachverständigen, ihre Mediziner heranläßt, um solche Genehmigungen sich selber zu erteilen, und genau dadurch in einen Widerspruch kommt, da die öffentlichen Belange hier gar nicht mehr einbezogen und die üblichen Kriterien der Genehmigung von Tierversuchen nicht mehr angewendet werden?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich habe genau dies so nicht gesagt, Frau Kollegin. Ich habe im Gegenteil gesagt, daß die Ärzte, die beteiligten Forscherveterinäre nicht sich selbst bestimmte Versuchsketten genehmigen können, sondern daß sie beschreiben müssen, aus welchem Zweck sie was als Experiment planen, und daß sie dies auf einem hierarchisch geordneten Vorgesetzenweg nach oben zu beantragen haben. Die Zwischenstation dafür ist das Heeresamt, wenn Sie sich die Konstruktion der Bundeswehr vor Augen führen. Die Genehmigung erteilt das Verteidigungsministerium. Werden diese Forschungsaufträge an Universitäten vergeben, so sind jeweils die Landesbehörden entsprechend der Ordnung in den Bundesländern direkt durch Annehmen des Experiments und durch Durchführungen der Kontrolle beteiligt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006305900
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 9 der Frau Abgeordneten Steinhauer auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Kurgäste und Bewohner von Bad Berleburg Lärmbelästigungen durch Tiefflüge von Militärflugzeugen ausgesetzt sind, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese Belästigung abzustellen und um dem weiteren Gästerückgang wegen der Lärmbelästigung entgegenzuwirken zu können?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Bundesregierung verkennt nicht, daß auf Grund der Lage Bad Berleburgs innerhalb des Tieffluggebiets Nr. 3, wie wir es dort nennen, Belastungen auftreten können. Aus diesem Grund wurde der Ort in den Sichtflugarbeitskarten besonders markiert. Damit ist Bad Berleburg bei der Planung von Tiefflügen mit der dort zulässigen Mindesthöhe von 75 m über Grund auszusparen. Bei der Durchführung der Flüge wird Bad Berleburg nach Möglichkeit im Tiefflug umflogen oder aber oberhalb des für Tiefflüge dort zulässigen Höhenbereichs 75 bis 150 m überflogen. Auf Grund fliegerisch-taktischer, verkehrsmäßiger oder meteorologischer Erfordernisse ist das unmittelbare Überfliegen jedoch bedauerlicherweise nicht immer vermeidbar. Eine Regelung, die einen absoluten Schutz vor Tiefflügen beinhaltet, ist angesichts der dichten Besiedelung und der ständig wachsenden Zahl von Kurorten und Fremdenverkehrsorten — derzeit haben wir etwa 1550 ähnlicher Orte — nicht möglich. Der für eine einsatzgerechte Ausbildung unumgängliche Tiefflug könnte dann in unserem Land nicht mehr durchgeführt werden.
Ein Rückgang der Zahlen an Kurgästen, wonach Sie auch fragen, allein auf Grund von Tiefflügen ist der Bundesregierung nicht bekannt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006306000
Zusatzfrage, bitte.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1006306100
Herr Staatssekretär, halten Sie, wenn auch Sie die Übungsflüge hier schon etwas in Frage stellen, nicht Überlegungen für angängig, solche Tiefflüge bei uns überhaupt einzustellen, weil die Bundesrepublik überhaupt so dicht besiedelt ist und auch in allen Bereichen eine hohe Zahl von Kur- und Badeorten hat?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich antworte Ihnen frei: Dies wäre schön, entspricht nur nicht der Realität. Wir brauchen unsere Luftwaffe, und die Luftwaffe kann ihren Auftrag nur erfüllen, wenn sie mit den Flugzeugen nicht nur auf dem Flugplatz steht, sondern wenn die Piloten in der Lage sind, ihre komplizierten Maschinen — dem Auftrag gehorchend — zu bewegen, zu beherrschen, und zwar über das ganze Jahr hin, bei unterschiedlichsten, widrigsten Witterungsbedingungen. Dazu muß geübt, dazu muß geflogen werden.
Keiner von uns leugnet, daß dies eine Beeinträchtigung der Bevölkerung beinhaltet; dies ist leider so. Darüber haben wir uns hier viele Male — so auch in den letzten eineinhalb Jahren, in denen ich zu antworten hatte, aber auch schon vorher, als andere Kollegen dies getan haben — unterhalten.
Sie wissen, daß wir eine Reihe von Übungsflügen in das Mittelmeergebiet, nach Kanada, nach Portugal und sonstwohin, wie wir sagen, exportieren. Aber wir können nicht die gesamte Luftwaffe aus der Bundesrepublik ins Ausland verlagern. Daher wäre es seitens der Regierung und, so meine ich, auch seitens der Mitglieder des Parlaments unred-



Parl. Staatssekretär Würzbach
lieh, unehrlich, wenn wir versuchten, der Bevölkerung zu sagen, wir könnten diese Belästigung, die nicht geleugnet werden kann, auf Null zurückdrehen; dies ist leider nicht möglich. Daß wir uns anstrengen — durch Begrenzen von einer bestimmten Zeit in der Frühe bis zu einer am Abend, durch bestimmte Kanalisation, durch Freihalten von Orten und ähnliches —, die Beeinträchtigung so gering wie möglich zu halten, wissen Sie, die Sie unsere Bemühungen beobachten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006306200
Weitere Zusatzfrage.

Waltraud Steinhauer (SPD):
Rede ID: ID1006306300
Herr Staatssekretär, ich nehme an, Ihnen ist auch die Untersuchung der Stiftung Warentest bekannt, in der Tiefflüge ganz besonders als negativ herausgestellt worden sind. Wenn auf militärische Tiefflüge nach Ihrer Auffassung schon nicht verzichtet werden kann, sind Sie dann, abgesehen von Ihrer soeben erteilten Antwort, nicht der Auffassung, daß man zum Schutze der Bürger und auch der genesungsuchenden Patienten wenigstens anstreben müßte, die Mittagszeit von Tiefflugübungen freizuhalten?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Steinhauer, Minister Manfred Wörner hat — Ihnen mitgeteilt durch mich, der ich für ihn spreche — genau dies seit mehr als einem Jahr nicht nur in der Theorie im Verteidigungsministerium, sondern auch in der Praxis vor Ort — durch Rückkoppelung mit Kommunalpolitikern in Fremdenverkehrsorten, mit Gästen und Bürgern, mit dem Personal in Krankenhäusern usw. — untersucht. Die Untersuchung ist zwar noch nicht abgeschlossen, ich will Ihnen aber, weil Sie danach fragen, gern mitteilen, wie der augenblickliche Zwischenstand ist.
Der sieht so aus: Wenn wir die Mittagspause aussparten, müßten wir die Tiefflugübungen davor oder danach unterbringen. In den Befragungsergebnissen überwiegen im Augenblick ganz deutlich die Antworten, Frau Kollegin Steinhauer: Fliegt dann lieber auch mittags und hängt die Zeit nicht von 17 Uhr bis 18 Uhr, 19 Uhr oder 20 Uhr hinten dran.
Ich will Ihnen sagen, warum die Mehrzahl der Befragten dies sagt: Mittags sind wir ohnehin in Aktion, im Arbeitsprozeß.

(Zurufe von der SPD: Kurgäste?)

Diejenigen, die mittags ruhen, wollen, wenn sich das nicht vermeiden läßt, lieber mittags als noch weiter in den Abend hinein beeinträchtigt werden. So bisher erkennbar eine Zwischenauswertung.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006306400
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kejdzinski.

Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD):
Rede ID: ID1006306500
Herr Staatssekretär, Sie haben ausgeführt, in der Regel werde Berleburg umflogen. Sie haben weiter ausgeführt, unter bestimmten taktischen und meteorologischen Gesichtspunkten müsse Berleburg überflogen oder angeflogen werden. Unabhängig davon, daß ich das letztere nicht verstehe, frage ich Sie, ob Sie nicht einmal daran gedacht haben, das Tiefflugüberwachungsgerät Skyguard in diesem Bereich einzusetzen.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wer Sie kennt, weiß, daß Sie selber einmal Pilot waren und auch über der Bundesrepublik geflogen sind. Deshalb können Sie vielleicht besser als wir und in diesem Fall auch besser als ich einschätzen, daß einen Pilot, der mit hoher Geschwindigkeit fliegt und diesen Kringel auf der Landkarte eingezeichnet hat, den er umfliegen soll, bestimmte taktische und meteorologische Dinge davon abhalten, dies tatsächlich zu tun. Hier war ich so ehrlich — ich sage das einmal so —, einzuräumen, daß sich Vorgaben in der Praxis nicht immer einhalten lassen. Die beiden Radarsysteme Skyguard werden Ende dieses Jahres einsatzfähig sein. Ich habe schon mehrfach darüber berichtet. Wir werden sie quer durchs Bundesgebiet überraschend einmal hier und einmal da einsetzen, um zu überprüfen, ob sich die Piloten, unsere wie die der Alliierten, an die vorgegebenen Richtlinien halten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006306600
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sielaff.

Horst Sielaff (SPD):
Rede ID: ID1006306700
Herr Staatssekretär, ich darf daran anschließen und fragen, wie die Kontrolle insbesondere durch die Bürgerschaft gerade in den Bereichen möglich ist, wo die Anordnungen über Tiefflüge bestehen. Wie kann die Bürgerschaft dies kontrollieren?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, einmal so, daß sich die Bürgerschaft durch ihre kommunalen Vertreter oder durch uns, die Bundestagsabgeordneten, Einblick in die Auflagen verschafft, die in dem dortigen Gebiet vom Verteidigungsministerium für alle NATO-Verbände erlassen worden sind, und zum anderen später, indem wir die Bevölkerung über ihre gewählten kommunalen Repräsentanten über die Ergebnisse — die ja ausgedruckt und in Bildern festgehalten sind — der beiden eben genannten Radarüberwachungssysteme informieren, die auf diesem Gebiet völlig neuartig sein werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006306800
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID1006306900
Ich möchte auf die Lärmbelästigung zurückkommen. Meinen Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß es nicht nur eine Belästigung ist, sondern daß es auch wirklich körperliche, physische und psychische Schäden gibt, und haben Sie vielleicht auch Erkenntnisse gewonnen bei Ihrem Versuch mit den Zwergschweinen, die ja dem Schall ausgesetzt worden sind?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube, daß beide Themen so ernst sind, daß wir bei der Art, wie wir bisher darüber sprachen, aus gutem Grunde bleiben sollten. Wo auch immer gewonnene Erkenntnisse sollten, wenn sie übertragen werden können — ich darf dies in allem Ernst sagen —, auch auf solche Felder übertragen werden. Denn ich stimme Ihnen zu, daß die Beeinträchtigung zuweilen erheblich über die Belästigung hinausgehen kann.




Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006307000
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jungmann.

Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID1006307100
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß in anderen NATO-Staaten, deren Luftwaffe auch in der Bundesrepublik Deutschland übt, die Vorschriften für Tiefflug und Überfliegen von Wohngebieten sehr viel restriktiver sind, und wenn ja, ist die Bundesregierung bereit, sich diesen restriktiven Vorschriften anzuschließen und sie zu übernehmen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe den Ausschuß durch die entsprechenden Fachleute schon einmal über die Regelungen in anderen Ländern informiert. Wir haben, was die Gesetze, die Regelungen und die Praktiken in der Bundesrepublik angeht, sehr restriktive Maßnahmen und sehen keinen Anlaß, zu befreundeten, benachbarten oder NATO-Staaten zu gucken und unsere Vorschriften zu ändern. Ich sage noch einmal, daß wir durch die neuen Systeme, die wir einführen, möglichen, aber auch oft vermeintlichen Verstößen gründlicher als bisher nachgehen können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006307200
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Paterna auf:
Gibt es eine Weisung oder eine Anordnung des Bundesministers der Verteidigung an die Präsidenten der Hochschulen der Bundeswehr, daß an Kriegsdienstverweigerer nach Artikel 4 Abs. 3 GG Lehraufträge an Hochschulen der Bundeswehr nicht erteilt werden dürfen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Paterna, Lehrbeauftragte gehören zum nebenamtlichen wissenschaftlichen Personal der Hochschule unserer Bundeswehr. Der Lehrauftrag wird vom Präsidenten der Hochschule auf Vorschlag der Fachbereiche und nach Zustimmung des Akademischen Senats erteilt. Eine Genehmigung des Verteidigungsministeriums ist nicht erforderlich. Das schließt jedoch nicht aus, daß das Verteidigungsministerium im Einzelfall bei der Personalauswahl mitwirkt. Dies ist zulässig, weil es sich bei der Erteilung nebenamtlicher Lehraufträge ebenso wie bei der Einstellung des hauptamtlichen wissenschaftlichen Personals um einen Ausfluß der Personalhoheit des Bundes handelt und nicht um eine Frage der Hochschulautonomie. Bisher wurde das Verteidigungsministerium erst in einem Fall auf Anfrage des Präsidenten einer Hochschule beteiligt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006307300
Zusatzfrage, bitte.

Peter Paterna (SPD):
Rede ID: ID1006307400
Herr Staatssekretär, da Sie dem Hamburger Senat mitgeteilt haben, daß eine schriftliche Weisung genereller Art, Wehrdienstverweigerer nicht mit Lehraufträgen an der Bundeswehrhochschule zu bedenken, nicht existiert, können Sie dann ausschließen, daß es eine mündliche Weisung dieser Art gibt?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich will Ihnen hier sehr deutlich sagen: Es gibt eine mündliche Weisung des Verteidigungsministers, daß Kriegsdienstverweigerer in eine solche Funktion nicht übernommen werden sollen. Dies trifft zu.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006307500
Eine weitere Zusatzfrage.

Peter Paterna (SPD):
Rede ID: ID1006307600
Herr Staatssekretär, würden Sie in dieser Aussage, die Sie eben gemacht haben, nicht einen Widerspruch zu der Antwort sehen, die auf eine Frage von mir von Ihnen schriftlich erteilt und im Protokoll über die Plenarsitzung vom 26. Januar abgedruckt ist? Dort heißt es nämlich, daß das BMVg in sehr seltenen Fällen mitwirkt. Hier handelt es sich aber, wenn ich Sie eben richtig verstanden habe, nicht um einen Einzelfall, eine einzelne Person betreffend, sondern um eine generelle Weisung, bei Kriegsdienstverweigerern so zu verfahren, wie Sie eben gesagt haben.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich sehe darin keinen Widerspruch. Ich habe Ihnen das Verfahren geschildert, in dem die Berufungen vorgenommen werden; wir wirken sehr selten direkt mit. Ich sehe keinen Widerspruch zwischen der Antwort von damals und der jetzt gemachten Aussage.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006307700
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jungmann.

Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID1006307800
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung die mündliche Weisung des Bundesverteidigungsministers auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft, und sind Sie mit mir der Auffassung, daß eine Verfassungsnorm einem Ausschluß von bestimmten beruflichen Tätigkeiten entgegensteht?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich greife einmal in das Jahr 1979 zurück.

(Jungmann [SPD]: Beantworten Sie meine Frage!)

— Ich will Ihre Frage sehr gründlich beantworten, Herr Kollege. Damals schrieb der Staatssekretär von Bülow bei einem ähnlichen Vorgang Ihrem Kollegen Gerstl im Verteidigungsausschuß sehr deutlich folgendes — da ich mich dieser Formulierung anschließe, zitiere ich sie hier; wir halten diese Formulierung also heute noch für gültig —:
Ein Bewerber, der nach Prüfung seines Gewissens zu der Überzeugung gekommen ist, im Verteidigungsfall nicht mit der Waffe dienen zu können, wird bei einer konsequenten Haltung nicht in der Lage sein, studierenden Offizieren der Bundeswehr die Motivation für ihren künftigen Beruf zu erhalten oder zu verdeutlichen. Hierauf kommt es aber bei der Ausbildung des Offiziers neben dem Fachstudium ganz wesentlich an.
Dann folgt der Absatz, in dem er um Verständnis bittet, daß er zu der von ihm gezogenen Schlußfolgerung kommt.
Der zweite Teil meiner Antwort auf Ihre Frage, bezogen auf das Grundgesetz, ist dieser: Die Begriffe Eignung, Befähigung und fachliche Leistung sind nicht abstrakt zu verstehen, sondern beziehen



Parl. Staatssekretär Würzbach
sich ganz konkret auf das konkret betroffene öffentliche Amt.
Hier habe ich aus dem Grundgesetzkommentar von Münch zitiert.

(Beifall des Abg. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU])


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006307900
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jansen.

Günther Jansen (SPD):
Rede ID: ID1006308000
Herr Staatssekretär, unabhängig von dem Tatbestand, was die vorige Regierung in dieser Angelegenheit geantwortet hat: Würden Sie mir noch einmal klar sagen, daß die Inanspruchnahme eines Verfassungsrechts, nämlich des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung aus Ihrer Sicht jemanden, der sich um eine Position in dem Bereich, über den wir hier sprechen, bewirbt, automatisch disqualifiziert, also benachteiligt? Die Inanspruchnahme des Verfassungsrechts benachteiligt jemanden, wenn er eine Bewerbung ausspricht, die auf eine solche Tätigkeit zugeschnitten ist.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jansen, dies ist nicht zutreffend, was Sie sagen. Er wird nicht benachteiligt, er wird nicht diskriminiert, aber er hat auch kein Vorrecht. Ich habe Ihnen eben gesagt, wie der Begriff Eignung auszulegen ist: nämlich bezogen auf das konkrete Amt, auf die konkrete Position, um die es geht. Ich habe von Bülow deshalb zitiert, weil sich die Bundesregierung seiner damals getroffenen Aussage heute in der gleichen Form anschließt und keinen Verstoß gegen das Grundgesetz sieht, aber auch keinen Anspruch zu unterstützen bereit ist, der sich daraus ergibt, in dieser Funktion Offiziere, Führer von Soldaten, die auch dazu ausgebildet werden müssen, notfalls Waffen einzusetzen, an der Hochschule — auf welchen Posten in dieser Funktion auch immer — erziehen, ausbilden, lehren, motivieren zu können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006308100
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.
Gansel: (SPD): Herr Staatssekretär, ich hätte zwar kein Verständnis dafür, wenn ein Kriegsdienstverweigerer sich als Lehrer für Strategie und Taktik an einer Bundeswehrhochschule bewerben würde und eingestellt werden würde, aber stimmen Sie mit mir darin überein, daß es keinen Grund gibt, ihn zu diskriminieren, weil er z. B. einen Lehrauftrag für Kriegsvölkerrecht erhalten sollte?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn wir über Grundsätze reden, mag ich nicht in hypothetische, theoretische Überlegungen, die dann Spekulationen auslösen, eintreten. Ich wiederhole die Auffassung der heutigen Bundesregierung als auch die ihrer Vorgänger, daß wir zur Ausbildung unserer Offiziere — an den Hochschulen findet ein Teil der Ausbildung zum Offizier statt — aus den genannten Gründen und aus dem, den Sie hinzugefügt haben, daß einem Kriegsdienstverweigerer auch bei konsequenter Haltung eine solche Tätigkeit nicht zugemutet werden kann, keine Kriegsdienstverweigerer einstellen.

(Zurufe von der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006308200
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1006308300
Herr Staatssekretär, wie wir alle wissen, gehört der Herr Bundeskanzler einem weißen Jahrgang an. Wie beurteilen Sie, nachdem Sie dies jetzt so deutlich gegenüber Lehrbeauftragten an Bundeswehrhochschulen gesagt haben, denn diesbezüglich die Qualifikation und die Eignung des Herrn Bundeskanzlers, der ja in einer schwierigen Situation den Oberbefehl über die Bundeswehr übernehmen muß?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann die Verbindung, die Sie zu konstruieren versuchen, nicht nachvollziehen. Ich will dies nicht.

(Lachen bei der SPD)

Im übrigen traue ich dem Bundeskanzler dies zu, aber ich wünsche ihm und uns, daß er nie in die Situation kommt.

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006308400
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Stockhausen.

Karl Stockhausen (CDU):
Rede ID: ID1006308500
Herr Staatssekretär, diskriminiert sich ein Kriegsdienstverweigerer nicht selbst, wenn er sich um einen Lehrauftrag an einer Bundeswehrfachschule bemüht?

(Zurufe von der SPD: Hochschule!) — Hochschule, gut.

Würzbach, Parl. Staatssekretär: Diese Übersetzung könnte ich mir zu eigen machen, Herr Kollege.

(Stockhausen [CDU/CSU]: Schönen Dank!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006308600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lambinus.

Uwe Lambinus (SPD):
Rede ID: ID1006308700
Herr Staatssekretär, ich bin selbst anerkannter Kriegsdienstverweigerer. Könnten Sie mir deshalb einmal sehr genau und präzise die Frage beantworten, aus welchem Grunde ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer, also ein Mensch, der sich weigert, Waffendienst zu leisten, an einer Bundeswehrhochschule nicht unter Umständen lehren darf, wie man verletzte Menschen heilt, nämlich im medizinischen Bereich? Können Sie mir das einmal sagen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir haben an unseren beiden Hochschulen keine medizinischen Fakultäten und keinen lehrenden Mediziner, so daß Ihr Beispiel hinkt. Ich wiederhole: Ich möchte Ihnen als Person und Persönlichkeit mit dem Entschluß, den Sie auf Grund der Prüfung Ihres Gewissens getroffen haben, nicht zumuten, Offiziere auszubilden, zu erziehen, zu motivieren, also



Parl. Staatssekretär Würzbach
genau das zu tun, was Sie davon abgehalten hat, sich diesem Dienst zu stellen.

(Lambinus [SPD]: Das ist doch Unsinn!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006308800
Eine weitere Zuatzfrage, Herr Abgeordneter Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1006308900
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir einen Grund nennen, warum man ausgerechnet einen anerkannten Kriegsdienstverweigerer als Lehrenden an der Bundeswehrhochschule einstellen soll?

(Immer [Altenkirchen] [SPD]: Wenn er besser ist als die anderen!)

Würzbach, Parl. Staatssekretär: Es gibt einen solchen Grund nicht. Ich habe im Gegenteil unsere Haltung dargelegt, Herr Kollege Berger.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006309000
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sielaff.

Horst Sielaff (SPD):
Rede ID: ID1006309100
Herr Staatssekretär, ich möchte die Frage des Kollegen Lambinus aufgreifen und fragen, warum ein Kriegsdienstverweigerer an diesen Hochschulen dann nicht Erziehungswissenschaften lehren darf?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Weil die Erziehungswissenschaften für ganze Studiengänge, sogar für die meisten studierenden Offiziere — die studieren Pädagogik —, ein ganz elementarer Bestandteil der Ausbildung zum Offizier ist und — ich muß mich ein drittes Mal wiederholen — wir dem Kriegsdienstverweigerer dies nicht abverlangen wollen und ihm auch nicht zutrauen, daß er das eingeben kann, was den Offizieren in diesem Ausbildungsabschnitt mit allen Konsequenzen seines Berufes vermittelt werden muß.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006309200
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Paterna auf:
Sieht sich die Bundesregierung für den Fall, daß es eine solche Weisung oder Anordnung nicht gibt, an einzelnen Hochschulen der Bundeswehr aber so verfahren wird, veranlaßt, darauf hinzuwirken, daß Kriegsdienstverweigerer grundsätzlich nicht bei der Vergabe von Lehraufträgen ausgeschlossen werden?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, bei den Hochschulen der Bundeswehr darauf hinzuwirken, daß bei der Vergabe von Lehraufträgen Kriegsdienstverweigerer grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden sollen. Gegen die Beschäftigung anerkannter Kriegsdienstverweigerer als Lehrbeauftragte an den Hochschulen der Bundeswehr bestehen nämlich, wie soeben dargestellt, Bedenken. Dabei kommt dem Umstand, daß die Hochschulen der Bundeswehr, an denen der gesamte Nachwuchs an längerdienenden Offizieren studiert, eine zentrale Aufgabe im Bereich der Ausbildung des militärischen Führungspersonals haben, besondere Bedeutung zu. Sie erfüllen eine wichtige Funktion im Rahmen der Landesverteidigung. Ein Bewerber, der nach Prüfung seines Gewissens zu der Überzeugung gekommen ist, im Verteidigungsfall nicht mit der Waffe dienen zu können, wird bei einer konsequenten Haltung nicht in der Lage sein, studierenden Offizieren die Motivation für ihren künftigen Beruf zu erhalten und zu verdeutlichen. Hierauf kommt es aber bei der Ausbildung des Offiziers neben dem Fachstudium ganz wesentlich an. Die Förderung der Motivation zur Landesverteidigung, wenn erforderlich, auch mit Waffen, kann einem anerkannten Kriegsdienstverweigerer allerdings auch nicht zugemutet werden. Es ist daher nicht sachwidrig und nicht rechtswidrig, bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern grundsätzlich die Eignung als wissenschaftliches Personal an einer Hochschule der Bundeswehr zu verneinen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006309300
Wir sind jetzt 55 Minuten in der Fragestunde und haben elf Fragen aufgerufen. Insgesamt sind es 106 Fragen. Ich würde bitten, daß sich doch alle Beteiligten mit Rücksicht auf die Kollegen und Kolleginnen kurz fassen, die ebenfalls noch Fragen gestellt haben.

(Beifall des Abg. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU])

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Paterna, bitte.

Peter Paterna (SPD):
Rede ID: ID1006309400
Herr Staatssekretär, halten Sie es angesichts der Tatsache, daß der Hamburger Senat Sie um Stellungnahme gebeten und Sie dann im Parlament zitiert hat: „Eine schriftliche Weisung des Bundesministers der Verteidigung zur Beschäftigung von Wehrdienstverweigerern ist nicht erteilt", Sie uns aber nun sagen, daß es eine mündliche Weisung gibt, nicht für höchst problematisch, auf diese Tatsache nicht hingewiesen zu haben?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie haben klar gefragt und haben, wie üblich, eine klare Antwort bekommen. Ich sehe darin keinen Widerspruch. Im übrigen hat ja bereits die Hamburger Hochschule selbst nicht nur Zweifel bei der Einstellung dieses in Rede stehenden Mannes gehabt, sondern sich auch so wie wir entschieden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006309500
Weitere Zusatzfrage.

Peter Paterna (SPD):
Rede ID: ID1006309600
Herr Staatssekretär, können Sie dann bestätigen — so wie es im Protokoll der Fachbereichssitzung der Hamburger Bundeswehrhochschule vom 25. Januar steht —, daß es eine mündliche Weisung entweder in Anwesenheit des Ministers oder seines Staatssekretärs in einer Leitungskonferenz gegeben hat, und können Sie mir dann weiter erklären, warum es sich hier um eine mündliche und nicht um eine schriftliche Weisung handelt und ob das wohl das übliche Verfahren in einem solchen Falle ist?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bestätige, daß es in einer Besprechung des Ministers — ich war dabei — und aller Abteilungsleiter eine solche mündliche Weisung gegeben hat. Ich hoffe, daß wir immer trotz vieler Erlebnisse in jüngster Vergangenheit dabei bleiben, möglichst viel mündlich und nicht alles schriftlich festzulegen. Dazu bestand kein Anlaß, zumal es sich hier um sel-



Parl. Staatssekretär Würzbach
tene Einzelfälle handelt, wobei es für alle Mitarbeiter im Verteidigungsministerium wichtig ist, die Verhaltensweise, die Vorgabe des Ministers zu kennen. Dies ist jetzt der Fall.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006309700
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jungmann.

Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID1006309800
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß es außerhalb der hier in Rede stehenden Kriegsdienstverweigerung andere Ausschlußtatbestände von der Beschäftigung an den Bundeswehrhochschulen gibt, und welche Tatbestände sind das? Sind darunter Sicherheitsrisiken und kritische Haltung zur Bundeswehrhochschule zu subsumieren?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich fasse all die Einwendungen zusammen, indem ich sage: Wenn mangelnde Eignung und Qualifikation vorliegt,

(Lachen bei der SPD)

dann stellen wir einen solchen Mann nicht ein.

(Jungmann [SPD]: Hat Herr Waldmann damals die mangelnde Eignung festgestellt?)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006309900
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID1006310000
Herr Staatssekretär, da es jetzt nicht nur um die Sache geht, sondern um den Stil, möchte ich Sie fragen, ob Sie mir zustimmen, daß, wenn an Sie die Anfrage gerichtet worden ist, ob eine Weisung vorliege, und Sie geantwortet haben: Es liegt keine schriftliche Weisung vor — —

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006310100
Herr Abgeordneter Gansel, kommen Sie bitte zu der Frage.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID1006310200
Ich frage, Herr Präsident.
Darf ich noch mal wiederholen, damit Sie verfolgen können, daß ich eine Frage stelle? — Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß, wenn an Sie die Anfrage gerichtet worden ist, ob es in diesem Falle eine Weisung gebe, und Sie geantwortet haben: „Es gibt keine schriftliche Weisung", es aber eine mündliche Weisung gibt, eine solche Auskunftserteilung das ist, was man im unparlamentarischen Sprachgebrauch Lüge nennt?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, da kann ich Ihnen nicht zustimmen. Ich stimme Ihnen auch nicht zu.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006310300
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 12 der Frau Abgeordneten Fuchs (Verl) auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das US-Verteidigungsministerium der Herstellerfirma des Luftabwehrsystems „Patriot", Raytheon, den Auftrag erteilt hat, Veränderungen am „Patriot"-System zu erarbeiten mit dem Ziel, diesem System eine Abwehrfähigkeit sowohl gegen taktische Flugkörper als auch längerfristig gegen ballistische Mittelstreckenraketen zu verleihen?
Bitte sehr.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Die Vereinigten Staaten stellen seit Mitte 1983 Überlegungen an, wie sie ihre Armee gegen die zunehmende Bedrohung durch taktische Flugkörper schützen können. Derzeit wird untersucht, welche Änderungen am Waffensystem „Patriot" durchgeführt werden müßten, um es gegen einen Teil der nichtnuklearen taktischen Flugkörper erfolgreich einsetzen zu können. An diesen Untersuchungen ist auch die gesamte Herstellerfirma, die Sie nennen, beteiligt. Das Waffensystem „Patriot" besitzt keine Abwehrfähigkeit gegen ballistische Mittelstreckenraketen. Eine Änderung ist nach Informationen der Bundesregierung nicht geplant.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006310400
Zusatzfrage, bitte.

Katrin Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1006310500
Herr Staatsseketär, teilen Sie meine Befürchtung, daß die veränderten „Patriot"-Systeme dann eben dort eingesetzt werden, wo sie einen Sinn machen, wo sie auch taktische Raketen erreichen können, nämlich an der Nahtstelle zwischen den Blöcken, also in der Bundesrepublik Deutschland, und würde diese Vermutung Ihre Entscheidung beeinflussen, die „Patriot"-Systeme anzuschaffen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich teile Ihre Befürchtung und Vermutung nicht. Dazu besteht auch kein Anlaß. Die Vereinigten Staaten haben jetzt begonnen mit der Überprüfung, die ich nannte. Sie wird sich hinziehen bis 1988. Unseren Stand der Überlegungen im parlamentarischen Gang kennen Sie. Die Bundesregierung beabsichtigt, unabhängig von den Ergebnissen, die die Amerikaner bekommen sollten, keine Änderung in der Aufgabenzuweisung unserer Systeme.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006310600
Weitere Zusatzfrage.

Katrin Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1006310700
Herr Staatssekretär, welchen Sinn machen denn Aufträge an Firmen, Luftabwehrsysteme so zu verändern, daß sie auch Raketenabwehr leisten können, wenn diese Systeme nicht dort eingesetzt werden, wo sie diese Aufgabe dann auch erfüllen können, nämlich in der Bundesrepublik Deutschland?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Der Sinn, Frau Kollegin, liegt darin — Sie fragen in Ihrer Frage 66 nach einigen sowjetischen Systemen, und wir vermuten den weiteren Aufbau zusätzlicher sowjetischer Systeme —, daß wir zunehmend einer Bedrohung durch solche taktischen, selbstfliegenden, unbemannten Systeme ausgesetzt sind und natürlich nach entsprechenden Abwehrmöglichkeiten zu suchen haben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006310800
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 66 der Frau Abgeordneten Fuchs (Verl) auf:
Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen der Dislozierung sowjetischer Raketen vom Typ SS 21 und SS 22 in der DDR und CSSR und den geplanten und in Auftrag gegebenen Veränderungen am Luftabwehrsystem „Patriot"?



Würzbach, Parl. Staatssekretär: Obwohl die Sowjetunion bereits Mitte der 70er Jahre mit der Entwicklung der SS 21 und der SS 22 begonnen hatte und entgegen allen offiziellen Äußerungen die Stationierung dieser gegen die NATO gerichteten Waffen schon im Jahre 1981, wiederum als Vorrüstung, einleitete, ist der in der Frage hergestellte Zusammenhang, Frau Kollegin, nicht gegeben. Die westlichen Verteidigungsanstrengungen müssen sich an der gegebenen Bedrohung orientieren. Deshalb suchen die Vereinigten Staaten nach Möglichkeiten, die entstandene Bedrohungslage für Mitteleuropa durch Abwehrmaßnahmen gegen taktische Flugkörper kurzer Reichweite zu verbessern. Neben einer Reihe anderer Untersuchungen findet auch eine Überprüfung des „Patriot"-Systems statt, in der der technische Leistungsstand dieses Systems für die erforderlichen Aufgaben überprüft wird.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006310900
Zusatzfrage, bitte.

Katrin Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1006311000
Herr Staatssekretär, wie ordnen Sie die folgende Meldung aus der „Internationalen Wehrrevue" Nr. 11/1983 ein — ich zitiere —:
... eine Patriot ATM
— d. h. Anti-Tactical Missile —
würde ... zur Abwehr taktischer ballistischer FK
— Flugkörper —
eingesetzt ... Unabhängigen IWR-Quellen
— also „Internationale Wehrrevue"-Quellen —
zufolge geht es dabei um folgende ballistische FK der Sowjets: die SS 22 mit einer Reichweite von 885 km ... und die 120 km weit reichende SS 21 ... Langfristig soll die Patriot dann in einer zweiten Phase ein komplettes ABM-Potential für die Abwehr von SS 20 erhalten.

(Frau Hürland [CDU/CSU]: Das ist doch keine Frage mehr!)

Würzbach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich will mich hier jetzt mal nicht auf Presseberichte und Spekulationen beziehen. Ich darf Sie auf einen Brief hinweisen, den ich Ihnen zugänglich machen möchte, einen Brief, den der Verteidigungsminister Manfred Wörner am 19. Mai genau zu dieser Frage an Ihren Kollegen Karsten Voigt geschickt hat. Dort wird nach Rückkopplung mit den Amerikanern eindeutig darauf hingewiesen, daß hier keine ABM — Anti-Raketen-Möglichkeiten — aufgebaut werden sollen und daß keine nuklearen Gefechtsköpfe auch nur in unsere Entwicklungsuntersuchungen einbezogen werden. Ich schlage vor, daß ich Ihnen diesen Brief zuleite, der sehr gründlich auf den Presseartikel antwortet.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006311100
Eine weitere Zusatzfrage.

Katrin Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1006311200
Darf ich daraus schließen, Herr Staatssekretär, daß der Artikel in der „Internationalen Wehrrevue" frei erfunden ist, auch die Darstellung, daß die Abwehrraketen gegen chemische Flugkörper eingesetzt werden?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Die amerikanische Regierung hat den Hauptinhalt dieses Artikels dementiert und uns deutlich erklärt — das geht aus dem Brief hiervor —, was sie statt der dort aufgestellten Behauptung tatsächlich tut.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006311300
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Klejdzinski.

Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD):
Rede ID: ID1006311400
Herr Staatssekretär, wenn Sie in diesem Zusammenhang schon erklären, daß die SS 21 und die SS 22 nichts mit dem Luftabwehrraketensystem Patriot zu tun haben, kann ich dann davon ausgehen, daß der Cruise missile Paved Tiger mit SS 21 und SS 23 etwas zu tun hat?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Das können Sie nicht tun. Ich kann auch die Verbindung zur Ursprungsfrage nicht herstellen, Herr Kollege. Ich will nur wiederholen, daß die SS 21 und 22 zu einer Zeit, als wir hier noch redeten und uns auf Genf konzentrierten, um zu versuchen, die Mittelstreckenraketen wegzubekommen, in der Sowjetunion und im Vorfeld, in unserer Nachbarschaft, ich sage einmal: ohne Not, nämlich zur Ausbalancierung ähnlicher Systeme bei uns, von der Sowjetunion als weitere Vor-Vorrüstung — sie verkauft sie als Nach-Nachrüstung — aufgestellt wurden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006311500
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jungmann.

Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID1006311600
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie das Dementi der amerikanischen Regierung vom vorigen Jahr, das Sie hier zitiert haben, in Anbetracht des Dementis der amerikanischen Regierung, daß nicht mehr als 108 Pershing-Trägersysteme in der Bundesrepublik Deutschland aufgestellt werden, und dessen, daß sich heute doch herausstellt, daß mehr Trägersysteme, aber nicht mehr Nuklearköpfe aufgestellt werden?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Der Ursprung zur Frage ist für mich etwas schwierig herzustellen. Aber in der Nachrüstungsdebatte haben wir häufig klargestellt, daß wir, sollte es nicht zwischenzeitlich, was wir alle hoffen, zu einer Einigung kommen, daß wir nicht alle 108 Pershings aufstellen müssen, diese Zahl nicht überschritten wird.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006311700
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe Frage 13 des Herrn Abgeordneten Pauli auf:
Sieht die Bundesregierung die Fähigkeit zur konventionellen Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland möglicherweise durch die Tatsache gefährdet, daß die Blutversorgung der Soldaten im Ernstfall durch das Sanitätswesen der Bundeswehr nicht gewährleistet bzw. nicht möglich ist?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen ist die Blutversorgung der Soldaten im Verteidigungsfall weder durch die Bundeswehr selbst noch durch andere Stellen bei uns in der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet. Ich hatte Ihnen in der letzten Fragestunde schon ein ähnliches Ergebnis mitgeteilt. Die Bundesregierung sieht aber trotz dieser Tatsache die



Parl. Staatssekretär Würzbach
Fähigkeit zur konventionellen Verteidigung und damit die Herstellung der politisch glaubwürdigen Abschreckung nicht als gefährdet an.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006311800
Zusatzfrage, bitte.

Günter Pauli (SPD):
Rede ID: ID1006311900
Herr Staatssekretär, ich weiß aus der Teilnahme an einer NATO-Übung und einer Bundeswehrübung, daß im allgemeinen davon ausgegangen wird —

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006312000
Bitte eine Frage!

Günter Pauli (SPD):
Rede ID: ID1006312100
— ja, Herr Präsident —, daß die Bundeswehr in einem Verteidigungsfall konventioneller Art pro Tag mit bis zu 20 000 schwer verletzten Soldaten rechnen muß, deren Überleben in erster Linie ausschließlich davon abhängt, ob sie mit Blut bzw. Blutersatzmitteln versorgt werden können. Sehen Sie in der Tatsache, daß die Blutversorgung nicht gewährleistet ist — obwohl dies grundsätzlich möglich wäre —, nicht eine ungeheure Belastung für die kämpfenden Soldaten, und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Zahlen, die Sie eben auf Grund von Erfahrungen bei der Teilnahme an dem einen oder anderen Manöver in den Raum gestellt haben, kann ich nicht bestätigen. Ich will Ihnen im Stenogrammstil sagen, was die Bundeswehr plant, um im Verteidigungs-, Krisen-, Spannungsfall oder auch im Kriegsfall die Versorgung doch möglich zu machen. Wir streben in den nächsten Jahren an, von den 30 000 — das ist die Zahl, die ich Ihnen das letzte Mal für den Bestand nannte — in Richtung auf 70 000 Konserven zu gehen. Wir haben vor — dies ist für den Spannungsfall vorbereitet —, ein dezentrales System für die Versorgung mit Blutkonserven einzurichten. Uns schwebt als Abstand von einer Einrichtung zur anderen eine Entfernung zwischen 80 und 100 km vor; also keine zentrale Einrichtung, sondern es wird dezentral organisiert. In der Entwicklung in den NATO-Staaten sind neue, künstliche Blutmittel mit einem Gefüge, das Sauerstoff transportieren kann. Hier werden also völlig neue Gesichtspunkte in die Planung mit eingebracht.
Und der wichtigste Punkt: Die Bundesregierung, die Bundeswehr plant in einem solchen Krisenfall, die aktiven Soldaten und die Beamten, die in der Verteidigung mitarbeiten, verstärkt zum Spenden von Blut heranzuziehen. Ein ständiges Auf-LagerHalten frischer Blutkonserven — Haltbarkeit nur etwa einen Monat — verbietet sich aus mannigfaltigen Gründen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006312200
Eine Zusatzfrage, bitte.

Günter Pauli (SPD):
Rede ID: ID1006312300
Herr Staatssekretär, Sie stimmen mir zu, daß die Versorgung der Bundeswehr im Ernstfall mit 400 000 Blutersatzeinheiten gewährleistet ist. Wann gedenken Sie auf Grund dessen, was Sie soeben gesagt haben, den Zustand zu erreichen, daß diese Versorgung zentral oder dezentral gewährleistet ist?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Wir streben eine zentrale Versorgung nicht an. Ich akzeptiere nicht die von Ihnen genannte Zahl, die erheblich höher liegt als selbst der theoretisch berechnete Bedarf an der höchsten Grenze, der uns genannt wurde. Wir streben vielmehr an, beim Entstehen einer kritischen Situation das zu mobilisieren, was ich soeben hier genannt habe, um dann entsprechend in der Lage zu sein, Verletzten, Verwundeten helfen zu können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006312400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1006312500
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß trotzdem noch vieles getan werden muß, um die medizinische Versorgung der Bundeswehr im Verteidigungsfall zu verbessern, und daß es dazu wahrscheinlich auch noch weiterer gesetzlicher Regelungen bedarf?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist mit Sicherheit so. Sie spielen hier auf das Gesundheitssicherstellungsgesetz an. Ich will hier mal sagen: Hier haben wir alle miteinander, die Union vor 1969 und die Regierung danach, seitdem, erhebliche Dinge unterlassen, die getan werden müssen. Dies möchte ich so freimütig formulieren.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006312600
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten Pauli auf:
Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung dem Bericht der Wehrbereichsverwaltung IV über die Fachaufsichtsprüfung am 4. und 5. Dezember 1972 im Ernst-Rodenwaldt-Institut in Koblenz bei, wonach monatlich gewonnenes Bluteiweiß im Werte von rund einer Million DM und mehr an einschlägige Werke verkauft würde?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wegen des Ablaufs der Aufbewahrungspflicht wurden die Prüfunterlagen zwischenzeitlich vernichtet. Sie haben nach einem Vorgang im Jahre 1972 gefragt. Sie standen somit nicht mehr zur Einsichtnahme und Überprüfung der in der Frage aufgebrachten Problematik zur Verfügung. Es wird aber sehr begrüßt — ich möchte dies ausdrücklich tun —, daß Sie den Versuch unternehmen, so weit in die Vergangenheit der von der SPD geführten Regierung zurückzugehen, um Mängel aufzudecken.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006312700
Eine Zusatzfrage, bitte.

Günter Pauli (SPD):
Rede ID: ID1006312800
Herr Staatssekretär, ich glaube, Sie sind mit mir einig, daß es hier nicht um die jeweilige Regierung, sondern um die Blutversorgung der Bundeswehr, um die Blutversorgung unserer Soldaten geht. In den über 20 Jahren seit Bestehen des Ernst-Rodenwaldt-Instituts sind nach vorsichtigen und zurückhaltenden Schätzungen mindestens eine halbe Million Blutkonserven angefallen. Was ist mit dieser großen Menge in all den Jahren geschehen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe Ihnen über die zurückliegenden Jahre, die wir statistisch greifen können, in der letzten Fragestunde — ich meine sogar, sehr genau — berichtet,



Parl. Staatssekretär Würzbach
indem ich Ihnen die Mengen nannte, die wir an welche Institute, Krankenhäuser, den offenen Markt und auf welchem Weg verkauft haben, wobei ich, glaube ich, sogar den Preis genannt habe. Über die noch weiter zurückliegende Zeit — Sie sprechen von über 20 Jahren — lassen die Unterlagen, wie soeben schon gesagt, eine Verifizierung nicht mehr zu.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006312900
Eine Zusatzfrage.

Günter Pauli (SPD):
Rede ID: ID1006313000
Herr Staatssekretär, sind Sie immer noch der Auffassung, daß die vorgesetzten Dienststellen des Ernst-Rodenwaldt-Instituts bis heute in all den Jahren ihrer Dienstaufsichtspflicht vollends nachgekommen sind, bzw. sind Sie bereit, mir den Bericht der Kommission „Ermittlung in Sonderfällen", kurz „ES" genannt, aus dem Jahre 1981 zur Verfügung zu stellen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich muß mich damit befassen. Ich weiß, daß Sie sehr energisch bei all den Dingen arbeiten, die sich dort im Institut vor vielen Jahrzehnten abgespielt haben. Ich bin gern bereit, auch mit Ihnen gemeinsam die entsprechenden Dienststellen im Verteidigungsministerium aufzusuchen und mir alle Unterlagen, die Sie einsehen möchten, auf den Tisch legen zu lassen. Ich glaube, dies dient auch der Sachlichkeit der Diskussion, an der mir in diesem Zusammenhang sehr liegt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006313100
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Jungmann auf:
Trifft es zu, daß der Militärische Abschirmdienst (MAD) auf Veranlassung des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium der Verteidigung, Würzbach, die Wohnung des Staatsministers Möllemann nach Abhöreinrichtungen überprüft hat?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Auf Bitten des Staatsministers Möllemann ist dem MAD die Zustimmung erteilt worden, in Amtshilfe die Telefonanlagen dahin gehend zu untersuchen, ob diese, wie von Staatsminister Möllemann vermutet, unbefugt abgehört werden. Die Überprüfung wurde eingeleitet, dann wegen mangelnder Zuständigkeit des MAD zunächst ausgesetzt und nach Rücksprache mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Geheimschutzbeauftragten des Auswärtigen Amtes in Amtshilfe durchgeführt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006313200
Eine Zusatzfrage, bitte.

Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID1006313300
Trifft es zu, daß das Amtshilfeersuchen erst nach der Durchführung der Untersuchung im Hause Möllemann an den Verfassungsschutz gerichtet worden ist, und ist es nicht so, daß die Bundesregierung dazu eine eigens geschaffene Institution im Innenministerium hat, die solche Aufträge durchführt, und die Bundespost zuständig ist, wenn es um Telefonabhören geht?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es trifft zu, daß nicht alle Verfahren, die vorgeschrieben sind, vor Beginn der Überprüfungsarbeiten abgeschlossen waren. Es kam deshalb zu dem, was ich Ihnen mitteilte: zum Unterbrechen, Einholen und dann erst fortsetzen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006313400
Weitere Zusatzfrage, bitte.

Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID1006313500
Hält die Bundesregierung es für richtig — ihm Rahmen einer hier zu erwartenden objektiven Antwort —, daß der Betroffene die hier gestellten Fragen im Parlament beantwortet?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Minister, der an meiner Stelle hier hätte stehen können, ist zur Zeit — das wissen Sie — bei der NPG-Sitzung in der Türkei, so daß dieser Weg gewählt werden mußte. Wenn ich mich in die Lage von Ihnen als Kollege versetze, sage ich mir, Ihnen kann es doch eigentlich nur recht sein, daß Sie denjenigen direkt vor sich haben, der damals in dieser Aktion tätig war, und daß Sie ihn zu allem, was veranlaßt oder — wie Sie meinen — nicht veranlaßt wurde, direkt fragen können.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006313600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Catenhusen.

Wolf-Michael Catenhusen (SPD):
Rede ID: ID1006313700
Herr Staatssekretär, ist es so, daß sich der Herr Möllemann direkt an den MAD gewandt hat, oder welche politischen Personen hat er zur Übermittlung seines Wunsches eingeschaltet?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich gebe Ihnen Kenntnis davon, wie ich von der Sache erfuhr. Das war am Rande der Kabinettsitzung im August 1983. Wir reden hier über einen Vorgang im August 1983. Möllemann vertrat seinen Minister, und ich vertrat meinen Minister. Am Rande der Kabinettsitzung sagte er, daß er die Vermutung habe, daß sein Telefon abgehört wird. Er schilderte noch ein Beispiel und fragte, ob ihm hier durch den MAD geholfen werden könne.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006313800
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1006313900
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, wer nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung oder des Bundesverteidigungsministeriums für die Weisung an den MAD in MAD-Angelegenheiten zuständig ist, und ist es richtig, daß Sie unzuständig waren, eine solche Weisung zu erteilen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, zuständig ist für den MAD ein beamteter Staatssekretär bei uns auf der Hardthöhe. Dieser Staatssekretär war der Staatssekretär Dr. Hiehle. Er war im August — und leider nicht nur im August — krank. Er war also abwesend. Vertreten wurde er, wie es die Geschäftsordnung vorschreibt, durch den anderen beamteten Staatssekretär Dr. Rühl. Der war an dem 17. August einem Mittwoch, und einen halben Tag danach, am Donnerstag, nicht anwesend. Der Minister war in den Vereinigten Staaten. Es war



Parl. Staatssekretär Würzbach
also der hier zu Ihnen sprechende Parlamentarische Staatssekretär der einzige, der im Leitungsbereich auf der Hardthöhe anwesend war.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006314000
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID1006314100
Herr Staatssekretär, ist das Amtshilfeersuchen Ihres Kollegen Möllemann an Sie schriftlich gestellt und nach einer schriftlichen Weisung ordnungsgemäß bearbeitet worden, oder ist das nach dem Motto geschehen: Bei mir scheint im Telefon etwas los zu sein, kanns du mal deine Jungs vom MAD rüberschicken?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe Ihnen geschildert, daß es am Rande der Kabinettsitzung mündlich von Herrn Möllemann vorgetragen wurde. Ich will auf Ihre Frage gerne hinzufügen, wie ich mich weiter verhielt. Nach Rückkehr ins Verteidigungsministerium — wissend, daß kein anderer dort ist — habe ich über meinen Mitarbeiter veranlaßt, daß sich der MAD — so war meine Weisung — mit Herrn Möllemann wegen dessen Bitte in Verbindung setzt. Herr Gansel, ich bin sicher: Hätten Sie auf meinem Stuhl gesessen — —
Dabei ging ich davon aus, — selbst bei einem inzwischen gelernten, ich sage einmal: gesunden Mißtrauen, das ich so entwickelt damals noch nicht hatte —, daß dann alle zuständigen, fachlich kompetenten Stellen automatisch das tun, was Vorschrift ist, z. B. die Bundespost informieren, das Bundesamt für Verfassungsschutz informieren, was dann mit einigen Stunden Verspätung — es handelt sich um Stunden, die in den frühen nächsten Tag hineingingen — durch die genannten Stellen getan wurde.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006314200
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klejdzinski.

Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD):
Rede ID: ID1006314300
Herr Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie hier erklärt haben, Sie hätten in keiner Weise je in irgendeiner Form in der angesprochenen Zeit eine Aufsicht, Weisung in bezug auf den MAD gegeben, zumal Sie mir und dem Untersuchungsausschuß erklärt haben, Sie seien im Rahmen der Wörner-Geschichte nie für den MAD in irgendeiner Weise tätig gewesen — zuständig gewesen.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie versuchen, einen Widerspruch zu konstruieren, der ein solcher nicht ist. Sie wissen, daß ich ein Jahr lang den Rüstungsstaatssekretär vertreten habe. Dort ging es um eine Versetzung und Beförderung eines sehr sensiblen Verantwortungsbereichs in die NATO hinein, und dort mußte ich mir über einen bestimmten Vorwurf Klarheit verschaffen. Dies tat ich über den zuständigen, inzwischen zurückgekehrten Staatssekretär. Außer in dieser Angelegenheit und außer der Weitergabe der Weisung, der MAD möge sich mit Möllemann in Verbindung setzen und die Voraussetzungen dafür schaffen, daß alle technischen Dinge eingeleitet werden, werden
Sie lange suchen müssen, Herr Klejdzinski, um mir hier ein Fehlverhalten nachzuweisen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006314400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weisskirchen.

Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1006314500
Herr Staatssekretär, Sie haben eben geschildert, wie es zu diesen Vorkommnissen gekommen ist und in welcher Form Sie dann selber tätig geworden sind. Darf ich daraus ableiten, daß Sie eine Eilbedürftigkeit gesehen haben, und, wenn j a, wie würden Sie diese Eilbedürftigkeit hier begründen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Begründung leuchtet, so hoffe ich, allen ein. Wenn ein Staatsminister im Auswärtigen Amt, der ja nicht nur aus Jux und Dollerei Telefonate führt, sondern über sensible internationale Dinge mit Gesprächspartnern Verbindung hat, den Verdacht äußert, daß unrechtmäßig sein Telefon abgehört wird, und wenn durch die Hilfe, die er von uns erbittet, die Rechte Dritter nicht verletzt werden, sondern er selbst als eventuell zu Unrecht Abgehörter um diese Hilfe nachsucht, so ist, wenn ich — ich sage noch einmal: auf zulässigem Wege — versuche, ihm diese Hilfe zukommen zu lassen, dies eine Sache, die man, wie ich meine, nicht nur tolerieren, sondern fordern sollte.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006314600
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kolbow.

Walter Kolbow (SPD):
Rede ID: ID1006314700
Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, Sie hätten Herrn Staatssekretär Rühl in diesem Zusammenhang einige Tage vertreten und deshalb eine solche Veranlassung, den MAD tätig werden zu lassen, gesehen. Haben Sie Herrn Staatssekretär Rühl in dessen Eigenschaft als Dienstvorgesetzter des MAD im Laufe der Abwesenheit von Herr Staatssekretär Hiehle noch öfter vertreten.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe nicht gesagt, daß ich Herrn Rühl vertreten habe. Ich habe gesagt, ich war im fraglichen Zeitraum als einziger im Leitungsbereich anwesend.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006314800
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe auf — —

(Abg. Kolbow [SPD] meldet sich zu einer weiteren Zusatzfrage.)

— Wieso denn? Sie hatten schon eine Zusatzfrage.

(Kolbow [SPD]: Ich möchte noch eine stellen!)

— Nein, erst wenn die nächste Frage aufgerufen ist, können Sie noch eine Zusatzfrage haben. So geht es nicht! Mit mir kann man da nicht handeln.

(Heiterkeit)

Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Jungmann auf:
Trifft es zu, daß die Zuständigkeit des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) spätestens nach der „Zentralen Weisung" des Bundesministers der Verteidigung eindeutig auf die Bundeswehr beschränkt ist, und wenn ja, welche Konse-



Vizepräsident Stücklen
quenzen dienstrechtlicher oder sonstiger Art hat die Bundesregierung aus dem Einsatz des MAD außerhalb der Bundeswehr gezogen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Es trifft zu, daß die „Zentrale Weisung" für den MAD die Zuständigkeit des MAD auf den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung beschränkt. Da bei der in Rede stehenden Angelegenheit jedoch weder Dienstvergehen begangen noch Rechte Dritter verletzt worden sind, waren auch Konsequenzen dienstrechtlicher oder sonstiger Art nicht zu ziehen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006314900
Eine Zusatzfrage? —Bitte.

Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID1006315000
Herr Staatssekretär, sehen Sie darin keine Dienstpflichtverletzung, wenn ein Bediensteter des Bundesministeriums der Verteidigung über den Kompetenzbereich hinausgeht, und würden Sie daraus nicht disziplinarrechtliche Konsequenzen ziehen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe das Zustandekommen des Tätigwerdens geschildert. Ich räume ein, daß es hundertprozentig akkurat gewesen wäre, wenn vorher das Bundesamt für Verfassungsschutz einerseits, die Bundespost, falls dies erforderlich ist, andererseits und andere Institutionen gehört worden wären. Dies ist dann — wie ich gesagt habe, mit einigen Stunden Verzögerung — durchgeführt worden. Rechte Dritter sind nicht verletzt. Die Bundesregierung sieht, da auch kein Schaden entstanden ist, keinen Anlaß zu Disziplinarmaßnahmen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006315100
Noch eine Zusatzfrage, bitte.

Horst Jungmann (SPD):
Rede ID: ID1006315200
Herr Staatssekretär, kann ich daraus schließen, daß die Bundesregierung eine unzuständige, gegen Rechte verstoßende Weisung eines ihrer Mitglieder für rechtmäßig erklären will?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Das können Sie daraus nicht schließen, Herr Kollege.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006315300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Emmerlich.

Dr. Alfred Emmerlich (SPD):
Rede ID: ID1006315400
Herr Staatssekretär, würden Sie noch einmal unzweideutig klarstellen, wer in dem Fall, daß der Verdacht auftaucht, bei einem Mitglied der Bundesregierung fänden Abhörmaßnahmen gegnerischer Dienste statt, für die Feststellung zuständig ist, ob solche Abhörmaßnahmen durchgeführt werden, und würden Sie es für rechtlich zulässig halten, sich über diese Zuständigkeitsregelung durch Amtshilfeersuchen hinwegzusetzen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, zuständig ist jeweils der Sicherheitsbeauftragte in dem entsprechenden Ressort, der auf Grund seiner Fachkenntnis Amtshilfe über das Bundesamt für Verfassungsschutz oder die Bundespost einwirbt.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006315500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gansel.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID1006315600
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, auch wenn es für Sie in Ihrer jetzigen Position schwierig ist, daß Disziplin und Moral der Truppe ruiniert werden, wenn bei einem Verstoß gegen eine zentrale Weisung durch die Führung des Verteidigungsministeriums selbst nach dem Motto verfahren wird: „Ist ja diesmal nichts passiert, nicht so schlimm", oder hat auch in diesem Fall der Bundeskanzler die Meinung vertreten: „Der Mann hat einen Fehler gemacht, aber er hat es inzwischen eingesehen"?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, hier ist kein Fehler gemacht worden, der zum Schaden irgendeiner Person oder Institution geführt hat, sondern hier ist in einer, ich räume ein: beweglichen Form versucht worden, aus den genannten Gründen unverzüglich Amtshilfe zu leisten, wobei die genehmigende Behörde — ich wiederhole dies ein drittes Mal — einige Stunden zu spät offiziell hierüber informiert wurde.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006315700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klejdzinski.

Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD):
Rede ID: ID1006315800
Herr Staatssekretär, Sie haben uns hier Zuständigkeiten erklärt. Ist es in Wahrheit nicht so, daß für diese angesprochenen Sicherheitsmaßnahmen an sich eine Polizeieinheit beim Bundesinnenministerium zuständig ist?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, da müssen Sie meinen Kollegen aus dem Innenressort befragen. Ich kenne die Konstruktion dort nicht.

(Zuruf von der SPD: Wissen Sie jetzt noch nicht, wer zuständig ist? — Weitere Zurufe von der SPD)

— Ich habe Ihnen genannt, wer zuständig ist. Aber ich kenne den Organisationsplan des Innenministeriums nicht im Detail.

(Zuruf von der SPD: Der Bundesregierung!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006315900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kuhlwein.

Eckart Kuhlwein (SPD):
Rede ID: ID1006316000
Herr Staatssekretär, da ich Ihren Antworten so etwas wie fehlendes Unrechtsbewußtsein entnehme und Sie darauf abgehoben haben, daß Sie keinen Fehler gemacht hätten, der bei anderen Schaden zur Folge gehabt hätte, frage ich: Gehe ich recht in der Annahme, daß die Gefahr besteht, daß Sie in einer vergleichbaren Situation wieder so handeln würden, wie Sie gehandelt haben?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Möglichkeit, mich noch einmal so zu verhalten — da können Sie sicher sein —, besteht nicht. Ich habe damals angeordnet, der MAD möge sich mit Möllemann in Verbindung setzen, und habe dabei selbstverständlich angenommen, daß alle erforderlichen, vorgeschriebenen Maßnahmen — natürlich muß das der Minister oder der Staatssekretär selbst an



Parl. Staatssekretär Würzbach
Hand einer Checkliste tun — durchgeführt werden. Dies ist nicht geschehen. Sie können sicher sein, in einem ähnlichen Fall werde ich mich nicht ähnlich verhalten.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006316100
Einen reumütigeren Staatssekretär haben Sie hier noch nie vor sich gehabt.

(Heiterkeit)

Eine letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jannsen.

Dr. Gert Jannsen (GRÜNE):
Rede ID: ID1006316200
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß Ihre Ausführungen auf die verschiedenen Fragen der Abgeordneten deutlich machen, daß Sie in diesem Fall Ihre Kompetenzen überschritten haben?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich habe hier soeben, glaube ich, deutlich auf die Frage des vorherigen Fragers, des Kollegen Kuhlwein, geantwortet, Herr Kollege.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006316300
Die Frage 17 des Abgeordneten Dr. Hupka soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.
Zum Abschluß habe ich einen Wunsch, Herr Parlamentarischer Staatssekretär: Wenn es das nächste Mal etwas kürzer ginge, damit auch die anderen Fragesteller noch zum Zuge kommen, wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht uns Herr Staatssekretär Chory zur Verfügung.
Die Fragen 18 und 19 des Abgeordneten Poß, die Frage 20 des Abgeordneten Müller (Schweinfurt) sowie die Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Müller (Wesseling) sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Sielaff auf:
Kann die Bundesregierung die Zahl der Pfarrer nennen, die in den letzten vier Jahren, von Termin zu Termin wechselnd, einmal als ehrenamtliche Beisitzer Mitglied von Ausschüssen und Kammern für Kriegsdienstverweigerer waren und ein anderes Mal diesen Ausschüssen und Kammern als Beistand eines Antragstellers gegenüberstanden, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 15. März 1984 auf die Frage Nr. 89 (Plenarprotokoll 10/59) behauptet hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1006316400
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung kann die Zahl nicht nennen; diese könnte nur mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand festgestellt werden. Die Bundesregierung hat allerdings im Laufe der Zeit wiederholt davon erfahren, daß Pfarrer in beiden Funktionen, d. h. einmal als Beisitzer, ein anderes Mal als Beistand eines Antragstellers tätig waren.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006316500
Eine Zusatzfrage, bitte.

Horst Sielaff (SPD):
Rede ID: ID1006316600
Herr Staatssekretär, darf ich dann fragen: Wer fällt alles unter „Religionsdiener und Mitglieder solcher religiöser Vereinigungen, die satzungsgemäß zum gemeinsamen Leben verpflichtet sind", wie es in § 2 der Verordnung heißt, und welche religiösen Gruppen sind von dieser Neuregelung direkt betroffen?
Chory, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, darunter fallen Pfarrer, die in dieser Eigenschaft tätig sind. Meines Wissens gibt es auch Personen, die eine Ausbildung zum Geistlichen haben, die nicht darunter fallen, insbesondere wenn sie ausschließlich Religionsunterricht geben.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006316700
Zusatzfrage, bitte.

Horst Sielaff (SPD):
Rede ID: ID1006316800
Herr Staatssekretär, wenn Sie so antworten, frage ich: Verstehe ich das richtig, daß hier nur Mitglieder der beiden großen Kirchen gemeint sind, oder beziehen Sie in diesen Paragraphen auch andere ein, die beispielsweise nicht unbedingt hauptberuflich als Pfarrer, Religionslehrer oder in anderen Funktionen tätig sind?
Chory, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, einbezogen sind hier alle Personen, die zu sakramentalen Kulthandlungen berufen sind, also nicht nur Personen, die ausschließlich als Pfarrer tätig werden.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1006316900
Keine weitere Zusatzfrage.
Wir sind am Ende der Fragestunde. Es tut mir leid, daß wir nicht mehr Fragen behandeln konnten.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung für Donnerstag, den 5. April 1984, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.