Protokoll:
10038

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 10

  • date_rangeSitzungsnummer: 38

  • date_rangeDatum: 25. November 1983

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 12:58 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/38 Deutscher Stenographischer Bericht 38. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. November 1983 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde für die Sitzungswoche ab 5. Dezember 1983 2627 A Absetzung der Punkte 15 und 16a von der Tagesordnung 2627 B Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Europaabgeordnetengesetzes — Drucksache 10/470 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Drucksache 10/615 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/662 — Haase (Kassel) CDU/CSU 2627 C Burgmann GRÜNE 2630 C Becker (Nienberge) SPD 2632 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 2634 A Handlos fraktionslos 2635 C Erste Beratung des von den Abgeordneten Fischer (Osthofen), Bachmaier, Dr. Emmerlich, Klein (Dieburg), Dr. Kübler, Lambinus, Schmidt (München), Schröder (Hannover), Dr. Schwenk (Stade), Stiegler, Dr. de With, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes — Drucksache 10/213 — Fischer (Osthofen) SPD 2637 B Bohl CDU/CSU 2639 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 2642 D Frau Reetz GRÜNE 2643 D Kleinert (Hannover) FDP 2645A Erste Beratung des von den Abgeordneten Doss, Dr.-Ing. Kansy, Hauser (Krefeld), Dr. Faltlhauser, Dr. Kunz (Weiden), Pohlmann, Kraus, Dr.-Ing. Oldenstädt, Müller (Wesseling), Sauer (Stuttgart), Dr. Czaja, Gattermann, Grünbeck, Cronenberg (Arnsberg), Dr. Haussmann, Dr.-Ing. Laermann, Wurbs, Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen — Drucksache 10/543 (neu) — Doss CDU/CSU 2648 B Conradi SPD 2650 A Sauermilch GRÜNE 2651 C Gattermann FDP 2652 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Wahlprüfungsausschusses zu den gegen die Gültigkeit der Wahl zum 10. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen — Drucksache 10/557 — Buschbom CDU/CSU 2654 B Dr. Kübler SPD 2655 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung II Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983 Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Vorhaben — Drucksachen 10/358 Nr. 14, 10/613, 10/628 — Gerlach (Obernau) CDU/CSU 2656 A Frau Dr. Hartenstein SPD 2657 B Dr. Ehmke (Ettlingen) GRÜNE 2659 A Baum FDP 2660 D Spranger, Parl. Staatssekretär BMI . . 2662 C Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes — Drucksache 10/267 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 10/624 — 2663 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau — Drucksache 10/460 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 10/598 — 2664 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. Dezember 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ecuador zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 10/555 — 2664 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Feuerschutz-Steuergesetzes — Drucksache 10/556 — 2664 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 26. November 1976 zum Abkommen vom 22. November 1950 über die Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters — Drucksache 10/554 — 2664 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Seelotswesen — Drucksache 10/572 — 2664 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Luftverkehrsabkommen vom 27. Dezember 1977 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerrat der Sozialistischen Republik Birmanische Union — Drucksache 10/573 — 2665A Beratung der Sammelübersicht 16 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/592 — 2665 B Beratung der Übersicht 3 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 10/591 — 2665 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament betreffend eine bessere Nutzung der Ergebnisse Gemeinschaftsgeförderter FuE-Aktivitäten — Drucksachen 10/222, 10/549 — . . . . 2665 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3164/76 über das Gemeinschaftskontingent für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten — Drucksachen 10/376 Nr. 75, 10/602 — . 2665 C Nächste Sitzung 2665 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2667* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 2667* C Anlage 3 Unterschiedliche Einschätzung der Flugzeugsysteme Tornado und F 16 im Rüstungskontroll- und Abrüstungsbericht der Bundesregierung und im Weißbuch 1983 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983 III MdlAnfr 38 18.11.83 Drs 10/616 Dr. Klejdzinski SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 2667* D Anlage 4 Rüstungszusammenarbeit mit Indien MdlAnfr 64 18.11.83 Drs 10/616 Dr. Feldmann FDP SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 2668* A Anlage 5 Menschenrechtsverletzungen gegen die tamilische Bevölkerung Sri Lankas MdlAnfr 65 18.11.83 Drs 10/616 Dr. Hauchler SPD SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 2668* B Anlage 6 Interpretation der Äußerung des Bundeskanzlers: „Alle Indikatoren weisen darauf • hin, daß das Leben weitergeht" MdlAnfr 66 18.11.83 Drs 10/616 Dr. Diederich (Berlin) SPD SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 2668* C Anlage 7 Entnationalisierungspolitik Polens gegenüber den Deutschen MdlAnfr 67 18.11.83 Drs 10/616 Dr. Hupka CDU/CSU SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 2669* A Anlage 8 Rechtswidrige Behandlung deutscher Fernfahrer in Jugoslawien MdlAnfr 68, 69 18.11.83 Drs 10/616 Dr. Althammer CDU/CSU SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 2669* C Anlage 9 Ablehnung der Anträge deutscher Staatsangehöriger auf Unterricht in deutscher Sprache im Bezirk Oppeln MdlAnfr 70 18.11.83 Drs 10/616 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 2669* D Anlage 10 Verhaftung von Bischof Abel Muzorewa auf Anordnung des Premierministers von Simbabwe, Robert Mugabe MdlAnfr 71 18.11.83 Drs 10/616 Hedrich CDU/CSU SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 2670* A Anlage 11 Juristische Bedeutung des Einsatzvorbehalts bei der Unterzeichnung des Genfer Giftgasprotokolls von 1925 MdlAnfr 72 18.11.83 Drs 10/616 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 2670* B Anlage 12 Information der Bundesregierung über eine geplante militärische Intervention der USA in Nicaragua MdlAnfr 73, 74 18.11.83 Drs 10/616 Egert SPD SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 2670* C Anlage 13 Vernichtung der in der Bundesrepublik Deutschland gelagerten amerikanischen chemischen Kampfstoffe; Abschluß eines Abkommens über die Ächtung von Atomwaffen ähnlich dem Genfer Giftgas-Protokoll MdlAnfr 75, 76 18.11.83 Drs 10/616 Sielaff SPD SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 2671*A Anlage 14 Verletzung der Menschenrechte der in der Türkei, im Iran, im Irak und in Syrien lebenden Kurden MdlAnfr 77, 78 18.11.83 Drs 10/616 Frau Potthast GRÜNE SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 2672*A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983 2627 38. Sitzung Bonn, den 25. November 1983 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 25. 11. Dr. Ahrens* 25. 11. Bahr 25. 11. Dr. von Bülow 25. 11. Dr. Bugl 25. 11. Cronenberg (Arnsberg) 25. 11. Frau Dr. Czempiel 25. 11. Dr. Faltlhauser 25. 11. Frau Fuchs (Köln) 25. 11. Grunenberg 25. 11. Dr. Haack 25. 11. Haehser 25. 11. Frau Dr. Hamm-Brücher 25. 11. Dr. Hauff 25. 11. Heimann 25. 11. Höffkes 25. 11. Ibrügger 25. 11. Immer (Altenkirchen) 25. 11. Jung (Düsseldorf) 25. 11. Kastning 25. 11. Kroll-Schlüter 25. 11. Dr. Kreile 25. 11. Lemmrich 25. 11. Dr. h. c. Lorenz 25. 11. Dr. Müller * 25. 11. Neumann (Bramsche) 25. 11. Niegel 25. 11. Offergeld 25. 11. Pesch 25. 11. Petersen 25. 11. Dr. Probst 25. 11. Reimann 25. 11. Reuschenbach 25. 11. Reuter 25. 11. Roth 25. 11. Schmidt (Hamburg) 25. 11. Frau Schmidt (Nürnberg) 25. 11. Schröder (Hannover) 25. 11. Dr. Solms 25. 11. Spilker 25. 11. Dr. Stark (Nürtingen) 25. 11. Dr. Warnke 25. 11. Weisskirchen (Wiesloch) 25. 11. Frau Dr. Wex 25. 11. Windelen 25. 11. Wischnewski 25. 11. Dr. Wittmann 25. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Entschließung des Europäischen Parlaments über die Europäische Stiftung (Drucksache 10/610) zuständig: Auswärtiger Ausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung Einwilligung zur Leistung einer überplanmäßigen Ausgabe bei Kap. 1502 Tit. 652 11 des Haushaltsjahres 1983 (Beihilfen an junge Zuwanderer für ihre Schul- und Berufsausbildung) (Drucksache 10/623) zuständig: Haushaltsausschuß Der Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Entschließung des Europäischen Parlaments zur Flugüberwachungszentrale von EUROCONTROL in Maastricht (Drucksache 10/38) Entschließung des Europäischen Parlaments zur Verbesserung des europäischen Flugsicherungssystems (Drucksachen 9/1834, 10/358 Nr. 86) Die in Drucksache 10/546 unter Nummer 10 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates mit Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 auf Milch und Milcherzeugnisse Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates mit Grundregeln für die Anwendung der Abschöpfung gemäß Artikel 5 d der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 auf Milch und Milcherzeugnisse wird als Drucksache 10/630 verteilt. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Dr. Klejdzsinki (SPD) (Drucksache 10/616 Frage 38): Ist der Bundesregierung bekannt, daß in der Drucksache 10/216 vom 29. Juni 1983 „Bericht zum Stand der Bemühungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie der Veränderung im militärischen Kräfteverhältnis 1983" einerseits unter „Intermediate Range Nuclear Forces" (INF, Seite 5) die Modernisierung der Luftstreitkräfte durch Beginn der Zuführung des Tornado und der F 16 aufgeführt wird und daß andererseits im Weißbuch 1983 (Zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. Oktober 1983, Seite 80) unter dem Aspekt der Entwicklung bei nuklearfähigen Flugzeugen der NATO jeglicher Hinweis auf Tornado fehlt, und wenn ja, was hat die Bundesregierung veranlaßt, in zwei wichtigen, von ihr zu vertretenen Dokumenten zu solch einer unterschiedlichen Einschätzung zu kommen? 2668* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983 Im Bericht 1983 der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie Veränderungen im militärischen Kräfteverhältnis wurde ausschließlich auf Entwicklungstendenzen bei den Potentialen von NATO und Warschauer Pakt hingewiesen, die sich erst in Zukunft auswirken werden. Demgegenüber enthält das Weißbuch umfassende Daten und Fakten zum Kräfteverhältnis NATO/Warschauer Pakt. Die Tabelle auf Seite 80 (INF-Flugzeuge NATO/Warschauer Pakt) basiert auf dem NATO-Streitkräftevergleich 1982. Ein Hinweis auf den Tornado ist im Weißbuch 1983 nicht erfolgt, da in der angeführten Tabelle ausdrücklich vermerkt ist, daß nur Flugzeuge bewertet werden, die zur Zeit die von Ihnen genannten Voraussetzungen erfüllen. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Feldmann (FDP) (Drucksache 10/616 Frage 64): Treffen Informationen der Süddeutschen Zeitung vom 9. November 1983 zu, daß Indien an einer Rahmenvereinbarung über Rüstungszusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland interessiert ist, und daß diese Frage bereits mit Vertretern des Auswärtigen Amtes erörtert worden ist? Der indische Wunsch nach einer Rahmenvereinbarung über Rüstungszusammenarbeit mit der Bundesrepublik ist der Bundesregierung seit kurzem bekannt. Die Prüfung der indischen Vorstellungen dazu durch die zuständigen Ressorts ist noch nicht abgeschlossen. Aus diesem Grund wurde das Thema bei den Gesprächen anläßlich des Besuchs von Bundeskanzler Dr. Kohl Anfang November in New Delhi nicht vertieft. Anlage 5 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hauchler (SPD) (Drucksache 10/616 Frage 65): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über menschenrechtsverletzende Verfolgungen und Übergriffe gegen die tamilische Bevölkerung Sri Lankas durch staatliche Sicherheitskräfte bzw. durch andere, staatlich unterstützte oder geduldete Kräfte? Gesicherte Erkenntnisse über eine Beteiligung staatlicher Sicherheitskräfte bzw. anderer staatlich unterstützter oder geduldeter Kräfte an Ausschreitungen gegen die tamilische Minderheit in jüngster Zeit, insbesondere bei den blutigen Ausschreitungen im Juli/August 1983, liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Regierung von Sri Lankas hat eine Aufklärung entsprechender Vorwürfe zugesagt. Von der Regierung Sri Lanka angeordnete Untersuchungen nach den Ausschreitungen gegen Ta-milen in Jaffna im Sommer 1981 veranlaßten die Regierung in Colombo, Entschädigungsleistungen in Höhe von 22,6 Millionen Rupien zuzusagen. Anlage 6 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Diederich (Berlin) (SPD) (Drucksache 10/616 Frage 66): Auf welche Indikatoren im einzelnen stützte sich der Herr Bundeskanzler, als er vor der Bonner Presse feststellte: „Alle Indikatoren weisen darauf hin, daß das Leben weitergeht"? Sie zitieren einen Halbsatz aus der Pressekonferenz des Herrn Bundeskanzlers vom 7. November 1983. Der vollständige Satz lautet aber: „Alle Indikatoren, die ich kennen kann, die ich übrigens auch jetzt auf meiner Reise z. T. beobachten konnte, deuten darauf hin, daß das Leben natürlich weitergeht und daß es weder einen heißen Krieg noch einen kalten Krieg geben wird, um das mal drastisch und deutlich auszudrücken, daß beispielsweise die Vorbereitungen für die Konferenz in Stockholm weiterlaufen." Der Herr Bundeskanzler hat damit schon selbst einen Indikator genannt. In der Tat ist das Vorbereitungstreffen für die Konferenz über vertrauensund sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa in Helsinki am 11. November 1983 in sachlicher Atmosphäre mit der Verabschiedung des prozeduralen Rahmens für die Stockholmer Hauptkonferenz beendet worden. Dieses kann planmäßig am 17. Januar 1984 eröffnet werden. Ost und West haben ein Interesse daran, den Dialog über Vertrauensbildung und Rüstungskontrolle fortzuführen. Lassen Sie mich noch einige weitere Beispiele nennen: Am 9. September 1983 konnte in Madrid das zweite KSZE-Folgetreffen abgeschlossen werden, nachdem ein substantielles und ausgewogenes Abschließendes Dokument am 6. September angenommen worden ist. Es handelte sich dabei seit langem um die erste Einigung im Ost-West-Verhältnis von politischem Rang. Sie enthält ein mittelfristiges Programm der Zusammenarbeit. Schon bei seiner Verabschiedung war klar, daß das westliche Verteidigungsbündnis den Nachrüstungsteil seines Doppelbeschlusses verwirklichen würde, falls es in Genf nicht zu einem Verhandlungsergebnis kommt. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983 2669* Am 15./16. Oktober traf Bundesaußenminister Genscher seinen sowjetischen Kollegen Gromyko in Wien. Beide Minister haben in diesen Gesprächen die Stabilität der deutsch-sowjetischen Beziehungen gewürdigt und ihre Weiterführung beschlossen. Am 28. Oktober haben wir mit der DDR in Bonn über Fragen der Rüstungskontrolle und Abrüstung gesprochen. Konsultationen über diesen Themenbereich finden auch mit anderen Ländern des Warschauer Pakts statt, und zwar mit Polen am 24./25. November in Warschau, mit Rumänien am 2. Dezember in Bukarest und mit der Sowjetunion am 6. Dezember in Bonn. Vom 11.-16. November 1983 hat auch wie geplant die Tagung der deutsch-sowjetischen Wirtschaftskommission in Moskau stattgefunden, bei der der Bundesminister für Wirtschaft die deutsche Delegation geleitet hat. Die sowjetische Führung hat dabei ihr Interesse an der Aufrechterhaltung und Fortentwicklung langfristig angelegter, stabiler, für beide Seiten vorteilhafter Wirtschaftsbeziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland bekundet. Anlage 7 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hupka (CDU/CSU) (Drucksache 10/616 Frage 67): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die von der Volksrepublik Polen seit 1945 betriebene Entnationalisierungspolitik gegenüber den Deutschen auch weiterhin anhält, und inwieweit ist sie bereit, entsprechend ihrer Obhutspflicht und unter Berufung auf die UN-Menschenrechtspakte und die KSZE-Schlußakte tätig zu werden? Die Bundesregierung hat immer wieder deutlich gemacht, daß sie als eine ihrer wesentlichen Aufgaben betrachtet, für Menschenrechte und Grundfreiheiten der Deutschen, wo immer sie leben, einzutreten. Demgemäß setzt sich die Bundesregierung in Wahrung ihrer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht nachdrücklich für die Achtung der Rechte der Deutschen generell in den internationalen Gremien und bilateral gegenüber der polnischen Regierung ein. Sie macht dieser stets erneut deutlich, welche Bedeutung dieses Problem für die bilateralen Beziehungen hat. Dabei stützt sich die Bundesregierung auf das geltende Völkerrecht, das im Menschenrechtsprinzip der KSZE-Schlußakte von Helsinki und in den VN-Menschrechtspakten — auch von der Volksrepublik Polen — feierlich bekräftigt wurde. Die Bundesregierung wird weiterhin im Rahmen des Möglichen dieses Problem zur Sprache bringen und versuchen, eine Lösung zu finden. Anlage 8 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Althammer (CDU/CSU) (Drucksache 10/616 Fragen 68 und 69): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Polizei in Jugoslawien von deutschen Fernfahrern rechtswidrig Bußgelder wegen einer wahrheitswidrig behaupteten Übertretung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in beachtlicher Höhe verlangt und im Falle der Zahlungsweigerung Polizeibeamte Fernfahrer schwer mißhandeln, den Paß einziehen und sie einkerkern? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Verhinderung solcher Vorfälle ergriffen bzw. gedenkt sie zu ergreifen, und welche Verhaltensweisen kann die Bundesregierung den Fernfahrern zum Schutz vor oder bei Mißhandlungen anraten? Zu Frage 68: Dem Auswärtigen Amt ist kürzlich ein Fall bekanntgeworden, in dem von einem deutschen Fernfahrer ein Sachverhalt wie oben dargelegt geschildert wurde. Weitere Fälle dieser Art sind nicht bekanntgeworden. Zu Frage 69: Die Bundesregierung wird den ihr bekanntgewordenen Einzelfall zum Anlaß von Erörterungen mit der jugoslawischen Regierung nehmen. Fernfahrer, die in Jugoslawien Schutz vor Maßnahmen jugoslawischer Behörden suchen, sollten sich an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Belgrad oder das Generalkonsulat Zagreb wenden. Anlage 9 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 10/616 Frage 70): Hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer Schutzpflicht für die Grund- und Menschenrechte Deutscher auf dem Wege über die deutsche Botschaft in Warschau erkunden oder prüfen lassen, ob es zutrifft, daß Anträge deutscher Staatsangehöriger im Bezirk Oppeln auf Unterricht in der deutschen Muttersprache — trotz Finanzierung durch die Deutschen selbst — abgelehnt wurden (Die Welt vom 11. November 1983), und wenn ja, wird sie vom polnischen Vertragspartner mit Nachdruck die Einhaltung der Rechtsverpflichtungen nach Artikel 27 des Politischen Menschenrechtspaktes der UN gegenüber Deutschen einfordern? Der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Warschau sind bisher weder im Rahmen der Gespräche mit Antragstellern für eine Familienzusammenführung noch bei Gesprächen mit Deutschen im Oppelner Bereich noch in direkter Form durch Bitten um Unterstützung in dieser Angelegenheit Fälle bekanntgeworden, daß Anträge auf Erteilung des Schulunterrichts in deutscher Spra- 2670* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983 che gestellt wurden oder daß die Erteilung von deutschem Sprachunterricht verweigert wurde. Die Botschaft Warschau wird aber der Frage weiter nachgehen. Anlage 10 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Frage des Abgeordneten Hedrich (CDU/CSU) (Drucksache 10/616 Frage 71): Wie beurteilt die Bundesregierung die Verhaftung des Vorsitzenden des Vereinigten Afrikanischen Nationalrates Simbabwes, Bischof Abel Muzorewa, auf Anordnung des Premierministers Robert Mugabe? Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen ist Bischof Muzorewa am 1. November 1983 auf Grund der aus der Zeit der Regierung Smith stammenden Notstandsgesetze in Internierungshaft genommen worden. Simbabwische Parlamentarier genießen keine Immunität, sondern nur Indemnität für Äußerungen und Handlungen im Parlament. Bischof Muzorewa wurde vorgeworfen, daß er im Ausland die Regierung seines Landes kritisiert habe, subversive Beziehungen zu Südafrika unterhalte und sich für Zusammenarbeit mit Israel ausgesprochen habe. Gegen Bischof Muzorewa ist bisher weder eine Anklage erhoben noch ein Gerichtsverfahren eröffnet worden. Weitere Einzelheiten sind der Bundesregierung nicht bekannt. Nach Auffassung der Bundesregierung handelt es sich bei der Verhaftung Bischof Muzorewas um eine innere Angelegenheit Simbabwes. Mit dieser Bewertung befinden wir uns im Einklang mit unseren europäischen Partnern. Gleichwohl bedauert die Bundesregierung, daß ein Parlamentsmitglied und Führer einer Partei von der Verhaftung betroffen ist. Die Bundesregierung bedauert auch, daß durch die Inhaftierung der Anschein erzeugt worden ist, als solle politischer Druck auf Bischof Muzorewa ausgeübt werden. Die Bundesregierung erwartet, daß Premierminister Mugabe an seiner Politik der nationalen Versöhnung, die er seit Unabhängigkeit konsequent und zum Wohle Simbabwes befolgt hat, weiterhin festhalten wird. Anlage 11 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Frage der Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg) (SPD) (Drucksache 10/616 Frage 72): Welche unterschiedlichen juristischen Wirkungen bestehen für Staaten, die das Genfer Protokoll von 1925 mit einem Einsatzvorbehalt ratifiziert haben, und für die, die diesen Vorbehalt nicht eingelegt haben? Zahlreiche Staaten haben anläßlich ihrer Bindung an das Genfer Protokoll von 1925 erklärt, daß ihre Bindung gegenüber jedem Gegner endet, dessen Streitkräfte das Verbot des Einsatzes von C-Waffen mißachten. Der Grundsatz der Gegenseitigkeit im Völkerrecht bewirkt jedoch, daß auch Staaten, die einen derartigen Vorbehalt nicht eingelegt haben, rechtlich hinsichtlich eines Zweiteinsatzes chemischer Waffen gegenüber Staaten, die einen völkerrechtswidrigen Angriff mit chemischen Waffen führen, unterstützen oder mitplanen, von den Bindungen des Protokolls frei würden. Die Bundesregierung hat dies in ihrer Antwort auf die Großen Anfragen der Fraktion DIE GRÜNEN — Bundestagsdrucksache 10/444 — bereits dargelegt. Anlage 12 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Fragen des Abgeordneten Egert (SPD) (Drucksache 10/616 Fragen 73 und 74): Würde die Aussage der Bundesregierung, daß sie bei vorheriger Konsultation durch die Regierung der USA einer Invasion auf Grenada nicht zugestimmt hätte, auch für eine mögliche Invasion nach oder einen bewaffneten Angriff auf Nicaragua zutreffen, und erwartet die Bundesregierung, daß unser Bündnispartner USA sie gegebenenfalls vorher konsultieren oder informieren wird? Wie beurteilt die Bundesregierung die zunehmende Konzentration guatemaltekischer und honduranischer Militärverbände an den Grenzen zu El Salvador, und wie würde sich ihrer Meinung nach bei einem möglichen Einmarsch dieser Truppen nach El Salvador die damit erfolgte Internationalisierung des El-Salvador-Konfliktes auf die Befriedungsaussichten für den Krisenherd Zentralamerika auswirken? Zu Frage 73: Es handelt sich um eine hypothetische Frage. Die Bundesregierung pflegt solche hypothetischen Fragen nicht zu beantworten. Zu Frage 74: Die Bundesregierung ist nicht über zunehmende Konzentration guatemaltekischer und honduranischer Militärverbände an den Grenzen zu El Salvador unterrichtet. Entsprechende Meldungen der salvadorianischen Guerilla sind von den Regierungen Guatemalas und Honduras dementiert worden. Auch in diesem Fall sieht die Bundesregierung keine Veranlassung, sich zu einer hypothetischen Frage zu äußern. Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983 2671* Anlage 13 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Fragen des Abgeordneten Sielaff (SPD) (Drucksache 10/616 Fragen 75 und 76): Ist der Bundesregierung bekannt, daß in den USA derzeit chemische Kampfstoffe vernichtet werden, und wird die Bundesregierung darauf drängen, daß dies auch bei den auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland lagernden chemischen Kampfstoffen geschieht? Warum kam das Genfer Protokoll von 1925 über die Ächtung von chemischen Waffen zustande, und sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, ähnliche Abkommen für Atomwaffen herbeizuführen? 1. Ich gehe davon aus, daß Ihre Frage durch Meldungen in Presse und Fernsehen über einen in der amerikanischen Anlage zur Vernichtung überalteter chemischer Waffen in Tooele (Bundesstaat Utah) am 17./18. November 1983 veranstalteten Workshop angeregt wurde. Dieses Seminar war ein weiterer praktischer Beitrag im Rahmen der westlichen Bemühungen um konkrete Fortschritte bei den Genfer CW-Verhandlungen. An dieser Veranstaltung, die der Demonstration der Verifikationsmöglichkeiten bei der Vernichtung chemischer Waffen diente, haben Vertreter von 28 Mitgliedstaaten des Genfer Abrüstungsausschusses, darunter auch der deutsche Delegationsleiter, teilgenommen. Der Abrüstungsausschuß in Genf verhandelt über ein weltweites und verläßlich verifizierbares Abkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung chemischer Waffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen und ihrer Produktionsstätten. Kernproblem dieser Verhandlungen ist die Verifikationsfrage. Die USA haben mit ihrer Veranstaltung in Tooele einen wichtigen Beitrag gerade zu dieser Frage geleistet. 2. Die Bundesregierung hat ihre Haltung zur Lagerung chemischer Waffen auf unserem Territorium in ihrer Antwort auf die Großen Anfragen der Fraktion der „GRÜNEN" — Bundestagsdrucksache 10/444 — dargelegt. 3. Mit dem Abschluß des von uns angestrebten CW-Verbotsabkommen wäre der Weg frei für die Vernichtung aller chemischen Waffen, also auch der auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland lagernden chemischen Kampfstoffe der USA. Die Bundesregierung setzt sich mit Nachdruck für ein solches Übereinkommen ein und hat die Verhandlungen in Genf mit eigenen substantiellen und praktischen Beiträgen immer wieder gefördert und -wird dies auch künftig tun. Das Genfer Protokoll von 1925, das den Einsatz von chemischen und bakteriologischen (biologischen) Waffen im Kriege verbietet, kam zustande, weil die Staatengemeinschaft nach den Erfahrungen mit dem Einsatz von Giftgas im 1. Weltkrieg den Einsatz dieser Waffenkategorie im Kriege endgültig verbieten wollte. Das Protokoll ist das Ergebnis einer vom Völkerbund einberufenen internationalen Konferenz. Das Deutsche Reich hat das Genfer Protokoll 1929 vorbehaltlos ratifiziert. Die Staatengemeinschaft betrachtet das Verbot der Verwendung von chemischen und biologischen Waffen im Kriege heute als Gewohnheitsrecht. Der Umfang dieses Verbots ist allerdings dadurch beschränkt, daß zahlreiche Staaten anläßlich ihrer Bindung an das Genfer Protokoll erklärt haben, daß diese Bindung gegenüber jedem Gegner endet, dessen Streitkräfte das Einsatzverbot mißachten. Das Genfer Protokoll enthält allerdings nur ein Verbot des Einsatzes chemischer und biologischer Waffen im Kriege. Die Bundesregierung setzt sich daher im Genfer Abrüstungsausschuß mit Nachdruck für die Erarbeitung eines weltweiten und verläßlich verifizierbaren Abkommens über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung chemischer Waffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen und ihrer Produktionsstätten ein. Sie hat mit eigenen substantiellen Beiträgen die Beratungen in diesem Gremium gefördert und wird dies weiterhin tun. Was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht, gehe ich wegen der Bezugnahme auf das Genfer Protokoll von 1925 davon aus, daß Sie seitens der Bundesregierung eine Beurteilung der Möglichkeit für ein Abkommen wünschen, das den Einsatz nuklearer Waffen verbietet. Die Bundesregierung sieht in Übereinstimmung mit ihren Verbündeten ein solches Abkommen gegenwärtig nicht als realistisch an. Ein Abkommen, das den Einsatz nuklearer Waffen verbietet, würde darauf hinauslaufen, daß einem Staat bzw. einem Bündnis das Recht genommen würde, vor einem mit überlegenen konventionellen Streitkräften geführten Angriff abzuschrekken oder im Falle eines Angriffs die Abschreckung notfalls auch mit Kernwaffen wiederherzustellen. Dadurch würde das in der Charta der VN vereinbarte Recht auf Selbstverteidigung in seinem Inhalt wesentlich eingeschränkt. Es stünde außerdem zu befürchten, daß die durch das Bündnis gewährleistete Abschreckung, die den Frieden in Europa seit dem 2. Weltkrieg gewährleistet, nach einem solchen Verbot ihre friedenswahrende Funktion nicht mehr erfüllen könnte. Die Bundesregierung setzt sich zusammen mit ihren Verbündeten vielmehr dafür ein, daß die nuklearen Rüstungen durch ausgewogene und verifizierbare Rüstungskontrollabkommen auf ein möglichst niedriges Niveau gesenkt werden. Bei den sowjetisch-amerikanischen START-Verhandlungen unterstützt sie die Vorschläge der USA, die darauf gerichtet sind, durch einschneidende Reduzierungen der Arsenale beider Seiten eine Erhöhung der strategischen Stabilität zu erreichen. Bei den Genfer INF-Verhandlungen setzt sie sich zusammen mit ihren Verbündeten für einen Verzicht der SU und der USA auf die Kategorie der landgestützten weitreichenden Mittelstreckenflugkörper oder, 2672* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983 wenn dieses Ziel gegenwärtig nicht erreichbar ist, für ein ausgewogenes Verhandlungsergebnis möglichst nahe bei Null ein. Anlage 14 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Fragen der Abgeordneten Frau Potthast (GRÜNE) (Drucksache 10/616 Fragen 77 und 78): Teilt die Bundesregierung die Meinung verschiedener Menschenrechtsorganisationen, daß die Menschenrechte des kurdischen Volkes in der Türkei, im Iran, im Irak und in Syrien durch die Aufteilung der kurdischen Siedlungsgebiete an diese Staaten, durch eine Politik der Zwangsumsiedlung, durch das Verbot des Gebrauchs der kurdischen Sprache, durch Mißhandlungen, politische Haft, Folter und Ermordung tausender Kurdinnen und Kurden kontinuierlich bis heute verletzt werden? Ist der Bundesregierung bekannt, daß Amnestien für irakische Kurden vom Auswärtigen Amt in der Vergangenheit wiederholt als Indiz für ein Ende der Verfolgungsmaßnahmen angeführt wurden, während nach den Feststellungen von Menschenrechtsorganisationen auch nach der letzten Amnestie vom 16. Juli 1982 im Irak noch Kurden (Mitglieder von kurdischen Organisationen im Irak) verhaftet, gefoltert, von Militärgerichten (z. B. in Kirkuk) abgeurteilt und hingerichtet wurden, und wie erklärt sich die Bundesregierung derartige Widersprüche zwischen deutschen amtlichen Stellungnahmen zur Kurdenfrage und dem Gutachten namhafter Menschenrechtsorganisationen — wie z. B. amnesty international —, welche in Asylverfahren oft Grundlage für die Entscheidung über politische Verfolgung von Angehörigen des kurdischen Volkes bilden? Mit der Lage der Kurden haben wir uns im Bundestag bereits mehrfach und ausführlich befaßt. Zuletzt hat die Bundesregierung am 28. Oktober 1983 dem Auswärtigen Ausschuß einen Bericht über die Lage des kurdischen Volkes erstattet. Die neuere Geschichte kennt keinen kurdischen Nationalstaat. Vielmehr lebten die Kurden zuerst unter osmanischer und persischer Herrschaft, heute vor allem in der Türkei, in Iran und in Irak, aber auch in Syrien, in der Sowjetunion und im Libanon. Die Lage der Kurden war stets wechselvoll und ist in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich. Ich muß daher in meiner Antwort auf die in Ihrer Frage genannten Länder einzeln eingehen: 1. Zur Lage der Kurden in der Türkei hat der damalige Staatsminister Corterier vor dem Deutschen Bundestag in der Fragestunde vom 24. Juni 1982 ausführlich Stellung genommen. Die damalige Beschreibung der Lage der Kurden in der Türkei ist auch heute noch zutreffend. Es wäre nach Auffassung der Bundesregierung falsch, von einer Verfolgung der Kurden allein wegen ihrer bloßen Volkszugehörigkeit zu sprechen. Der private Gebrauch der kurdischen Sprache wird nicht geahndet. Die Kurden besitzen allerdings auch keine besonderen Rechte als Minderheit. Manche Kurden wünschen allerdings darüber hinaus einen eigenen kurdischen Nationalstaat und kämpfen für dieses Ziel. Die Bundesregierung kann und will aber keine separatistischen Bestrebungen unterstützen in Staaten, mit denen sie diplomatische Beziehungen unterhält. 2. In Irak wird den Kurden seit 1974 eine begrenzte kulturelle und administrative Autonomie gewährt. Die irakische Verfassung anerkennt eine kurdische Volksgemeinschaft. Die kurdische Sprache ist zugelassen. Ein kurdischer Legislativrat, der von den in der „Autonomen Region Kurdistan" lebenden Kurden gewählt wird, befaßt sich mit lokalen Angelegenheiten im Rahmen des Autonomie-Statuts. Da die Kurden in Irak fast 1/3 der Bevölkerung bilden und die wichtige Erdölregion um Mossul auf kurdischem Gebiet liegt, empfindet jede irakische Regierung weitergehende kurdische Autonomiebestrebungen als gefährliche Bedrohung für die Existenz des erst nach dem 2. Weltkrieg unabhängig gewordenen Staates. Neben der Gewährung einer beschränkten Autonomie hat sie daher diese Bestrebungen auch, soweit sie ihr gefährlich erschienen, von Anfang an hart bekämpft. Infolge des irakisch-iranischen Krieges haben auch die Guerilla-Aktivitäten der kurdischen oppositionellen Bewegungen zugenommen. Dies führte zu rigorosen Gegenmaßnahmen der irakischen Regierung, aber auch zu Versuchen, den inneren Frieden wiederherzustellen, wie Befreiung vom Militärdienst und begrenzte Amnestie. Die Lage der Kurden in Irak entspricht gewiß nicht unseren Idealvorstellungen eines Minderheitenstatuts. Dennoch ist in Irak die Zugehörigkeit zur kurdischen Nationalität allein heute nicht mit unmittelbaren Nachteilen oder Verfolgung verbunden. 3. In Iran ist nach den Vorstellungen von einem religiös ausgerichteten Staat kein Platz für ein nationales Eigenleben von Minderheiten. Kurdische Widerstandskämpfer, die stärkere Autonomie oder Unabhängigkeit anstreben, werden daher von der iranischen Regierung rigoros bekämpft. Auch in Iran ist jedoch die Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe allein kein Grund für eine Benachteiligung. Begrenzte autonome Rechte, allerdings unter strenger Aufsicht der Zentralregierung, werden zugestanden. Der irakisch-iranische Krieg hat die Lage der Kurden erschwert, ihnen aber auch vermeintliche Chancen eingeräumt, da beide Konfliktparteien versuchen, diese Volksgruppe für ihre Zwecke im jeweils anderen Land einzusetzen. Dies hat zu weiteren Gegensätzen unter den kurdischen Gruppen geführt und die Bildung einer überzeugenden kurdischen Bewegung verhindert. 4. In Syrien ist eine offizielle kurdische Minderheit nicht anerkannt. Kurden mit syrischer Staatsangehörigkeit haben unterschiedlos alle Rechte und Pflichten eines syrischen Staatsbürgers. Unterricht und Publikation in kurdischer Sprache sind zwar verboten; ihr privater Gebrauch ist jedoch zugelassen. Auf eine ursprünglich geplante Zwangsumsiedlung im Rahmen einer Arabisierungspolitik der nördlichen Grenzgebiete hat die syrische Regierung inzwischen verzichtet. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983 2673* Das Auswärtige Amt erteilt Auskünfte in Asylverfahren — jährlich ca. 1 500 — im Rahmen seiner Amtshilfe nur nach sorgfältigen Recherchen und nach bestem Wissen und Gewissen. Im Falle irakischer Kurden vertritt das Auswärtige Amt die Auffassung, daß diese nicht als solche verfolgt, sondern von Maßnahmen irakischer Behörden und Gerichte wie alle Bevölkerungsteile des Irak nur in dem Maße betroffen werden, in dem sie sich in Gegensatz zur Regierung bringen. Ob Amnestien für irakische Kurden vom Auswärtigen Amt in der Vergangenheit wiederholt als Indiz für ein Ende von Verfolgungsmaßnahmen angeführt wurden, wird zur Zeit geprüft. Sofern Sie konkrete Angaben über derartige Stellungnahmen machen können, wäre das hilfreich.
Gesamtes Protokol
Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003800000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich folgendes mitzuteilen.
Auf Grund einer Vereinbarung im Ältestenrat wird vorgeschlagen, in der Sitzungswoche vom 5. Dezember 1983 mit Rücksicht auf die für diese Woche vorgesehenen Haushaltsberatungen keine Fragestunde durchzuführen. Diese Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde muß nach § 126 unserer Geschäftsordnung mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder des Hauses beschlossen werden. Ist das Haus mit der Abweichung einverstanden? — Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Nach einer weiteren Vereinbarung im Ältestenrat sollen die Punkte 15 und 16 a der heutigen Tagesordnung abgesetzt werden. Ist das Haus damit einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Europaabgeordnetengesetzes
— Drucksache 10/470 —
a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung

(1. Ausschuß)

— Drucksache 10/615 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Becker (Nienberge) Broll
b) Bericht des Haushaltsausschusses

(8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung

— Drucksache 10/662 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Carstens (Emstek) Frau Seiler-Albring
Zander
Kleinert (Marburg)


(Erste Beratung 29. Sitzung)

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, diese Aussprache in einer Debattenrunde durchzuführen. Ist das Haus damit einverstanden? — Auch dagegen kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wird das Wort von einem der Berichterstatter gewünscht? — Das ist auch nicht der Fall.
Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haase (Kassel).

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID1003800100
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Vor nunmehr bald sieben Jahren — man kann sagen: anno 1977 — hat der Deutsche Bundestag letztmalig die Höhe der Entschädigung für seine Mitglieder festgelegt.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Unglaublich! — Zuruf von den GRÜNEN: Das ist aber lange her!)

— Provozieren Sie mich nicht, verehrter Herr! Sonst sage ich Ihnen einiges zu Ihrem Demokratie-und Parlamentsverständnis, wonach Ihnen nicht die Ohren jucken werden.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Verharren Sie ruhig, Herr Haase, sonst wird es lustiger! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Wir wollen uns also einigen: Schweigen Sie heute morgen mal! Hören Sie sich mal an, was zu diesem Sachverhalt zu sagen ist!

(Zurufe von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben es bis heute unterlassen, diese Entschädigung der allgemeinen Einkommensentwicklung anzupassen, obwohl in diesem Zeitraum die allgemeinen Arbeitseinkommen um 45%, die Bezüge im öffentlichen Dienst um 34 % und die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung um 38 % gestiegen sind und die durchschnittliche Preissteigerungsrate bei 30 % liegt. Das ist der Sachverhalt. Ich muß sagen: Es ist für das Haus kein rühmlicher Sachverhalt; denn wir alle — hier besonders die in erster Linie Verantwortlichen
— haben es verabsäumt, wir haben nicht den Schneid aufgebracht, uns und unseren Kolleginnen und Kollegen auf Grund der Leistung, des Engage-



Haase (Kassel)

ments und des Aufwandes für die allgemeinen öffentlichen Angelegenheiten, der hier erbracht wird, unseren Parlamentariern die zustehenden Bezüge zu bewilligen.
Ich gehöre diesem Haus bald 23 Jahre an, davon 22 Jahre dem Haushaltsausschuß.

(Zuruf von den GRÜNEN: Vielleicht hängt das damit zusammen!)

Ich kann mir wohl ein Urteil darüber erlauben, mit wieviel Hingabe, mit welchem Fleiß und mit wieviel gutem Willen in diesem Haus für unsere Republik gearbeitet, in vielen Fällen geschuftet wird,

(Beifall des Abg. Wolfgramm [Göttingen] [FDP])

wie hier für die Gesetzgebungsarbeit, die Regierungskontrolle und die Wahlkreisbetreuung in einer oft 90-Stunden-Woche in den Sielen der Karren unserer öffentlichen Angelegenheiten vorangezerrt wird.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Mir kommen die Tränen!)

Ich finde es schäbig, wenn selbst eine bescheidene Einkommensverbesserung auf ätzende und höhnische Kritik stößt, aus Kreisen vor allem, die ihre öffentlich-rechtlich gesicherte Einkommenssituation in einer so wundersamen Weise gefördert haben, daß ein fassungsloses Staunen ausbrechen würde von der Maas bis an die Memel, wenn man mal hinter diese Kulissen schauen dürfte.
Aber zurück zu diesem Haus. Hier wird hart gearbeitet. Jedermann weiß: Ein Müßiggänger würde kaum die Legislaturperiode überstehen.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Und weil hier in der Regel gut und fleißig gearbeitet wird, haben die Mitglieder dieses Hauses einen Anspruch

(Zuruf des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])

auf eine Entschädigung, die ihnen und ihren Familien eine ausreichende Existenzgrundlage gewährt und außerdem der Bedeutung des Amtes eines Bundestagsabgeordneten unter Berücksichtigung der damit verbundenen Verantwortung und Belastung und dem diesem Amt im Verfassungsgefüge zukommenden Rang gerecht wird.

(Zuruf des Abg. Schwenninger [GRÜNE])

In diesem Zusammenhang sei mir der Hinweis gestattet, daß ich schon bei der Festsetzung der Bezüge im Jahr 1977 — ich habe damals dem zuständigen Ausschuß angehört — erhebliche Zweifel hatte, ob die Höhe der Entschädigung dem verfassungsmäßigen Rang des deutschen Parlaments und damit seiner Mitglieder gerecht würde. Schließlich lag schon damals — und ich bitte die Kritiker, das beachten zu wollen — die Entschädigung der Mitglieder des Hauses erheblich unter der Vergütung vieler Staatsdiener, deren Tätigkeit von den Mitgliedern des Bundestags kontrolliert wird.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Hört! Hört!)

Dies gilt heute um so mehr, nachdem sich durch die langjährige Untätigkeit des Hauses die Relation zu den Bezügen anderer Amtsinhaber ganz erheblich weiter zu Lasten der Kolleginnen und Kollegen verschoben hat.
Wie grotesk die Entwicklung verlief, mag Ihnen meine eigene Situation verdeutlichen. Ich war etliche Jahre Vorsitzender des Haushaltsausschusses bzw. des Wirtschaftsausschusses. Wenn die gegenwärtige Besoldungslage sich weiter so entwickelt hätte, wären die jährlichen Einkünfte meines Ausschußsekretärs — und ich habe wirklich nichts gegen eine gute Besoldung guter Beamter — spätestens in drei Jahren höher als meine eigenen Bezüge, höher als die Bezüge des Vorsitzenden.
Dieser Zustand läßt sich um keinen Preis mehr vertreten und auch nicht mehr verantworten.
Unser Fehler war es, daß wir mit den notwendigen Änderungen viel zu lange zugewartet haben. — In der letzten Zeit haben wir viele gute Ratschläge erhalten. Wir haben viel Post aus den Wahlkreisen bekommen, auch Kommentare in Zeitungen. Wir mußten oft lesen, die Diäten seien jetzt schon zu hoch; die Abgeordneten müßten mit dem auskommen, was ein durchschnittlicher Arbeitnehmer, ein Rentner, ein Arbeitsloser oder ein Sozialhilfeempfänger bekommen.
Meine Damen und Herren, wollte man künftig derartige Maßstäbe anlegen, würde man sicherlich auch noch ein Parlament mit 518 Abgeordneten zusammenbekommen, zweifellos. Dies wäre dann wohl aber ein Bundestag, dem einerseits eine Reihe von Millionären, im übrigen aber wohl nur noch mehr oder weniger abhängige Funktionäre oder Leute ohne berufliche Qualifikation angehören würden. Ein solches Parlament kann sich die Bundesrepublik Deutschland, die viertbedeutendste Industriemacht der Welt mit ihren Problemen und oft komplizierten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Sachverhalten, die ja permanent zur Lösung anstehen, nicht leisten. Mit einem solchen Parlament wäre niemandem gedient. Die Republik hätte es auch nicht verdient. Denn es könnte seinen Aufgaben nicht mehr gerecht werden.
Lassen Sie mich im übrigen eines klarstellen. Niemand in diesem Lande, auch kein Mitglied dieses Hauses, ist daran gehindert, seinen Lebensstandard auf ein Existenzminimum zu beschränken und die erübrigten Mittel freiwillig einem guten Zweck zuzuwenden. Eine solche Verhaltensweise ist uns ja auch schon von diesem Pult als Vorbild angedient worden. Ich möchte aber davor warnen, sich von derartigen Diätenpharisäern beeindrucken zu lassen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

Wer mit seinem Geld so etwas tun will, der soll es meinetwegen auch tun, dann aber nicht darüber reden. Er soll vor allem nicht dem Abgeordneten, der seine Entschädigung ihrer Bestimmung entsprechend verwendet, nämlich zu seinem Lebensunterhalt, zum Lebensunterhalt seiner Familie, zur Ausbildung seiner Kinder, moralisch zu deklassieren
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983 2629
Haase (Kassel)

versuchen. Ich will in diesem Zusammenhang gar nicht von denjenigen reden, die lautes Gezeter anstimmen, eine Diätenerhöhung ablehnen, sie aber dann gleichwohl still kassieren. Vielleicht sind sie sogar die ersten, die in der Diätenstelle nachfragen, wieviel es denn am nächsten 1. wohl mehr geben würde.
Meine Damen und Herren, diese Geste sollte uns suspekt sein. Wir haben in Deutschland doch schon einmal einen gehabt, der auf seine Diäten verzichtete, der auf sein Reichskanzlergehalt verzichtete. Es hieß im Lande, er wolle nur von den Erträgen seines Buches leben. Meine Damen und Herren, die Bescheidenheit dieses Herren ist diesem Lande, ist diesem Deutschland teuer zu stehen gekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wer hat denn für diesem Herrn so fleißig die Waffen in Afrika und Rußland gebraucht als Panzerjäger, Gnädigster? Wir doch nicht!)

— Werter Herr, ich spreche Ihnen angesichts der Beiträge, die Sie vor, in und hinter diesem Hause in den letzten Wochen geleistet haben, die Kompetenz ab, über diese Dinge überhaupt reden und diskutieren zu können.

(Zuruf des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])

Sie dürften aus meiner Sicht gar keine Diäten bekommen, Sie müßten hier noch Eintritt bezahlen, Herr.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist vor allen Dingen unter einem Gesichtspunkt von entscheidender Bedeutung. Mit diesem Entwurf hat sich der Deutsche Bundestag jetzt selbst in die Pflicht genommen, regelmäßig das Notwendige in eigener Sache zu tun.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wie hoch wollen Sie den Eintritt denn ansetzen? Wie hoch ist der Eintritt? — Zuruf von den GRÜNEN: Wollen Sie die Diktatur wieder einführen?)

— Sie, Herr, noch eines: Als Sie jüngst Ihr Liedchen hier anstimmten, wurde ich an die Vergangenheit erinnert. Ich gebe Ihnen den guten Rat: Gehen Sie einmal auf dieser Etage dort hinten hin. Da haben wir eine Bibliothek. Da gibt es einen Leseraum. Dort nehmen Sie einmal die Reichstagsprotokolle von 1931/32. Das sind dünne Bände. Der Reichstag hat damals nicht mehr viel getagt; denn die Republik befand sich in einem Zustand des Zum-Sterben-Kommens.

(Dr. Vogel ner!)

Die Attacken von links und rechts hatten sie fast hingerichtet. Damals, das können Sie in den Bemerkungen der Protokollanten lesen, geschah folgendes: Die Kommunisten stimmen die Internationale an. Nach der ersten oder zweiten Reichstagswahl 1932, als Clara Zetkin den Reichstag eröffnete, sangen die Nationalsozialisten: Das gibts nur einmal, das kommt nicht wieder.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das ist sehr interessant, was bei einer Diätenrede bei Ihnen herauskommt!)

Hören Sie mit Ihrem Singen auf! Erinnern Sie uns nicht an diese schrecklichen Zeiten unserer Vergangenheit! Benehmen Sie sich hier im Hause, wie es im demokratischen System Parlamentariern zukommt, und arbeiten Sie!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003800200
Herr Abgeordneter, kommen wir wieder zum Thema dieses Tagesordnungspunktes zurück.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID1003800300
Verehrter Herr Präsident, ich werde von diesem Herrn dort unten in einem fort provoziert.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Ich muß ihm gelegentlich eine Antwort geben.
Meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag hat sich jetzt selbst in die Pflicht genommen, regelmäßig das Notwendige in eigener Sache zu tun. Der Bundestag muß es selbst tun, denn es gibt niemand sonst, der es für ihn tun könnte. Er muß es jetzt jährlich zu einem bestimmten Zeitpunkt tun, unabhängig davon, ob irgend jemand diesen Zeitpunkt für besonders geeignet hält oder nicht, weil er nicht in die politische Landschaft paßt. Er muß es verantwortungsbewußt und maßvoll tun unter Berücksichtigung dessen, was allen Bürgern des Landes an Erhöhungen des Einkommens zukommt oder an Einbußen zugemutet wird. Hierfür gibt es Maßstäbe. Sie sind in der Begründung dieses Entwurfs für die jetzt vorzunehmende erstmalige Erhöhung seit 1977 enthalten. Diese Erhöhung ist maßvoll. Diese Maßstäbe sollten auch künftig angewandt werden, weil sie zu einer angemessenen und gerechten Anpassung der Entschädigung führen.
Dem Präsidenten werden mit diesem Gesetz gegenüber dem bisherigen Rechtszustand mehr Pflichten auferlegt. Er hat von nun an dem Bundestag jährlich bis zum 31. Mai einen Bericht über die Angemessenheit der Entschädigung vorzulegen und nicht mehr im Zweijahresrhythmus. Außerdem hat der Präsident neben seinem Bericht auch einen Vorschlag zur Anpassung der Entschädigung nach § 11 und der Kostenpauschale nach § 12 des Abgeordnetengesetzes zu unterbreiten. Damit hat der Bundestag jetzt jährlich regelmäßig einen Entscheidungsvorschlag vorliegen.
Dem uns allen bekannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 ist damit auch weiterhin in vollem Umfang Rechnung getragen.
Der Bundestag wird jede Veränderung der Entschädigung und der Kostenpauschale im einzelnen und im Plenum beraten und beschließen, für jedermann deutlich sichtbar und hörbar.
Um einem weitverbreiteten Irrtum in der Öffentlichkeit vorzubeugen, möchte ich noch einmal dar-



Haase (Kassel)

auf hinweisen, daß die Mitglieder des Parlaments ihre Entschädigung nur zwölfmal im Jahr bekommen. Eine dreizehnte Entschädigung, wie sie im öffentlichen Dienst und vielfach auch in der privaten Wirtschaft gezahlt wird, erhalten die Mitglieder des Deutschen Bundestages nicht.
Ich verhehle nicht, daß ich es für besser gehalten hätte, wenn wir die heute anstehenden Entscheidungen früher getroffen hätten. Man mag auch darüber streiten, ob die jetzt gefundene Lösung die bestmögliche ist. Wichtig ist aber für meine Fraktion, daß jetzt eine Einigung erreicht werden konnte, die in diesem Hause eine breite Zustimmung gefunden hat. Sie wird sowohl von den Damen und Herren der SPD als auch von der FDP-Fraktion mitgetragen.

(Dr. Vogel [SPD]: Aber nicht Ihre Rede!)

Wir waren uns immer darüber einig, daß eine solche Regelung nur auf breiter Basis gefunden und vertreten werden kann. Das bedeutet aber auch die Notwendigkeit, mit einer Kompromißlösung zufrieden zu sein.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich habe heute zum letztenmal in diesem Hause gesprochen. Nach über 22 Jahren werde ich in den nächsten Tage aus dem Parlament ausscheiden. 22 Jahre lang haben mir meine Wahlkreisdelegierten, die Union und die Wähler die große Chance — ich sehe es für uns alle als eine große Chance, als ein großes Gut an — gegeben, für unser Land, für unsere Republik in dieser verantwortungsvollen Position arbeiten zu dürfen.
Ich bin dafür sehr dankbar.
Eine Erfahrung war: Reichtümer hat in diesem Hause noch niemals jemand erwerben können.

(Zuruf von den GRÜNEN: Na, na!)

Nur das Bewußtsein freudig erfüllter Pflicht verschaffte besondere Genugtuung und Zufriedenheit. So wird es auch in Zukunft bleiben.
Eine andere wichtige Erfahrung war: Hier wird für unser Land mit großem Engagement hart gearbeitet. „Achtung durch Arbeit und Leistung", so sagte es der Präsident dieses Hauses in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes. Er schloß seine Rede mit den Worten:
Achtung durch Arbeit und Leistung — nichts anderes erstrebt auch dieser Deutsche Bundestag. Unser Volk arbeitet auch so. Es ist fair und wird Verständnis für diese Entscheidung haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003800400
Bevor ich das Wort weitergebe, möchte ich mir erlauben, dem Herrn Abgeordneten Haase (Kassel) für seine langjährige aufopfernde Arbeit als Vorsitzender des Haushaltsausschusses ausdrücklich zu danken. Ich wünsche ihm für seine neue Aufgabe viel Erfolg.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Burgmann.

Dieter Burgmann (GRÜNE):
Rede ID: ID1003800500
Guten Morgen, meine Damen und Herren!

(Zurufe: Guten Morgen! — Zuruf von der CDU/CSU: Ist die Hose trocken?)

Morgenstund' ist aller Laster Anfang. So heißt ein altes Sprichwort,

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja, das Laster fängt jetzt an!)

und ich glaube, der Beitrag soeben hat das noch einmal bestätigt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Weil das hier in den letzten Tagen immer wieder aufgekommen ist, möchte ich den Beitrag von Herrn Haase zum Anlaß nehmen, diese ständige Assoziation zwischen den GRÜNEN und den Nazis einmal schärfstens von uns zu weisen.

(Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Sie bezeichnen sich doch selber als Bewegung! — Weitere Zurufe)

Niemand in diesem Parlament hat sich bisher leidenschaftlicher für Demokratie und Abrüstung eingesetzt als wir.

(Zustimmung bei den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU)

Wenn Sie wüßten, was die Kennzeichen der Nazis waren, kämen Sie gar nicht auf den Gedanken, uns in deren Nähe zu rücken.

(Zustimmung bei den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

Zum zweiten: Über die Qualifikation der Abgeordneten, die in dieses Parlament gewählt werden, entscheidet zum Glück nicht die CDU/CSU, sondern die Wähler.

(Beifall bei den GRÜNEN — Seiters [CDU/ CSU]: Deswegen stellen wir ja auch die Regierung!)

Nun aber zu der Beschlußempfehlung und dem Bericht zu der geplanten Erhöhung der Diäten und Aufwandsentschädigungen. Ich habe diesen Bericht sehr genau gelesen und habe auch den Worten von Herrn Haase zugehört. Hier wie dort finde ich die unterschwellige Darstellung, die Erhöhung der Diäten sei gewissermaßen ein Gebot der Verfassung.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003800600
Herr Burgmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Hoff acker?

Dieter Burgmann (GRÜNE):
Rede ID: ID1003800700
Ja.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003800800
Bitte sehr.

Dr. Paul Hoffacker (CDU):
Rede ID: ID1003800900
Herr Burgmann, können Sie bestätigen, daß die Protokollniederschrift Ihrer Fraktion vom 20. November besagt, es sei eine Dramaturgie für die Debatte zu entwickeln, und daß Sie ausgeführt haben, daß gegen Ende der Debatte



Dr. Hoffacker
Pfeffer gegeben werden muß, damit Tumulte und Störungen von der anderen Stelle kommen?

(Schwenninger [GRÜNE]: Was hat das mit dem Thema zu tun?)

Können Sie dies bestätigen?

Dieter Burgmann (GRÜNE):
Rede ID: ID1003801000
Nein, das stimmt nicht. Das Wort „Pfeffer" hab ich nie gebraucht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/ CSU: Dafür hat er Wasser in der Hose!)

Ich kann Ihnen aber schon bestätigen,

(Seiters [CDU/CSU]: Tumulte mit nasser Hose!)

daß wir diese Debatte als eine sehr dramatische Debatte angesehen haben und daß wir vor allem die Tatsache, daß das Parlament unter dem Druck der Stationierung stand, als sehr peinlich, als schwarze Stunde des Parlaments, empfunden haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003801100
Gestatten Sie auch noch eine Zusatzfrage?

Dieter Burgmann (GRÜNE):
Rede ID: ID1003801200
Nein, wir wollen jetzt über die Diätenerhöhung reden.
Ich möchte darauf zurückkommen, daß in diesem Bericht die Situation gewissermaßen so ausgemalt wird, als wenn die Höhe der Abgeordnetendiäten heute nicht mehr in Einklang mit der Verfassung stehe. Woraus man natürlich den Umkehrschluß ziehen müßte: Wer gegen die Diätenerhöhung ist, ist bereit, einen verfassungswidrigen Zustand hinzunehmen. Ich muß sagen, daß ich durch eine solche Argumentation, durch einen solchen Mißbrauch der Verfassung sehr betroffen bin. Meine Damen und Herren, Sie waren doch sonst nicht so pingelig mit der Verfassung, wenn es ums Geld ging.

(Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!)

Oder erinnere ich mich nicht richtig, daß die frühere Parteienfinanzierung und gewisse Parteienpenden doch als verfassungswidrig gelten müssen, d. h. wie das hier in diesem Hause beschlossen bzw. gehandhabt worden ist?
Um es klar zu sagen: Es gibt auf der einen Seite einen Anspruch der Abgeordneten auf eine angemessene, ihre Unabhänigkeit sichernde Entschädigung. Aber da stellt sich die Frage: Was ist angemessen?

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Es kommt z. B. darauf an, wie oft man seinen Pullover wäscht!)

Zum anderen ist ganz deutlich: Es gibt auf gar keinen Fall eine Pflicht der Abgeordneten, mehr Geld zu nehmen, als sie sich selbst zugestehen. Die demagogische Formulierung der Verfassungswidrigkeit weisen wir aufs schärfste von uns.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine angemessene Entschädigung, was ist das? Das heißt: Mit wem mißt man sich? Da stehen in diesem Bericht die kommunalen Wahlämter oder gar Ministergehälter. Auf der anderen Seite vergleicht man mit den prozentualen Steigerungsraten von Lohnempfängern. Gerade in diesem prozentualen Vergleich liegt aber wieder das Problem. Glauben Sie denn, die Arbeiter können nicht rechnen, daß 4,26 % auf die 2 000 DM, die sie vielleicht verdienen, höchstens 85,20 DM bringen, während bei den 7 500 DM, die wir bekommen, 320 DM herauskommen? Könnte es nicht auch angehen, einmal zu überlegen, daß nicht die Abgeordnetenentschädigung zu niedrig, sondern vielleicht die Ministergehälter zu hoch sind?

(Zuruf von der FDP: Sehr witzig!)

— Kommt da Widerspruch von der Ministerbank?
— Die Minister haben gerade in den letzten Wochen so fröhlich gekürzt: Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe für Kinderlose, bei beruflichen Reha-Maßnahmen, bei unentgeltlicher Beförderung für Behinderte, bei der Rente, bei Behinderten in Werkstätten, bei der Rentenversicherung, beim Krankengeld, beim Kindergeld. Wäre es nicht auch einmal angezeigt, darüber nachzudenken, ob nicht auch das Ministergehalt gekürzt werden könnte? All diese Sparmaßnahmen sind unter dem Vorwand der Haushaltskonsolidierung gelaufen. Gerade bei den Ärmsten unserer Gesellschaft hat man so massiv gekürzt.
Vergleichen Sie doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie jetzt entscheiden wollen über diese Erhöhung, die Entwicklung unserer Abgeordnetendiäten einmal mit der Einkommensentwicklung bei anderen Menschen in unserem Lande, beispielsweise dem arbeitslosen Kollegen Anton, der 1974 mit 2 000 DM im Monat arbeitslos wurde, der heute noch 980 DM Arbeitslosenhilfe bekommt. Das sind 40 % des Nettolohnes, den er heute hätte, wenn er noch arbeiten würde. Da beschließen Sie dann noch eine zusätzliche Kürzung um 2 %.
Ich möchte ein paar weitere konkrete Beispiele anführen. Ein Einzelhandelskaufmann bzw. eine Einzelhandelskauffrau erhält nach dreijähriger Ausbildung 1 379 DM Tarifgehalt. 75% des erreichbaren Arbeitsentgelts wären 1 034,25 DM. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld im Jahre 1983 liegt aber bei 522,60 DM, weil das von der Auszubildendenvergütung ausgeht, und der Anspruch auf Arbeitslosengeld 1984 liegt bei 382 DM. Das sind 36,8% weniger und liegt genau beim Sozialhilfesatz.
Ein anderes Beispiel. Ein Behinderter mit zwei Kindern, der sich einer Reha-Maßnahme unterzieht, bekommt im Jahre 1981 ein Übergangsgeld von 1 986 DM, 1982 von 1 788 DM, 1983 von 1 589 DM, 1984 von 1 490 DM. Er muß dann noch für Internatsunterbringung 120 DM zuzahlen. Dann bleiben ganze 1 370 DM. Das entspricht einer Minderung um 31 %. Oder einem Behinderten, verheiratet, zwei Kinder, mit einem Nettoentgelt von 1 230 DM, verbleiben nach den jährlichen Kürzungen 922 DM, 861 DM, 799 DM, bei Zuzahlung zur Internatsunterbringung, die er jetzt leisten muß, 619,50 DM. Davon muß er mit einer Familie mit zwei Kindern leben. — Und so könnte man das fortführen. Wir haben in den letzten Wochen von zahlreichen Bei-



Burgmann
spielen gehört und zahlreiche Briefe bekommen. Ich möchte nur wenige Fälle repräsentativ darstellen.
Hier ein wörtliches Zitat:
Seit zweieinhalb Jahren bin ich jetzt arbeitslos. Ich bekomme 618,40 DM Arbeitslosenhilfe. Meine Miete allein davon 253,20 DM. Dann kommen noch alle anderen Kosten. Das Geld kommt im Monat in zwei Hälften, zweimal 309,20 DM. Jedesmal hungere ich dazwischen, zwei bis drei Tage. Es reicht einfach nicht.

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Da hat er das Wohngeld nicht mitgerechnet!)

Vom Sozialamt bekomme ich keine Hilfe, weil das mein Sozialsatz ist. Die HEW hat zum letztenmal meine Stromrechnung gestundet, 180 DM. Am 8.11.83 wird der Strom abgeschaltet. Dann geht auch die Heizung nicht. Unser Abgeordneter hat beim Sozialamt auch nichts erreicht, weil das eben der Satz ist. Bitte helfen Sie mir, bitte, bitte.
Oder ein anderer Brief:
Habe niemand mehr, mit dem ich mich unterhalten kann. Was soll ich tun? Arbeitslosenhilfe beträgt nur noch 610 DM. Ich weiß nicht mehr, wie ich meine Schulden abtragen soll. Das Sozialamt zahlt mir kein Geld mehr. Hätte nie geglaubt, daß ich so wertlos sein könnte.
Oder eine Zuschrift, die auch repräsentativ ist:
Ich bin 49 Jahre alt, arbeitslos. Ich finde es eine große Schweinerei, daß die Bezüge der Bonner Parlamentarier schon wieder erhöht werden. Den Armen wird das Wenige gestrichen, das sie bisher bekamen, und die Bonzen in Bonn bekommen den Hals nicht voll.
So denken die Menschen im Lande über diese Entwicklung. Ich glaube, daß es wichtig ist, sich das einmal vor Augen zu führen und angesichts dieser Verminderungen, die Sie den anderen zumuten, zu fragen: Womit messen Sie sich, meine Damen und Herren?
In demselben Moment, in dem Sie für Millionen von Menschen am Existenzminimum einschneidende Kürzungsmaßnahmen beschließen, wollen Sie Ihre Bezüge erhöhen und rechtfertigen das noch mit dem Grundgesetz. Schämen Sie sich denn gar nicht mehr? Oder messen Sie sich vielleicht mit dem Wirtschaftsminister des Saarlandes, der mit 12 000 DM im Monat nicht auskommt und scheinbar noch kräftige Aufbesserungen aus seiner früheren Funktion bei den Vereinigten Saarländischen Elektrizitätswerken AG erhält. Man spricht von 100 000 DM im Jahr.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und was verdient Herr Schily?)

Mit wem messen sich diese Volksvertreter, die mit 7500 DM Entschädigung und 4500 DM steuerfreier Kostenpauschale im Monat nicht auskommen? Welches Volk vertreten Sie denn?
Und ich möchte noch auf sonstige Leistungen hinweisen, die zu diesen Diäten noch hinzukommen. Zu diesen 4500 DM steuerfreier Kostenpauschale kommen doch eine Reihe von sonstigen Vergünstigungen hinzu: kostenlose Flug- und Bahnreise, freies Telefon, kostenlose Benutzung der Bundestagsfahrbereitschaft,

(Dr. Möller [CDU/CSU]: Und Sie fahren mit dem Fahrrad? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

bis 1150 DM für Papier, Füllhalter, Heftklammern, Aschenbecher und sonstige Büroartikel und eine Altersversorgung, für die kein Pfennig Beitrag aufgebracht werden muß.
Die GRÜNEN weisen aufs schärfste zurück, daß diese Leistungen nicht mehr ausreichten, daß sie nach dem Gebot der Verfassung zu niedrig seien und dies gewissermaßen ein verfassungswidriger Zustand sei. Wir weisen auch zurück, wie es bei Ihnen, Herr Haase, und auch im Bericht von Herrn Barzel durchschimmerte, daß die Qualität unseres Rechtsstaates und Parlamentes von diesen zu niedrigen Diäten berührt sei. Das Umgekehrte ist der Fall, meinen wir: Die Qualität dieses Parlamentes leidet darunter, daß die Abgeordneten just in dem Moment, wo sie anderen empfindliche Einkommenseinbußen zumuten, sich selber die Diäten erhöhen. Darunter leidet die Qualität dieses Parlaments.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hier fehlt jedes Gespür für die Not in großen Teilen der Bevölkerung. Die GRÜNEN werden bei dieser großen Koalition der Selbstversorger nicht mitmachen. Wir lehnen dieses Gesetz ab, und wir empfehlen auch den Bürgern, sich dagegen zu wehren.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Außerdem und vor allem möchte ich hinzufügen: Wir wollen keine neuen Atomraketen in diesem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Für uns das Ceterum censeo! — Lachen und Gegenrufe von der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003801300
Das Wort hat der Abgeordnete Becker (Nienberge).

Helmuth Becker (SPD):
Rede ID: ID1003801400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute morgen mit der Drucksache des Hauses 10/615, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und des Europaabgeordnetengesetzes. Zu diesem Thema und den Schwerpunkten möchte ich gern sprechen.
Deswegen muß ich sagen, sehr geehrter Herr Kollege Haase, so sehr ich Ihnen Glück wünsche in Brüssel, Sie haben sich provozieren lassen. Dem, was Sie darauf geantwortet haben, können wir trotz aller Gemeinsamkeiten bei diesem Gesetzentwurf als Sozialdemokraten nicht uneingeschränkt zustimmen.

(Beifall bei der SPD)




Becker (Nienberge)

Herr Kollege Burgmann, Sie haben im Zusammenhang mit der Beratung dieses Gesetzentwurfs natürlich eine Reihe ernstzunehmender Probleme vorgetragen, die aber, meine ich, eigentlich in die Beratung dieses Hauses in der übernächsten Woche gehören, wo wir uns mit den Begleitgesetzen zum Haushalt beschäftigen müssen. Sicherlich ist das, was Sie hier vorgetragen haben, bei all unseren Beratungen berücksichtigt worden, die dazu geführt haben, daß wir uns jetzt zu einer Änderung des Abgeordnetengesetzes entschlossen haben. Wir haben daran gedacht, daß gerade in dieser Zeit vielen Menschen im Lande vieles zugemutet wird. Deswegen haben wir uns entschlossen, die Bezüge mäßig anzuheben.
Warum, das will ich hier noch einmal betonen. Seit es die parlamentarische Demokratie gibt, gehört die Frage der Abgeordnetenentschädigung zu den grundsätzlichen Diskussionspunkten des Parlamentsrechts. Ich will noch einmal daran erinnern, daß es für die Mitglieder des Deutschen Reichstags 1881 überhaupt keine Entschädigung gab und daß man erst im Jahre 1906 zugelassen hat, eine gewisse steuerfreie Entschädigung zu zahlen. Aus all dem ist doch unser Abgeordnetengesetz entstanden, nachdem das Bundesverfassungsgericht unsere damals steuerfreien Diäten in ein steuerpflichtiges Einkommen umgewandelt sehen wollte und damit den Fulltimejob des Abgeordneten doch eigentlich unterstrichen hat. So war die Entwicklungsgeschichte.
Aus dieser Geschichte haben wir das Abgeordnetengesetz 1977 gemacht. Wir haben seit 1977 bei der Festsetzung der Bezüge keinerlei Änderungen mehr vorgenommen. Hier ist beklagt worden — und es wird auch von manchen Kollegen beklagt —, daß das nicht geschehen ist. Aber man muß doch, glaube ich, zubilligen, daß die Abgeordneten in diesen sieben Jahren angemessen — bezogen auf die politischen Entwicklungen — reagiert und gesagt haben: Nun warten wir erst einmal und überlegen in Ruhe, was unbedingt notwendig ist. Dies ist nun geschehen.
Dabei sind doch nicht die Einkommensverbesserungen der vielen Bevölkerungsteile unberücksichtigt geblieben, sondern wir haben uns bemüht, die gesamte Entwicklung der Einkommen, auch bezogen auf das, was wir damals für richtig gehalten haben, jetzt anzupassen. Das hat dazu geführt, daß wir die Entschädigung um 4,26 % auf 7820 DM erhöhen.
Wir haben uns dann noch einmal dem Thema Kostenpauschale zugewandt. Ich muß Ihnen sagen, daß, wenn die Diskussion um die Kostenpauschale in Gang kommt, sehr häufig falsche Vorstellungen in weiten Bereichen der Bevölkerung vorliegen. Diese Kostenpauschale ist nicht etwa ein steuerfreies Geschenk, sondern ich denke, daß ich in großer Übereinstimmung mit den meisten — auch mit Ihnen, Herr Burgmann — hier bin, wenn ich sage, daß diese Kostenpauschale politische Arbeit ermöglichen soll. Sie soll es mir ermöglichen, daß ich Geld zur Verfügung habe, um in meinem Wahlkreis meine Wahlbürger zu besuchen. Sie soll es mir ermöglichen, daß ich meinen Wahlbürgern Briefe schreiben und Informationsmaterial zusenden kann. Sie soll es mir ermöglichen, daß ich in meinem Wahlkreis telefonieren kann, daß ich mich mit Leuten, die Sorgen haben, unterhalten kann. Sie soll es mir ermöglichen, daß ich, wenn ich die Tage in Bonn zu verbringen habe — es wurde schon richtig ausgeführt, daß man bei Aneinanderreihung der Tage auf ein Wochenleistungsmaß von 70 bis 90 Stunden kommt —, hier wohnen, essen und schlafen kann.
Dafür ist dieses Geld gedacht. Wer es ordnungsgemäß ausgibt — das kann ich Ihnen versichern —, kommt mit dieser Kostenpauschale nicht mehr aus, oder er muß seine politische Arbeit einschränken.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Das ist das Entscheidende. Das wollte ich in diesem Zusammenhang doch noch einmal dargestellt haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf etwas hinweisen, was in der allgemeinen Diskussion häufig untergeht, was manche auch gar nicht gern hören; ich will es hier trotzdem noch einmal deutlich machen. Wir haben in der Bundesrepublik einen Haushalt von mehr als 250 Milliarden DM. Wir geben für dieses Parlament hier — Stand: voriges Jahr — 338 Millionen DM aus. Wenn wir dies einmal auf die Wohnbevölkerung umrechnen, kostet dieses Parlament den einzelnen Bürger 5,49 DM. Wenn wir es auf die 44 Millionen Wahlbürger umrechnen, kostet es pro Kopf 7,67 DM. Das ist die Summe, die wir uns die Demokratie in diesem Zusammenhang kosten lassen. Ich meine, daß dies ein Betrag ist, der jederzeit zu vertreten ist.
Ich möchte noch eine Zahl hinzufügen. Durch das, was wir jetzt an Steigerungsrate beschließen werden, erhöhen wir die Ausgaben in diesem Bereich um 2,86 %. Auch dies scheint nach vielen Beratungen, die wir miteinander geführt haben, vertretbar.
Ich weiß, daß wir dieses sehr wichtige Thema auch in Zukunft hier behandeln müssen. Ich glaube, von der Quantität der Arbeit her können wir uns nicht mehr übertreffen. Ich glaube nicht, daß in bezug auf die Arbeitszeit noch Spielräume vorhanden sind. Aber vielleicht können wir die Qualität unserer Arbeit noch verbessern. In diesem Zusammenhang sollten wir uns noch einmal zusammensetzen und fragen: Was können wir denn zusätzlich an Einrichtungen der technischen Entwicklung hier in dieses Haus übertragen, damit wir noch effektiver für die Bürgerinnen und Bürger im Lande arbeiten können? Ich glaube, dazu sind wir alle aufgerufen.
Wir geben uns Mühe, ein Höchstmaß an quantitativer und qualitativer politischer Arbeit zu leisten. Dazu ist eine angemessene Entschädigung notwendig. Die jetzt vorgenommenen Änderungen sind ein vertretbarer Schritt auf dem Weg, ein leistungsfähi-



Becker (Nienberge)

ges Parlament zu haben. Die Sozialdemokraten werden diesem Gesetz zustimmen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003801500
Das as Wort hat der Herr Abgeordnete Wolfgramm.

Torsten Wolfgramm (FDP):
Rede ID: ID1003801600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir haben uns in der ersten Lesung des Abgeordnetengesetzes sehr grundsätzlich mit der Frage auseinandergesetzt, aus welchen Rechtsgründen das Parlament selbst über seine eigenen Angelegenheiten entscheiden muß. Ich darf noch einmal folgendes in Erinnerung rufen. Das Bundesverfassungsgericht hat drei Kriterien aufgestellt, die mit eine wichtige Entscheidung für die Position des Abgeordneten im Verfassungsgefüge darstellen: einmal die Belastung durch das Amt; zweitens die Verantwortung, die wir tragen und tragen müssen — die Debatte dieser Woche hat das j a sehr deutlich gemacht —; schließlich die Position, die der Abgeordnete im Verfassungsgefüge einnimmt.
Diese drei Positionen haben dazu geführt, daß sich eine Sachverständigenkommission mit der Diätenfrage beschäftigt hat, und zwar schon 1976, als eine Änderung bei unseren Diäten vorgenommen wurde. Sie hat damals festgestellt, daß sich der Abgeordnete — ohne eine automatische Bindung; der Bundestag muß die Diäten nach wie vor selbst festsetzen — etwa mit einem Landrat in BadenWürttemberg oder einem entsprechend besoldeten Bürgermeister wohl vergleichen dürfe und auch sollte.
Ich bin sehr froh, daß wir auf Grund der Beratungen über dieses Gesetz die Indexierung vermieden haben. Wir haben aus dem Gesetzestext die Position herausgenommen, mit der wir einen gewissen Vergleich anstellen: Anhebungen im Sozialbereich, Anhebungen der Bezüge im Bereich der Beamten, der Arbeiter und der Selbständigen. Wir haben das in die Begründung genommen. Damit haben wir auch rechtliche Positionen abgesichert, die für Karlsruhe wichtig sind.
Man muß nach einer so langen Zeit — seit 1976 — das eine oder andere auch etwas eingehender, umfassender beraten. Deshalb werden wir sorgfältig jene Probleme behandeln müssen, die wichtig, jetzt aber noch nicht erörtert worden sind. Das soll vielmehr in den Beratungen geschehen, die nach unserer eigenen Vorgabe für den Mai des nächsten Jahres anstehen. Dazu gehört auch das Problem, die Wahlmöglichkeit, die den Kollegen seinerzeit bei der Änderung der Diäten, eröffnet worden war, beim jeweiligen Ausscheiden aus dem Parlament noch einmal zu eröffnen.
Herr Kollege Burgmann, Sie haben in Form eines Postulats vorgetragen, daß sich niemand leidenschaftlicher für die Demokratie einsetze als DIE GRÜNEN. Das ist wieder einer Ihrer einsamen Ansprüche, die Sie erheben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich möchte feststellen, daß sich alle Fraktionen dieses Hauses um dieses Ziel bemühen. Ich will es Ihnen nicht absprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber diese Erhöhung, die Sie selbst wieder vornehmen — Sie alleine täten es, und zwar in besonderer Weise —, haben wir j a nun in den Debatten der vergangenen Tage erlebt. Ich nehme für die anderen Fraktionen in Anspruch, daß wir hier leidenschaftlich um die Fragen der Demokratie ringen, gerungen haben und auch weiter ringen werden.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

Es ist j a übrigens so eine eigene Sache mit der doppelten Moral. Dabei kommt dann, wenn Sie Wasser predigen, doch auch eine ganze Menge von Weinkonsum, auch in Spätlese- oder Auslese-Form, heraus. Sie sind nicht auf die Frage eingegangen, wie Sie Ihre eigenen Bezüge berechnen. Ich habe das seinerzeit bei der ersten Lesung schon zum Anlaß genommen, darauf einen Blick zu werfen. Sie haben geäußert, die anderen Abgeordneten sollten sich schämen. Vielleicht betrachten Sie Ihre eigenen Berechnungen einmal sehr sorgfältig.
Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen: Die Damen und Herren der GRÜNEN nehmen für sich in Anspruch, 1 950 DM plus 500 pro Unterhaltsberechtigten zu gewähren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Netto!)

Aber alles das, wie der Zwischenrufer eben mit Recht sagt, netto, d. h. steuerfrei. Das ist ein sehr interessanter Betrag. Der Kollege Eimer hat mir vorhin gesagt, bei dieser Regelung stehe er erheblich besser da als nach der Erhöhung, die wir beschließen werden. Das müssen Sie Ihren Wählern sagen, das müssen Sie auch denjenigen sagen, die Briefe an Sie schreiben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003801700
Herr Abgeordneter Wolfgramm, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Burgmann?

Torsten Wolfgramm (FDP):
Rede ID: ID1003801800
Vielleicht schreiben Sie das einmal Ihren Wählern — lesen uns dann auch einmal die Antworten vor — und stellen dar, wie es Ihnen geht und wie es im Unterschied dazu einer ganzen Reihe von Kollegen dieses Hauses auch nach der Anhebung der Diäten geht.
Aber selbstverständlich. Wir wollen das Institut der Zwischenfrage doch gerne wieder voll zur Geltung bringen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003801900
Herr Burgmann, bitte.

Dieter Burgmann (GRÜNE):
Rede ID: ID1003802000
Herr Abgeordneter, wissen Sie, daß jeder grüne Abgeordnete in diesem Hause im Durchschnitt 4 500 DM an einen Ökofonds abführt, der wiederum der Bevölkerung zugute kommt?

(Oh-Rufe bei der CDU/CSU)





Torsten Wolfgramm (FDP):
Rede ID: ID1003802100
Wie Sie das mit Zauberkunststücken und Rechenkunststücken intern regeln, ist Ihre Sache. Aber nach Ihrer Berechnung steht Ihnen die Summe von 4 500 DM zu, wenn Sie fünf Unterhaltsberechtigte haben. Das ist eine sehr erfreuliche, steuerfreie Summe, auf die viele Kollegen auf der rechten und linken Seite nicht kommen.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

Aber fordern Sie uns hier in der Form der doppelten Moral bitte nicht auf, daß wir uns für das, was wir weniger bekommen, noch besonders rechtfertigen sollen, was Sie den Wählern gegenüber nicht tun. Was im übrigen die Position der Bürokosten und der Dienstwagenbenutzung angeht: Ich habe noch keinen Abteilungsleiter oder auch Journalisten in verantwortungsvoller Position gesehen, der
— selbstverständlich — Bürokosten, Telefonkosten nicht von seinem jeweiligen Arbeitgeber tragen läßt, für den er tätig ist.

(Beifall bei der FDP)

Das wäre, wenn es anders wäre, eine sehr merkwürdige Vorstellung. Würde man ihr folgen, kämen wir übrigens sehr schnell unter die Sätze, die Sie vorhin — beklagenswerterweise — für den einen oder anderen in dieser Republik vorgetragen haben. Mehr als 90 % finanzieren die GRÜNEN — übrigens als Partei; wir haben das bei der Betrachtung der Parteienfinanzierung ja vorgetragen — aus öffentlichen Mitteln.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Jetzt Vorsicht, jetzt Vorsicht! — Schily [GRÜNE]: Da steht Unsinn drin, Herr Wolfgramm! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

— Aber j a. Sie können das j a alles nachlesen und das hier in der Debatte über die Parteienfinanzierung sehr sorgfältig auflisten. Sie werden das genausowenig tun, wie Sie das jetzt hinsichtlich der Frage Ihrer eigenen Diäten getan haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von den GRÜNEN)

Sie lehnen das Gesetz ab, weil Sie für sich bereits eine sehr erfreuliche Regelung gefunden haben; dann brauchen Sie dem Gesetz ja auch nicht zuzustimmen.

(Lachen bei der FDP und der CDU/CSU)

Denn Sie stehen j a bereits besser da als wir anderen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, Theodor Eschenburg hat sich in einem kleinen Büchlein mit der Frage der Besoldung im öffentlichen Bereich von den Römern an beschäftigt. Ich darf aus dem Vorwort dieses Büchleins zitieren. Er sagt da:
In der Demokratie hat das Volk vielfach die Vorstellung, daß die Politiker wie die Lilien auf dem Felde leben, und es ist sehr empört, wenn es feststellt, daß sie nicht einmal das
— nämlich wie Lilien auf dem Felde zu leben —
können. Der Diätenneid ist keineswegs, wie so oft behauptet wird, eine spezifisch deutsche Eigenschaft. In den alten Demokratien zeigt er sich nicht weniger stark.
Er führt das dann im einzelnen aus.
Ich meine, wir haben dagegenzusetzen: Diese Anhebung ist mäßig, angesichts der Nichtanhebung seit 1977 wirklich mäßig. Übrigens erkennt das sogar der Bund der Steuerzahler an, und das ist sicher eine bemerkenswerte Anmerkung. Die Anhebung ist ausgewogen, und deshalb stimmen wir dem Gesetz zu.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003802200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Handlos.

Franz Handlos (CSU):
Rede ID: ID1003802300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum vorliegenden Gesetzentwurf darf ich auch im Namen meines Kollegen Ekkehard Voigt folgende Feststellungen treffen:
Die Entschädigung der Mitglieder des Deutschen Bundestages muß gemäß Art. 48 Abs. 3 GG so bemessen sein, daß die Unabhängigkeit des Abgeordneten gesichert wird. Es wird in diesem Zusammenhang argumentiert, daß unsere Diäten seit Februar 1977 nicht erhöht worden sind, daß aber die Renten seither laufend gestiegen seien. Es ist eine bekannte Tatsache, daß unsere Diäten nicht erhöht worden sind, aber es ist auch eine bekannte Tatsache, daß man das eine nicht mit dem anderen vergleichen kann. Angesichts der Relation zwischen beiden Bezügen ist nicht entscheidend, ob die einen erhöht worden sind und die anderen nicht, sondern ob beide Personengruppen mit ihnen auskommen. Das ist bei den Rentnern, meine Damen und Herren, oft kaum der Fall, zumal ihre Bezüge durch die Verschiebung der Rentenerhöhung und durch zusätzliche Zahlungen an die Krankenkasse drastisch beschnitten worden sind.

(Beifall des Abg. Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE])

Dies sind Kürzungen, die sich in den nächsten Jahren noch deutlicher auswirken werden.
Meine Damen und Herren, im Parlament wurde in den letzten Monaten immer wieder erklärt, daß die Staatsverschuldung nicht nur gestoppt, sondern abgebaut werden müsse. Diesem Programmpunkt der Bundesregierung stimme ich vorbehaltlos zu. Die Aufforderung, sich einzuschränken und maßzuhalten — dies war der einst so verhöhnte Appell von Bundeskanzler Erhard —, ist mehr als gerechtfertigt. Allerdings paßt eine solche Aufforderung nicht zu einer Diätenerhöhung.
In der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vom 17. November 1983 heißt es wörtlich:
Angesichts der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse haben deshalb die Mitglieder des Deutschen Bundestages eine faktische Einkommenseinbuße erfahren, die anderen Gruppen von Ein-
2636 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983
Handlos
kommensbeziehern nicht zugemutet worden ist.
Meine Damen und Herren, dies stimmt nur bedingt. Ich darf Ihnen hier einige Beispiele nennen. So hat z. B. der Deutsche Bundeswehrverband im September 1983 in einer Eingabe an den Verteidigungsausschuß — Drucksache 25 — auf Seite 2 im Hinblick auf die kumulativen Sparmaßnahmen erklärt, daß ein Oberfeldwebel — 29 Jahre alt, verheiratet, ein Kind — durch Sparmaßnahmen eine Einkommenseinbuße von 305 DM hatte. Ein pensionierter Hauptfeldwebel — A 8 mit Amtszulage, verheiratet, ohne Kinder — muß sogar eine Einbuße von 431 DM durch Einsparungsmaßnahmen hinnehmen. Ein solcher Soldat — das möchte ich am Rande auch einmal sagen — hat ein Leben lang in den Streitkräften gedient. Der Bundeswehrverband stellt hier mit Recht fest, daß es nicht nur um ein soziales Problem, sondern um die Attraktivität der Streitkräfte insgesamt gehe.
Lassen Sie mich noch ein paar andere Punkte nennen. Bei uns in der Bundesrepublik Deutschland sind die Lebenshaltungskosten vom 1. Januar 1981 bis zum 1. Juli 1983 um 11,5 % gestiegen. Der Regelsatz der Sozialhilfe ist im gleichen Zeitraum für eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern von sechs und zehn Jahren auf Grund der Sparmaßnahmen nur um 1,71 % gestiegen. Bei einem alleinstehenden Sozialhilfeempfänger im Alter von über 65 Jahren sank die Sozialhilfe sogar von 411 DM auf 402 DM. Ich kann nur sagen: Das alles muß berücksichtigt werden.
Deshalb gebe ich dem Kollegen Alfons Müller von der CDU recht, der in der „Gemeinsamen Zeitung", in der „gz", Nr. 6/83, wörtlich feststellte:
Wir können nicht auf der einen Seite Rentnern und Arbeitnehmern neue Opfer zumuten, auf der anderen Seite uns selbst aber höhere Bezüge genehmigen.
Dem kann ich nur zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wir wollen einmal sehen, wie es dann bei der namentlichen Abstimmung aussieht.
Ein Bürger der Bundesrepublik schrieb mir in diesen Tagen wörtlich:
Es bleibt mir als Normalbürger wirklich unverständlich, wie ein Abgeordneter in der gegenwärtigen Gesamtlage nach höheren Diäten verlangen kann, die ihm etwa 6 DM täglich mehr einbringen, während er gleichzeitig 17 DM täglich an die Fraktion abführt. Das kann doch kein Mensch verstehen.

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003802400
Herr Abgeordneter Handlos, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Müller?

Franz Handlos (CSU):
Rede ID: ID1003802500
Gerne, Herr Kollege Müller.

Alfons Müller (CDU):
Rede ID: ID1003802600
Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß meine Aussage im Frühjahr 1983 vor einem anderen Hintergrund gemacht wurde? Damals wurde ein Erhöhungsbetrag von 2 500 DM genannt. Vor diesem Hintergrund ist meine Aussage zustande gekommen, nicht vor dem Hintergrund dessen, was derzeitig zur Diskussion steht.

Franz Handlos (CSU):
Rede ID: ID1003802700
Herr Kollege Müller, ich nehme das sehr gerne zur Kenntnis. Ich beziehe mich nur auf das, was die Katholische Arbeitnehmerbewegung dazu geschrieben hat und was ich hier eben zur Kenntnis gebracht habe. Ich nehme das, was Sie eben gesagt haben, aber sehr gerne zur Kenntnis.
Lassen Sie mich abschließend folgendes sagen. Mit Bezug auf den Komplex der Diätenerhöhung haben zahlreiche Verbände an uns geschrieben, u. a. die Katholische Arbeitnehmerbewegung — diese habe ich mit Blick auf den Kollegen Müller gerade erwähnt —, z. B. deren Bezirksverband Düren/Jülich und deren Bezirksverbände Aachen-Stadt und Eifel. In dem Schreiben des Bezirksverbandes Aachen der Katholischen Arbeitnehmerbewegung wird wörtlich festgestellt:
Angesichts der Opfer, die von den Arbeitnehmern, den Rentnern und den Familien bereits gefordert wurden, ist es unverständlich, daß gerade zum jetzigen Zeitpunkt die Diätenerhöhung beschlossen werden soll. Im Vergleich zu den Einkommen der oben genannten Gruppen sehen wir in unserer Forderung kein allzugroßes Opfer, das wir von den Mitgliedern des Deutschen Bundestages erwarten. Es ist an der Zeit, daß auch die verantwortlichen Politiker Zeichen setzen und nicht nur von anderen Opfer erwarten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aus diesem Grunde darf ich Sie bitten, meine Damen und Herren, Ihr Verhalten hier im Parlament noch einmal zu überprüfen, bevor Sie zustimmen.
Sollte die Änderung des Gesetzes trotzdem in Kraft treten, möchten mein Kollege Ekkehard Voigt und ich mit gutem Beispiel vorangehen.

(Conradi [SPD]: Ihr seid schöne Republikaner!)

Es wäre unredlich von uns, gegen die Diätenerhöhung zu stimmen und dann trotzdem das Geld in Empfang zu nehmen, weil es uns gesetzlich zusteht und nicht abgelehnt werden kann. Ekkehard Voigt wird ähnlich wie ich verfahren. Ich selbst werde die Erhöhung der Diäten — nachprüfbar — an das Haus des Lebens in Straubing und über die Kindernothilfe für ein Kind in der Dritten Welt überweisen.

(Schwenninger [GRÜNE]: Nicht Kindernothilfe! Da gibt es Besseres! — Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Aber auch die Fraktionsbeiträge!)

Bitte überlegen Sie abschließend, ob es nicht gut wäre, das Gesetz wegen des vorher Gesagten abzulehnen.



Handlos
Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003802800
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Gegenstimmen und einigen Enthaltungen sind diese Artikel angenommen.
Wir treten in die dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Gegenstimmen und einer Anzahl von Enthaltungen ist das Gesetz angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Fischer (Osthofen), Bachmaier, Dr. Emmerlich, Klein (Dieburg), Dr. Kübler, Lambinus, Schmidt (München), Schröder (Hannover), Dr. Schwenk (Stade), Stiegler, Dr. de With, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes
— Drucksache 10/213 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß (federführend)

Innenausschuß
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Bildung und Wissenschaft
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Dies ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fischer (Osthofen).

(Unruhe)

— Meine Damen und Herren, darf ich bitten, daß die Damen und Herren Mitglieder des Hauses ihre Plätze einnehmen oder die Unterhaltung außerhalb des Plenarsaals fortsetzen. Dies gilt für alle Seiten des Hauses.
Bitte, Herr Abgeordneter, beginnen Sie mit Ihrer Rede.

Gernot Fischer (SPD):
Rede ID: ID1003802900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir vor wenigen Wochen die Frage diskutierten, ob Entscheidungen des Volksgerichtshofs oder der nationalsozialistischen Sondergerichte rechtsgültig sind, spielte auch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1968 eine Rolle. Damals wurde das Mitglied des Volksgerichtshofs Rehse mit der von mir jetzt verkürzt wiedergegebenen Begründung freigesprochen: Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein.
Am 25. Februar 1980 entschied das Landgericht Frankfurt, daß die von einer Gruppe von 25 geistig Schwerbehinderten ausgehenden Störungen für einen empfindsamen Menschen eine Beeinträchtigung des Urlaubsgenusses darstellen, und in den Urteilsgründen hieß es wörtlich:
Daß es Leid auf der Welt gibt, ist nicht zu ändern. Aber es kann der Klägerin nicht verwehrt werden, wenn sie es jedenfalls während des Urlaubs nicht sehen will.
Eine solche ein überspitztes positivistisches Denken offenbarende und jeder Mitmenschlichkeit bare Rechtsprechung hat nicht nur, aber gewiß auch in der Ausbildung der Richter ihren Grund.
Diese beiden Beispiele, die beliebig ergänzt werden könnten, machen deutlich, wie nötig es ist, die überkommene Ausbildung der Juristen zu überdenken, neu zu ordnen, problembewußter zu gestalten. Diese beiden Beispiele zeigen aber auch, wie nötig es ist, das rechsstaatliche Bewußtsein unserer Juristen zu stärken, sie mit gesellschaftlichen Zusammenhängen vertraut zu machen und ihnen die Kenntnis der sozialen Wirklichkeit zu vermitteln.
Nach zehn Jahren des Experimentierens besteht heute die Gefahr, daß bei Auslaufen dieser Phase am 15. September 1984 alles beim alten bleibt, daß wichtige Erkenntnisse und Erfahrungen versiegen. In sieben Bundesländern wurden Modellversuche durchgeführt, erfolgreiche Modellversuche — eine Auffassung, die nicht nur bei sozialdemokratischen Justizverwaltungen und sozialdemokratischen Landesregierungen vertreten wird. Auch eine Vielzahl von Verbänden und Standesorganisationen sieht in der stärkeren Verflechtung von theoretischer und praktischer Ausbildung und in der Aufteilung in ein Grundstudium und ein Schwerpunktstudium die richtige Lösung. Ich nenne nur den Deutschen Richterbund und den Deutschen Anwaltverein oder auch den Deutschen Gewerkschaftsbund.
Diese positiven Erfahrungen mit der einphasigen Ausbildung und die breite Zustimmung der juristischen Praxis haben uns veranlaßt, den noch von Bundesj ustizminister Dr. Schmude erarbeiteten Gesetzentwurf in leicht veränderter Form erneut einzubringen.

(Bohl [CDU/CSU]: Leicht?)

Durch dieses Gesetz soll die Juristenausbildung in der Bundesrepublik Deutschland verbessert und vereinheitlicht werden. Unter Beibehaltung des Ausbildungsziels vom sogenannten Einheitsjuristen soll die Ausbildung gestrafft, wissenschaftlich vertieft und wirklichkeitsnah gestaltet werden.
Wir wollen dieses Ziel erreichen erstens durch enge Verzahnung von theoretischer und praktischer Ausbildung, weil, wie die Einstufenmodelle ergeben haben, gerade durch den Wechsel zwischen



Fischer (Osthofen)

theoretischer Ausbildung und praktischer Tätigkeit Verständnis und Motivation der Studenten gesteigert werden konnten und weil die Studenten frühzeitiger als bei der herkömmlichen Zweistufigkeit Nutzen und Verwertbarkeit theoretischen und dogmatischen Wissens erkennen.
Wir wollen dieses Ziel zweitens erreichen durch die Gliederung in eine Grundausbildung und eine Schwerpunktausbildung, durch eine Verkürzung der Ausbildungszeit auf 6 1/2 Jahre und, was uns wichtig erscheint, durch die Einbeziehung von Nachbarwissenschaften in diese Ausbildung, weil gerade die Sozialwissenschaften für das Verständnis der Hintergründe und Auswirkungen rechtlicher Entscheidungen unverzichtbar sind

(Beifall des Abg. Schily [GRÜNE])

und damit wichtige Hilfen zur Gewinnung größerer Wirklichkeitsnähe juristischer Arbeit bieten. Wir wollen dies aber auch erreichen durch die Berücksichtigung solcher juristischer Disziplinen, die seither etwas zu kurz gekommen sind, z. B. das Sozialrecht, z. B. das Arbeitsrecht.
Und wir wollen dieses Ziel erreichen durch die Einführung einer Zwischenprüfung nach drei Jahren. Gerade in dieser zeitlich fixierten Zwischenprüfung sehen wir ein wichtiges Instrument zur Verkürzung der Ausbildungszeit. Vor allem aber kann denen, die für den juristischen Beruf nicht geeignet sind, dies frühzeitig gesagt werden. Es erscheint uns sozialpolitisch nicht vertretbar, daß wie heute erst fünf Jahre nach Beginn der Ausbildung oder später erstmals festgestellt wird, inwieweit ein Auszubildender geeignet ist und ob er nicht gegebenenfalls einen anderen Beruf ergreifen muß.
Bei CDU und CSU möchte man wieder einmal alles beim alten belassen. Die positiven Erkenntnisse aus den Modellversuchen, übrigens auch in CDU- und CSU-regierten Ländern, werden in den Wind geschlagen. Fortschrittliche Lösungen sind dort offenbar nicht gefragt. Ich räume ein, daß es auch negative Erfahrungen gibt wie z. B. in Trier. Doch nach meinen Beobachtungen liegt dies weniger an dem Modellversuch als an der Halbherzigkeit, mit der die politische Führung des Landes Rheinland-Pfalz dieses Projekt betrieben hat.

(Dr. Hackel [CDU/CSU]: Seien Sie mal vorsichtig, was Rheinland-Pfalz betrifft! — Bohl [CDU/CSU]: Sie sind wohl aus Rheinland-Pfalz?)

— In der Tat, Herr Bohl, aus Rheinland-Pfalz. Ich habe dies beobachten können.
Auffällig ist auch hier, daß die CSU in dieser Frage den Ton angibt. Solange ist es nämlich noch nicht her, daß die CDU-Fraktionsvorsitzenden in den Länderparlamenten sich einstimmig für das mit unserem Gesetzentwurf fast identische Richterbundmodell ausgesprochen haben. Doch die plötzliche Anpassung überrascht nicht. Auch hier spielt die Musik in München.
Was allerdings überrascht, meine Damen und Herren, ist, daß der Herr Bundesjustizminister, wie seit Mittwoch dieser Woche zur Gewißheit feststeht, voll im CSU-Wind mitsegelt. Mancher mag sagen: Dies haben wir seit dem 6. März öfter erlebt. Dies ist richtig. Verblüffend ist jedoch in diesem Fall das Tempo und die Kaltschnäuzigkeit, mit der diese Wende vollzogen wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich will dies auch belegen. Am 27. August 1982 brachte die damalige sozialliberale Bundesregierung den sogenannten Schmude-Entwurf ein. In der Freien Demokratischen Korrespondenz vom 20. Dezember 1982, also nach der Wende, sprach sich unser früherer Kollege im Rechtsausschuß, Wolfgang Bergerowski, FDP, für eine Regelung auf der Grundlage eines vom Deutschen Richterbund und vom Deutschen Anwaltverein gemeinsam vertretenen Vorschlags aus und forderte gleichzeitig die Unionsparteien auf, ihr starres Festhalten an der bisherigen Juristenausbildung aufzugeben. Bergerowski sagte damals, die CDU/CSU sollte endlich einsehen, daß dann, wenn sie bereit ist, auf die von der FDP unterstützten Vorschläge der Richter und Anwälte einzuschwenken, eine Reform möglich wird, die von den betroffenen gesellschaftlichen Gruppen mitgetragen wird.
Noch im Juni 1983 sprach sich Bundesjustizminister Engelhard für eine enge Verzahnung von theoretischer und praktischer Ausbildung in einem einstufigen Modell aus. In der „Frankfurter Rundschau" vom 19. Juli 1983 schrieb Karl-Heinz Krumm:
Er
— Engelhard —
schlägt vor, bereits nach sechs Semestern Studium und anschließender Referendarprüfung eineinhalb Jahre Praxis in der Justiz, bei Anwälten und in der Verwaltung einzuschieben. Danach soll der angehende Jurist erneut für ein Jahr zu einer einjährigen Vertiefungsphase an die Universität zurückkehren. Letzte Phase der insgesamt auf sechseinhalb Jahre kalkulierten Ausbildung wird dann ein weiteres Jahr Praxis sein.
Nach diesem 19. Juli, meine Damen und Herren, ging es mit dem Herr Bundesjustizminister steil bergab. Schon bei der Konferenz mit den CDU/ CSU-Justizministern am 10. August 1983 in München schwenkte der Herr Bundesjustizminister voll ins konservative Lager über, obwohl noch tags zuvor, am 9. August 1983, der Sprecher des Bundesjustizministeriums eine gemeinsame Erklärung des Deutschen Richterbundes und des Deutschen Anwaltvereins, durch die laut „Generalanzeiger" vom 9. August 1983 dem Bundesjustizminister der Rükken gestärkt werden sollte, ausdrücklich begrüßte.
Das traurige Ende dieses Läuterungsprozesses des Herrn Bundesjustizministers erlebten wir dann am Mittwoch, dem 23. November 1983, also vorgestern. Das Kabinett entschied, daß es, wie von CDU und CSU gewünscht und wie im Referentenentwurf schon festgeklopft, bei der klassischen Ausbildung bleiben müsse, einem Ausbildungsmodell, meine Damen und Herren, das der Hauptgeschäftsführer



Fischer (Osthofen)

des Deutschen Anwaltvereins, Peter Winters, im „Generalanzeiger" vom 9. August 1983 als eine Juristenausbildung à la Bismarck bezeichnete.
Wie bei der Verwaltungsprozeßordnung und beim Entlastungsgesetz wurden auch hier liberale rechtspolitische Vorstellungen auf dem Altar der neuen Koalition geopfert. In der „Frankfurter Rundschau" vom 21. Oktober 1983 heißt es dazu:
... der Bundesjustizminister hat versagt. Er hat sich, obwohl schon zur Zeit der „Wende in Bonn" alle Erkenntnisse und Vorschläge auf dem Tisch lagen, selbst in einen unverantwortlichen Zeitdruck gesetzt, um dann sehr rasch und ohne für die eigenen Überzeugungen zu kämpfen, dem Verlangen der CDU/CSU nachzugeben.
Was übrigbleibt, sind kleine Retuschen des Herkömmlichen, Etikettenschwindel, der auch bei großzügiger Interpretation die Bezeichnung „Reform" nicht verdient.
Karl-Heinz Krumm fährt dann fort:
Zeit und Geld und viel Engagement wurden sinnlos verpulvert. Man wollte in diesem Bereich die Zukunft gewinnen und hat die Vergangenheit zementiert.
Wie wahr! kann man da nur sagen.
Was wird nun an Argumenten gegen die einstufige Ausbildung vorgebracht? Da wird zunächst gesagt: Das kostet zuviel. Doch dieser Einwand wird auch durch ständige Wiederholungen nicht richtig. Die Kosten sind nicht höher als bei der zweistufigen Juristenausbildung, wie übrigens auch im Abschlußbericht des Ausschusses der Justizministerkonferenz zur Reform der Juristenausbildung festgehalten wird. Im Gegenteil, durch die Zwischenprüfung, vor allem aber durch die kürzere Gesamtausbildung wird die Ausbildung nach dem einphasigen Modell mittelfristig sogar kostengünstiger, wie Professor Dr. Fleischmann in einer Kosten-Nutzen-Analyse der ein- und der zweistufigen Juristenausbildung in der Bundesrepublik Deutschland vom August 1981 nachgewiesen hat.
Zweitens wird eingewandt, die vorhandenen Ausbildungskapazitäten reichten nicht aus. Doch auch dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Dies sagen und begründen nicht nur die erfahrenen Praktiker im Abschlußbericht, sondern auch die Bundesregierung hat den Einwand in Beantwortung einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion vom 1. März 1982 ausdrücklich bestritten. Zu diesem Ergebnis gelangt auch der frühere bayerische Justizminister Dr. Hillermeier, der in der Bayerischen Staatszeitung vom 8. September 1978 im Zusammenhang mit dem Augsburger Einstufenmodell feststellte:
Ein höherer Betreuungsaufwand in der Praxis ist trotz früheren Praxisbeginns nicht nötig.
Zu dieser Erkenntnis, meine Damen und Herren, kann man aber auch selber gelangen; denn schließlich müssen alle Studenten theoretisch und praktisch ausgebildet werden, ob in diesem oder jenem System. Das Problem liegt in der großen Zahl, nicht im einphasigen Ausbildungsmodell.
Wen wundert es, daß angesichts dieser Situation die öffentliche Kritik immer lauter wird. Der Deutsche Anwaltverein sagt in seiner Stellungnahme vom 17. Oktober 1983 zu dem jetzt Kabinettsentwurf gewordenen Referentenentwurf: Der Entwurf läßt viele Wünsche offen. Der Deutsche Richterbund lehnt den Entwurf in seiner Presseerklärung vom 6. Oktober 1983 rundweg ab und bemerkt dazu:
Mit dem Entwurf werden die Hoffnungen all derer begraben, die sich in den verschiedenen Reformfakultäten mit großem Engagement für eine Verbesserung der allseits als reformbedürftig anerkannten Juristenausbildung eingesetzt haben.
Ich will nicht leugnen, daß es auch Anhänger der alten neuen Linie gibt. So heißt es in der „Frankfurter Allgemeinen" vom 11. November 1983 unter der Überschrift „Eine Wiedervereinigung zu niemandes Begeisterung" und unter dem bezeichnenden Untertitel „Nach zwölf Reformjahren kehrt die Juristenausbildung zu ihren Anfängen zurück", von einer Einbeziehung der Gesellschaftswissenschaften werde mit Recht nicht mehr geredet — das sagt Karl-Friedrich Fromme —; denn Kenntnisse in wissenschaftlicher Soziologie trügen wenig zu einer lebensnahen richterlichen Verhaltensweise bei; gesunder Menschenverstand sei ein besseres Hilfsmittel. So kann man es wohl auch sehen.
Ich sage ganz offen: Meine Hoffnung, daß eine gründliche Diskussion dieser Probleme im Rechtsausschuß noch möglich ist und die positiven Erkenntnisse und Erfahrungen aus den Modellversuchen berücksichtigt werden können, ist angesichts des Zeitdrucks nicht allzu groß. Die Koalition ist offenbar auch in diesem Fall entschlossen, ein Problem, über das mehr als zehn Jahre gebrütet worden ist, im Hauruck-Verfahren zu lösen. Sollte dies tatsächlich beabsichtigt sein, so meine ich, man sollte dem Vorschlag von Dr. Robert Herr, dem Vizepräsidenten des Landgerichts Mosbach und dem Vorsitzenden der Ausbildungskommission des Deutschen Richterbundes, folgen, der in der „Frankfurter Allgemeinen" vom 29. September 1983 in einem Leserbrief geschrieben hat: „lieber gar keine Reform als diese".
Meine Damen und Herren, namens der SPD-Fraktion beantrage ich die Überweisung des Gesetzentwurfes an die zuständigen Ausschüsse.

(Beifall bei der SPD — Zustimmung des Abg. Schily [GRÜNE])


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003803000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bohl.

Friedrich Bohl (CDU):
Rede ID: ID1003803100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da die Experimentierphase in der Juristenausbildung mit den Modellversuchen, die schon erwähnt wurden, am 15. September 1984 ausläuft, ist eine gesetzliche Neuregelung auch nach Auffassung der CDU/CSU dringend geboten. Käme es nicht zu einer solchen Änderung, so würde mit dem Auslaufen der Experimentierphase bundeseinheitlich zur herkömmlichen Juristenaus-
2640 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983
Bohl
bildung zurückgekehrt werden müssen. Damit würde in der Tat die Chance vertan, die bei den Modellversuchen gewonnenen Erfahrungen und auch die in den letzten Jahren bei der Fachdiskussion gewonnenen Erkenntnisse für die Juristenausbildung nutzbar zu machen.
Auch wenn ich der oft pauschal vorgetragenen, undifferenziert artikulierten Kritik gegenüber der herkömmlichen Ausbildung in dieser unsachlichen Form nicht zustimmen kann, Herr Kollege Fischer, ist dennoch klar, daß die CDU/CSU für die mögliche Alternative, nämlich dem Auslaufen der Experimentierphase ohne Änderung der herkömmlichen Ausbildung, nicht die Hand reichen wird. Auch wir als CDU/CSU bekennen uns ganz eindeutig dazu, die juristische Ausbildung neu und besser zu regeln.
Wir begrüßen es daher sehr, daß die Bundesregierung am vergangenen Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Änderung des Richtergesetzes verabschiedet hat, der diese Materie neu regelt. Wir halten es auch für gut und richtig, daß die Bundesregierung dabei an der zweistufigen Ausbildung festhält, diese jedoch durch eine inhaltliche Abstimmung und Verzahnung von Studium und Praxis den Erfordernissen einer modernen Berufsvorbereitung anpaßt.
Die Modellversuche haben — das möchte ich ganz deutlich sagen, Herr Kollege Fischer — jedenfalls nicht bewiesen, daß sie unter den gegeben tatsächlichen Umständen eine weit bessere Ausbildung der Juristen garantieren. Ich verweise hier insbesondere auf den Abschlußbericht von Professor Rolinski, der j a einen Vergleich der Ausbildung an den Universitäten Augsburg und Regensburg vorgenommen hat. Ich empfehle sehr die Lektüre dieses Berichts.
Lassen Sie mich noch einmal sagen, daß der Gesetzentwurf der Bundesregierung unserer Auffassung nach angesichts der überfüllten Universitäten sowie der leeren öffentlichen Kassen eine richtige Weiterentwicklung ist. Hier wird nicht, wie einmal Herr Kollege Emmerlich in irgendeiner Presseerklärung meinte, Restauration praktiziert, sondern sachgerechte Politik betrieben, statt daß blind irgendwelchen ideologischen Vorgaben nachgeeifert würde.
Sie, meine Damen und Herren von der SPD, wollen mit Ihrem Gesetzentwurf die herkömmliche Zweiteilung der Juristenausbildung in Theorie und Praxis aufgeben und ein Intervallmodell einführen. Sie orientieren sich dabei — das haben Sie eben auch ausgeführt — weitgehend an dem sogenannten Schmude-Entwurf vom August 1982, der von der damaligen sozialliberalen Bundesregierung im Bundesrat eingebracht wurde.
Wir als CDU/CSU müssen diesen Entwurf eindeutig zugunsten des Entwurfs der Bundesregierung ablehnen. Der Schmude-Entwurf läuft unseren Vorstellungen in der Sache weitgehend zuwider, kann die Einheitlichkeit der Juristenausbildung in der Bundesrepublik nur schwer gewährleisten und entspricht angesichts der leeren öffentlichen Kassen nicht den Notwendigkeiten einer zeitgerechten Ausbildung..
Lassen Sie mich darauf hinweisen, daß Sie ganz offensichtlich einen der schwerwiegendsten Mängel des Schmude-Entwurfs ja selbst gesehen haben. Der alte Entwurf überließ nämlich ganz wichtige Teilbereiche der landesgesetzlichen Regelung und gefährdete damit die Einheitlichkeit der Juristenausbildung im Bundesgebiet. Die jetzige Experimentierphase wäre unbegrenzt fortgeschrieben worden und hätte alle derzeit praktizierten Formen der Juristenausbildung weiter gesetzlich ermöglicht. Was Sie jetzt vorlegen, ist nicht viel besser. Denn obwohl Sie gemäß der Begründung zu Ihrem Entwurf der Kritik Rechnung tragen wollen, ist die Nachbesserung wirklich nur ganz unzureichend gelungen.
Wenn ich mir diese Regelungen anschaue, so muß ich sagen, ist meine Sorge nicht behoben, daß wir zu einer weiteren Ausbildungszersplitterung kämen. Dies gilt insbesondere — ich greife nur wenige Punkte auf; in einer ersten Lesung kann man das ja nicht abschließend tun — z. B. für die nach Landesrecht mögliche vermehrte Zahl von Intervallphasen, die ihre noch darzustellende Problematik haben. Das gilt auch angesichts des gesetzlichen Offenhaltens eines integrierten sozialwissenschaftlichen Eingangsstudiums bremischer Prägung, das wir in der Tat strikt ablehnen.
Auch die Prüfungsregelungen sind unter dem Gesichtspunkt der Ausbildungszersplitterung zu kritisieren. So besteht nach der Grundausbildung die Gefahr der länderweisen unterschiedlichen Fächerabschichtung. Es besteht die Gefahr, daß die juristischen Prüfungen länderweise unvergleichbar werden, wenn Sie nur die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß Teilprüfungen länderweise vorgeschaltet werden dürfen. Mit einem Wort: Es gäbe ein einziges Prüfungschaos, das wir als CDU/CSU nicht mitmachen wollen.
Sie wollen es ja auch — lassen Sie mich das sagen — bei der unbenoteten Zwischenprüfung à la Schmude-Entwurf belassen. Drei Jahre nach Beginn der Ausbildung, nach Beendigung der theoretischen Ausbildung in der Grundausbildung, soll eine solche unbenotete Zwischenprüfung eingeführt werden. Wir lehnen sie ab, weil davon, Herr Kollege Fischer, weder eine Signalwirkung für den Schwächeren noch Motivation für den Tüchtigen ausgehen wird, und zwar rechtzeitig. Angesichts der übervollen Hörsäle ist das nun wirklich dringend geboten.
Lassen Sie mich ganz deutlich sagen, daß wir als CDU/CSU weder eine Erschwerung des Wechsels der Universitätsorte für die Studenten wollen, noch die Vergleichbarkeit der Ausbildung in den Ländern aufgehoben sehen wollen. Das ist eine berechtigte Sorge, die bei dieser Sache von uns artikuliert werden muß.
Herr Kollege Fischer, ich komme deshalb nicht umhin, Ihre Ausbildungszielbeschreibung, nämlich



Bohl
den Einheitsjuristen, als reines Lippenbekenntnis zu bezeichnen.

(Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Ihre gesetzlichen Regelungen laufen nämlich in eine ganz andere Richtung: Sie halten zwar formal noch am Einheitsjuristen fest, ermöglichen aber, daß alle Experimente, insbesondere in den SPD-geführten Ländern fortgeführt werden können.
Kritisiert werden muß der Gesetzentwurf aber auch unter einem anderen Gesichtspunkt: Nicht nur, daß länderweise eine Ausbildungszersplitterung eintritt, sondern auch ansonsten wird deutlich, daß bei Ihnen weiter die Tendenz zum Spezialistenum gefördert wird. Als Ergebnis werden wir damit nicht mehr den vielseitig verwendbaren Einheitsjuristen haben. So lehnen Sie ja ausdrücklich eine flächendeckende Prüfung nach der Schwerpunktausbildung ab.
Auch wenn Sie in Ihrem Gesetzentwurf schreiben, Sie wollten festgestellt wissen, ob der Auszubildende nach der Grundausbildung das für einen Einheitsjuristen unerläßliche Grundlagenwissen hat, so kann kein Zweifel sein, Herr Kollege Fischer, daß das ein anderer Einheitsjurist ist, als wir ihn wollen. Allein die Gewichtung der Noten mit jeweils 50 % für beide Ausbildungsteile macht j a schon überdeutlich, daß beim Grundstudium auftretende erhebliche Lerndefizite in wichtigen juristischen Disziplinen ohne schwerwiegende Folgen in der Abschlußprüfung sein können. Das kann doch nicht ohne Folgen für die Qualifikation als Einheitsjurist sein.
Wir meinen deshalb, daß wirklich allergrößte Vorsicht geboten ist. Lassen Sie mich so sagen: Wir als CDU/CSU wollen einen Einheitsjuristen, der befähigt ist, grundsätzlich ohne weitere Ausbildung alle volljuristischen Berufe auszuüben. Wir sind daher gegen eine zu weitgehende Spezialisierung im Rahmen der Ausbildung und damit auch gegen eine zeitlich weit ausgedehnte und abgesetzte Schwerpunktausbildung von eineinhalb Jahren.
Auch wir wollen die Fähigkeit des jungen Juristen zu selbständiger und vertiefter wissenschaftlicher Arbeit entwickelt sehen. Das muß aber richtig gewichtet sein und mit dem Anliegen einer fundierten Grundausbildung inhaltlich und zeitlich ins rechte Verhältnis gebracht werden. Wir meinen, daß dies mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung durchaus geschieht und eine sachgerechte Vertiefung in Theorie und Praxis möglich wird.
Ich will noch einmal darauf zurückkommen: Ich habe den Eindruck, Herr Kollege Fischer, daß wir in diesem Hause mit der SPD bezüglich des Ausbildungsziels Einheitsjurist nur noch einen rein verbalen, aber keinen inhaltlichen Konsens mehr haben. Wir wollen eine breite, umfassende Ausbildung mit einer entsprechenden Abschlußqualifikation, die Chancengleichheit ermöglicht, Freizügigkeit gewährleistet und deshalb gleichwertig sein muß.
Kritisiert werden muß aber, glaube ich, auch, daß Sie das Universitätsstudium eindeutig entwerten, was allein durch die Tatsache einer unbenoteten Zwischenprüfung deutlich wird. Gerade hat der Fakultätentag eindrucksvoll darauf hingewiesen, daß eine wissenschaftliche Qualifikation, die Sicherung der Wissenschaftlichkeit der Juristenausbildung, dringend geboten sei. Gerade im Hinblick auf die Notwendigkeit einer vielfältigen Verwendbarkeit des Einheitsjuristen bei der doch schwieriger werdenden Arbeitsmarktlage ist die Gefahr eines Verlustes an wissenschaftlicher Orientierung unserer Meinung nach nicht zu verantworten.
Schließlich muß auch gesagt werden, daß weitere Bedenken bezüglich der praktischen Realisierung Ihrer Vorstellungen bestehen. Lassen Sie mich zunächst darauf hinweisen, daß die Fakultäten, die einstufige Ausbildungsgänge erproben, bekanntlich unter anderen Bedingungen arbeiten. Zugang und Studium sind stark reglementiert. Die Ausstattung mit Lehrpersonal ist relativ großzügig. Dieser ständige Wechsel von Theorie und Praxis bei einer solchen einphasigen Ausbildung läßt sich insbesondere in den Flächenstaaten nur schwer verwirklichen.
Es kommen auch die finanziellen Gründe hinzu. Ich stimme Ihnen, Herr Kollege Fischer, in Ihren Berechnungen nicht zu. Ich möchte hier auf ein Gutachten des Bundesjustizministeriums aus dem Jahre 1979 verweisen, das mir sehr interessant zu sein scheint. Danach kostet die universitäre Ausbildung eines Jurastudenten in der herkömmlichen Form rund 25 000 DM, eine Ausbildung nach dem Intervallmodell jedoch fast das Doppelte, nämlich 49 000 DM.
Bedenken Sie doch bitte auch, daß auf Grund der Prognosen für die Studenten- und Referendarzahlen nach KMK-Beschluß vom 11. Juni 1981 bis Ende dieses Jahrzehnts von über 15 000 Studienanfängern pro Jahr ausgegangen werden muß und die Zahl noch bis Mitte der 90er Jahre bei ca. 12 000 liegen wird. Angesichts dieses Sachverhalts kann es doch wirklich nicht verantwortet werden, Ihrem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Und kommen Sie bitte nicht mit dem Argument, wir wollten hier — Herr Emmerlich hat das in einer Presseerklärung im Juli dieses Jahres, glaube ich, formuliert — untätig sein und sozusagen als Prämie für die Untätigkeit noch den Rückfall in die herkömmliche alte Juristenausbildung kassieren. Diese Behauptung ist schlicht und einfach falsch. Sie arbeitet mit Unterstellungen. Ich habe das vorhin schon gesagt und möchte Sie wirklich bitten, das nicht zu wiederholen.
Wir, Herr Justizminister — ich möchte auch das hier deutlich sagen —, sind Ihnen und der Bundesregierung sehr dankbar, daß Sie sich erfolgreich um eine Lösung bemüht haben, die auch im Vorfeld die Zustimmung der Mehrheit der Länder gefunden hat. Der Dank gilt Ihnen insbesondere deshalb, weil Sie diejenigen Ihrer persönlichen Vorstellungen, die Sie nicht verwirklichen konnten, im Interesse einer Einigung mit den Ländern zurückgestellt und sich damit sehr wohltuend von Bundesjustizminister a. D. Schmude abgehoben haben, der zu einem solchen Kompromiß mit den Ländern, die die Juri-



Bohl
stenausbildung durchführen, gar nicht bereit und fähig war.
Nehmen Sie also, meine Damen und Herren von der SPD, zur Kenntnis, daß die neue Bundesregierung nicht untätig war, sondern sich intensiv und erfolgreich um eine politische Lösung dieser schwierigen Frage bemüht hat, die um so schwieriger war, weil von der SPD für eine Kompromißlösung keinerlei Vorarbeiten geleistet worden waren. Sie von der SPD wollten sozusagen im Wolkenkukkucksheim Ihre theoretischen Reformvorstellungen, deren Überlegenheit gar nicht bewiesen ist und an denen Sie ohne Rücksicht auf die organisatorischen und finanziellen Probleme festhalten, sozusagen in Reinkultur verwirklichen.
Wir hingegen lassen uns von der Erwägung leiten, wie trotz überfüllter Universitäten und ausgeschöpfter Kapazitäten im Vorbereitungsdienst eine sachgerechte und inhaltliche Verbesserung der juristischen Ausbildung jetzt konkret erreicht werden kann. Dies geschieht, so meinen wir, mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, den wir ja noch zu beraten haben werden. Er führt zum Einheitsjuristen bundeseinheitlich zurück und bringt unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Modellversuche eine gute Abstimmung und Verzahnung von Theorie und Praxis. Wir meinen, er sei eine gute Beratungsgrundlage für uns hier im Bundestag. Er trägt den entscheidenden Forderungen der CDU/CSU, wie sie sich im Modell des BACJ, des Bundesarbeitskreises christlich-demokratischer Juristen, wiederfinden, Rechnung.
Das sind folgende Punkte. Erstens. Festhalten an der Ausbildung zum Einheitsjuristen. Zweitens. Ausreichende Ausbildung in Universität und Praxis in jeweils einem zusammenhängenden Block. Drittens. Einbindung der Nachbarwissenschaften, soweit es für das Verständnis und die Anwendung von Recht erforderlich ist. Viertens. Zeitgerechte und machbare Verbindung von Theorie und Praxis in den beiden großen Ausbildungsblöcken. Fünftens. Keine abgesetzte, isolierte und zeitlich ausgedehnte Schwerpunktphase, sondern Integration der Vertiefung während der gesamten Ausbildung. Sechstens. Flächendeckende Abschlußprüfungen nach den beiden Ausbildungsblöcken. Siebtens. Einführung einer Zwischenprüfung im Verlauf des Studiums.
Diese neugeordnete Juristenausbildung muß insoweit sind wir uns sicherlich mit der Bundesregierung einig — unmittelbar nach dem Ende der Experimentierphase am 15. September 1984 an allen Juristischen Fakultäten eingeführt werden. Sie kann auch ohne besondere Schwierigkeiten zum Wintersemester 1984/1985 in den derzeit einstufig ausbildenden Fakultäten in Kraft gesetzt werden.
Lassen Sie mich abschließend — Sie haben es ja auch getan, Herr Kollege Fischer — die Erklärung des Deutschen Anwaltvereins vom 17. Oktober 1983 — der Anwaltverein stand ja durchaus kritisch zu den Vorstellungen der CDU/CSU — dankbar zum Anlaß nehmen, für uns hier eindeutig zu erklären, daß wir nicht nur bald zur Verabschiedung kommen wollen, sondern durchaus für weitere Verbesserungen in Abstimmung mit allen an der Ausbildung
Beteiligten offen sind. Nur wenn alle Beteiligten an einer neugeordneten Juristenausbildung engagiert mitwirken, wird sie letztlich Erfolg haben können.
Die Stellungnahme des Anwaltvereins könnte aber auch eine Einladung an die Opposition sein, bei den parlamentarischen Beratungen über die Neuordnung der Juristenausbildung konstruktiv mitzuwirken. In der vorgenannten Erklärung heißt es nämlich — Zitat —:
Jedoch sollte der Meinungsstreit, der die vergangenen Jahre beherrscht hat, beendet und versucht werden, auf der Grundlage des Entwurf s
— gemeint ist der Entwurf der Bundesregierung —
zu einer Lösung zu gelangen. Dabei ist, worauf der DAV erneut und eindringlich hinweist, insbesondere zu bedenken, daß das Problem der Berufschancen des jungen Juristen eine Bedeutung erlangt hat, die keiner der heute für die Ausbildung Verantwortlichen persönlich erfahren mußte.
Ich meine, das ist eine eindrucksvolle Mahnung an unser aller Verpflichtung. Wir als CDU/CSU können dem nur zustimmen und unsere Bereitschaft zu einer verantwortlichen Neuregelung der Juristenausbildung hier und heute fest versprechen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003803200
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Hans A. Engelhard (FDP):
Rede ID: ID1003803300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 15. September 1984 endet die Experimentierphase, während der einstufige Ausbildungsgänge für Juristen erprobt werden können.
Diese bei allen mit der Sache Befaßten bis zum Überdruß bekannte Tatsache teile ich eingangs nur deswegen mit, weil dieser Umstand offensichtlich bei Ihnen, Herr Kollege Fischer (Osthofen), noch nicht angekommen ist. Was Sie in Ihrem Beitrag hier geboten haben, war j a durchaus eine unterhaltsame Presseschau am frühen Morgen, die uns im Rückblick einen gewissen Überblick über das gibt, was sehr namhafte, wenn vielleicht auch etwas einseitig in der Auswahl gewichtete Zeitungen damals zu diesem Problem mitgeteilt haben.

(Beifall bei der FDP)

Ich frage Sie: Was soll's? Ich denke — vom ersten Tag meiner Amtsübernahme an war mir dies klar —, wie wenig Zeit ist, um das zu bewältigen, was — aus welchen Gründen auch immer — in der Vergangenheit nicht geleistet wurde oder nicht geleistet werden konnte. Wissen Sie, wenn Sie jetzt Ihren fast unveränderten Entwurf erneut hier einbringen, so tragen Sie damit Ihrer bedauernswerten und gleichzeit beneidenswerten Lage voll Rechnung, die völlig unterschiedlich ist von der Situation, in der sich der Bundesminister der Justiz, die



Bundesminister Engelhard
Bundesregierung und die Koalition befinden. Ihre Situation ist deshalb bedauernswert, weil Sie nicht die parlamentarische Kraft haben, das, was Sie vor- legen, auch durchsetzen zu können. Beneidenswert ist Ihre Situation deswegen, weil Sie einfach auf dem sitzenbleiben können, was ehedem erdacht wurde, und keine Verantwortung dafür tragen, wie es weitergeht, weil Sie ohnehin wissen, daß sich dies nicht realisieren wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das ist das Problem: daß wir noch Zeit bis zum September des nächsten Jahres haben, hier etwas auf die Beine zu stellen und über die Runden zu ziehen. Ich finde es schon beinah tragikomisch, wenn ich noch einmal vorgelesen bekomme, ich hätte mich unter Zeitdruck setzen lassen. Nein, hier muß buchstäblich mit jeder Woche, ja beinahe mit jedem Tag gerechnet werden, wenn bis zum September des nächsten Jahres ein Gesetz im Bundesgesetzblatt seinen Platz finden soll, das ab dem 16. September eine neue Regelung schafft.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die sicherlich wertvollen Erfahrungen mit der einphasigen Ausbildung für die Bundesgesetzgebung eine entsprechende Berücksichtigung finden müssen. Aber den Weg, den Sie mit Ihrem Vorschlag, über den wir heute debattieren, gehen wollen, halten wir nicht für gangbar. Dieser Entwurf ist ja, wie bereits erwähnt, im wesentlichen derjenige, der seinerzeit unter der alten Bundesregierung eingebracht wurde. Dieser Entwurf hat Lob gefunden; er hat aber auch auf breiter Front Tadel gefunden.
Ich komme noch einmal darauf zurück, und dies unterscheidet uns — deswegen finde ich Ihre Worte übersetzt und an dem Problem, soweit Sie sich speziell an mich gerichtet haben, völlig vorbeigehend —: Wir stehen vor der Situation, eine Lösung finden zu müssen, die parlamentarische Mehrheiten hinter sich zu bringen weiß. Alles andere interessiert nicht. Das Problem ist nur dies: eine Lösung zu finden, die diese Mehrheit findet und gleichzeitig den bestmöglichen Inhalt bietet. Ich meine, hier ist mit dem Entwurf, der jetzt von der Bundesregierung vorgelegt wurde, ein guter Schritt getan worden.
Zur Kritik gegenüber dem SPD-Entwurf gehörte j a ganz zentral, daß er nur verbal am Einheitsjuristen festhält und insofern doch beträchtliche Mängel aufweist, als die Kernfächer im letzten Ausbildungsabschnitt vernachlässigt werden, ebenso in der Abschlußprüfung.
Ein bedeutsamer Punkt, der in der weiteren Entwicklung der Diskussion, die j a nicht stehengeblieben ist, eine große Rolle spielt, ist dieser: Nach dem SPD-Entwurf wird den Ländern ein zu großer Spielraum eingeräumt. Damit besteht die Gefahr, daß die Juristenausbildung quer durch unser Land völlig auseinanderläuft, statt dafür Sorge zu tragen, sie zusammenzuhalten, auch von den Abschlüssen her die Gewähr zu bieten, daß, wo immer einer studiert hat oder ausgebildet worden ist, die Vergleichbarkeit gegeben ist, um nicht schon von daher seine Berufschancen in der Zukunft zu beeinträchtigen.
Gefährlich wird es natürlich dann, wenn in Ihrem Entwurf die Möglichkeit eröffnet wird, bei der einstufigen Juristenausbildung statt eines Vier-auch ein Fünf-, Sechs- oder gar Siebenphasenmodell zu praktizieren. Hier läuft dann in der Tat alles auseinander.
Die Bundesregierung hat in einer Vielzahl von Gesprächen versucht — zunächst mit den Ländern, dann aber auch mit dem juristischen Fakultätentag sowie mit allen Berufsgruppen, die an dieser Sache ein besonderes Interesse haben —, einen breiten Konsens zu erzielen. Ich habe die Hoffnung, daß wir uns auf einer sehr breiten Front im kommenden Jahr rechtzeitig auf eine Lösung werden verständigen können. Dazu ist es allerdings notwendig — und ich kehre wieder zu diesem Punkte zurück —, die Bereitschaft zur Realitätsbezogenheit zu haben, die Sie heute in so umfassender Weise völlig haben vermissen lassen.
Hierzu steht ganz im Gegensatz der von Ihnen zitierte Deutsche Anwaltverein, dessen Blütenträume und Wünsche mit dem jetzt von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf nicht voll gereift sind, der aber vom ersten Tage an, als unser Konzept auf den Tisch gelegt wurde — Herr Kollege Bohl hat es gesagt — seine volle Bereitschaft zur Mitarbeit gezeigt hat; j a, nicht nur zur Mitarbeit, sondern sein Interesse, Einfluß auf diesen Entwurf zu nehmen, um im Interesse der deutschen Anwaltschaft das Bestmögliche herauszuholen und sicherzustellen, daß im Herbst des nächsten Jahres ein Gesetz verabschiedet ist. Das ist der Unterschied.
Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß die jetzt von der Bundesregierung vorgelegte Lösung sowohl auf der Länderseite als auch im Deutschen Bundestag eine breite Mehrheit finden wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003803400
Das Wort hat Frau Abgeordnete Reetz.

Christa Reetz (GRÜNE):
Rede ID: ID1003803500
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen!

(Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Wenigstens eine richtige Anrede!)

Daß die Jugend die unbeschwerteste Zeit des Lebens sei, werden uns junge Leute wohl kaum abnehmen; denn vom ersten Schuljahr an sehen sie sich einer Erwartungshaltung der Erwachsenen gegenüber,

(Kleinert [Hannover] [FDP]: Eure Leute!)

Leistungen zu erbringen, Prüfungen vorzuweisen, gute Zeugnisse zu erzielen. Wenn das klappt, sind Eltern und Lehrer sehr zufrieden, ohne darüber nachzudenken, was denn dabei kaputtgegangen sein könnte. Demjenigen, der sein Selbstverständnis von guten oder schlechten Zeugnissen herleitet — bei vielen jungen Leuten ist das ja so —, wurde eigentlich sein Weg verschüttet.
Wir werden beschließen, daß sich die Studenten möglichst frühzeitig Prüfungen unterziehen, die ihnen selbst die Orientierung über ihre persönliche



Frau Reetz
Eignung geben sollen; bei den Juristen z. B. nicht ohne Hinweis auf die enorm gestiegene Zahl der Studenten, die Juristenschwemme. Kein Zweifel, diejenigen, deren eigentlicher Studienwunsch unter den Nummerus clausus gefallen ist, können nicht einfach sagen, sie würden jetzt Juristen, weil ihnen diese Fakultät die Türen offenhalte.
Aber was berechtigt uns, anzunehmen, ein junger Mensch benötige erst ein schlechtes Prüfungsergebnis, um zu wissen, daß er sich für ein Studium nicht eigne? Studienbegleitende Leistungskontrollen unter Prüfungsbedingungen, von denen der Bundesjustizminister vor dem Rechtsauschuß des Bundesrates in Berlin sprach, sind meiner Meinung nach nicht dazu geeignet, das wissenschaftliche Niveau zu heben, im Gegenteil!

(Kleinert [Hannover] [FDP]: Dann gibt's weniger Professoren!)

Wie ein Würgegriff hindern sie die freie wissenschaftliche Entfaltung.

(Beifall bei den GRÜNEN — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Einfach sacken lassen, was?!)

Da die seit 1972 an acht Universitäten durchgeführten Modellversuche im Jahre 1984 auslaufen, denken wir über die künftige Gestaltung der Juristenausbildung nach: wie vorher oder eine Ausbildung im Wechsel zwischen Theorie und Praxis: Grundstudium — Praxis, Schwerpunktstudium — Praxis?

(Kleinert [Hannover] [FDP]: Weiß das Ihr Parteitag auch?)

— Leider kann ich Ihnen jetzt nicht antworten; denn meine Redezeit ist noch gekürzt worden. — Wir GRÜNE schlagen vor bzw. denken darüber nach, einen Wechsel sogar noch häufiger vorzunehmen. Denn: Die Materie des Rechts, so wie sie zur Zeit gelehrt wird, ist für den normalen Menschen — und das sind ja Jurist und Juristin auch — so abstrakt und unverständlich, daß er den Sinn des Rechts und seine Handhabung nur einsieht, wenn Theorie und Praxis eng miteinander verknüpft sind
— dies auch im Hinblick darauf, daß im Jurastu`dium — ebenso wie in allen anderen Ausbildungsgängen — der computerunterstützte Unterricht und damit die alleinige Logik von „Richtig" und „Falsch" Einzug gehalten hat.
Im Entwurf der SPD heißt es:
Die Ausbildung erstreckt sich auch auf die philosophischen und geschichtlichen Grundlagen sowie auf die gesellschaftlichen Bedingungen und Auswirkungen des Rechts.
Wir meinen, daß zu diesen traditionellen Kernbereichen der Ausbildung noch weit umfassendere Anforderungen kommen müssen: das Familienrecht mit dem gesamten Recht der sozialen Sicherung der Famile und ihrer einzelnen Mitglieder, das Umweltrecht und das Umweltstrafrecht, beim Strafrecht das Wirtschaftsstrafrecht, das Datenschutzrecht, das Computerstrafrecht und auch das Energieversorgungsrecht.
Es ist vorhin auch von den Ausbildungskosten die Rede gewesen. Kürzlich haben wir hier über Mikroelektronik und deren Auswirkungen im Sinne einer verstärkten Rationalisierung gesprochen. Nun, wenn diese Technologie Kreativität fördern und der Gesellschaft dienen soll, anstatt sie zu vergewaltigen, dann dürfte es j a wohl keine Frage sein, daß sie, diese Technologie, verpflichtet ist, den materiellen Tribut für die wissenschaftliche Grundlage, auf Grund deren sie existiert, zu entrichten.
Im Hinblick auf das, was meine beiden Vorredner gesagt haben — ich habe mir bei der Vorbereitung dieser Debatte auch so meine Gedanken gemacht —: Ich verstehe eigentlich nicht, warum wir als Parlament, sozusagen als demokratisches Gremium, Ausbildungsrichtlinien für Juristen festlegen, für Menschen also, die im sozialen Leben einmal frei und mündig helfen sollen, Recht zu finden und festzulegen. Wenn wir ihnen gleichsam von außen vorschreiben, wie ihre Ausbildung verlaufen soll, so bedeutet das im Grunde doch eine Entmündigung. Die universitären Einrichtungen, an denen die Ausbildung vonstatten geht, die Professoren und die Studenten müßten doch eigentlich aus sich selbst heraus

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Jeder für sich und Gott für uns alle!)

auf Grund wissenschaftlicher Einsicht und der Beobachtung des sozialen Lebens wissen, wie der richtige Studiengang aussehen soll. Wir, die Legislative, fassen als Gesetz letzten Endes das, was die Verwaltung, d. h. die Exekutive, uns vorgibt, und die dritte Säule der Gesellschaft, die Judikative, die doch eigentlich unabhängig sein sollte, gerät über die Ausbildung in obrigkeitsstaatliche Abhängigkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN — Lachen und Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU])

— Nein. — Das ist für mich nicht mehr Demokratie von der Basis her, sondern das ist — Sie haben das in den letzten Reden bewiesen — Parteienherrschaft. Wenn Sie sagen, es solle eine sachgerechte Politik, frei von Parteienideologie, getrieben werden, gleichzeitig aber schon wieder die Konfrontation darüber aufreißt, wie die Parteien die Ausbildung haben wollen, so zeigt das doch ganz deutlich, daß die Politiker Unbehagen darüber empfinden, daß sie Entscheidungen zu fällen haben, die sie nicht mehr verantworten können.

(Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Sie machen Bewegungsausbildung!)

Solche Entscheidungen werden zunehmend auf Grund der Klagen der Betroffenen von den Gerichten gefällt.

(Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Wie soll denn der Richter aussehen?)

Das führt dazu, daß die Parteien bestrebt sind, die Ausbildung der Juristen in ihrem Sinne zu bestimmen. Andererseits aber sind sie nicht bereit, die zahlreichen und dringenden Appelle der Juristen, wie sie vor der Raketenstationierung an uns alle



Frau Reetz
ergangen sind, in ihr politisches Handeln zu übernehmen und sich danach zu richten.

(Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Ist doch gut, daß Sie nicht Vizepräsidentin geworden sind!)


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003803600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.

(Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Direkt ein Geschenk nach der Rede!)


Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID1003803700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Sehr verehrte Frau Reetz, der Beifall war ja ganz ordentlich, obwohl das bei Ihnen unter den Zwängen, die hier bestehen, auch alles schon etwas nachläßt.
Im übrigen sage ich Ihnen eines: Wenn unsere Wirtschaft weiter rationalisiert wird, dann ist sie dadurch nicht in der Lage, mehr Tribut an irgend etwas abzuliefern, was die Volkswirtschaft dieses Landes nicht mehr tragen kann, z. B. eine Ausbildung von viel zu vielen Juristen. Vielmehr bleiben diese dann entweder in einem marktwirtschaftlichen System auf der Strecke, oder man schafft ein gänzlich anderes System, in dem sie dann zwar alle irgendwie leben können, aber nicht annähernd so, wie sie sich das einmal vorgestellt haben, u. a. auf Grund von Versprechungen von Leuten wie Ihnen. Dann geht das nämlich so nicht mehr. Wenn wir das alles durchziehen wollen, d. h. was völlig an jedem Bedarf — gelegentlich auch an der Begabung — vorbei ausgebildet wird,

(Frau Reetz [GRÜNE]: Das habe ich doch gar nicht behauptet!)

dann werden wir den Betreffenden Leid zufügen. Das sind keine rosigen Möglichkeiten, die Sie hier eröffnen, sondern das ist bitteres Leid, was Sie Leuten zufügen, die die besten Jahre ihres Lebens für ein Studium verwenden, mit dessen Ergebnis sie in unserer Gesellschaft nichts darstellen können, sondern hinterher irgend etwas ganz anderes machen müssen. Ich rede gar nicht von volkswirtschaftlichen Kosten, sondern ich rede zunächst einmal von der menschlichen Situation derjenigen, die man mit falschen Versprechungen in so etwas hineinpraktiziert.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Reents [GRÜNE]: Ganz ordentlich der Beifall!)

— Er war schon besser als bei Ihnen.

(Heiterkeit bei der FDP und der CDU/ CSU)

Das hat wahrscheinlich auch mathematische Gründe. Das sind auch Studienfragen.

(Heiterkeit bei der FDP und der CDU/ CSU)

Herr Fischer, mir sind fast die Tränen gekommen, und zwar aus zwei Gründen.

(Schily [GRÜNE]: Deshalb die roten Augen!)

Erstens ist es so, daß Sie damit recht haben, daß etwas, was wir beide heute noch als viel besser ansehen würden, verabschiedet werden muß, verabschiedet nicht im Sinne der Verabschiedung einer Gesetzesvorlage, sondern verabschiedet im Sinne einer Hoffnung auf das, was man vielleicht einmal hätte machen können. Dies ist das eine.
Das zweite aber ist, daß Sie glauben, dies läge nun auch an der Wende. Eine wirkliche Wende haben wir hier am Montag und Dienstag erlebt. Jetzt in dieser Sache gibt es überhaupt keine Wende. In dieser Sache gibt es nur die Erkenntnis ganz harter Realitäten. Insofern hat Herr Engelhard natürlich vollkommen recht, wenn er angedeutet hat — er hat es nicht sehr deutlich gesagt, aber dafür bin ich ja da —,

(Heiterkeit)

was ich Ihnen jetzt ganz klar sage. Ich hätte gern in etwa — nicht in allen Einzelheiten — so einen Entwurf, wie Sie ihn vorgelegt haben. Es handelt sich aber um ein ausgesprochenes Oppositionspapier. Nur jemand, der nicht dem geringsten Risiko unterliegt, seine Entwürfe irgendwann auch durchsetzen zu müssen, kann so etwas gegen die Front der Länder vorlegen.
Ich möchte einmal vor der Theorie warnen, es gäbe bei der CDU/CSU eine Fülle von ganz tückischen, verknöcherten und hämischen Konservativen, die das alles nicht wollten, was bei Ihnen steht, und deshalb würden wir jetzt etwas anderes machen als das, was wir mit Ihnen noch hätten machen können. Herr Fischer, Sie wissen genau, daß das nicht stimmt. Das ist der zweite Grund, aus dem mir die Tränen kommen: daß Sie das heute so darstellen. Denn die Wahrheit ist, daß das Gesetz zur Eröffnung der Experimentierphase einmal befristet war.

(Erhard [Bad Schalbach] [CDU/CSU]: So ist es!)

Diese Frist ist vor etwa zwei Jahren — wenn ich mich recht erinnere — abgelaufen. Sie ist während unserer sozialliberalen Koalition abgelaufen, ohne daß die damals amtierenden Bundesjustizminister in der Lage gewesen wären, mit einem Gesetzentwurf zu Stuhle zu kommen. Ich bin dabeigewesen, und auch Sie und viele andere sind dabeigewesen.

(Bohl [CDU/CSU]: Das ist verlängert worden!)

Das liegt überhaupt nicht an der Verknöcherung von irgendwelchen Juristen und auch nicht an der Unfähigkeit früherer Justizminister, sondern daran, daß die Länderjustizverwaltungen, und zwar durch die Bank, auch solche mit einem sozialdemokratischen Minister an der Spitze, eine panische Angst davor haben, etwas mehr Bewegung in den Ablauf des Ausbildungsganges zu bringen und dabei Kosten und Arbeitsleistungen in Kauf nehmen zu müssen, von denen sie meinen — die Verwaltungen, nicht die hier anwesenden Politiker —, daß sie sie nicht leisten können.
Für unsere Vorstellungen, die von Ihren nicht so weit entfernt sind, haben wir bei den Kollegen in



Kleinert (Hannover)

der jetzigen Koalition durchaus Verständnis gefunden.

(Abg. Dr. Schwenk [Stade] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Herr Schwenk, eine Sekunde bitte noch. Ich werde die Frage dann gern zulassen, Herr Präsident.
Wir haben sehr viel Verständnis gefunden. Die Mittagessen beim Justizminister finden noch genauso statt wie zur Zeit der sozialliberalen Justizminister, und die Gespräche sind genauso vernünftig wie damals. Das möchte ich zu Ihrer Beruhigung versichern. Dabei haben wir sehr viel Verständnis für Auffassungen gefunden, die auf diesem Gebiet von Ihren gar nicht so entfernt sind.
Dann kommen die Bundesländer, und dann kommt das eigentliche Problem, an dem die Redner hier bisher etwas locker vorbeigegangen sind. Wir bewegen uns hier auf einem sehr schmalen Grat rechtlicher Möglichkeiten, nämlich zwischen der uns verfassungsmäßig nicht zustehenden Kompetenz auf dem Bereich des Bildungswesens und der Kompetenz im Bereich der Voraussetzungen für die Richterausbildung. Auf diesem schmalen Grat werden Sie zu einer einheitlichen Juristenausbildung, die diesen Namen verdient, nur dann kommen, wenn Sie zum Schluß mit den Ländern einig sind, und das sind Verwaltungen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU) Bitte schön.


Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID1003803800
Bitte eine Zusatzfrage.

Dr. Wolfgang Schwenk (SPD):
Rede ID: ID1003803900
Herr Kollege Kleinert, lassen sich nicht wesentliche Teile Ihrer Ausführungen auf die Kurzformel zurückführen, daß sich die verknöcherten Konservativen durchgesetzt haben?

(Zustimmung bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)


Detlef Kleinert (FDP):
Rede ID: ID1003804000
Falls Sie mir zugehört haben sollten — das möchte ich bei Ihnen eigentlich unterstellen —, wüßten Sie ganz genau, daß diese Frage völlig ins Leere geht. Seitdem Sie sich gemeldet haben, habe ich allerdings unhöflicherweise versucht, gewisse Gedanken erst einmal zu Ende zu führen, und Ihnen die Antwort dadurch eigentlich schon vorweggeliefert. Das will ich entschuldigend gelten lassen.
Jedenfalls liegt das Problem ganz woanders. Glauben Sie ja nicht, daß die Herren Ministerialräte in SPD-regierten Ländern das Problem eines ständigen Umtausches zwischen Theorie und Praxis, wie wir ihn gern hätten, etwa anders als die in CDU-regierten Ländern sehen würden. Die Triebkräfte — wenn man dieses Wort in dem Zusammenhang überhaupt gebrauchen darf — sind ganz andere.

(Fischer [Osthofen] [SPD]: Da gebe ich Ihnen recht!)

Deshalb gibt es nur zwei Möglichkeiten, hier zu entscheiden. Entweder bitten wir zusammen mit den Damen und Herren der CDU/CSU den Bundesjustizminister, einen Entwurf vorzulegen, der Ihrem Entwurf verhältnismäßig ähnlich sein würde, und sagen: Laß uns doch mal in den Vermittlungsausschuß gehen, da ist sowieso so lange nichts mehr los gewesen!

(Heiterkeit)

Einige der Herren hören das ganz gern. Dann sehen wir, was dabei herauskommt. Oder wir sagen: Verhandle vorher und lege nicht einen Entwurf vor, von dem du vorher weißt, daß er auf dem anderen Schlachtfeld — im Vermittlungsausschuß — verenden wird, sondern versuche, das Äußerste abzutasten und herauszuholen, was von den Ländern in dieser Frage an praktischer Vernunft in unserem Sinne zu bekommen ist.
Es gibt j a mehrere Arten von praktischer Vernunft. Das ganz Praktische ist, es muß möglichst wenig kosten, es muß möglichst schnell gehen, und es darf möglichst wenig Arbeit machen.

(Vorsitz: Vizepräsident Frau Renger)

Ich bin der Meinung: es kann ruhig etwas mehr kosten, es kann sogar erheblich länger dauern, und es soll hinterher etwas Vernünftiges dabei herauskommen. Das ist eine ganz unterschiedliche Position.

(Beifall bei der FDP — Zustimmung des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU])

Aber die muß man j a erst mal durchsetzen können. Und das machen Sie doch bitte nicht dem Justizminister zum Vorwurf, der gerade vorgestern mit einem Entwurf durchs Kabinett gekommen ist. Denn sonst könnte ich doch ganz billig auf Herren zurückschießen, die ich gerade wegen ihrer Leistungen und Auffassungen auf diesem Gebiet schätze und von denen ich weiß, daß auch sie sich ihre Gedanken genau in dem Sinn gemacht haben, wie sie sich die jetzige Koalition macht. Aber sie haben es nicht gekonnt, und darüber ist eine gesetzliche Frist versäumt worden. Da nun die verlängerte Frist abzulaufen droht, ist es natürlich etwas hämisch, dem vom Ablauf der vorigen Frist und der damit entstandenen Nachfrist betroffenen Bundesjustizminister vorzuwerfen, er handle unter Zeitdruck. Das ist allerdings nicht ganz sauber gedacht. Das möchte ich meinen, doch. Wenn einer, der zehn Jahre Zeit gehabt hat, aber es nicht gebracht hat und sich eine zweijährige Nachfrist eingehandelt hat, dann dem, der in der zweijährigen Nachfrist das Amt angetreten hat, vorwirft, er werde jetzt hastig: das ist nicht ganz das, was eigentlich bei der zukünftigen Juristenausbildung herauskommen sollte.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich möchte zum Teil hier auch Vergangenheitsbewältigung betreiben.

(Zuruf von den GRÜNEN: Bravo!)

— Sie merken das ganz deutlich. Ich sage jetzt
etwas, damit mal die wirkliche Kontinuität, nämlich



Kleinert (Hannover)

die in den vernünftigen Dingen, deutlich wird. Ich spreche die immer wieder an, und da bin ich ganz unverzagt, weil ich nicht gern möchte, daß vom Montag und vom Dienstag her Dinge bleiben, die uns insgesamt als Leute darstellen, die hier in jeder Frage, wie auch immer, in zwei Lagern sitzen. Nein, ganz im Gegenteil. Es gibt viele Fragen, in denen ich bereit bin, auf das einzugehen, was Sie, Herr Fischer, gesagt haben, und Ihnen zu sagen: Wir waren nicht nur zusammen, sondern wir sind auch in der jetzigen Koalition zusammen. Aber wir müssen uns nach der erreichbaren Decke strecken. Und da sage ich Ihnen eines: Einstufig, zweistufig — das sind politische Reizworte geworden. Es gibt Menschen, die glauben, eine einstufige Juristenausbildung ist etwas, was linke bis linkssozialistische Sozialingenieure hervorbringt, die nicht bereit sind, einigermaßen korrekt das geltende Recht anzuwenden, und es gibt Leute, die daraus den Umkehrschluß ziehen: Die Zweistufigkeit bringt die netten, sauberen Leute, die an den ländlichen Stammtischen als Amtsgerichtsrat hochgeehrt sind und an den großstädtischen Stammtischen immerhin und bei den Lions oder Rotariern auch noch was gelten.

(Heiterkeit — Zuruf von der SPD: Wo sind Sie denn?)

— Ich habe keine Zeit. Sie doch auch nicht. Ich höre immer von den Kollegen, sie müssen sich da beurlauben lassen. Warum soll ich wo eintreten, wo ich mich hinterher beurlauben lassen muß? Das hat doch keinen Sinn!

(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen)

Aber das Entscheidende ist doch: Da sind ideologische Unterschiede aufgebaut worden, wo es die überhaupt nicht gibt.

(Horacek [GRÜNE]: Doch!)

Die einstufige Ausbildung ist die Durchdringung von Thëorie und Praxis in größerem Maß, als wir das mal erlebt haben. Das halte ich für etwas sehr Positives und Vernünftiges. Da diese Einstufigkeit in vielen Bundesländern in einer Hoch- und Blütezeit nicht nur der von mir geschätzten Sozialdemokraten, sondern auch ihrer linken Ausläufer, die sich besonders häufig im Bildungssektor befinden und darum inzwischen schon eine eigene Fraktion rechts von Ihnen haben — warum sie nun wieder rechts sitzen, weiß ich nicht — — — Jedenfalls in der Zeit sind Fakultäten gegründet worden wie z. B. die in Bremen. Da sitzt natürlich das Problem.

(Horacek [GRÜNE]: „Kaderschmiede"!)

Denn wenn ich höre, daß immer wieder von da die wissenschaftlichen Gutachten kommen, die alles bestätigen, was Leute, die links von Ihnen und überhaupt von allen, die ich hier sehe, wenn ich das richtig überschaue — —

(Heiterkeit — Zuruf von den GRÜNEN)

— Links von allen, die ich hier bei der SPD sehe.
Bei Ihnen würde ich mir da nie ein Urteil anmaßen;
das kann jeden Tag wechseln; da soll man erst mal abwarten, bis sich das zurechtgeschüttelt hat.

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Herr Kleinert, das liegt an Ihrem Raster!)

Die Leute, die links von Ihnen sitzen, die liefern sogenannte wissenschaftliche Gutachten.

(Horacek [GRÜNE]: Politisch orientiert!)

Von der Universität Bremen sind gleich fünf Professoren in der Lage, auf wissenschaftlicher Basis herzugehen und eine Klage zum Bundesverfassungsgericht zu erheben in aktuellen politischen Dingen, die für meinen Geschmack nichts mit Verfassungsrecht, sondern sehr viel mit politischer Entscheidungskraft zu tun haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE])

Wenn das so geht, dann muß man ein gewisses Maß an Verständnis für die Leute aufbringen, die Eöinstufigkeit und links verwechseln. Ich bin nicht dieser Meinung. Ich widerspreche hier ausdrücklich.

(Vogt [Kaiserslautern] [GRÜNE]: Sie hal ten eine rechtspositivistische Rede, Herr Kleinert!)

Es gibt ganz andere Fakultäten. Die Zufälle der Berufungsentscheidungen zu der Zeit, zu der eine solche Fakultät gegründet worden ist, darf nicht alle möglichen anderen Leute des Nachdenkens über die Zweckmäßigkeit des einen oder des anderen Weges, je nach parteipolitischer Zu- oder Abneigung, entheben.
Das ist das, was diese Diskussion leider etwas verdunkelt, aber nicht ohne Verschulden derjenigen, die an den beispielhaft genannten Fakultäten sitzen.
Dann kommt eines hinzu, was Herr Engelhard auch schon angsprochen hat. Sie haben gesagt: Das kostet nicht mehr. Das Fünffache an Bibliotheksmitteln, das Sechsfache an Personal pro Student ist den meisten dieser Fakultäten bewilligt worden, um zu beweisen, daß sie besser sind.

(Dr. Kübler [SPD]: Das stimmt doch nicht!)

Das Ergebnis ist trotz dieses exorbitanten Einsatzes nicht besser geworden.
Nachdem ich hier nun versucht habe, einige Einblicke darein zu geben, warum wir überhaupt nicht verknöchert und konservativ an die Sache herangehen, sondern warum wir uns immer noch in Übereinstimmung vom Ziel her mit vielen von Ihrer Seite sachlich um die Dinge bemühen, sage ich Ihnen zum Schluß eines: Ich hätte zwar gern eine bessere Ausbildung. Bei allem Respekt vor meinem früheren Repetitor hätte ich auch gerne, daß die Repetitoren in Ergänzung dieser Fakultät überflüssig wären. Auch das wäre die Folge einer vernünftigen einstufigen Ausbildung, meine jedenfalls ich.

(Beifall des Abg. Schily [GRÜNE])

Wenn wir das alles aber nicht erreichen können, darf ich die Anwesenden einmal auf ein Phänomen



Kleinert (Hannover)

aufmerksam machen, das mir schon längere Zeit zu denken gibt. Immer, wenn wir eine Reform im Bildungsbereich machen, wird eine Anzahl von Beamten, deren Nachwuchs dieser Reform teilhaftig wird, in die der besseren Ausbildung entsprechende Stufe nachgehoben, ohne daß sie dieser Ausbildung teilhaftig geworden wären.

(Heiterkeit)

Das ist ein ganz interessantes Phänomen in der Entwicklung des Beamtenrechts und der Beamtenbesoldung. Die Kameraden haben früher ohne die bessere Ausbildung so viel gelernt, daß das Nachholen der angeblich vermißten besseren Ausbildung dazu führt, daß sie jetzt auf der Stelle, auf den Schlag genauso besoldet werden wie die, die später die bessere Ausbildung bekommen.
Was lehrt uns das? Wenn Sie sich einmal umgukken, werden Sie eine ganze Reihe Juristen sehen, die es auch mit der beklagten klassischen Ausbildung einigermaßen zu etwas gebracht haben. Das ist dann der Trost, der uns bleibt.

(Heiterkeit — Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1003804100
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuß und zur Mitberatung an den Innenausschuß, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft zu überweisen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Denn wird entsprechend überwiesen.
Ich rufe den Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Doss, Dr.-Ing. Kansy, Hauser (Krefeld), Dr. Faltlhauser, Dr. Kunz (Weiden), Pohlmann, Kraus, Dr.-Ing. Oldenstädt, Müller (Wesseling), Sauer (Stuttgart), Dr. Czaja, Gattermann, Grünbeck, Cronenberg (Arnsberg), Dr. Haussmann, Dr.-Ing. Laermann, Wurbs, Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen
— Drucksache 10/543 (neu)
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
Im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Runde vereinbart worden. — Ich sehe keinen Widerspruch.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Doss.

Dr. Hansjürgen Doss (CDU):
Rede ID: ID1003804200
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kleine Gruppen haben kleine Auditorien. Offensichtlich spricht das soziale Gewissen in erster Linie auf Mengen an. Ich freue mich, daß Sie in dieser für eine kleine Gruppe sehr wichtigen Sache hier sind.
Bei Sonntagsreden hören wir immer wieder das leidenschaftliche Bekenntnis zu den und für die freien Berufe. Nur wenn es dann konkret wird, fehlen die Initiatoren und oft auch die Bataillone.

(Zustimmung bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wir müssen handeln, finde ich, wenn dies im allgemeinen Interesse ist und wenn dies für die betroffene Gruppe so unverzichtbar ist wie in diesem Falle. Ich finde, darauf haben insbesondere kleine Gruppen wie die der Architekten und Ingenieure einen Anspruch.
Die im Bauwesen tätigen freien Berufe haben seit dem 20. Oktober 1981 keine funktionierende Gebührenordnung mehr. Durch den Wegfall der Mindestsatzbegrenzung wurde die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure zu einer unverbindlichen Empfehlung. Der für die freien Berufe typische Qualitätswettbewerb geistiger Leistungen zu vergleichbaren Preisen wurde damit ausgesetzt. Die Folge war ein zum Teil ruinöser Preiswettbewerb, der viele Büros erschütterte, wenn nicht sogar zerstörte. Arbeits- und Ausbildungsplätze gingen verloren. Nebentätigkeit mit Unterbietung der Honorare freiberuflich Tätiger wurde möglich. Und dies alles in einer Zeit schwieriger Baukonjunktur mit einem entsprechend harten Wettbewerb um die wenigen Aufträge, die durch die verstärkte Eigenplanung der öffentlichen Hände noch reduziert wurden.
Die Folge: eine drastische Zunahme der Arbeitslosenquote bis zu 10 % aller Architekten.
Einkommensstatistiken und Strukturuntersuchungen zeigen, daß Architekten und Ingenieure entsprechend ihrer Ausbildung weit hinter vergleichbaren Positionen der Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes rangieren.
Und der Probleme nicht genug: Zur Zeit studieren 63 000 Architektur. Das sind genausoviel wie die, die diesen Beruf bereits ausüben. Das heißt, wenn wir keinen ruinösen Verdrängungswettbewerb, der zur Zerstörung von Berufsständen führen kann, wollen, gilt es zu handeln.
Die Koalitionsfraktionen legen Ihnen deshalb den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen vor. Das Gesetz soll die vom Gesetzgeber 1976 gewollte Regelung, daß die Mindestsatzunterschreitung nur im Ausnahmefall möglich ist, wiederherstellen.
Mehrkosten für Haushalte des Bundes und der Länder sind nicht zu erwarten. Die dort herrschende Vertragspraxis ist, keine Planungsaufträge unter den Mindestsätzen zu vergeben.
Das Karlsruher Urteil, das die Mindestsatzbegrenzung der HOAI aufhob, veränderte ohne Zweifel die Berufswirklichkeit der Architekten und Ingenieure. Ohne diese entscheidende Regelung ist



Doss
keine Berufsordnung mehr in der Lage, Auswüchse des unlauteren Wettbewerbs zu unterbinden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP und des Abg. Sauermilch [GRÜNE] — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Architekten und Ingenieure sind schutzlos den Interessen rücksichtsloser Auftraggeber, die ihre Marktmacht nutzen, preisgegeben. Qualitativ wertvolle Planung, die Zeit und Kreativität erfordert, bleibt auf der Strecke. Die Planung unserer Umwelt, der Welt, in der wir alle leben, viel zuwenig beachtet, deren Auswirkungen viel zu wenig analysiert und zur Kenntnis genommen werden, soll zu Discountpreisen entstehen. Soll Baukultur nur noch den Historikern überlassen bleiben? Ich finde, hier gilt es zu handeln.
Last, not least der wirtschaftliche Gesichtspunkt: Wer billig plant, baut teuer. Das wissen die, die etwas davon verstehen oder gebaut haben. Oft ist es dann zu spät.

(Beifall der Abg. Dr.-Ing. Kansy [CDU/ CSU] und Sauermilch [GRÜNE])

Gerade in einer Zeit, wo wir auf hervorragende, qualitativ anspruchsvolle Planung achten sollten, um Probleme des kostensparenden Bauens, des Energiesparens und des Baugrundsparens zu lösen, wollen wir, daß es einen Ausverkauf von Architektenleistungen zu Spottpreisen geben soll! Dies kann nicht im Interesse der Gesellschaft sein.
Die alles entscheidende richtige Planung, die am Anfang steht, macht nur einen geringen Teil der tatsächlichen Bau- und Herstellungskosten aus. Die Untersuchungen des Bundesbauministeriums zum kostensparenden Bauen haben nachgewiesen, daß bei entsprechender Planung Häuser entwickelt werden können, die auch noch aus dem kleinen Geldbeutel zu finanzieren sind. Eine Planung zu kostendeckenden Preisen wird durch die erzielten Einsparungen bei den Bau- und Baufolgekosten mehrfach aufgewogen.
Freie Berufe, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind in einer freien Gesellschaft unverzichtbar.

(Zustimmung des Abg. Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU] und bei den GRÜNEN)

Ihre Angehörigen sind unabhängige, sachkundige Berater des Bürgers gegenüber Staat und mächtigen Gruppen der Wirtschaft. Sie sind Mittler im Interessenausgleich unserer Gesellschaft. Die im Bauwesen tätigen freien Berufe sorgen dafür, daß mit ihrer Leistung dem Bauherrn eine von Unternehmerinteressen losgelöste Planung und Beratung bei der Durchführung des Bauvorhabens zur Verfügung steht.
Die 1976 herausgegebene Honorarordnung hat entsprechend dem Auftrag des Gesetzgebers ein den Interessen des Auftragnehmers und auch des Auftraggebers gerecht werdendes ausgewogenes Netz von Leistungsbeschreibungen einerseits und Honorargestaltungen andererseits festgelegt. Bis zum Spruch des Bundesverfassungsgerichts vom Oktober 1981 regelte sie das, was Voraussetzung für die Sicherung einer Honorarordnung ist, die Bestimmung der Höchst- und Mindestsätze. Nachdem die HOAI-Mindestsätze entfallen waren, galt es zu handeln, weil Architekten und Ingenieure nur dann die vom Auftraggeber geforderte vertragliche Leistung erbringen können, wenn ihnen dafür ein angemessenes Honorar zur Verfügung steht, ein Honorar, das es dem Freiberufler ermöglicht, die Risiken seiner freiberuflichen Tätigkeit abzusichern, ein Honorar, das ihn in die Lage versetzt, Löhne und Gehälter zu zahlen, ein Büro zu unterhalten, eine ausreichende Krankheits- und Altersvorsorge zu treffen, Weiterbildung und Fortbildung zu sichern und auch — das sollte nicht vergessen werden — eine Familie zu ernähren.
Wenn dies alles durch eine auskömmliche Honorarordnung ermöglicht werden soll, gilt es, die Mindestsatzbegrenzung in der HOAI wieder herbeizuführen. Die Mindestsatzbegrenzung ist die Untergrenze bei der Vergütung von Leistungen im Bereich der Architekten und Ingenieure. Dies hatte die damalige Bundesregierung festgelegt.
Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir einer generellen Unterschreitung der Mindestsätze einen Riegel vorschieben, weil wir meinen, daß nur dann unterboten werden darf, wenn eine geringere Leistung dies rechtfertigt. Wir greifen hiermit den Gedanken des Bundesrates aus dem Jahr 1976 auf, der eine ausnahmsweise Überschreitung der Höchstsätze und eine ausnahmsweise Unterschreitung der Mindestsätze vorsah.
Wenn der Gesetzgeber in diesem konkreten Fall untätig bliebe, würde nicht nur die Existenz einer Berufsgruppe der freien Berufe gefährdet; dies nicht zu regeln bedeutet auch, die Gebührenordnungen der anderen freien Berufe langfristig in Frage zu stellen.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

Die Folge wäre, daß die freien Berufe als freiheitserhaltendes Element in unserer Gesellschaft zur Disposition gestellt würden.
Professor Deneke hat dies einmal so beschrieben — ich darf mit Erlaubnis der Frau Präsidentin zitieren —:
Wenn die Anwälte zu Handlangern der Staatsanwaltschaft werden, die Steuerberater zu Vollziehungsbeamten der Finanzämter, wenn die Ärzte zu Erfüllungsgehilfen der Sozialversicherung, die Architekten zu Planungsassistenten der Bauämter, wenn die Journalisten zu Soldschreibern von Interessenverbänden und die Künstler zu Propagandisten snobistischer Auftraggeber und die Komponisten zu Sklaven der Vergnügungsindustrie erniedrigt werden, dann verlieren auch die anderen die Freiheit zu individueller Lebensführung, dann verlieren auch die anderen ihre Individualität und damit einen wesentlichen Teil ihrer Freiheit.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei allen Fraktionen)





Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1003804300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Conradi.

Peter Conradi (SPD):
Rede ID: ID1003804400
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Hinterbliebene einer schweren Woche! Anders als der Kollege Doss bin ich in dieser Sache persönlich nicht betroffen; ich war kein freier Architekt und bin kein freier Architekt. Gleichwohl bin ich in dieser Sache so betroffen, wie wir alle betroffen sind, weil die Qualität unserer städtebaulichen und unserer architektonischen Umwelt nicht allein, aber auch davon abhängt, wieviel Zeit und Arbeit der Architekt in die Planung stecken kann, und das hängt schließlich auch vom Honorar ab.
Das gilt übrigens auch für die technische Qualität der Planung. Der Architekt, der weniger Honorar bekommt, hat weniger Zeit für die sorgfältige Planung. Damit nimmt die Möglichkeit von Bauschäden zu, und Bauschäden kosten allemal mehr als ein vernünftiges Honorar.
Weil das so ist, haben wir 1971 mit den Stimmen aller Fraktionen im Artikelgesetz eine Grundlage für die Honorarordnung geschaffen, deren Mindestsätze nicht unterschritten werden sollten. Dann kam die Intervention der CDU-Landesregierung von Baden-Württemberg — also insofern eine Ihrer Erblasten — und des Vermittlungsausschusses und schließlich des Bundesverfassungsgerichts. Inzwischen haben wir eine Honorarordnung, die unten offen ist, die jeder unterbieten kann und deren Unterbietung auch von jedem Kunden verlangt werden kann. Das soll nun repariert werden. Ich hoffe sehr, daß Sie, Herr Kollege Doss, zu Ihrem Entwurf die Zustimmung der Länder haben, vor allem der Mehrheit im Bundesrat; denn ohne den Bundesrat läuft da nichts, wie wir alle wissen. Ohne seine Zustimmung wäre Ihr Entwurf nur warme Luft.
Wir Sozialdemokraten wollen den Gesetzentwurf sorgfältig prüfen. Wir wollen versuchen, mit Ihnen eine vernünftige Regelung zu finden, die durch auskömmliche Honorare auch im Interesse des Bauherren die Qualität der Planung sichert. Wir wollen keinen rigorosen Preiswettbewerb der Architekten. Der kann auch gar nicht im Interesse der Bauherrn liegen, auch nicht im Interesse der öffentlichen Hand als Bauherr. Ich finde es schlimm, daß die öffentliche Hand als Bauherr, vor allem die Kommunen, zunehmend von den Architekten Unterschreitungen der Mindestsätze verlangen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU])

Eigentlich ist das kartellrechtlich und wettbewerbsrechtlich gar nicht zulässig; denn bei der starken Nachfrageposition, die die öffentliche Hand bei Architektenleistungen hat, ist ein solches Verlangen, unter die Mindestsätze zu gehen, höchst fragwürdig.

(Zustimmung bei der SPD und der FDP)

Ich bedaure, daß die Berufsverbände meinen Vorschlag vor anderthalb Jahren, nämlich einmal zu versuchen, mit der öffentlichen Hand zu einer einvernehmlichen Vorabregelung zu kommen, mit der
dieses Verhalten der öffentlichen Hand als Nachfrager abgestellt wird, nicht aufgegriffen haben.
Erlauben Sie mir ein Wort zum Thema Wettbewerb und Markt. Wir haben jetzt 30 Jahre eine Baukonjunktur gehabt, die ihresgleichen in der Geschichte sucht. Wir werden in den nächsten Jahren weniger zu bauen haben als in der Vergangenheit. Aus ökologischen Grundüberlegungen mag das sogar ganz gut sein. Wir werden aber mit einer zunehmenden Zahl von Architekten zu tun haben. Wir haben derzeit etwa 65 000 Architekten in der Republik. An den Hochschulen studieren 30 000. Bei sinkender Baukonjunktur und zunehmender Zahl von Architekten wird doch die Gefahr wachsen, daß an Stelle des Leistungswettbewerbs ein ungezügelter Preiswettbewerb tritt. Da sind wir Sozialdemokraten nun anders als die manchesterliberalen Gralshüter der Marktwirtschaft und ihrer selbstheilenden Kräfte, Herr Kollege Gattermann, der Meinung, daß die darwinistische Auslese des Marktes, der Preiswettbewerb, unter den Architekten nicht zum Überleben der Besten, sondern zum Überleben der Skrupellosesten führen würde.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, bei den GRÜNEN sowie des Abg. Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU])

Deshalb wollen wir eine Honorarordnung, die unten dicht ist und den ungezügelten Preiswettbewerb, wenn sie ihn schon nicht verhindert, so doch zumindest mildert.
Ich sehe da bei Ihnen eine doppelte Moral. Ich will das deutlich machen. Bei den Arbeitern von ARBED-Saarstahl erzwingen die Union und die FDP mit einem erpresserischen Ultimatum, daß die Arbeitnehmer aus den allgemeinen Tarifverträgen ausscheiden, d. h. daß sie den Schutz ihrer Tarifverträge verlieren. Wie geht das eigentlich bei Ihnen zusammen? Den freien Berufen, den Anwälten, den Architekten und anderen wollen Sie in schwieriger Lage Schutz durch eine Honorarordnung geben, den Stahlarbeitern im Saarland und anderswo wollen Sie in wirtschaftlich schwerer Lage den Schutz ihrer Tarifordnung nehmen. Das halte ich für eine doppelte Moral.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die ist allenfalls eines Bundeswirtschaftsministers auf Abruf würdig. Wir Sozialdemokraten wollen nicht, daß in der wirtschaftlichen Krise das Ellenbogenprinzip bestimmt, wer übrigbleibt. Bei Architekten wollen wir das nicht, bei Anwälten auch nicht, aber wir wollen es auch nicht bei Stahlarbeitern und bei Schiffbauern und bei Bauarbeitern und Bergleuten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang möchte ich ein deutliches Wort an die Kollegen freiberuflichen Architekten sagen.
Die freiberuflichen Architekten wehren sich zu Recht dagegen, daß die Auftraggeber unter Berufung auf die Marktlage versuchen, die Honorare zu



Conradi
drücken. Ich frage: Wie halten Sie es denn angesichts der Marktlage bei jungen Architekten mit den Löhnen ihrer Angestellten? Wer vom Gesetzgeber eine wasserdichte Honorarordnung zum Schutz gegen den ungezügelten Preiswettbewerb verlangt, der darf doch seinen Angestellten eine wasserdichte Tarifordnung zum Schutz gegen Unterschreitung der Tarifgehälter nicht verweigern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich begrüße es, daß einige Architekten — leider viel zu wenige — in der AAI einen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft Bau, Steine, Erde geschlossen haben. Ich finde es schlimm, daß Architektenverbände, z. B. das Präsidium des Bundes Deutscher Architekten, diesen Tarifvertrag grundsätzlich ablehnen. Und ich finde es unmöglich, daß die Architektenkammer, die als Körperschaft öffentlichen Rechts durch Gesetz verpflichtet ist, die Interessen aller Architekten, also der freiberuflichen, der beamteten und der angestellten, wahrzunehmen, es ablehnt, diesen Tarifvertrag auch nur in ihrer Zeitung zu veröffentlichen. Offenbar entgeht den Aufsichtsbehörden solches.

(Zuruf von der SPD: Eine besondere Art von Pressefreiheit ist das! — Zuruf von der CDU/CSU: Sie sollten die Einkommenssituation zur Kenntnis nehmen!)

Sonst müßten sie da doch wohl eingreifen.
Die Forderung nach einer nach unten dichten Honorarordnung ist nicht glaubwürdig, solange die Anerkennung der Forderung nach Tarifordnung verweigert wird.
Zum Schluß: Die Architekten stehen in einer Existenzkrise.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Nicht nur die Architekten, Herr Kollege!)

Ich versuchte, das darzulegen. Und ich versuchte, auszuführen, daß wir Sozialdemokraten in dieser Existenzkrise nicht auf die heilenden Kräfte des Marktes setzen, wie Sie.

(Zuruf von der SPD: Das ist der Punkt!)

Deshalb sind wir für eine Honorarordnung, die diesen Architektenberuf schützt. Allein mit der Honorarordnung wird das nicht gelingen. Nur, wenn es uns gelingt, den freiberuflichen, den angestellten und den beamteten Architekten und — ich sage — auch den Architekten im Parlament, gemeinsam — und dazu gehört dann auch Solidarität — diese Gesellschaft davon zu überzeugen, daß sie Architektur braucht, daß sie gute Architektur so zum Leben braucht, wie sie sauberes Wasser und klare Luft braucht, gibt es eine Chance, die Krise unseres Berufsstandes zu bewältigen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Es geht auch um die Ingenieure!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1003804500
Das Wort hat der Abgeordnete Sauermilch.

Walter Sauermilch (GRÜNE):
Rede ID: ID1003804600
Frau Präsidentin! Leeres Haus!

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Full house ist natürlich besser!)

Ich möchte gleich vorausschicken, daß wir dem Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen zustimmen werden. Damit wird ein unerträglicher Mißstand beseitigt, dessen Auswirkungen bereits von meinen Vorrednern dargestellt worden sind, nämlich die generelle Möglichkeit der Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI. Soweit die kurze, nüchterne Darstellung des Vorgangs.
Ich möchte aber über das von den Vorrednern Gesagte hinaus einige Aspekte ergänzen, die die Bedeutung des dargestellten Mißstandes und daher die Notwendigkeit seiner Beseitigung unterstreichen sollen.
Erstes Faktum: Da beschwert sich eine Kreisverwaltung bei der zuständigen Architektenkammer darüber, daß Architekten das Honorar, das die Verwaltung als für sich angemessen ansieht, unterbieten — so die Auskunft der Architektenkammer. Gleichzeitig führt das Bauamt eben dieser Kreisverwaltung selber größere Projekte durch. — Mein Kommentar dazu: In welcher verrückten Welt leben wir denn, daß Gebietskörperschaften erst den Architekten ihre Arbeitsgrundlage entziehen, indem sie mit einem aufgeblähten Bauamt Aufträge schlucken, um sich dann über den ruinösen Wettbewerb der arbeitslosen Architekten zu erregen? Das ist doch grotesk.
Verständlich wäre gewesen, wenn sich ein Architekt oder Ingenieur darüber beschwert hätte, daß dieselbe Kreisverwaltung mit fragwürdigen Begründungen und mit einem nicht kontrollierbaren Finanz- und Machtgebaren eine Art Monopol auf die Herstellung von Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen gefestigt hat.
Hinzu kommt — was leider sehr schwer zu belegen ist, aber was die Spatzen von den Dächern pfeifen —, daß so mancher Beamte sich ein dunkles Zubrot als heimliche Konkurrenz der Architekten verdient und sich manchmal sogar die Baugenehmigung selbst erteilen soll.

(Beifall bei den GRÜNEN — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Leider wahr!)

Zweites Faktum. Noch niemand von uns dürfte es erlebt haben, daß jemand mit einem Arzt verhandelt hätte, ob er den Blinddarm auch unterhalb seiner Honorarsätze operieren würde,

(Conradi [SPD]: Umgekehrt, umgekehrt!)

oder: ob ein Rechtsanwalt bereit wäre, sich in einen Ideenwettbewerb für besonders brillante Vertragswerke in Konkurrenz mit seinen Kollegen zu begeben.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Conradi [SPD])

Andererseits üben anonyme Gesellschaften als
Bauherren — auch gemeinnützige übrigens — ei-
nen unerträglichen Druck auf Architekten aus,
2652 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983
Sauermilch
wenn sie mit verdeckten Karten und „ausgebufften" Rechtsabteilungen sogenannte Musterverträge durchdrücken, in denen jede Menge Verpflichtungen eben jenen berühmten Unterschreitungen des Mindesthonorars gegenüberstehen.
Frage: Wie ist es möglich, daß die Architekten und Ingenieure als Gestalter unserer gebauten Umwelt bezüglich ihrer Existenzgrundlagen eingestuft werden, als seien sie der letzte Dreck? Merkwürdigerweise steht dabei der Architektenberuf als Heiratswunschberuf bei den Frauen — nicht aber umgekehrt — auf der Rangliste weit oben. Das Image des Architekten in der Öffentlichkeit ist das eines gutsituierten, gutgekleideten Exoten, der eine gewisse Narrenfreiheit genießt.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Der Redner eingeschlossen, Herr Kollege? — Heiterkeit)

Die Tradition, daß er auch noch statt einer Krawatte eine Fliege trägt, hat sich allerdings inzwischen auf den Bundesforschungsminister übertragen.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN — Zurufe von der SPD)

Um zu verstehen, welchen Wert die Existenzsicherung dieses Berufsstandes für uns alle hat, sei zunächst die Existenzberechtigung noch einmal dargestellt. Die Drucksache 8/3139 des Deutschen Bundestages — Bericht der Bundesregierung über die Lage der freien Berufe — sagt dazu, ich zitiere:
Die freien Berufe erbringen für die Versorgung der Bevölkerung wichtige Dienstleistungen, wie z. B. im Bereich des Gesundheitswesens und der Rechtspflege. Architekten und Künstler haben wichtige Funktionen bei der Gestaltung unseres Lebens; sie tragen damit zur Erhaltung und Entwicklung der kulturellen Vielfalt bei.
Deswegen ist es für uns alle wichtig, wenn diese Funktionen juristisch, sozial und kulturell abgesichert sind. Daß dies lange nicht der Fall war, hat bereits tiefe Spuren in unserer gebauten und sozialen, in unserer kulturellen und politischen Existenz hinterlassen. Architektur ist als Werbeträger, als Handelsware, als Massenprodukt, als Monotonie degeneriert. Die Menschen, die in dieser Architektur leben, verkümmern zu Objekten und zu Konsumenten. Dafür gibt es natürlich viele Ursachen. Die nicht auskömmliche Vergütung der Architekten und Ingenieure ist aber eine davon.
Warum ist das so? Eine unangemessen niedrige Vergütung führt zu Qualitätsverlust. Es ergibt sich die Alternative: entweder an Stelle ernster Durchdringung der Bauaufgabe eine schnelle, wenig durchdachte Lösung feilzubieten, deren Ergebnisse wir überall in deutschen Landen bewundern können, oder aber permanent die enorme Kraft zu entwickeln, sich trotz ungünstiger Verhältnisse weiter verantwortungsbewußt um die Qualität des Gebauten zu bemühen. Das aber halten nur wenige durch.
Der freischaffende Architekt und auch der beratende Ingenieur haben dafür zu sorgen — das ist eben schon von Herrn Kollegen Doss ausgeführt worden —, daß ihr Büro immer leistungsbereit ist, daß Konjunkturschwankungen aufgefangen werden, daß für Krankheit und Alter vorgesorgt wird, daß eine Weiterbildung erfolgen kann, daß — Herr Kollege Conradi, da gebe ich Ihnen völlig recht — die Mitarbeiter sozial abgesichert sind und ein hohes Maß an selbstbestimmter Arbeit entwickeln können. Dazu gehört auch Ihre Forderung nach einem Tarifvertrag. Weiter haben sie dafür zu sorgen, daß auch eine Teilnahme an Wettbewerben möglich ist und daß eine Absicherung gegen Berufsrisiken besteht.
Wenn diese Dinge nicht mehr abgedeckt sind, dann tritt das ein, was ein Gutachten der Architektenkammer Baden-Württemberg wie folgt beschreibt — ich zitiere —:
Der Architekt vermindert die Planungsqualität oder vermindert seine Leistungen. In beiden Fällen verkehrt sich die vom Gesetzgeber beabsichtigte Wirkung, nämlich durch höhere Planungsqualität und vermehrte Leistungen eine Senkung der Bau- und Nutzungskosten zu erreichen. Das Gegenteil wird eintreten, ohne daß dies in den allerwenigsten Fällen nachweislich erkennbar wird oder zu Planungs- und Baumängeln führt. So wird aber ein Absinken der Planungsqualität zu unüberschaubaren volkswirtschaftlichen Schäden führen, die zudem in ihrer Mehrzahl irreparabel sind.
Mit einer Verminderung der Planungsqualität besteht außerdem die Gefahr, daß mühsam in Gang gekommene Erkenntnisse zur Umwelt und zur Humanisierung unserer Umwelt dort vernachlässigt werden, wo sie am notwendigsten wären, nämlich beim Wohnungsbau. Hiervon sind vor allem sozial schwächere Gesellschaftsschichten betroffen, wobei gerade hier höchste Planungsqualität nicht nur zur Senkung der Bau- und Nutzungskosten erforderlich wäre.
Diesen Aussagen der Architektenkammer BadenWürttemberg kann man nur beipflichten. Diese Situation können wir nicht mehr länger zulassen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD — Dr.-Ing. Kansy [CDU/ CSU]: Leider werden auch beamtete Architekten schlecht bezahlt!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1003804700
Das Wort hat der Abgeordnete Gattermann.

Hans H. Gattermann (FDP):
Rede ID: ID1003804800
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zuvor, damit ich es am Schluß nicht vergesse, in Abstimmung mit der Geschäftsführung der CDU/CSU-Fraktion einen Antrag stellen. Der Ältestenrat hat vorgesehen, diesen Gesetzentwurf nur dem Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu überweisen. Er sollte mitberatend auch dem



Gattermann
Rechtsausschuß und dem Wirtschaftsausschuß überwiesen werden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1003804900
Herr Gattermann, ist das nicht interfraktionell vereinbart?

(Conradi [SPD]: Kein Einwand! — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Fragen hätten Sie mal können! Ich hätte ja gesagt!)


Hans H. Gattermann (FDP):
Rede ID: ID1003805000
Nunmehr interfraktionell; herzlichen Dank!
Herr Kollege Conradi, ich hatte heute morgen schon befürchtet, mich einmal in nahtloser Übereinstimmung mit Ihnen zu befinden. Aber Sie haben mich dann doch nicht enttäuscht mit Ihren Ausflügen und Vergleichen mit der krisenhaften Situation von Arbed-Saarstahl und mit Ihren völlig unqualifizierten Ausfällen gegenüber dem Wirtschaftsminister.
Ich will nicht näher darauf eingehen. Lassen Sie mich nur soviel sagen: Sie vergleichen hier nicht nur Äpfel mit Birnen — das stimmt schon gar nicht mehr —; Sie vergleichen Rotkohl mit Kiwis.

(Beifall bei der FDP — Conradi [SPD]: Reden Sie nicht soviel von Birnen! — Zuruf des Abg. Fischer [Frankfurt] [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schon an die Adresse des Bundesrats gerichtet folgendes sagen. Vor mir haben drei Architekten gesprochen, mögen sie nun freischaffend tätig oder beamtet sein. Durch meine Person und durch meine Fraktion, in der nach dem Ausscheiden des Kollegen Jung nun kein Architekt mehr sitzt, will ich manifestieren und dokumentieren, daß es hier nicht um ein Anliegen einer bestimmten Berufsgruppe geht, sondern um ein Anliegen, das auch nicht nur für die freien Berufe, sondern für alle Teile unseres Volkes von Bedeutung ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es ist bereits dargestellt worden, warum dieser Gesetzentwurf eingebracht worden ist. Ich will es in einem Satz zusammenfassen: Mit diesem Gesetz wollen wir die verfassungsgemäße Ermächtigungsgrundlage für eine bereits jahrelang gültige HOAI in allen ihren Teilen herstellen. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung wollen wir natürlich auch ein Versprechen gegenüber den Architekten und Ingenieuren einlösen, das wir vielfach gegeben haben: diese Ermächtigungsgrundlage zu reparieren, nachdem das Bundesverfassungsgericht am 20. Oktober 1981 gemeint hat, eine Regelung, die das Unterschreiten von Mindestsätzen nur in Ausnahmefällen zulasse, sei durch die Ermächtigungsnorm des Gesetzes von 1971 nicht gedeckt.
Herr Kollege Conradi, Sie haben von dem Wettbewerb gesprochen und von den ordoliberalen Vorstellungen der Manchester-Liberalen zu diesem Punkt.

(Zuruf von der SPD: Gralshüter!)

Ich kann Sie beruhigen. Wir kennen Wettbewerb
als Preiswettbewerb. Wir kennen Wettbewerb als
Qualitätswettbewerb, und wir kennen Mischformen
dieses Wettbewerbs. In den Wirtschaftsbereichen, in denen staatliche Gebührenordnungen vorgegeben sind wie eben bei den Architekten und Ingenieuren, stellt sich die Wettbewerbsfrage vom ordnungspolitischen Denkansatz her anders als allgemein.
Dort, wo der Staat — und sei es auch in Form von Mindest- und Höchstpreisen — die Preise reglementiert; kann dieser Preis nicht das alles und allein entscheidende Wettbewerbskriterium sein. Wir Freie Demokraten sind deshalb immer der Ansicht gewesen, daß in Berufen mit Gebührenordnungen das Schwergewicht des Wettbewerbs auf der Qualität und nicht auf dem Preis liegt.
Die FDP-Bundestagsfraktion beobachtet seit längerer Zeit mit Sorge, wie die von der Bundesregierung vorgelegte Novelle zur HOAI im Bundesrat blockiert ist,

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

hier eine fast schon unzumutbare Hängepartie seit Jahren besteht.

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Seit 1980 liegt das da! — Zuruf des Abg. Conradi [SPD])

— Natürlich. — Uns ist natürlich klar, daß hinter dieser Hängepartie und auch hinter einem immerhin denkbaren Veto des Bundesrates zu dem vorliegenden Gesetzentwurf handfeste wirtschaftliche, fiskalische Überlegungen der Länder stehen. Aber fiskalische Interessen dürfen nicht so weit gehen, daß für einen Berufsstand existentielle Sachprobleme, die zugleich für die Qualität unseres Bauens und Planens von durchgreifender Bedeutung sind, ungelöst bleiben, zumal dann, wenn es sich im Ergebnis um relativ geringfügige Beträge handelt.
Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, daß auch die Fraktion der GRÜNEN diesem Gesetzentwurf zustimmen wird. Das unterstreicht das Gewicht dessen, was ich mit meinem Schlußsatz sagen will.
Die Bundesregierung hat mit der Vorlage der Novelle zur HOAI im Verhältnis zu den Architekten und Ingenieuren ihre Pflicht getan. Der Deutsche Bundestag wird mit der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzes in einem anderen Punkt gegenüber den Architekten und Ingenieuren seine Pflicht tun. Der Rest — und damit die volle Verantwortung für das, was aus dem Architektenstand in diesem Lande wird —

(Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Und Ingenieurstand!)

liegt damit beim Bundesrat, liegt damit bei den Ländern. Diese Aufgabenstellung ist deshalb so besonders wichtig und auch vom Bundesrat sehr ernst zu nehmen, weil gerade im Bereich der Architekten und Ingenieure — ich denke an den Tiefbau und das Ingenieurwesen — der Staat ja sozusagen nicht nur ein Auftraggeber unter vielen ist, sondern er hat dort fast eine Monopolstellung. Außerdem befinden wir uns in einer Beschäftigungssituation, in der eine Vielzahl junger Menschen mangels Beschäftigungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst und anderswo in die freien Berufe hineindrängt.



Gattermann
Gerade in einer solchen Situation aus einer Monopolstellung heraus einen ruinösen Wettbewerb zu betreiben, um damit marginale Konsolidierungserfolge zu erzielen, ist eine total verfehlte Politik.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

Deshalb unser Appell an den Bundesrat: Lassen Sie
endlich die Novelle zur HOAI durch, und lassen Sie
endlich — demnächst — auch dieses Gesetz durch!
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Schwenk [Stade] [SPD])


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1003805100
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird gewünscht, daß er zur Mitberatung auch an den Wirtschafts- und den Rechtsausschuß überwiesen wird. Ist das Haus damit einverstanden? — Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 6 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Wahlprüfungsausschusses zu den gegen die Gültigkeit der Wahl zum 10. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen
— Drucksache 10/557 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Buschbom
Dr. Kübler
Hier wünschen die Berichterstatter das Wort. Das Wort hat zunächst der Herr Abgeordnete Buschbom.

Helmut Buschbom (CDU):
Rede ID: ID1003805200
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Mit der Ihnen vorliegenden Drucksache berichtet der Wahlprüfungsausschuß über die gegen die Gültigkeit der Wahl zum 10. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüche und empfiehlt Ihnen, entsprechend seinem Vorschlag zu entscheiden.
Diese Entscheidung hat unsere Verfassung, das Grundgesetz, in ihrem Art. 41 dem Bundestag zugewiesen. Wir haben also heute eine Aufgabe zu erfüllen, die sowohl unsere Verfassung als auch 43 Einspruchsführer von den Mitgliedern dieses Hauses erwarten.
Diese den Mitgliedern dieses Hauses obliegende Aufgabe ist im übrigen keine „Erfindung" des Grundgesetzes, sondern entspricht langer parlamentarischer Tradition. Schon nach der Paulskirchen-Verfassung und auch der Bismarckschen Reichsverfassung war die Wahlprüfung alleinige Angelegenheit des Parlaments. Die Regelung der Weimarer Reichsverfassung, nach der die Wahlprüfung einem Wahlprüfungsgericht, bestehend aus drei Mitgliedern des Reichstages und zwei Mitgliedern des Reichsverwaltungsgerichts, oblag, hat das
Grundgesetz nicht aufgenommen, dafür aber in Ausfüllung rechtsstaatlicher Prinzipien gegen die Entscheidung des Bundestages die Möglichkeit einer Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht eingeführt.
Meine Damen und Herren, der Bundestag hat 47 Wahleinsprüche erhalten. Das waren 10 weniger, als in der 9. Wahlperiode eingegangen waren. Von diesen 47 Wahleinsprüchen sind 4 von ihren Einspruchsführern zurückgenommen worden. Es ist also über 43 Wahleinsprüche zu entscheiden. Als Berichterstatter erlaube ich mir, gemäß § 12 des Wahlprüfungsgesetzes zu den Anlagen 1 bis 20 der vorliegenden Drucksache kurz zu sprechen.
Zum Verfahren des Wahlprüfungsausschusses: Dieser Bundestag ist am 6. März 1983 gewählt worden. Seit dem sind bis heute mehr als acht Monate vergangen. Es könnte scheinen, als sei diese Zeit für das Finden einer Entscheidung über Einsprüche gegen die Gültigkeit dieser Wahl unangemessen lang. Bedenkt man jedoch, daß in diesen acht Monaten zum einen auch die Sommerpause enthalten ist, zum anderen die Wichtigkeit der zu findenden Entscheidung sorgfältige Vorbereitungen und Ermittlungen voraussetzt, so dürfte die Zeit, die dem Wahlprüfungsausschuß für seine parlamentarische Arbeit bis zur Entscheidung und diesen Vorschlag tatsächlich zur Verfügung gestanden hat, als angemessen, demokratischen Erwartungen entsprechend und den Einspruchsführern zumutbar anzusehen sein.
Ein Wort des Dankes gilt den Mitarbeitern des Ausschusses, die jederzeit umsichtig und hilfreich zur Verfügung standen.
Nun zum Inhalt der Wahleinsprüche: Von den 20 Wahleinsprüchen, von denen ich berichte, ließen 6 Fälle Fehler oder mangelhaftes Eigenverhalten, insbesondere fehlende Eigeninitiative, erkennen, das dann zur Wahlenthaltung geführt hat.
In 5 Fällen sind echte Wahlfehler von Wahlbehörden festzustellen, die sich jedoch auf die Mandatsverteilung nicht ausgewirkt und das Wahlergebnis nicht beeinflußt haben. Diesen Fehlern liegt die allseits bekannte Unzulänglichkeit der menschlichen Natur zugrunde, die mir bei einer Summe von insgesamt 39 279 529 Einzelwahlakten durchaus vertretbar erscheint. In zwei Fällen haben die Einspruchsführer den Zustand technischer Wahlmittel — grundlos — beanstandet. Zwei Fälle betrafen Gebrechliche. In zwei weiteren Fällen waren die Einsprüche auf eine unrichtige Rechtsansicht oder die behauptete Verfassungswidrigkeit des Bundeswahlgesetzes gestützt, die nur das Bundesverfassungsgericht zu prüfen hätte. In einem Fall hat sich der Einspruchsführer gegen die statistische Kennzeichnung von Wahlscheinen gewandt. Zwei Einspruchsführer schließlich haben ihre Einsprüche überhaupt nicht begründet.
In den 20 Fällen, über die ich hier berichte, hat der Ausschuß einen Wahleinspruch für unzulässig, einen Wahleinspruch für unbegründet und die übrigen 18 Wahleinsprüche für offensichtlich unbegründet gehalten, so daß es nach § 6 des Wahlprüfungs-
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983 2655
Buschbom
gesetzes einer mündlichen Behandlung und der Anhörung von Zeugen vor dem Ausschuß nicht bedurfte und das Hohe Haus heute, wie ich meine, seine Entscheidung treffen kann. Ich bitte daher, entsprechend der Empfehlung des Ausschusses zu beschließen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1003805300
Als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Dr. Kübler das Wort.

Dr. Klaus Kübler (SPD):
Rede ID: ID1003805400
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wahlprüfungsausschuß tritt praktisch nur einmal während der Legislaturperiode hier vor und beschränkt sich auf die Prüfung der Gültigkeit der jeweiligen Bundestagswahl. Der Kollege Buschbom hat schon davon gesprochen, daß wir 43 Einsprüche hatten. Ich will dies nur in der Weise ergänzen, daß dies, insgesamt gesehen, der durchschnittlichen Zahl der Einsprüche über die Jahre hinweg entspricht. Wir liegen also, was die Zahl der Einsprüche angeht, diesmal im Bereich des Normalen.
Es geht hier um eine Entscheidung, die in der Tat — darauf will ich doch aufmerksam machen — jeden einzelnen von uns betrifft, weil auch über die Gültigkeit der eigenen Wahl entschieden wird. Es ist dies eine Entscheidung, die wir hier allein im Parlament treffen. Diese Entscheidung — jetzt ist die Regierungsbank besetzt; beinahe hätte ich es mit Blick auf einen der zuvor behandelten Punkte gerügt, daß sie nicht besetzt ist; im Blick auf diesen Punkt hätte ich es nicht rügen können — ist wirklich nur unter uns und auch ohne Beratung durch die Bundesregierung zu treffen.
Zu dem Vorschlag des Wahlprüfungsausschusses betreffend die Gültigkeit der Bundestagswahl am 6. März kann ich für die SPD gewissermaßen nur mit einem weinenden Auge Stellung nehmen. Wir wollen freilich nicht unbedingt eine Wiederholung der Wahl haben. Wir können davon ausgehen, daß der Deutsche Bundestag jetzt aller Voraussicht nach eine volle vierjährige Periode arbeiten kann.

(Bindig [SPD]: Bis Genscher wieder wendet!)

Gemäß der einstimmig gefaßten Beschlußempfehlung des Wahlprüfungsausschusses sollen alle 43 Einsprüche zurückgewiesen werden. Ich möchte hier — auch im Blick auf die Öffentlichkeit — sehr nachdrücklich sagen, daß der Wahlprüfungsausschuß seine Prüfpflicht sehr, sehr ernstgenommen hat, sie nicht als eine lästige Pflichtübung empfunden hat. Er hat in den Einsprüchen das Bemühen und die Absicht von Wahlbürgern gesehen, auch selbst mit über den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl und damit ihres Wahlrechtes zu wachen. Der Wahlprüfungsausschuß sieht in den Einspruch einlegenden Bürgern keine Querulanten oder Besserwisser, sondern Bürger, die von ihrem Wahlrecht auch in dieser besonders intensiven Weise Gebrauch machen.
Ich will einige grundsätzliche Begründungen für die Einsprüche hier in aller Kürze darlegen. Eine der gewichtigen Begründungen für die Einsprüche war die, ob die Art der Vorziehung der Bundestagswahl in Ordnung war oder nicht. Daran hatten damals naturgemäß viele Zweifel. Das Bundesverfassungsgericht hat darüber aber eindeutig entschieden. Der Wahlprüfungsausschuß kann sich natürlich nicht über eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinwegsetzen.
Ein zweiter Teil der Einsprüche befaßte sich mit der auch gewichtigen Frage, wie im Ausland auf Dauer oder auf Zeit wohnende Deutsche ohne Wohnsitz in der Bundesrepublik in Zukunft mit ihrem Wahlrecht verfahren können. Ich darf an dieser Stelle sagen, daß es eine Anregung des Wahlprüfungsausschusses ist, diese Frage nunmehr bald einer Klärung zuzuführen.
Zu einem dritten Komplex gehören Einsprüche, die zum Gegenstand haben, daß die Abwicklung des konkreten einzelnen Wahlvorgangs der Verbesserung bedarf. Hier ist in nicht wenigen Fällen in der Tat festgestellt worden, daß einzelne Wahlfehler vorliegen, die zwar im Hinblick auf das Gesamtwahlverhalten und das Gesamtwahlergebnis keinen Einfluß auf die Gültigkeit der Wahl haben, aber — dies ist entscheidend — vom Bundestag zum Anlaß genommen werden, auf die konkrete Wahlstelle mit dem Ziel einzuwirken, in Zukunft Verbesserungen dieser Art auch tatsächlich vorzunehmen.
Zum Schluß möchte ich darauf hinweisen, daß die Handhabung der Briefwahl aufmerksam beobachtet wird. Jede zahlenmäßige Ausweitung ist, soweit überhaupt praktisch möglich, wieder zurückzuführen. Die Vorschriften der Briefwahl sind eher restriktiv auszulegen, und ich appelliere auch hier vom Bundestag aus ganz ausdrücklich an alle unsere Bürgerinnen und Bürger, von der Briefwahl nur im wirklichen Verhinderungsfall Gebrauch zu machen.
Ich danke allen, die an dieser Entscheidungsfindung mitgewirkt und sie uns relativ leicht gemacht haben, nicht zuletzt dem Sekretariat des Wahlprüfungsausschusses.
Ich schließe mich der Antragstellung des Kollegen Buschbom an.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1003805500
Das Wort zur Aussprache wird nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Wahlprüfungsausschusses auf Drucksache 10/557 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ist die Beschlußempfehlung angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
2656 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983
Vizepräsident Frau Renger
Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Vorhaben
— Drucksachen 10/358 Nr. 14, 10/613, 10/628 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Frau Dr. Hartenstein Gerlach (Obernau)

Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat eine Aussprache von bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart. Besteht darüber Einverständnis? — Das ist der Fall. Es ist so beschlossen.
Die Berichterstatter wünschen nicht das Wort. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gerlach.

Paul Gerlach (CSU):
Rede ID: ID1003805600
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einige Bemerkungen darüber machen, was diese Richtlinie des Rates der Euopäischen Gemeinschaften über die Umweltverträglichkeit eigentlich will. Ziel der Richtlinie ist es, bei öffentlichen und privaten Vorhaben, von denen in nicht unerheblichem Maße Auswirkungen auf die Umwelt ausgehen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung einzuführen. Das dramatische Ansteigen der Waldschäden in den letzten Jahren, vor allem aber seine länderübergreifende Problematik, zeigt uns, wie notwendig Regelungen auf diesem Gebiet geworden sind.
Die Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bringt — leider, muß ich sagen — keine materiellen Normen für eine Begrenzung bestimmter Umweltbelastungen. Sie ist gleichwohl ein wichtiger und unverzichtbarer Schritt, da sie eine Prüfung sämtlicher umweltbezogener Aspekte eines Vorhabens vorschreibt. Angesichts der Probleme, denen wir uns heute gegenübersehen, kommt es nicht nur darauf an, Schäden zu bekämpfen, sondern von vornherein Eingriffe und Einwirkungen auf unsere Umwelt durch neue Vorhaben zu prüfen und, wenn irgendwie möglich, weitgehend zu vermeiden. Eine solche Prüfung versetzt uns auf die Dauer in die Lage, drohende Schäden rechtzeitiger und umfassender als bisher zu erkennen. Mit einer solchen Strategie kommen wir weg vom bloßen Feuerlöschen und hin zur gezielten Vorsorge.
Wir alle wissen, wie teuer die Bekämpfung bereits eingetretener Schäden und Probleme ist, egal, um welchen Bereich es sich handelt. Nutzen wir also, meine ich, die Möglichkeit, in einem Stadium, in dem die Planungen noch nicht verfestigt sind, korrigierend einzugreifen. Ich glaube, daß wir damit dem Staat und den Bürgern erhebliche Folgekosten ersparen können.
Ich sage das auch, weil ich heute morgen im „General-Anzeiger" eine Kritik der Wirtschaftsminister der Länder unter der Überschrift „Wirtschaftsminister kritisieren Umweltminister" gelesen habe, die auch diese Richtlinie als dirigistischen Eingriff sehen wollen. Ich möchte dem widersprechen. Mit der
Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft machen wir nämlich auch einen Schritt zu einer dringend notwendigen Harmonisierung der diesbezüglichen Vorschriften in allen Mitgliedsländern. Gerade wir in der Bundesrepublik haben ein vitales Interesse an einer derartigen Harmonisierung. Mit der Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung in allen Mitgliedstaaten sind wir in der Lage, Auseinanderentwicklungen in den einzelnen Ländern zu verhindern und damit weitere Wettbewerbsverzerrungen zu unseren Lasten zu vermeiden.
Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt daher den vorliegenden Richtlinienentwurf und die bisher bei den Verhandlungen innerhalb der EG erzielten Ergebnisse als einen ersten Schritt zur Einführung einer umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung.
Mit Bedauern ist festzustellen, daß der derzeit vorliegende Entwurf gegenüber dem ursprünglichen Text eine Reihe von ganz erheblichen Abschwächungen enthält. Wir hätten es weitaus lieber gesehen, wenn man diese Verwässerungen der mit dem Richtlinienentwurf verfolgten Absicht hätte vermeiden können. Wir sind zuversichtlich, daß bei der demnächst auf EG-Ebene stattfindenden Fortsetzung der Verhandlungen eine Verbesserung gegebenenfalls da und dort noch möglich ist. Wir sind im allgemeinen jedenfalls der Meinung, daß es besser ist, der Richtlinie in ihrer jetzigen Fassung zuzustimmen und eine baldige Verabschiedung anzustreben. Immerhin enthält auch der jetzige Entwurf nach diesen Abschwächungen noch eine Reihe von Verbesserungen gegenüber dem derzeitigen Zustand.
Gerade weil uns die jetzige Fassung des Richtlinienentwurfs nicht vollauf zufriedenstellt, sind wir aber der Meinung, daß die Richtlinie eine sogenannte Evolutionsklausel enthalten muß, mit der wir sicherstellen wollen, daß die Umweltverträglichkeitsprüfung auch in Zukunft weiter in den Überlegungen bleibt und verbessert werden kann, wenn erste Erfahrungen vorliegen.
Angesichts der Situation bei den Verhandlungen um die Richtlinie bleibt uns heute nur die Möglichkeit, dem Entwurf in seiner jetzigen Fassung zuzustimmen und Vorkehrungen für eine künftige Fortentwicklung der Umweltverträglichkeitsprüfung zu treffen.
Bei den Beratungen im federführenden Ausschuß haben wir unsere besondere Aufmerksamkeit der Frage der Umsetzung der EG-Richtlinie in nationales Recht gewidmet. Wir sind der Meinung, daß eine Umsetzung nicht zu neuen Verfahren führen darf. Angesichts der Tatsache, daß wir in der Bundesrepublik nicht zuwenig, sondern zuviel Bürokratie haben, können wir unseren Bürgern keine weitere Aufblähung der Bürokratie durch die Einführung von neuen Verfahrensabläufen zumuten. Auch die Situation der öffentlichen Hände erlaubt uns das nicht.



Gerlach (Obernau)

Bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht muß deshalb nach unserer Meinung auf ein Instrumentarium zurückgegriffen werden, das bereits vorhanden ist. Dabei bietet sich das Raumordnungsverfahren geradezu wie geschaffen an. Allerdings ist festzustellen, daß wir heute in den Bundesländern im Bereich der Raumordnung und Landesplanung noch recht unterschiedliche Regelungen antreffen. Das Raumordnungsgesetz des Bundes könnte hier für die Umsetzung der Richtlinie über die Umweltverträglichkeit Abhilfe schaffen. Daß das Raumordnungsverfahren für die Umsetzung der Richtlinie über die Umweltverträglichkeit geeignet ist, zeigt beispielhaft das bayerische Landesplanungsgesetz, bei dem die Umweltverträglichkeit schon bisher Prüfungsgegenstand des Raumordnungsverfahrens ist. In mehreren Gutachten wird darauf hingewiesen, daß diese Umsetzung in das Raumordnungsverfahren möglich ist. Ausgangspunkt der bayerischen Regelung war die Überlegung, daß zahlreiche Umweltprobleme raumbezogen sind und nur durch raumordnerische Maßnahmen befriedigend gelöst werden können. Durch die Einbeziehung der Ziele der Umweltpolitik in die Programme und Pläne der Landesplanung sowie durch ihre Beachtung bei der raumordnerischen Abstimmung von Planung und Maßnahmen wollte man Fehlentwicklungen beseitigen. Das ist gelungen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einen Dank aussprechen, meine Damen und Herren, an das Bundesinnenministerium, an alle dortigen Mitarbeiter, die in recht zügiger und intensiver Weise bisher mitgewirkt haben, diese Richtlinie nicht total verwässern zu lassen. Die Pressionen von außen waren j a ziemlich stark.
Wir setzen alle Hoffnung darauf, daß die EG-Verhandlungen Anfang Dezember erfolgreich verlaufen. Wir bitten die Bundesregierung, alles in ihren Kräften Stehende zu unternehmen, und die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, damit die Richtlinie weitgehend im Sinne der vorliegenden Beschlußempfehlung verabschiedet werden kann. Sie können sich, meine Damen und Herren, die Sie dort zu verhandeln haben, bei Ihren Bemühungen auf die, wenn ich es richtig sehe — so lief es ebenfalls im federführenden Ausschuß —, einstimmige Empfehlung dieses Hohen Hauses berufen.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1003805700
Meine Damen und Herren, das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hartenstein.

Dr. Liesel Hartenstein (SPD):
Rede ID: ID1003805800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern manchmal auch von Kollegen des Parlaments hört man die erstaunte Frage: Umweltverträglichkeitsprüfung — was ist denn das? Dies zeigt, daß dieser Begriff offenbar noch nicht in das allgemeine Bewußtsein gedrungen ist. Vielleicht liegt es an dem technokratisch klingenden Wortungetüm, vielleicht aber auch daran — das ist wahrscheinlicher —, daß die Sache selbst noch zu keinem festen Bestandteil unserer bundesdeutschen Wirklichkeit und erst recht nicht zu einem festen Bestandteil unserer europäischen Wirklichkeit geworden ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn wir heute beklagen, daß in unserem Land jährlich ein Gebiet von der Größe des Bodensees zubetoniert wird, wenn wir beklagen, daß über 50 % der Tierarten und ein Drittel aller Blütenpflanzen vom Aussterben bedroht sind, wenn wir es schlimm finden, daß 40 % aller Bundesbürger unter dem Lärm leiden, und wenn wir entsetzt vor dem Waldsterben stehen, dann ist es nicht übertrieben zu sagen: Dies alles hätte nicht so kommen müssen, wenn wir die ökologischen Folgen unseres Tuns rechtzeitig bedacht und wenn wir ein wirksames Instrument der Prüfung nicht nur rechtzeitig in der Hand gehabt, sondern es tatsächlich auch angewandt hätten.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Das Konzept der UVP, so der Fachjargon, beruht auf einer sehr einleuchtenden Überlegung. Um schwere oder sogar nicht wiedergutzumachende Umweltbelastungen zu vermeiden, soll vor einer Entscheidung gründlich untersucht werden, welche Auswirkungen die jeweils geplante Maßnahme auf Natur und Umwelt hat, z. B. der Bau eines Flughafens,

(Beifall des Abg. Horacek [GRÜNE])

einer Autobahn, eines Kraftwerks oder einer chemischen Fabrik oder die Kanalisierung eines Flusses oder ein Eindeichungsvorhaben an der Nordseeküste. Dies soll nicht nur untersucht werden, sondern die Ergebnisse müssen dann auch berücksichtigt werden; gegebenenfalls muß man zu einer anderen Entscheidung kommen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Daher müssen bei jeder sinnvollen Umweltverträglichkeitsprüfung gleichzeitig Alternativlösungen angeboten werden. Auch die Null-Alternative darf kein Tabu sein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das heißt, daß bei entsprechenden Ergebnissen ein bestimmtes Projekt eben nicht gebaut werden darf. Punktum! Beim Rhein-Main-Donau-Kanal wäre diese Alternative mit Sicherheit die vernünftigste.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU)

— Ich weiß, hier ist ein Dissens, der nicht auszuräumen ist.
In den Ländern der OECD werden die durch Umweltschäden verursachten Kosten auf 3 bis 5 % des Bruttosozialprodukts geschätzt. Das macht für die Bundesrepublik einen Betrag von 60 bis 70 Milliarden DM jährlich aus. Wohlgemerkt, das sind Umweltschadensfolgekosten.



Frau Dr. Hartenstein
Aber es geht nicht allein um die finanzielle Größenordnung. Es geht auch um die Gesundheitsschäden, die schwer zu quantifizieren sind.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es geht um die Sozialkosten, es geht um die Verminderung der Lebensqualität für uns alle und um die Gefahr der Zerstörung ganzer Ökosysteme.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Preis, den wir für unterlassenen Umweltschutz zahlen, ist zu hoch, zumal dann, wenn die Schäden irreparabel geworden sind.
Ihrer Grundidee nach ist die UVP also ein klassisches Vorsorgeinstrument und als solches geradezu unentbehrlich.

(Sauermilch [GRÜNE]: Leider noch nicht klassisch!)

Dieses Instrument steht exakt an der Nahtstelle zwischen Ökonomie und Ökologie. Es darf nicht nur als technische Expertise verstanden werden, sondern muß Teil der wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsprozesse werden.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und des Abg. Baum [FDP])

Wenn neuerdings aus bestimmten Ecken lautstark nach einer ökonomieverträglichen Umweltpolitik gerufen wird, z. B. in der jüngsten Schrift des Deutschen Industrie- und Handelstages, dann möchte ich dem die umgekehrte Forderung entgegensetzen, nämlich die nach einer ökologieverträglichen Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, im Grunde müßten das doch zwei Seiten einer und derselben Sache sein. Ich kann nur hoffen, daß auch der DIHT die Zeichen der Zeit erkennt und sich der einfachen Einsicht nicht verschließt, daß wirtschaftliche Tätigkeit in der Zukunft nur gesichert ist, wenn wir die Grundpfeiler des Naturhaushalts nicht vollends ins Wanken bringen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Notwendigkeit, insbesondere Großvorhaben auf den ökologischen Prüfstand zu nehmen, ist schon lange erkannt. Seit 1975 gibt es Grundsätze für die Prüfung der Umweltverträglichkeit öffentlicher Vorhaben des Bundes. Allerdings sind diese Grundsätze nur in geringem Maße wirksam geworden, nicht zuletzt deshalb, weil sich die meisten Bundesländer nicht entschließen konnten, sie zu übernehmen.
Seit nunmehr drei Jahren liegt der Entwurf einer EG-Richtlinie auf dem Tisch — ein Unternehmen, das ursprünglich mit großen Hoffnungen begrüßt wurde. Völlig zu Recht! Denn der Kommissionsvorschlag war nicht nur seiner Intention, sondern auch seiner Ausgestaltung nach eine hervorragende Sache. Leider ist aus dem pausbäckigen Kind in der Zwischenzeit ein ziemlich mageres Gerippe geworden, weil die Mehrzahl der EG-Länder dem Sprößling, statt ihn fürsorglich zu füttern und zu pflegen, aus egoistischen nationalen Interessen die nötige
Nahrung verweigert haben. Trotzdem stimme ich Herrn Gerlach zu: Das Knochengerüst ist stabil geblieben. Es ist trag- und weiter entwicklungsfähig.
Die Richtlinie bietet zwei entscheidende Vorteile:
Erstens. Sie bietet die Möglichkeit eines integrieten Ansatzes, d. h. sämtliche Umweltauswirkungen eines Projektes müssen in einer Gesamtschau zusammengefaßt werden.
Zweitens. Alle umweltrelevanten Vorhaben sollen nach EG-einheitlichen Kriterien geprüft werden, so daß das Argument der Wettbewerbsverzerrung entfällt.
Es kommt aber noch ein Drittes hinzu. Ein — hoffentlich verbindlicher — Anhang listet diejenigen Projekte auf, bei denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung zwingend durchgeführt werden muß.
Der Ausschuß hat auf unseren Vorschlag hin klargestellt, daß in den Anhang 1 auch Kernenergieanlagen, auch Wiederaufarbeitungsanlagen und sämtliche Anlagen der chemischen Industrie gehören. Er hat weiter klargestellt, daß bei grenzüberschreitenden Vorhaben der Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten alle Angaben umfassen muß, die es dem betroffenen Nachbarland erlauben, die zu erwartenden Umweltfolgen tatsächlich zu erkennen.
Schließlich wollen wir gesichert wissen, daß die Beteiligung der Öffentlichkeit nicht eingeschränkt, sondern ausgebaut wird.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Praxis zeigt übrigens — Hessen hat das an Modellprojekten demonstriert —, daß ein offenes demokratisches Verfahren mit frühzeitiger Bürgerbeteiligung sogar eine verfahrensverkürzende Wirkung haben kann. Unbegründet sind die Besorgnisse der Industrie und in einem gewissen Rahmen auch Ihre Besorgnis, Herr Kollege Gerlach, daß die WP notwendigerweise ein bürokratischer Hemmschuh werden müßte. Im Gegenteil, sie ist kein Blockadeinstrument, sondern, recht verstanden, ein Förderinstrument.
Meine Damen und Herren, die Verabschiedung der Umweltverträglichkeitsrichtlinie stand während der deutschen Präsidentschaft im EG-Ministerrat auf der Tagesordnung obenan. Die Verabschiedung ist überfällig. Aber die wohltönenden Absichtserklärungen gingen nicht in Erfüllung, und das gilt auch für die so dringend erforderliche EG-Grundsatzrichtlinie zur Luftreinhaltung. Beide sind nicht eingelöste Versprechungen dieser Bundesregierung geblieben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich appelliere daher an Sie, in den noch verbleibenden Wochen unter griechischer Präsidentschaft alles zu tun, um die Richtlinie endlich in Kraft zu setzen. Sie darf nicht auf den Sankt-NimmerleinsTag verschoben werden.

(Zustimmung bei der SPD und den GRÜNEN)




Frau Dr. Hartenstein
Meine Damen und Herren, das Gut „Umwelt" ist nicht vermehrbar. Spätestens seit dem Waldsterben wissen wir, daß die Natur sich bitter rächt, wenn wir ihre Geduld überstrapazieren. Wir müssen endlich lernen, sorgsam mit ihr umzugehen. Wir müssen endlich lernen, uns mit ihr zu vertragen, sonst zerstören wir die Grundlagen für unser eigenes Leben.
Wir stimmen der Beschlußvorlage zu. — Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1003805900
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ehmke (Ettlingen).

Dr. Wolfgang Ehmke (GRÜNE):
Rede ID: ID1003806000
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde! Die Fraktion der GRÜNEN wird der Beschlußempfehlung des Innenausschusses zur Umweltverträglichkeitsprüfung ebenfalls zustimmen.
Wenn wir die sich verschärfenden Umweltprobleme — als Beispiele nenne ich nur das Waldsterben, die Bodenverseuchung und die umweltbedingten Krankheiten — lösen wollen, benötigen wir eine neue Orientierung in der Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Die von der modernen Technik und von Großprojekten ausgehenden ökologischen und auch soziologischen Folgeschäden können durch Umwelttechnik zwar in manchen Fällen gemildert, nicht aber langfristig ausgeglichen werden. Allein schon aus ökonomischen Gründen erscheint eine neue Umweltpolitik unverzichtbar.
Die eben genannten Umweltschäden verschärfen sich trotz steigender Umweltaufwendungen der öffentlichen und der privaten Hände. Die Investitionen für Luftreinhaltemaßnahmen, die angeblich die Wirtschaft an den Rand der Belastbarkeit führen, reichen noch nicht aus, um das Waldsterben zu verhindern. Die Kosten für die Schadensregulierung werden in Zukunft extrem ansteigen, wenn wir nicht von vornherein eine sozial und ökologisch angepaßte Technik und Wirtschaft anstreben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Schon jetzt betragen die jährlichen Schäden durch Luftbelastung nach ersten Schätzungen mindestens 5 Milliarden DM. Nach anderen Schätzungen — z. B. der OECD —, die eben schon genannt wurden, betragen sie sogar noch wesentlich mehr. Dagegen wird uns die jetzige Großfeuerungsanlagen-Verordnung, die allerdings nach Meinung vieler Fachleute — das wurde bei der jüngsten Anhörung im Innenausschuß deutlich — völlig unzureichend ist, in zehn Jahren den Betrag von etwa 10 Milliarden DM kosten. Es ist deshalb schon aus ökonomischer, aber auch aus anderer Sicht sinnvoller und vor allem auch billiger, den durch technische Projekte verursachten Schäden vorzubeugen, statt einen teuren technischen Reparaturbetrieb einzurichten, der die Probleme ohnehin nicht auf Dauer lösen kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, Umweltvorsorge ist besser als Umweltreparatur. In diesen . Rahmen paßt auch die Umweltverträglichkeitsprüfung. Sie ist eines der wichtigsten Instrumente einer neuen Umweltpolitik. Weil wir nicht in der Lage sind, alle ökologischen und soziologischen Folgen von Eingriffen in Natur und Landschaft, von neuen Produkten oder auch von neuen Technologien von vornherein zu erkennen, müssen wir einerseits solche Vorhaben auf ihre Umweltverträglichkeit überprüfen und sollten wir andererseits anstreben, Großprojekte und Großtechnologien mit ihren oft erst nach vielen Jahren erkennbaren Folgeschäden zu vermeiden, wo es geht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die UVP wird unisono von allen Umwelt- und Naturschutzverbänden gefordert. Schon seit zehn Jahren gibt es eine Diskussion darüber. Bereits 1975, wie meine Vorrednerin schon erwähnte, hat die Bundesregierung Grundsätze für die Prüfung der Umweltverträglichkeit öffentlicher Maßnahmen des Bundes verabschiedet, die allerdings sehr unverbindlich und summarisch gehalten waren und oft von den Bundesbehörden selbst blockiert wurden.

(Baum [FDP]: Sehr richtig!)

Die Unwirksamkeit der Prüfungsgrundsätze kann man mit einer ganzen Reihe von umweltzerstörenden Großprojekten belegen. Wenn man diese Grundsätze von 1975 ernstgenommen hätte, dann dürfte es jetzt keine Baumaßnahmen etwa an der Startbahn West in Frankfurt, am Endlager in Gorleben oder am Rhein-Main-Donau-Kanal geben!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dabei sind die Erfahrungen mit einer wirkungsvollen UVP durchweg positiv, etwa in den Vereinigten Staaten, wo seit 1976 mehr als 10 000 Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt wurden. Man stellte dort fest, daß die Kosten einer UVP mit durchschnittlich nur 0,5 % der Gesamtkosten eines Vorhabens äußerst gering sind. Außerdem wurden die Entscheidungsverfahren nur unwesentlich verlängert. Der Nutzen der UVP liegt klar auf der Hand: Ökologisch gefährliche Vorhaben werden schneller und klarer erkannt und entweder unterlassen oder rechtzeitig durch korrigierende Maßnahmen oder Alternativlösungen ökologisch entschärft.

(Zuruf von den GRÜNEN: Hoffentlich!)

Die Fraktion der GRÜNEN nimmt deshalb den Schritt der Europäischen Gemeinschaft grundsätzlich positiv auf, wenngleich derzeit noch offen ist, ob die Richtlinie bald verabschiedet wird, vielleicht sogar in den nächsten Tagen in Brüssel. Wir bedauern es, daß es die Bundesregierung während ihrer EG-Präsidentschaft nicht erreicht hat, eine akzeptable EG-Richtlinie zur UVP einzuführen. Deshalb begrüßen wir die Aufforderung an die Bundesregierung, bis zum Oktober 1984 ein eigenständiges UVP-Konzept vorzulegen, falls auf EG-Ebene keine Verabschiedung erfolgt.
2660 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983
Dr. Ehmke (Ettlingen)

Aus anderen Gründen ist uns die Zustimmung allerdings sehr schwergefallen. Bestimmte Mängel des vorliegenden Konzeptes stellen die Effizienz der geplanten EG-Richtlinie in Frage. Ein Teil dieser Mängel ist in der Beschlußempfehlung unter Ziffer 2 enthalten:
Erstens wird es kein eigenes Umweltgutachten geben, sondern die UVP soll in die bestehenden Genehmigungsverfahren eingebaut werden. Dies erschwert die Bearbeitung durch fachkundiges Personal wie z. B. Landschaftsplaner oder Ökologen. Es besteht die Gefahr, daß die Fachbehörden, z. B. ein Autobahnamt, die Ökologie nebenher miterledigen und somit keine sachgerechte und neutrale UVP durchgeführt wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zweitens fehlen einige wichtige Vorhaben in der Liste der auf jeden Fall zu untersuchenden Projekte, wozu die Beschlußempfehlung auch Vorschläge macht. Ich möchte das hier jetzt nicht wiederholen.
Drittens ist die Beteiligung der Öffentlichkeit unklar, insbesondere die Frage, wer den betroffenen Personenkreis wie definiert. Gerade bei den hier in Betracht kommenden Großvorhaben spielt eine rechtzeitige und umfassende Beteiligung der Bürger eine ganz besondere Rolle, da solche Projekte oft nicht nur gravierende Umweltauswirkungen, sondern auch ökonomisch-soziologische Veränderungen hervorrufen.
Daneben gibt es weitere Mängel. So ist im Entwurf nicht festgelegt, wann das Ergebnis der UVP zur Ablehnung eines Vorhabens führen muß. Sogenannte Ausschlußkriterien fehlen. Dies liegt nach wie vor allein im Ermessen der zuständigen Behörde. Deshalb wäre zu prüfen, ob solche Entscheidungen nicht von den vorhandenen überregionalen Umweltbehörden getroffen werden können, also dem Umweltbundesamt für die Bundesebene oder den Landesanstalten für Umweltschutz für die Ländervorhaben oder auf Länderebene.
Grundsätzlich muß eine UVP nicht nur das Wie, sondern auch das Ob einer Maßnahme zweifelsfrei klären.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weiterhin ist nicht festgelegt, was zu geschehen hat, wenn sich ein Mitgliedstaat nicht an die Richtlinie hält. Im Text heißt es lapidar: Er unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten davon.
Im übrigen dürfen mit Drittländern Verträge über Vorhaben geschlossen werden, obwohl diese keine UVP durchführen. Ich denke hierbei vor allem an die grenzüberschreitenden Sondermülltransporte etwa im Fall Schönberg/DDR. In der Bundesrepublik wäre eine solche Sondermülldeponie aus Umweltverträglichkeitsgründen wohl völlig unmöglich. Dennoch ist die Bundesrepublik der größte Anlieferer. Derartige Verträge dürften nur geschlossen werden, wenn die betreffenden Nicht-EG-Staaten eine der UVP vergleichbare Prüfung durchführen und der EG vorlegen.
Weitere Mängel betreffen den Anhang III, der noch zu detaillieren wäre, die Zulassung von Ausnahmen, die ungeklärte Frage der Beteiligung von Verbänden oder Stellen mit geeignetem Sachverstand oder auch die offene Frage, ob und durch wen eine UVP einklagbar ist. Ich kann dies aus Zeitgründen nicht weiter behandeln und möchte nur noch auf einen Aspekt hinweisen.
Zur Bewertung der ökologischen Auswirkungen bestimmter Vorhaben wird eine große Zahl ökologischer Unterlagen und Daten benötigt, Klimadaten, Bodenkarten, Luftverschmutzungsmessungen usw. Um die ökologischen Bewertungen überall mit gleicher Genauigkeit und mit hohem Grad der Übereinstimmung durchführen zu können, sollten die ökologischen Daten möglichst neutral und sachgerecht erhoben werden. Deshalb sollten solche Erhebungen in der Regel nicht vom Projektträger, sondern von der Umweltverwaltung oder den von ihr beauftragten Fachkräften durchgeführt werden. Insgesamt gesehen besteht ohnehin in der Bundesrepublik ein ganz erheblicher Nachholbedarf bei flächenhaften ökologischen Untersuchungen und Karten.
Die Verbesserung der ökologischen Datenbasis ist eine der wichtigsten umweltpolitischen Aufgaben. Wenn diese Daten in Form einer Umweltdatenbank oder anderswie dauernd vorrätig sind und nicht erst im Einzelfall mühsam erhoben werden müssen, könnten einerseits Umweltverträglichkeitsprüfungen und andererseits regelmäßige Umweltqualitätsberichte oder Berichte zur Lage der Natur auf Bundes- und Länderebene sehr viel schneller und kostengünstiger erstellt werden. In diesem Bereich ist auch der Einsatz von Computern und von Systemanalysen eine durchaus sinnvolle Sache, wie vielversprechende Versuche der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz gezeigt haben. Allerdings muß die Offenheit nach außen gewährleistet sein, um die Untersuchungen nicht zum Selbstzweck werden zu lassen.
Meine Damen und Herren, die vorhin aufgezählten Mängel der EG-Richtlinie sollten bei der nächsten Fortschreibung beseitigt werden. Wichtiger ist jetzt, daß überhaupt erst einmel eine UVP verbindlich festgelegt wird. Ein weiteres Zuwarten wäre nicht vertretbar. Wir verbinden mit unserer Zustimmung allerdings die Erwartung, daß, wie in der Beschlußempfehlung erwähnt, notfalls im nationalen Alleingang auf der Basis der EG-Richtlinie oder sogar einer verbesserten Fassung ein UVP-Verfahren für die Bundesrepublik bis Ende 1984 rechtsverbindlich in Kraft tritt.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1003806100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Baum.

Gerhart Rudolf Baum (FDP):
Rede ID: ID1003806200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist zu begrüßen, daß wir über eine Richtlinie diskutieren, die noch nicht verabschiedet ist. Es ist auch einmal zu bemerken, daß es ein Mitwir-



Baum
kungsrecht, ein Mitberatungsrecht, des deutschen Parlaments bei Ministerratsbeschlüssen gibt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Und wir haben hier eine weitgehende Übereinstimmung in der Bewertung der Richtlinie erzielt. Sie ist ein Anfang. Sie ist auch aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion unzureichend. Nur kann man der deutschen Regierung dafür keine Vorwürfe machen; denn die hat sich um eine sehr viel besser ausgestaltete Umweltverträglichkeitsprüfung in Brüssel bemüht — die frühere Regierung und die jetzige. Und die Bundesregierung ist auch nicht für die Zeitverzögerung verantwortlich, die, nach allem, was wir wissen, zu einer erneuten Vertagung in der nächsten Woche führen wird. Wir sind dafür nicht verantwortlich. Wir wollen die Umweltverträglichkeitsprüfung.
Der Einfluß der Umweltverträglichkeitsprüfung auf tatsächliche Entscheidungen ist auszubauen. Wir brauchen eine Fortentwicklung der entsprechenden Verfahren, vor allem auch der materiellen Kriterien zur Bewertung der Umweltverträglichkeit im Sinne von ökologischen Eckwerten. Es genügt doch nicht, ein bestimmtes Verfahren ablaufen zu lassen, sondern man muß wissen, nach welchen Kriterien entschieden wird. Die Einflußrechte der für den Umweltschutz auf den jeweiligen staatlichen Ebenen zuständigen Behörden müssen gestärkt werden. Und wenn die Behörden sich streiten, muß eine politische Entscheidung herbeigeführt werden.
Wir meinen, die Umweltverträglichkeitsprüfung ist ein Kernstück vorbeugender Umweltschutzpolitik, wie auch schon Frau Kollegin Hartenstein gesagt hat, und nicht etwa der Einstieg in Wirtschafts-und Investitionslenkung. Ich stimme Ihnen, Herr Kollege Gerlach, hier voll zu. Es ist im Europäischen Parlament und auch anderwärts behauptet worden, das sei eine Art der Wirtschaftslenkung und der Investitionslenkung, wie wir sie nicht akzeptieren könnten. Das ist nicht der Fall. Wir wollen vielmehr die Fachpolitiken an Umweltkriterien orientieren. Auch ich habe Skepsis bezüglich der letzten Publikationen des Deutschen Industrie- und Handelstages; denn hier erfolgt erneut eine Verschiebung in die andere Richtung, mit der ich eigentlich nicht mehr gerechnet habe. Ich sehe das mit großer Skepsis.
Meine Partei hat die Umweltverträglichkeitsprüfung bereits in ihrem Freiburger Programm von 1971 beschrieben und gefordert. Nun ist es sicherlich richtig, daß wir eine Umweltverträglichkeitsprüfung in vielen Bereichen bereits haben. Wir haben in der Bundesrepublik Verfahren, etwa der Gewerbeaufsicht, die sicherstellen, daß Umweltgesichtspunkte bei staatlichen Entscheidungen eine Rolle spielen. Wir haben sogar sehr gute Verfahren. Wir müssen aufpassen — das kommt j a auch im Beschluß zum Ausdruck —, daß die europäische Richtlinie da nicht abschwächend wirkt. Ich möchte also die deutschen Behörden und Parlamente auffordern, ihren strengeren Standard dort, wo er vorhanden ist, auf keinen Fall abschwächen zu lassen.
Im übrigen nützen alle gesetzlichen Vorgaben wenig, wenn die Behörden sich nicht daran halten, wenn die Mentalität der Beamten, der Behördenleiter nicht entsprechend entwickelt ist, wie wir das wünschen. Es treten dabei Spannungsverhältnisse auf. Die haben wir ja auch zum Schluß hier in den letzten Wochen in Düsseldorf bei der Entlassung eines Regierungspräsidenten erlebt.
Es ist vor allem wichtig, die Landesentwicklungsplanung an ökologischen Qualitätszielen zu orientieren. Luftreinhaltepläne müssen in verbindlicher Form zum Bestandteil der Landesentwicklung werden, wie es in den USA geschieht. Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Gerlach, das ist eben im Kern auch ein Stück der Raumplanung. Wir müssen sehen, wie wir die Raumordnung hier stärker an die ökologischen Vorgaben binden. Wir brauchen eine Umorientierung der Fachpolitiken, eine weitere Hinorientierung zu Zielen des Umweltschutzes. Das gilt vor allen Dingen für die Verkehrsplanung.
Ich nehme Bezug auf einen Bericht in der „Süddeutschen Zeitung" vom 10. November unter dem Titel „Nordrhein-Westfalen steht vor einer Umweltkatastrophe — Ein zerstörtes Bundesland". Dort wird uns eindringlich vor Augen geführt, daß in den letzten 25 Jahren zwar Milliarden für Umweltschutz investiert wurden, um das Ausmaß der Umweltzerstörung zu verringern, daß aber nach einer soeben vorgelegten Bestandsaufnahme der Landesregierung die Umweltprobleme keineswegs geringer, sondern differenzierter und vielfältiger geworden sind — und das in einer Zeit, wo die wirtschaftliche Strukturkrise gerade in diesem Bundesland die finanziellen Möglichkeiten zur Selbstheilung eingeschränkt hat. In Nordrhein-Westfalen sind eben einschneidende Konsequenzen für den Wasserhaushalt, das Klima und für das menschliche Wohlbefinden festzustellen. 13 % der Fläche Nordrhein-Westfalens ist zubetoniert, in den Ballungsgebieten sogar 27 % des gesamten Bodens. Nordrhein-Westfalen leidet an den Folgen des Braunkohletagebaues, im übrigen auch an den Folgen des Steinkohlenbergbaues durch die Aufhaldung einer großen Menge von Schutt. Es leidet unter Lärm und hat Sorge um frisches Wasser.
Es ist uns auch — das muß ich selbstkritisch sagen — in der früheren Bundesregierung trotz wiederholter Vorstellungen, auch von mir, nicht gelungen, eine konsequente Umweltverträglichkeitsprüfung, wie sie etwa in den Beschlüssen des Bundes von 1975 vorgesehen war, durchzusetzen. Es ist sehr schwierig, die anderen Ministerien, die die Fachplanung durchführen, daran zu orientieren.
Wir möchten die Bundesregierung bitten, wie das auch im Beschlußentwurf zum Ausdruck kommt, dem Deutschen Bundestag einen Bericht über eine bessere Anwendung solcher Grundsätze vorzulegen. Es hat eben bei vielen Großprojekten in unserem Lande bisher eine durchgreifende Umweltverträglichkeitsprüfung nicht gegeben. Das gilt für Straßenbau, das gilt für den Rhein-Main-Donau-Kanal. Die Umweltverträglichkeit neuer Straßen, die Forderung nach Biotopschutz und landschaftspflegerischen Begleitplänen sind eben bisher oft nur



Baum
Alibi, nachträgliches Alibi für längst getroffene wirtschaftspolitisch motivierte Entscheidungen. Die Umweltverträglichkeit muß, so meinen wir, zur Grenznorm für Naturnutzung werden. Bei besonders wertvollen natürlichen Ressourcen wird man sogar die Nullvariante einer Nutzung anstreben müssen. Bestimmte Dinge dürfen eben nicht mehr gemacht werden. Sie kennen ja die Beispiele, wo irgendeine große Anlage hergestellt wird, an einer Autobahn etwa, und dann fällt jemandem ein, da muß noch etwas Umweltschutz gemacht werden, und dann wird da irgendwo in dem Kleeblatt noch etwas Grünes angelegt. Das ist keine Umweltverträglichkeit, wie wir sie uns vorstellen.
In diesem Zusammenhang möchten wir Liberalen auf eine alte Forderung von uns hinweisen, nämlich die Einführung einer neuen Staatszielbestimmung „Schutz der Natur" in das Grundgesetz. Unsere Forderung wird von einer Gruppe von Wissenschaftlern unter Leitung von Professor Denninger, die Herr Kollege Ertl und ich 1981 berufen hatten, jetzt ausdrücklich bestätigt. Wir sind der Meinung, daß durch eine solche Verfassungsvorschrift nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Parlamente und die Gerichte sehr viel besser als heute in der Lage wären, Ziele der Umweltverträglichkeit durchzusetzen. Die Aufnahme einer solchen Staatszielbestimmung wäre also ein wichtiger Schritt, wenn nicht der wichtigste Schritt für eine Vorsorgepolitik. Wir streben in dieser Legislaturperiode eine entsprechende Initiative an und werden in Kürze mit den Fraktionen, wie wir das gestern auch im Innenausschuß beraten haben, Gespräche aufnehmen.
Die Europäische Richtlinie hat schließlich eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Hier gibt es wichtige bilaterale Vereinbarungen, so etwa zwischen dem Saarland und Frankreich, aber auch im Oberrheingebiet, auch zur Schweiz hin, mit dem Ziel, die Bevölkerung und die Behörden des jeweiligen anderen Landes über umweltrelevante Projekte zu orientieren und gewisse, wenn auch schwache Formen der Mitwirkung zu garantieren.
Dennoch muß festgestellt werden — das wird der Umweltminister in der nächsten Woche, so befürchte ich, in der Umweltministerkonferenz wieder erleben —: Die Europäische Gemeinschaft ist eine Wirtschaftsgemeinschaft. Sie verfolgt gewichtige gemeinsame außenpolitische Ziele; sie ist aber nicht annähernd eine Umweltgemeinschaft. Sie bekennt sich noch nicht zur Solidarität der Gemeinschaft für die Beseitigung insbesondere grenzüberschreitender Umweltbelastungen.
Ich meine, die Europawahlen des nächsten Jahres sollten Anlaß sein, neue Vorstöße zu unternehmen. Die Gipfelkonferenz in Stuttgart unter deutscher Präsidentschaft war ein Anfang. Wir fordern, daß nicht nur bilaterale Treffen, wie gerade heute hier in Bonn eines zwischen Frankreich und Deutschland stattfindet, sondern auch bei Gipfelkonferenzen das Umweltthema ständig auf die Tagesordnung gesetzt wird.
Wir möchten die Bundesregierung bei ihren Beratungen in der nächsten Woche bestärken. Wir möchten der Bundesregierung unsere Unterstützung für ihre Umweltpolitik in der Europäischen Gemeinschaft zusagen. Das gilt für das Auto ebenso wie für die wichtigen Projekte der Luftreinhaltung. Herr Spranger, bitte sorgen Sie dafür, daß die wichtige Grundsatzrichtlinie „Luftreinhaltung" in der EG bald verabschiedet wird. Sie ist meines Erachtens das wichtigste Projekt, das dort auf der Tagesordnung steht. Dies muß auf jeden Fall Vorrang haben.
Vielen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1003806300
Das Wort hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger.

Carl-Dieter Spranger (CSU):
Rede ID: ID1003806400
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke zunächst dem Innenausschuß des Deutschen Bundestags für die grundsätzliche Unterstützung der Bundesregierung bei ihrem Bemühen, den Vorschlag einer Richtlinie über die Umweltverträglichkeit voranzubringen. Insbesondere möchte ich dafür danken, daß der Innenausschuß die Initiative ergriffen hat, mit dieser Debatte und der Beschlußempfehlung einen breiten politischen Grundkonsens für ein Vorhaben herbeizuführen, dessen Bedeutung die Bundesregierung sehr hoch einschätzt.
Der Richtlinienvorschlag verfolgt zwei Ziele: zum einen die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen, zum anderen die Vermeidung der Auseinanderentwicklung der ökologischen Situation in den zehn Mitgliedstaaten der EG sowie natürlich die Praktizierung vorsorgenden Umweltschutzes. Beide Ziele sollen durch eine Harmonisierung erreicht werden, also durch eine Angleichung von Verfahren, und dort, wo solche Verfahren noch nicht bestehen, durch Einführung entsprechender Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Es wurde im Richtlinientext auf Vorschlag der Bundesregierung klargestellt, daß dort, wo bereits Genehmigungsverfahren oder andere geeignete Verfahren bestehen, die Umweltverträglichkeitsprüfung in diese Verfahren integriert werden kann, also kein Zwang besteht, zusätzliche, quasi vorgeschaltete Verfahren neu einzuführen.
Aus den bisherigen Berichterstattungen ist Ihnen bekannt, welche Schwierigkeiten der Kompromißfindung entgegenstanden. Diese Schwierigkeiten sind leider nicht ohne Einfluß auf die Konzeption, die Struktur und das Anspruchsniveau dieses Richtlinienvorschlags geblieben. Ich verstehe es sehr gut, wenn hier Bedauern über die Tatsache ausgedrückt wird — ich teile dieses Bedauern —, daß der ursprüngliche Richtlinienvorschlag im Laufe der Verhandlungen abschwächenden Veränderungen unterzogen worden ist. Auch die Bundesregierung bedauert das. Unsere Konzeption war sehr viel weitergehend.
Man muß aber auch zur Kenntnis nehmen — ich bin dankbar, daß Herr Kollege Baum und Herr Kol-



Parl. Staatssekretär Spranger
lege Gerlach das auch zum Ausdruck gebracht haben —, daß es sich bei einem solchen Richtlinien-Vorschlag um ein Vorhaben mit erheblichem Querschnittcharakter handelt, also um ein Vorhaben, das Auswirkungen in den verschiedensten Bereichen zur Folge hat. Das betrifft sowohl die Abstimmung der materiellen Interessen als auch die Angleichung des Umweltrechtes und des Verwaltungsverfahrensrechtes von insgesamt zehn Mitgliedstaaten.
Die Probleme sind nicht nur in Brüssel aufgetreten — das muß man betonen —; auch im Rahmen der Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland hat es Schwierigkeiten gegeben. Der Richtlinienvorschlag wirkt sich nämlich sowohl auf Bundes-als auch auf Landesrecht aus, sowohl auf materielles als auch auf prozessuales Recht und damit zumindest indirekt auch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren.
Ich verpreche mir von der Verabschiedung dieses Richtlinienvorschlages über die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und der Auseinanderentwicklung der ökologischen Situation in den Mitgliedstaaten hinaus auch Impulse für das aus meiner Sicht außerordentlich dringliche, einheitliche, begriffliche und konzeptionelle Grundverständnis von Umweltverträglichkeitsprüfung als dem zentralen Verfahrensinstrument vorsorgender Umweltpolitik. Frau Kollegin Hartenstein und der Kollege Gerlach haben j a grundlegende Ausführungen speziell zu diesem Thema gemacht.
Wie Sie wissen, wird der Begriff der Umweltverträglichkeitsprüfung bislang häufig mit unterschiedlichen Bedeutungsinhalten verwandt, z. B. für rechtsstaatlich geordnete Verfahren zur Analyse und Bewertung der Umweltauswirkungen bestimmter Vorhaben oder für rechtsstaatlich geordnete Verfahren zur Analyse und Bewertung der Umwelteinwirkungen bestimmter Vorhaben oder für die Durchführung der inhaltlichen Prüfung eines Vorhabens auf seine Umweltverträglichkeit, losgelöst von der Frage, ob diese Prüfung in einem an bestimmten Elementen orientierten, rechtsstaatlich geordneten Verfahren geschieht, oder schließlich für bestimmte Methoden und Techniken der Ermittlung der Umweltverträglichkeit oder Umweltunverträglichkeit. Ich glaube, es ist an der Zeit, daß es hier zu einem einheitlichen Begriffsverständnis kommt.
Mit dem Bundesrat gehe ich davon aus, daß die Harmonisierung der Verfahren flankierend begleitet werden muß von einer Harmonisierung der inhaltlichen Maßstäbe und Kriterien für die Frage, was umweltverträglich bzw. umweltunverträglich ist.
Aus diesen Gründen ist also die Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu begrüßen. Ich hoffe, daß sie dazu beitragen wird, in bezug auf das zentrale Verfahrensinstrument vorsorgenden Umweltschutzes, d. h. auf die Umweltverträglichkeitsprüfung, einen politischen Grundkonsens des Hauses herbeizuführen, ohne den die gebotene und mit Augenmaß zu betreibende Harmonisierung der Verfahren im Außenverhältnis genauso unmöglich ist wie eine innere Harmonisierung des Umweltverfahrensrechtes von Bund und Ländern.
Ich halte es dennoch für fair und geboten, darauf hinzuweisen, daß sich der grundsätzliche Wunsch des Innenausschusses nach anspruchsvollerer Ausgestaltung der UVP — wie er in den Punkten 2 und 6 zum Ausdruck gekommen ist —, so verständlich er auch sein mag, zum Teil nur schwer mit den unter Ziffer 4 unterstützten Verhandlungsvorgaben vereinbaren läßt, die darauf abzielen, umfangreiche Novellierungen und Strukturbrüche des geltenden Umwelt- und Verwaltungsverfahrensrechtes nach Möglichkeit zu vermeiden.
Selbst unter dieser Einschränkung sehe ich in der Beschlußempfehlung jedoch eine willkommene und wirksame Unterstützung, die genügend Raum und Ermutigung für Weiterentwicklungen gibt.
Wie schon angedeutet, wird am kommenden Montag, dem 28. November 1983, eine Sitzung des Umweltministerrates unter griechischer Präsidentschaft in Brüssel stattfinden. Der Vorschlag für eine Richtlinie über Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Vorhaben wurde dort auf die Tagesordnung als Punkt 4 mit dem Ziel gesetzt, die Richtlinie zu verabschieden. Kollege Baum hat auf die Schwierigkeiten hingewiesen. Ich darf aber versichern, daß die Bundesregierung alles tun wird, um hier zu Fortschritten, nach Möglichkeit auch zu einer Verabschiedung zu kommen. Ich glaube, gerade deshalb war es besonders wichtig, hier noch einmal eine breite parlamentarische Unterstützung zu erhalten. Wir werden uns auch in den kommenden Wochen und Monaten mit aller Intensität dafür einsetzen, hier zu einer längst überfälligen Einigung zu kommen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID1003806500
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 10/613. Wer dieser zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so verabschiedet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes
— Drucksache 10/267 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuß)

— Drucksache 10/624 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Schwenk (Stade) Seesing

(Erste Beratung 25. Sitzung)

Die Berichterstatter wünschen nicht das Wort. Auch in der Aussprache wird das Wort nicht begehrt.



Vizepräsident Frau Renger
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 3 in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — So beschlossen.
Ich rufe Art. 4 in der Ausschußfassung auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/674 ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Wer Art. 4 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dies ist angenommen.
Es bleibt noch, über Einleitung und Überschrift abzustimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Meine Damen und Herren, nach Annahme von Änderungsanträgen in zweiter Beratung darf sich nach § 84 Buchstabe b unserer Geschäftsordnung die dritte Beratung nur dann unmittelbar anschließen, wenn auf Antrag einer Fraktion oder fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages zwei Drittel der anwesenden Mitglieder dies beschließen.
Ein Antrag, die dritte Beratung, jetzt unmittelbar anzuschließen, ist fristgerecht gestellt worden. Meine Damen und Herren, sind Sie damit einverstanden, daß wir sofort in die dritte Beratung eintreten? — Es erhebt sich kein Widerspruch dagegen. Dann ist dies einstimmig so beschlossen.
Wir treten dann in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau
— Drucksache 10/460 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß)

— Drucksache 10/598 —
Berichterstatter:
Abgeordnete
Dr. Freiherr Spies von Büllesheim Wolfram (Recklinghausen)

Dr.-Ing. Laermann

(Erste Beratung 31. Sitzung)

Die Berichterstatter wünschen nicht das Wort. Wird das Wort in der Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Wir treten in die dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! —

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Jetzt erhebt sich die wahre Opposition in diesem Hause!)

Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 bis 14 auf:
10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. Dezember 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ecuador zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
— Drucksache 10/555 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Feuerschutz-Steuergesetzes
— Drucksache 10/556 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß
12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 26. November 1976 zum Abkommen vom 22. November 1950 über die Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters
— Drucksache 10/554 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Finanzausschuß
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. November 1983 2665
Vizepräsident Frau Renger
Änderung des Gesetzes über das Seelotswesen
— Drucksache 10/572 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr
14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Luftverkehrsabkommen vom 27. Dezember 1977 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerrat der Sozialistischen Republik Birmanische Union
— Drucksache 10/573 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr
Das Wort wird nicht begehrt.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 10/555, 10/556, 10/554, 10/572 und 10/573 an die Ausschüsse vor, wie ausgedruckt. Sind Sie mit den Überweisungsvorschlägen einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Der Tagesordnungspunkt 15 betreffend die Errichtung eines Dokumentations- und Informationszentrums auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Esterwegen sowie der Tagesordnungspunkt 16 a betreffend Beratung der Sammelübersicht 15 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen sind abgesetzt.
Ich rufe deshalb jetzt Tagesordnungspunkt 16b auf:
Beratung der Sammelübersicht 16 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 10/592 —
Das Wort wird nicht begehrt. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses, die in der Sammelübersicht 16 enthaltenen Anträge anzunehmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! -- Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:
Beratung der Ubersicht 3 des Rechtsausschusses (6. Ausschuß) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
— Drucksache 10/591 —
Auch hier wird das Wort nicht begehrt.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuß empfiehlt auf Drucksache 10/591, von einer Äußerung oder einem Verfahrensbeitritt zu den in der vorgenannten Drucksache aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie (18. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament betreffend eine bessere Nutzung der Ergebnisse Gemeinschaftsgeförderter FuE-Aktivitäten
— Drucksachen 10/222, 10/549 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Carstensen (Nordstrand) Brosi
Die Berichterstatter wünschen nicht das Wort. Das Wort zur Aussprache wird auch nicht erbeten.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Forschung und Technologie auf Drucksache 10/549 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt . 19 auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr (14. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3164/76 über das Gemeinschaftskontingent für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten
— Drucksachen 10/376 Nr. 75, 10/602 —
Berichterstatter: Abgeordneter Kretkowski
Der Berichterstatter wünscht nicht das Wort. Das Wort zur Aussprache wird auch nicht erbeten.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Verkehr auf Drucksache 10/602 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 30. November 1983, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.