Rede von
Frank
Tempel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte
mich als ehemaliger Polizeibeamter mit dem Vorschlag
zur Ausrüstung von Bundespolizisten mit Body-Kameras
beschäftigen . Laut Gesetz sollen diese ja zum Schutz von
Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei, zur Verfol-
gung von Straftaten, zur Verfolgung von Ordnungswid-
rigkeiten mit erheblicher Bedeutung und auf Verlangen
von Betroffenen zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit
polizeilicher Maßnahmen dienen . Sie machen da also zur
Abwechslung mal in der Innenpolitik einen Vorschlag,
der tatsächlich diskussionswürdig ist . Wir werden darü-
ber diskutieren, ob die Body-Cam das leisten kann, was
sie verspricht, und wir müssen sicherstellen, dass die Re-
gelungen zur Einschränkung von Datenschutz und Bür-
gerrechten in verfassungskonformer Verhältnismäßigkeit
stehen; das ist ja unsere Aufgabe .
Wenn ich an meinen früheren Alltag als Polizeibeam-
ter denke, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die Bo-
dy-Cam, wenn sie läuft, zum Beispiel die Hemmschwelle
hebt, einen Polizeibeamten anzugreifen . Und das wäre
ein Erfolg . Ich habe in den letzten Tagen in digitalen Me-
dien viele Polizeibeamte gefragt, was sie selbst davon
halten . Zu meiner Überraschung waren die Meinungen
relativ kontrovers, Pro und Kontra waren gleichermaßen
dabei . Auch Studien helfen uns nicht weiter; denn sie be-
ziehen sich momentan auf sehr wenige Fälle und sagen
uns erst einmal noch nicht viel . Ich schlage vor, wenn wir
uns für eine Einführung entscheiden – und ich kann mir
das durchaus vorstellen –, eine begleitende wissenschaft-
liche Evaluierung gleich mit zu beschließen .
Vorher, meine Damen und Herren, müssen wir uns
aber über die Ausgestaltung des Gesetzes unterhalten .
Da fehlt einiges, worüber wir tatsächlich reden müssen .
Nach Ihrem Vorschlag funktioniert das ja so: Der Poli-
zeibeamte kündigt die Aufzeichnung, wenn er die Zeit
dafür hat, an, und dann zeichnet die Body-Cam auf . Sie
zeichnet also nicht permanent auf . Auf der einen Seite
ist das richtig: Sie wollen verdeckte Aufzeichnungen
vermeiden, an die das Bundesverfassungsgericht ja hohe
Hürden geknüpft hat . Auf der anderen Seite kann der Be-
amte so natürlich willkürlich entscheiden, welche Situa-
tion und vor allen Dingen welchen Teil einer Situation er
aufzeichnet und speichert .
Meine Damen und Herren, Sie können sich vorstellen,
dass das natürlich auch Besorgnis hervorruft . Oft werden
wir nur einen Teil einer Situation auf Video haben, und
das kann zu einer einseitigen Wertung führen . Wie sieht
es mit der Hoffnung aus, polizeiliches Fehlverhalten
aufklären zu können? Sie haben ja eine 30-tägige Auf-
bewahrungspflicht, unter anderem zur Möglichkeit der
gerichtlichen Überprüfung rechtmäßigen polizeilichen
Handelns, in diesen Gesetzentwurf hineingeschrieben .
Kann es aber Aufzeichnungen über unrechtmäßiges Han-
deln überhaupt geben, wenn der Polizeibeamte individu-
ell und ohne Regeln entscheiden kann, was aufgezeich-
net wird und was nicht? Das ist eine schwierige Frage,
die wir gerne mit Ihnen diskutieren wollen . Denn wir
brauchen, denke ich, schon klare Regelungen, was und
wann aufgezeichnet werden darf und muss .
Es gibt aber noch weitere offene Fragen und damit
auch Hausaufgaben, Herr Minister, damit wir das be-
schließen können. Im Gesetzentwurf finden sich kei-
ne Regelungen zur Manipulationssicherheit relevanter
Aufzeichnungen für eine richterliche Nutzbarkeit – ich
erinnere nur an das Verfahren gegen den Pfarrer König
in Dresden, wo die Polizei manipuliertes Videomaterial
vorgelegt hat –: keine Datenschutzbestimmungen, keine
Regelungen zu den Zugriffsrechten, keine Regelungen
zu den Beschäftigtenrechten – auch das wird die Beam-
ten interessieren –, keine Regelungen zu einer Kontrol-
le durch Datenschutzbeauftragte oder das Parlament . Da
muss nachgearbeitet werden .
Ich möchte aber noch einmal betonen: Ideen für mehr
persönliche oder rechtliche Sicherheit steht die Linke
sehr aufgeschlossen gegenüber . Wenn uns Polizeibeam-
te sagen, dass die Body-Cam mehr Sicherheit bringen
könnte, nehmen wir das sehr ernst . Wenn uns aber Bür-
ger sagen, dass sie glauben, dass kritische Aspekte zu
wenig berücksichtigt wurden, dann nehmen wir auch das
sehr ernst . Deswegen schlage ich ernsthaft vor, dass wir
zu diesem Thema eine Expertenanhörung im Innenaus-
schuss durchführen, um uns mit diesen offenen Fragen,
die Sie in Ihrem Gesetzentwurf komplett vergessen ha-
ben, noch einmal zu beschäftigen, damit dieses Hilfsmit-
tel, das ein Nützliches sein kann, tatsächlich beschlossen
werden kann; denn ohne Regelungen geht es nicht .