Rede von
René
Röspel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Vielleicht versuchen wir nun, anhand des An-
trags ein bisschen zu referieren, worum es geht . Der Kol-
lege Albani hat viel, wenn auch relativ schnell, aus dem
Antrag zitiert . Es geht tatsächlich um die Verbesserung
der Medizintechnik und der Versorgung von Menschen .
An dieser Stelle, Stephan Albani, vielen Dank für die
gute Zusammenarbeit – auch mit der Kollegin Griesbach
aus Ihrem Team – im abgelaufenen Jahr . Wir haben uns
beispielsweise um vernachlässigte und armutsassoziierte
Krankheiten gekümmert, einen entsprechenden Antrag
gestellt und forciert, dass das BMBF dagegen etwas tut .
Die Linke ist leider vor langer Zeit aus diesem Thema
ausgestiegen und beschränkt sich in ihren Anträgen of-
fenbar auf Ihre Ideologieschemata und -schablonen .
Weil Sie den unbewiesenen, da falschen Vorwurf der
interessengeleiteten Forschung erhoben haben,
will ich darauf hinweisen, dass wir, die drei Fraktionen,
die sich in den letzten anderthalb Jahrzehnten der Re-
gierungsverantwortung gestellt und nicht verweigert ha-
ben, in den Bereich des basisgesellschaftlichen und ba-
siswissenschaftlichen Fortschritts wesentlich investiert
haben, nämlich in die Grundlagenforschung . Seit 2005,
als Rot-Grün den Pakt für Forschung und Innovation
auf den Weg gebracht hat, den alle nachfolgenden Re-
gierungen fortgesetzt haben, gibt es bis zum Auslaufen
dieses Paktes 22 Milliarden Euro mehr für die Grundla-
genforschung. Diese Forschung findet beispielsweise bei
Max-Planck-Instituten und der Helmholtz-Gemeinschaft
statt .
Diese Forschung ist nicht interessengeleitet . Im Rahmen
des Hochschulpakts wird bis zu dessen Ende 2019 die
zentrale Basis unseres Wissenschaftssystems mit über
20 Milliarden Euro gefördert, nämlich die Forschung an
den Hochschulen . Diese Forschung ist ebenfalls nicht
interessengeleitet, auch wenn Sie das gerne anders hät-
ten . Kein Max-Planck-Forscher wird sich vorschreiben
lassen, was er zu erforschen hat, und das ist auch gut so .
Das war übrigens kein leichter Akt, sondern eine große
Kraftanstrengung .
Warum ist Grundlagenforschung so wichtig? In der
Grundlagenforschung widmen sich Menschen bestimm-
ten Fragen und suchen nach Antworten . In der ange-
wandten Forschung, die von Unternehmen betrieben
wird, wird eine Lösung für ein Problem gesucht, eine
Lösung, die man meinethalben kommerzialisieren kann .
– Deshalb fördern wir die Grundlagenforschung . Aber
die Politik mischt sich nicht ein . Die Forscher können
im Rahmen ethischer Grenzen tun und lassen, was sie
wollen .
Es gibt ein paar prägnante Beispiele, die deutlich
machen, warum Grundlagenforschung für den Erkennt-
nisgewinn wichtig ist . Genau darum geht es in unse-
rem Antrag: Wie können wir Erkenntnisse, die in der
Grundlagenforschung gewonnen werden, in die Gesund-
heitsversorgung oder – dagegen ist nichts zu sagen – in
kommerzielle Anwendungen transferieren? Vor 120 Jah-
ren – das ist vielleicht eines der bekanntesten Beispiele –
hat ein Physiker im Physikalischen Institut in Würzburg
vor einer abgedeckten Kathodenröhre gesessen und ein
bisschen experimentiert . Dann hat er festgestellt, dass be-
stimmte Substanzen außerhalb dieser Region zu leuchten
anfangen . Dieser Physiker war Wilhelm Conrad Rönt-
gen . Er hat sich mit Grundlagenforschung befasst und
überhaupt keine Überlegungen angestellt, welche An-
wendung seine geniale Entdeckung haben könnte . Auf
Röntgenforschung, Röntgenstrahlen und Röntgenappa-
rate will heute aber niemand mehr in einem guten Ge-
sundheitssystem verzichten .
Kathrin Vogler
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 201514554
(C)
(D)
Was ich beschrieben habe, ist vor 120 Jahren pas-
siert . Ein aktuelles und räumlich näheres Beispiel: Keine
500 Meter Luftlinie von hier entfernt befindet sich das
Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie . Dort betreibt
man reine Grundlagenforschung . Man hat sich dort unter
anderem mit der Tuberkulose befasst . Der einzige Impf-
stoff gegen Tuberkulose ist fast 100 Jahre alt; er stammt
von 1921 . Dieses Grundlagenforschungsinstitut hat die
große Hoffnung, einen neuen Impfstoff gegen Tuberku-
lose zu entwickeln, auch wenn sich dieser noch in der kli-
nischen Phase befindet. Der entscheidende Punkt ist, wie
man die Erkenntnisse der Grundlagenforschung gewinn-
bringend – gewinnbringend im Sinne von gesellschaftli-
cher Verbesserung, von mir aus auch gewinnbringend für
pharmazeutische Unternehmen, die daraus irgendwann
Kapital schlagen können – auf den Markt bringen kann .
Das geht zunächst leider nicht ohne staatliche Mittel;
aber irgendwann muss sich ein Pharmaunternehmen die-
ser Erkenntnisse der Grundlagenforschung annehmen,
um dann, wie hier, einen Impfstoff zu vermarkten .
Dieser Antrag setzt sich im Wesentlichen mit Medi-
zintechnik auseinander: Wie können wir das, was Rönt-
gen entdeckt hat, im medizintechnischen Bereich prak-
tisch umsetzen? Aber wir gehen auch deutlich über die
Medizintechnik hinaus . So fordern wir zum Beispiel ei-
nen Aktionsplan Wirkstoff- und Arzneimittelforschung .
Das Thema Antibiotika ist hier schon angesprochen wor-
den . Es gibt seitens des BMBF seit längerem – vielen
Dank dafür – eine Antibiotika-Resistenzstrategie, weil
bekannt ist, dass gegen die meisten Antibiotika, die wir
verwenden, wegen menschlichen Missbrauchs – von mir
aus können wir auch sagen: wegen kommerziellen Miss-
brauchs – Resistenzen existieren . Dagegen müssen wir
etwas tun . Wir wollen einen Aktionsplan Wirkstoff- und
Arzneimittelforschung, weil die pharmazeutischen Un-
ternehmen da versagen; das muss man deutlich sagen .
Wir haben gestern über das EFI-Gutachten gespro-
chen. Darin findet man die Aussage, dass die Forschungs-
und Entwicklungsintensität gerade der pharmazeutischen
Industrie seit 2012 rückläufig ist. Sie ist in Deutschland
zwar immer noch auf einem hohen Niveau; aber offenbar
wird zu wenig geforscht . Da braucht es leider staatliches
Engagement und politische Initiativen, um eine Verbes-
serung zustande zu bringen . Deutschland war einmal
die Apotheke der Welt . Unsere globale Verantwortung
für Menschen und Länder, die sich Medizin eben nicht
so leisten können wie wir, bewegt uns dazu, zu sagen:
Wir müssen in diesem Bereich unseren Teil beitragen . Es
braucht öffentliche Mittel, also Steuermittel, und öffent-
liche Forschung, um da ein Stück weiterzukommen . Die-
ser Gedanke findet sich in unserem Antrag wieder.
Wir fordern zum Beispiel, dass die Deutschen Zen-
tren der Gesundheitsforschung, die es seit einigen Jah-
ren gibt – dort konzentriert man sich auf die Arbeit zu
bestimmten Themen; man ist vernetzt mit Dritten, mit
Hochschulen, aber auch mit Wirtschaftsunternehmen –,
im Hinblick auf die Möglichkeit evaluiert werden, die
dort gewonnenen Erkenntnisse in die Versorgungspraxis,
in die Gesundheitsversorgung zu transferieren . Es geht
also darum, dass das, was dort erforscht wird, bei den
Menschen ankommt .
Unsere bereits bestehenden Systeme, die Gesund-
heitsnetzwerke und die Kompetenznetzwerke – wo Men-
schen gesundheitlich versorgt werden, wo Forscher, etwa
Hochschulkliniker, arbeiten, wo die Erfahrungen aus
Forschung und die Behandlung von Patienten zusam-
menkommen –, müssen stärker gefördert werden .
Auch da wollen wir bestehendes Gutes im Sinne der Pati-
entenorientierung und der Forschung erhalten .
Ich will auch darauf hinweisen, dass deutlich mehr
Patientenverbände als bisher beispielsweise im soge-
nannten Agenda-Setting von Forschung berücksichtigt
werden müssen .
Wir wollen die Betroffenen und Patientenverbände an
den Überlegungen, was für Forschung betrieben werden
soll, partizipieren lassen. Ich finde, dagegen kann man
überhaupt nichts sagen . Es wird noch schwer genug sein,
diese Neuerung durchzusetzen .
Ein letzter wichtiger Punkt – das hätten Sie in unserem
Antrag lesen können –: Wir wollen mehr in die Versor-
gungsforschung und in die Pflegewissenschaft investie-
ren .
Medizintechnische Innovationen sind wichtig, wie sich
bei Röntgen gezeigt hat . Manchmal sind es aber gar nicht
die großen teuren Geräte, die unsere Gesellschaft weiter-
bringen . Es wäre schon ein Fortschritt, wenn sich mehr
Menschen im Krankenhaus einfach nur die Hände wa-
schen würden . Mit einfachen Mitteln, etwa mit der Be-
achtung von Hygieneregeln, würden wir uns viele Pro-
bleme ersparen .
Das heißt: Wir wollen nicht nur mit Medizintechnik
auf die Menschen zugehen und dort das Heil suchen,
sondern wir sagen, dass es in der Versorgungsforschung
viele kleine Maßnahmen gibt, von technischen Maßnah-
men abgesehen,
etwa wie man mit pflegebedürftigen Menschen umgeht
und was man beachten muss . Genau das wollen wir hin-
zunehmen, damit am Ende das Wichtigste steht, nämlich
dass es den Menschen im Alltag bei ihrer Gesundheits-
und Krankheitsversorgung besser geht .
Vom forschungsseitigen Ansatz her ist dies, wie ich
glaube, ein guter Antrag . Wir werden ein Stück weiter-
kommen . Die politische Diskussion, was die Gesell-
schaft damit macht und was die Bürgerinnen und Bürger
entscheiden, was ihnen eine gute Gesundheitsversorgung
René Röspel
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14555
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in diesem Land wert ist und ob sie bereit sind, möglicher-
weise mehr dafür zu bezahlen,
findet auf einer anderen Ebene statt. Wir als SPD werden
unser Konzept der Bürgerversicherung weiter aufrecht-
erhalten, weil wir glauben, dass es wichtig, ist, dass alle
in eine Kasse zahlen und alle die gleichen Möglichkeiten
haben .
Aber das werden wir heute hier nicht entscheiden .
Ich danke allen Initiatoren und Mitinitiatoren für die-
sen Antrag, stelle fest, dass ich nichts mehr dazu zu sagen
habe, aber noch eine Minute Redezeit habe . Die nutze ich
jetzt, um meine Redezeitüberschreitung des ablaufenden
Jahres zu kompensieren und Ihnen allen frohe Weihnach-
ten zu wünschen .
Vielen Dank .