Rede von
Dr. Dr. h.c.
Bernd
Fabritius
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich fasse den Bericht der Bundesregierung zu
§ 96 BVFG zusammen: Es brechen endlich wieder bes-
sere Zeiten an . – Und das ist hocherfreulich .
Einige Vorrednerinnen tun allerdings fast so, als ob
sich Kulturpflege in Geschichtsbewältigung erschöpft.
Das ist dem Grunde nach falsch . Deswegen gehe ich da-
rauf nicht ein .
Nach 15 Jahren ist es uns gelungen, die Kulturförde-
rung nach § 96 BVFG wieder auf das Niveau zu bringen,
das es vor dem unglücklichen Kahlschlag vor 15 Jahren
hatte, und sogar noch zu steigern . Das Fördervolumen
hat endlich wieder das Niveau erreicht, welches Inhalt
und Auftrag des § 96 entspricht . § 96 ist beileibe kein
Instrument der Flüchtlingspolitik, auch wenn einige das
gerne so hätten .
Es war dringend nötig: Das jahrhundertealte kulturel-
le Erbe der Deutschen aus den ehemaligen Siedlungs-
gebieten in Ost-, Mittelost- und Südosteuropa – das ist
Objekt des § 96 – sowie die „Weiterentwicklung der
Kulturleistungen der Vertriebenen“ wurden mit dem
Naumann‘schen Änderungskonzept im Jahre 2000 fak-
tisch aufgegeben . Es sollte durch weitgehende Museali-
sierung – welch euphemistische Umschreibung einer Ab-
wicklung – geradezu kaltgestellt werden . Die Verbände
und Selbstorganisationen der deutschen Heimatvertrie-
benen sollten kaputtgespart werden . Ihre eigenen Kul-
tureinrichtungen wurden zunehmend isoliert und von der
Bundesförderung ausgeschlossen . Das breite Aufgabens-
pektrum zu Pflege, Erhalt und Weiterentwicklung dieses
kulturellen Schatzes – besonders auch der kulturellen
Breitenarbeit – konnte von den entsprechenden Verbän-
den so nur noch ungenügend erfüllt werden. Kulturpflege
in der Personengruppe war auf ehrenamtliche Wahrneh-
mung und Finanzierung durch beschränkte Eigenmittel
reduziert und entsprach so nicht im Ansatz mehr dem
Ute Bertram
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 2015 14549
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gesetzgeberischen Auftrag, den man sich immer wieder
vergegenwärtigen sollte .
Erst mit dem Haushaltsjahr 2006 konnten wieder ein
positiver Trend eingeleitet und die Mittel nach und nach
aufgestockt werden . Wenn wir einen Blick in den hier
vorliegenden Bericht werfen, dann wird deutlich, dass
dieses Geld gut angelegt ist und dass eine umfassende,
breite und professionelle Kulturarbeit, Frau Kollegin
Lotze, heute erneut möglich ist .
Wir sehen natürlich auch, dass es an der einen oder
anderen Stelle weiteres Verbesserungspotenzial gibt . Ich
denke beispielsweise an die Förderung der Kulturstiftung
der deutschen Vertriebenen oder an dringend benötigte
Kulturreferenten im Wirkungsbereich dieses Personen-
kreises, dessen Kultur es zu sichern und zu entwickeln
gilt . Ich sehe auch noch Lücken in der institutionellen
Förderung einiger Museen, um auch eine gewisse Nach-
haltigkeit bei deren Arbeit sicherzustellen . Denn eines
ist klar: Mit reiner Projektförderung sind Nachhaltigkeit
und Kontinuität nicht mehr als ein Wunsch und damit
ebenfalls ungenügend im Sinne des § 96 BVFG .
Ich sage Ihnen auch, warum es richtig und wichtig ist,
sich für eine nachhaltige Förderung einzusetzen und die-
ses kulturelle Erbe der deutschen Heimatvertriebenen –
ich wiederhole es – zu erhalten: Die Kultur der deutschen
Heimatvertriebenen ist unser aller kulturelles Erbe und
Teil der gesamtdeutschen Geschichte . Deswegen hat der
Gesetzgeber mit § 96 eine gesamtdeutsche Verpflichtung
zum Erhalt und zur Weiterentwicklung dieses Erbes ge-
schaffen, das nicht zur Disposition stehen darf .
Die Selbstorganisationen der Heimatvertriebenen dür-
fen wir mit dieser Arbeit nicht alleine lassen . Sie müssen
vielmehr als Partner der Kulturarbeit in die Bemühungen
von Bund und Ländern zum Erhalt eines lebendigen Kul-
turerbes einbezogen werden . Daher zählt es zu unseren
Verpflichtungen, im Bereich von Wissenschaft und For-
schung, im Bereich von Kulturvermittlung, im Bereich
der gesamten kulturellen Breitenarbeit deutliche Signale
zu setzen und die einzelnen Gruppen zu unterstützen .
Auch die Einbeziehung derjenigen – das wurde dan-
kenswerterweise angesprochen –, die heute weiter in den
Siedlungsgebieten leben und dort zum Erhalt von Tra-
ditionen, Bräuchen und kulturellen Werten beitragen,
ist wichtig . Deshalb bin ich dankbar dafür, dass wir im
Haushalt 2016 die Mittel für die Förderung der deutschen
Minderheiten vor Ort weiter erhöht haben und so unseren
Teil dazu beitragen, das kulturelle Erbe in den Herkunfts-
gebieten zu erhalten .
Gleichzeitig fordere ich an dieser Stelle auch unsere
Nachbarländer dazu auf, diese Kultur zu schützen und
einen Beitrag zu ihrem Erhalt zu leisten . Denn es ist auch
ihre Kultur, die als Teil der jeweiligen Gesamtkultur über
Jahrhunderte in diesen Regionen gewachsen ist . Polen
und seine neue Regierung dürfen das Engagement auf
diesem Gebiet nicht aufgeben und müssen insbesondere
auch die Verpflichtungen aus der ratifizierten einschlägi-
gen Charta des Europarates einhalten . Entgegenstehen-
de Signale dürfen sich nicht verfestigen und sollten zum
Nachdenken anregen . Denn, Frau Kollegin Hupach, die
Kultur Schlesiens ist auch die Kultur Polens, die Kultur
der Sudetendeutschen ist auch die Kultur der Tschechi-
schen Republik, und die Kultur Siebenbürgens und des
Banats ist auch die Kultur Rumäniens .
Kulturarbeit und Kulturförderung haben auch etwas
Verbindendes . In einem vereinten Europa sind die je-
weiligen Minderheiten wichtige Brückenbauer und Ver-
ständnisbilder zwischen den Nationen . Die Verbände aus
Deutschland stehen in einem intensiven Dialog mit den
Minderheiten vor Ort, mit der einheimischen Mehrheits-
bevölkerung und mit den staatlichen Institutionen . Gera-
de im Jugendbereich gibt es weitreichende Kooperatio-
nen und Projekte, die alte Vorurteile abbauen und sich für
Verständigung mit den östlichen Nachbarn starkmachen .
So wächst Europa weiter zusammen, so funktioniert eine
auf Völkerverständigung ausgerichtete Kulturpflege. Ab-
bau von Vorurteilen scheint auch in Deutschland weiter-
hin nötig zu sein .
Danke .