Rede von
Ute
Bertram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema
„Flucht und Flüchtlinge“ ist seit Monaten in aller Munde .
Wenn wir sehen, wie viele Menschen heute in Deutsch-
land Schutz suchen, erkennen viele Deutsche Parallelen
zur eigenen Familiengeschichte .
Denn nach dem Zweiten Weltkrieg kamen aus den
ehemaligen deutschen Gebieten gut 14 Millionen Flücht-
linge und Heimatvertriebene ins heutige Bundesgebiet .
Später folgten die deutschstämmigen Aussiedler aus dem
östlichen Europa und den Nachfolgestaaten der Sowjet-
union . Sie alle standen vor der Aufgabe, sich hier eine
neue Heimat zu schaffen, ohne ihre Wurzeln zu verleug-
nen . Eine Allensbach-Studie hat erst dieses Jahr bestä-
tigt: Jeder vierte Deutsche hat dazu einen persönlichen
oder familiären Bezug .
Welche Rolle die alte Heimat bis heute spielt, sehe ich
in meinem Wahlkreis Hildesheim . Tausende von Schle-
Ulle Schauws
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 147 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 18 . Dezember 201514548
(C)
(D)
siern bauten sich bei uns eine neue Heimat auf, und bis
heute gibt es einen regen kulturellen Austausch mit der
Herkunftsregion im Riesengebirge rund um die Stadt
Hirschberg . Es ist beeindruckend, was die Heimatver-
triebenen und ihre Organisationen bis heute leisten, vor
allem auch für die Verständigung mit unseren osteuropä-
ischen Nachbarn .
Allerdings stirbt die Generation derer, die sich noch
aus eigenem Erleben an Hirschberg oder an die anderen
Herkunftsorte des deutschen Ostens erinnern können,
aus . Wir stehen deshalb vor der großen Herausforderung,
die Jugend für das gemeinsame Engagement mit Osteu-
ropa zu gewinnen . Hier müssen die Schulen noch mehr
tun . Denn für unser nationales Selbstverständnis spielt
dieser Teil der deutschen Geschichte eine entscheidende
Rolle .
Die unmittelbare Pflege des Kulturgutes der Her-
kunftsgebiete ist damit eng verbunden . Seit 1953 en-
gagiert sich der Bund für die Förderung von Archiven,
Museen, Bibliotheken, Wissenschaft und Forschung im
östlichen Europa . Wie wichtig uns diese Förderung ist,
haben wir noch einmal im Koalitionsvertrag verankert .
Wir sprechen heute über das Engagement des Bundes
in den Jahren 2013/14 . Der Bericht belegt eindrucksvoll
die Vielfalt der Vorhaben zur deutschen Kultur und zur
Geschichte im östlichen Europa . Im Vergleich zum Be-
richtszeitraum 2011/12 konnten wir die Förderung um
mehr als 30 Prozent auf insgesamt 43,5 Millionen Euro
aufstocken . Mit weiteren 1,7 Millionen Euro unterstützt
das Bundesministerium des Innern im gleichen Zeitraum
die verständigungspolitische Arbeit der Vertriebenen .
Das ist ein deutliches Zeichen unserer hohen Wertschät-
zung für das kulturelle Erbe im östlichen Europa .
Freilich will ich nicht verhehlen, dass wir die starken
Kürzungen in diesem Bereich aus der Regierungszeit von
Rot-Grün noch nicht vollständig überwunden haben . In-
sofern, Frau Lotze und Frau Schauws, kann ich es nicht
akzeptieren, dass Sie hier Kritik anbringen .
Bei uns Christdemokraten ist dieses Thema nämlich
ganz oben angesiedelt . Die Bundeskanzlerin Angela
Merkel hat es sich letztes Jahr nicht nehmen lassen, nach
Schweidnitz und Kreisau in Schlesien zu fahren . 1989
nahm Helmut Kohl mit dem damaligen polnischen Re-
gierungschef Tadeusz Mazowiecki an der Kreisauer
Versöhnungsmesse teil . Der Friedensgruß zwischen den
beiden gilt als der symbolische Ausgang des Versöh-
nungsprozesses nach dem Fall des Eisernen Vorhangs .
25 Jahre später feierte die Bundeskanzlerin dort das
Mauerfalljubiläum . Auf dem Gut der Familie Moltke
verschwor sich einst der berühmte Kreisauer Kreis gegen
Hitler . Heute ist daraus, auf Wunsch Deutschlands, eine
deutsch-polnische Jugendbegegnungsstätte geworden .
Weil wir wissen, dass Kulturarbeit Brücken schlägt, för-
dern wir als Parlament noch weitere Projekte . Als Bei-
spiel möchte ich den Kulturhauptstadtexpress nach Bres-
lau anführen, Europäische Kulturhauptstadt 2016 . Auch
dort wird deutsch-polnische Kulturarbeit lebendig; denn
die deutsche Geschichte der Stadt wird auch im Kultur-
hauptstadtprogramm vorkommen, genauso wie die deut-
schen Minderheiten .
Das Thema bleibt aktuell in Bezug auf unsere östli-
chen Nachbarn, und es wird aktuell in Bezug auf unser
Zusammenleben mit allen Tausenden Flüchtlingen, die
heute zu uns kommen . Ich hoffe, dass all jene, die sich
seit Jahren für die Vertriebenen engagieren, ihr vieles
Wissen nun mit einbringen . Denn wer weiß, was Flucht
und Vertreibung für das eigene Leben bedeuten, der kann
auch den heute ankommenden Flüchtlingen helfen .
Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Weihnachts-
zeit .
Vielen Dank .