Rede von
Dr.
Norbert
Lammert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Die Kollegin Annalena Baerbock ist die nächste Red-
nerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin, Sie haben
schon dargelegt: In Lima wurde heiß verhandelt. Am
Anfang wurde viel hineinverhandelt. Am Ende wurde
leider viel herausverhandelt. Ich glaube, wir alle sind
nicht wirklich glücklich aus diesem Prozess herausge-
gangen. Nichtsdestotrotz auch von meiner Seite herzli-
chen Dank an das Ministerium und vor allem an die vie-
len Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Lima einen
sehr guten Job gemacht haben.
Umso fataler ist aber – Frau Weisgerber, Sie haben
die Bundeskanzlerin schon erwähnt –, dass ausgerechnet
die Bundeskanzlerin den Verhandlerinnen und Verhand-
lern hier in Deutschland in den Rücken fällt. Es war
schon ein starkes Stück, dass Frau Merkel zuerst den Ge-
neralsekretär der Vereinten Nationen im September ver-
prellte, dann auf der Parallelveranstaltung beim BDI im
September das Wort „Klimaschutz“ noch nicht einmal in
den Mund nehmen konnte und es nun – das muss man
sich einmal vorstellen – auf dem CDU-Parteitag, der pa-
rallel zur Weltklimakonferenz in Lima stattfand, erneut
nicht schaffte, das Wort „Klimaschutz“ in den Mund zu
nehmen.
Blöd ist nur, dass dieses Verhalten offensichtlich auf
die SPD abfärbt. Natürlich gibt es engagierte Klimapoli-
tiker bei den Sozialdemokraten, aber leider müssen wir
feststellen, dass der SPD-Parteitag im nächsten Jahr aus-
gerechnet in der heißen Phase der Klimakonferenz in Pa-
ris stattfindet. Das ist vielleicht ein dummer Zufall.
Eventuell ließ sich der Parteitag nicht mehr verschieben.
Eine Woche zuvor findet vielleicht auch noch die
IGBCE-Jahresversammlung statt. Allerdings ist es auf-
fällig, dass sich solche Zufälle häufen.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 7393
Annalena Baerbock
(C)
(B)
Kein wirklicher Zufall war jedoch, dass ausgerechnet
zu dem Zeitpunkt, wo die Umweltministerin gen Süden
reist, um in einen Verhandlungstext hineinzuschreiben,
dass das IPCC recht hat und dass zwei Drittel der fossi-
len Energieträger unter der Erde bleiben müssen, Herr
Gabriel – er hat leider den Saal verlassen – gen Norden
nach Schweden fährt. Was sagt er dort? Nicht, dass zwei
Drittel der fossilen Energieträger unter der Erde bleiben
müssen. Parallel zu den Verhandlungen in Lima appel-
liert der Bundeswirtschaftsminister an die schwedische
Regierung, dafür zu sorgen, dass Vattenfall vor seinem
Abzug aus der Lausitz noch fünf neue Tagebaue er-
schließt. Das ist mehr als kontraproduktiv. Das ist ein
Verrat an der deutschen Umweltpolitik.
Dafür bekommt Herr Gabriel nicht nur eine grüne Null.
In Lima hätte er dafür den Fossil of the Day bekommen.
Das hätte alles zunichte gemacht, was Sie auf positive
Weise herausgehandelt und im Rahmen der Klimafinan-
zierung angekündigt haben und wofür Sie in Lima den
Ray of the Day bekommen haben.
Wir hoffen sehr, dass Sie nun über Weihnachten zur
Besinnung kommen und wieder in den Fokus stellen,
was Klimapolitik – auch auf nationaler Ebene – bedeu-
tet, und dass das auch – das hat mich leider sehr ge-
schmerzt, liebe Frau Hendricks – bis zur Führungsspitze
Ihres Ministeriums durchdringt. Auch wir Grüne haben
in Lima applaudiert, als Sie an die Welt appellierten: Act
now! – Was mussten wir dann feststellen, als wir hier im
Deutschen Bundestag fragten, ob dieses „Act now“ be-
deutet, dass sich Deutschland nun im Rahmen der G-7-
Präsidentschaft für einen Abbau der Subventionen für
fossile Energieträger einsetzt, wie es in Lima im Ele-
mentetext – ein kleiner positiver Aspekt – steht und be-
schlossen wurde? Leider musste ich von Ihrer Staatsse-
kretärin erfahren, dass die deutsche Übersetzung von
„Act now“ nicht etwa ist: „Ja, wir handeln jetzt im Rah-
men der G 7“, sondern die deutsche Übersetzung von
„Act now“ für die fossilen Subventionen bedeutet: Mit-
telfristig planen wir, daraus auszusteigen. – Das ist mehr
als Doppelmoral, liebe Frau Hendricks.
Live und in Farbe konnten wir das im Wirtschaftsaus-
schuss erleben: KfW-Kohleauslandsfinanzierung. Im
Mai hat das Wirtschaftsministerium angekündigt, dass es
registriert habe, dass andere Länder wie die USA und
Frankreich und internationale Institutionen wie die Euro-
päische Investitionsbank oder die Weltbank gesagt ha-
ben: Wir müssen aus der Kohleauslandsfinanzierung
aussteigen. – Seit Mai warten wir auf den Vorschlag der
Bundesregierung. Wir haben immer wieder nachgefragt.
Er wurde dann für Mittwoch versprochen, und wir durf-
ten Erstes in der Zeitung lesen. Aber dann stand die
Staatssekretärin im Wirtschaftsausschuss leider mit lee-
ren Händen da, weil man sich immer noch nicht ent-
schieden hatte, auch aus der KfW-Kohlefinanzierung
auszusteigen, obwohl Sie, liebe Frau Ministerin, in New
York das schon im September angekündigt haben. Es ist
nicht nur ein Affront gegenüber dem Parlament, es ist
auch unverschämt gegenüber der Weltgemeinschaft,
wenn Sie verkünden: Was schert mich mein Geschwätz
vor den Vereinten Nationen, wenn ich doch unsere eige-
nen Berichte immer wieder aufschieben kann.
In diesem Sinne noch einmal der Appell: Kommen
Sie zur Besinnung! Halten Sie Ihre internationalen Ver-
sprechen, auch beim nationalen Handeln!
Machen Sie Ihre nationalen Hausaufgaben! Hören Sie
auf, sich hinter Polen, China oder sonst wem zu verste-
cken! Setzen Sie national um, was Sie international ver-
sprechen! Das bedeutet: Machen Sie den Subventionsab-
bau zum Thema der G-7-Präsidentschaft, und stellen Sie
die Klimafinanzierung in den Mittelpunkt der Präsident-
schaft!
Sie wissen es ganz genau und haben es selber ange-
sprochen: Das ist der Casus knacksus für die Entwick-
lungsländer. Ja, die 750 Millionen Euro für den Green
Climate Fund sind richtig; aber sie reichen doch nicht
aus, um auf die 100 Milliarden Dollar, die die Industrie-
staaten jährlich versprochen haben, zu kommen. Der
Green Climate Fund hat jetzt 10 Milliarden Dollar, aber
wir brauchen 100 Milliarden Dollar. Die Einzahlungen
in den Green Climate Fund sind einmalig. Sie aber ha-
ben versprochen, 100 Milliarden jährlich zu zahlen.
Diese Versprechen wurden nicht gehalten. Deswegen
misstrauen Ihnen und uns viele Entwicklungsländer. Da
müssen wir heran.