Rede von
Eva-Maria
Bulling-Schröter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
ist ja eine recht verbreitete Meinung, dass Klimagipfel
im Prinzip sinnlos sind – aufwendige alljährliche Mas-
senkonferenzen, die ohne wirkliches Ergebnis bleiben.
Ich möchte explizit sagen: Ich teile diese Meinung nicht.
Ich habe jetzt über ein Dutzend Mal an Klimakonferen-
zen teilgenommen und halte es für sehr wichtig, dass der
Gesprächsfaden zwischen so vielen Ländern mit so un-
terschiedlichen Interessen nicht abreißt.
Für mich sind die vielen Begegnungen mit Menschen,
die direkt unter dem Klimawandel leiden, jedes Mal eine
besondere und erschütternde Erfahrung. Ich berichte da-
rüber in Blogs, weil ich diese Probleme der Länder des
Südens weitervermitteln will.
Ich hätte aus Lima gerne gute Nachrichten mitge-
bracht; aber ich möchte lieber Klartext reden. Liebe Kol-
leginnen und Kollegen, Lima war – anders als hier ver-
mittelt werden soll – kein Minimalkompromiss; Lima
war ein trauriger Offenbarungseid dessen, was wir unter
internationaler Klimadiplomatie verstehen. Ja, in Peru
wurde ein Schritt in Richtung Paris gemacht – das
stimmt. Aber nicht jeder Schritt ist zwangsläufig einer in
die richtige Richtung. Denn was da in Paris unter gro-
ßem Tamtam verabschiedet werden wird, das wird vor
allem eines sein: eine große Selbstlüge.
Statt den Menschen weiter vorzugaukeln, dass wir in
der Klimapolitik Lösungen finden, die den Klimawandel
auf das 2-Grad-Limit reduzieren, sollten wir endlich rei-
nen Wein einschenken.
Sie wissen genauso gut wie ich, dass die künftigen
Mechanismen des Pariser Abkommens das Papier nicht
wert sind, auf dem es stehen wird. Aber das können Sie
natürlich nicht eingestehen, meine Damen und Herren
von der Regierung: die einen, weil sie starrsinnig vom
eingeschlagenen Weg überzeugt sind, und die anderen,
die zwar verstanden haben, dass es so nicht geht, weil ih-
nen der Mut fehlt.
Lassen Sie mich eines ganz klar sagen: Mit den alten
neoliberalen Rezepten wurde die Finanzkrise ausgelöst
statt gelöst. Volkswirtschaften wie Griechenland und
Spanien haben Sie mit Ihrem Glauben an mehr Markt
und mehr Staatsrückbau an den Abgrund manövriert.
Mit den alten neoliberalen Rezepten wurde auch die
soziale Frage nicht gelöst. Was wir erleben, ist, dass
überall dort, wo Unternehmer freie Bahn haben, die
Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird. Die
85 reichsten Menschen der Erde sind reicher als 3,5 Mil-
liarden Mitbürgerinnen und Mitbürger. Fast die Hälfte
des weltweiten Reichtums gehört einer kleinen Gruppe
von 1 Prozent. Auf der anderen Seite verfügt die Hälfte
der Menschheit nur über 1 Prozent des weltweiten Ku-
chens von Besitz und Vermögen. Unfassbar!
Meine Frage lautet also: Warum sollten zwei typisch
neoliberale Instrumente – erstens weniger Verantwor-
tung für die Staaten durch freiwillige Klimaschutzziele
und zweitens die Übertragung des Löwenanteils der Kli-
maschutzfinanzierung auf die Privatwirtschaft – die so
dringliche Menschheitsfrage des Klimawandels lösen?
Schauen wir uns den Grünen Klimafonds an, der ge-
rade als das Klimaschutzinstrument überhaupt gefeiert
wird. Ich möchte Sie alle fragen: Woher kommt der Op-
timismus, dass es ausgerechnet der Grüne Klimafonds
sein soll, der die große Hebelwirkung entfaltet? Ich finde
diese Frage schon berechtigt; denn um die Einzahlungen
der Staaten wird aktuell politisch sehr großes Aufheben
gemacht.
Frau Ministerin Hendricks, Sie haben in Lima mit
dem deutschen Beitrag zum Klimafonds recht ordentlich
Imagepflege betrieben; übrigens genauso wie US-Au-
ßenminister Kerry oder sein australischer Kollege – die
USA und Australien sind Paradebeispiele für neoliberal
regierte Industriestaaten –, die den Klimaschutzprozess
aber weiterhin massiv behindern. Man schmiert sich ge-
genseitig Honig ums Maul, während in Washington der
Teersandboom eingeleitet wird und Berlin sich nicht ein-
mal traut, ein Kohleausstiegsgesetz bzw. keine Exporte
von Kohlekraftwerken zu beschließen.
Bis 2020 also sollen jährlich 100 Milliarden Dollar
zusammenkommen, um Klimaschutzprojekte und die
Anpassung an den Klimawandel in den Entwicklungs-
ländern zu finanzieren – eine gute Sache also. In der Tat
hört sich das ja erst einmal nicht schlecht an: 100 Mil-
liarden im Jahr, staatliche und private Gelder.
Was ich mich aber frage, ist: Kann mit den 100 Mil-
liarden im Jahr diese Mammutaufgabe – die Finanzie-
rung der weltweiten Energiewende und der weltweiten
Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel –
wirklich gestemmt werden? Wie können wir uns darauf
verlassen, dass die Privatinvestoren das quasi im Allein-
gang schaffen, zumal die Zeit, wie wir wissen, drängt?
Frau Ministerin Hendricks sagte nach der Klimakonfe-
renz selber im Deutschlandfunk:
Die öffentlichen Mittel sollen im Prinzip die priva-
ten Investorenmittel hebeln. Das kennt man ja als
Prinzip.
Ich kann Ihnen versichern: Niemand würde sich stär-
ker wünschen als ich, dass dieses Prinzip auch greift.
Schließlich könnte der Grüne Klimafonds ein exzellenter
Umverteilungsmechanismus von Reich zu Arm sein.
Aber es ist nicht klar, ob die 100 Milliarden überhaupt
zusammenkommen; ich sage nur: Stichwort „Schwarze
Null“.
Lassen Sie mich daran erinnern: Die Gelder für den
Klimaschutz müssen zusätzlich zur Verfügung gestellt
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 7387
Eva Bulling-Schröter
(C)
(B)
werden. Sie dürfen nicht, wie es schon gängige Praxis
ist, mit den Entwicklungshilfegeldern verrechnet wer-
den. Nicht einmal hier haben die Industrieländer gelie-
fert. Auch Deutschland zahlt nicht wie zugesagt 0,7 Pro-
zent der Wirtschaftsleistung für Entwicklung und
Armutsbekämpfung, sondern nur gut die Hälfte der eige-
nen Zusagen, nämlich 0,38 Prozent. Das ist schäbig.
Einen Durchbruch – so reden Sie, Frau Hendricks,
den Klimagipfel in Peru schön – kann ich nicht erken-
nen. Das sind eigentlich nur Brotkrumen, die der Norden
den Entwicklungsländern hinwirft. Angesichts dessen
braucht man sich nicht zu wundern, dass uns kein Ver-
trauen entgegengebracht wird.
Wir halten also fest, dass es ohne zusätzliches Geld
für die Schwellen- und Entwicklungsländer nicht gehen
wird.
Zu den freiwilligen Klimazielen der Staaten will ich
nur eines sagen: Solange Klimapolitik auch Standort-
politik ist, wird mit Freiwilligkeit nur wenig erreicht
werden. Alles andere zu glauben, wäre wirklich naiv.
Um das zu erkennen, braucht man sich nur andere frei-
willige Selbstverpflichtungen anzuschauen, zum Bei-
spiel die Selbstverpflichtungen im Bereich der Textilin-
dustrie oder die Sozialkodizes bei OECD-Investitionen.
Die Standortpolitik erkennen wir auch in den umwelt-
schädlichen Subventionen, die in Deutschland laut Um-
weltbundesamt mehr als 50 Milliarden Euro betragen,
mit seit 2006 steigender Tendenz.
Also, Frau Hendricks, liebe Regierung: Schenken Sie
den Menschen reinen Wein ein, statt von einem Durch-
bruch in Lima zu sprechen;
denn wir können nur auf der Basis von Erkenntnis han-
deln. Wir müssen ehrlich sein, und dann müssen wir
wirklich handeln.
Danke.