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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/77 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 77. Sitzung Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 22: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: zur UN-Klima- konferenz in Lima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7383 A Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7383 B Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 7386 A Matern von Marschall (CDU/CSU) . . . . . . . . 7387 B Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7388 C Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7389 D Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . . 7391 B Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7392 C Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 7394 A Peter Stein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 7394 D Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 7396 A Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . 7397 B Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gute Arbeit und eine sanktions- freie Mindestsicherung statt Hartz IV Drucksache 18/3549 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7398 B Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 7398 B Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 7399 C Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . 7400 A Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . 7402 D Dr. Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 7403 C Matthäus Strebl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 7405 A Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 7406 A Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7406 B Dr. Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 7408 A Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7408 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7409 C Albert Stegemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 7410 C Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 7412 A Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU) . . . . . 7413 B Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7414 A Tagesordnungspunkt 24: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Regionale Wirtschaftspolitik – Die richtigen Weichen für die Zukunft stel- len Drucksache 18/3404 . . . . . . . . . . . . . . . . . 7415 C b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Koordinierungsrahmen der Gemein- schaftsaufgabe „Verbesserung der regio- nalen Wirtschaftsstruktur“ ab 1. Juli 2014 Drucksache 18/2200 . . . . . . . . . . . . . . . . . 7415 C Andrea Wicklein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 7415 D Thomas Nord (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 7417 A Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 Jan Metzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 7417 D Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7418 D Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 7420 A Tagesordnungspunkt 26: Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Gentechnik-Anbau- verbot bundeseinheitlich und konsequent umsetzen Drucksache 18/3550 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7421 A Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7421 A Kees de Vries (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 7422 B Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7423 A Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 7423 C Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . 7424 C Carola Stauche (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 7425 C Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7427 B Nächste Sitzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7428 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 7429 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7429 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 7383 (A) (C) (D)(B) 77. Sitzung Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 7429 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 19.12.2014 Becker, Dirk SPD 19.12.2014 Brugger, Agnieszka BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.12.2014 Buchholz, Christine DIE LINKE 19.12.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 19.12.2014 Dörflinger, Thomas CDU/CSU 19.12.2014 Fischer (Karlsruhe- Land), Axel E. CDU/CSU 19.12.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 19.12.2014 Dr. Harbarth, Stephan CDU/CSU 19.12.2014 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 19.12.2014 Jarzombek, Thomas CDU/CSU 19.12.2014 Jung, Andreas CDU/CSU 19.12.2014 Kaczmarek, Oliver SPD 19.12.2014 Kassner, Kerstin DIE LINKE 19.12.2014 Kauder, Volker CDU/CSU 19.12.2014 Kovac, Kordula CDU/CSU 19.12.2014 Dr. Krüger, Hans-Ulrich SPD 19.12.2014 Kunert, Katrin DIE LINKE 19.12.2014 Dr. Lamers, Karl A. CDU/CSU 19.12.2014 Dr. von der Leyen, Ursula CDU/CSU 19.12.2014 Dr. de Maizière, Thomas CDU/CSU 19.12.2014 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 19.12.2014 Dr. Middelberg, Mathias CDU/CSU 19.12.2014 Petry, Christian SPD 19.12.2014 Pilger, Detlev SPD 19.12.2014 Rüffer, Corinna BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.12.2014 Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.12.2014 Schiewerling, Karl CDU/CSU 19.12.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 19.12.2014 Schön (St. Wendel), Nadine CDU/CSU 19.12.2014 Dr. Steinmeier, Frank- Walter SPD 19.12.2014 Tank, Azize DIE LINKE 19.12.2014 Tillmann, Antje CDU/CSU 19.12.2014 Vogler, Kathrin DIE LINKE 19.12.2014 Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 19.12.2014 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 19.12.2014 Weinberg, Harald DIE LINKE 19.12.2014 Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 19.12.2014 Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2014 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 25 Titel 671 01 – Erstattung an Dritte für die Durchführung der Fluggast- und Reisege- päckkontrollen – bis zur Höhe von 26 Mio. Euro Drucksachen 18/2885, 18/3108 Nr. 1 Ausschuss für Kultur und Medien – Unterrichtung durch die Deutsche Welle Evaluationsbericht 2013 der Deutschen Welle Drucksache 17/14285 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 7430 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 (A) (C) (D)(B) Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/3110 Nr. A.2 EuB-BReg 75/2014 Innenausschuss Drucksache 18/1935 Nr. A.3 Ratsdokument 10060/14 Drucksache 18/1935 Nr. A.4 Ratsdokument 10062/14 Drucksache 18/1935 Nr. A.5 Ratsdokument 10063/14 Drucksache 18/2055 Nr. A.2 Ratsdokument 10297/14 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Drucksache 18/544 Nr. A.24 Ratsdokument 17509/13 Drucksache 18/2533 Nr. A.26 Ratsdokument 12184/14 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/3362 Nr. A.9 Ratsdokument 14590/14 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 18/3362 Nr. A.13 EP P8_TA-PROV(2014)0041 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 18/3362 Nr. A.14 Ratsdokument 14755/14 Drucksache 18/3362 Nr. A.15 Ratsdokument 14757/14 Drucksache 18/3362 Nr. A.16 Ratsdokument 14758/14 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 18/1935 Nr. A.13 Ratsdokument 10108/14 Drucksache 18/2533 Nr. A.65 Ratsdokument 12570/14 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 18/419 Nr. A.186 Ratsdokument 13002/13 Drucksache 18/419 Nr. A.187 Ratsdokument 13920/13 Drucksache 18/419 Nr. A.194 Ratsdokument 16118/13 Drucksache 18/419 Nr. A.195 Ratsdokument 16171/13 Drucksache 18/419 Nr. A.196 Ratsdokument 16348/13 Drucksache 18/642 Nr. A.14 Ratsdokument 5634/14 Drucksache 18/1048 Nr. A.18 EP P7_TA-PROV(2014)0128 Drucksache 18/2055 Nr. A.12 Ratsdokument 10582/14 Drucksache 18/2055 Nr. A.14 Ratsdokument 10679/14 Drucksache 18/2533 Nr. A.68 Ratsdokument 10648/14 Drucksache 18/2533 Nr. A.71 Ratsdokument 12425/14 Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 77. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 22 Regierungserklärung zur UN-Klimakonferenz TOP 23 Gute Arbeit und sanktionsfreie Mindestsicherung TOP 24 Regionale Wirtschaftspolitik TOP 26 Gentechnik-Anbauverbot Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Lammert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

    Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
    begrüße Sie herzlich zur voraussichtlich letzten Plenar-
    sitzung dieses Jahres. Änderungen für die bereits gestern
    modifizierte Tagesordnung gibt es nicht mehr.

    Wir können also gleich in den Tagesordnungs-
    punkt 22 eintreten:

    Abgabe einer Regierungserklärung durch die
    Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau
    und Reaktorsicherheit

    zur UN-Klimakonferenz in Lima
    Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für

    die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
    rung 60 Minuten vorgesehen. – Dazu sehe ich Einver-
    nehmen. Dann verfahren wir so.

    Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
    die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und
    Reaktorsicherheit, Frau Hendricks. Bitte sehr.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um-
    welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:

    Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
    gen! Eine aktive Klimapolitik gehört heute zum gesell-
    schaftlichen Konsens in Deutschland. Alle politisch akti-
    ven Menschen, ob im Bundestag, in den Ländern oder
    Kommunen, stellen sich heutzutage den Herausforde-
    rungen des Klimaschutzes. Nehmen Sie die Energie-
    wende! Sie ist eine Tochter unserer Klimaschutzpolitik.

    Die Aktivitäten in Wirtschaft und Politik zur Minde-
    rung von Treibhausgasemissionen bewirken zunehmend,
    dass sich Wachstum und Wohlstand vom Ressourcenver-
    brauch und vom Energieverbrauch abkoppeln. Das wäre
    vor einigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen. Dies
    ist ein Fortschritt und tatsächlich eine richtig gute Ent-
    wicklung.

    Wir nehmen in Deutschland Schritt für Schritt Ab-
    schied von klimafeindlichen Technologien; mehr noch:
    Wir entwickeln Technologien und Lösungen, mit denen
    eine klimaverträgliche und wirtschaftliche Entwicklung
    überhaupt erst möglich ist.

    In der EU haben wir uns das Ziel gesetzt, bis 2050
    80 bis 95 Prozent weniger CO2-Emissionen zu verursa-
    chen. Für Deutschland bedeutet das, dass wir eher am
    oberen Ende dieses Korridors landen wollen. Damit wer-
    den wir aber nicht auf unseren Platz als eine führende In-
    dustrie- und Exportnation oder als Technologieführer
    verzichten – weder müssen wir das noch wollen wir das –;
    ganz im Gegenteil: Der Kampf gegen den Klimawandel
    und seine Folgen ist eine herausragende Chance, um un-
    seren Wohlstand auch für die Zukunft zu sichern und um
    Deutschlands Position als Industrienation zu festigen
    und auszubauen.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Meine Damen und Herren, aber schauen wir nicht nur
    auf uns selbst! Das Klima macht, wie wir alle wissen,
    natürlich nicht an Ländergrenzen halt. Die Folgen des
    Klimawandels sind schon heute ungerecht verteilt. Es
    sind die Menschen in den ärmsten Staaten und in den
    ärmsten Regionen, die am meisten unter Extremwetter-
    ereignissen und deren Folgen wie zum Beispiel Ernte-
    ausfällen zu leiden haben. Wenn sich diese Entwicklung
    durch den fortschreitenden Klimawandel weiter ver-
    schärft, dann verschärfen sich auch die regionalen und
    die globalen Konflikte um Wasser, um Land, um Roh-
    stoffe und um Energie.

    Die Auswertung der Daten, die weltweit im Zusam-
    menhang mit dem Klima gesammelt werden, hat erge-
    ben, dass 12 der 14 wärmsten Jahre seit Beginn der Wet-
    teraufzeichnungen im 21. Jahrhundert liegen. Als ich
    dies in der Vorlage gesehen habe, habe ich ein Fragezei-
    chen daran gemacht und gefragt: Ist das richtig? Das
    21. Jahrhundert ist ja noch nicht lange im Gange. Trotz-
    dem liegen 12 der 14 wärmsten Jahre seit Beginn der
    Wetteraufzeichnungen in diesem 21. Jahrhundert.

    Es gibt keine vernünftigen Zweifel mehr daran, dass
    die Erkenntnisse der Klimawissenschaftler uns zum
    Handeln zwingen. Der Kampf gegen den Klimawandel
    und seine Folgen ist ein Kampf um eine gerechtere und

    7384 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014

    Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks


    (A) (C)



    (D)(B)

    eine friedlichere Welt. Ja, Klimapolitik ist auch Frie-
    denspolitik.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


    In einer Zeit, in der Krisen und kriegerische Konflikte
    immer mehr Menschen zu Flüchtlingen machen, brau-
    chen wir Zeichen der Solidarität in der Welt. Dieses Zei-
    chen könnte und sollte von einer erfolgreichen Klima-
    schutzpolitik ausgehen. Wenn wir es schaffen, die
    Erderwärmung zu begrenzen und damit neue Ungerech-
    tigkeiten zu verhindern, wäre das ein unübersehbares
    Symbol globaler Solidarität. Ein weltweites Klima-
    abkommen, an dem alle Staaten beteiligt sind, kann, ja
    muss ein Beispiel dafür sein, dass wir gute Lösungen
    finden können, wenn wir fair miteinander verhandeln.
    Ein solches Beispiel könnte auch bei anderen Konflikten
    helfen. Lösungen können im Interesse aller Menschen
    unabhängig von ihrer Nationalität oder Religion gefun-
    den werden, und dafür setzen wir uns doch alle ein.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Bundesregie-
    rung bekennt sich uneingeschränkt zur 2-Grad-Ober-
    grenze und damit zur Notwendigkeit einer wirksamen
    Klimaschutzpolitik. Wir nehmen unser nationales Kli-
    maschutzziel für 2020 ernst, das haben wir bewiesen.
    Wir haben das 40-Prozent-Ziel nicht einfach nur über-
    nommen, wir haben uns ehrlich gemacht und gefragt, ob
    es bis 2020 überhaupt erreichbar ist. Nein, wenn wir
    nichts unternommen hätten, hätten wir dieses Ziel nicht
    erreicht.

    Mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020, das
    wir am 3. Dezember beschlossen haben, können wir
    diese Lücke schließen. Nie zuvor hat eine Bundesregie-
    rung ein so umfassendes Klimaschutzprogramm erarbei-
    tet, das alle Sektoren und alle Akteure gleichermaßen in
    die Pflicht nimmt. Egal ob Energiewirtschaft, Verkehr
    oder Landwirtschaft – alle müssen ihren Beitrag leisten.
    Daher auch an dieser Stelle nochmals die Bitte an Sie
    alle, in Ihren Bereichen auch daran mitzuwirken.

    Weil der Prophet in der eigenen Heimat oft nichts gilt,
    kann ich Ihnen berichten, dass das Klimaaktionspro-
    gramm auf der Weltklimakonferenz von vielen Rednern,
    nicht zuletzt vom UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in
    seiner Eröffnungsrede, ausdrücklich gelobt wurde.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    In dem Transformationsprozess, der der ganzen Welt
    bevorsteht, nimmt Deutschland eine Vorreiterrolle ein.
    Das deutsche Wort „Energiewende“ findet immer mehr
    Einzug in die englische Sprache. Wir wollen andere
    Staaten unterstützen, die noch nicht so weit sind, dies
    aus eigener Kraft zu schaffen. Das funktioniert aber nur,
    wenn wir glaubwürdig voranschreiten. Nach meinem
    Eindruck werden weltweit immer mehr Menschen und
    immer mehr Staaten aktiv. Das ist die gute Nachricht aus
    den vergangenen Wochen.

    Unser gemeinsames Ziel ist, im Dezember 2015 in
    Paris einen neuen Klimavertrag abzuschließen. Die
    ganze Welt wartet dringend auf ein neues Abkommen;
    denn der Klimawandel findet, wie wir wissen, bereits
    statt, und Menschen leiden bereits jetzt unter ihm. Wenn
    wir den Sachstandsbericht des Weltklimarates und viele
    andere Untersuchungen ernst nehmen, dann war die Not-
    wendigkeit für ein Abkommen noch nie so groß wie
    heute.

    Die Konferenz in Lima hat zweierlei gezeigt: Es gibt
    eine grundsätzliche Bereitschaft bei allen Staaten, ein
    neues umfassendes Klimaabkommen zu treffen, aber es
    gibt nach wie vor tiefe Gräben, die es zu überwinden
    gilt. Ich will dies aus Sicht der Bundesregierung im Ein-
    zelnen erläutern.

    Als deutsche Delegation hatten wir im Vorhinein vier
    Erfolgskriterien festgelegt:

    Erstens. Wir wollten in Lima die Grundzüge eines
    weltweiten Klimaabkommens festlegen. Das ist gelun-
    gen. Im „Lima Call for Climate Action“ haben wir
    wesentliche Elemente eines Verhandlungstextes festge-
    halten, die das Gerüst für die Textverhandlungen im
    kommenden Jahr bilden.

    Zweitens. Wir wollten in Lima festlegen, welche In-
    formationen die Staaten gemeinsam mit ihren geplanten
    Minderungsbeiträgen vorlegen müssen, damit diese ver-
    ständlich und vergleichbar sind. Wir haben uns für kla-
    rere Vorgaben und mehr Details eingesetzt. Hier mussten
    wir in der Tat – bis jetzt jedenfalls – einen Kompromiss
    eingehen. Es gibt eine Reihe von Schwellenländern, die
    sich nicht in dem Umfang zu einer umfassenden Trans-
    parenz verpflichten wollten, wie wir es gerne gesehen
    hätten.

    Drittens. Wir wollten, dass die Staatengemeinschaft
    schon vor dem Inkrafttreten des neuen Abkommens
    2020 mehr für den Klimaschutz tut. Dieses Ziel wurde
    im Entscheidungstext entsprechend hervorgehoben.
    Aber auch hier hätte ich mir weniger Appell und mehr
    Handlungsorientierung gewünscht.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Dass Deutschland hier glaubwürdig entsprechende
    Schritte geht, also zunächst bis 2020, wurde weltweit po-
    sitiv wahrgenommen.

    Viertens. Wir wollten Fortschritte bei der Umsetzung
    früherer Entscheidungen machen, insbesondere bei der
    Klimafinanzierung. Durch die frühzeitige Zusage
    Deutschlands, 750 Millionen Euro in den Grünen Klima-
    fonds einzuzahlen, wurde eine positive Dynamik ausge-
    löst. Das hat dazu geführt, dass wir in Lima unser Etap-
    penziel von 10 Milliarden Dollar sogar etwas haben
    überschreiten können.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Ich habe mich sehr gefreut, dass neben den klassi-
    schen Gebern jetzt auch Länder wie zum Beispiel Peru,
    Kolumbien, Panama, die Mongolei oder Indonesien zum
    Fonds beitragen.

    Alle vier Punkte, die wir uns vorgenommen hatten,
    sind erfüllt oder zumindest ein gutes Stück vorange-
    bracht worden. Meine Damen und Herren, darüber hi-
    naus wurde unser zusätzlicher Beitrag zum Anpassungs-
    fonds in Höhe von 50 Millionen Euro gelobt. Dieser
    Beitrag ist gut investiertes Geld und schafft weiteres

    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 7385

    Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks


    (A) (C)



    (D)(B)

    Vertrauen. Besonders erfreulich finde ich, dass wir am
    Rande der Verhandlungen in Lima einen Durchbruch zur
    Ratifizierung der zweiten Verpflichtungsperiode des
    Kioto-Protokolls durch die EU herbeigeführt haben. Das
    war die Gelegenheit, noch einmal alle zusammenzubrin-
    gen. Ich glaube, es wird allseits anerkannt, dass dies
    ohne das monatelange Engagement Deutschlands nicht
    gelungen wäre. Der gefundene Kompromiss konnte vor-
    gestern, am Mittwoch, bereits im Umweltrat politisch
    beschlossen werden. Jetzt steht der Ratifizierung von
    Kioto II durch die EU nichts mehr im Wege.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Meine Damen und Herren, einer der Streitpunkte in
    Lima war die sogenannte Firewall zwischen Industrie-
    und Entwicklungsländern. Es ist eine unbestreitbare Tat-
    sache, dass die industrialisierten Staaten in den vergan-
    genen zwei Jahrhunderten den Großteil, fast 80 Prozent
    der Summe aller CO2-Emissionen verursacht haben und
    darauf ihren Wohlstand aufgebaut haben. Die ärmeren
    Regionen, die diese Verschmutzung nicht zu verantwor-
    ten haben, haben dagegen heute umso stärker mit den
    Folgen des Klimawandels zu kämpfen. Diese historische
    Verantwortung war der Grund, warum im Jahr 1997 im
    Kioto-Protokoll keine Reduktionsziele für Schwellen-
    länder und Entwicklungsländer beziffert wurden. Eine
    Brandmauer, eine Firewall, sollte die brennende Seite
    von der Seite trennen, auf der es noch nicht brennt. Die
    ersten Löschmaßnahmen wurden auf die brennende
    Seite gerichtet.

    Bei den Treibhausgasemissionen ist es heute so, um
    im Bild zu bleiben, dass es auf beiden Seiten brennt.
    Deshalb ergibt diese Unterscheidung keinen Sinn mehr.
    Die Welt im Jahr 2014 ist nicht mehr die von 1997. In
    der Gruppe der Schwellenländer finden sich Staaten wie
    China oder Indien. China ist derzeit der größte und In-
    dien der drittgrößte CO2-Emittent der Welt; allerdings
    noch nicht pro Kopf, sondern wegen der schieren Menge
    der Bevölkerung. Über die Hälfte aller Emissionen
    kommt heute aus Schwellen- und Entwicklungsländern.
    Auch die Differenzierung nach der wirtschaftlichen
    Leistungsfähigkeit verläuft nicht mehr entlang der alten
    Linien und in den alten Kategorien. Dabei rede ich nicht
    nur von Singapur und den Vereinigten Arabischen Emi-
    raten. Auch zum Beispiel Malaysia hat heute ein höheres
    Pro-Kopf-Einkommen als zum Beispiel Rumänien. Wir
    müssen deshalb zu einer neuen, differenzierteren Be-
    trachtung der Verantwortung für den Klimaschutz kom-
    men. Alle müssen etwas beitragen.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Der Umfang dieses Beitrages muss sich aus dem An-
    teil an den Treibhausgasemissionen und der wirtschaftli-
    chen Leistungsfähigkeit ergeben. Wer mehr zur Er-
    hitzung der Erde beiträgt, muss auch mehr beim
    Klimaschutz tun. Wer wirtschaftlich leistungsfähiger ist,
    muss mithelfen, die ärmeren Länder bei Anpassung und
    klimaverträglicher Wirtschaftsentwicklung zu unterstüt-
    zen. Um diese grundlegend veränderte Herangehens-
    weise haben wir in Lima gerungen, und wir werden es in
    den nächsten Monaten bis zur Klimakonferenz in Paris
    weiter tun, auch tun müssen. Alte Kampfparolen, wie sie
    in Lima leider gerade von der sogenannten Group of
    Like Minded Developing Countries besonders lautstark
    hervorgebracht wurden, bringen uns da nicht weiter.

    Meine Damen und Herren, Lima eignet sich nicht für
    Superlative. Es war nicht der großartige Durchbruch, der
    den Erfolg schon quasi vorzeichnet; aber es war auch
    kein Scheitern. Wir haben eine solide Grundlage für die
    weiteren Verhandlungen gelegt, aber auch ich hätte mir
    natürlich eine weiter gehende Annäherung der Positio-
    nen gewünscht.

    Alle Staaten mit ihren unterschiedlichen Ausgangs-
    positionen hinter einem Abkommen zu versammeln,
    verlangt beharrliche Arbeit. Die konkreten Erfolge, die
    wir erreicht haben, sind mehr als nur große Worte, und
    sie sind allemal besser als das Genörgel mancher Zu-
    schauer am Spielfeldrand.

    Lima ist nicht das Ziel, sondern eine Etappe auf dem
    Weg nach Paris. Ein Abkommen in Paris ist das Ziel; da-
    rauf muss unser Engagement abzielen.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    Mit dem Petersberger Klimadialog und der G-7-Präsi-
    dentschaft im kommenden Jahr wird die Bundesregie-
    rung ihre Möglichkeiten nutzen, um Paris zum Erfolg zu
    bringen.

    Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Mitgliedern
    der deutschen Delegation, nicht zuletzt auch bei den be-
    teiligten Mitgliedern des Deutschen Bundestages für ihre
    Arbeit bedanken.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Gleichzeitig will ich sehr deutlich machen, dass ich es
    für vollkommen inakzeptabel halte, dass Abgeordnete
    des Deutschen Bundestages an der Einreise nach Ecua-
    dor gehindert worden sind. Das war nicht nur ein un-
    freundlicher Akt gegenüber den sehr engagierten Abge-
    ordneten des Umweltausschusses; es schadet vor allem
    dem gemeinsamen Interesse am Schutz der Umwelt und
    fällt auf die Entscheider zurück.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


    Ich kann nur hoffen, dass dies ein einmaliger Vorgang
    war.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Mo-
    naten und Wochen ist in Deutschland viel über die
    schwarze Null im Bundeshaushalt diskutiert worden, die
    wir ja gemeinsam erreicht haben. Es gibt eine weitere
    Null, die wir uns unbedingt vornehmen sollten: weltweit
    null Treibhausgasemissionen bis zum Ende des Jahrhun-
    derts. Eine solche grüne Null sollten wir uns auf die
    Agenda schreiben, und von dort darf sie dann auch nicht
    mehr verschwinden, bis wir das Ziel erreicht haben.

    Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


    7386 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014


    (A) (C)



    (D)(B)



Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst

die Kollegin Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die
Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Eva-Maria Bulling-Schröter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

    ist ja eine recht verbreitete Meinung, dass Klimagipfel
    im Prinzip sinnlos sind – aufwendige alljährliche Mas-
    senkonferenzen, die ohne wirkliches Ergebnis bleiben.
    Ich möchte explizit sagen: Ich teile diese Meinung nicht.
    Ich habe jetzt über ein Dutzend Mal an Klimakonferen-
    zen teilgenommen und halte es für sehr wichtig, dass der
    Gesprächsfaden zwischen so vielen Ländern mit so un-
    terschiedlichen Interessen nicht abreißt.

    Für mich sind die vielen Begegnungen mit Menschen,
    die direkt unter dem Klimawandel leiden, jedes Mal eine
    besondere und erschütternde Erfahrung. Ich berichte da-
    rüber in Blogs, weil ich diese Probleme der Länder des
    Südens weitervermitteln will.

    Ich hätte aus Lima gerne gute Nachrichten mitge-
    bracht; aber ich möchte lieber Klartext reden. Liebe Kol-
    leginnen und Kollegen, Lima war – anders als hier ver-
    mittelt werden soll – kein Minimalkompromiss; Lima
    war ein trauriger Offenbarungseid dessen, was wir unter
    internationaler Klimadiplomatie verstehen. Ja, in Peru
    wurde ein Schritt in Richtung Paris gemacht – das
    stimmt. Aber nicht jeder Schritt ist zwangsläufig einer in
    die richtige Richtung. Denn was da in Paris unter gro-
    ßem Tamtam verabschiedet werden wird, das wird vor
    allem eines sein: eine große Selbstlüge.

    Statt den Menschen weiter vorzugaukeln, dass wir in
    der Klimapolitik Lösungen finden, die den Klimawandel
    auf das 2-Grad-Limit reduzieren, sollten wir endlich rei-
    nen Wein einschenken.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Sie wissen genauso gut wie ich, dass die künftigen
    Mechanismen des Pariser Abkommens das Papier nicht
    wert sind, auf dem es stehen wird. Aber das können Sie
    natürlich nicht eingestehen, meine Damen und Herren
    von der Regierung: die einen, weil sie starrsinnig vom
    eingeschlagenen Weg überzeugt sind, und die anderen,
    die zwar verstanden haben, dass es so nicht geht, weil ih-
    nen der Mut fehlt.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Lassen Sie mich eines ganz klar sagen: Mit den alten
    neoliberalen Rezepten wurde die Finanzkrise ausgelöst
    statt gelöst. Volkswirtschaften wie Griechenland und
    Spanien haben Sie mit Ihrem Glauben an mehr Markt
    und mehr Staatsrückbau an den Abgrund manövriert.

    Mit den alten neoliberalen Rezepten wurde auch die
    soziale Frage nicht gelöst. Was wir erleben, ist, dass
    überall dort, wo Unternehmer freie Bahn haben, die
    Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird. Die
    85 reichsten Menschen der Erde sind reicher als 3,5 Mil-
    liarden Mitbürgerinnen und Mitbürger. Fast die Hälfte
    des weltweiten Reichtums gehört einer kleinen Gruppe
    von 1 Prozent. Auf der anderen Seite verfügt die Hälfte
    der Menschheit nur über 1 Prozent des weltweiten Ku-
    chens von Besitz und Vermögen. Unfassbar!


    (Beifall bei der LINKEN)


    Meine Frage lautet also: Warum sollten zwei typisch
    neoliberale Instrumente – erstens weniger Verantwor-
    tung für die Staaten durch freiwillige Klimaschutzziele
    und zweitens die Übertragung des Löwenanteils der Kli-
    maschutzfinanzierung auf die Privatwirtschaft – die so
    dringliche Menschheitsfrage des Klimawandels lösen?

    Schauen wir uns den Grünen Klimafonds an, der ge-
    rade als das Klimaschutzinstrument überhaupt gefeiert
    wird. Ich möchte Sie alle fragen: Woher kommt der Op-
    timismus, dass es ausgerechnet der Grüne Klimafonds
    sein soll, der die große Hebelwirkung entfaltet? Ich finde
    diese Frage schon berechtigt; denn um die Einzahlungen
    der Staaten wird aktuell politisch sehr großes Aufheben
    gemacht.

    Frau Ministerin Hendricks, Sie haben in Lima mit
    dem deutschen Beitrag zum Klimafonds recht ordentlich
    Imagepflege betrieben; übrigens genauso wie US-Au-
    ßenminister Kerry oder sein australischer Kollege – die
    USA und Australien sind Paradebeispiele für neoliberal
    regierte Industriestaaten –, die den Klimaschutzprozess
    aber weiterhin massiv behindern. Man schmiert sich ge-
    genseitig Honig ums Maul, während in Washington der
    Teersandboom eingeleitet wird und Berlin sich nicht ein-
    mal traut, ein Kohleausstiegsgesetz bzw. keine Exporte
    von Kohlekraftwerken zu beschließen.

    Bis 2020 also sollen jährlich 100 Milliarden Dollar
    zusammenkommen, um Klimaschutzprojekte und die
    Anpassung an den Klimawandel in den Entwicklungs-
    ländern zu finanzieren – eine gute Sache also. In der Tat
    hört sich das ja erst einmal nicht schlecht an: 100 Mil-
    liarden im Jahr, staatliche und private Gelder.

    Was ich mich aber frage, ist: Kann mit den 100 Mil-
    liarden im Jahr diese Mammutaufgabe – die Finanzie-
    rung der weltweiten Energiewende und der weltweiten
    Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel –
    wirklich gestemmt werden? Wie können wir uns darauf
    verlassen, dass die Privatinvestoren das quasi im Allein-
    gang schaffen, zumal die Zeit, wie wir wissen, drängt?
    Frau Ministerin Hendricks sagte nach der Klimakonfe-
    renz selber im Deutschlandfunk:

    Die öffentlichen Mittel sollen im Prinzip die priva-
    ten Investorenmittel hebeln. Das kennt man ja als
    Prinzip.

    Ich kann Ihnen versichern: Niemand würde sich stär-
    ker wünschen als ich, dass dieses Prinzip auch greift.
    Schließlich könnte der Grüne Klimafonds ein exzellenter
    Umverteilungsmechanismus von Reich zu Arm sein.
    Aber es ist nicht klar, ob die 100 Milliarden überhaupt
    zusammenkommen; ich sage nur: Stichwort „Schwarze
    Null“.

    Lassen Sie mich daran erinnern: Die Gelder für den
    Klimaschutz müssen zusätzlich zur Verfügung gestellt

    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Dezember 2014 7387

    Eva Bulling-Schröter


    (A) (C)



    (D)(B)

    werden. Sie dürfen nicht, wie es schon gängige Praxis
    ist, mit den Entwicklungshilfegeldern verrechnet wer-
    den. Nicht einmal hier haben die Industrieländer gelie-
    fert. Auch Deutschland zahlt nicht wie zugesagt 0,7 Pro-
    zent der Wirtschaftsleistung für Entwicklung und
    Armutsbekämpfung, sondern nur gut die Hälfte der eige-
    nen Zusagen, nämlich 0,38 Prozent. Das ist schäbig.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Einen Durchbruch – so reden Sie, Frau Hendricks,
    den Klimagipfel in Peru schön – kann ich nicht erken-
    nen. Das sind eigentlich nur Brotkrumen, die der Norden
    den Entwicklungsländern hinwirft. Angesichts dessen
    braucht man sich nicht zu wundern, dass uns kein Ver-
    trauen entgegengebracht wird.

    Wir halten also fest, dass es ohne zusätzliches Geld
    für die Schwellen- und Entwicklungsländer nicht gehen
    wird.

    Zu den freiwilligen Klimazielen der Staaten will ich
    nur eines sagen: Solange Klimapolitik auch Standort-
    politik ist, wird mit Freiwilligkeit nur wenig erreicht
    werden. Alles andere zu glauben, wäre wirklich naiv.
    Um das zu erkennen, braucht man sich nur andere frei-
    willige Selbstverpflichtungen anzuschauen, zum Bei-
    spiel die Selbstverpflichtungen im Bereich der Textilin-
    dustrie oder die Sozialkodizes bei OECD-Investitionen.
    Die Standortpolitik erkennen wir auch in den umwelt-
    schädlichen Subventionen, die in Deutschland laut Um-
    weltbundesamt mehr als 50 Milliarden Euro betragen,
    mit seit 2006 steigender Tendenz.

    Also, Frau Hendricks, liebe Regierung: Schenken Sie
    den Menschen reinen Wein ein, statt von einem Durch-
    bruch in Lima zu sprechen;


    (Frank Schwabe [SPD]: Wer hat das gesagt?)


    denn wir können nur auf der Basis von Erkenntnis han-
    deln. Wir müssen ehrlich sein, und dann müssen wir
    wirklich handeln.

    Danke.


    (Beifall bei der LINKEN)