Rede von
Claudia
Roth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Thomas Silberhorn. – Nächster Redner
für Bündnis 90/Die Grünen: Dr. Frithjof Schmidt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Seit fast 13 Jahren ist die Bundeswehr in Afghanistan.
Vieles hat sich dort in dieser Zeit verändert – das ist an-
gesprochen worden –, auch sehr vieles zum Guten. Da-
mit möchte ich beginnen. In dieser Hinsicht kann ich an
Ihre Ausführungen anknüpfen, Herr Außenminister.
Junge Menschen, darunter viele Frauen und Mädchen,
haben Zugang zu Bildung erhalten. Die medizinische
Versorgung im Land hat sich wesentlich verbessert. Es
ist eine plurale Medienlandschaft entstanden. Das alles
ist wichtig. Denn es ist ein Beitrag zur Stabilisierung des
Grundgerüsts, der weiteren Demokratisierung des Lan-
des. Dieser zivile Aufbau muss weitergehen.
Deutschland muss seine Hilfszusagen aus Tokio unein-
geschränkt einhalten.
Wir begrüßen sehr, dass sich der vorliegende Antrag
der Koalitionsfraktionen zur Transformationsdekade zur
Einhaltung der entwicklungspolitischen Ziele bekennt.
Das ist gut. Hier ziehen wir an einem Strang, auch wenn
Sie sich leider nicht zu konkreten Zahlen bekennen; wir
reden ja über das bestehende Volumen von 430 Millio-
nen Euro jährlich. Wir werden Sie hier beim Wort neh-
men. Besonders in den nächsten Haushaltsberatungen
werden wir Sie auch an dieser Zahl messen. Trotz ver-
schiedener Kritikpunkte an Ihrem Text wird meine Frak-
tion diesem Antrag heute zustimmen. Denn es soll auch
zum Ausdruck kommen, dass wir hier politisch an einem
Strang ziehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Afghanistan-
Einsatz ist auch eine Geschichte westlicher Fehlein-
schätzungen und gescheiterter Hoffnungen. Am Anfang
stand die Erwartung, dass al-Qaida und die Taliban in ei-
nem, maximal in zwei Jahren besiegt werden könnten;
manche dachten, es geht noch schneller. Das war ein Irr-
tum. Jahrelang wurde vor allem versucht, die Taliban
militärisch zu besiegen. Eine Folge war eine erhebliche
Zahl von Opfern, auch zivilen Opfern, durch nächtliche
Kommandoaktionen, Luftschläge und Drohnenangriffe.
Diese militärische Strategie – das kann man nach fast
7084 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2014
Dr. Frithjof Schmidt
(C)
(B)
13 Jahren Afghanistan-Einsatz wohl kaum mehr bestrei-
ten – ist gescheitert.
Sie hat dem Vertrauen in die internationalen Truppen er-
heblich geschadet, und sie hat eine politische Lösung des
Konfliktes jahrelang mehr blockiert als gefördert. Des-
halb war es richtig, 2010 die strategische Wende der in-
ternationalen Gemeinschaft in London zu beschließen,
ein Abzugsdatum für die ISAF-Truppen festzulegen und
sich für eine politische Lösung zu engagieren. Darum
hat meine Fraktion hier vor einem Jahr dem Abzugsman-
dat zur Beendigung von ISAF mit großer Mehrheit zuge-
stimmt.
Jetzt geht es um eine Nachfolgemission. In der Öf-
fentlichkeit ist dazu folgende Botschaft angekommen:
Nach dem Abzug der Kampftruppen gibt es noch für
zwei Jahre Ausbildung und Training, aber ohne Beteili-
gung an der Aufstandsbekämpfung, und 2017 ist dann
auch damit Schluss. – Das müsste im Mandat und im
Operationsplan eindeutig festgelegt werden – wird es
aber nicht. Das leistet das Mandat, das Sie uns hier vor-
legen, nicht. Wann Resolute Support endet, wird nicht
festgelegt. Das politische Versprechen, dass 2017
Schluss ist, wird im Mandatstext nicht eingelöst. Statt-
dessen gab es verschiedene öffentliche Äußerungen, in
denen es hieß, dass es auch zwei, drei oder mehr Jahre
länger dauern kann. Hier droht das Abrutschen auf einer
schiefen Ebene in einen erneuten längerfristigen Einsatz
in Afghanistan ohne Exitstrategie. Das ist nicht akzepta-
bel.
Die USA stellen über 9 000 der 12 000 Soldaten, die
an Resolute Support beteiligt sind. Wenn sie ihr militäri-
sches Konzept ändern, verändert das diese Mission ent-
scheidend, auch wenn die Bundeswehr bestimmte Dinge
dann nicht mitmacht. Vor wenigen Wochen hat Präsident
Obama entschieden, dass sich die US-Truppen nun doch
direkt an der Aufstandsbekämpfung beteiligen können
und sollen. Jetzt droht Resolute Support eine Fortset-
zung von ISAF zu werden, nur mit stärkerem Schwer-
punkt auf der Aufstandsbekämpfung durch Spezial-
kräfte.
Zu den Aufgaben der Bundeswehr gehört ausdrück-
lich – das ist in dieser Form neu – die Ausbildung und
Beratung der niederen Ebenen der afghanischen Spezial-
kräfte.
Nun haben wir hier schon andere Ausbildungsman-
date für die Bundeswehr verabschiedet, zum Beispiel zu
Mali. Dem hat meine Fraktion zugestimmt. Aber da steht
ausdrücklich drin, dass eine Unterstützung von militäri-
schen Operationen der malischen Streitkräfte nicht statt-
findet. Dieser Passus – schauen Sie es sich an –, diese
eindeutige Festlegung im Mandatstext fehlt hier für
Afghanistan. Warum?
Stattdessen gibt es in der Begründung eine vage For-
mulierung, dass man sich nicht direkt an der Terrorbe-
kämpfung beteiligt. Nicht direkt – was kann das alles be-
deuten, meine Damen und Herren? Dieses Mandat ist an
entscheidenden Punkten gefährlich unklar. Vor dem Hin-
tergrund, dass sich unser größter Partner offensichtlich
auf eine mittelfristige Strategie der Aufstandsbekämp-
fung einstellt, sehe ich die große Gefahr, dass RSM er-
neut in komplizierte Kampfeinsätze verwickelt wird,
und dann wird es sehr schwer, 2017 dort herauszukom-
men.
In diesem Zusammenhang hat es auch große politi-
sche Bedeutung, dass es, anders als für ISAF, bisher kein
UN-Mandat gibt. Das schwächt nicht nur die völker-
rechtliche Legitimation dieses Mandates, sondern es
heißt auch, dass es keine übergeordnete Rahmensetzung
für Entscheidungen der NATO und der USA gibt, was
Art und Dauer des Einsatzes betrifft. Auch das verstärkt
die Gefahr, auf die schiefe Ebene eines langfristigen Mi-
litäreinsatzes zu kommen, den so eigentlich niemand in
diesem Haus gewollt hat. Deshalb kann ich meiner Frak-
tion nicht empfehlen, diesem Mandat zuzustimmen.
Danke für die Aufmerksamkeit.