Rede von
Dr.
Norbert
Lammert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Thomas Gambke ist der nächste Redner für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Feststel-
lung muss ich am Anfang treffen, nachdem wir Ihren
Antrag gelesen haben.
Die gelb markierten Stellen stammen original vom Zen-
tralverband des Deutschen Handwerks.
Dieses Papier ist auf den Februar dieses Jahres datiert.
Ich habe diese Stellen markiert. Sie haben wörtlich an
15 Stellen Textpassagen übernommen.
Wie das bei Plagiaten so ist, Herr Oppermann: Das Ab-
schreiben ehrt den Autor, aber nicht den Plagiator.
180 Abgeordnete von Ihnen haben unterschrieben;
ich halte es für ein Trauerspiel,
dass Ihnen wirtschaftspolitisch nichts anderes einfällt,
als Verbandspositionen eins zu eins in einen Antrag des
Deutschen Bundestages zu übernehmen.
Ich finde: Das ist unserem Parlament unwürdig, und ich
hoffe, dass dieser Antrag in dieser Art und Weise keine
weitere Lesung erfährt.
Ich denke, wir alle hier im Haus unterstützen das
Handwerk. Aber wenn wir das Handwerk, den Meister-
brief und die duale Ausbildung stärken wollen, dann
müssen wir uns doch kritisch mit dem Thema auseinan-
dersetzen. Klar, es heißt: Stärken stärken, aber wir müs-
sen gleichermaßen die Schwächen identifizieren und
nach Möglichkeit ausbügeln.
Stillstand ist Rückschritt, meine verehrten Kollegin-
nen und Kollegen von der Regierungsbank, und genau
dieser Rückschritt wird durch dieses Plagiat dokumen-
tiert.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2014 7063
Dr. Thomas Gambke
(C)
(B)
Gerade im Forderungskatalog, in dem die Themen ange-
sprochen werden, in einem Bereich, in dem wir Weiter-
entwicklung brauchen, bleiben Sie vollkommen nebulös
und machen keinerlei konkrete Vorschläge.
Erstes Beispiel. Sie fordern unter Punkt 4 – ich zitiere –,
„den Technologietransfer … aus Forschung … ins Hand-
werk … zu unterstützen …“ Ja, wie denn? Wollen Sie
die steuerliche Forschungsförderung für das Handwerk
einführen? Wollen Sie am Gewährleistungsrecht – da
sollte man einmal hinschauen – etwas verändern? Wol-
len Sie sich endlich einmal dem wirklich drängenden
Problem der steigenden Komplexität der Technologien
und Materialien im Handwerk zuwenden?
Gehen Sie einmal vor Ort, und sprechen Sie mit den
Handwerkern, gerade mit denen, die in dem wichtigen
Bereich der energetischen Sanierung arbeiten! Von de-
nen hören Sie durchaus Kritik an der geringen Reak-
tionsgeschwindigkeit der Kammern, nämlich wenn es
darum geht, was der Schreiner machen darf, was der
Trockenbauer machen darf und was der Installateur ma-
chen darf.
Ich kann nur sagen: Wer sich so ignorant gegenüber
dem, was sich draußen abspielt, verhält, wie Sie es mit
diesem Antrag tun, der verdient nicht nur wegen Ab-
schreibens eine Sechs, sondern auch wegen Arbeitsver-
weigerung.
Zweites Beispiel. Sie wollen das Streben nach Selbst-
ständigkeit unterstützen. Wie denn? Einen konkreten
Vorschlag sucht man vergebens.
Es ist schon unglaublich, was Sie hier vorlegen, und
ich glaube nicht, dass die Handwerker mit diesem – ge-
statten Sie mir diesen Ausdruck – Politikergeschwätz et-
was anfangen können.
Sie stellen sich auch nicht den im europäischen Kon-
text durchaus gegebenen kritischen Punkten. Frau
Strothmann, Sie nehmen mehrfach kritisch Bezug auf
die Initiative der Kommission, aber eigentlich schüren
Sie damit indirekt Unsicherheit und Vorurteile im Hand-
werk gegenüber der Europäischen Union.
Nach Ludwig Erhard ist Wirtschaft zu 50 Prozent
Psychologie, und genau hier gehen Sie in die falsche
Richtung. Ich will das einmal klar sagen: Ich begrüße es,
dass die Kommission über Berufszugangsvoraussetzun-
gen an dieser Stelle Transparenz schafft
und uns vor Augen führt, dass unsere Regulierung mit-
unter ein Problem sein kann – auch für Handwerkerin-
nen und Handwerker.
Ich will Ihnen ein aktuelles Beispiel nennen: Ein Me-
tallbauer mit zehn Jahren Berufserfahrung will Surfbret-
ter bauen. Er geht zur Handwerkskammer und bekommt
dort zu hören, ohne eine Meisterausbildung im Bootsbau
könne er keine Surfbretter entwickeln und bauen. Insbe-
sondere die Gefahr für Dritte sei zu hoch. Zehn Jahre
Berufserfahrung reichten nicht aus. Er müsse 25 Jahre
Berufserfahrung nachweisen.
Diese Geschichte klingt amüsant, sie ist aber leider
wahr, und deshalb in hohem Maße gefährlich und trau-
rig. Jungen Menschen wird der Weg in die Selbstständig-
keit verwehrt,
obwohl objektiv keinerlei Gründe vorliegen, dies zu
rechtfertigen. Hier bleibt die Innovation auf der Strecke.
Herr Gabriel ist mit 120 Personen und großem Getöse
nach Kalifornien gereist, um Innovationen auf die Spur
zu kommen, und nicht, um Surfbretter einzukaufen. Ich
befürchte auch, er würde untergehen, auch wenn sie von
einem Handwerksmeister mit 25 Jahren Berufserfahrung
hergestellt worden wären.
Der Hinweis der Handwerkskammer ist hier aber
schon interessant: Der Mann könne ja Surfbretter ver-
kaufen, die er aus dem Ausland – vielleicht aus Kalifor-
nien – importiert.
Die Lösung soll also sein: Er soll ins Ausland gehen und
dort etwas kaufen, anstatt hier in Deutschland zu produ-
zieren. Das kann und darf nicht die Folge unserer Meis-
terpflicht sein.
Ich bekenne mich klar zur Meisterpflicht, und ich
teile auch die Kritik an einigen – nicht an allen – Dere-
gulierungen des Jahres 2003.
Auf der anderen Seite darf es aber keine dogmatischen
Regeln geben, die Innovationen verhindern. Das ist
durchaus ein Spannungsfeld – gar keine Frage –, aber
ich hätte hier erwartet, dass Sie liefern und nicht ab-
schreiben, meine Damen und Herren.
Es gibt weitere Entwicklungen im Handwerk, auf die
wir dringend Antworten brauchen. Ich habe es schon ge-
nannt: Immer wieder kommt es bei der Anwendung
komplexer Technologien zu Abgrenzungsproblemen bei
den Gewerken und zu jahrelangen Blockaden, wenn die
Arbeitsumfänge nicht geklärt werden, und wir haben das
7064 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2014
Dr. Thomas Gambke
(C)
(B)
Problem der Gewährleistung bei Materialien, die einge-
setzt werden.
Zu diesen Punkten finde ich nichts in Ihrem Antrag.
Auch hier wäre es dringend an der Zeit, bestehende
Strukturen zu überdenken und weiterzuentwickeln.
Letztlich schreiben Sie in Ihrem Antrag nichts ande-
res, als dass Sie bestehende Strukturen schützen wollen.
Das ist einfach zu wenig. Es wäre Ihr Job gewesen, hier
konkrete Vorschläge vorzulegen. Ich hoffe, dass das im
Gespräch mit dem Handwerk gelingt.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.