Rede von
Florian
Hahn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kol-
legen! Die Große Koalition hat sich gefunden. Wir ha-
ben gestern die Kanzlerin gewählt. Es hat sich eine neue,
gute Regierung gebildet. „Endlich“, werden die meisten
sagen, man könnte aber auch sagen: Gut Ding braucht
Weile. – Mit Blick nach Hessen, wo die Regierung noch
nicht so richtig steht, möchte ich sagen, Herr Sarrazin:
Vielleicht wird auch für dort gelten: Gut Ding braucht
Weile. – Auf alle Fälle haben wir rechtzeitig eine Regie-
rung, um sprach- und entscheidungsfähig bei dem kom-
menden Europäischen Rat Ende der Woche beraten zu
können.
Ein Schwerpunkt ist hierbei die Sicherheits- und Ver-
teidigungspolitik. Das möchte ich ausdrücklich begrü-
ßen. Eine Beschäftigung mit der GSVP in Europa ist
dringend geboten. Hier hat sich Deutschland etwas vor-
genommen. So verspricht der Koalitionsvertrag, dass un-
sere Regierung anknüpfend an diesen Gipfel neue Initia-
tiven zur Stärkung und zur Vertiefung der gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik in Europa ergreifen wird.
Wie ist die Lage? Europa war in der vergangenen Zeit
bei den Krisen in der geografischen Nachbarschaft eher
Zuschauer als Akteur. Das Fehlen einer GSVP und ge-
meinsamer Überzeugungen seitens der großen Länder
Deutschland, Frankreich und Großbritannien wurde zu-
letzt auch in Syrien offengelegt. In Libyen zeigten sich
nicht zuletzt die materiellen Grenzen von uns Europäern.
Die Erwartungen in die GSVP haben sich bisher nur un-
zureichend erfüllt. Vorsätze und überfällige Entschei-
dungen klaffen auseinander. Ich möchte hier nur die
Stichworte „Europäisierung der Streitkräfte“ oder „koor-
dinierte Spezialisierung auf nationaler Ebene“ nennen.
Auch unkoordinierte Haushaltskürzungen in Europa
sorgen für den Verlust wichtiger industrieller und tech-
nologischer Fähigkeiten. Gleichzeitig werden durch
Mehrfachstrukturen Milliarden verschwendet. Wir brau-
chen aber eine starke und selbstbewusste EU in der
Frage der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Wa-
rum? Krisen, die uns mittel- und unmittelbar betreffen,
nehmen zu. Allein 2013 hat sich Deutschland bei weite-
ren Einsätzen in Mali und in der Türkei engagiert. Damit
ist auch eine noch stärkere Einsatzbelastung für unsere
Soldaten, aber auch für das Material und die Systeme
verbunden.
Die Praxis zeigt, dass die EU kaum in der Lage ist,
komplexe Einsätze allein zu bewerkstelligen. Die USA
wenden sich – das ist hinreichend bekannt – Richtung
Pazifik. Die NATO ist zudem auch nicht immer zwangs-
läufig das beste Instrument zur Krisenbewältigung. So
kann die EU beispielsweise mit Handel als krisenent-
schärfender Maßnahme ein weiteres Asset anbieten, das
die NATO so nicht bieten kann.
Deutschland kann wegen seiner beschränkten Größe
von 82 Millionen Einwohnern eigene Interessen global
– davon bin ich fest überzeugt – in einer Gemeinschaft
von 500 Millionen Menschen besser verfolgen. Die Ent-
wicklung technologischer Spitzenfähigkeiten lässt sich
im Nationalen nicht mehr finanzieren. Wer europäische
Unabhängigkeit in diesem Bereich haben möchte, muss
stärker europäisch kooperieren.
Wo wollen, wo müssen wir hin? Wir brauchen ein ge-
meinsames Verständnis als Security Provider. Wir müs-
sen die Lücken zwischen zivilen und militärischen Fä-
higkeiten schließen, und wir brauchen eine starke und
wettbewerbsfähige technologische Basis in Europa. Un-
ser Wohlstand in Deutschland und in Europa ist auf eine
stabile Welt angewiesen. Dies zu erhalten, ist unser urei-
genes Interesse. Unsere Größe und unser Erfolg sorgen
dafür, dass viele Nachbarn und Partner von uns ein be-
sonderes Engagement zur Weiterentwicklung der GSVP
erwarten. Wir haben bewiesen, dass wir ein verlässlicher
Partner sind.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 261
Florian Hahn
(C)
(B)
Wenn wir uns für ein Engagement entschieden haben,
sind wir schnell im Einsatz und übernehmen verlässlich
Verantwortung. Das zeigen die Einsätze in Afghanistan,
in der Türkei, im Kosovo und in allen anderen Ländern.
Ich erwarte mir deshalb von diesem Ratsgipfel erstens
ein klares politisches Signal, das heißt „Defence and Se-
curity matters“. Der Ratsgipfel muss ein Initialisierungs-
punkt sein, um die GSVP auf einer realistischen Grund-
lage mit Leben zu füllen.
Zweitens. Die GSVP muss zur Chefsache werden.
Ein jährlicher Gipfel auf Ebene der Staats- und Regie-
rungschefs muss beschlossen werden.
Drittens. Wir brauchen ein gemeinsames europäisches
Lagebild. Auch das muss in Auftrag gegeben werden.
Grundsätzlich lässt sich sagen: Europa ist wegen der
Finanz- und Schuldenkrise in einer schwierigen Lage.
Die Menschen sind daher europaskeptischer geworden.
Deshalb ist es eine besondere Herausforderung, genau
zu diesem Zeitpunkt die GSVP zu vertiefen. Das gelingt
nur, wenn ein klarer Nutzen erkennbar ist. Insofern soll-
ten wir uns konkret Projekte vornehmen, die realistisch
sind. Die Stiftung Wissenschaft und Politik schlägt dazu
in einem Papier vor, erstens ein europäisches Programm
für unbemanntes Fliegen als Technologietreiber zu ent-
wickeln, zweitens ein europäisches Luftüberwachungs-
geschwader als Kooperationstreiber aufzustellen und
den bestehenden europäischen Lufttransport noch zu
verstärken. Dies sollten wir ins Auge fassen.
Zur Beitrittspolitik möchte ich bemerken, dass ich die
Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Serbien wei-
terhin sehr skeptisch sehe. Die Bedingungen, die wir hier
im Haus im Juni beschlossen haben, sind aus meiner
Sicht nicht hinreichend eingehalten, beispielsweise im
Bereich Justiz oder beim Abbau von Parallelstrukturen.
Diese Beispiele sprechen eigentlich nicht für eine Eröff-
nung von Beitrittsverhandlungen.
Wir sind in der letzten Woche vor Weihnachten. Las-
sen Sie mich deshalb die Gelegenheit ergreifen, den vie-
len Soldatinnen und Soldaten, den Diplomaten, den Poli-
zisten und den zivilen Kräften zu danken, die in den
Einsätzen auch über Weihnachten ihren Dienst tun und
eigentlich gern bei ihren Familien wären. Ich wünsche
ihnen und ihren Familien frohe Weihnachten und für
2014 Glück, Erfolg und Gottes Segen.
Vielen Dank.