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ID1800502600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/5 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 5: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zum Europäischen Rat am 19./20. Dezember 2013 in Brüssel . . . . . 239 A Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 239 B Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . 243 D Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 C Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 A Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . 250 B Marieluise Beck (Bremen) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . 251 B Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 252 C Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 C Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 255 C Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 A Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 257 B Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 D Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 260 B Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . 261 B Wolfgang Hellmich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 263 A Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 264 C Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . 265 B Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 C Gunther Krichbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 266 D Tagesordnungspunkt 6: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialge- setzbuch (13. SGB V-Änderungsgesetz – 13. SGB V-ÄndG) (Drucksache 18/200) . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 C b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialge- setzbuch (14. SGB V-Änderungsgesetz – 14. SGB V-ÄndG) (Drucksache 18/201) . . . . . . . . . . . . . . . . 268 C Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 D Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 269 C Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 270 C Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 D Michael Hennrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 272 C Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 C Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 274 B Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 275 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 277 A Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Michael Brand (CDU/CSU) zum Entschlie- ßungsantrag der Abgeordneten Katja Keul, Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanz- lerin zum Europäischen Rat am 19./20. De- zember 2013 in Brüssel (Drucksache 18/192, Tagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 B Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 239 (A) (C) (D)(B) 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 Beginn: 9.01 Uhr
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    (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 277 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht (D) Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Michael Brand (CDU/CSU) zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Katja Keul, Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Abgabe ei- ner Regierungserklärung durch die Bundes- kanzlerin zum Europäischen Rat am 19./20. De- zember 2013 in Brüssel (Drucksache 18/192, Tagesordnungspunkt 5) Zum Antrag der Grünen auf Drucksache 18/192 unter anderem zur Außen- und Sicherheitspolitik der EU möchte ich mein Abstimmungsverhalten an einer beson- deren Frage aus diesem Bereich begründen, die auch in der heutigen Debatte immer wieder eine Rolle gespielt hat. Der EU-Gipfel morgen wird sich unter anderem mit der vom Deutschen Bundestag unterstützten, in der Be- völkerung dagegen sehr skeptisch betrachteten mögli- chen weiteren Erweiterung der EU, dieses Mal mit der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Serbien, be- fassen. Es trägt zweifelsfrei zur wachsenden EU-Skepsis in den Ländern dieser überlebenswichtigen Europäischen Union bei, wenn die EU sich immer weniger dazu bereit- Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 18.12.2013 Barley, Dr. Katarina SPD 18.12.2013 Bülow, Marco SPD 18.12.2013 Drobinski-Weiß, Elvira SPD 18.12.2013 Esken, Saskia SPD 18.12.2013 Hänsel, Heike DIE LINKE 18.12.2013 Pols, Eckhard CDU/CSU 18.12.2013 Schäuble, Dr. Wolfgang CDU/CSU 18.12.2013 Schick, Dr. Gerhard BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.12.2013 Schlecht, Michael DIE LINKE 18.12.2013 Zypries, Brigitte SPD 18.12.2013 findet, ihren eigenen Grundsätzen und ihren eigenen Be- schlüssen im konkreten Fall nachhaltig Geltung zu ver- schaffen. Wir alle hier haben die Kriege auf dem Balkan mit den schrecklichen Ergebnissen für die Menschen dort und die großen Risiken für die Stabilität Europas noch frisch in Erinnerung. Die Konflikte sind derzeit einge- froren, jedoch bei weitem nicht gelöst. Vor allem der Konflikt zwischen der Republik Serbien und der Repu- blik Kosovo birgt noch immer Potenzial für eine Desta- bilisierung des Balkan und darüber hinaus für Europa. Beide Länder haben umstrittene Führungen, deren Bekenntnisse zu Frieden, Aussöhnung und Europa von der eigenen Bevölkerung wie von der überwältigenden Mehrheit der Kenner der Region als schlicht nicht glaub- würdig angesehen werden. Während sich dies in der Bevölkerung anders darstellt, sind es vor allem der inter- nationale Druck und mehr noch die Hoffnung auf wirt- schaftliche Hilfe, die zu Zugeständnissen geführt haben, deren Bestand wir derzeit noch anzweifeln müssen. Wenn wir als Europäische Union zu früh und entge- gen unseren eigenen Kriterien die Beteiligten schon zu Beitrittsgesprächen in die EU hereinbitten, dann geben wir das stärkste politische Pfund aus der Hand, um auf eine irreversible Lösung und damit nachhaltige Befrie- dung der zentralen Konflikte zwischen der Republik Ser- bien und der Republik Kosovo zu drängen. Wir sind dabei, die Einwirkungsmöglichkeiten der EU auf eine nachhaltige Lösung leichtfertig zu vergeben, wenn wir nicht mehr darauf bestehen, dass unsere eigenen Bedin- gungen der letzten EU-Gipfel auch erfüllt werden. Poli- tischer „Discount“ statt standhafter Haltung hat sich auf dem Balkan bislang selten bis nie ausgezahlt, weder für die geplagte Bevölkerung dort noch mit Blick auf die politische Stabilität in Europa. Der Bericht der EU-Außenbeauftragten Ashton zum erreichten Stand der Verhandlungen ist überoptimistisch und blendet zentrale Risiken aus. Nachdem ich den Be- richt vom 16. Dezember 2013 an die EU-Außenminister zur Kenntnis genommen habe, will ich die Skepsis auch vieler Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause da- rüber festhalten, dass Serbien beim morgigen EU-Gipfel einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen erhalten soll, obwohl die Bedingungen aus dem EU-Be- schluss vom Juni 2013 wie auch diejenigen des Deut- schen Bundestages vom 27. Juni 2013 nicht erfüllt sind. Eine ganze Anzahl von Bedingungen sind auch des- halb nicht erfüllt, weil sie lediglich als Papier unter- zeichnet, jedoch bei der von der EU und den beiden Sei- ten im Aprilabkommen als Bedingung formulierten Implementierung und konkreten Umsetzung massiv boy- kottiert werden. Zu den großen ungeklärten Fragen zählt die für die Statik eines jeden Staates zentrale Frage der einheitli- chen Rechtsordnung und der Rechtsprechung. Die in den Gesprächen in der letzten Woche blockierte Integration Anlagen 278 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 (A) (C) (B) der Rechtsprechung im Norden des Landes in den Justiz- sektor der Republik Kosovo – wie dies in jedem europäi- schen Staat gilt, weil gleiches Recht für alle eben eine einheitliche und nicht eine ethnische Justiz voraussetzt – ist auch ein Fanal dafür, dass die Autorität der EU schwindet und die EU insgesamt bei der Durchsetzung der eigenen rechtsstaatlichen Kriterien als erschöpft gilt. Der Bundestag hatte am 27. Juni 2013 unter anderem als Bedingung für die Aufnahme von Beitrittsverhand- lungen beschlossen: – die vollständige Auflösung der serbischen Paral- lelstrukturen im Sicherheits- und Justizbereich im Norden Kosovos und stattdessen die Errich- tung neuer Strukturen im Sicherheits- und Justiz- sektor Kosovos, die allein der politischen Kon- trolle und Finanzierung durch die kosovarische Regierung unterliegen. Weil dieses zentrale Thema so bedeutsam ist, wäre es ein Fehler, die Beitrittsgespräche mit Serbien zu eröff- nen, solange diese zentrale und andere Bedingungen nicht erfüllt sind. Es ist ein großes Risiko, das die EU gerade eingeht. Sie hat sich bislang in der Analyse und bei der Konfliktbewältigung nicht als allzu erfolgreich erwiesen. Die Bundesregierung kann nur aufgefordert werden, sich auf dem EU-Gipfel im Interesse der Stabilität des Balkan und der noch immer nicht vollständig beseitigten Risiken für den Frieden in Europa nicht allzu schnell von Positionen zu verabschieden, die genau diese Risiken eindämmen sollten. (D) 5. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 5 Regierungserklärung zum Europäischen Rat TOP 6 Preismoratorium für Arzneimittel Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Bärbel Kofler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

    Ich möchte meine Redezeit einem Thema widmen, das
    auch zwei meiner Vorredner schon angesprochen haben.
    Ich bin seit acht Jahren Vorsitzende der Deutsch-Ukrai-
    nischen Parlamentariergruppe, und ich möchte die Gele-
    genheit heute explizit nutzen, im Namen dieser Parla-
    mentariergruppe den mutigen Menschen in Kiew, die
    dafür demonstrieren, dass sie Europäer sein dürfen, und
    die zu Europa gehören wollen, unseren Respekt und un-
    sere Unterstützung auszusprechen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich finde es beachtenswert – wir sollten das als Parla-
    ment entsprechend würdigen –, dass mehrere Hundert-

    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 259

    Dr. Bärbel Kofler


    (A) (C)



    (D)(B)

    tausend Menschen seit Wochen friedlich demonstrieren,
    viel in Kauf nehmen, ihrer Arbeit und ihren Studienplät-
    zen fernbleiben und versuchen, eine Ukraine zu unter-
    stützen, die nach Europa kommt und die auch nach
    Europa gehört.

    Wir alle wissen: Der sperrige Begriff „Assoziierungs-
    abkommen“ ist bestimmt nicht das, was die Menschen
    auf die Straße treibt. Aber das, was dahintersteht, treibt
    die Ukrainer um, und das muss auch uns umtreiben,
    wenn wir über gemeinsame europäische Außenpolitik
    reden, wenn wir wirkliche Unterstützung und Hilfe für
    unsere Partner in diesem Prozess sein wollen. Es geht
    um mehr als Freihandelsabkommen. Um die geht es
    auch, aber es geht um mehr. Es geht dabei auch um an-
    dere Fragen: Was für einen Veränderungsprozess bedeu-
    tet das in einem Land wie der Ukraine? Was sind dort für
    Umstrukturierungsprozesse notwendig?

    An dieser Stelle sei die kleine Nebenbemerkung ge-
    stattet: Es ist schon etwas unglaubwürdig, auch vonsei-
    ten der ukrainischen Regierung, nach sieben Jahren des
    Verhandelns über das Assoziierungsabkommen jetzt
    plötzlich zu bemerken, dass es Anpassungskosten geben
    wird. Eine Woche bevor der Gipfel in Vilnius stattfindet,
    stellt man plötzlich fest: Es wird Transformationskosten
    geben. – Ja, diese wird es geben. Aber man darf nicht
    kurzfristige Politik betreiben, wie es in Moskau gesche-
    hen ist, als der Ukraine durch Kredite und Hilfen im
    Gasbereich kurzfristig aus einer wirtschaftlich prekären
    Situation geholfen werden sollte, ohne ihr aber mittel-
    und langfristige Perspektiven aufzuzeigen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Es geht aber um mehr. Es geht auch um die Frage
    – das muss die Ukraine als souveräner Staat selbst ent-
    scheiden –, welche Standards, welche europäischen und
    grundsätzlichen Standards, das Land in Zukunft setzen
    möchte. Die Menschen in der Ukraine gehen – das ist
    ganz klar – für ein besseres Leben auf die Straße. Viele
    Menschen in der Ukraine treibt ihre sehr schwierige
    wirtschaftliche und soziale Situation um. Aber die Men-
    schen gehen auch für Rechtsstandards, eine Trennung
    von Politik und Justiz, eine Beendigung der Einfluss-
    nahme der Politik auf eigentlich unabhängige Gerichte
    und Justizprozesse auf die Straße. Auch das ist Teil des
    Abkommens. Es geht des Weiteren um eine Wahlrechts-
    reform, eine Reform des Strafgesetzbuches und eine Re-
    form der Staatsanwaltschaften in der Ukraine. Für all
    dies gehen die Menschen in der Ukraine auf die Straße.
    Dafür gebühren ihnen unsere Unterstützung und unser
    Respekt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es geht für uns Europäer aber um noch mehr. Es geht
    um das Zusammenwachsen der Nationen und der Völ-
    ker. Jeder von uns kann das in vielen Städtepartnerschaf-
    ten nachempfinden und nachleben. Ich kenne zahlreiche
    Städtepartnerschaften in Bayern, die von den Bürgern
    getragen werden und die einen wirklichen Austausch
    zwischen den Zivilgesellschaften ermöglichen. Wenn
    wir uns mit der Ukraine auseinandersetzen, müssen wir
    einerseits die wirtschaftlichen Aspekte, also die Frage,
    wie wir der Ukraine wirtschaftlich helfen können, ernst
    nehmen und andererseits den zivilgesellschaftlichen
    Aspekt in den Fokus rücken und die Chancen und Mög-
    lichkeiten für ein ziviles Zusammenleben und Zusam-
    menwachsen der Bürger stärken. Für mich gehört ganz
    eindeutig die Visafreiheit für die Ukraine, und zwar als
    Ziel eines Aktionsplanes, dazu.


    (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wie gesagt, wir alle kennen Projekte, die von Bürgern
    getragen werden. Europa lebt davon, dass Menschen
    diese Projekte mit Leben erfüllen und in den Mittelpunkt
    stellen.

    Wir sind momentan in einer schwierigen Situation.
    Ich finde es richtig, was heute bereits mehrfach gesagt
    wurde: Es darf in den Beziehungen zur Ukraine nicht um
    ein Entweder-oder gehen. Die Ukraine darf nicht dazu
    gedrängt werden, ihren Blick von den historischen und
    familiären Beziehungen zu Russland abzuwenden. Jeder,
    der in diesen Ländern einige Zeit war – ich habe drei
    Jahre in Russland gelebt und gearbeitet –, weiß, dass es
    enge familiäre, persönliche Beziehungen zwischen den
    Ländern gibt, die auch ernst genommen werden müssen.
    Aber ein Staat wie Russland darf sich auch nicht das
    Recht herausnehmen, auf einen souveränen Nachbar-
    staat wie die Ukraine, der sich in einer schwierigen wirt-
    schaftlichen Situation befindet, Druck auszuüben und
    ihn zu Entscheidungen zu bringen, die die Ukraine bei
    freien Entfaltungsmöglichkeiten so nicht gefällt hätte.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Beide Aspekte müssen in der europäischen Politik be-
    rücksichtigt werden. Auf beide Aspekte muss eingegan-
    gen werden. Gewachsene Beziehungen müssen ernst ge-
    nommen werden. Genauso ernst genommen werden
    müssen aber auch Forderungen nach Achtung der Men-
    schenrechte und der Souveränität. Ich glaube, die
    Ukraine und insbesondere die ukrainische Regierung
    sind gut beraten, endlich deutlich zu sagen, was sie wol-
    len. Vonseiten der ukrainischen Regierung werden zur-
    zeit sehr ambivalente Signale ausgesandt. Die finanzielle
    Nachforderung von Präsident Janukowitsch wurde be-
    reits angesprochen. Es ist nicht zielführend, hier in eine
    Art Bieterkrieg einzutreten und über kurzfristige Maß-
    nahmen zu sprechen. Aber wir müssen sehen – der Kol-
    lege Nietan hat das bereits angesprochen –, welche
    Möglichkeiten es im Rahmen der mittelfristigen Finanz-
    planung auf europäischer Ebene gibt, um der Ukraine
    aus der desolaten wirtschaftlichen Situation zu helfen,
    und zwar unter Einbeziehung der Fragen betreffend die
    Energieversorgung, die von fulminanter – auch sozial-
    politischer – Bedeutung für die Ukraine sind. Es ist zu
    wenig, zu sagen: Ihr müsst eure Haushaltsausgaben im
    Bereich der Sozialtransfers, wobei es um Wohnungen
    und um die Unterstützung der Bevölkerung geht, kürzen. –

    260 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013

    Dr. Bärbel Kofler


    (A) (C)



    (D)(B)

    Ja, das muss passieren, aber es muss vorher etwas
    passieren, damit den Menschen in der Ukraine ein be-
    zahlbares Heizen ermöglicht wird. Ich glaube, wir sind
    gut beraten, auf verschiedensten Wegen Hilfe und Unter-
    stützung angedeihen zu lassen. Vielleicht wäre es gut,
    wenn die EU, aber auch die deutsche Bundesregierung
    ihr Augenmerk in der Zukunft mehr auf diese Fragen
    richten könnten.

    Ich finde es begrüßenswert, dass von verschiedensten
    Seiten, sowohl von den EU-Außenministern als auch
    von der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheits-
    politik oder auch von dem EU-Parlamentspräsidenten
    Martin Schulz, zwar deutliche Kritik geäußert wurde,
    aber immer auch gesagt wurde: Die Tür für Verhandlun-
    gen muss offen bleiben, und auch der Gesprächsfaden
    – auch das möchte ich unterstreichen – mit Russland
    darf nicht abreißen.

    Wenn man sich kurz vor Weihnachten etwas wün-
    schen darf, dann würde ich mir zum Schluss an dieser
    Stelle wünschen, dass wir als Europäer, als EU, und als
    deutsche Bundesregierung unsere Aufmerksamkeit und
    unsere Empathie mehr nach Osteuropa lenken und uns
    unseren osteuropäischen Nachbarn widmen, deren Sor-
    gen ernst nehmen und aufgreifen, den Dialog mit beiden
    Seiten, sowohl mit der Ukraine als auch mit Russland,
    stärken, es am Ende vielleicht doch noch schaffen, zu ei-
    nem Assoziierungsabkommen mit der Ukraine zu gelan-
    gen, und die Visaerleichterung und weitere Erleichterun-
    gen für die Menschen in den Mittelpunkt stellen. Ganz
    besonders wünsche ich mir, dass friedliche Verhandlun-
    gen die Oberhand behalten, dass es weiterhin friedliche
    Demonstrationen geben kann und die Demonstrationen
    nicht in eine Situation abgleiten, in der Gewalt am Ende
    die Oberhand gewinnt.

    Ich danke Ihnen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Ulla Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Das Wort hat jetzt der Kollege Florian Hahn von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Florian Hahn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kol-

    legen! Die Große Koalition hat sich gefunden. Wir ha-
    ben gestern die Kanzlerin gewählt. Es hat sich eine neue,
    gute Regierung gebildet. „Endlich“, werden die meisten
    sagen, man könnte aber auch sagen: Gut Ding braucht
    Weile. – Mit Blick nach Hessen, wo die Regierung noch
    nicht so richtig steht, möchte ich sagen, Herr Sarrazin:
    Vielleicht wird auch für dort gelten: Gut Ding braucht
    Weile. – Auf alle Fälle haben wir rechtzeitig eine Regie-
    rung, um sprach- und entscheidungsfähig bei dem kom-
    menden Europäischen Rat Ende der Woche beraten zu
    können.

    Ein Schwerpunkt ist hierbei die Sicherheits- und Ver-
    teidigungspolitik. Das möchte ich ausdrücklich begrü-
    ßen. Eine Beschäftigung mit der GSVP in Europa ist
    dringend geboten. Hier hat sich Deutschland etwas vor-
    genommen. So verspricht der Koalitionsvertrag, dass un-
    sere Regierung anknüpfend an diesen Gipfel neue Initia-
    tiven zur Stärkung und zur Vertiefung der gemeinsamen
    Außen- und Sicherheitspolitik in Europa ergreifen wird.

    Wie ist die Lage? Europa war in der vergangenen Zeit
    bei den Krisen in der geografischen Nachbarschaft eher
    Zuschauer als Akteur. Das Fehlen einer GSVP und ge-
    meinsamer Überzeugungen seitens der großen Länder
    Deutschland, Frankreich und Großbritannien wurde zu-
    letzt auch in Syrien offengelegt. In Libyen zeigten sich
    nicht zuletzt die materiellen Grenzen von uns Europäern.
    Die Erwartungen in die GSVP haben sich bisher nur un-
    zureichend erfüllt. Vorsätze und überfällige Entschei-
    dungen klaffen auseinander. Ich möchte hier nur die
    Stichworte „Europäisierung der Streitkräfte“ oder „koor-
    dinierte Spezialisierung auf nationaler Ebene“ nennen.

    Auch unkoordinierte Haushaltskürzungen in Europa
    sorgen für den Verlust wichtiger industrieller und tech-
    nologischer Fähigkeiten. Gleichzeitig werden durch
    Mehrfachstrukturen Milliarden verschwendet. Wir brau-
    chen aber eine starke und selbstbewusste EU in der
    Frage der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Wa-
    rum? Krisen, die uns mittel- und unmittelbar betreffen,
    nehmen zu. Allein 2013 hat sich Deutschland bei weite-
    ren Einsätzen in Mali und in der Türkei engagiert. Damit
    ist auch eine noch stärkere Einsatzbelastung für unsere
    Soldaten, aber auch für das Material und die Systeme
    verbunden.

    Die Praxis zeigt, dass die EU kaum in der Lage ist,
    komplexe Einsätze allein zu bewerkstelligen. Die USA
    wenden sich – das ist hinreichend bekannt – Richtung
    Pazifik. Die NATO ist zudem auch nicht immer zwangs-
    läufig das beste Instrument zur Krisenbewältigung. So
    kann die EU beispielsweise mit Handel als krisenent-
    schärfender Maßnahme ein weiteres Asset anbieten, das
    die NATO so nicht bieten kann.

    Deutschland kann wegen seiner beschränkten Größe
    von 82 Millionen Einwohnern eigene Interessen global
    – davon bin ich fest überzeugt – in einer Gemeinschaft
    von 500 Millionen Menschen besser verfolgen. Die Ent-
    wicklung technologischer Spitzenfähigkeiten lässt sich
    im Nationalen nicht mehr finanzieren. Wer europäische
    Unabhängigkeit in diesem Bereich haben möchte, muss
    stärker europäisch kooperieren.

    Wo wollen, wo müssen wir hin? Wir brauchen ein ge-
    meinsames Verständnis als Security Provider. Wir müs-
    sen die Lücken zwischen zivilen und militärischen Fä-
    higkeiten schließen, und wir brauchen eine starke und
    wettbewerbsfähige technologische Basis in Europa. Un-
    ser Wohlstand in Deutschland und in Europa ist auf eine
    stabile Welt angewiesen. Dies zu erhalten, ist unser urei-
    genes Interesse. Unsere Größe und unser Erfolg sorgen
    dafür, dass viele Nachbarn und Partner von uns ein be-
    sonderes Engagement zur Weiterentwicklung der GSVP
    erwarten. Wir haben bewiesen, dass wir ein verlässlicher
    Partner sind.

    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 261

    Florian Hahn


    (A) (C)



    (D)(B)

    Wenn wir uns für ein Engagement entschieden haben,
    sind wir schnell im Einsatz und übernehmen verlässlich
    Verantwortung. Das zeigen die Einsätze in Afghanistan,
    in der Türkei, im Kosovo und in allen anderen Ländern.

    Ich erwarte mir deshalb von diesem Ratsgipfel erstens
    ein klares politisches Signal, das heißt „Defence and Se-
    curity matters“. Der Ratsgipfel muss ein Initialisierungs-
    punkt sein, um die GSVP auf einer realistischen Grund-
    lage mit Leben zu füllen.

    Zweitens. Die GSVP muss zur Chefsache werden.
    Ein jährlicher Gipfel auf Ebene der Staats- und Regie-
    rungschefs muss beschlossen werden.

    Drittens. Wir brauchen ein gemeinsames europäisches
    Lagebild. Auch das muss in Auftrag gegeben werden.


    (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Drohne, oder was?)


    Grundsätzlich lässt sich sagen: Europa ist wegen der
    Finanz- und Schuldenkrise in einer schwierigen Lage.
    Die Menschen sind daher europaskeptischer geworden.
    Deshalb ist es eine besondere Herausforderung, genau
    zu diesem Zeitpunkt die GSVP zu vertiefen. Das gelingt
    nur, wenn ein klarer Nutzen erkennbar ist. Insofern soll-
    ten wir uns konkret Projekte vornehmen, die realistisch
    sind. Die Stiftung Wissenschaft und Politik schlägt dazu
    in einem Papier vor, erstens ein europäisches Programm
    für unbemanntes Fliegen als Technologietreiber zu ent-
    wickeln, zweitens ein europäisches Luftüberwachungs-
    geschwader als Kooperationstreiber aufzustellen und
    den bestehenden europäischen Lufttransport noch zu
    verstärken. Dies sollten wir ins Auge fassen.

    Zur Beitrittspolitik möchte ich bemerken, dass ich die
    Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Serbien wei-
    terhin sehr skeptisch sehe. Die Bedingungen, die wir hier
    im Haus im Juni beschlossen haben, sind aus meiner
    Sicht nicht hinreichend eingehalten, beispielsweise im
    Bereich Justiz oder beim Abbau von Parallelstrukturen.
    Diese Beispiele sprechen eigentlich nicht für eine Eröff-
    nung von Beitrittsverhandlungen.

    Wir sind in der letzten Woche vor Weihnachten. Las-
    sen Sie mich deshalb die Gelegenheit ergreifen, den vie-
    len Soldatinnen und Soldaten, den Diplomaten, den Poli-
    zisten und den zivilen Kräften zu danken, die in den
    Einsätzen auch über Weihnachten ihren Dienst tun und
    eigentlich gern bei ihren Familien wären. Ich wünsche
    ihnen und ihren Familien frohe Weihnachten und für
    2014 Glück, Erfolg und Gottes Segen.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)