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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/5 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 5: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zum Europäischen Rat am 19./20. Dezember 2013 in Brüssel . . . . . 239 A Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 239 B Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . 243 D Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 C Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 A Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . 250 B Marieluise Beck (Bremen) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . 251 B Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 252 C Dietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 C Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 255 C Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 A Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 257 B Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 D Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 260 B Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . 261 B Wolfgang Hellmich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 263 A Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 264 C Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . 265 B Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 C Gunther Krichbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 266 D Tagesordnungspunkt 6: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialge- setzbuch (13. SGB V-Änderungsgesetz – 13. SGB V-ÄndG) (Drucksache 18/200) . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 C b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialge- setzbuch (14. SGB V-Änderungsgesetz – 14. SGB V-ÄndG) (Drucksache 18/201) . . . . . . . . . . . . . . . . 268 C Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 D Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 269 C Dr. Karl Lauterbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 270 C Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 D Michael Hennrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 272 C Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 C Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 274 B Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 275 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 277 A Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Michael Brand (CDU/CSU) zum Entschlie- ßungsantrag der Abgeordneten Katja Keul, Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanz- lerin zum Europäischen Rat am 19./20. De- zember 2013 in Brüssel (Drucksache 18/192, Tagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 B Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 239 (A) (C) (D)(B) 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 Beginn: 9.01 Uhr
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    (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 277 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht (D) Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Michael Brand (CDU/CSU) zum Entschließungsantrag der Abgeordneten Katja Keul, Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Abgabe ei- ner Regierungserklärung durch die Bundes- kanzlerin zum Europäischen Rat am 19./20. De- zember 2013 in Brüssel (Drucksache 18/192, Tagesordnungspunkt 5) Zum Antrag der Grünen auf Drucksache 18/192 unter anderem zur Außen- und Sicherheitspolitik der EU möchte ich mein Abstimmungsverhalten an einer beson- deren Frage aus diesem Bereich begründen, die auch in der heutigen Debatte immer wieder eine Rolle gespielt hat. Der EU-Gipfel morgen wird sich unter anderem mit der vom Deutschen Bundestag unterstützten, in der Be- völkerung dagegen sehr skeptisch betrachteten mögli- chen weiteren Erweiterung der EU, dieses Mal mit der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit Serbien, be- fassen. Es trägt zweifelsfrei zur wachsenden EU-Skepsis in den Ländern dieser überlebenswichtigen Europäischen Union bei, wenn die EU sich immer weniger dazu bereit- Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 18.12.2013 Barley, Dr. Katarina SPD 18.12.2013 Bülow, Marco SPD 18.12.2013 Drobinski-Weiß, Elvira SPD 18.12.2013 Esken, Saskia SPD 18.12.2013 Hänsel, Heike DIE LINKE 18.12.2013 Pols, Eckhard CDU/CSU 18.12.2013 Schäuble, Dr. Wolfgang CDU/CSU 18.12.2013 Schick, Dr. Gerhard BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.12.2013 Schlecht, Michael DIE LINKE 18.12.2013 Zypries, Brigitte SPD 18.12.2013 findet, ihren eigenen Grundsätzen und ihren eigenen Be- schlüssen im konkreten Fall nachhaltig Geltung zu ver- schaffen. Wir alle hier haben die Kriege auf dem Balkan mit den schrecklichen Ergebnissen für die Menschen dort und die großen Risiken für die Stabilität Europas noch frisch in Erinnerung. Die Konflikte sind derzeit einge- froren, jedoch bei weitem nicht gelöst. Vor allem der Konflikt zwischen der Republik Serbien und der Repu- blik Kosovo birgt noch immer Potenzial für eine Desta- bilisierung des Balkan und darüber hinaus für Europa. Beide Länder haben umstrittene Führungen, deren Bekenntnisse zu Frieden, Aussöhnung und Europa von der eigenen Bevölkerung wie von der überwältigenden Mehrheit der Kenner der Region als schlicht nicht glaub- würdig angesehen werden. Während sich dies in der Bevölkerung anders darstellt, sind es vor allem der inter- nationale Druck und mehr noch die Hoffnung auf wirt- schaftliche Hilfe, die zu Zugeständnissen geführt haben, deren Bestand wir derzeit noch anzweifeln müssen. Wenn wir als Europäische Union zu früh und entge- gen unseren eigenen Kriterien die Beteiligten schon zu Beitrittsgesprächen in die EU hereinbitten, dann geben wir das stärkste politische Pfund aus der Hand, um auf eine irreversible Lösung und damit nachhaltige Befrie- dung der zentralen Konflikte zwischen der Republik Ser- bien und der Republik Kosovo zu drängen. Wir sind dabei, die Einwirkungsmöglichkeiten der EU auf eine nachhaltige Lösung leichtfertig zu vergeben, wenn wir nicht mehr darauf bestehen, dass unsere eigenen Bedin- gungen der letzten EU-Gipfel auch erfüllt werden. Poli- tischer „Discount“ statt standhafter Haltung hat sich auf dem Balkan bislang selten bis nie ausgezahlt, weder für die geplagte Bevölkerung dort noch mit Blick auf die politische Stabilität in Europa. Der Bericht der EU-Außenbeauftragten Ashton zum erreichten Stand der Verhandlungen ist überoptimistisch und blendet zentrale Risiken aus. Nachdem ich den Be- richt vom 16. Dezember 2013 an die EU-Außenminister zur Kenntnis genommen habe, will ich die Skepsis auch vieler Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause da- rüber festhalten, dass Serbien beim morgigen EU-Gipfel einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen erhalten soll, obwohl die Bedingungen aus dem EU-Be- schluss vom Juni 2013 wie auch diejenigen des Deut- schen Bundestages vom 27. Juni 2013 nicht erfüllt sind. Eine ganze Anzahl von Bedingungen sind auch des- halb nicht erfüllt, weil sie lediglich als Papier unter- zeichnet, jedoch bei der von der EU und den beiden Sei- ten im Aprilabkommen als Bedingung formulierten Implementierung und konkreten Umsetzung massiv boy- kottiert werden. Zu den großen ungeklärten Fragen zählt die für die Statik eines jeden Staates zentrale Frage der einheitli- chen Rechtsordnung und der Rechtsprechung. Die in den Gesprächen in der letzten Woche blockierte Integration Anlagen 278 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 (A) (C) (B) der Rechtsprechung im Norden des Landes in den Justiz- sektor der Republik Kosovo – wie dies in jedem europäi- schen Staat gilt, weil gleiches Recht für alle eben eine einheitliche und nicht eine ethnische Justiz voraussetzt – ist auch ein Fanal dafür, dass die Autorität der EU schwindet und die EU insgesamt bei der Durchsetzung der eigenen rechtsstaatlichen Kriterien als erschöpft gilt. Der Bundestag hatte am 27. Juni 2013 unter anderem als Bedingung für die Aufnahme von Beitrittsverhand- lungen beschlossen: – die vollständige Auflösung der serbischen Paral- lelstrukturen im Sicherheits- und Justizbereich im Norden Kosovos und stattdessen die Errich- tung neuer Strukturen im Sicherheits- und Justiz- sektor Kosovos, die allein der politischen Kon- trolle und Finanzierung durch die kosovarische Regierung unterliegen. Weil dieses zentrale Thema so bedeutsam ist, wäre es ein Fehler, die Beitrittsgespräche mit Serbien zu eröff- nen, solange diese zentrale und andere Bedingungen nicht erfüllt sind. Es ist ein großes Risiko, das die EU gerade eingeht. Sie hat sich bislang in der Analyse und bei der Konfliktbewältigung nicht als allzu erfolgreich erwiesen. Die Bundesregierung kann nur aufgefordert werden, sich auf dem EU-Gipfel im Interesse der Stabilität des Balkan und der noch immer nicht vollständig beseitigten Risiken für den Frieden in Europa nicht allzu schnell von Positionen zu verabschieden, die genau diese Risiken eindämmen sollten. (D) 5. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 5 Regierungserklärung zum Europäischen Rat TOP 6 Preismoratorium für Arzneimittel Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Gehrcke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Schönen Dank, Herr Präsident. – Ich hätte mir die

    Kurzintervention sparen können, wenn der Kollege
    Nietan meine Zwischenfrage zugelassen hätte. Ich ver-
    stehe gar nicht, aus welchem Grund man eine Frage
    nicht zulässt. Aber wir üben ja alle noch hier im Hause.

    Ich habe sehr gespannt darauf gewartet, dass Sie end-
    lich auf Probleme zu sprechen kommen, die mit Frontex
    zusammenhängen. Es wäre schön, wenn wir uns frak-
    tionsübergreifend darauf einigen könnten, Frontex auf-
    zulösen, weil wir nicht wollen, dass Flüchtlinge verfolgt
    werden.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wir wollen, dass die Fluchtursachen bekämpft wer-
    den, aber nicht, dass Flüchtlinge verfolgt werden. Wir
    wollen endlich Schluss machen mit Dublin II, einer Ver-
    ordnung, die, wie Sie gesagt haben, dazu führt, dass sich
    die reichen Staaten aussuchen können, wen sie aufneh-
    men und wen sie nicht aufnehmen. Wir wollen, dass wir
    uns in diesem Land Flüchtlingen gegenüber öffnen. Ich
    habe mithilfe des Auswärtigen Amtes – dafür muss ich
    es sehr loben – dazu beitragen können, dass einige we-
    nige syrische Flüchtlinge aus dem Libanon nach
    Deutschland geholt werden konnten, zum Beispiel eine
    alte Frau, die zunächst ausgewiesen worden ist, obwohl
    sie hier Asyl beantragt hatte. Mich hat das sehr erschüt-
    tert. Ich habe mich dann ein paar Minuten gut gefühlt,
    dass man da etwas tun konnte.

    Gleichzeitig war mir ganz schlecht; denn eine Person
    holen heißt, viele Zehntausende sitzen lassen. Ich
    möchte, dass wir eine anständige Flüchtlingspolitik ma-
    chen. Wie mein Kollege Dehm gesagt hat: Die Würde
    des Menschen – nicht die Würde des Deutschen oder des
    Europäers – ist unantastbar. – Das muss endlich einmal
    durchgesetzt werden in diesem Land.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ich will Ihnen das nicht vorhalten – es ist nun einmal
    so: wenn man mit dem Finger auf jemanden zeigt, zei-
    gen immer auch Finger auf einen zurück –, aber ich bitte
    Sie doch sehr: Reden Sie einmal mit Ihrem Kollegen
    Olaf Scholz in Hamburg! Die Lampedusa-Flüchtlinge in
    Hamburg nicht aufzunehmen, sie unter unwürdigen Be-
    dingungen dort unter Druck zu setzen, das sollte eine so-

    256 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013

    Wolfgang Gehrcke


    (A) (C)



    (D)(B)

    zialdemokratische Partei nicht zulassen. Treten wir alle
    für eine andere Flüchtlingspolitik ein! Das können wir
    gemeinsam machen, wenn Sie wollen.


    (Beifall bei der LINKEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Nächster Redner ist der Kollege Manuel Sarrazin,

Bündnis 90/Die Grünen.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Manuel Sarrazin


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

    ren! Wenn man in den letzten Monaten in den Haupt-
    städten Europas unterwegs war, konnte man feststellen:
    Alle warteten auf die Bundestagswahl und waren dann
    ganz überrascht, dass man noch weiter warten muss: auf
    den Koalitionsvertrag.


    (Florian Hahn [CDU/CSU]: Aber in Hessen wart ihr schneller!)


    Man musste das Gefühl bekommen, es ist mit diesem
    Koalitionsvertrag ein bisschen wie in dem Brief des
    Apostels Paulus an die Philipper, wo geschrieben steht:

    Ich selbst habe diese Wünsche und Sehnsüchte in
    dich hineingelegt.

    Ich habe das Gefühl, bei Ihnen ist das immer noch der
    Fall.


    (Beifall der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Das deckt sich aber nicht unbedingt mit dem Text des
    Koalitionsvertrages und erst recht nicht mit dem, was
    wir im Zusammenhang mit dem Gipfel erleben.


    (Florian Hahn [CDU/CSU]: Wie schnell wart ihr in Hessen?)


    Ich kann Sie beruhigen: Ich habe gegenüber den euro-
    päischen Kolleginnen und Kollegen Erwartungsmanage-
    ment betrieben und immer gesagt: Sie können von der
    neuen Koalition in Berlin europapolitisch leider nicht zu
    viel erwarten. – Ich muss zu meinem eigenen Leidwesen
    gestehen, dass ich mich nach dieser Regierungserklä-
    rung von Frau Merkel bestätigt sehe.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Aber man soll ja nicht immer gleich den biblischen
    Maßstab ansetzen. Deshalb möchte ich versuchen, Ihren
    eigenen Maßstab anzulegen. Sie sagen:

    Für die Große Koalition ist und bleibt das europäi-
    sche Einigungswerk eine der wichtigsten Aufgaben


    Und Sie sagen:

    Unser Ziel dabei ist … ein Europa der Stabilität, des
    Wachstums …

    Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn ich mir an-
    schaue, was für den Gipfel morgen auf der Tagesord-
    nung steht und was für Herausforderungen in den nächs-
    ten Monaten vor uns liegen, dann mache ich mir sehr
    große Sorgen. Das Ziel von Stabilität und Wachstum
    wird durch das, was Sie als Verhandlungsstrategie aus-
    gegeben haben, in keinster Weise erreicht. Im Gegenteil,
    Sie versäumen es, jetzt Entscheidungen zu treffen, die
    Europa in 2014 auch in schwierigeren Zeiten zu Stabili-
    tät und auch zu Wachstum bringen können.

    Sie sind nicht darauf eingegangen, was für Entwick-
    lungen anstehen: Irland und Portugal verlassen den Ret-
    tungsschirm. Viele Staaten haben eine schwierigere in-
    nenpolitische Lage als in der Vergangenheit – wegen
    Wahlen, die anstehen, aber auch, weil die Krisenpolitik
    Regierungen natürlich Körner kostet. Weiterhin können
    vor dem Hintergrund des EZB-Stresstests der finanzielle
    Zusammenhalt der Europäischen Union und die politi-
    sche Glaubwürdigkeit für die Existenz des Euro auf den
    Märkten als nicht ganz gesichert gelten. Angesichts des-
    sen verstehe ich nicht, wie man mit einer so schwachen
    Agenda auf diesen Europäischen Gipfel gehen kann.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich sehe in den nächsten Jahren – und auch bei die-
    sem Gipfel – die Gefahr, dass einer Fragmentierung des
    Euro, einer Fragmentierung des Binnenmarkts – unter
    anderem, weil der Bankenmarkt sich fragmentiert –, aber
    auch einer Renationalisierung von Entscheidungsstruk-
    turen und einem künftigen Auseinanderentwickeln von
    Staaten in Zentraleuropa – die einen mit dem Euro als
    Umlaufwährung, die anderen ohne den Euro als Umlauf-
    währung –, dass diesen gefährlichen Tendenzen, die im
    Gegensatz zu all dem stehen, was immer deutsche Euro-
    papolitik war, von dieser Bundesregierung immer noch
    nichts entgegengesetzt wird. Was Sie als Verhandlungsli-
    nie zur Bankenunion ausgegeben haben, ist der beste Be-
    weis dafür.

    Ich habe ein Beispiel aus Spanien gehört: Ein kleiner
    Fahrradproduzent erhielt einen Auftrag der Stadt Kopen-
    hagen, Citybikes herzustellen. Er wollte diesen Auftrag
    für sein gesundes Unternehmen annehmen und hat keine
    Bank gefunden, die ihm eine Finanzierung bereitstellen
    konnte.

    Sie müssen doch akzeptieren, dass man nur durch
    eine Bankenunion, die die Kreditklemme für die kleinen
    und mittelständischen Unternehmen in Südeuropa besei-
    tigen kann, auch in der Lage ist, etwas gegen Jugend-
    arbeitslosigkeit zu tun. Sie haben aber die Einigung, die
    schon im letzten Juni erreicht worden war, zurückver-
    handelt: Die Möglichkeit der direkten Bankenrekapi-
    talisierung aus dem ESM ist nicht mehr enthalten, Sie
    wollen keinen europäischen Bankenabwicklungsmecha-
    nismus mehr, sondern nationale Mechanismen, und Sie
    wollen schließlich, dass das Prinzip gilt, dass ein Natio-
    nalstaat immer daran glauben muss, dass, wenn seine
    Banken in Schwierigkeiten sind, sie nicht durch eine
    mutige europäische Lösung aufgefangen werden. – We-
    gen dieser Versäumnisse mache ich mir Sorgen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Dann gibt es diese bilateralen Verträge, die das neue
    Lieblingskind von Frau Merkel und scheinbar erlösungs-
    bringend sind. Wenn man sich diese genau anguckt,
    dann erkennt man: Das ist eine neue Scharade. In Wirk-

    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 257

    Manuel Sarrazin


    (A) (C)



    (D)(B)

    lichkeit degradieren Sie die europäischen Governance-
    Mechanismen, die wir in den letzten Jahren unter großer
    Anstrengung zu stärken versucht haben, und setzen sie
    auf die Bank des Zuschauers. Sie sehen die nationale
    Politik wieder als höchste Entscheidungsinstanz für na-
    tionale Reformpfade an und sagen der Europäischen
    Kommission: Nach unserem Gusto könnt ihr uns viel-
    leicht am Ende unterstützen.

    Damit schaffen Sie genau das Gegenteil von Verbind-
    lichkeit. Anstatt aus den Erfahrungen in den 2000er-Jah-
    ren die Lehren zu ziehen und die Verfahren zu stärken,
    für die mehr Verbindlichkeit notwendig ist, setzen Sie
    neue Verfahren ein, die Staaten – das sage ich Ihnen vo-
    raus – in keinster Weise dazu animieren werden, die not-
    wendigen Reformen wirklich anzugehen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es ist geradezu vielsagend, dass die Vorgaben der Euro-
    päischen Kommission und des Rates an Deutschland für
    seinen Haushaltsplan in diesem Jahr nicht angeguckt
    werden, während hier die neue Verbindlichkeit gepredigt
    wird.

    Meine Damen und Herren, Europa steht vor großen
    Herausforderungen, und ich habe wirklich den Wunsch
    an die neue Koalition, dass man nicht wieder nur dann
    zu Entscheidungen kommt und nur dann den Mut zu-
    sammennimmt, Strukturen zu schaffen, mit denen man
    auch in schwierigen Zeiten entscheidungsfähig ist, wenn
    man mit dem Argument „Das ist alternativlos“ ultimativ
    dafür werben kann, sondern dass man endlich einmal
    rechtzeitig zu Entscheidungen kommt. Dafür wäre dieser
    Gipfel eine Gelegenheit, die von Ihnen leider verpasst
    wird.

    Danke sehr.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)