Rede von
Dr.
Jörg-Diether
Dehm-Desoi
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Was wird aus Worten, die in Ihre
Hände geraten? Nehmen wir das schöne Wort „Solidari-
tät“. Das war einmal für Gewerkschafterinnen und Ge-
werkschafter, für Sozialdemokraten das Synonym für
„christliche Nächstenliebe“. Jetzt sprechen Sie hier von
einem „Solidaritätsinstrument“ und meinen den Pakt für
Wettbewerb. Das ist nichts anderes als ein Pakt für
Lohnsenkung und den Abbau nationalrechtlich verfass-
ter sozialer Normen.
Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie von „Solidarität“
sprechen, dann müssen die Völker in Europa ihre Porte-
monnaies festhalten; denn dieser Pakt für Wettbewerbs-
fähigkeit ist nichts anderes – das meinen Sie vielleicht
mit „Solidarität“ – als eine Troika für alle. Die Linke
will überhaupt keine Troika. Die Troika ist ein falsches
Instrument, und deswegen muss sie abgewickelt werden.
Solidarität in Europa heißt doch – das war der euro-
päische Traum –, Solidarität zu üben mit denen, die
Hilfe nötig haben: mit den Olivenbauern, mit den Repa-
raturbetrieben, mit den Schiffbauern, mit den Solarunter-
nehmen, aber doch nicht, Solidarität zu üben mit den Zo-
ckern. Es geht darum, Solidarität mit denen zu üben, die
am Boden liegen. Denen muss man die Hand reichen.
Das dürfen doch nicht die Superreichen sein, sondern
die, die die Hilfe wirklich nötig haben. Dafür treten die
Linke, die Gewerkschaften, die Kirchen und, wie wir ge-
hört haben, auch der Papst ein.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2013 253
Dr. Diether Dehm
(C)
Darum geht es übrigens auch in der Theologie der Be-
freiung.
Lieber Herr Gabriel, als Sie vor dem Wahlkampf ver-
sprochen haben, im Wahlkampf für ein Verbot der Zo-
ckerbanken und für ein Trennbankensystem einzutreten,
dachte ich, guck mal einer an: Der Sigmar ist wieder auf
dem Weg zurück zur Sozialdemokratie. – Als Herr
Schäuble einen kleinen Konflikt mit Herrn Fitschen von
der Deutschen Bank hatte, habe ich gedacht: Mal sehen,
wie lange er andauert. – Beides hatte eine Halbwertzeit
von zwei Tagen. Im Wahlkampf habe ich keine Großpla-
kate zum Thema Verbot der Zockerbanken und für das
Trennbankensystem gesehen. Es ist eben auch Wahlbe-
trug – das hat Frau Wagenknecht zu Recht gesagt –,
wenn Sie groß versprechen, etwas zum Wahlkampf-
thema zu machen, aber nichts davon bleibt. Was bleibt,
ist der Spiegel-Bestseller über die Banken mit dem Titel
„Der größte Raubzug der Geschichte“.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gestern den Amtseid
auf die Würde des Menschen geleistet. Das heißt übri-
gens nicht „die Würde des Deutschen“, sondern „die
Würde des Menschen“.
Sie haben den Amtseid auch auf die Sozialstaatlichkeit,
die nach unserem Grundgesetz unveräußerbar ist, geleis-
tet. Die Verantwortlichkeit für die Sozialstaatlichkeit
kann man auch nicht an die EU-Ebene abgeben. Sozial-
staatlichkeit ist im Lissabon-Vertrag gar nicht vorhan-
den. Bei der Sozialstaatlichkeit geht es um etwas anderes
als um das, was Sie griffig „marktkonforme Demokra-
tie“ nennen.
In der marktkonformen Demokratie gibt es für diese
grundgesetzlich geschützten Werte leider keinen Platz.
Ändern Sie die Verträge. Ich habe vorhin gehört, dass
auch Sie vom Lissabon-Vertrag weg wollen. Die Linke
will das ebenfalls. Wir wollen hin zu den Menschen. Sie
wollen vielleicht noch näher zu den Zockerbanken. Än-
dern Sie den Vertrag und bringen Sie grundgesetzlich ge-
schützte Werte wieder zur Geltung!
Das erreicht man aber nicht, indem man einen Vampir
zum Aufseher über die Blutreserven macht. Die Euro-
päische Zentralbank mit Herrn Draghi war die Geld-
druckmaschine der Zockerbanken.
Lassen Sie mich zum Abschluss Folgendes sagen:
Willy Brandt hat einmal mein Lied Das weiche Wasser
bricht den Stein auf Schallplatte gesprochen, unter an-
derem mit den Worten: „Monopoly, das kalte Spiel – sol-
len Menschen bloß Figuren sein?“ Was hat die Deutsche
Bank diesen Willy Brandt bekämpft? Haben Sie das ver-
gessen? Deswegen haben Antifaschisten Art. 15 ins
Grundgesetz geschrieben. Mehr Demokratie wagen
heißt, Bankenmacht zerschlagen.
Danke schön.