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ID1800200400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/2 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 2. Sitzung Berlin, Montag, den 18. November 2013 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Brigitte Zypries . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 23 D Begrüßung der Botschafterin der Philippinen, Frau Maria Natividad . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 D Wirbelsturm auf den Philippinen . . . . . . . . . . 23 D Tagesordnungspunkt 1: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: Gipfel der Östlichen Part- nerschaft am 28./29. November 2013 in Wilna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 B Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 24 B Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . 27 A Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 29 B Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 D Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 32 B Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . 34 A Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 C Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . 36 B Dr. Katarina Barley (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 37 D Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 39 A Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 40 B Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 41 B Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 B Tagesordnungspunkt 2: Vereinbarte Debatte: zu den Abhöraktivitä- ten der NSA und den Auswirkungen auf Deutschland und die transatlantischen Be- ziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 B Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 B Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . 45 C Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 47 D Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 C Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU). . . . . . . 52 B Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 B Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 55 B Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 56 A Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 A Dr. Günter Krings (CDU/CSU). . . . . . . . . . . . 58 B Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 D Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 C Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 61 C Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 B Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 64 C Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . 66 B Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 2. Sitzung. Berlin, Montag, den 18. November 2013 Jan Korte (DIE LINKE)  (zur Geschäftsordnung). . . . . . . . . . . . . . . . 67 C Thomas Oppermann (SPD)  (zur Geschäftsordnung). . . . . . . . . . . . . . . . 68 D Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktion DIE LINKE: Einsetzung von Ausschüssen  (Drucksache 18/54) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktion DIE LINKE: Bestim- mung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 18/53). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 73 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 2. Sitzung. Berlin, Montag, den 18. November 2013 23 (A) (C) (D)(B) 2. Sitzung Berlin, Montag, den 18. November 2013 Beginn: 13.30 Uhr
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    (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 2. Sitzung. Berlin, Montag, den 18. November 2013 73 (A) (C) (B) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten (D)  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Agnes Alpers (DIE LINKE) 18.11.2013 Sabine Bätzing- Lichtenthäler (SPD) 18.11.2013 Heidrun Bluhm (DIE LINKE) 18.11.2013 Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) 18.11.2013 Klaus Brähmig (CDU/CSU) 18.11.2013 Marco Bülow (SPD) 18.11.2013 Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) 18.11.2013 Dr. Lars Castellucci (SPD) 18.11.2013 Roland Claus (DIE LINKE) 18.11.2013 Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18.11.2013 Alois Gerig (CDU/CSU) 18.11.2013 Nicole Gohlke (DIE LINKE) 18.11.2013 Monika Grütters (CDU/CSU) 18.11.2013 Wolfgang Gunkel (SPD) 18.11.2013 Uda Heller (CDU/CSU) 18.11.2013 Wolfgang Hellmich (SPD) 18.11.2013 Josip Juratovic (SPD) 18.11.2013 Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) 18.11.2013 Dr. Bärbel Kofler (SPD) 18.11.2013 Anette Kramme (SPD) 18.11.2013 Michael Kretschmer (CDU/CSU) 18.11.2013 Barbara Lanzinger (CDU/CSU) 18.11.2013 Silke Launert (CDU/CSU) 18.11.2013 Michael Leutert (DIE LINKE) 18.11.2013 Dr. Jan-Marco  Luczak (CDU/CSU) 18.11.2013 Daniela Ludwig (CDU/CSU) 18.11.2013 Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) 18.11.2013 Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) 18.11.2013 Dietrich Monstadt (CDU/CSU) 18.11.2013 Marlene Mortler (CDU/CSU) 18.11.2013 Dietmar Nietan (SPD) 18.11.2013 Johannes Röring (CDU/CSU) 18.11.2013 Dr. Dorothee  Schlegel (SPD) 18.11.2013 Bernhard Schulte- Drüggelte (CDU/CSU) 18.11.2013 Sonja Steffen (SPD) 18.11.2013 Wolfgang Tiefensee (SPD) 18.11.2013 Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18.11.2013 Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) 18.11.2013 Beate Walter- Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 18.11.2013 Jörn Wunderlich (DIE LINKE) 18.11.2013  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 2. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 1 Regierungserklärung zum Gipfel der Östlichen Partnerschaft in Wilna TOP 2 Vereinbarte Debatte zu den Abhöraktivitäten der NSA ZP 1 Antrag auf Einsetzung von Ausschüssen ZP 2 Antrag zur Berechnung der Stellenanteile Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angela Merkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

    nen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Botschafterin, auch
    im Namen der Bundesregierung möchte ich noch einmal
    die herzlichen Wünsche an das philippinische Volk von
    diesem Ort aus überbringen. Der Bundesaußenminister
    steht in ständigem Kontakt. Ich habe mit dem Präsiden-
    ten Aquino persönlich telefoniert. Sie dürfen wissen,
    dass wir alles, was in unseren Möglichkeiten steht, tun
    werden, um dem philippinischen Volk in dieser schwe-
    ren Stunde zur Seite zu stehen.


    (Beifall im ganzen Hause)

    Meine Damen und Herren, in zehn Tagen wird in Vil-
    nius der dritte Gipfel der Östlichen Partnerschaft stattfin-
    den. Auf Einladung der litauischen Ratspräsidentschaft,
    der Präsidentin Dalia Grybauskaite, treffen dort alle Mit-
    gliedstaaten der EU mit den Vertretern der sechs osteuro-
    päischen Partnerländer Moldau, Georgien, Armenien,
    Ukraine, Weißrussland und Aserbaidschan zusammen.
    Ich werde an diesem Gipfel wie an den beiden früheren
    Gipfeln in Prag und Warschau teilnehmen. Mit meiner
    Teilnahme möchte ich die Verbundenheit Deutschlands
    und der gesamten Europäischen Union mit unseren östli-
    chen Nachbarn unterstreichen. Es ist unser gemeinsames
    strategisches Interesse, die Weiterentwicklung dieser
    Länder zu fördern, die Transformation in den Bereichen
    Demokratie, Menschenrechte und gute Regierungsfüh-
    rung zu unterstützen und die wirtschaftliche Entwick-
    lung dieser Länder zu stärken.

    Ich sehe in der Östlichen Partnerschaft ein großes
    Potenzial. Sie ist ein eigenständiges Instrument europäi-
    scher Politik, das unseren osteuropäischen Nachbarn
    eine völlig neue Qualität der Annäherung ermöglicht.
    Sie steht neben anderen strategischen Partnerschaften,
    die der Europäischen Union wichtig sind, wie etwa der
    Partnerschaft mit Russland oder den Verhandlungen über
    ein Freihandelsabkommen wie zum Beispiel mit den
    Vereinigten Staaten von Amerika.

    An dieser Stelle möchte ich aus aktuellem Anlass
    auch wenige Sätze zu Amerika sagen. Die Beratungen
    mit Amerika zeigen, dass solche Verhandlungen zum
    Beispiel über Freihandelsabkommen immer mehr sind
    als Beratungen über Wirtschaft und freien Handel; es
    geht bei solchen Verhandlungen immer auch um Ver-
    trauen. Deutschland und Amerika teilen gemeinsame Er-
    fahrungen, Werte und Interessen. Wir stehen gemeinsam
    für freiheitliche, offene und demokratisch verfasste Ge-
    sellschaften. Das transatlantische Verhältnis und damit
    auch die Verhandlungen über ein transatlantisches Frei-
    handelsabkommen werden gegenwärtig ganz ohne Zwei-
    fel durch die im Raum stehenden Vorwürfe gegen die
    USA um millionenfache Erfassung von Daten auf eine
    Probe gestellt. Die Vorwürfe sind gravierend; sie müssen
    aufgeklärt werden. Und wichtiger noch: Für die Zukunft
    muss neues Vertrauen aufgebaut werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Das kann nur durch Transparenz einerseits und das Be-
    wusstsein andererseits geschehen, dass das transatlanti-
    sche Verhältnis für beide Partner – ich betone: für beide
    Partner –, gerade aber auch für Deutschland wesentli-
    cher Garant unserer Freiheit und unserer Sicherheit ist.
    Ich sage deshalb ausdrücklich: Trotz allem sind und blei-
    ben das deutsch-amerikanische und das transatlantische
    Verhältnis von überragender Bedeutung für Deutschland
    und genauso für Europa.

    Meine Damen und Herren, das steht im Übrigen in
    keiner Weise im Gegensatz dazu, dass Deutschland und
    Europa größtes Interesse an weiteren Instrumenten euro-
    päischer Politik haben. Dazu gehört auch die Östliche
    Partnerschaft. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die
    Östliche Partnerschaft ist kein Instrument der EU-Erwei-
    terungspolitik. Es geht im Rahmen der Östlichen Part-





    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


    (A) (C)



    (D)

    nerschaft nicht um EU-Beitrittsperspektiven; es geht viel-
    mehr darum, unsere Partner bei der Demokratisierung und
    Modernisierung zu unterstützen, indem wir politische
    Annäherung und wirtschaftliche Integration anbieten.

    Dabei lassen wir uns von den Grundsätzen der Kondi-
    tionalität und der Differenzierung leiten. Das heißt, dass
    die Länder, die auf dem Weg zu Demokratie und Rechts-
    staat mehr oder weniger voranschreiten, auch unter-
    schiedlich behandelt werden und damit unterschiedlich
    von der EU-Förderung und der Kooperation profitieren
    können. Drei Punkte sind in diesem Zusammenhang be-
    sonders wichtig: erstens eine erfolgreiche Transforma-
    tion unserer Partnerländer, zweitens ihre souveräne Ent-
    scheidung über ihre politische Ausrichtung und drittens
    die Kontakte von Mensch zu Mensch.

    Eine gute wirtschaftliche und politische Entwicklung
    unserer östlichen Nachbarn ist von großer Bedeutung,
    und zwar nicht nur für unsere Partner, sondern auch für
    die Stärke und den Wohlstand der Europäischen Union.
    Auch deshalb müssen wir unser Engagement für unsere
    Nachbarn entschlossen fortsetzen. Unsere Partnerschaft
    verpflichtet nämlich beide Seiten: Wir wollen den wirt-
    schaftlichen Austausch und die Kontakte zwischen unse-
    ren Gesellschaften, zwischen der EU und ihren Partnern
    wie auch zwischen den Partnern untereinander.

    Den Zivilgesellschaften in den östlichen Partnerlän-
    dern kommt in diesem Prozess eine entscheidende Rolle
    zu. Sie müssen diesen Wandel tragen, fordern und för-
    dern. Sie sollen die politische Annäherung ihrer Länder
    an die EU und die Chancen der wirtschaftlichen Integra-
    tion erleben und gestalten können. Dieser besondere
    Schwerpunkt nicht nur im Bereich der Regierungszu-
    sammenarbeit, sondern ebenso des Zusammenwirkens
    der Menschen drückt sich auch darin aus, dass beides,
    die wirtschaftliche Kooperation und die Zusammen-
    arbeit der Zivilgesellschaften, elementare Bestandteile
    der Östlichen Partnerschaft sind.

    Dafür haben wir bestimmte Instrumente in der Hand.
    Sie klingen oftmals sehr technisch, aber sie bedeuten in
    jedem einzelnen Fall konkrete Verbesserungen des Zu-
    sammenlebens. Dazu gehören Assoziierungs- und Frei-
    handelsabkommen ebenso wie Erleichterungen in Visa-
    fragen. Wesentlich für das gegenseitige Verständnis ist
    die Teilnahme junger Menschen aus den östlichen Part-
    nerländern an EU-Programmen wie ERASMUS und an-
    deren. All diese Elemente tragen zu einer zunehmenden
    Orientierung der östlichen Partner an unseren Werten
    und unseren Standards bei.

    Auf dem kommenden Gipfel wollen wir mit Moldau
    und Georgien Assoziierungs- und umfassende Freihan-
    delsabkommen paraphieren. Beide Länder haben in den
    vergangenen Jahren eine insgesamt positive Entwick-
    lung genommen. In Georgien kam es zu einem friedli-
    chen Regierungswechsel durch demokratische Wahlen
    und einer Verbreiterung des gesellschaftlichen Konsen-
    ses über die Ausrichtung des Landes.

    Die Republik Moldau hat unter den östlichen Partnern
    trotz mancher innenpolitischer Turbulenzen die viel-
    leicht größte Entschlossenheit bei der Verabschiedung
    und Umsetzung von Reformen gezeigt. Damit die anste-
    hende Paraphierung der Assoziierungs- und Freihandels-
    abkommen auch rasch wirksam werden kann, haben wir
    uns beim letzten Europäischen Rat in Brüssel dazu ver-
    pflichtet, die Voraussetzungen für eine anschließende
    Unterzeichnung schnellstmöglich zu schaffen.

    Unsere Beziehungen zu Moldau und Georgien wer-
    den dadurch enger denn je. Die ausgehandelten Verträge
    ermöglichen es diesen Ländern, eine Annäherung an die
    EU von bislang einmaliger Tiefe und auch Themenbreite
    zu erreichen. Sie gewähren Chancen zur wirtschaftlichen
    Entwicklung, zur Modernisierung der Gesellschaften
    und der Staatswesen sowie zur Unterstützung beim Auf-
    bau eines modernen Rechtsstaats. Dieser wiederum kann
    die rechtlichen Rahmenbedingungen für Investitionen
    und Handel, aber auch für den Kampf gegen Korruption
    stärken. Das sind die Chancen, die der Abschluss eines
    Assoziierungs- und Freihandelsabkommens mit der Eu-
    ropäischen Union für ein Land der Östlichen Partner-
    schaft bieten kann.

    Eine solch enge Anbindung an die EU bringt jedoch
    auch Verpflichtungen mit sich. Das ist vor allem die Ver-
    pflichtung zur Implementierung dessen, was wir verein-
    bart haben. Das Freihandelsabkommen verpflichtet un-
    sere Partner zum Beispiel zur Übernahme europäischer
    Standards. Dies ist zum Teil eine große Herausforderung
    für die Volkswirtschaften der betroffenen Länder, die
    – und da dürfen wir uns wirklich nichts vormachen –
    viele Jahre in Anspruch nehmen wird. Wirtschaft ist dabei
    nur ein wichtiges Kapitel in den Assoziierungsabkommen.
    Ebenso wichtig ist, dass die Assoziierungsabkommen
    ihre Unterzeichner zur Wahrung von Rechtsstaatlichkeit,
    Demokratie und Menschenrechten verpflichten.

    Das führt uns natürlich zu unseren Beratungen mit der
    Ukraine. Allein schon die Größe verleiht der Ukraine be-
    sonderes Gewicht innerhalb der Östlichen Partnerschaft.
    Mit ihr ist die EU in der Gestaltung ihrer neuen vertrag-
    lichen Beziehungen am weitesten fortgeschritten. Wir
    haben der Ukraine in der Vergangenheit immer deutlich
    gemacht, dass die neue vertragliche Qualität der Zusam-
    menarbeit, dass die gemeinsame Verpflichtung auf euro-
    päische Werte wie Demokratie, Rechtsstaat und Bürger-
    freiheiten mehr als ein Lippenbekenntnis sein muss.

    Die EU-Außenminister haben beim Außenrat im De-
    zember 2012 insbesondere drei Bereiche genannt, in
    denen Fortschritte nötig sind: erstens bei der Reform der
    Wahlgesetzgebung, zweitens bei Schritten zur Beendi-
    gung der sogenannten selektiven Justiz, wofür symbol-
    haft der Fall von Julija Timoschenko steht, und drittens
    bei der Implementierung der Assoziierungsagenda. Ich
    möchte an dieser Stelle erneut betonen: Wir erwarten
    von der Ukraine glaubhafte Schritte zur Erfüllung der
    Voraussetzungen für eine Unterzeichnung des Assoziie-
    rungsabkommens. Wir erwarten, dass dieser Prozess
    nachhaltig und unumkehrbar umgesetzt wird.

    Es steht außer Zweifel, dass die Ukraine weiterhin vor
    großen Reformanstrengungen im Innern steht. Eine zu-
    sätzliche enorme Herausforderung für die Ukraine ist die
    Haushaltskonsolidierung. Ohne solide Finanzen wird es
    das Beistandsabkommen mit dem IWF nicht geben kön-

    (B)






    Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel


    (A) (C)



    (D)(B)

    nen. Wir glauben, dass ein solches Beistandsabkommen
    mit der Ukraine dringend notwendig wäre. Daran hän-
    gen auch die substanziellen bilateralen Kredite der EU
    als Makrofinanzhilfe, insgesamt mehr als eine halbe
    Milliarde Euro. Hier ist unser stetiger Rat an die
    Ukraine, die nötigen Reformen zu unternehmen. Diese
    Schritte können wir der ukrainischen Regierung nicht
    abnehmen. Sie müssen auch unabhängig von der Unter-
    zeichnung des Assoziierungs- und Freihandelsabkom-
    mens unternommen werden. Wir wissen, dass Reformen
    nicht von heute auf morgen vollständig umgesetzt wer-
    den können. Wir möchten auch die Ukraine bei ihren Re-
    formen mit Kooperationsangeboten und mit finanziellen
    Mitteln der Europäischen Nachbarschaftspolitik unter-
    stützen, aber die Voraussetzungen dafür muss die
    Ukraine selbst schaffen, und zwar nicht irgendwann,
    sondern jetzt.

    In diesen Tagen – ich sagte ja, es sind noch zehn Tage
    bis zu dem Gipfel – findet eine Vielzahl von Gesprächen
    statt, ebenso Beratungen im ukrainischen Parlament.
    Heute muss ich Ihnen hier sagen: Es ist noch nicht abzu-
    sehen, ob die Ukraine willens ist, die Voraussetzungen
    für eine mögliche Unterzeichnung zu schaffen. Heute
    und morgen debattiert auch der Außenministerrat in
    Brüssel über genau dieses Thema. Wenn die Ukraine un-
    sere Erwartungen erfüllt und wir somit unterzeichnen
    können, dann könnten wir der Ukraine nicht zuletzt über
    eine breite vorläufige Anwendbarkeit des Abkommens
    auch für den Fall den Rücken stärken, dass sie sich mit
    Nachteilen seitens Russlands konfrontiert sieht.

    Wir wissen, dass die Entscheidung für die Anbindung
    an die Europäische Union nicht nur der Ukraine, sondern
    unseren Partnern insgesamt nicht leichtfällt. In den letz-
    ten Monaten sahen sich einige von ihnen zum Teil erheb-
    lichem Druck ausgesetzt. Ich werde mich deshalb auch
    in Vilnius dafür einsetzen, dass die EU diesem Druck
    konkrete Chancen und gelebte Solidarität entgegensetzt,
    sei es durch zusätzliche Absatzmöglichkeiten für Pro-
    dukte unserer Partner, die zum Beispiel nicht nach Russ-
    land eingeführt werden dürfen, oder durch Hilfe bei der
    breiteren Aufstellung ihrer Energieversorgung.

    Um es klar zu sagen: Die Länder entscheiden allein
    über ihre zukünftige Ausrichtung. Ein Vetorecht Dritter
    kann es nicht geben. Das ist unser Verständnis der unein-
    geschränkten gegenseitigen Achtung der Entscheidungs-
    freiheit, wie sie in der OSZE-Charta festgeschrieben ist.
    Ich habe diese Frage auch in meinen Gesprächen mit
    dem russischen Präsidenten Wladimir Putin immer wie-
    der thematisiert. Ich habe wiederholt deutlich gemacht,
    dass sich weder die Östliche Partnerschaft noch die bi-
    lateralen vertraglichen Beziehungen, die die EU mit
    ihren Partnern abschließen will, gegen Russland richten.
    Im Gegenteil: Von der Stärkung und Modernisierung der
    Volkswirtschaften unserer osteuropäischen Partner würde,
    so ist unser Verständnis, auch Russland profitieren. Die
    EU hat immer wieder Gesprächsangebote an Russland
    gerichtet, um die beiderseitigen Vorteile einer Koopera-
    tion herauszuarbeiten. Wir müssen – das ist meine tiefe
    Überzeugung – weiter daran arbeiten, dass es kein Ent-
    weder-oder zwischen einer Annäherung der Länder der
    Östlichen Partnerschaft an die EU und dem russischen
    Bemühen um eine engere Partnerschaft mit diesen Län-
    dern geben sollte. Die EU hat Russland dafür Vorschläge
    unterbreitet, über die wir schnellstmöglich sprechen
    müssen.

    Armenien hat sich in dieser Situation für den Beitritt
    zur Zollunion Russlands, Weißrusslands und Kasach-
    stans und damit gegen die Paraphierung des ausgehan-
    delten Assoziierungs- und Freihandelsabkommens mit
    der EU entschieden. Selbstverständlich akzeptieren wir
    diese Entscheidung. Gleichzeitig werden wir Wege für
    eine künftige Zusammenarbeit der EU mit Armenien fin-
    den. Sie wird nicht die besondere Qualität der Koopera-
    tion mit Georgien oder Moldau haben, aber Armenien
    bleibt ein wichtiger östlicher Partner.

    Lassen Sie mich an dieser Stelle noch ein Wort zu
    Weißrussland sagen: Dies ist und bleibt das schwierigste
    Kapitel im Bereich der Östlichen Partnerschaft. Seit der
    erneuten Repression im Zuge der Präsidentschaftswah-
    len im Dezember 2010 sind unverändert politische Ge-
    fangene in Haft. Bürger, die sich um Pluralität in dieser
    Gesellschaft bemühen, wurden hinter Gitter gebracht.
    Ich denke unter anderem an Ales Beljazki, den Träger
    des Menschenrechtspreises des Europarates. Wir alle
    stehen dafür ein, dass diese Menschen wieder frei reden,
    handeln und agieren können.


    (Beifall im ganzen Hause)


    Auch mit Weißrussland wollen wir die Zusammenarbeit
    wieder vertiefen, aber das kann nur gelingen, wenn die
    politischen Gefangenen freigelassen und rehabilitiert
    werden. Es wäre sehr bedeutend, wenn der Gipfel in Vil-
    nius hier ein Hoffnungszeichen setzen könnte.

    Meine Damen und Herren, dieser Gipfel ist eine
    wichtige Bestätigung unseres Angebots der politischen
    Anbindung und wirtschaftlichen Integration an die östli-
    chen Partner. Mindestens ebenso wichtig ist, dass wir in
    der Folge gemeinsam das Potenzial nutzen, das uns diese
    Partnerschaft bietet. Wir haben viele Kooperationsfelder
    aufgeschlossen, aber wir müssen weiter nachhaltige
    Fortschritte erreichen. Der möglichen Unterschrift bzw.
    Paraphierung eines Assoziierungs- und Freihandelsab-
    kommens müssen konsequente Umsetzungen folgen.
    Die Visaaktionspläne zeigen auf, was nötig ist, um lang-
    fristig das Ziel der Befreiung von der Visumpflicht zu er-
    reichen. Die regionale Kooperation bietet viele Möglich-
    keiten, voneinander zu lernen.

    Der Gipfel in Vilnius wird ein wichtiger Meilenstein
    auf dem Transformationspfad unserer Partner im Osten
    sein. Er wird einen Weg in die Zukunft zeigen, aber er
    wird auch deutlich machen, welche Arbeit noch vor uns
    liegt. Die Schatten des Kalten Krieges sind nach wie vor
    existent, und es ist unsere Aufgabe – gerade auch die
    Aufgabe Deutschlands –, einen Beitrag dazu zu leisten,
    dass der Kalte Krieg für alle vorbei ist, auch für unsere
    östlichen Partner.

    Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)







    (A) (C)



    (D)(B)



Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem

Kollegen Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dietmar Bartsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

    freue mich, für meine Fraktion auf die Bundeskanzlerin
    antworten zu können. Die Reihenfolge der Redner ist
    schon so, wie sie bei einer eventuellen Großen Koalition
    sein wird. Offensichtlich gehen CDU/CSU und SPD da-
    von aus, dass ihre Verhandlungen wie auch der Mitglie-
    derentscheid der SPD erfolgreich sein werden, obwohl
    man im Moment vom Koalitionsvertrag vor allen Din-
    gen viel Nebel kennt. Die Oppositionsführerschaft bringt
    für die Fraktion Die Linke eine besondere Verantwor-
    tung. Ich kann den Menschen in unserem Land verspre-
    chen, dass wir alles daransetzen werden, dieser Verant-
    wortung gerecht zu werden.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Beginnen will ich damit, dass es ein Unding ist, dass
    wir heute die erste Sitzung des Bundestages – einmal ab-
    gesehen von der Wahl des Präsidiums – seit Juni haben.


    (Widerspruch des Abg. Michael GrosseBrömer [CDU/CSU])


    Ja, wir hatten eine Bundestagswahl. Ich hoffe, dass das
    Gerücht nicht stimmt, dass die Frau Bundeskanzlerin
    eine geheime Absprache mit der FDP hat, so lange zu
    verhandeln, bis die Legislaturperiode zu Ende ist. Ich
    hoffe, dass das wirklich nicht den Tatsachen entspricht.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wäre es mal mit dem Thema?)


    Fakt ist: Sie machen mit Ihren Koalitionsverhandlun-
    gen das Parlament zur Geisel. Sind das bereits die Vor-
    boten der Großen Koalition? Wir erwarten nichts ande-
    res als Respekt gegenüber dem Parlament. Nicht die
    amtierende Bundesregierung und auch nicht eine Bun-
    desregierung in spe, sondern der Deutschen Bundestag
    ist der Souverän.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wie wollen Sie den Menschen, die uns gewählt haben,
    erklären, dass Sie uns nicht arbeiten lassen? Dies trifft
    im Übrigen auf die Oppositionsabgeordneten wie auch
    auf die meisten Regierungsabgeordneten zu. Wir alle
    werden hier nicht fürs Rumsitzen bezahlt. Ich sehe nicht,
    dass der heutige Sitzungstag dem Anspruch, als Parla-
    mentarier aktiv zu werden, gerecht wird.

    Es ist gut, vor dem Gipfel über die osteuropäische
    Partnerschaft zu sprechen.


    (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ah!)


    Es muss jedoch die Frage erlaubt sein, warum wir uns
    heute damit beschäftigen, jedoch nicht mit den Themen,
    die vielen, vielen Menschen noch viel mehr auf den Nä-
    geln brennen, abgesehen von der NSA-Debatte, die ja,
    seitdem es das Handy der Bundeskanzlerin betrifft, von
    der Regierung nicht mehr totgeschwiegen oder für been-
    det erklärt werden kann. Das ist aber bei weitem nicht
    das einzige Thema, dem wir uns widmen müssen.

    Dringend wäre geboten, die schwache Binnenkon-
    junktur in Deutschland zu behandeln, die Gefahr einer
    dauerhaften Depression oder Deflation in Europa, die
    Enteignung der Kleinsparer durch negative Realzinsen,
    die Bankenunion oder – die Bundeskanzlerin hat ein
    paar Worte dazu gesagt – das Freihandelsabkommen mit
    den USA. Darüber müssen wir wirklich einmal reden,
    und zwar auch kontrovers. Das alles sind Themen, die
    die Mehrheit der Menschen in Deutschland bewegen.

    Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass die Euro-Krise
    vorbei ist, wenn sich Irland und Spanien demnächst das
    Geld wieder teuer auf dem Finanzmarkt leihen müssen!
    Das vermehrt vielleicht sichere Profite für Banken, die
    sich das Geld momentan quasi umsonst von der Europäi-
    schen Zentralbank leihen können. Aber die Krise macht
    doch keine Pause. Sie wird derzeit nur mit billigem Geld
    zugeschüttet.

    Morgen soll eine neue Kredittranche aus dem soge-
    nannten Rettungsschirm an Portugal freigegeben wer-
    den. Wollen Sie das den Menschen verschweigen? Wol-
    len Sie verhindern, dass Ihre Europapolitik debattiert
    wird? Darüber muss geredet werden! Aus diesem Grund
    haben wir eine etwas kreative Aufsetzungsarbeit betrie-
    ben und einen Entschließungsantrag zur Krisenpolitik
    gegenüber Portugal in die heutige Debatte eingebracht,
    zu dem ich gleich noch ein paar Worte sagen werde.

    Aber nun zur europäischen Partnerschaft


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na endlich!)


    und zum diesbezüglichen Gipfel in Vilnius. Natürlich
    begrüßen wir als Linke eine engere Zusammenarbeit


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Mit Russland!)


    mit den östlichen Nachbarn der EU. Ja, vielleicht muss
    man auch im deutschen Parlament noch einmal deutlich
    sagen, dass Europa bis zum Ural geht und dass viele ehe-
    malige Sowjetrepubliken und Russland genauso zu Eu-
    ropa gehören wie Frankreich, Spanien oder Griechen-
    land.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Deshalb ist es gut, dass es mehr Handel, mehr Austausch
    geben soll, dass diese Beziehungen den Menschen in
    ganz Europa zugutekommen sollen.

    Ja, Frau Bundeskanzlerin, wir aus den neuen Ländern
    haben da eine besondere Verantwortung. Für die neuen
    Länder ist das auch eine Chance. Wir wissen, dass viele
    traditionelle Verbindungen in diese Länder zusammen-
    gebrochen sind. Es gibt sie aber noch. Vor allen Dingen
    – das wissen wir beide – gibt es einen Erfahrungsvor-
    sprung, insbesondere was Sprachkenntnisse und kultu-
    relle Beziehungen betrifft. Entscheidend wird aber sein,
    dass bei der osteuropäischen Partnerschaft nicht die
    Dinge, die Europa in die Krise gezwungen haben, ganz
    oben stehen: wie die Liberalisierung des Kapitalver-





    Dr. Dietmar Bartsch


    (A) (C)



    (D)(B)

    kehrs, der Freihandel, die Konkurrenz um Löhne nach
    unten oder die Konkurrenz um die schlechtesten Arbeits-
    bedingungen. Nein, das wäre der falsche Weg.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Es muss vor allen Dingen um Integration gehen; es
    darf nicht nur um knallharte Interessenpolitik und nicht
    nur um mehr Export aus der EU in diese Länder gehen.
    Ein sehr, sehr wichtiger Punkt wären zum Beispiel er-
    leichterte Visabedingungen für die Menschen aus der
    Ukraine, aus Belarus, Moldau, Georgien, Armenien und
    Aserbaidschan.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wenn es für Menschen, die zum Beispiel unter
    Lukaschenko leiden müssen – Sie haben das geschildert –,
    nur ganz schwer möglich ist, ein Visum erteilt zu be-
    kommen, dann ist das ein Problem. Wir können durch
    mehr Offenheit dabei helfen, dass dort Mauern fallen.
    Deswegen ist die Visafrage eine zentrale Frage. Tun Sie
    etwas, damit diese Menschen leichter nach Deutschland
    kommen können!


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Verbessern Sie die Visabedingungen, Frau Bundeskanz-
    lerin! Wenn ich mich recht entsinne, regieren Sie seit
    acht Jahren. Jetzt fordern Sie Verbesserungen ein. Das ist
    aus meiner Sicht etwas komisch.


    (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber nur aus Ihrer Sicht!)


    – Immerhin.

    Ein sehr wesentlicher Punkt bei diesem Gipfel ist na-
    türlich – Sie haben darauf hingewiesen – das Verhältnis
    zu Russland. Es kann nicht das Ziel sein, die osteuropäi-
    schen Länder dem Einfluss Russlands zu entziehen und
    die traditionsreichen Sonderbeziehungen zu kappen. Ge-
    genteiliges muss das Ziel sein, nämlich gleichzeitig die
    Beziehungen zu Russland auszubauen und gemeinsam
    mit Russland die Beziehungen zu den osteuropäischen
    Ländern zu entwickeln. Das sollte einhergehen mit deut-
    lichen Positionen, zum Beispiel zum unsäglichen Agie-
    ren der Putin-Regierung gegenüber Schwulen und Les-
    ben.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Es ist doch klar, dass Russland dieses Projekt mit Ar-
    gusaugen beobachtet. Es passt zur NATO-Osterweite-
    rung. Es ist ein Baustein zur Unterstützung transatlanti-
    scher Eliten. Es geht der EU offensichtlich nicht um eine
    Partnerschaft auf Augenhöhe. Eine Beitrittsperspektive
    steht im Moment überhaupt nicht zur Debatte. Man
    möchte die eigenen Regeln durchsetzen, wo es günstig
    ist, jedoch keine Einflussnahme der anderen Seite riskie-
    ren. Es geht darum, beste Bedingungen fürs Kapital zu
    schaffen und die Absatzmärkte für die eigenen Produkte
    zu erweitern, gerne auch auf Kosten der Wirtschaft der
    Partnerländer. Die vielgepriesene Demokratieförderung
    dient der EU als Mittel, ihre neoliberale Hegemonial-
    politik in den osteuropäischen Ländern fortzuführen.
    Das schulmeisterliche Auftreten der EU gegenüber den
    osteuropäischen Partnern würde man sich andersherum
    selbstverständlich verbitten. Es geht der EU viel zu we-
    nig um Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit oder Demo-
    kratie


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das müssen gerade Sie sagen!)


    und viel zu viel um Einflussnahme und Machtpolitik.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Das bedeutet dann auch, dass die EU kein Interesse da-
    ran hat, etwa soziale oder ökologische Standards auf ho-
    hem Niveau festzuschreiben. So wird eine große Chance
    verpasst.

    Mir scheint, dass die EU auch bei der osteuropäischen
    Partnerschaft unverdrossen weiter auf genau die Rezepte
    setzt, die uns in die Krise geführt haben: Liberalisierung,
    Freihandel, Lohnkonkurrenz. Im Ergebnis sind zahlrei-
    che Volkswirtschaften Osteuropas der Deindustrialisie-
    rung und spekulativen Kapitalflüssen ausgesetzt.

    Eine wahrhaftige Östliche Partnerschaft, die diesen
    Namen verdient, muss den osteuropäischen Staaten er-
    möglichen, ihre Wirtschaft zu schützen und sie zu entwi-
    ckeln, und sollte nicht gegen Russland gerichtet sein.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Nun ein paar Bemerkungen zu unserem Entschlie-
    ßungsantrag. Die Euro-Krise ist, wie ich gesagt habe,
    nicht verschwunden und erst recht nicht überwunden. In
    Kürze soll eine neue Kredittranche für Portugal in Höhe
    von 5,6 Milliarden Euro, davon 3,7 Milliarden Euro
    durch die EFSF, bewilligt werden. Dafür haften auch die
    Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland. Un-
    ser Steuergeld wird verbrannt, weil Portugal aufgrund
    der Schuldenlast und der wachstumsfeindlichen Kür-
    zungsdiktate diese Kredite niemals wird bedienen kön-
    nen. Das Memorandum of Understanding sieht gar vor,
    dass die Unternehmensbesteuerung in Portugal sinken
    soll. Das ist doch alles nicht mehr zu fassen! Portugal
    wird nicht gerettet, sondern die Banken und Gläubiger
    werden freigekauft; Demokratie und Sozialstaat werden
    zerstört. Darum geht es in Wahrheit. Seit Beginn der so-
    genannten Euro-Rettung stieg die Staatsverschuldung
    Portugals auf etwa 128 Prozent des Bruttoinlandspro-
    dukts. Das ist das Niveau, das die Staatsverschuldung in
    Griechenland bei Ausbruch der Krise hatte. Die Arbeits-
    losigkeit ist in Portugal auf über 17 Prozent gestiegen.

    Dass die bisherige Europapolitik gescheitert ist, er-
    kennt man, wenn man sich einmal anschaut, wie sich die
    Arbeitslosenquote in den europäischen Ländern bei jun-
    gen Menschen unter 24 Jahren entwickelt hat: Sie liegt
    in Portugal bei 42 Prozent, in Griechenland bei erschre-
    ckenden 57,3 Prozent, in Spanien bei 56,5 Prozent. Aber
    auch in den Ländern, die später dazugekommen sind, ist
    die Situation katastrophal: In Bulgarien liegt die Jugend-
    arbeitslosigkeit bei 28,3 Prozent, in der Slowakei bei
    31,1 Prozent, in Kroatien bei sagenhaften 52,8 Prozent.
    Das alles sind Fakten, die in der Politik einen Aufschrei
    hervorrufen müssten


    (Beifall bei der LINKEN)






    Dr. Dietmar Bartsch


    (A) (C)



    (D)(B)

    und zu einem Nachdenken über die bisherige Politik füh-
    ren müssten. Vor allem darf das kein Muster für die ost-
    europäische Partnerschaft sein, meine Damen und Her-
    ren.

    Die Linke fordert daher eine andere, eine verantwor-
    tungsvolle Europapolitik. Wir beantragen mit unserem
    Entschließungsantrag, dass der deutsche Vertreter im Di-
    rektorium der EFSF der Bewilligung der Kredite seine
    Zustimmung versagt.


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wir wollen die privaten Gläubiger Portugals durch einen
    Schuldenschnitt in die Pflicht nehmen. Die Eigentümer
    der Banken, die Inhaber der Bankanleihen sowie die
    Einlagen von ausländischen Banken und Geldmarkt-
    fonds sind für die Verluste der Banken heranzuziehen.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Nur die Einlagen der Kleinsparer und das gewerbliche
    Kreditgeschäft müssen abgesichert werden.

    Portugal braucht Investitionsprogramme statt Ban-
    kenrettungspakete.


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Dafür brauchen wir eine EU-weite Vermögensabgabe für
    Millionäre. Allein das Vermögen der europäischen Milli-
    onäre – 14 Billionen Euro – übertrifft die gesamte
    Staatsverschuldung aller 28 EU-Mitgliedstaaten.

    Korrigieren Sie diese Europapolitik! Weisen Sie beim
    Gipfel in Vilnius darauf hin, dass diese Fehler nicht wie-
    derholt werden dürfen, sondern dass es eine Kehrtwende
    in der Europapolitik geben muss!

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der LINKEN)