Rede von
Jens
Petermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(Plos)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (Plos)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Lieber Sportsfreund Peter Danckert, du hast
völlig recht: Sport kommt in dieser Bundesregierung zu
kurz. Richtig ist auch: Die Strukturen des Sports sind
nicht in Ordnung.
Passend zur aktuellen Haushaltsdebatte um die Förde-
rung des Spitzensports durch den Bund kommen die For-
derungen der Sportministerkonferenz, die Ende letzter
Woche im thüringischen Eisenach getagt hat. Die Forde-
rungen sind nicht ganz neu. Es geht um bessere Abspra-
chen der Bundesländer, mehr Geld und bessere Effi-
zienz, eine hochwertige akademische Trainerausbildung,
die Stärkung des Ehrenamtes und der Zusammenarbeit
mit der Wissenschaft, aber auch um den Kampf gegen
Gewalt und Rechtsextremismus.
Die Antworten der Koalition auf diese Forderungen
sind mehr als einsilbig. Als hätte es die Kritik am Ab-
schneiden der Olympiamannschaft in London und am
völlig verkorksten Engagement im Antidopingkampf
nicht gegeben, geht die Koalition mit dem Haushalt zur
Sportförderung eingefahrene Wege weiter. Daran ändert
übrigens auch die über Nacht noch schnell beschlossene
geringfügige Erhöhung des Sportetats nichts.
Gelingt es ihr einerseits gerade noch so, den völligen Zu-
sammenbruch des Antidopingkampfes durch einen Zu-
schuss an die NADA zu verhindern, streicht sie im glei-
chen Atemzug Mittel für die Trainerausbildung.
Dieser Haushalt ist ein Dokument für drei Jahre
schwarz-gelbe sportpolitische Ideenlosigkeit. Aller-
dings hat auch der Deutsche Olympische Sportbund ei-
nen beträchtlichen Anteil an dieser Lage und steht nun
vor einem Scherbenhaufen seiner konservativen Sport-
politik. „Wir machen alles richtig und deshalb so weiter
wie bisher, nur brauchen wir dafür mehr Geld“, lautet
die kaum nachvollziehbare Schlussfolgerung aus Lon-
don in Kurzfassung. Dieser verkürzten Sicht schließt
sich auch das BMI an und weicht einer ergebnisoffenen
Debatte über die Sportförderung als gesamtgesellschaft-
liche Aufgabe aus.
Zum einen ignorieren Sie die Hinweise auf offen-
sichtlich notwendige Veränderungen, die vor allem aus
den Reihen der Sportlerinnen und Sportler sowie der
Trainerinnen und Trainer laut wurden, zum anderen ver-
stecken Sie sich hinter der angeblichen Unzuständigkeit
des Bundes. Aus Sicht der Linken gibt es aber eine ge-
samtgesellschaftliche Verantwortung für den gesamten
Sport, also den Spitzensport, den Breiten- und Schul-
sport, aber auch für die Sportanlagen.
Sie verweisen immer darauf, dass die Länder die
alleinige Verantwortung für den Schulsport haben. Nun
zeigt sich aber, dass es so nicht funktioniert. Die födera-
len Unterschiede im Bildungssystem beeinträchtigen
nicht nur den Schulsport, sondern auch den Nachwuchs
im Leistungssport. Hier ist ein dringendes Umdenken
erforderlich.
Die Hauptverantwortung für die Sportstätten haben
bekanntermaßen die Kommunen. Allein hier gibt es ei-
nen Sanierungsstau von 40 Milliarden Euro. Die kom-
munale Agenda ist jedoch übervoll von Aufgaben, und
das Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Angesichts der
unterfinanzierten Kommunen ist auch hier ein Umden-
ken dringend erforderlich.
Wir brauchen einen offenen Denkwettbewerb zu den
Strukturen der Sportförderung. Eigentlich wäre es an
Ihnen, Herr Minister Friedrich, endlich dafür den Start-
schuss zu geben. – Er hört gerade nicht zu.
– Okay, prima. – Was spricht eigentlich gegen ein effi-
zientes Bundessportministerium, um das Geld für den
Sport, das derzeit in neun Ministerien lagert, zu bün-
deln? Mehr Kreativität ist auch gefragt, wenn es um die
duale Karriere von Spitzensportlerinnen und Spitzen-
sportlern geht. Bundeswehr, Polizei und Zoll reichen als
Berufsperspektiven längst nicht mehr aus. Die Koopera-
tion mit Hochschulen und Wirtschaft aber läuft schlep-
pend. Hier müssen dringend Lösungen gefunden
werden.
Auf all diese Fragen gibt die Koalition keine rich-
tungsweisende Antwort. Ihr Haushalt verdient damit
leider nur das Prädikat „mangelhaft“.
Ganz zum Schluss noch eine Frage, Herr Minister:
Wie kommen Sie eigentlich angesichts von 180 Toten
durch rechten Terror seit 1990 dazu, immer noch von ei-
ner linksextremistischen Gefahr zu fabulieren? Das ist
nicht nur mir völlig schleierhaft. Stellen Sie sich endlich
den Realitäten!