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    Plenarprotokoll 17/191 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 191. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: (Fortsetzung) a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) (Drucksache 17/10200) . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2012 bis 2016 (Drucksache 17/10201) . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 23 Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel, Bundesminister  BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Roth (Esslingen) (SPD) . . . . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 04 Bundeskanzleramt Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) . . . . . . . . Dr. Angela Merkel,  Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Petra Merkel (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Neumann, Staatsminister  BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . Reiner Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22959 A 22959 B 22959 B 22961 B 22963 A 22965 B 22966 C 22967 D 22968 D 22970 B 22971 B 22972 A 22973 A 22973 D 22974 D 22975 D 22977 A 22978 A 22978 D 22980 A 22985 A 22992 C 22997 C 23002 A 23006 A 23008 B 23010 B 23011 C 23012 D 23015 B 23016 B 23017 D 23019 B 23020 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister  AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) . . . . . Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister  BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . Bernhard Brinkmann (Hildesheim)  (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)  (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 23022 A 23023 D 23025 D 23028 B 23029 B 23031 A 23031 D 23033 C 23034 D 23036 A 23037 B 23038 B 23039 A 23041 A 23043 C 23045 A 23046 C 23047 D 23049 A 23050 C 23052 A 23053 B 23054 C 23055 A 23056 B 23057 D 23059 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 22959 (A) (C) (D)(B) 191. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 Beginn: 10.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 191. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. September 2012 23059 (A) (C) (D)(B) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bär, Dorothee CDU/CSU 12.09.2012 Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 12.09.2012 Binder, Karin DIE LINKE 12.09.2012 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 12.09.2012 Dr. Danckert, Peter SPD 12.09.2012 Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 12.09.2012 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 12.09.2012 Gohlke, Nicole DIE LINKE 12.09.2012 Höferlin, Manuel FDP 12.09.2012 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.09.2012 Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.09.2012 Koch, Harald DIE LINKE 12.09.2012 Kolbe (Leipzig),  Daniela SPD 12.09.2012 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 12.09.2012 Mast, Katja SPD 12.09.2012 Mücke, Jan FDP 12.09.2012 Rupprecht (Tuchenbach), Marlene SPD 12.09.2012 Scheelen, Bernd SPD 12.09.2012 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 12.09.2012 Simmling, Werner FDP 12.09.2012 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 12.09.2012  Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 191. Sitzung Inhaltsverzeichnis Epl 23 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Epl 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Epl 05 Auswärtiges Amt Epl 14 Verteidigung Anlagen
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Volkmar Klein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Wenn man am Ende der Debatte die einzelnen
    Beiträge Revue passieren lässt, dann hat man den Ein-
    druck, dass einige Kollegen hier über einen ungeliebten,
    wenig erfolgreichen Problembereich deutscher Politik
    reden und selber dafür überhaupt keine Begeisterung
    aufbringen. Das war gestern beim Besuch des neuen Prä-
    sidenten der Weltbank, Dr. Yong Kim, ganz anders. Er
    hat Begeisterung für seine Arbeit in der Weltbank ausge-
    strahlt, vor allen Dingen aber auch für die Quantität und
    die Qualität deutscher Entwicklungszusammenarbeit.


    (Beifall der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU])






    Volkmar Klein


    (A) (C)



    (D)(B)


    Mir persönlich ist dabei noch einmal richtig deutlich ge-
    worden, welch großes Ansehen deutsche Entwicklungs-
    zusammenarbeit weltweit hat.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Das soll auch so bleiben. Ich will in meinem Redebei-
    trag vier Botschaften darstellen.

    Die erste Botschaft: Wir haben im Haushaltsentwurf
    2013 hervorragende Zahlen für die Entwicklungszusam-
    menarbeit. Es ist klar: Wir müssen konsolidieren, die
    Schuldenbremse einhalten und insgesamt weniger aus-
    geben. Deshalb sinkt der Haushalt 2013 gegenüber dem
    Haushalt 2012. Trotzdem geben wir mehr Geld für Ent-
    wicklungszusammenarbeit aus.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Im Jahre 2012 betrug unser Anteil am Haushalt 2,0 Pro-
    zent. Das Gewicht der Entwicklungszusammenarbeit
    steigt. Im nächsten Haushaltsjahr werden 2,1 Prozent der
    Gesamtausgaben für diesen Bereich zur Verfügung ge-
    stellt, und das – das muss man hinzufügen –, obwohl
    80 Millionen Euro, die traditionell im Einzelplan 23 an-
    gesiedelt waren, in den Etat des Außenministeriums ge-
    schoben worden sind. Das geschah zwar aus guten Grün-
    den; aber ohne diese Operation wäre das Volumen des
    Einzelplans 23 sogar um 80 Millionen Euro höher.


    (Beifall bei Abgeordneten der FDP)


    Wenn wir, obwohl wir insgesamt sparen müssen und
    wollen, für diesen Bereich mehr Geld ausgeben, dann
    müssen wir das vor den Steuerzahlern bzw. den Bürge-
    rinnen und Bürgern vor Ort rechtfertigen. Das ist die
    Realität. Ich finde, wir können das rechtfertigen. Wir ha-
    ben einerseits eine ethische Verpflichtung. Wir haben
    eine Verantwortung für den Nächsten, die nicht an den
    Grenzen Deutschlands endet. Darüber hinaus haben wir
    auch ein vitales Eigeninteresse. Denn all die Maßnah-
    men, die wir in diesem Bereich ergreifen, sind Beiträge
    zu Frieden und Sicherheit, von denen auch Deutschland
    profitiert. Deswegen ist es richtig, dass Deutschland sehr
    viel Geld für die internationale Entwicklungszusammen-
    arbeit ausgibt.

    Eben wurde der Hinweis, Deutschland sei der zweit-
    größte Geber, kritisiert. Dadurch soll doch der Beitrag
    Schwedens als wesentlich kleinere Volkswirtschaft
    keinesfalls geschmälert werden. Aber es ist schon be-
    merkenswert, dass wir an Frankreich und Großbritan-
    nien vorbeigezogen sind. Ich will Ihnen nur eine Zahl
    nennen: Unser ODA-Beitrag, unser Beitrag zur inter-
    nationalen Entwicklungszusammenarbeit, betrug im
    letzten Jahr insgesamt 14,5 Milliarden Euro. Weltweit
    sind 133 Milliarden Euro gezahlt worden. Das heißt,
    etwa 11 Prozent der weltweit erbrachten Entwicklungs-
    hilfe ist im letzten Jahr aus Deutschland gekommen.
    Dieser Beitrag ist deutlich größer als der, den wir gemes-
    sen an der Größe unserer Volkswirtschaft leisten müss-
    ten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Meine zweite Botschaft: Deutsche Entwicklungszu-
    sammenarbeit genießt auch inhaltlich eine ausgespro-
    chen große Anerkennung. Dr. Jim Yong Kim hat die GIZ
    und die KfW in seinem gestrigen Vortrag in den aller-
    höchsten Tönen gelobt. Er schätzt die Zusammenarbeit
    zwischen unseren Durchführungsorganisationen und der
    Weltbank. Andere Länder verhandeln sogar, ob sie sich
    in Projekte, die unsere Durchführungsorganisationen
    verwirklichen, einklinken können. Die Fusion von GTZ,
    InWEnt und DED zur GIZ zahlt sich aus. Das ist ein Er-
    folg unserer Entwicklungszusammenarbeit.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Wenn man mit afrikanischen Botschaftern redet – ich
    habe viele Gelegenheiten dazu –, stellt man fest: Das
    wird im Allgemeinen gelobt.

    Über die staatliche Entwicklungszusammenarbeit hi-
    naus fördern wir mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt
    übrigens auch die Vielfalt, sowohl seitens der Stiftungen
    als auch seitens der Kirchen; auch das ist gut.

    Dritte Botschaft: Wir wollen noch besser werden.
    Deswegen geben wir für eine bessere Evaluierung Geld
    aus. Wir müssen dafür sorgen, dass in den Entwicklungs-
    ländern mehr Investitionen, auch private Investitionen,
    getätigt werden. Es muss darum gehen, dass in diesen
    Ländern mehr Firmen gegründet werden, die Geld ver-
    dienen und dann auch Steuern zahlen. Nur so kann es zu
    einer sich selbst tragenden Entwicklung kommen.
    Dauerhaft am Tropf anderer Länder zu hängen und von
    anderen Ländern abhängig zu sein, ist nicht das, was wir
    unter Ownership und selbsttragender Entwicklung ver-
    stehen. Insofern: Sicherlich werden wir die Mittel konti-
    nuierlich steigern, auch wenn Geld allein offensichtlich
    vielfach überbewertet wird.

    Ich glaube, die ODA-Diskussion ist an vielen Stellen
    eine reine Symboldiskussion, zumal wir doch wissen:
    Wenn Deutschland über die KfW Kredite an Schwellen-
    länder vergibt, die mit Marktmitteln gehebelt sind – an-
    dere Länder bekommen derartige Kredite nicht –, dann
    steigert dies die ODA-Quote, auf die alle so fixiert sind
    und auf die alle starren, erheblich. Das hilft den wirklich
    armen Ländern aber überhaupt nicht.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Genau! Das haben wir kritisiert!)


    Ein bisschen Abrüstung, was die ODA-Diskussion an-
    geht, wäre, glaube ich, gut.

    Wir müssen erkennen, dass wir die Politik weniger
    anhand ihrer Absichten als vielmehr anhand ihrer Ergeb-
    nisse bewerten müssen. Insofern hat der Weltbankchef
    recht, wenn er sagt, dass wir nicht nur schöne Theorien
    brauchen, sondern viel mehr als bisher auch darauf ach-
    ten sollten, dass es so etwas wie „delivery on the
    ground“, wie er es genannt hat, gibt. Ich übersetze es
    einmal so: Die Menschen in den Entwicklungsländern
    müssen Verbesserungen erleben.

    Ich will viertens abschließend sagen: Um dauerhaft
    verlässlich helfen zu können, müssen wir die Stabilität





    Volkmar Klein


    (A) (C)



    (D)(B)


    Deutschlands erhalten. Auch das gehört in eine Haus-
    haltsdebatte. Wir müssen unseren Haushalt insgesamt
    konsolidieren. Wir müssen Defizite insgesamt abbauen.
    Wir müssen – dafür hat Karlsruhe den Weg jetzt freige-
    macht – die bisher gelungene Gratwanderung, auf der ei-
    nen Seite über Rettungsschirme kurzfristig einen Crash
    zu vermeiden und auf der anderen Seite durch Reformen
    in Europa langfristig Stabilität zu erreichen, fortsetzen.
    Ich freue mich, dass wir direkt beim nächsten Tagesord-
    nungspunkt genau darüber intensiv reden können.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Geschäfts-

bereich nicht vor.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
kanzleramtes, Einzelplan 04.

Für die Aussprache haben wir gestern insgesamt drei-
einhalb Stunden vereinbart. Ich erteile das Wort zunächst
dem Kollegen Frank-Walter Steinmeier für die SPD-
Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Frank-Walter Steinmeier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Nicht nur wir, sondern ganz Europa wird heute Morgen
    nach Karlsruhe geschaut haben. Die Entscheidung ist,
    vermute ich, in ihrer Bedeutung für die Zukunft Europas
    überhaupt nicht zu unterschätzen. Wir ahnen wahr-
    scheinlich alle miteinander, welche Last auf dem Gericht
    und den Richtern in den letzten Tagen gelegen hat.

    Ich will es einmal so sagen: Politisch können und
    müssen wir über den richtigen Weg aus der europäischen
    Krise streiten. Aber wir müssen es auf verfassungsrecht-
    lich gesichertem Grund tun. Diese Klarheit, liebe Kolle-
    ginnen und Kollegen, haben wir seit heute wieder, und
    das ist gut an der Entscheidung.


    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich bin froh über diese Entscheidung, weil sie erstens
    den Weg für den Start des ESM freimacht, weil sie zwei-
    tens die Parlamentshoheit über den Haushalt bestätigt,
    weil es dadurch drittens keine Entscheidung im Rahmen
    des ESM geben darf, die die Haftung Deutschlands ver-
    ändert, und weil dadurch viertens – wir haben in den
    Verhandlungen über Fiskalpakt und ESM darum ge-
    kämpft – das Informationsrecht des Bundestages, so das
    Bundesverfassungsgericht in meinen Worten, Vorrang
    haben muss vor den Vertraulichkeitsgrundsätzen der
    ESM-Gremien. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Europäische Integration kann es nur mit demokrati-
    scher Kontrolle und Beteiligung geben. Das ist die Kern-
    botschaft, die wir heute aus Karlsruhe vom Bundesver-
    fassungsgericht erhalten haben. Das ist die gute
    Botschaft aus Karlsruhe. Die Botschaften, die wir ges-
    tern von der Bundesregierung gehört haben, sind hinge-
    gen nicht gut.

    Auch ich weiß seit einigen Jahren, dass Generaldebat-
    ten über den Haushalt oft vieles sind, nur nicht Debatten
    über den Haushalt. Natürlich wird auch heute Bilanz
    gezogen nach drei Jahren erfolglosen Bemühens einer
    Koalition, zu einer Regierung zu werden.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Über Arbeitsplätze, über Wirtschaftsergebnisse!)


    Der Haushalt, den diese Regierung vorlegt, ist ein
    Dokument, das schon vieles vorwegnimmt. Man stelle
    sich das einmal vor: Ein Finanzminister im Glück – drei
    Jahre gute Konjunktur, ein Füllhorn, durch steigende
    Steuereinnahmen immer wieder aufgefüllt, zusätzlich
    10 Milliarden Euro durch den historisch niedrigen Zins
    als Zusatzgewinn –, und was machen Sie damit? Was ist
    Ihr ehrgeiziges Ziel? Sie hätten die erste Regierung seit
    Jahrzehnten sein können, die die Neuverschuldung auf
    null bringt. Stattdessen verdaddeln Sie die Chance zwi-
    schen unseriöser Steuersenkungspolitik und Klientel-
    befriedigung,


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    zwischen Mövenpick und Betreuungsprämie. Das ist ge-
    nau das, was ich seit drei Jahren bei dieser Regierung
    feststelle: Sie, Union und FDP, wollten gemeinsam re-
    gieren. Aber Sie hatten nie ein gemeinsames Projekt, nie
    ein gemeinsames Ziel. Sie wollten die Regierung, aber
    Sie konnten damit nichts anfangen. Das ist „Politik ohne
    Morgen“, so hat Franz Müntefering vor kurzem ge-
    schrieben. Dafür war Ihre Rede gestern, Herr Schäuble,
    ein erschütternder Beweis.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Auf eines – auch das muss gesagt werden – ist in die-
    ser Koalition immer Verlass: Jeden Sommer versinkt sie
    regelmäßig in Streit und Chaos. Da kämpft jeder gegen
    jeden. Verlässlich war bisher auch immer: Anfang Sep-
    tember kündigt dann die Bundeskanzlerin den Neustart
    an. Dann geht alles wie nach dem alten Motto von
    Wiktor Tschernomyrdin: Wir wollten alles besser ma-
    chen, aber am Ende kam es wie immer.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich rechne jetzt nicht drei Jahre auf, sage aber einfach
    nur mit Blick auf diesen einzigen Sommer: nicht nur
    Streit über Griechenland, nicht nur Streit über Europa,
    sondern auch Streit über die Energiewende und die
    Kosten, Streit über die Zuschussrente, Streit über das
    Betreuungsgeld, Streit über die gleichgeschlechtliche





    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)


    Ehe und steuerrechtliche Diskriminierung, Streit – selbst
    darüber – über die Verfolgung von Steuersündern; und
    neben alledem spielt der Innenminister mit den Sicher-
    heitsbehörden „Reise nach Jerusalem“. Das ist der
    Sommer dieser Regierung.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Da ist keine Linie, da ist keine Führung, da ist keine
    Entscheidung. Im Kabinett ist jeder gegen jeden. Kaum
    kommt aus dieser Regierung einmal ein Vorschlag ans
    Tageslicht, ist entweder die CSU dagegen oder die FDP
    oder beide, und die CDU ist gespalten. Nichts geht mehr
    in dieser Regierung. Das ist die bittere Wahrheit über
    diese Koalition, und die muss heute zur Sprache kom-
    men.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, dann mal los!)


    Mein Eindruck ist: Diese Regierung wirkt ein biss-
    chen wie ein schwer angeschlagener Boxer, der in der
    nächsten Runde dem Ende entgegentaumelt. Ich sage
    nur: Deutschland braucht mehr. Deutschland braucht et-
    was anderes als ein weiteres Jahr diese schwarz-gelbe
    Agonie, die wir jetzt gesehen haben. Das geht so nicht
    weiter.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Frank-Walter Steinmeier als Klitschko! Da lachen wir! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: FrankWalter Klitschko!)


    Nun ahne ich, Herr Kauder: Wenn das nur der Vorsit-
    zende der Oppositionspartei sagt, dann lässt Sie das im
    Zweifel kalt. Aber ich ahne auch: Sie alle miteinander
    wissen sehr genau, das ist bittere Wahrheit. Wir haben
    keine Zeit für diesen Dauerstreit innerhalb der Koalition.
    Die Uhr tickt. Mit dieser Regierung läuft uns die Zeit
    davon.


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum läuft uns die Regierung nicht davon?)


    Noch geht es uns gut; Gott sei Dank. Noch sind die So-
    zialkassen gut gefüllt. Noch sprudeln die Steuereinnah-
    men. Aber wenn ich die Vorzeichen richtig deute, dann
    ist doch eines ganz gewiss, liebe Kolleginnen und Kolle-
    gen: Die fetten Jahre, die wir hatten, sind ganz eindeutig
    vorbei.

    Dass es uns noch vergleichsweise gut geht – Gott sei
    Dank; ich freue mich darüber –,


    (Zuruf von der FDP: Das merkt man!)


    ist im Übrigen überhaupt nichts, worauf diese Koalition
    in irgendeiner Weise stolz sein könnte.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Schon klar! Das hat die Opposition gemacht!)


    Dass es uns heute besser geht als anderen, ist das Ergeb-
    nis von Entscheidungen aus der Vergangenheit. Sie
    ernten auf Feldern, auf denen Sie nie gesät und nie ge-
    pflanzt haben. Das ist die Wahrheit.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Der Willy Brandt war es!)


    Ob Sie das wahrhaben wollen oder nicht: Es waren in
    diesem Land eben Sozialdemokraten und Grüne, die die
    Weichen neu gestellt haben:


    (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU)


    mit viel Streit mit Ihnen, mit viel Streit in den eigenen
    Reihen. Aber es waren Sozialdemokraten und Grüne, die
    das Fundament für den Erfolg von heute gelegt haben,
    niemand anders.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dazu stehen Sie aber nicht mehr! Alles wollen Sie rückgängig machen!)


    Wir sind damals darangegangen und haben einen Vor-
    rat angelegt.


    (Widerspruch bei der FDP)


    – Sie wissen ja, dass ich recht habe. Deshalb schreien
    Sie doch so.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir haben damals den Vorrat angelegt, der uns einen
    Vorsprung vor anderen verschafft hat.


    (Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])


    Aber dieser Vorrat – das wissen Sie auch, Herr Fricke –
    bleibt nicht ewig, weil Sie die Vorräte, die wir hatten,
    nicht ergänzen, sondern sie verfrühstücken.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Wenn man nicht endlich etwas für die Zukunft tut, dann
    ist der Vorsprung, den wir hatten, bald aufgebraucht.

    Eine Lehre aus den schwierigen zehn Jahren, die wir
    hinter uns haben, sollten Sie mitnehmen: Hätten wir uns
    damals, vor zehn Jahren, so in die Furche gelegt wie Sie
    jetzt, dann wäre Deutschland das geblieben, was wir
    nach den 90er-Jahren waren: das Schlusslicht in der
    europäischen Wachstumstabelle oder, wie die Zeitungen
    geschrieben haben, der „kranke Mann Europas“.

    Wir haben damals dafür gesorgt, dass dieses Land
    wieder auf Wachstumskurs geht. Das war Mut zur Ver-
    antwortung. Sie machen das genaue Gegenteil. Ihr einzi-
    ges Ziel ist Machterhalt, und das ist zu wenig.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Geschichtsklitterung im großen Stil!)






    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)


    Meine Frage an diese Regierung und an die Bundes-
    kanzlerin ist deshalb: Was tun Sie, damit unser Land
    auch in zehn Jahren noch Arbeit und Wohlstand hat?
    Was tun Sie gegen den drohenden Fachkräftemangel,
    gegen die Zunahme von prekärer Beschäftigung, gegen
    die Ungleichbehandlung von Mann und Frau im Beruf,
    gegen die ungelösten Probleme bei der Integration? Was
    tun Sie gegen die wachsende Undurchlässigkeit unseres
    Bildungssystems? Und: Was tun Sie angesichts des
    Desasters, in das Sie sich selbst mit Ihrer kopflosen
    Energiepolitik geführt haben?

    Wenn es uns nicht gelingt, dafür zu sorgen, dass
    Deutschland auch in zehn Jahren noch ein attraktiver
    Industriestandort mit bezahlbaren Energiepreisen ist,
    dann können wir uns die ganzen gegenwärtigen Renten-
    debatten sparen. Ohne funktionierende Unternehmen
    wird auch der Sozialstaat ausbluten. Dann wird es keine
    Beschäftigung geben, jedenfalls nicht für 41 Millionen
    Menschen wie gegenwärtig.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Unser Land hat ein Zukunftsproblem; das habe ich
    eben kurz skizziert. Aber es hat auch ein Gerechtigkeits-
    problem, und ich behaupte: Das eine hat mit dem ande-
    ren zu tun. Frau von der Leyen hat mit großem Eifer in
    den letzten Wochen das Problem der Altersarmut ent-
    deckt. Inzwischen hat die Regierung gegen Frau von der
    Leyen beschlossen, dass es doch keine Altersarmut gibt
    und damit auch keinen Handlungsbedarf. Weil nicht sein
    kann, was nicht sein darf, versuchen Sie, eine Debatte,
    die Sie zunächst begonnen haben, jetzt wieder möglichst
    schnell zu beerdigen, weil sie Ihnen schlicht unwillkom-
    men ist.

    Aber ich sage Ihnen voraus: Es gibt eine Wahrheit, an
    der sich auch eine Koalition von Union und FDP nicht
    vorbeidrücken kann. Wir müssen in dem Bereich der
    drohenden Altersarmut etwas tun. Nur, Frau von der
    Leyen, wie Sie es anfangen, geht es am Ende auch nicht.
    Sie zäumen das Pferd von hinten auf. Armut im Alter
    folgt der Armut im Erwerbsleben. Die Ursache von
    Altersarmut ist Erwerbsarmut.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Deshalb ist das beste Rezept gegen Altersarmut: gute
    Löhne, entschiedener Kampf gegen Missbrauch von
    Zeit- und Leiharbeit und – auch wenn Sie es nicht mehr
    hören können; ich sage es trotzdem noch einmal – ein
    bundesweit verbindlicher gesetzlicher Mindestlohn. Das
    brauchen wir.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das müssen mindestens 14 Euro sein! 15 Euro, mein Lieber! 12 reichen doch noch lange nicht!)


    Über all das muss man reden – über einen wirklichen
    Zukunftsentwurf, wenn Sie so wollen, der Arbeitsmarkt
    und Demografie endlich zusammenbringt –, aber eben
    nicht über ein allzu dürftiges Zuschussrentenkonzept,

    das noch nicht einmal in der eigenen Partei, geschweige
    denn in der Koalition auf Zustimmung stößt. Damit kön-
    nen Sie keine Angebote machen, über die man ernsthaft
    reden kann, meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Aber, Herr Schäuble, nachdem ich Ihnen gestern
    zugehört habe, ist es auch gar nicht nötig, darüber zu
    reden. Sie haben gesagt, der Gegensatz zwischen Arm
    und Reich in Deutschland, der da herbeigeredet werde,
    sei – ich zitiere Sie wörtlich – „ein Hirngespinst“. Das
    haben Sie geruht uns mitzuteilen. Wenn das Ihre Haltung
    ist, dann brauchen wir in der Tat auch keine Vorsorge
    gegen Armut im Alter. Dann brauchen wir in diesem
    Land keinen Kinderzuschuss für Alleinerziehende. Dann
    brauchen wir auch keinen Mindestlohn. Ich sage Ihnen
    nur: Wer so denkt, der versteht auch nicht, warum die
    normalen Leute in unserem Land es satt haben, immer
    wieder zur Kasse gebeten zu werden für die Folgen von
    manchen Maßlosigkeiten und Verantwortungslosigkei-
    ten bei den wirtschaftlichen Eliten dieses Landes.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sie werden nicht verstehen, warum die Menschen ein-
    fach nicht mehr kapieren und akzeptieren, dass, wenn
    wir über die Systemrelevanz von Banken reden, immer
    Opfer des Steuerzahlers gemeint sind, die anschließend
    eingefordert werden. Da gibt es entgegen Ihrer gestrigen
    Aussage, Herr Schäuble, ganz viel Ungerechtigkeit in
    unserem Land. Das ist kein Hirngespinst. Ich sage, es ist
    im Gegenteil so: Soziale Balance ist systemrelevant für
    Demokratie. Wir werden das eine nicht ohne das andere
    haben. Das ist die Lehre, die wir aus der Krise auf den
    Finanzmärkten ziehen sollten.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Nicht nur diesen Zusammenhang haben Sie gestern
    geleugnet. Der Haushalt, den Sie diese Woche präsentie-
    ren, ist eigentlich ein Dokument von Mutlosigkeit und
    auch von Kurzsichtigkeit. Sie stellen sich einfach hin
    und sagen den Leuten überall in Europa: Nehmt euch ein
    Beispiel an uns! Wir sind ein Muster an Haushaltsdiszi-
    plin. – Nur, die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Sie
    predigen Wasser und trinken Wein. Sie setzen die Neu-
    verschuldung jetzt mit 18,8 Milliarden Euro an. Das ist
    sogar noch mehr – daran führt kein Weg vorbei – als die
    17,3 Milliarden Euro im Jahr 2011. Wir haben Ihnen
    gestern ja zugehört. Aber Sie können noch so kreativ mit
    Vergleichszahlen umgehen und hier herumdozieren, es
    bleibt dabei: Trotz jährlich steigender Steuereinnahmen
    in den letzten drei Jahren steigt Ihre Neuverschuldung.
    Ich möchte einmal wissen, wem Sie das in Europa als
    Beweis für Haushaltsdisziplin durchgehen lassen wür-
    den – vermutlich niemandem.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Die Ausgaben sinken!)






    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)


    Auch wenn Sie es gestern von hier aus noch einmal
    bestritten haben, Herr Barthle: Nicht nur die SPD und
    die anderen Oppositionsfraktionen haben den Verdacht,
    dass Sie sich mit all dem eine Sparbüchse – allerdings
    eine milliardenschwere Sparbüchse – angelegt haben,
    um dann im nächsten Jahr, im Wahljahr, dem einen oder
    anderen schwächelnden Minister noch ein bisschen unter
    die Arme greifen zu können. Das ist doch der Grund,
    weshalb nicht nur die Bundesbank, sondern auch der
    Bund der Steuerzahler Ihnen sagt: Dieser Haushalt zeugt
    von mangelndem Ehrgeiz. – Und das ist der Grund, wes-
    halb wir sagen: Dieser Haushalt stellt vielleicht die Vor-
    bereitung auf ein Wahljahr dar, nicht aber die Vorberei-
    tung auf ein Haushaltsjahr; denn das Haushaltsjahr
    hätten Sie angesichts der enormen Steuereinnahmen
    ganz anders, viel besser, viel ehrgeiziger angehen kön-
    nen, als Sie es tun.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die größte Gefahr ist allerdings nach wie vor die
    europäische Krise, zu deren Lösung Sie in den letzten
    drei Jahren nichts Entscheidendes haben beitragen kön-
    nen, noch nicht einmal zu deren Eindämmung. Im
    Gegenteil: Drei Jahre werkeln Sie herum. Die Krise
    eskaliert von Jahr zu Jahr. In diesen drei Jahren ist die
    Krise – an den Zahlen kann niemand vorbei – vor allen
    Dingen in südeuropäischen Staaten größer geworden. In
    diesen drei Jahren ist auch das Risiko für Deutschland
    gestiegen. Ich weiß nicht, ob Sie das über den Sommer
    hinweg verfolgt haben: Das sind schon dramatische
    Wachstumseinbrüche, die wir in einigen südeuropäi-
    schen Staaten haben, vor allen Dingen in einem Land,
    das hier relativ selten zur Sprache kommt, nämlich in
    Spanien. Deshalb darf man sich mit Blick auf die
    gesamte Währungszone nicht wundern, dass es inner-
    halb der Euro-Zone alles in allem einen Auftragsrück-
    gang von 15 Prozent gibt. Ich spreche nicht von Grie-
    chenland. Ich spreche von der gesamten Währungszone.
    Sie haben auch gesehen, dass das mittlerweile in einzel-
    nen Branchen bei uns ankommt. Kurzarbeit bei Ford in
    Köln ist nicht das einzige Signal.

    Ich bin nicht hier, um schlechte Laune zu machen,


    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das gelingt Ihnen auch gar nicht!)


    sondern das sind schlicht und einfach die Zahlen, mit
    denen wir uns auseinandersetzen müssen. Wenn Sie ein-
    mal einen Blick auf diese Zahlen werfen – das sollten
    Sie nach der Haushaltsdebatte ernsthaft tun –, dann wis-
    sen Sie auch: Bei diesem europäischen Krisenszenario,
    über das wir hier jetzt zum wiederholten Male sprechen,
    ist Matthäi am Letzten. Jetzt mit dem Finger auf andere
    zu zeigen, wie sich das in den vergangenen Monaten und
    Jahren immer bewährt hat, hilft nicht mehr, weil jeder
    sieht: Der Werkzeugkasten, auch der Werkzeugkasten
    dieser Regierung, ist leer.

    Jetzt landen Sie genau da, wo ich es Ihnen in meiner
    vorletzten Rede hier im Deutschen Bundestag vorausge-
    sagt habe. Ich habe gesagt: „Sie werden am Ende beim

    Anleihekauf der EZB landen“ – und das jetzt unbe-
    grenzt. Das ist die grandiose Leistung, für die Sie sich,
    Herr Schäuble, gestern hier mit Selbstlob überschüttet
    haben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich bin – da können Sie sicher sein – nicht mit den
    Klagezielen des Kollegen Gauweiler einverstanden.
    Aber in einem hat er recht: Es waren am Ende auch Sie,
    diese Bundesregierung, Frau Merkel, die die EZB nach
    und nach in diese Richtung geschoben haben. Nur, jetzt,
    am Ende dieser Entwicklung, können Sie sich doch nicht
    hinstellen und rufen: Haltet den Dieb. – Das geht nicht.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es hat einige Jahre ganz gut funktioniert, sich hier
    und in der deutschen Öffentlichkeit immer als der deut-
    sche und europäische Sparfuchs hinzustellen. Als Grie-
    chenland ein 40-Milliarden-Euro-Problem war, haben
    Sie posaunt: Keinen Cent für Griechenland! – Dann
    haben Sie den ersten Rettungsschirm aufgespannt, dann
    den zweiten und dann immer neue, immer zu spät,
    immer zu klein. Sie haben rote Linien gezogen, um
    anschließend, nach dem Überschreiten der roten Linien,
    das Gegenteil von dem zu machen, was am Tag vorher
    noch in Stein gemeißelt war. Was Sie gemacht haben,
    war – vermutlich wird sich das zeigen, wenn wir in eini-
    gen Jahren zurück auf diese Jahre schauen – die teuerste
    Variante der Antikrisenpolitik.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Jetzt, da Rettungsschirme in Milliardenhöhe gefüllt,
    verteilt, wieder aufgefüllt und wieder verteilt worden
    sind, kommt oben drauf, was vor einem Jahr für Sie alle
    noch der Gottseibeiuns war. Mit Verlaub, Frau Merkel,
    das war aus unserer Sicht immer ein wenig scheinheilig.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn nur „ein wenig“?)


    Was einen ärgert – auch das sage ich Ihnen ganz offen –:
    Sie haben sich oft auch von diesem Podium aus den
    Mund über Alternativen zu Ihrer Politik zerrissen, die
    auch von anderen ja durchaus vorgestellt worden sind.
    Sie haben sich über Ideen empört, selbst wenn sie aus
    Ihrem eigenen Sachverständigenrat, dem Rat der Wei-
    sen, kamen, etwa die Idee des europäischen Schuldentil-
    gungsfonds. Sie haben sich nicht nur darüber empört,
    sondern Sie haben das geradezu als Verrat an deutschen
    Interessen dargestellt. Jetzt, nach dem Scheitern der gan-
    zen Rettungsschirmpolitik, irrt dieser Teil des Plenums
    samt der Regierung einigermaßen plan- und ziellos
    herum. Jetzt auf einmal, am letzten Wochenende – ich
    traue meinen Augen nicht –, wird umstandslos gutgehei-
    ßen, was vor zwölf Monaten noch der Untergang des
    Abendlandes war.


    (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zinssozialismus!)






    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)


    Das können Sie doch der deutschen Öffentlichkeit nicht
    vorführen. So kann man doch Glaubwürdigkeit in der
    Politik nicht erlangen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Damit ich nicht missverstanden werde: Der EZB ist
    dabei überhaupt nichts vorzuwerfen. Sie tut das, was
    jetzt noch zu tun ist, als die einzig noch verbliebene
    handlungsfähige europäische Institution. Sie muss das
    jetzt tun, weil kein anderer mehr in Europa verhindert,
    dass die Währungsunion den Bach runtergeht. Aber dass
    sie das so tut, wie es am Freitag beschlossen wurde,
    zukünftig ohne jede Begrenzung nach oben und ohne
    jede demokratische Kontrolle, liegt in der Verantwor-
    tung auch dieser deutschen Regierung, und das werden
    wir der Öffentlichkeit sagen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich habe es ja geahnt – Herr Schäuble, Sie haben es
    gestern auch hier vom Podium gesagt –: Sie haben erklärt,
    es werde deshalb alles ganz anders, weil ja sichergestellt
    sei, dass die Länder, denen durch die Anleihekäufe der
    EZB Hilfe gewährt werde, erst einmal Programmland
    werden müssten. Im Übrigen könne ja nichts passieren,
    weil die EZB selbst auf den sogenannten Primärmärkten
    überhaupt nicht tätig werden dürfe. Ich habe es geahnt,
    dass diese Versicherung von heute an die deutsche Öf-
    fentlichkeit und auch hier an das Parlament geht.

    Nur, es gibt ja schon Papiere Ihrer Regierung, die be-
    schreiben, wie das in Zukunft anders aussehen könnte:
    dass die EZB spanische Anleihen auf dem Sekundär-
    markt kauft, der ESM Anleihen auf dem Primärmarkt,
    der ESM dann die gekauften Anleihen an Drittbanken
    weiterverkauft und die EZB dieser Drittbank die Anlei-
    hen wieder abkauft. Im Ergebnis jedenfalls landen alle
    diese Anleihen bei der EZB, deren Anleihenportfolio auf
    diese Weise mit schlechten Anleihen immer mehr
    wächst. Das ist das Ergebnis der Entscheidung, die am
    Freitag getroffen worden ist, auch wenn das Handeln der
    EZB in dieser Situation notwendig ist.


    (Beifall bei der SPD)


    Ob Sie das wahrhaben wollen oder nicht – wenn Sie
    es heute bestreiten, dann werden wir uns in sechs Mona-
    ten hier wieder darüber unterhalten –: Das ist nichts an-
    deres als so etwas Ähnliches wie eine Banklizenz durch
    die Hintertür. Das ist natürlich unvermeidbar auch Ver-
    gemeinschaftung von Schulden, allerdings – das ist der
    Unterschied zu uns – ohne demokratische Kontrolle,
    ohne klare, nachvollziehbare Regeln und Auflagen, oder
    ganz kurz: Das, was Sie der deutschen Bevölkerung in
    den letzten Jahren immer als Ziel Ihrer Politik vor Augen
    geführt haben, wird jedenfalls durch die Entscheidun-
    gen, die Sie jetzt neuerdings begrüßen, ins Gegenteil
    verkehrt. Das müssen wir der Öffentlichkeit sagen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Herr Schäuble, bei alledem, worüber wir reden: Was
    ist eigentlich mit der Besteuerung der Finanzmärkte?


    (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja! Dazu hat er keinen Ton gesagt!)


    Was die EZB jetzt zur Währungsstabilisierung in Eu-
    ropa tut und tun muss – ich sage es noch einmal –, das
    ist, ob man es beabsichtigt oder nicht – das muss gar
    nicht das Hauptziel sein –, ganz nebenbei, natürlich auch
    ein Bankensanierungsprogramm, weil auf diese Weise
    die Banken die Möglichkeit haben, schlechte Papiere,
    zum Beispiel über den eben beschriebenen Weg, bei der
    EZB zu deponieren. Deshalb ist es auch kein Wunder,
    dass die Märkte im Augenblick so reagieren. Die Ban-
    kenaktien schießen natürlich im Augenblick mit dieser
    Erwartung durch die Decke. Ich sage noch einmal: Das
    kann man vielleicht gar nicht vermeiden, dass sich die
    Banken auf diese Weise mit sanieren. Die Frage ist nur:
    Wo bleibt denn Ihre Forderung, dass der Bankensektor
    spätestens jetzt auch ernsthaft besteuert wird? Ich habe
    den ganzen Sommer über dazu von Ihnen nichts gesehen
    und gehört.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es gab keinen Druck, der irgendwie sichtbar geworden
    wäre, keine Forderungen an die europäischen Partner,
    von denen ich gehört hätte.

    Deshalb frage ich noch einmal mit Blick auf Ihre
    gestrige Rede, in der Sie sich ja für die Konditionalität
    so gelobt haben: Wo ist denn diese Konditionalität, wenn
    es einmal nicht um Sparprogramme bei der Sozialpolitik
    geht, sondern wenn es um die Beteiligung der Finanz-
    märkte an der Bewältigung der Kosten der Krise geht?
    Dazu haben wir hier etwas vermisst.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich verstehe es nicht. Ich verstehe dieses dröhnende
    Schweigen nicht, weil wir uns gemeinsam nach schwie-
    rigen Verhandlungen darauf verständigt haben, dass dies
    Ziel unserer gemeinsamen Politik ist. Was ich mich
    frage: Wann, wenn nicht in einer solchen Situation,
    wann, wenn nicht an einer solchen Schwelle, an der wir
    sozusagen die Methode der Auswege aus der europäi-
    schen Krise völlig umstellen, wann, wenn nicht jetzt, da
    die Europäische Zentralbank mit Ihrer Billigung neue
    Aufgaben erhält, wann, wenn nicht jetzt, gäbe es die
    Chance, die Skeptiker innerhalb der Währungsunion da-
    von zu überzeugen, den Weg in die Finanzmarktbesteue-
    rung mitzugehen? Jetzt wäre der Weg gegeben, und jetzt
    wäre Konditionalität gefragt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich habe jedenfalls nicht gehört, dass irgendwelche
    Initiativen in diese Richtung unternommen worden sind.
    Das ist in meinen Augen auch in diesem Bereich ohne
    jeden Ehrgeiz. Es ist bei der Finanzmarktbesteuerung
    wie bei den anderen politischen Feldern, über die ich ge-
    sprochen habe: Es ist die Haltung dieser Regierung,
    möglichst die Ziele nicht ehrgeizig zu setzen, sondern ir-
    gendwie darauf zu vertrauen, dass man schon durch-
    kommt. Ich sage am Ende nur: Das ist zu wenig für





    Dr. Frank-Walter Steinmeier


    (A) (C)



    (D)(B)


    Deutschland. Das ist zu wenig für Europa. So kommen
    wir eben gerade nicht durch.

    Herzlichen Dank.


    (Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist für die Opposition auch zu wenig! Zero!)