Rede von
Matthias W.
Birkwald
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
n! Das Bundesarbeitsgericht, Herr Vogel, hat am
ienstag ein klares und deutliches Urteil gefällt: Die so-
enannte Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaf-
n für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen, kurz
GZP, ist tarifunfähig. Das heißt, die christlichen Ge-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Dezember 2010 9227
Matthias W. Birkwald
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werkschaften hätten niemals Lohndumpingtarifverträge
abschließen dürfen, und sie dürfen es auch künftig nicht.
Das Urteil ist ein tarifpolitischer Meilenstein und ein
großartiger Erfolg für die Leiharbeiterinnen und Leih-
arbeiter, die jetzt nämlich vorenthaltenen Lohn nachfor-
dern dürfen.
Aber das Urteil ist nicht vom Himmel gefallen. Wir
verdanken es der gemeinsamen Initiative der Gewerk-
schaft Verdi, der Professoren Peter Schüren und
Wolfgang Däubler und des Landes Berlin. Darum
möchte ich mich hier bei Verdi, den beiden Wissen-
schaftlern und vor allem bei der damaligen Berliner Ar-
beitssenatorin Dr. Heidi Knake-Werner und ihrer Nach-
folgerin Carola Bluhm – beide übrigens Mitglieder der
Linken – herzlich bedanken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Christen-
gewerkschaften sind ein grandioser Etikettenschwindel:
Sie sind keineswegs christlich, und Gewerkschaften sind
sie erst recht nicht. Ihre Nächstenliebe galt bisher aus-
schließlich den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern. Mit
den Gefälligkeitstarifen ist jetzt Schluss. Dazu kann ich
nur sagen: Gott sei Dank, dabei muss es auch bleiben.
Das Bundesarbeitsgericht hat seinen Job getan. Was
ist jetzt zu tun? Es muss dringend dafür gesorgt werden,
dass die Sozialkassen die Beiträge für 2006 erhalten,
Herr Vogel. Es geht um viel Geld. Die Bundesregierung
hätte längst handeln müssen. Seit 2008 liegt das Problem
auf dem Tisch, und 2009 hat Berlins Arbeitssenatorin
Carola Bluhm die Bundesarbeitsministerin aufgefordert,
aktiv zu werden. Frau Bluhm hat gegen die CGZP ge-
klagt. Das hätten Sie, Herr Staatssekretär Fuchtel, und
Ihre Ministerin Frau von der Leyen ebenfalls tun kön-
nen. Sie haben es nicht getan, und das ist nicht zu akzep-
tieren.
Das Nichtstun kostet die Sozialkassen jedes Jahr
mehr als eine halbe Milliarde Euro. Ihnen geht es doch
immer um Beitragssatzstabilität. Diese Beiträge gehen
der Rentenversicherung und der Krankenversicherung
komplett verloren, wenn die Ansprüche verjähren; diese
Gefahr besteht. Für die Jahre 2004 und 2005 ist das Kind
bereits in den Brunnen gefallen. 1,2 Milliarden Euro
sind futsch, Herr Vogel. Weitere zweieinhalb Milliarden
Euro stehen auf dem Spiel. Die Deutsche Rentenversi-
cherung Bund muss deswegen sofort die Leiharbeitsfir-
men auffordern, zu melden, ob sie nach den miesen Tari-
fen der christlichen Gewerkschaften gezahlt haben oder
nicht. Damit wäre die Verjährung unterbrochen, und
mehr als eine halbe Milliarde Euro Nachzahlung wäre
für das Jahr 2006 gesichert. Wenn hier nicht sofort ge-
handelt wird, werden die Lohndrücker geradezu ermun-
tert, an ihrem schmutzigen Treiben festzuhalten. Das ist,
liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und
FDP, unverantwortlich.
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Die Lohndrückergewerkschaft CGZP ist nur die sicht-
are Folge politischer Fehlentscheidungen und arbeits-
chtlicher Missstände. Es geht nicht allein um Miss-
rauch des Leiharbeitsgesetzes, worüber wir heute
ormittag geredet haben. Das Gesetz selbst öffnet dem
ohndumping Tür und Tor. Hier haben sich alle außer
er Linken nicht mit Ruhm bekleckert. Rot-Grün hat es
ingeführt, und Schwarz-Gelb hält an der Einladung zur
ohndrückerei weiterhin fest. Im Klartext: In der Leih-
rbeit herrscht Lohndumping per Gesetz. Das müssen
ir ändern, und zwar ganz dringend.
Die Linke hat bereits Anfang des Jahres einen Antrag
ur strikten Begrenzung von Leiharbeit vorgelegt. Einen
esetzentwurf zur dringend notwendigen Änderung des
rbeitnehmerüberlassungsgesetzes hat die Linke eben-
lls eingebracht. Was wollen wir? Wir Linken wollen
nter anderem, dass Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter
b der ersten Stunde gleichen Lohn für gleiche Arbeit er-
alten wie die Festangestellten. Wir wollen, dass Leih-
rbeit in einem Betrieb auf höchstens drei Monate be-
renzt wird. Die Linke will, dass Betriebsräte das Recht
rhalten, über den Einsatz von Leiharbeiterinnen und
eiharbeitern mitzubestimmen. Wir sagen: Leiharbeite-
nnen und Leiharbeiter dürfen für ihre Flexibilität nicht
it Dumpinglöhnen bestraft werden. Nein, stattdessen
üssen sie mit einer Flexibilitätsprämie von 10 Prozent
ohnzuschlag belohnt werden. Kurzum: Das Lohndum-
ing per Gesetz muss endlich ein Ende haben.
Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
h wünsche Ihnen einen guten Rutsch ins neue Jahr und
in friedliches 2011. Ich freue mich auf die Debatten mit
nen, Herr Vogel.
Danke schön.