Rede von
Cornelia
Behm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Trotz Kritik im Detail trägt Bündnis 90/Die Grü-
nen den Entwurf des Zweiten Flächenerwerbsänderungs-
gesetzes im Grundsatz mit; denn es geht um die
Wiederherstellung legitimer gesetzlicher Ansprüche für
eine Gruppe von Opfern des Stalinismus.
Denken Sie 20 Jahre zurück: Bei der Abfassung des
Einigungsvertrages 1990 haben die beiden deutschen
Regierungen den von der Bodenreform in der sowjetisch
besetzten Zone Betroffenen die Rückgabe ihres Eigen-
tums verweigert. Später, 1994, hat die Bundesregierung
ihnen, soweit sie keine Nazis waren, über das EALG ei-
nen geringen Ausgleich dafür zugesichert, dass sie in
den Jahren 1945 f. völkerrechtswidrig enteignet wurden.
Jetzt geht es um die Gleichstellung der Alteigentümer,
die noch heute auf ihren Ausgleichsleistungsbescheid
warten, mit denen, die bereits vor Jahren ihren gesetzli-
chen Anspruch auf Flächenerwerb einlösen konnten.
Viele mag es verwundern, dass wir Bündnisgrüne uns
für Alteigentümer einsetzen. Als Bürgerrechtlerin, die
über Bündnis 90 in die Politik kam, sage ich dazu: Für
eine Bürger- und Menschenrechtspartei ist und bleibt es
inakzeptabel, wie im Stalinismus mit den Menschen um-
gegangen wurde. Das gilt auch für die Bodenreform;
denn den Opfern wurde nicht nur alles Eigentum genom-
men. Nein, sie wurden sogar innerhalb von Stunden mit
nur einem Koffer in der Hand und bar jeglicher Wertge-
genstände von ihrem Hof und aus ihrer Heimat vertrie-
ben.
Manch einer wurde anschließend interniert. Viele haben
all das nicht überlebt.
So kann und darf man mit Menschen nicht umgehen.
Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Menschenrechte sind
unteilbar. Das gilt auch für die Nachkriegszeit.
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uch die häufig geäußerte Meinung, die Enteignung
abe schon die Richtigen getroffen, die allermeisten
eien aktive Nazis und Kriegsverbrecher gewesen, ist
chlicht falsch.
in rechtsstaatlicher Prozess, in dem diese Schuld hätte
stgestellt werden können, fand nicht statt.
Übrigen bekommen diejenigen, denen man heute
achweisen kann, dass sie aktive Nazis waren, gar nicht
rst einen Ausgleichsleistungsbescheid.
Wenn es bei der Bodenreform um Gerechtigkeit und
m das Umverteilen von Großgrundbesitz gegangen
äre, dann hätte man den sogenannten Junkern und
roßbauern wenigstens 100 Hektar Land lassen können,
ie anderen Bauern auch.
ass sie nichts behalten durften, zeigt doch, dass es we-
iger um die Beseitigung des Großgrundbesitzes ging als
ielmehr um die Beseitigung der Großgrundbesitzer.
Dass SPD und Linke noch immer der Legende von
er gerechten Bodenreform anhängen, macht mich wirk-
ch betroffen. Nichts anderes ist Grundlage ihrer popu-
stischen Kampagne gegen den Flächenerwerb durch
lteigentümer. Das wiederum zeigt, dass die gesell-
chaftliche Aufarbeitung dieses Kapitels des Stalinismus
och aussteht.
och heute glauben viele Menschen an die Argumente
r die Bodenreform aus der Stalin-Ära.
Als Bürgerrechtlerin sage ich klar und deutlich: Es
eht nicht um eine Revision der Bodenreform.
9220 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Dezember 2010
Cornelia Behm
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Es geht um einen Diskurs in der Gesellschaft, in dem die
Geschichte aufgearbeitet und die Opfer von Willkür und
Stalinismus rehabilitiert werden.
Dieser Diskurs hat mit dieser Debatte über das Zweite
Flächenerwerbsänderungsgesetz vielleicht begonnen.