Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeord-
nete! Frau Kollegin Behm, ich möchte mich bei Ihnen
ganz ausdrücklich für Ihre Worte zur Bodenreform be-
danken. Ich glaube, es ist besonders wichtig, dass diese
Worte 20 Jahre nach der deutschen Einheit und 65 Jahre
nach Ende des Krieges im Deutschen Bundestag gefallen
sind. Wer die Bodenreform weiterhin, so wie Linke und
SPD, für einen Akt der Gerechtigkeit, für einen Akt
rechtsstaatlicher Politik hält,
geht darüber hinweg, Herr Kollege Schwanitz, dass weit
mehr enteignet worden ist – in Sachsen-Anhalt waren
viele Höfe mit unter 100 Hektar betroffen –, und lässt
weitere Umstände – auch Vergewaltigung, Mord und
Drangsalierung spielten in diesem Zusammenhang eine
Rolle – außer Acht. Es war nur ein kleiner Akt der
Gerechtigkeit, 1994 auch den nicht wirtschaftenden Alt-
eigentümern eine Wiedergutmachung in Höhe von
34 Hektar zuzugestehen. Dies war ein schwieriger ge-
sellschaftspolitischer Kompromiss. Nur dem werden wir
heute gerecht; es geschieht nicht mehr, aber auch nicht
weniger.
Was mich bei SPD und Linken besonders enttäuscht
hat: Keiner der beiden Redner, weder Frau Tackmann
noch Herr Schwanitz, ist auf die Ursachen eingegangen.
Wie würde es Ihnen, Herr Schwanitz oder Frau
Tackmann, gehen, wenn Sie vor 15 Jahren bei einer Be-
hörde einen Antrag auf Geltendmachung eines An-
spruchs gestellt hätten, der Ihnen gesetzlich zusteht, und
Sie bis heute keinen Bescheid dazu bekommen hätten?
Die Ursache dieses Problems liegt ganz allein darin, dass
innerhalb von 15 Jahren von den Ämtern zur Regelung
offener Vermögensfragen in den neuen Bundesländern
nicht einmal 20 Prozent der Anträge beschieden worden
sind. Hier bin ich völlig beim Kollegen Brackmann:
Egal welche politische Farbe in dem jeweiligen Land die
politische Spitze gebildet hat, man kann vermuten, dass
politische Motivation hinter diesem Handeln steckte.
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Herr Kollege Schwanitz, wer sich das EALG von
994 anschaut, sieht, dass es keine Flächengarantie gab.
lles, was Aussagekraft hat – sowohl die Ertragsmess-
ahlen als auch die halbe Ausgleichsleistung –, war an
läche gebunden. Übrigens haben Sie selber 1999, nach-
em die EU-Kommission den Direktverkauf an die
ächter EU-beihilferechtlich infrage gestellt hatte, die
olle Ausgleichsleistung eingeführt, um den Flächenan-
pruch von 34 Hektar zu erhalten.
ber damals konnten Sie nicht voraussehen, dass die
reise für Grund und Boden in den neuen Bundesländern
b 2004 dermaßen ansteigen und der Flächenanspruch
urch die Kopplung von Bodenwert mit Bodenpreis
eute teilweise auf ein Drittel reduziert ist. Wenn man
ier davon spricht, dass wir jemanden begünstigen, muss
h entgegnen: Nein, wir stellen die Gerechtigkeit, die
urch den schwierigen politischen, gesellschaftlichen
ompromiss aus dem Jahr 1994 gewährleistet werden
ollte, wieder her; nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Jetzt sage ich noch etwas zu dem Märchen, man stelle
ie Agrarstrukturen der neuen Bundesländer infrage.
eit dem Jahr 1990 bis heute sind etwa 370 000 Hektar
on der BVVG veräußert worden. Der Direktverkauf an
ächter gliedert sich folgendermaßen auf – jetzt hören
ie gut zu –: 125 000 Hektar an Wiedereinrichter,
00 000 Hektar an Neueinrichter und 145 000 Hektar an
ristische Personen, also an Nachfolgebetriebe der ehe-
aligen DDR. Lediglich 18 000 Hektar, also 4,6 Prozent,
ind an nicht wirtschaftende Alteigentümer gegangen.
aher können Sie nicht sagen, dass die Agrarstruktur im
sten dadurch infrage gestellt wird. Diese Zahlen zei-
en, dass Sie hier die Unwahrheit gesagt haben.
Ich will noch auf Mecklenburg-Vorpommern zu spre-
hen kommen. In Mecklenburg-Vorpommern haben wir
ine landwirtschaftliche Nutzfläche von 1,3 Millionen
ektar. Der sogenannte sachverständige Minister
r. Backhaus hat am Montag vor elf Tagen ausgeführt,
ass er damit rechnet – es war sehr interessant, dass er
eine konkreten Zahlen vorlegen konnte –,
ass, wenn alle Anträge positiv beschieden würden,
0 000 bis 60 000 Hektar den nicht wirtschaftenden Alt-
igentümern zur Verfügung gestellt werden müssten.
as sind 5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche
ecklenburg-Vorpommerns.
Frau Tackmann, ich habe das Gesicht Ihrer Kollegin
esine Lötzsch am Montag vor elf Tagen gesehen, nach-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Dezember 2010 9221
Eckhardt Rehberg
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dem sie dem Sachverständigen, den Sie geladen hatten,
ihre Frage gestellt hatte. Ich zitiere einmal – ein hochin-
teressantes Zitat –:
Ich kann nur davor warnen, dass man das Kompro-
misspaket wieder aufschnürt; denn dann wird der
Rechtsfrieden infrage gestellt. …
Ich will mich sehr deutlich positionieren: Zum 1994
geschlossenen Kompromiss – sein Zustandekom-
men hat lange gedauert; er wurde immer wieder
von verschiedenen Seiten beklagt – sollte man ste-
hen. Man sollte im Hinblick auf den Erwerb von
Flächen durch nicht wirtschaftende Alteigentümer,
der aufgrund von wie auch immer zu verantworten-
den Verzögerungen nicht zustande kommt, für ei-
nen Ausgleich sorgen, indem man zu einer Stich-
tagsregelung zurückkehrt. Das betrachte ich
ebenfalls als eine Frage der Rechtssicherheit. …
Weiter:
Ich stehe auch dazu, dass für mich ein Alteigen-
tümer, der über Flächen mit einer Größe von 12, 15
oder 25 Hektar verfügt und nicht ortsansässig ist,
also die Flächen nicht selbst bewirtschaftet, viel-
leicht ein besserer Verpächter ist als jemand, der
das nur durch die fiskalische Brille sieht.
Ich glaube, besser kann man diesen unseren Kompro-
miss nicht beschreiben. Ich sage Ihnen noch, wer das ge-
sagt hat: Wolfgang Jaeger, über anderthalb Jahrzehnte
Hauptgeschäftsführer des Bauernverbandes von Meck-
lenburg-Vorpommern.
Danke schön.