Rede von
Rolf
Schwanitz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion
9216 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 82. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Dezember 2010
Rolf Schwanitz
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wird den Gesetzentwurf heute ablehnen. Ich will die drei
wichtigsten Gründe dafür nennen.
Erstens. Die Begünstigung, die mit dem Gesetzent-
wurf der Koalition gegenüber den nicht wirtschaftenden
Alteigentümern – diese Betonung ist durchaus notwen-
dig – vorgenommen wird, wird keinen Rechtsfrieden
schaffen. Sie schafft vielmehr neue Ungerechtigkeiten.
Mit der falschen Behauptung – das ist gerade bei mei-
nem Vorredner noch einmal angeklungen –, dass der Ge-
setzgeber quasi eine Erwerbsgarantie für eine bestimmte
Mindestfläche gegenüber den Alteigentümern ausge-
sprochen habe, werden jetzt, mit einer Kaufpreisgaran-
tie, die den maßgeblichen Verkehrswert zum Stichtag
1. Januar 2004 zugrunde legt, neue, exorbitant hohe
finanzielle Begünstigungen für Alteigentümer durchge-
setzt. Das entspricht in etwa einer Verdoppelung der
Ausgleichsleistungen, die der Gesetzgeber ursprünglich
vorgesehen hatte. Der Flächenerwerb durch die BVVG
wird dadurch zum Durchlauferhitzer für die Ausgleichs-
leistungsansprüche degradiert, zum Wertmaximierer für
die Alteigentümer. Das werden wir nicht unterstützen.
Damit wird ein zentraler Baustein des Entschädi-
gungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes von 1994 zer-
schlagen, nämlich die Gleichgewichtigkeit zwischen den
Ausgleichsleistungen auf der einen Seite und den Ent-
schädigungsleistungen auf der anderen Seite. Künftig
wird es Betroffene erster und zweiter Ordnung geben.
Diejenigen, die nach 1949 enteignet worden sind und
wegen der Unmöglichkeit der Restitution auch nur auf
Entschädigungsleistungen angewiesen sein werden, wer-
den in wenigen Wochen und Monaten bei Ihnen vor der
Tür stehen und ihre Rechte einklagen; Sie haben den
Rechtsfrieden zerstört.
Zweitens. Der Gesetzentwurf schafft eine massive
Benachteiligung der ostdeutschen Bauern beim Flächen-
erwerb. Wir wissen, dass nach den Verabredungen der
BVVG und der Bundesregierung mit den ostdeutschen
Ländern etwa 150 000 Hektar für den Erwerb durch
Pächter in Ostdeutschland, die langfristig pachten, vor-
gesehen sind. Das wird nicht nur infrage gestellt; es wird
vielmehr unmöglich gemacht. Die Privilegierung, die
Sie mit dem Gesetzentwurf herbeiführen, erzwingt eine
Umverteilung von Flächen zugunsten der Alteigentümer.
Dadurch werden die ostdeutschen Bauern zum Schluss
das Nachsehen haben. Sie werden kaum noch Chancen
haben, an diesem Flächenerwerb teilzunehmen.
Drittens. Ihr Vorhaben ist ein Klientelgeschenk, das
neue Löcher in den Bundeshaushalt reißt.
Das will ich als Haushälter nicht verschweigen. Sie als
einbringende Fraktionen haben gesagt: Das Ganze kostet
370 Millionen Euro.
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– Na gut, kein einziges Loch. Sie haben selber von
70 Millionen Euro gesprochen. – Sie gehen davon aus,
ass nur 20 Prozent der Berechtigten diese neuen Mög-
chkeiten in Anspruch nehmen. Die Betroffenenver-
ände hingegen sagen selber: Nahezu alle, nämlich
00 Prozent der Alteigentümer, werden sich diese Ver-
oppelung des Wertes ihrer Ansprüche nicht entgehen
ssen. – In Wahrheit liegt der Ausfall bei 1 bis 2 Milliar-
en Euro, die Ende Dezember quasi hinübergereicht
erden.
Diese Situation ist unzumutbar für die Betroffenen,
chlecht für die ostdeutschen Agrarstrukturen und für
en Steuerzahler. Deswegen sage ich: Heute ist eigent-
ch ein Schwarzer Freitag für die Steuerzahler und für
ie ostdeutschen Bauern.
Eine letzte Bemerkung. Die Bundesregierung hat im
ugust eine Veranstaltung mit dem Titel „20 Jahre Eini-
ungsvertrag“ durchgeführt. Hier sind die historischen
eistungen, insbesondere im Eigentumsbereich, gewür-
igt worden. Ich finde, Sie sollten sich angesichts des-
en, dass Sie nur zwei Monate später einen derartigen
esetzentwurf eingebracht haben, solche Veranstaltun-
en künftig sparen.