Rede von
Petra
Pau
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vorweg ein Satz an Sie, Kollegin Piltz: Richtig ist, der
Kollege Korte war nicht Mitglied der SED, aber ich war
Mitglied der SED.
Aus einem schmerzhaften Auseinandersetzungspro-
zess mit der verfehlten Politik der SED, mit dem Schei-
tern des realen Sozialismus und auch aufgrund persönli-
cher Verantwortung, die ich in der DDR getragen habe,
bin ich zu der festen Überzeugung gekommen: Eine so-
zialistische Partei ist nur dann eine linke Partei, wenn sie
Bürgerrechte und Demokratie verteidigt und sich dafür
einsetzt. Das kann der Kollege Korte genauso für sich in
Anspruch nehmen, wie die Kollegin Jelpke und jeder an-
dere Kollege aus der Fraktion Die Linke das für sich in
Anspruch nehmen kann.
– Das könnte Ihnen so passen, dass wir einen neuen Na-
men wählen und uns neu gründen, aber nicht den Ruck-
sack der Geschichte tragen. Nein, mit diesem Rucksack
der Geschichte nehme ich mir heute das Recht, mich mit
politischen Tendenzen auseinanderzusetzen, die aus mei-
ner Sicht falsch sind.
Damit kommen wir jetzt einmal zum Thema. Das
Bundesverfassungsgericht hat die praktizierte Vorratsda-
tenspeicherung aller Telekommunikationsdaten für ver-
fassungswidrig erklärt. Das war gut für den Datenschutz
und wichtig für den Rechtsstaat.
Das ist aber nicht das Ende der Geschichte, und das
erleben wir heute. Die Begehrlichkeiten nach immer
mehr persönlichen Daten sind ungebrochen. Das zeigen
die ersten Stellungnahmen nach dem Bundesverfas-
sungsgerichtsurteil, zum Beispiel die Stellungnahme von
Bundesinnenminister Thomas de Maizière.
Deshalb will Bündnis 90/Die Grünen mit dem aktuel-
len Antrag verhindern, dass die gerade gestoppte Vor-
ratsdatenspeicherung durch die EU-Hintertür wieder ein-
geführt und sogar noch ausgeweitet wird. Die Gefahr ist
real, und deshalb unterstützt die Linke den grünen An-
trag.
Zu alledem muss man die Vorgeschichte kennen. Vor
sechs Jahren debattierte der Bundestag erstmals über die
Vorratsdatenspeicherung aller Telekommunikationsver-
bindungsdaten. Der Bundestag lehnte seinerzeit, also
2004, dieses Ansinnen mit klarer Mehrheit ab.
Dann begann Kapitel 2 der Geschichte. Die damalige
Bundesregierung stampfte in Brüssel so lange mit den
Füßen, bis die EU-Kommission die Vorratsdatenspeiche-
rung verfügte, und zwar verbindlich für alle EU-Mit-
gliedstaaten. Das war 2006.
Kapitel 3 ist genauso schnell erzählt. Die damalige
Regierungskoalition, wieder bestehend aus CDU/CSU
und SPD, beschloss 2007 im Bundestag die noch kurz
zuvor einhellig abgelehnte Vorratsdatenspeicherung.
Man berief sich dabei auf die Europäische Union, quasi
auf einen höheren Notstand.
Kapitel 4 und 5 waren von der CDU/CSU und von der
SPD so nicht erwartet worden. Erst formierte sich unter
dem Kürzel „Vorratsdatenspeicherung“ eine bundes-
weite Bürgerrechtsbewegung. Sie drohte obendrein mit
Massenklagen beim Bundesverfassungsgericht. Dann
entschied das Bundesverfassungsgericht nach einer
Klage gegen den EU-Vertrag von Lissabon, dass EU-
Recht mitnichten deutsches Recht breche, jedenfalls
nicht, wenn dies gegen das Grundgesetz verstoße. Das
war 2009. Erfolgreich geklagt hatte übrigens die Linke.
Kapitel 6 fand am 2. März 2010 ein vorläufiges Ende.
In seinem Urteil erklärte das Bundesverfassungsgericht
die praktizierte Vorratsdatenspeicherung aller Telekom-
munikationsdaten für verfassungswidrig und das ent-
sprechende Gesetz für null und nichtig.
Umgehend folgte Kapitel 7. Während die einen das
Urteil des Verfassungsgerichts als Erfolg für den Rechts-
staat priesen, bliesen die anderen sofort zur nächsten At-
tacke. Und wieder droht der Trick aus Kapitel 2, nämlich
der Umweg über die EU-Instanzen.
Deshalb möchte ich anmerken: Wer unentwegt nach
Wegen sucht, verbriefte Bürgerrechte auszuhebeln, der
missachtet die Bürgerinnen und Bürger, gefährdet die
Demokratie und lanciert die Europäische Union in eine
zwielichtige, bürgerferne Ecke. Ich halte das für gefähr-
lich.
Nun fordert der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen
– ich zitiere: –
Die Bundesregierung möge auf der europäischen
Ebene Vorhaben, die Vorratsdatenspeicherungen
vorsehen, energisch … entgegentreten.
Ich hätte in diesem Antrag gern ein Wörtchen mehr,
nämlich „alle“ Vorhaben. Stichworte wie ELENA, elek-
tronischer Personalausweis oder elektronische Gesund-
heitskarte gehören dazu. Deshalb fordert die Linke im
Übrigen immer noch ein Moratorium für all diese elek-
tronischen Großprojekte.
Danke.