Rede von
Dr.
Kirsten
Tackmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Gäste! Die Sache mit dem Aufschwung
hat immer etwas mit der Perspektive zu tun, vor allen
Dingen bei der Antwort auf die Frage, wer von diesem
Aufschwung profitiert.
Ja, es gibt landwirtschaftliche Betriebe, die als Kron-
zeuge für den Aufschwung dienen. Vor allem reine
Ackerbaubetriebe profitieren von den steigenden Erzeu-
gerpreisen. Die Verlierer dieses Aufschwunges sind die
Empfängerinnen und Empfänger von Hartz IV, Nied-
riglöhnen und Armutsrenten und ihre Familien.
Ja, die Linke ist für kostendeckende Erzeugerpreise,
aber die müssten auch bezahlt werden können.
Deshalb darf die Agrarpolitik nicht die Augen vor der
wachsenden Armut in diesem Land verschließen. Ein
Blick auf die Ferkelerzeuger, die Milchviehbetriebe und
die kleinen Biokraftstoffproduzenten zeigt: Der Auf-
schwung hat nur einige Gewinner, aber viele Verlierer.
Dafür sind auch bundespolitische Entscheidungen ver-
antwortlich. Ein Beispiel: Wer den gesetzlichen Min-
destlohn verhindert, trägt dazu bei, dass erstens die
Kaufkraft in den Dörfern zunehmend schwindet, zwei-
tens fehlende existenzsichernde Arbeitsplätze die Land-
flucht beschleunigen und drittens sich der Fachkräfte-
mangel auch in der Landwirtschaft zuspitzt. Auf meiner
Sommertour durch landwirtschaftliche Betriebe in der
Prignitz, meinem Wahlkreis, habe ich die Standardfrage
gestellt: Wie stehen Sie zum Mindestlohn? Die Antwort
lautete unisono in allen Betrieben: Wir würden gern
8 Euro zahlen, aber wir können das nur, wenn alle das
müssen. Ein so klares Votum ist für mich ein klarer
Handlungsauftrag.
Andererseits ist aber auch richtig: Auf die eigentliche
Agrarpolitik hat die Bundesebene nur begrenzten Ein-
fluss. Hier dominieren Brüssel und die Bundesländer. In-
sofern ist der Bundesagrarhaushalt relativ schnell be-
sprochen.
Die Linke begrüßt die Beibehaltung des Bundeszu-
schusses an die landwirtschaftliche Sozialversicherung
von 3,7 Milliarden Euro. Damit ist bei einem Gesamtetat
von 5,3 Milliarden Euro das meiste Geld gebunden. Der
Ausbau der Breitbandversorgung in den ländlichen Räu-
men – das ist schon genannt worden – ist sehr wichtig.
Aber auch wir sehen das – da sind wir mit der FDP einer
Meinung – mit 10 Millionen Euro absolut unterfinanziert.
Außerdem ist das nicht nur ein Problem der ländlichen
Räume. Deswegen, denken wir, gehört es eigentlich in
den Etat von Herrn Tiefensee.
Beim Blick auf die Agrarressortforschung muss ich
erneut meine Verwunderung bezeugen. Die Verdoppe-
lung der Bausumme für den Institutsneubau auf der Insel
Riems – Herr Schirmbeck hat das schon genannt – von
151 Millionen Euro auf 315 Millionen Euro ist relativ
großzügig. Ja, auch die Linke befürwortet diesen Neu-
bau. Wir erwarten dieselbe Flexibilität aber auch bei an-
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s reicht nicht, damit wir ihm zustimmen, aber ist ange-
ichts des Gesamthaushaltes schon fast ein Lob.
Die aktuellste Bedrohung für die Landwirtschaft
ommt allerdings aus Brüssel. Die ländlichen Räume ha-
en seit 2005 20 bis 40 Prozent der EU-Fördermittel und
ährlich 60 bis 100 Millionen Euro Bundesmittel plus
ofinanzierungsmittel der Länder verloren. Nun will die
U-Kommission vorzeitig die Direktzahlungen an
andwirtschaftliche Betriebe kürzen. Allein Mecklen-
urg-Vorpommern würde dadurch über 80 Millionen
uro verlieren. Dieser Vorschlag bedroht die wirtschaft-
iche Existenz vor allem ostdeutscher Betriebe. Er ver-
ennt völlig ihre real schwierige wirtschaftliche Situa-
ion und die Besonderheiten Ostdeutschlands. Durch die
ogenannte Modulation geben die Landwirtschaftsbe-
riebe bereits jetzt Direktzahlungen an den ländlichen
aum ab. Laut aktuellem Agrarbericht reduziert das bei
en ostdeutschen Betrieben den durchschnittlichen Ge-
inn im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent. Alt-
chulden, Flächenerwerb, Eigenkapitalschwäche und die
ielzahl von Eigentümern sind weitere Stichworte für
ie ostdeutsche Landwirtschaft.
Deshalb meine dringende Aufforderung an Minister
eehofer: Verhindern Sie diesen Wortbruch! Die Be-
riebe brauchen Verlässlichkeit, und die Dörfer brauchen
ie Betriebe. Sie sind oft die letzten sicheren Arbeits-
lätze im ländlichen Raum.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.