Rede von
Kornelia
Möller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fand
es sehr erstaunlich, nach drei Jahren endlich einmal wie-
der eine sozialdemokratische Rede von der SPD zu hö-
ren. Das ist in der letzten Zeit doch eher selten gewesen.
Aber man darf daran keine falschen Hoffnungen knüp-
fen. Da sich die SPD ja nun mit der CDU/CSU eingelas-
sen hat, wird diese schöne Rede das bleiben, was sie ist:
Worte auf dem Papier. Schade!
Mit Mut und Menschlichkeit will die große Koalition,
glaubt man dem Leitmotiv ihrer Koalitionsvereinbarung,
unser Land regieren. Schön wäre das, möchte man mei-
nen. Überprüft man dann aber einige zentrale Vorhaben
wie zum Beispiel die ins Auge gefassten Veränderungen
in der Arbeitsmarktpolitik, kommen erhebliche Zweifel
auf. Schwarz-Rot setzt in seinem Koalitionsvertrag wei-
terhin auf die Senkung der Lohnzusatzkosten. Das
spiegelt das Festhalten an einem fehlgeschlagen neolibe-
ralen Kurs wider. Es hat nichts mit Mut zu tun, wenn
man die gleichen Fehler immer wieder macht.
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Die Medien machen bei dieser Diffamierungskampa-
ne mit und schon ist die Schuldfrage geklärt. Sie ziehen
as Fazit: Betrug, wohin man sieht, und die Ämter müs-
en dann natürlich die überwachen, die Leistungen miss-
rauchen. Dann kann man auch noch lesen, Hartz IV sei
m Prinzip ein gutes Gesetz. Aber mit der Stigmatisie-
ung Unschuldiger soll nur kaschiert werden, dass nicht
eistungsmissbrauch, sondern in erster Linie falsche Be-
echnungen und fatale Fehleinschätzungen der Vorgän-
erregierung zu den von Rot-Grün nicht erwarteten ho-
en Kosten für Hartz IV führten. Ganz deutlich: Es
324 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2005
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Kornelia Möller
fehlen Angebote auf dem Arbeitsmarkt. Hartz IV hat
nicht einen einzigen Arbeitsplatz gebracht.
Ganz schön ist auch die neue Überlegung, dass, um
600 Millionen Euro einzusparen, junge Arbeitslose von
dieser Koalition entmündigt werden. Mit überwachungs-
staatlichen Mitteln, neu ins Auge gefassten Regelungen
zum grundsätzlichen Rückgriffsrecht für junge Men-
schen bis 25 und zur Einschränkung des Erstwohnungs-
bezugs von Jugendlichen will die neue Regierung offen-
bar die Linie verfassungsrechtlich fragwürdiger
Einschränkungen der Menschenrechte durch die
Arbeitsmarktpolitik fortsetzen. Eine neue Welle von
Sozialgerichtsverfahren steht an. Ich kann Ihnen schon
jetzt sagen, dass wir, die Linke, auch weiterhin die Be-
troffenen bei der Wahrung ihrer Rechte unterstützen
werden.
Millionenfache Proteste im eigenen Land gegen die
Hartz-Gesetze hatten Rot-Grün, die in dieser Frage be-
reits als Teil einer großen Koalition handelten, kaum be-
eindruckt. Es musste erst der Europäische Gerichtshof in
einem Urteil nachweisen, dass die Hartz-Gesetze gegen
Menschenrechte verstoßen, da älteren Beschäftigten ab
ihrem 52. Lebensjahr unterschiedslos bis zum Ruhestand
befristete sowie unbegrenzt häufig verlängerte Arbeits-
verträge angeboten werden können.
Das verstößt gegen das Recht der EU und es schafft auch
nicht mehr Arbeitsplätze. Das ist Quatsch.
Wir fordern die Bundesregierung auf, bei neuen Vorha-
ben zum Arbeitsmarkt Diskriminierung energisch auszu-
schließen.
Wir bestehen ferner darauf, dass die bereits gültigen Ge-
setze daraufhin zu überprüfen sind. Ich wünsche mir,
dass vom Luxemburger Urteil auch ein Signal an die So-
zial- und Arbeitsrichter ausgeht,
die sich zurzeit so zahlreich mit Rechtsstreitigkeiten zu
den Hartz-Gesetzen befassen – ein Signal, das die
Richter ermutigt, Hartz IV und die übrigen Hartz-Ge-
setze ebenfalls auf den Prüfstand zu stellen, und zwar
auf den des Bundesverfassungsgerichts.
Hartz IV ist kein gutes Gesetz; Hartz IV ist ein
schlechtes Gesetz.
Deshalb reichen nach unserer Auffassung kleine Korrek-
turen auch nicht aus, obwohl kurzfristig die gröbsten
Ungerechtigkeiten dringend beseitigt werden müssen.
Dafür werden wir Vorschläge unterbreiten.
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