Rede von
Dr.
Norbert
Lammert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für den
ufsetzungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
en? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stim-
e? – Damit ist der Aufsetzungsantrag abgelehnt.
Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord-
ung um die erste Beratung des von der Bundes-
egierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
ie Statistik zur Informationsgesellschaft, Druck-
ache 16/40, zu erweitern und diese jetzt gleich als Zu-
atzpunkt 9 ohne Aussprache aufzurufen. – Ich stelle
est, damit sind Sie einverstanden.
Dann rufe ich den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 9
uf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
– Drucksache 16/40 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Kultur und Medien
Wir kommen gleich zur Überweisung. Hierzu wird
nterfraktionell vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur
ederführenden Beratung an den Ausschuss für Wirt-
chaft und Technologie und zur Mitberatung an den In-
enausschuss, den Finanzausschuss, den Ausschuss für
amilie, Senioren, Frauen und Jugend sowie an den Aus-
chuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
chätzung und den Ausschuss für Kultur und Medien zu
berweisen. Fühlt sich einer der nicht bedachten Aus-
chüsse benachteiligt? – Das scheint nicht der Fall zu
ein. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2005 313
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Präsident Dr. Norbert Lammert
Wir setzen nun die Aussprache zur Regierungserklä-
rung der Bundeskanzlerin fort. – Tagesordnungspunkt 1 –:
Regierungserklärung der Bundeskanzlerin
Ich darf daran erinnern, dass wir am Mittwoch für die
heutige Aussprache drei Stunden vereinbart haben.
Zusätzlich haben die Fraktionen vereinbart, die heu-
tige Tagesordnung um die Beratung des Antrags der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/120 zur Anglei-
chung des Arbeitslosengeldes II zu erweitern und diesen
als Zusatzpunkt 8 aufzurufen. – Auch dazu darf ich Ihr
Einverständnis feststellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beginnen die
heutige Aussprache mit den Themenbereichen Arbeit
und Soziales. Dazu rufe ich, wie gerade vereinbart, Ta-
gesordnungspunkt 8 sowie den soeben aufgesetzten Zu-
satzpunkt 8 auf:
8 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten
Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze
– Drucksache 16/109 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Gesine Lötzsch, Katja Kipping, Kornelia
Möller und der Fraktion DIE LINKE.
Angleichung des Arbeitslosengeldes II in den
neuen Ländern an das Niveau in den alten
Ländern rückwirkend zum 1. Januar 2005
– Drucksache 16/120 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Wir beginnen die Aussprache und ich erteile das Wort
zunächst dem Bundesminister für Arbeit und Soziales,
Franz Müntefering.
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und
Soziales:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
großen Veränderungen und Herausforderungen dieser
Zeit – die Globalisierung, die Europäisierung, die demo-
graphische Entwicklung, die Staatsverschuldung von
Bund, Ländern und Kommunen – haben in erheblichem
Umfang mit der Arbeit, der Beschäftigung und dem So-
zialen zu tun. Sie treffen die Menschen unmittelbar, teils
positiv, in erheblichem Maße aber auch negativ. Politi-
sche Antworten sind nicht leicht. Aber wir als Koalition
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Soziale Verantwortung der Wirtschaft heißt auch: Ar-
beitsplätze sichern und Arbeitsplätze schaffen. Es wird
viel gesprochen über die Attraktivität und die Zukunfts-
fähigkeit des Standortes Deutschland. Wer die Attrakti-
vität des Standortes Deutschland verbessern will, wer
Deutschland aus der Defensive führen will und wer so-
ziale Kosten reduzieren will, der muss mithelfen, dass
die Menschen Beschäftigung haben bzw. Beschäftigung
bekommen und dass die Arbeitslosigkeit abgebaut wird.
Hierbei sind alle gefordert, auch die deutsche Wirtschaft.
Wir müssen für Recht und Ordnung auf dem Arbeits-
markt sorgen. Wir haben uns in der Koalition vorgenom-
men, noch energischer und deutlicher als bisher gegen
illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit vorzuge-
hen.
Dafür sind wir vernünftiger organisiert als in den Jahren
zuvor. Wir haben in den letzten Jahren schon einiges er-
reicht, aber wir wollen diesen Weg weitergehen. Es gibt
hierzu zwar keine verlässlichen Zahlen, aber den Zahlen
zufolge, die genannt werden, sind im vergangenen Jahr
in Deutschland zwischen 200 und 300 Milliarden Euro
im Rahmen von illegaler Beschäftigung und Schwarz-
arbeit transportiert worden. Das zeigt ein tief greifendes
Problem in dieser Gesellschaft.
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Missbrauch kommt allerdings auch bei Arbeit-
ehmern vor. Darüber ist in den vergangenen Wochen
m Zusammenhang mit Hartz IV viel gesprochen wor-
en. Zwar glaube ich, dass das, was dazu gesagt worden
st, in der Darstellung übertrieben war. Aber ich glaube
uch, dass wir an dieser Stelle eine klare Sprache spre-
hen müssen. Das Gesetz, das wir zu Hartz IV gemacht
aben – miteinander –, birgt in sich die Möglichkeit der
ehnung und der Überdehnung. Manche nutzen das. Ich
preche hier nicht von Missbrauch, aber wir müssen das
esetz an einigen Stellen korrigieren und wollen dies
uch tun: Wir werden den Unterhaltsrückgriff für bis zu
5-Jährige wieder einführen. Die betreffenden Jugendli-
hen sollen bis zum Alter von 25 Jahren in der Regel
nicht in jedem Fall – zu Hause wohnen bleiben; die El-
ern, die Verwandten ersten Grades, dafür also in An-
pruch genommen werden können. Familie soll fürei-
ander stehen. Wir werden dafür sorgen, dass die teure
inanzierung der Erstwohnung – die frühzeitig zu bezie-
en ein bisschen Mode geworden ist; nicht überall, aber
ei manchen – hier ausgebremst wird. Wir wollen an
ieser Stelle 600 Millionen Euro sparen. Ich weiß, dass
as nicht allen gefällt, aber auch diese 600 Millionen
uro müssen schließlich erwirtschaftet werden, und
war von denen, die jeden Morgen um sechs Uhr zur Ar-
eit fahren, den ganzen Tag über arbeiten und dafür sor-
en, dass Steuern gezahlt werden.
ir müssen also fair bleiben und dürfen in diesem Zu-
ammenhang nicht von übertriebenem Missbrauch spre-
hen – den gibt es in ganz wenigen Fällen –, sondern wir
üssen einfach das Gesetz in die entsprechende Form
ringen.
Zum Arbeitsmarkt gehören nach Meinung der Koali-
ion geregelte Arbeitnehmer- und Arbeitgeberrechte.
as hat in Deutschland eine gute Tradition: Arbeitgeber
nd Arbeitnehmer können ihre Interessen bündeln und
rganisieren, um sie durchzusetzen; das ist besser als
ine Individualisierung der Arbeitnehmer- und Arbeitge-
errechte. Deshalb sind wir übereingekommen: Die Ta-
ifautonomie gilt, die Mitbestimmung gilt, das Betriebs-
erfassungsgesetz gilt. Wir möchten, dass Arbeitgeber
nd Arbeitnehmer ihre Interessen auch in Zukunft bün-
eln, sie durchsetzen und erstreiten können, in einem
laren Verfahren miteinander. Die Tarifautonomie ist ein
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2005 315
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Bundesminister Franz Müntefering
hohes Gut. Sie setzt voraus, dass Arbeitgeber- und Ar-
beitnehmerrechte auch in Zukunft gewahrt bleiben.
Wir haben uns dafür entschieden, beim Kündigungs-
schutz Änderungen vorzunehmen: Eine auf zwei Jahre
befristete Beschäftigung wird ersetzt durch eine bis zu
zweijährige Probezeit, „Wartezeit“ genannt.
Das ist in seiner Wirkung umstritten. Welche Wirkung es
hat, wird sich zeigen; jedenfalls wollen wir versuchen,
diesen Weg zu gehen. Die Probezeit von sechs Monaten
bleibt, aber sie kann verlängert werden auf bis zu
24 Monate. Ehe der eine oder andere sein Urteil darüber
abgibt, empfehle ich, abzuwarten, was in der Praxis da-
bei herauskommt.
Zu einer der zentralen Herausforderungen des Ar-
beitsmarktes gehört es, dass wir uns um die Jungen küm-
mern. Deshalb werden wir am Ausbildungspakt festhal-
ten. Der Ausbildungspakt ist ein Erfolg, trotz allem,
was dagegen gesagt wird. Als jemand, der sich lange
Zeit massiv dafür ausgesprochen hat, eine Ausbildungs-
platzabgabe einzuführen, wenn es denn nicht anders
geht, sage ich nun, nach zwei Jahren Erfahrung: Ja, das
hat sich gelohnt. Das war auch eine Erfahrung für mich.
Was der DIHK in ganz besonderer Weise, aber auch an-
dere Teile der Wirtschaft, etwa das Handwerk, dazu bei-
getragen haben, dass wir 32 000 zusätzliche Ausbil-
dungsplätze gewonnen haben, hat meinen Respekt. Ich
hoffe, dass wir das in den nächsten Jahren so fortsetzen
können. 32 000 neue Ausbildungsplätze und 20 000 bis
25 000 neue Praktikantenplätze – das ist ein Wort! Dies
lässt sich mit dieser Koalition so fortsetzen! Ich bitte da-
rum, dass sich die deutsche Wirtschaft dazu bereit er-
klärt.
Damit werden nicht alle Probleme der jungen Men-
schen gelöst. Viele junge Menschen sind in Warteschlei-
fen. Die arbeitslosen unter 25-Jährigen – es sind zwi-
schen 450 000 und 500 000 – sind keineswegs allein mit
solchen Anstrengungen wie dem Ausbildungspakt in Ar-
beit zu bringen. Sie müssen deshalb wissen: Das dauert.
Aber was wir in diesem Jahrzehnt erreichen wollen, ist,
dass wirklich kein junger Mann, keine junge Frau von
der Schulbank in die Arbeitslosigkeit fällt und dass die,
die unter 25 sind und arbeitslos werden, nicht länger als
drei Monate arbeitslos bleiben und spätestens dann wie-
der in Beschäftigung, Qualifizierung oder Weiterbildung
kommen.
Wolfgang Clement hat mit diesem wichtigen Vorha-
ben begonnen. Wir wollen das fortsetzen und forcieren.
Dass die jungen Menschen eine wirkliche Chance in die-
ser Gesellschaft haben, ist entscheidend dafür, um zu
vermeiden, dass sich bei ihnen eine Subkultur herausbil-
det, die für diese Gesellschaft nicht gut sein kann. Wir
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