Rede von
Anja
Hajduk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
ie SPD müsste jetzt eigentlich vollzählig klatschen;
enn, wie Herr Poß sagt: Das ist die Wahrheit.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005 239
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Anja Hajduk
Ich möchte deswegen ganz deutlich sagen: Ich will
Sie nicht dafür kritisieren, dass Herr Steinbrück stolz
darauf sein kann, dass bei der Union die Erkenntnis ein-
gezogen ist, dass der Abbau von Steuervergünstigungen
nichts anderes als eine sinnvolle Ausgabenkürzung im
Haushalt ist. Es ist notwendig, dass das diffamierende
Gerede in Ihren Reihen – „von der linken Tasche in die
rechte Tasche“ – aufhört. Ich will Sie nicht für die rich-
tige Einsicht heute kritisieren, aber ich muss sagen – das
trifft auch auf die Bundeskanzlerin Merkel zu –: Sie ha-
ben in der Vorwahlzeit und in der Wahlkampfzeit nicht
den Mut zur Wahrheit gehabt.
Sie haben angekündigt, 2006 einen nicht verfassungs-
konformen Haushalt aufzustellen.
Sie haben das nach erheblichen Streitereien, die auch die
Öffentlichkeit erreicht haben, korrigiert. Daraus kann
man zwei Punkte ableiten:
Erstens. Sie haben eine kurze Zeit überlegt, ob Sie
Skrupel haben müssen, Ihre Zweidrittelmehrheit auch
brutal gegen die Verfassung anzuwenden.
Sie sind dabei zu der Einsicht gekommen, dass das viel-
leicht nicht ganz klug wäre. Aus den Reihen der CDU ist
das aber gefordert worden.
Zweitens. Das zeigt, dass Sie bei den Privatisierungs-
erlösen für 2007 und 2008 eigentlich ein Polster benöti-
gen; denn der Satz, dass es unmöglich ist, nach der übli-
chen Regel einen verfassungskonformen Haushalt für
2006 aufzustellen, stimmt nicht. Den Schluck aus der
Pulle, den jetzt die rote Koalition
– Entschuldigung –, die große Koalition mit 40 Milliar-
den Neuverschuldung für 2006 nimmt, hätte sich Rot-
Grün nicht genehmigt und Finanzminister Eichel hätte
so etwas nie vorgeschlagen. Das ist die Wahrheit.
Ich will Ihnen sagen, dass ich es mir hier nicht leicht
machen möchte. Herr Steinbrück, auch wir hätten große
Probleme mit der Neuverschuldung in 2006 gehabt.
40 Milliarden Euro sind aber eine ganze Menge, dies ist
zu viel. Das könnten mehrere Milliarden weniger sein.
Ich sage das auch mit Blick auf die Zinsentwicklung, die
es in Zukunft geben wird.
Was Sie mit dieser Rekordverschuldung machen – es
sind von vornherein 40 Milliarden Euro –, ist der dop-
pelte Waigel. Ich will Ihnen dazu sagen: Dieser Haushalt
soll auffallend spät kommen. Es ist der doppelte Waigel,
weil er erst im Juli nächsten Jahres in Kraft treten soll.
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as ist der doppelte Waigel; denn der Haushalt, der 1991
ufgestellt wurde – damals war es eine große neue Leis-
ung, nach der Wiedervereinigung einen Haushalt aufzu-
tellen –, stand einen Monat früher im Gesetzblatt, als
ieser Haushalt 2006 der großen Koalition stehen soll.
Ich komme abschließend zu dem Punkt, der mir mit
lick auf die finanzpolitische Aufstellung der Koalition
m meisten Sorge bereitet. Haushaltskonsolidierung
unktioniert nur mit dem Abbau von Arbeitslosigkeit.
ch will es präziser sagen: Haushaltskonsolidierung
unktioniert nur mit der Zunahme von sozialversiche-
ungspflichtiger Beschäftigung. Ich habe die große
orge, dass Sie diesen Zusammenhang definitiv nicht
usreichend berücksichtigen. Sie entlasten den Haushalt
urchaus von versicherungsfremden Leistungen im Be-
eich Gesundheit. Da wollen Sie im Haushalt mehr als
Milliarden Euro einsparen.
ie legen aber keine Gesundheitsreform vor. Das macht
eutlich: Die Beiträge zur Krankenversicherung werden
teigen.
Sie haben schon ganz klar gesagt, dass Sie sich mit ei-
em Jahr Abstand nicht in der Lage sehen, den Beitrags-
atz zur Rentenversicherung stabil zu halten. Er wird um
indestens 0,4 Prozentpunkte steigen. Der Beitragssatz
ur Pflegeversicherung wird – das wissen Sie, Herr
hönnes – spätestens ab 2007 wahrscheinlich auch stei-
en, wenn Sie nicht mit einer Reform mehr als das errei-
hen, was Sie in den Koalitionsverhandlungen verein-
art haben.
Ich sage Ihnen voraus: Das, was Sie als Senkung der
rbeitslosenversicherung angekündigt haben – die
älfte von diesen 2 Prozentpunkten sind Auswirkungen
er rot-grünen Arbeitsmarktreform –, ist in Ihrem Re-
ormstau mit Blick auf die gesamten Lohnnebenkosten
chon längst aufgefressen. Bei den Lohnnebenkosten ist
iese Koalitionsvereinbarung trotz saftiger Erhöhung der
ehrwertsteuer ein Nullsummenspiel. Das ist mit Blick
uf Impulse zur Modernisierung der Haushalte und die
teuerfinanzierung von versicherungsfremden Leistun-
en ein Desaster. Das ist ein richtig schwaches Ergebnis
nd ein schlechter Start für die große Koalition.
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