Rede von
Diana
Golze
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
ehr geehrte Damen und Herren! In ihrer Regierungser-
lärung hat die Bundeskanzlerin ausgeführt, dass sich
ie neue Bundesregierung viele Taten vorgenommen hat.
ch hoffe, dass diesen Worten auf dem Gebiet der Kin-
er- und Jugendpolitik wirklich Taten im Sinne der jun-
en Menschen unseres Landes folgen.
Unter anderem sollen junge Menschen ermutigt wer-
en, sich für ein Leben mit Kindern zu entscheiden. Da-
ür wurde im Koalitionsvertrag die Schaffung von
30 000 zusätzlichen Betreuungsplätzen für Kinder un-
er 3 Jahren bis zum Jahr 2010 festgeschrieben. Der
wölfte Kinder- und Jugendbericht der rot-grünen Bun-
esregierung vom Herbst 2005 geht jedoch weiter und
mpfiehlt einen Rechtsanspruch bis 2010 für alle Kinder
on Geburt an. Diese Empfehlung sollte die neue Bun-
esregierung in die Tat umsetzen.
Die Länder und Kommunen müssen damit verbunden
ber auch die Möglichkeit bekommen, diesen Rechtsan-
pruch zu erfüllen. Vermutungen, die Kommunen könn-
en dies durch Einsparungen im Zusammenhang mit der
usammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
ewährleisten, sind mehr als vage und derzeit nicht be-
egbar.
Zum Thema Rechtsansprüche von Kindern sollte
ei der Bundesregierung jedoch noch einiges mehr auf
er Tagesordnung stehen. Trotz Protesten hat die Bun-
esregierung die UN-Kinderrechtskonvention bislang
ur unter ausländerrechtlichen Vorbehalten unterschrie-
en, nach denen das deutsche Ausländerrecht Vorrang
or den Verpflichtungen der Konvention hat.
ieser Zustand muss schnellstens überwunden werden.
Eine wichtige Frage ist weder im Koalitionsvertrag
och in der Regierungserklärung ausreichend beantwor-
et worden: Wie will die Bundesregierung gegen die
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005 219
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Diana Golze
wachsende Kinderarmut vorgehen? Kinderarmut hat in
der Bundesrepublik eine historisch neue Dimension er-
reicht. Nach einer Studie des Paritätischen Wohlfahrts-
verbandes hat die Einführung von Hartz IV zum Jahres-
beginn die Zahl der von Armut betroffenen Kinder auf
ein Rekordhoch von 1,7 Millionen steigen lassen. Insge-
samt leben 14,2 Prozent der Kinder in Deutschland in
Armut; das ist jedes siebte Kind, in Ostdeutschland so-
gar jedes vierte.
Kinderarmut nimmt den jüngsten Mitgliedern unserer
Gesellschaft die Zukunftschancen; denn die Weichen für
die Entwicklung werden in den ersten Lebensjahren ge-
stellt. Ich zitiere aus der Regierungserklärung: „Die
Menschlichkeit unserer Gesellschaft entscheidet sich da-
ran, wie wir mit ihnen umgehen.“ Gemeint waren damit
auch die Kinder.
Werte Kolleginnen und Kollegen, das Verständnis der
großen Koalition von Jugendlichen in unserem Land ist
äußerst widersprüchlich. Auf der einen Seite wird gerade
von Schulabgängern erwartet, dass sie sich auf die Suche
nach einem Ausbildungsplatz begeben und dabei flexi-
bel sind. Ebenso sollen sie dem Arbeitsmarkt nach ei-
nem erfolgreichen Abschluss, so sie denn überhaupt in
den Genuss eines solchen kommen, uneingeschränkt zur
Verfügung stehen. Andererseits sollen sie bis zum Alter
von 25 Jahren am elterlichen Rockzipfel hängen, um den
Staat nicht zu belasten. Von in der Verfassung festge-
schriebenen Bürgerrechten kann hier wohl keine Rede
sein, wenn wir sie den jungen Menschen nur dann ge-
währen, wenn es uns passt.
Wir müssen ihnen doch wenigstens die Chance auf ein
selbstbestimmtes und erfolgreiches Leben bieten. Der
Pakt für Ausbildung bietet diese Chance nicht.
Die Kinder und Jugendlichen sind die Zukunft unse-
res Landes. Wir sollten es uns heute nicht mit ihnen ver-
scherzen. Wir selbst werden im Alter die Folgen dessen
zu tragen haben und uns den Fragen der nachkommen-
den Generation stellen müssen.
Vielen Dank.