Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
err Minister, auch im Namen meiner Fraktion viel
lück für Ihre Arbeit. Wir werden Sie mit Herzblut, mit
achverstand, aber auch, wenn es nötig ist, mit der not-
endigen Angriffslust begleiten. Das verspreche ich Ih-
en.
Das Amt, das Sie jetzt innehaben, ist ein sehr wichti-
es Amt. Eigentlich ist es das Ministerium für existenzi-
lle Angelegenheiten: für sauberes Wasser, für saubere
uft, für die biologische Vielfalt, für die Bewahrung der
atur im weitesten Sinne, für den Schutz der Böden und
ür den Beitrag unseres Landes zum Schutz der globalen
mweltgüter wie der Meere, des Klimas und der Ozon-
chicht.
Das Umweltministerium ist, wenn man so will,
leichzeitig Verteidigungsministerium und Innovations-
inisterium. Es muss Natur und Umwelt verteidigen ge-
en machtvolle Interessengruppen, gegen Schadstoffe,
egen Übernutzung, gegen Rücksichtslosigkeit und ge-
en schlechte Gewohnheiten. Dieser Verteidigungsas-
ekt ist und bleibt wichtig. Man darf ihn nicht unter-
chätzen.
Aber dieses Ministerium ist auch – diese Auffassung
eilen wir; das sagen wir schon seit Jahren – ein Innova-
ionsministerium. Denn die Förderung von umweltent-
astenden Innovationen ist ein ganz zentraler Baustein
er Innovationspolitik. Dies betrifft Technologien aller
rt – einige wurden schon genannt –: von den erneuer-
aren Energien bis zur Weißen Biotechnologie, von effi-
ienter Kraftwerkstechnik bis zur Bionik oder von neuen
ntriebstechniken im Verkehr bis zu Biokraftstoffen und
rennstoffzellen. Es liegt ein weites Feld der unbegrenz-
en Möglichkeiten vor uns. Wir sollten uns dazu ent-
cheiden, es wirklich entdecken zu wollen. Da sollten
ir alle an einem Strang ziehen.
Wir sollten auch denjenigen die rote Karte zeigen, die
ie der BDI in seinem Positionspapier, über das heute
erichtet wird, immer noch so tun, als seien Ökologie,
mweltschutz und Nachhaltigkeit eines der zentralen
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Dr. Reinhard Loske
Entwicklungshemmnisse. Nein, meine sehr verehrten
Damen und Herren vom BDI, das Gegenteil ist der Fall.
Bitte begreifen Sie das endlich! Es ist wirklich zwin-
gend.
Es ist genauso wichtig, darauf hinzuweisen, dass Um-
weltpolitik als Innovationspolitik eben nicht nur Techno-
logiepolitik ist. Es geht auch um intelligente Instru-
mente. Es geht zum Beispiel um das Erneuerbare-
Energien-Gesetz und um die Ökosteuer, also um gezielte
Anreize zur Einsparung von Energie. Es geht um neue
Instrumente wie das Contracting, also quasi um das
Geldverdienen mit Energieeinsparung, und um den Top-
Runner-Ansatz, den wir schon eingebracht haben. Die-
ser Ansatz beinhaltet, dass nicht mehr der Staat, sondern
der Beste den Standard setzt. Alle sollen vom Markt flie-
gen, die diesen guten Standard nicht innerhalb einer ge-
wissen Frist erreichen.
Ein ganz wichtiger Punkt ist auch die Nachhaltig-
keitsstrategie. Hier muss der Dialog gesucht werden.
Man könnte sagen, dass Nachhaltigkeit im 21. Jahrhun-
dert ein anderes Wort für Generationengerechtigkeit, für
Nord-Süd-Gerechtigkeit und für Solidarität ist. So soll-
ten wir Nachhaltigkeit begreifen.
Das Umweltministerium – ich wiederhole es – ist
zwar ein wichtiges, aber auch ein sehr schwieriges
Ministerium, weil die meisten umwelt- und technologie-
politischen Entscheidungen natürlich in anderen Minis-
terien fallen: im Verkehrsministerium, im Bauministe-
rium, im Wirtschaftsministerium, im Agrarministerium
und im Forschungsministerium. Das heißt, der Umwelt-
minister muss sich qua Amt in andere Ressorts einmi-
schen. Das ist unbequem. Sein Erfolg hängt davon ab, ob
sich die gesamte Regierung an dem Ziel der Nachhaltig-
keit orientiert.
Ein Vorgehen nach dem Motto, macht ihr eures, ich
mache meines, wird definitiv zum Scheitern verurteilt
sein. Herr Gabriel, ich muss leider sagen – diese Kritik
meine ich durchaus ernst –, dass wir ein bisschen die Be-
fürchtung haben, dass Sie Ihre Arbeit so angehen wollen.
Sie müssten sich eigentlich in die Chemikalienpolitik,
die Agrogentechnik oder die Verkehrspolitik einmi-
schen.
Wenn jetzt zum Beispiel in der Zeitung zu lesen ist,
dass Sie sich dafür einsetzen, das EU-Chemikalien-
recht weiter zu entschärfen, dann muss ich dazu sagen:
Das ist ein starkes Stück. Sie wollen verhindern, dass der
Einsatz von besonders giftigen Chemikalien nur noch für
fünf Jahre genehmigt wird, was wir für richtig halten.
Sie wollen verhindern, dass besonders giftige Chemika-
lien einem Substitutionsgebot unterliegen, dass also
zwingend nach Alternativen gesucht werden muss, was
wir für richtig halten. Ich muss sagen: Es ist falsch und
ein ganz schlechtes Signal, wenn der Bundesumweltmi-
nister auf seiner ersten Sitzung im Ministerrat nicht für
die Interessen der Verbraucher und der Umwelt streitet,
sondern für vermeintliche Industrieinteressen. Das ist
auf der ganzen Linie falsch.
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Denn man muss ja wissen: Die Chemikalienrichtlinie
st bereits im Europaparlament deutlich verwässert wor-
en. Es ist völlig unakzeptabel, dass ausgerechnet die
eutsche Bundesregierung sie weiter verwässern will.
ch halte diesen Ansatz auch innovationspolitisch für
öllig falsch. Es kann doch nicht richtig sein, dass unge-
estete Altstoffe gegenüber Neustoffen, die einem lang-
ierigen Testverfahren unterzogen werden müssen, be-
orteilt werden. Das ist keine Innovationspolitik.
Wir fordern Sie deshalb auf, Ihre Blockadehaltung im
inisterrat aufzugeben. Das wollte ich Ihnen von hier
us sagen. Sie sollten dort nicht nur die Positionen des
CI und der IG BCE vortragen, sondern auch die Inte-
essen der deutschen Öffentlichkeit vertreten. Das ist in
iesem Fall wirklich wichtiger.
Wenn ich schon einmal beim Thema Ministerrat bin
auch das ist so eine Sache –: Sie haben sich laut Ihrem
oalitionsvertrag vorgenommen – das finde ich gut –,
ie Energieeffizienz in den Mittelpunkt zu stellen.
leichzeitig – noch gestern – hat das deutsche Wirt-
chaftsministerium versucht, die Energieeffizienzrichtli-
ie der Europäischen Union in den zuständigen Gremien
n Brüssel zu zerschießen. So geht das nicht. Wenn man
ffizienzpolitik wirklich betreiben will, dann sollte das
uf allen Ebenen erfolgen, also auch in Brüssel. Ande-
enfalls wird man unglaubwürdig.
Das Feld der Agrogentechnik wollen Sie anschei-
end der Union überlassen. Es ist ja bekannt, dass die
nion die Zwangsbeglückung der Bevölkerung mittels
enfood will. Wir haben das Gentechnikgesetz be-
chlossen, das Wahlfreiheit, Koexistenz und das Verur-
acherprinzip sicherstellt und das ökologisch sensible
ebiete in besonderer Weise schützt. Für Letzteres sind
ie zuständig. Denn eine der Hauptquellen der Kritik an
er Agrogentechnik ist, dass die ökologische Vielfalt
urch Auskreuzung gefährdet wird. Ich fordere Sie wirk-
ich auf, ganz genau hinzuschauen und nicht nach dem
otto zu verfahren: Na ja, das will die CDU/CSU, das
asse ich mal passieren. Das wäre grottenfalsch; das
öchte ich ganz klar sagen.
s kann nicht sein – wir haben ja die Haftungsregelung
ingeführt –, dass demnächst nach dem Motto verfahren
ird: Wer den Schaden hat, soll selbst herausfinden, wo
ie Ursache dafür liegt. Nein, wir brauchen auf diesem
ebiet ganz eindeutig die Verursacherhaftung.
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Dr. Reinhard Loske
Auch sollten Sie sich in den Bereich der Verkehrs-
politik stärker einmischen. Denn es kann nicht richtig
sein, einerseits Klimaschutz zu propagieren und anderer-
seits die Regionalisierungsmittel für die Bahn zusam-
menzustreichen. Das passt nicht zusammen. Es kann
auch nicht richtig sein, Klimaschutz zu propagieren und
in Zukunft wieder mehr Geld für den Straßenbau und
weniger für den Schienenbau auszugeben, obwohl wir
bereits eines der am dichtesten geflochtenen Straßen-
netze in Europa haben. Es kann auch nicht richtig sein,
Klagemöglichkeiten der Bürger und Naturschutzver-
bände zu beschneiden und Revisionsmöglichkeiten ein-
zuschränken. Das ist auch rechtspolitisch äußerst frag-
würdig.
Ich finde es gut, dass im Bereich der Atompolitik zu-
mindest einstweilen nicht am Atomausstieg gerüttelt
wird. Aber wir müssen höllisch aufpassen, dass die be-
stehende Übertragungsregelung nicht derart missbraucht
wird, dass Reststrommengen von neuen Kraftwerken auf
alte mit dem Ziel übertragen werden, dass es in dieser
Legislaturperiode bloß keine Abschaltungen gibt. Das
würde mehr Atommüll und weniger Sicherheit bedeuten.
Ich wünsche mir, dass Sie sich dafür einsetzen, dass das
nicht geschieht. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit.
Die Äußerungen des Kollegen Michael Müller im
Hinblick auf die Endlagersuche haben bei uns einige
Zweifel hinterlassen. Sie sagen, Sie wollten diese Suche
nicht mehr so vertieft und so langwierig durchführen.
Langwierigkeit ist natürlich schlecht. Aber die Suche
muss gründlich und solide erfolgen. Wir verlangen
– dazu werden wir in Bälde einen Gesetzentwurf vorle-
gen –, dass Sie ein ergebnisoffenes Verfahren gestalten,
bei dem alle geologischen Formationen in einem Ver-
gleich daraufhin untersucht werden, ob und, wenn ja,
wie sie als atomares Endlager geeignet sind. Das erwar-
ten wir von Ihnen.
Ich will ausdrücklich anerkennen, dass es im Koali-
tionsvertrag durchaus Kontinuität gibt. Bei der Altbau-
sanierung haben Sie sogar noch eins draufgesetzt. Herr
Eichel hat uns dies immer verweigert. Bei ihm hieß es
immer: Streichen, streichen, streichen. Jetzt wird dies
gemacht. Ich kann nur sagen: Gut so.
Auch beim EEG und im Bereich Klimaschutz sind
richtige Ansätze vorhanden. Es gibt aber auch viele Fra-
gezeichen, Dinge, die man jetzt noch gar nicht beurteilen
kann. Sie sagen, das EEG werde weitergeführt. Gut so.
Gleichzeitig wollen Sie der Industrie weitere Sonder-
regelungen einräumen. Das muss man sich einmal genau
ansehen. Auch der Klimaschutz soll weiter forciert wer-
den. Gut so. Gleichzeitig streichen Sie das 40-Prozent-
Ziel für das Jahr 2020.
Das halte ich für falsch.
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