Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Ströbele, nach Ihrer Rede ist mir eines nicht klar: Will
denn die Koalition, dass das Ganze zum Verbrechen he-
raufgestuft wird oder nicht? Zu dieser Frage habe ich un-
terschiedliche Stimmen gehört. Sie werden mir bzw. dem
Rechtsausschuss sicherlich eine Antwort darauf geben.
Als Haushälter, lieber Herr Stünker, und nicht als Mit-
glied des Innenausschusses darf ich darauf hinweisen,
dass das Haushaltsvolumen des Justizministeriums klein
ist – darin gebe ich Ihnen Recht, Frau Ministerin – und ei-
nen sehr hohen Kostenwirkungsgrad hat. Aber auch in
diesem Bereich – das müssen wir als Haushälter feststel-
len – wird gespart und mit dem Mittel der globalen Min-
derausgabe überproportional umgegangen, was ich, ge-
linde gesagt, nicht ganz fair finde.
Wir haben in den vergangenen Wochen allerdings er-
fahren, dass der Justiz in der Koalition leider eine sehr ge-
ringe Bedeutung zukommt. Sie führt ein Nischendasein.
Das wird im Koalitionsvertrag und auch in vielen anderen
Bereichen sichtbar. Ich behaupte ja nicht, dass das bei den
Rechtspolitikern oder bei Ihnen, Frau Ministerin, der Fall
ist. Wenn ich mir aber die große Linie anschaue, dann
muss ich feststellen, dass von Rechtspolitik herzlich we-
nig die Rede ist.
Es gibt aber noch eine andere Gefahr. Das Justizressort
wird in den Ländern und im Bund oft zur Beute gemacht.
Wir haben erlebt – wenn ich mich richtig erinnere, ist das
von allen Seiten kritisiert worden –, wie es beispielsweise
dem Innenminister oder dem Ministerpräsidenten zuge-
schlagen wurde. Dass so etwas geschieht, liegt nach mei-
ner Ansicht an der, auch fiskalisch gesehen, mangelnden
Größe des Justizministeriums. Dieser Gefahr sollten wir
begegnen. Das sage ich bewusst auch als Haushaltspoli-
tiker, der den Haushalt des Justizministeriums als wichtig
erachtet.
Es gibt nach meiner Meinung zwei Möglichkeiten, die-
ses Problem zu lösen: Frau Ministerin, ich weiß, dass Sie
die Bildung eines Rechtspflegeministeriums – in Rhein-
land-Pfalz gibt es ein solches Ministerium bereits seit lan-
gem; auch Hamburg hat ein solches Ministerium – auf
Bundesebene anstreben. Hier haben Sie die Unterstützung
der FDP. Einen solchen Vorschlag enthält – ich glaube:
seit Jahrzehnten – auch das FDP-Programm.
Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit. Da der In-
nenminister anwesend ist, fürchte ich, dass ich ein lautes
Aufstöhnen hören werde, wenn ich sie vortragen werde.
– Er hat immerhin denselben Vornamen wie ich. Es kann
also durchaus sein, dass er sich darüber empört, wie je-
mand mit einem solchen Vornamen so etwas sagen könne.
Ich persönlich bin der Ansicht, dass der Datenschutz,
der, wie wir alle wissen, aus historischen Gründen beim
Innenministerium angesiedelt ist, sehr gut in den Bereich
des Justizministeriums einzugliedern ist.
– Sie sehen, das Stöhnen beginnt bereits. – Herr Innen-
minister, man muss schon feststellen – ich habe eben Ihre
Rede am Fernseher verfolgt –, dass Sie, wenn man an die
vielen Behörden denkt, im Bundesinnenministerium ei-
nen riesigen Bauchladen haben. Deshalb wird Ihnen der
Verlust des kleinen Bereichs des Datenschutzes nicht
wehtun. Bedenken Sie, was Sie damit Ihrer Kollegin im
Justizministerium Gutes tun könnten.
– Das wäre eine andere Möglichkeit.
Ein kurzes Wort zur allgemeinen Gesetzgebungs-
arbeit:Wir alle wissen, dass der Rechtsausschuss und das
Justizministerium Großproduzenten sind, wenn es um das
Erlassen von Gesetzen geht. Die Gesetzgebungsarbeit
war in der Vergangenheit manchmal Pflicht und manch-
mal Kür. Daran, ob die Kür immer richtig war, habe ich
meine Zweifel, Herr Ströbele. Manche Kür, die Sie eben
genannt haben – ich nenne das Antidiskriminierungs-
gesetz als Beispiel –, ist eine Pflicht; denn sie beruht auf
der Pflicht, Richtlinien umzusetzen. Eines sollten wir bei
der Gesetzgebungsarbeit allerdings nicht tun – Herr
Ströbele, ich hoffe, dass Sie jetzt ganz heftig klatschen
werden –: Wir sollten durch gesetzgeberische Aktivitäten
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 1003
in keiner Weise politisches Handeln vortäuschen und
schon gar nicht Sicherheit vorgaukeln. Das darf nicht pas-
sieren.
Noch eine Sache: Ich gehe davon aus, dass es ange-
sichts der vielen Gesetze, die in der letzten Legislaturpe-
riode im Bundestag beschlossen worden sind, viele Kor-
rekturgesetze geben wird, durch die kleinere, aber auch
größere Unstimmigkeiten beseitigt werden.
Ein weiteres kleines Detail – auch das ist schon von der
Ministerin angesprochen worden – ist das Bundespatent-
amt. Über die Notwendigkeit, den dort vorhandenen An-
tragsstau abzubauen, ist bereits gesprochen worden. Ich
glaube, wir sind hier auf einem guten Weg. Ich muss Sie
als Haushälter aber auch davor warnen, dass es gerade in
diesem Bereich immer wieder Begehrlichkeiten seitens
des Finanzministeriums und anderer Ministerien gibt. Ich
muss sicherlich nicht darauf aufmerksam machen, dass
Patente für unsere Wirtschaft wichtig sind. Ich möchte
aber auf eine Sache besonders hinweisen: Für Mittel-
ständler ist es mit Blick auf die Kreditvergabe sehr wich-
tig, dass Patente schnell erteilt werden; denn gerade
Basel II sorgt dafür, dass es der Mittelstand in Zukunft
schwerer haben wird, Kredite zu erhalten.
Als Hauptberichterstatter darf ich in der letzten Minute
meiner Redezeit noch auf ein Problem im Einzelplan des
Bundesverfassungsgerichts hinweisen. Wegen überlanger
Verfahren haben wir alle – das betrifft den Bund, die
Länder und auch das Bundesverfassungsgericht – von
Straßburg kräftig eins auf die Nase bekommen. Aufgrund
der entsprechenden Urteile werden sich Schadenersatz-
forderungen ergeben. Diese werden aus dem Haushalt des
Bundesverfassungsgerichts zu decken sein. Jetzt besteht
die Gefahr, dass man in einen Teufelskreis gelangt – wir
müssen dieses Problem noch im Haushaltsjahr 2003 lö-
sen –: Wenn man die Mittel, die man für die Deckung der
Schadenersatzforderungen benötigt, bei den wissen-
schaftlichen Mitarbeitern einspart, dann bedeutet das,
dass sich die nächsten Verfahren vor dem Bundesverfas-
sungsgericht wieder verzögern, dass dann erneut Klagen
kommen werden und dass man wieder verurteilt wird.
Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden. Ich
werde mich zusammen mit den Berichterstattern der an-
deren Fraktionen sehr dafür einsetzen.
Ein letztes Wort: Haushälterische Sorgfalt und Weit-
sicht – ich hoffe dabei auf Ihre Unterstützung – verlangen
von uns allen Voraussicht. Ich bin sicher: Das freut Herrn
Götzer und die anderen Kolleginnen und Kollegen von
der CDU/CSU-Fraktion ganz besonders; denn man kann
es bereits in der Bibel im vierten Kapitel des ersten
Korintherbriefes lesen, wo es heißt:
Man fordert nicht mehr von den Haushaltern, als dass
sie für treu befunden werden.
Herzlichen Dank.