Rede von
Siegfried
Kauder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Ströbele, ist Ihnen bekannt, dass Vor-
schläge zum Bereich des Opferschutzes in der Schublade
der Frau Bundesjustizministerin liegen, die in der letzten
Legislaturperiode nicht abgearbeitet worden sind, bei-
spielsweise zur Frage des Adhäsionsverfahrens? Ist Ihnen
bekannt, dass auf europäischer Ebene Opferschutz-
vorschriften bestehen, die in Deutschland noch nicht um-
gesetzt worden sind, obwohl die Frist dafür am 22. März
dieses Jahres abgelaufen ist, sodass das Bundesjus-
tizministerium Gefahr läuft, auch in diesem Bereich einen
blauen Brief zu bekommen?
Das ist mir natürlich bekannt, Herr Kollege. Ich habe
selber an der Vorbereitung dieser Gesetze mitgewirkt und
bin stolz darauf, weil wir eine ganze Reihe von fortschritt-
lichen Bestimmungen vorgesehen haben.
Wir haben sie leider in der vergangenen Legislaturperiode
nicht mehr verabschieden können, weil wir sie am liebs-
ten in eine grundsätzliche Reform der Strafprozessord-
nung einbetten würden, in der man das alles sehr gut re-
geln könnte. Wir werden das angehen und es in naher
Zukunft mit Ihnen beraten und im Bundestag verabschie-
den.
Wie sieht unsere Kür aus?
Erstens wollen wir die Wirkung von Gesetzen, die aus
früherer Zeit stammen, überprüfen. Es geht darum, dass
Deutschland im Abhören von Telefonaten Weltmeister ist.
Wir wollen wissen, warum das so ist, wer davon betroffen
ist, wofür das erforderlich war, ob es wirklich zwingend
erforderlich ist oder ob gegebenenfalls Korrekturen not-
wendig sind. Wir warten das Gutachten ab; dann beginnen
wir mit der Überprüfung.
Zweitens wollen wir ein Antidiskriminierungsgesetz,
das Sie angegriffen haben. Wir meinen, dass es richtig und
notwendig ist, auch im Zivilrecht zu einer Antidiskrimi-
nierungsgesetzgebung zu kommen, sodass es sich auch
Arbeitgeber, Vermieter und Gastwirte aus finanziellen
und rechtlichen Gründen nicht leisten können, andere
etwa wegen ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer Haut-
farbe oder ihres Geschlechts zu diskriminieren. Ich
meine, dass dies längst überfällig ist.
Wir wollen beispielsweise auch verhindern, dass Ak-
ten, die in Deutschland von den Ermittlungsbehörden zu-
sammengetragen worden sind, etwa an Länder herausge-
geben werden, in denen sie dazu beitragen könnten, dass
in einem gerichtlichen Verfahren die Todesstrafe verhängt
und vollstreckt wird. Weil wir das nicht wollen, wollen
wir Sicherungen einbauen.
Lassen Sie mich abschließend eines bemerken: Zurzeit
gibt es in den Charts einen Song, der etwas mit der Dro-
genpolitik zu tun hat und in dem ich mit dem Satz „Gebt
das Hanf frei!“ zitiert werde.
Dieser Satz ist zwar aus dem Zusammenhang gerissen,
trotzdem stehe ich dazu.
Diese Forderung wird zwar von der Koalition und wahr-
scheinlich – das ist mir nicht bekannt – auch von der Mi-
nisterin noch nicht mitgetragen.
Hans-Christian Ströbele
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002
Hans-Christian Ströbele
Aber wir stehen dazu und wollen versuchen, diese Forde-
rung in dieser Legislaturperiode umzusetzen.
Wenn das nicht möglich ist, wollen wir einer Verein-
barung zufolge zumindest erreichen, dass Hanf und
Cannabis vom Arzt als Medizin verschrieben
– es gibt viele Kranke, die darauf angewiesen sind – und
von den Apotheken ausgegeben werden können.
Wir wollen, dass die Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichtes vollzogen wird, derzufolge der einfache
Besitz von Hanf nicht zum Verlust des Führerscheins
führen kann. Wir wollen, dass der Besitz bundesweit ein-
heitlich so geregelt wird, dass man nicht wegen ein paar
Gramm Haschisch in der Tasche verhaftet, vor Gericht ge-
zerrt und möglicherweise zu einer Strafe verurteilt werden
kann. Das sind unsere Ziele für eine freiheitlichere Ge-
sellschaft.