Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Es ist uns in der vergangenen Legislaturperiode
gelungen, die Justiz in entscheidenden Bereichen zu re-
formieren und zu modernisieren. Die Modernisierung der
Justiz ist jetzt auf einem guten Weg, nicht nur weil wir das
Zeitalter der gezackten Gebührenmarke beim Deutschen
Patent- und Markenamt inzwischen hinter uns gelassen
haben.
In den vor uns liegenden vier Jahren wird es nun darum
gehen, die verbliebenen Reformvorhaben in Angriff zu
nehmen und zum Abschluss zu bringen. Gleichzeitig gilt
es, die Modernisierung der Justiz weiter voranzutreiben
und die dort noch bestehenden Defizite weiter abzubauen.
Dass wir dies alles tun wollen, spiegelt sich auch im
Justizhaushalt wider. Natürlich konnte sich der Justiz-
haushalt den Bemühungen um die dringend erforderliche
Konsolidierung der Staatsfinanzen nicht verschließen. Es
ist aber gelungen, die Voraussetzungen zu schaffen, um
die erfolgreiche Reform- und Modernisierungspolitik
fortzusetzen. Dies ist umso beachtenswerter, als der Jus-
tizhaushalt, was sein Volumen anbelangt – wie Sie alle
wissen –, als klein anzusehen ist. Nicht umsonst wurde
hier immer wieder vom kleinen, aber feinen Justizhaus-
halt gesprochen. Der Anteil seiner Ausgaben an den Ge-
samtausgaben des Bundeshaushalts beträgt gerade einmal
0,14 Prozent.
In Zahlen ausgedrückt beträgt das Ausgabevolumen rund
350 Millionen Euro. Davon entfallen allein 306 Milli-
onen Euro auf Personal- und Verwaltungsausgaben.
Trotzdem gibt es im Haushalt durchaus einige wich-
tige Projekte – sie sind auch mit Geld unterlegt –, die
nichts mit der Gesetzgebung zu tun haben. Ein Beispiel
und wichtiger Posten in unserem Haushalt ist das Deut-
sche Forum für Kriminalprävention. In diesem Fo-
rum haben sich Bund, Länder, Kommunen, Religionsge-
meinschaften, Verbände und Wirtschaft an einen Tisch
gesetzt. Sie wollen die Erkenntnis, dass Kriminalprä-
vention eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, mit
Leben füllen.
Der Bundesinnenminister war im letzten Jahr der Vor-
sitzende des Deutschen Forums für Kriminalprävention.
Letzten Samstag durfte ich ihn ablösen und den Stab von
ihm übernehmen. Ich werde mich als Vorsitzende dieses
Kuratoriums weiter für die Fortschreibung der von Herrn
Innenminister Schily begonnenen guten Arbeit einsetzen.
Dazu werde ich zwei Bereiche vorschlagen: Zum einen
sollen gemeinsam mit der Wirtschaft Projekte in Angriff
genommen werden, mit denen die Technik dazu genutzt
wird, Kriminalprävention zu schaffen. Zum anderen will
ich gemeinsam mit der Kollegin Schmidt das Thema
Gewalt gegen ältere Menschen, insbesondere in Einrich-
tungen und der häuslichen Pflege, sowie gegen Behin-
derte offensiv aufgreifen, weil wir glauben, dass die Op-
fer von Gewalt gerade dort besonders hilflos sind, wo ihr
Leid verschwiegen und unter den Teppich gekehrt wird.
Meine Damen und Herren, der Justizhaushalt hat auch
die Opfer des Terrorismus nicht aus dem Blick verloren.
Entsprechend dem Ziel der Bundesregierung, die Schwä-
cheren zu schützen, haben wir bereits in diesem Jahr ei-
nen Entschädigungsfonds eingerichtet, aus dem Sofort-
hilfen an die Opfer terroristischer Anschläge ausgezahlt
werden können. Diesen Entschädigungsfonds werden wir
beibehalten.
Was den Bereich des Gesetzgebungsrechts angeht, so
will ich Themen ansprechen, die ich schon in der Debatte
über die Regierungserklärung des Kanzlers genannt habe.
Dazu gehört das Wirtschaftsrecht, das schon längst kein
exotisches Feld mehr für interessierte Betriebswirte,
Buchhalter und Manager ist. Wir werden deshalb in die-
ser Legislaturperiode unser Zehnpunkteprogramm zur
Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anleger-
schutzes umsetzen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 995
Wir wollen im Aktien- und Bilanzrecht die Mitglieder
von Vorständen und Aufsichtsräten stärker in die persön-
liche Haftung gegenüber den Aktionären nehmen
und das Wirtschaftsstrafrecht verschärfen.
Im Bilanz- und Abschlussprüfungsrecht verstärken wir die
Pflicht zur Wahrheit und Klarheit und führen einen exter-
nen Überwachungsmechanismus ein, das Enforcement.
Das sind Vorhaben, bei denen wir uns in Übereinstim-
mung mit der Wirtschaft befinden. Sie wissen, dass eine
Kommission Vorschläge vorgelegt hat, die von der Wirt-
schaft akzeptiert werden.
Wir wollen das Versicherungsvertragsrecht moderni-
sieren. Dort müssen wir die Behandlung von Gentests, die
Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung und die
Altersrückstände in der privaten Krankenversicherung re-
geln.
Zu einem ähnlichen Komplex gehört auch das Ur-
heberrecht in der Informationsgesellschaft. Sie wissen,
der erste Korb – wie wir es nennen – ist im Bundestag und
Bundesrat anhängig. Weitere Schritte werden wir ange-
hen; wir werden sie gemeinsam mit den Betroffenen, den
Urhebern, den Verwertungsgesellschaften und den Ver-
brauchern erörtern.
Ein Thema, das heute morgen in der Presse behandelt
wurde, ist das UWG. Es steht auf dem Prüfstand. Sie wis-
sen, dass wir die Reform mit der Einsetzung der Arbeits-
gruppe „Unlauterer Wettbewerb“ im Bundesministerium
der Justiz schon längst begonnen haben. In ihr sind hoch-
rangige Mitglieder aus der Industrie, dem Handel, dem
Handwerk, den Verbraucherverbänden, den Gewerkschaf-
ten und dem Bereich der Sachverständigen vertreten.
Allen möchte ich an dieser Stelle für ihre Arbeit dan-
ken und ankündigen, dass wir diesen Gesetzentwurf zügig
angehen werden. Dabei kann es nicht darum gehen – so
wird es teilweise gefordert –, punktuelle Lösungen wie
die Liberalisierung des § 7 UWG über Sonderveranstal-
tungen und Sonderangebote – auch „Lex C &A“ genannt –
vorzunehmen; denn das Wettbewerbsrecht betrifft den
Kernbereich der sozialen Marktwirtschaft. Ich meine des-
halb, dass wir eine stimmige Gesamtlösung brauchen und
punktuelle Eingriffe vermeiden sollten. Wir werden des-
halb im nächsten Jahr ein Gesamtkonzept vorlegen.
Ein Thema aus dem Wirtschaftsrecht würde ich gern
noch ansprechen, das mir aus meiner Tätigkeit in den letz-
ten vier Jahren besonders am Herzen liegt. Sie wissen,
wenn Deutschland Gastgeber der Olympischen Spiele im
Jahre 2012 sein will, dann müssen wir einen hinreichenden
markenrechtlichen Schutz der olympischen Symbole
sicherstellen. Das verlangt das IOC. Anderenfalls können
die Spiele nicht nach Deutschland vergeben werden.
Wir werden schnell einen entsprechenden Gesetzent-
wurf vorlegen; denn ich will, dass auch das Justizministe-
rium – ebenso wie der Rest der Bundesregierung – das
Seine tut, um die Bedingungen für die deutsche Bewer-
bung um die Olympischen Spiele zu erfüllen.
Ich hoffe natürlich sehr, dass diese Bewerbung dann auch
erfolgreich sein wird.
Ich gehe davon aus, dass auch die Kollegen von der Op-
position, selbst wenn sie jetzt nicht klatschen, dieses Ge-
setzesvorhaben unterstützen werden.
Auch auf das Betreuungsrecht, das der Kollege Funke
in der Debatte über die Regierungserklärung angespro-
chen hat, möchte ich kurz eingehen. Wir sind uns mit den
Ländern darin einig, dass hier etwas getan werden muss.
Im Interesse der Betroffenen und zum Schutz ihres Selbst-
bestimmungsrechts sollten Betreuungen nur dann einge-
richtet werden, wenn sie wirklich notwendig sind.
Ich werbe deshalb inzwischen für das Institut der Vorsor-
gevollmacht und setze mich für seine Stärkung ein. Was
wir wahrscheinlich auch brauchen werden, ist eine stär-
kere Notwendigkeitskontrolle bei den Betreuungen und
auch eine stärkere Einbindung der Sozialbehörden.
Es gibt eine Rechtstatsachenforschung zu diesem
Thema. Das Ergebnis wird Anfang 2003 und, bearbeitet
von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Mitte 2003 vorlie-
gen. Dann haben wir eine solide Grundlage für weitere
Schritte. Dann kann dieses Haus beraten, was davon um-
gesetzt werden soll.
Unsere Modernisierungspolitik ist aber nicht auf die Ge-
setzgebung beschränkt. Ein Schwerpunkt des Justizhaus-
halts liegt – wie in den vergangenen Jahren – beim Deut-
schen Patent- und Markenamt. Sie wissen, wir sind
dabei, dieses Amt zu modernisieren. Nach wie vor befindet
sich die Zahl der Anmeldungen im Patentbereich auf höchs-
tem Niveau. Im Jahre 2001 sind 64151 Anmeldungen er-
folgt. Das ist für sich genommen sehr erfreulich. Die Zah-
len sind auch ein handfester Beweis dafür, dass die Justiz
das ihre tut, um den Wirtschaftsstandort Deutschland at-
traktiv zu machen; sie belegen auch die Innovationskraft
Deutschlands.
Der stetige Anstieg der Anmeldezahlen seit Mitte der
90er-Jahre bedeutet für uns die Verpflichtung, das Amt
personell und sächlich vernünftig auszustatten, damit die
Menschen, die dort arbeiten, auch in der Lage sind, diese
Anträge schnell zu bearbeiten. Das war in der Vergangen-
heit nicht immer der Fall. Die Zahl der Patentprüfer war
von 1993 bis 1998 von 654 auf 554 zusammengestrichen
worden.
Der Stau, der sich damals gebildet hat, muss jetzt abgear-
beitet werden. Im Markenbereich hat das Amt bereits den
Bundesministerin Brigitte Zypries
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002
Bundesministerin Brigitte Zypries
Break-even-Point erreicht. Es kann jetzt mehr Anträge
bearbeiten, als neu eingehen. Das ist, wie ich finde, ein
sehr erfreuliches Ergebnis.
Auch im Patentbereich sind wir von diesem Punkt nicht
mehr fern. Diesen Weg werden wir entschlossen fortset-
zen. Deshalb haben wir im Regierungsentwurf auch vor-
gesehen, dass 60 neue Planstellen für Patentprüfer ge-
schaffen werden.
Ich glaube, dass dieser Personalzuwachs eine vernünftige
Innovationsmaßnahme und – parallel mit dem Ausbau der
Informationstechnik in dem Amt – auch ein unverzicht-
barer Beitrag zum Standort Deutschland ist.
Im Übrigen ist es so, dass sich der Haushalt des Deut-
schen Patent- und Markenamtes insofern „erkenntlich“
zeigt, als er die Einnahmen für den Justizhaushalt erwirt-
schaftet; denn der Justizhaushalt ist nicht nur klein und
fein, sondern es ist auch der einzige Haushalt, der ungefähr
80 Prozent seines Volumens selbst erwirtschaftet, eben vor
allem über dieses Deutsche Patent- und Markenamt.
Das wollen wir weiter unterstützen.
Lassen Sie mich noch erwähnen, dass sich die erfolg-
reiche Tätigkeit im Patentbereich auf die Gerichte aus-
dehnt. Auch in der Patentgerichtsbarkeit ist Deutsch-
land in Europa führend. Ungefähr zwei Drittel der etwa
800 anhängigen europäischen Patentstreitigkeiten werden
in Deutschland geführt. Wir kämpfen im Moment im eu-
ropäischen Kontext sehr stark dafür, dass diese Regelung
über die Gerichtsbarkeit so bleibt. Das Gemeinschafts-
patent darf die bewährte Patentgerichtsbarkeit in Deutsch-
land nicht gefährden.
Zu guter Letzt, meine Damen und Herren, noch zwei
Worte zu einem Thema, das wahrscheinlich insbesondere
die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte unter Ihnen in-
teressiert,
die Anwaltsgebührenerhöhung. Ich habe eben beim
parlamentarischen Abend der Bundesrechtsanwaltskam-
mer gesagt, dass ich das Anliegen, die Gebühren nach vie-
len Jahren wieder einmal anzupassen, für berechtigt halte.
Wenn wir dies durchsetzen wollen – das habe ich auch ge-
sagt –, können wir das nur gemeinsam mit den Ländern tun.
Ich habe den Kollegen Gasser gebeten, zwei Minister
aus den A-Ländern und zwei Minister aus den B-Ländern
zu benennen, mit denen wir eine kleine Arbeitsgruppe bil-
den können, um das einmal vorzubesprechen. Dann müs-
sen wir mit den Anwaltsverbänden reden. Ich wäre Ihnen
dankbar, meine Damen und Herren von der Opposition,
wenn Sie auch mit den von Ihnen regierten Ländern spre-
chen würden, insbesondere mit den Finanzministern,
nicht nur mit den Justizministern; denn die Justizminister
sind hier sowieso unserer Ansicht. Aber wir müssen auch
die Finanzminister der Länder dazu bekommen, dieses
Vorhaben mitzutragen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit zu später
Stunde.